Große Beutegreifer und Natura 2000: Europäische Netzwerke für den Naturschutz - Bayern.de
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Natura 2000 Abbildung 1 Stefanie Klein und Moritz Klose Behirtung von Schafen Große Beutegreifer und Natura 2000: in Rumänien. Angriffe von großen Beutegreifern auf Nutztiere sorgen in vielen Europäische Netzwerke für den Naturschutz Regionen Europas für Konfliktpotenzial (Foto: Cornelia Dörr). Das grenzübergreifende EU-Projekt LIFE EuroLargeCarnivores bringt Menschen zusammen, um sich über Lösungen für das Zusammenleben mit großen Beutegreifern auszutauschen. Die Schutzgebiete sind dabei ein Teil der Lösung, aber nur im Zusammenspiel mit Management und Kommunikation erfolgreich. Der vorliegende Text stellt die Bedeutung von Fauna-Flora-Habitat (FFH) und Natura 2000 für den Schutz großer Beutegreifer dar und schlägt Ansätze zur Lösung von Mensch-Wildtier-Konflikten vor. 1. Die Rückkehr von Wolf, Bär, Luchs hinausreichen. In den dicht besiedelten Kultur- und Vielfraß landschaften kommen sie so auch in die Nähe Wolf, Luchs, Bär und Vielfraß leben in vielen Re- menschlicher Siedlungen sowie von Nutztieren. gionen Europas. Mancherorts waren die großen Dadurch entstehen Konflikte und Ängste und Beutegreifer nie weg, in andere Gegenden kehren die Akzeptanz für ein Zusammenleben mit ihnen sie zurück. Letzteres verdanken sie insbesondere nimmt ab. dem strengen Schutz durch die Fauna-Flora- Habitatrichtlinie und teilweise dem Netz von Mit dem Projekt LIFE EuroLargeCarnivores möchte Natura 2000-Gebieten. Auf der Suche nach der WWF (World Wide Fund For Nature) mit neuen Revieren legen die Raubtiere jedoch seinen Partnern ein europäisches Netzwerk für oftmals große Strecken zurück und beanspruchen den Austausch von Erfahrungen und für mehr Flächen, die weit über bestehende Schutzgebiete Akzeptanz für das Zusammenleben mit großen ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019 189
S. Klein & M. Klose : Natura 2000 Große Beutegreifer und Natura 2000 Abbildung 2 Logoansichten des LIFE-Programmes und der „Euro Large Carnivores“ Beutegreifern schaffen. Denn dort wo die Tiere Schutzgebietes liegen und auch keine Flächen, schon länger oder dauerhaft vorkommen, haben die eigens für den Schutz der Art ausgewiesen die Menschen vielfach bereits funktionierende wurden. FFH hat dennoch wesentlich zum Schutz Ansätze gefunden, um Konflikte zu vermindern. der Wölfe beitragen: Nach der Wiedervereinigung Die 16 Projektpartner möchten diese Erfahrungen weitete sich der strenge Schutz auf die ostdeut- öffentlich machen und weitertragen. Das Projekt schen Gebiete aus. Der bis dahin übliche Abschuss fokussiert sich dabei auf verschiedene Regionen, in der DDR wurde untersagt und Wölfe genießen in denen sich Populationen über Grenzen hinweg seitdem einen hohen Schutzstatus. Dies hat ausbreiten (werden). Dazu gehören Skandinavien, erheblich zur Förderung der sich aufbauenden die Iberische Halbinsel, die Karpaten sowie das Populationen beigetragen. Wölfe benötigen nördliche Zentraleuropa und der Alpenraum. keine Wildnis; sie finden sich sehr gut in unserer Kulturlandschaft zurecht. Wie eine aktuelle Studie 2. Große Beutegreifer in (R einhardt et al. 2019) zeigt, spielen Truppen- Natura 2000-Gebieten übungsplätze als Trittsteinlebensräume ein wich- Die Auszeichnung von Natura 2000-Gebieten kann tige Rolle bei der Wiederbesiedlung Deutschlands ein wichtiger Aspekt für den Schutz von Wolf, Bär, mit dem Wolf. So gehen wir derzeit von 73 Wolfs- Luchs und Vielfraß sein. Die Wirkung der Gebiete rudeln und 31 Paaren in Deutschland aus. hängt jedoch stark von Land und Tierart ab. Menschen, die in der Nähe der Schutzgebiete Vielfraß in Skandinavien: In Skandinavien gibt es und großer Beutegreifer leben, sollten beteiligt rund 1.000 Vielfraße, der sogenannte Bärenmarder werden: ist nur in Norwegen, Finnland und Schweden zu Hause. In Lappland steht er als geschützte Art auf Iberischer Luchs in Spanien: In Spanien und den Listen vieler großer Natura 2000-Gebiete und Portugal leisten die Natura 2000-Gebiete einen wird trotzdem gnadenlos verfolgt. Seit 2016 ist wichtigen Beitrag zur Rettung des Iberischen die Jagd auf den Vielfraß selbst innerhalb der Luchses. Noch vor wenigen Jahren war der Schutzgebiete erlaubt, dazu kommen zahlreiche kleinste Vertreter der Luchsfamilie bis auf wenige illegal getötete Tiere. Eine Studie aus Schweden freilebende Exemplare fast ausgestorben. Dann (Rauset et al. 2016) zeigt sogar, dass die Beute- startete ein Zuchtprogramm und die Regierung greifer wie Wolf, Bär und Luchs in den geschützten wies große Schutzgebiete als neue Lebensräume Gebieten gefährlicher leben als außerhalb. Die für die Katzen aus. Heute gibt es dort wieder rund Wilderer haben hier leichtes Spiel, da es weder 500 Luchse. Der Erfolg ist vor allem auch den regelmäßige Patrouillen noch viele Besucher gibt, eigens für die Tiere geschaffenen FFH-Gebieten die sie auf frischer Tat ertappen könnten. zu verdanken. Es wurden überdurchschnittlich große Flächen geschützt, die genau den Lebens- Am Beispiel der skandinavischen Beutegreifer raumansprüchen des Luchses entsprechen – zeigt sich deutlich, dass es nicht reicht, Schutzge- auch länderübergreifend zwischen Spanien und biete zu schaffen, dass diese im Extremfall sogar Portugal. Hier zeigt sich, wie wichtig die europa- negative Auswirkungen auf die Arten haben weite Zusammenarbeit beim Schutz wandernder können. Ein übergreifendes Management unter Tierarten ist, denn Luchse und andere Wildtiere Einbeziehung der verschiedenen Interessens- kennen keine Ländergrenzen. gruppen ist nötig. Insbesondere beim Schutz von konfliktträchtigen Arten wie großen Beutegreifern Wölfe in Deutschland: Über 150 Jahren lang waren müssen die Bedürfnisse der Bevölkerung viel sie ausgerottet. Seit der Jahrtausendwende kehren stärker einbezogen werden. Wölfe von selbst aus Polen nach Deutschland zurück. Es gibt in Deutschland keine Wolfsreviere, die vollständig innerhalb eines ausgewiesenen 190 ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019
S. Klein & M. Klose: Große Beutegreifer und Natura 2000 Natura 2000 Abbildung 3 Informationsveranstal- 3. Die Kommunikation als Basis für Erfolg – Aspekte, um unterschiedliche Wertevorstellungen tung für Weidetierhal- LIFE EuroLargeCarnivores und Weltbilder. Die damit verbundenen Heraus- ter in Sachsen-Anhalt: Egal ob Deutschland, Spanien oder Skandinavien: forderungen sind jedoch in vielen Teilen Europas Tierhalter tauschen sich untereinander zu Neben dem Schutz über Gesetze und der ähnlich, sodass ein gemeinsames Vorgehen lohnt. Schutzmaßnahmen vor Ausweisung von Schutzgebieten braucht es Wolfsübergriffen aus gerade für die großen Beutegreifer einen ganz- In Deutschland führt die Rückkehr der Wölfe zu (Foto: Nina Gandl). heitlichen Ansatz, um Akzeptanz zu schaffen. sehr emotionalen Diskussionen. Dabei geht es Konflikte lassen sich nur dann lösen, wenn die etwa um Fragen der öffentlichen Sicherheit, des Interessen der unterschiedlichen Gruppen zur strengen Schutzes, einer möglichen Bejagung Sprache kommen und Ängste gehört werden. Die oder sogar der Ausweisung von wolfsfreien auftretenden Konflikte sind oft sehr vielschichtig, Zonen. Die meisten Konflikte gibt es zwischen wie auch die Arbeit „Steigerung der Akzeptanz Wolf und Weidetierhaltung. Neben den wirt- von FFH-Gebieten“ (Sauer et al. 2005) zeigt. Die schaftlichen Schäden, stellen Nutztierrisse eine Autoren machen deutlich, dass es oft ganz unter- emotionale Belastung für die Weidetierhalter dar schiedliche Ursachen als Auslöser für die Probleme und der Herdenschutz bringt einen finanziellen zu berücksichtigen gilt. Materielle Verluste sind Mehraufwand mit sich, der zwar größtenteils über dabei nur ein Beispiel, oftmals geht es auch um staatliche Förderungen gedeckt ist. Der zusätz- emotionale Verluste, persönliche Interessen, um liche Arbeitsaufwand für den Bau und die Über- Werte und Beziehungen der beteiligten Personen prüfung der Zäune wird dabei bisher jedoch oder Gruppen untereinander. leider häufig nicht berücksichtigt. Extensive Weidewirtschaft leistet jedoch einen existen- All diese Sach-, Interessens-, Wert- und Beziehungs- ziellen Beitrag für den Erhalt unserer Kulturland- konflikte kommen vor allem dort zum Tragen, wo schaft – auch in Natura 2000-Gebieten. Unab- sich große Beutegreifer wieder ansiedeln und hängig von der Diskussion um die Rückkehr des ausbreiten – hier besonders in den ländlichen Wolfes ist längst überfällig, dass Weidetierhalter Regionen. Wie eine Studie von Lüchtrath & einen angemessenen Ausgleich für ihre ökolo- Schraml (2015) zeigt, geht es bei den aufkom- gischen und gesellschaftlichen Leistungen menden Debatten häufig nicht um die Tiere, erhalten müssen. Hierfür setzt sich das Projekt sondern um soziale und gesellschaftliche auch auf EU-Ebene ein. Dabei dürfen Wolf und ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019 191
S. Klein & M. Klose : Natura 2000 Große Beutegreifer und Natura 2000 Weidetierhaltung nicht gegeneinander ausge- Methoden in der Konfliktmediation angeboten, spielt werden. Um einen flächendeckenden zum Beispiel für ehrenamtliche Wolfsbeauftragte. Einsatz von Herdenschutzmaßnahmen zu fördern, Darauf aufbauend sollen runde Tische mit einer unterstützt LIFE EuroLargeCarnivores den europa- großen Anzahl an Akteuren organisiert werden. weiten Austausch und bringt Tierhalter aus unter- Am Ende soll ein Netzwerk stehen, das das schiedlichen Regionen zusammen, um sich über vorhandene Wissen bündelt und so dafür sorgt, wirkungsvollen Herdenschutz auszutauschen. dass die Menschen mit Luchs, Bär, Wolf und Viel- Dafür werden Workshops mit Weidetierhaltern fraß innerhalb und außerhalb von Natura 2000- aus unterschiedlichen Regionen Europas organi- Gebieten langfristig zusammenleben können. siert. Literatur So wird es möglich, dass ein Rinderhalter aus Rauset, G. R., Andrén, H., Swenson, J. E., Samelius, G., Se- Sachsen-Anhalt seine Erfahrungen zum Herden- gerström, P., Zedrosser, A. et al. (2016): National parks schutz zunächst an die Kollegen aus der näheren in northern Sweden as refuges for illegal killing of Umgebung und zukünftig auch an Tierhalter aus large carnivores. – Studie Schweden, Conservation Letters 9(5): 334–341. anderen europäischen Ländern weitergibt. Im Frühjahr 2020 organisiert das Projekt darüber Reinhardt, I., Kluth, G., Nowak, C., Szentiks, C. A., Krone, hinaus eine internationale Konferenz zum O., Ansorge, H. & Mueller, T. (2019): Military training areas facilitate the recolonization of wolves in Ger- Herdenschutz im Alpenraum. many. – Conservation Letters: e12635. Neben dem Herdenschutz geht es aber auch um Sauer, A., Luz, F., Suda, M. & Weiland, U. (2005): Steige- das Monitoring und das Management der Tiere rung der Akzeptanz von FFH-Gebieten. – Studie Akzeptanz FFH-Gebiete. sowie um eine engere Zusammenarbeit mit den Medien. Dafür suchen die im Projekt beteiligten Lüchtrath, A. & Schraml, U. (2015). The missing lynx – WWF-Büros sowie Partner aus Wissenschaft und understanding hunters‘ opposition to large carni- vores. – Studie zur Akzeptanz von großen Beute- Naturschutz den Kontakt zu Jägern, Förstern, greifern unter Jägern, Wildlife Biology 21(2): 110–119. Wissenschaftlern, Naturschützern und vielen anderen Interessensgruppen. Um einen konstruk- tiven Dialog zu fördern, werden Schulungen zu Autoren Moritz Klose, Jahrgang 1987. Moritz Klose koordiniert beim WWF Artenschutz- projekte in Deutschland und Europa. Er hat Biologie und Naturschutz studiert und begleitet seit vielen Jahren insbesondere die Rückkehr von Wolf und Luchs nach Deutschland. Er ist Projektleiter von LIFE EuroLargeCarnivores. Weitere Informationen Projektleiter LIFE EuroLargeCarnivores Moritz.Klose@wwf.de Alle Informationen zum Projekt und Beispiele für das erfolgreiche Zusammenleben finden sich auf www.eurolargecarnivores.eu. Stefanie Klein, Wir laden Sie herzlich ein, Ihre Erfahrungen Jahrgang 1980. zu teilen. Stefanie Klein, Kommunikationsexpertin und zertifizierte Waldpädagogin mit Schwerpunkten Nachhaltigkeitskommunikation und Umweltbildung. Ehemalige Pressereferentin beim WWF für das Zitiervorschlag Projekt LIFE EuroLargeCarnivores. Klose, M. & Klein, S. (2019): Große Beutegreifer und Natura 2000: Europäische Netzwerke für den Kommunikation LIFE EuroLargeCarnivores Naturschutz. – ANLiegen Natur 41(1): 189 –192, klein.stefanie@googlemail.com Laufen; www.anl.bayern.de/publikationen. 192 ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019
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