Herausfordernde Mathematikaufgaben in digitalen Lernmanagementsystemen am Beispiel Moodle

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Herausfordernde Mathematikaufgaben in digitalen Lernmanagementsystemen am Beispiel Moodle
24       Digitales Lehren und Lernen                                                                      GDM-Mitteilungen 110 · 2021

         Herausfordernde Mathematikaufgaben
         in digitalen Lernmanagementsystemen am Beispiel Moodle

         Sebastian Linden

         In diesem Aufsatz formuliere ich Ziele des Einsat-              mit denen nicht nur die Aufgabenstellung trans-
         zes von digitalen Lernmanagementsystemen (LMS)                  portiert, sondern auch die Aufgabe bearbeitet, die
         für die Aufgabenkultur in der Mathematikausbil-                 Antwort übermittelt, Feedback ausgegeben und auf
         dung an Hochschulen für Angewandte Wissen-                      Lernressourcen verwiesen wird. Digitale Medien
         schaften und diskutiere am Beispiel Moodle die                  sind kein Neuland mehr und es ist nicht erforder-
         Möglichkeiten des LMS, herausfordernde, offene                  lich, den grundsätzlichen Bedarf am Einsatz von
         Mathematikaufgaben und einen diskursiven Um-                    digitalen Medien in der Lehre, ob an Schule oder
         gang mit Fehlern zur Aufgabenkultur beizutragen.                Hochschule, zu motivieren – dies gilt noch mehr in
                                                                         Zeiten der Covid19-Pandemie. Wenn Digitales aber
                                                                         kein Selbstzweck sein soll, so ist zu fragen, wie der
         1    Einleitung
                                                                         Einsatz von digitalen Lernmanagementsystemen
         Studien verweisen auf die Bedeutung der Aufgaben-               (LMS1 ) zu einer solchen vielfältigen Aufgabenkul-
         kultur im Fach Mathematik. Die COACTIV-Studie                   tur in der Mathematikausbildung beitragen kann.
         (Jordan et al., 2008; Kunter et al., 2011) etwa ver-            Die Mathematikausbildung ist an Hochschulen für
         weist auf einen generell hohen Anteil an techni-                Angewandte Wissenschaften Stoff der ersten Semes-
         schen Aufgaben im Mathematikunterricht, die mit-                ter und erfahrungsgemäß eine der größten Hürden
         tels bekannter mathematischer Prozeduren gelöst                 zu Studienbeginn. Daher besteht eine besondere
         werden können, und damit auf eine tendenziell ein-              Herausforderung beim Einsatz digitaler Tools an
         seitige Aufgabenkultur. Klieme et al. weisen darauf             dieser Stelle darin, dass die meisten Lernenden ihre
         hin, dass „herausfordernde, offene Aufgaben in der              Selbstlern-Kompetenz erst entwickeln und darin
         Mathematik und generell ein diskursiver Umgang                  besonders unterstützt werden müssen (z. B. Bisitz
         mit Fehlern“ (Klieme et al., 2006, S. 131) kognitiv             und Jensen, 2012). Dies verweist erneut auf die
         aktivierend wirken können. Eine kognitive Akti-                 Notwendigkeit, dass ein digitales Tool in der Ma-
         vierung von Lernenden gilt als Qualitätsmerkmal                 thematikausbildung die Fähigkeiten der Lernenden
         von Lerngelegenheiten (Weber & Lindmeier, 2020).                zur Selbstregulation fördern sollte.
         Während sich am Übergang zu einem Mathematik-                       Im Folgenden formuliere ich in Abschnitt 2 Zie-
         studium die Lernziele der Mathematikausbildung                  le des Einsatzes von LMS für die Aufgabenkultur
         zum Beweisen als Lerngegenstand hin verschieben,                in der Mathematikausbildung. In Abschnitt 3 dis-
         fokussiert die Mathematikausbildung an Hochschu-                kutiere ich die Möglichkeiten des LMS Moodle,
         len für Angewandte Wissenschaften noch stärker                  herausfordernde, offene Mathematikaufgaben und
         auf die Anwendbarkeit und Anwendung der mathe-                  einen diskursiven Umgang auch mit Fehlern zur
         matischen Inhalte. Eine zugehörige Aufgabenkul-                 Aufgabenkultur beizutragen.
         tur muss im genannten Sinne Fehlvorstellungen der
         Lernenden zulassen, aufnehmen und gezieltes Feed-
         back zu einzelnen Lösungsansätzen und -schritten                2     Ziele des Einsatzes von
         bereitstellen. Des Weiteren ist die Fähigkeit der Ler-                Lernmanagementsystemen in der
         nenden zur Selbstregulation wesentlich für das er-                    Mathematikausbildung
         folgreiche Bearbeiten von Aufgaben, hier werden
         unter anderem Autonomie- und Kompetenzerle-                     Die Ziele des Einsatzes von LMS für die Aufgaben-
         ben als wichtige Erfolgsfaktoren angeführt (ebd.).              kultur in der Mathematikausbildung an Hochschu-
         Eine zugehörige Aufgabenkultur sollte daher den                 len teile ich in zwei Klassen ein:
         Lernenden auf Augenhöhe begegnen und ihnen
         eine aktive Rolle im Lerngeschehen zugestehen.                      didaktische Ziele,
         Eine wesentliche Rolle für die Ausgestaltung ei-                    pragmatische Ziele (verfügbare Ressourcen effi-
         ner attraktiven Aufgabenkultur spielen die Medien,                  zient nutzen).

     1   Mit der Abkürzung LMS sind in der Folge ausschließlich digitale Lernmanagementsysteme gemeint.
Herausfordernde Mathematikaufgaben in digitalen Lernmanagementsystemen am Beispiel Moodle
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Abbildung 1. Pragmatisches Ziel: In großen Lerngruppen individuellen Bedürfnissen gerecht werden. (Abb. nach einer Idee von
M. Kallweit)

Aus gutem Grund mag eingewendet werden, dass                    Als weiteres pragmatisches Ziel sei genannt, Lern-
didaktische Ziele immer auch pragmatische Ziele                 gelegenheiten zu schaffen, die sich in eine mobile
seien. Daher ist hier präzisiert, dass bei den prag-            Lebensart und die über online-Netzwerke struktu-
matischen Zielen die möglichst effiziente Nutzung               rierte Lebensrealität der Lernenden einfügen.
der vorhandenen Ressourcen im Vordergrund steht.
Die pragmatischen Ziele des Einsatzes von LMS
                                                                2.1 Didaktische Ziele
möchte ich im Folgenden nur skizzieren, obwohl
                                                                Im Folgenden diskutiere ich zwei sich überschnei-
sie erfahrungsgemäß meist die ausschlaggebende
                                                                dende didaktische Ziele des Einsatzes von LMS
Rolle bei der Entscheidung für den Einsatz digita-
                                                                in der Mathematikausbildung an Hochschulen für
ler Unterstützung spielen. Mehr Raum möchte ich
                                                                Angewandte Wissenschaften:
anschließend der Formulierung didaktischer Ziele
einräumen.                                                         Förderung prozessbezogener Kompetenzen,
    Ein oftmals als ideal angesehenes, enges und                   Aktivierung durch dialogisches Lernen.
diskursives Lehrer:in–Schüler:in-Verhältnis ist ange-
sichts der Größe der Lerngruppen nur noch in Aus-
nahmesituationen realisierbar. Obwohl es in großen              Förderung prozessbezogener Kompetenzen. Leh-
Lerngruppen unmöglich ist, individuell mit allen                rende an Technischen Universitäten und Hochschu-
Lernenden zu interagieren, bleibt es dennoch not-               len für Angewandte Wissenschaften erwarten heute
wendig, die individuellen Bedürfnisse der Lernen-               zu Studienbeginn von Lernenden über die unver-
den zu berücksichtigen, vgl. Abb. 1. Hier sind un-              zichtbaren inhaltlichen Kenntnisse hinaus gute bis
ter anderem individuelle Lernstände und Lernstile               sehr gute Kenntnisse in einem ganzen Katalog von
sowie ein Bedarf an spezifischem Feedback, Auf-                 prozessbezogenen Kompetenzen aus – um nur eini-
munterung und Kritik zu nennen. Auf Seiten der                  ge zu nennen – den Bereichen Kommunizieren, Dar-
Lehrenden existiert erfahrungsgemäß der Wunsch                  stellen und Problemlösen (Neumann et al., 2017).
nach Rückmeldungen zu den angebotenen Mate-                     Gerade im Kompetenzbereich Problemlösen erge-
rialien und nach Informationen über deren Ver-                  ben sich Einsatzmöglichkeiten digitaler Tools in der
wendung. Hier versprechen digitale Tools einer-                 Mathematikausbildung. In diesem Kompetenzbe-
seits Abhilfe in Form von automatisiertem Feed-                 reich werden etwa das Verstehen und präzise Wie-
back und Bewertung, idealerweise auch mit auf                   dergeben von Problemstellungen, das Entwickeln
die individuellen Bedürfnisse ausgelegten Lern-                 von Problemlösungsstrategien und die sichere An-
pfaden; andererseits in Form von Learning Ana-                  wendung heuristischer Prinzipien wie zum Beispiel
lytics (Nutzungsstatistiken). Sehr bewertungseffizi-            systematisches Probieren und in Teilprobleme zerle-
ent sind Multiple-Choice-Aufgaben. Jedoch können                gen erwartet (ebd.). Im Kompetenzbereich Kommu-
bei Multiple-Choice-Aufgaben richtige Lösungen                  nikation werden etwa eine sichere Verwendung ma-
auch durch Raten und per Ausschlussverfahren ge-                thematischer Formulierungen, zielgerichtetes Dis-
funden werden, zudem können keine Aufgaben                      kutieren mit Lehrenden und anderen Lernenden
gestellt werden, die konstruktive Lösungssuche ver-             und die Fähigkeit vorausgesetzt, mathematische
langen (Blum & Büchter, 2020). Wünschenswert ist                Ideen und Zusammenhänge unter Verwendung der
ein digitales Tool, das die Bewertungseffizienz von             Fachsprache mündlich und schriftlich darstellen
Multiple-Choice-Aufgaben mit der Möglichkeit ver-               zu können (ebd.). Auch hier können digitale Tools
knüpft, offene und komplexe Aufgaben zu stellen.                punktuell unterstützen.
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26       Digitales Lehren und Lernen                                                                      GDM-Mitteilungen 110 · 2021

             Erfahrungen an der Ostfalia Hochschule für an-                 de Feedbackmaterial bereithalten, das spezifisch
         gewandte Wissenschaften mit gezielten Mathemati-                   auf vorgesehene Eingaben hin ausgespielt wird.
         kangeboten für Studienanfänger:innen mit ungüns-                   Mithilfe interaktiv ausgeführter Aufgaben und
         tigen Voraussetzungen2 zeigen, dass gerade die För-                guten Feedbacks entsteht eine Form von Dia-
         derung prozessbezogener Kompetenzen im metho-                      log und eine individualisierte Lernerfahrung.
         dischen Rahmen lernendenzentrierter und aktivie-                   Die Konstruktion eines solchen Kurses ist top-
         render Lehre die Wahrscheinlichkeit auf späteren                   down. Ihm liegt eine vorhergesehene Abfolge
         erfolgreichen Erwerb inhaltsbezogener Kompeten-                    von Inhalten/Wegpunkten zugrunde, die ihren
         zen erhöht (Bennecke & Wagner, 2017). Der Einsatz                  Ursprung meist im linearen Ausgangsmaterial
         eines LMS in der Mathematikausbildung sollte da-                   der Kurserstellung hat und gewissermaßen ei-
         her zu Aufbau und Training dieser Kompetenzen                      ne inhärente Arroganz des tradierten Lehrer:in–
         beitragen.                                                         Schüler:in-Verhältnisses ausdrückt.

                                                                            Dialog mit der Maschine. Dieses Modell setzt
         Aktivierung durch dialogisches Lernen. Unter
                                                                            eine ‚intelligente‘ Maschine im Sinne von Künst-
         dialogischem Lernen verstehe ich eine (inter)aktive
                                                                            licher Intelligenz oder adaptiver Techniken vor-
         Auseinandersetzung der Lernenden mit dem Lern-
                                                                            aus. Die Grundlage für einen direkten Dialog
         gegenstand, die einem Austausch auf Augenhö-
                                                                            mit der Maschine müssen Inhalte sein, die der
         he mit Lehrenden oder anderen Lernenden gleich-
                                                                            Maschine zugeführt wurden, und auf deren
         kommt. Eines der Ziele dialogischen Lernens ist das
                                                                            Grundlage sie die Inhalte erlernen konnte. Bei
         Erleben von Kompetenz und Autonomie als Ein-
                                                                            einer vollständig selbstlernenden Maschine müs-
         flussfaktoren der Motivation und letztlich, durch
                                                                            sen ihr dazu allein die Quellen zugänglich ge-
         den dadurch geförderten Erwerb prozessbezogener
                                                                            macht werden. Eine zunächst realistischere Si-
         Kompetenzen, des Lernerfolgs. In ihrer einfachs-
                                                                            tuation ist, dass die Lehrperson der Maschine
         ten Form besteht eine digitale Aufgabensammlung
                                                                            den Umfang und die an den Lernzielen orien-
         aus einer Abfolge von Aufgaben, die nacheinander
                                                                            tierte Struktur der Inhalte vermittelt. Der Dialog
         bearbeitet werden. Eine zugehörige einfache Form
                                                                            mit den Lernenden bleibt dann der Maschine
         automatisierten Feedbacks besteht in der Rückmel-
                                                                            überlassen. Hierzu muss die Maschine selbst
         dung an die Lernenden, ob ihre jeweilige Eingabe
                                                                            über die notwendigen Problemlösungskompe-
         korrekt oder falsch ist. In einem solchen, nicht un-
                                                                            tenzen verfügen – in unserem Fall muss sie al-
         typischen Setup haben die Lernenden keine Mög-
                                                                            so ‚Mathe können‘. So kann die Maschine das
         lichkeit, den Fortgang des Kurses mitzugestalten,
                                                                            Eingabeverhalten der Lernenden problemspezi-
         bei Falschantworten nach der Fehlerursache zu fra-
                                                                            fisch analysieren und typische Fehler und fach-
         gen, gezielt Inhalte zu wiederholen oder auch Frus-
                                                                            liche Unsicherheiten erkennen. Mit je mehr Ler-
         tration auszudrücken. Ein Autonomieerleben als
                                                                            nenden die Maschine interagiert, desto siche-
         Einflussgröße für Motivation ist nicht vorhanden.
                                                                            rer erkennt sie typische Schwierigkeiten beim
         Zumindest für formatives Assessment erwartet man
                                                                            Erreichen des Lernziels. Auf diese Erfahrung
         jedoch von einem Lernmittel im obigen Sinne, dass
                                                                            aufbauend, ermittelt die Maschine individuell
         es die Lernenden aktiviert, sie in die Lernerfahrung
                                                                            an jedem Wegpunkt die Materialien, Heraus-
         einbezieht und ein dialogisches Lernen entstehen
                                                                            forderungen oder Hilfen, die der Erreichung
         lässt. Ich sehe grundsätzlich zwei Möglichkeiten,
                                                                            des Lernziels im nächsten Schritt am zuträg-
         wie im Lernen mit digitalen Medien ein Dialog
                                                                            lichsten sind. Darüberhinaus bietet die Maschi-
         entstehen kann:
                                                                            ne jederzeit die Möglichkeit, nachzufragen. Die
            Dialog durch die Maschine hindurch. Dies ist                    Struktur eines solchen Kurses ist gewisserma-
            das aktuell zumeist verfolgte Modell. Die Leh-                  ßen biologisch, da sein Verhalten das beobachtete
            renden treten durch das Medium hindurch mehr                    Verhalten von biologischen Systemen imitiert: Es
            oder minder direkt in Erscheinung. So wie ich                   gibt viele Wege zum Lernziel. Durch die adapti-
            gerade mit Ihnen kommuniziere, tragen Leh-                      ve Kurskonstruktion erleben die Lernenden ein
            rende ihre Inhalte in das LMS ein, die von den                  gesteigertes Maß an Autonomie. Wird die Ma-
            Lernenden auf vorgegebenem Wege bearbeitet                      schine dieserart zur Tutorin und befindet sich
            werden. Die Lernenden folgen der Lehrperson                     mit den Lernenden in einem Dialog auf Augen-
            auf deren Weg durch das Wissensgebiet hin zum                   höhe, schließt sich der Kreis zu den pragma-
            Lernziel. An den Wegpunkten können Lehren-                      tischen Zielen des Einsatzes eines LMS. Wenn

     2   Unter Lernenden mit ungünstigen Voraussetzungen werden hier Lernende verstanden, die in einem Einstiegstest unbefriedigende
         mathematische Leistungen erbracht haben.
Herausfordernde Mathematikaufgaben in digitalen Lernmanagementsystemen am Beispiel Moodle
GDM-Mitteilungen 110 · 2021                                                                  Digitales Lehren und Lernen   27

Abbildung 2. Beispiele für die Aufgabentypen Numerisch (a), Einfach berechnet (b) und Berechnet (c)

    die oftmals als ideal empfundene Eins-zu-Eins-                passbarkeit des LMS an die Bedürfnisse der ver-
    Lehrsituation aus Gründen der personellen und                 wendenden Institution. Moodle-Entwickler:innen
    zeitlichen Ressourcen nicht hergestellt werden                und -Anwender:innen kommen regelmäßig in na-
    kann, so erscheint der Eins-zu-Eins-Dialog mit                tionalen und internationalen Konferenzen zusam-
    der Maschine als eine grundsätzlich aussichts-                men. Die deutschsprachige Moodle-Gemeinschaft
    reiche Alternative.                                           tauscht sich im Forum der Moodle-Installation der
                                                                  HU Berlin aus (HU Berlin, n. d.). Die dynamische
2.2 Weitere Ziele                                                 Entwicklung von Moodle, der rege Austausch unter
Als mögliche dritte Klasse von Zielen des Einsatzes               den Entwickler:innen und Anwender:innen und die
von LMS (nicht nur in der Mathematikausbildung)                   Anpassbarkeit des LMS sind Gründe für die zuneh-
möchte ich hinzufügen, dass ein zentrales LMS an                  mende Verwendung von Moodle als zentrales LMS
einer Hochschule in einem Umfeld von hoher Mobi-                  an Hochschulen. Auch an Sekundarschulen wird
lität und Individualität einen gemeinsamen Raum                   Moodle eingesetzt (Moodle, n. d.).
darstellen kann, in dem auch jenseits von Präsenz-
veranstaltungen eine gemeinschaftliche Lernerfah-                 3.1 Moodle-eigene Aufgabentypen für Mathematik
rung erzeugt und sozialer Zusammenhalt geschaf-                   Moodle enthält in seiner Standardinstallation drei
fen oder gefestigt werden kann. Dieser Raum kann                  Aufgabentypen, mit denen sich grundsätzliche ma-
mithilfe einer Vielzahl von Tools und Aktivitäten                 thematische Aufgaben abbilden lassen: 1. „Nume-
belebt werden, beispielhaft seien Foren, kollektiv                risch“, 2. „Einfach berechnet“, 3. „Berechnet“ (auch
bearbeitbare Dokumente und Videokonferenzen ge-                   als Multiple Choice).
nannt. Die Leser:innen mögen für sich entscheiden,                    Der Aufgabentyp Numerisch ermöglicht die Ein-
ob dies als didaktisches, als pragmatisches oder als              gabe von numerischen Antworten innerhalb eines
übergeordnetes Ziel einzuordnen ist.                              vorgegebenen Fehlerintervalls. Es kann die Eingabe
                                                                  einer Einheit verlangt werden. Die Abb. 2(a) zeigt
                                                                  ein Beispiel für die Lernendenansicht einer solchen
3     Möglichkeiten des LMS
                                                                  Aufgabe. Aufgrund des Mangels an Randomisier-
In diesem Abschnitt diskutiere ich die Möglichkei-                barkeit, an Berechnungen mithilfe mathematischer
ten, die formulierten didaktischen Ziele mit digita-              Funktionen und an mathematischen Auswertungen
len Lernmanagementsystemen an Hochschulen zu                      der Nutzereingaben ist dieser Aufgabentyp nicht
erreichen, anhand des Beispiels des LMS Moodle.                   geeignet, die formulierten Ziele zu erreichen.
Moodle ist ein unter der GNU-GPLv3+ verfügba-                         Der Aufgabentyp Einfach berechnet stellt zusätz-
res freies LMS mit hohem Verbreitungsgrad und                     lich zum Aufgabentyp Numerisch randomisierbare
einer aktiven, internationalen Entwickler:innen-                  Zahlenwerte und mathematische Funktionen zur
und Anwender:innengemeinschaft. Im Januar 2021                    Berechnung bereit. Die Mathematik-Routine berech-
vermeldete Moodle 209 000 aktive Installationen                   net das Ergebnis und typische (durch typische Fehl-
mit 249 Millionen Anwender:innen in 251 Län-                      vorstellungen und falsche Ansätze erzeugte) Fehler-
dern (Moodle, n. d.). Zahlreiche verfügbare Plug-                 bilder mithilfe von Formeln, die die Lehrperson hin-
ins und Designs erlauben ein hohes Maß an An-                     terlegt. Für alle Antwortmöglichkeiten kann ein per-
Herausfordernde Mathematikaufgaben in digitalen Lernmanagementsystemen am Beispiel Moodle
28   Digitales Lehren und Lernen                                                         GDM-Mitteilungen 110 · 2021

     sonalisiertes Feedback und eine Punktbewertung         deutschsprachige Hochschulen bieten frei verfügba-
     eingestellt werden. Die Abb. 2(b) zeigt ein Beispiel   res Material zur Einführung in den Aufgabentyp an,
     für die Lernendenansicht einer solchen Aufgabe.        siehe zum Beispiel Kallweit (n. d.) und TU Clausthal
         Der Aufgabentyp Berechnet ermöglicht zusätz-       (2020, 14. Okt.). Erwähnt sei das Projekt optes, in
     lich zum Aufgabentyp Einfach berechnet die Synchro-    dem im Rahmen des Qualitätspakts Lehre Angebo-
     nisierung von Datensätzen innerhalb eines Tests.       te für die Optimierung des Selbststudiums während
     So können aufeinander aufbauende Fragen mit            der Studieneingangsphase konzipiert und entwi-
     demselben Zahlensatz operieren. Es wird damit          ckelt werden. Dort wurde ein Mathematik-Vorkurs
     zum einen möglich, in mehreren Aufgaben mehre-         mithilfe des Aufgabentyps Stack umgesetzt (Weigel
     re Aspekte desselben Problems zu behandeln, zum        et al., 2019). Im Folgenden sollen exemplarisch eini-
     anderen bietet dieses Feature die Möglichkeit zur      ge Features dieses Aufgabentyps in Hinblick auf die
     kleinschrittigen Bearbeitung komplexer Aufgaben.       formulierten didaktischen Ziele vorgestellt werden.
     Die Abb. 2(c, d) zeigen beispielhaft für die Lernen-   Die Beispiele beschränken sich auf vergleichswei-
     denansicht zweier solcher Aufgaben, die auf densel-    se einfache Mathematik und sind als Schaufenster
     ben Datensatz zugreifen. Dieser Aufgabentyp liegt      einer größeren, dahinter liegenden Aufgabenwerk-
     auch als Variante Berechnet (Multiple Choice) vor,     statt anzusehen.
     die dieselbe mathematische Funktionalität bietet,
     jedoch Antwortoptionen vorgibt. Alle Antwortop-
                                                            Freie Eingabe. In Stack werden Eingaben frei
     tionen können dabei Text und berechnete Größen
                                                            in der AsciiMath-Syntax eingegeben. Eine LATEX-
     enthalten.
                                                            gerenderte Vorschau ermöglicht den Lernenden
         Mit dem Aufgabentyp (Einfach) Berechnet kön-
                                                            während ihrer Eingabe (on the fly) die Prüfung
     nen gute Mathematikaufgaben gestellt werden,
                                                            ihrer Eingabe auf syntaktische Korrektheit. Abb. 3
     wenn nicht mehr gefordert wird als die Anwendung
                                                            illustriert dies: Syntaktisch falsche Ausdrücke wer-
     von Grundrechenarten und elementarer Funktio-
                                                            den vom System während der Eingabe als ungültig
     nen. Die Eingaben sind beschränkt auf numerische
                                                            zurückgewiesen [Abb. 3(a)]. Bei syntaktisch korrek-
     Eingaben und ggf. eine vorgesehene Maßeinheit.
                                                            ten Eingaben können Lernende in der Vorschau
     Für den Einsatz in der Lehre höherer Mathema-
                                                            überprüfen, ob ihre Eingabe dem intendierten ma-
     tik fehlen zahlreiche Möglichkeiten wie etwa das
                                                            thematischen Ausdruck entspricht. So wurde etwa
     Arbeiten mit Mengen, Matrizen, Gleichungssyste-
                                                            in Abb. 3(b) eine Klammer vergessen, sodass der
     men, Grenzwerten, Reihen, Ableitungen, Integralen,
                                                            potenzierte geklammerte Ausdruck nicht wie ge-
     Funktionen mehrerer Variablen usw.
                                                            wünscht im Nenner steht. Ergibt die Vorschau ein
         I Mit den Aufgabentypen Numerisch, Einfach
                                                            syntaktisch korrektes und intendiertes Ergebnis,
     berechnet und Berechnet können die formulierten
                                                            kann die Eingabe durch Klicken auf Prüfen abge-
     didaktischen Ziele nicht oder nur eingeschränkt
                                                            sendet werden [Abb. 3(c)]. Die Eingabe wird dann
     erreicht werden.
                                                            auf Übereinstimmung mit zuvor hinterlegten ma-
                                                            thematischen Eigenschaften geprüft und es wird
     3.2 Der Aufgabentyp Stack
                                                            ein dem Ergebnis dieser Prüfung entsprechendes
     Der Aufgabentyp Stack ist als Plug-in für Moodle
                                                            Feedback ausgegeben [Abb. 3(d)].
     verfügbar und verwendet das Computeralgebrasys-
                                                                I Die freie Eingabe von mathematischen Aus-
     tem (CAS) Maxima, um mathematische Operatio-
                                                            drücken erzeugt eine ausgeprägte Interaktivität
     nen auszuführen. Maxima wurde in den 1960er-
                                                            des Tools. Das sofortige syntaktische und geren-
     Jahren entwickelt, ist seit 1998 unter einer GNU-
                                                            derte Feedback zur Eingabe erzeugt eine positive
     GPL-Lizenz (aktuell v3) verfügbar und wird von
                                                            Nutzer:innenerfahrung, verringert Frustration und
     einem Entwickler:innenteam gepflegt. Die Verwen-
                                                            stellt, gerade im Vergleich zum vorgegebenen Ant-
     dung des CAS bedeutet eine technische Hürde
                                                            wortraster von Multiple-Choice-Aufgaben, ein ers-
     bei der Installation des Plug-ins, da zusätzlich zu
                                                            tes Autonomieerleben dar. Die freie Eingabe mit
     Moodle ein Maxima-Server betrieben werden muss.
                                                            sofortigem Feedback stellt zugleich, als Interaktion
     Inhaltlich eröffnet die Verwendung des CAS jedoch
                                                            mit dem Lerngegenstand Mathematik hinsichtlicher
     ein weites Feld an Möglichkeiten, gute Mathema-
                                                            ihrer Syntax und Notationen, ein erstes Element
     tikaufgaben zu stellen und in bestehende Moodle-
                                                            dialogischen Lernens dar.
     Kurse mit all ihren Features zu integrieren.
         Die englischsprachige Dokumentation des Plug-
     ins auf den Seiten des Entwicklers ist ausführlich     Eingabespezifisches Feedback/Potential Response
     und umfassend (The University of Edinburgh, 2018,      Tree. Durch die Verknüpfung mit dem CAS kann
     26. Nov.). Zahlreiche Use-Cases werden von Spor-       das Eingabefeld neben Zahlen und Variablen auch
     ring und Sangwin (2019) dargestellt. Das Plug-in       Mengen, Listen, Matrizen, Gleichungen, logische
     selbst liegt in deutscher Übersetzung vor. Einige      Aussagen usw. aufnehmen und auf mathematische
Herausfordernde Mathematikaufgaben in digitalen Lernmanagementsystemen am Beispiel Moodle
GDM-Mitteilungen 110 · 2021                                                               Digitales Lehren und Lernen          29

Abbildung 3. AsciiMath-Eingabe mit Vorschau: (a) Malzeichen vergessen; (b) Nicht genügend Klammern gesetzt; (c) intendierte
Eingabe; (d) fehlerspezifisches Feedback

Eigenschaften prüfen. Im Fall der in Abb. 3 gezeig-             gaben geprüft werden. So möchte man vielleicht
ten Aufgabe kann geprüft werden, ob die Einga-                  bei der abgebildeten Aufgabe bei der Eingabe von
be zur richtigen Lösung algebraisch äquivalent ist.             5/(54*x^2-72*x+24) darauf hinweisen, dass nicht
Dies erfolgt nicht durch Vergleich zweier Zeichen-              ausmultipliziert werden muss, ohne gleich Punk-
ketten, sondern mithilfe des CAS durch Vergleich                te abzuziehen. Typischerweise wird man also die
zweier algebraischer Ausdrücke. (So werden bei-                 Eingabe auf mehrere mathematische Eigenschaften
spielsweise die beiden Eingaben 5/(6*(3*x-2)^2)                 prüfen wollen. Diese Prüfungen werden im Potential
und 5/6*(3*x-2)^(-2) als gleichwertig erkannt.)                 Response Tree organisiert.
Ist die Eingabe nicht zur richtigen Lösung äquiva-                  Im Potential Response Tree (PRT) werden die
lent, so beginnt die Suche nach möglichen Fehler-               Prüfungen P1 , P2 , P3 , . . . der Eingabe auf mathema-
ursachen. Ein typischer Fehler bei der abgebildeten             tische Eigenschaften strukturiert, siehe Abb. 4. An
Aufgabe wäre, dass die Integrationskonstante ver-               den Knoten des PRT findet jeweils eine solche Prü-
gessen wurde. Hierauf kann mithilfe des CAS ge-                 fung statt, die das Ergebnis „wahr“ (w) oder das
prüft werden, vgl. das Feedback in Abb. 3(d). Weite-            Ergebnis „falsch“ (f) haben kann. Jedes der beiden
re typische Fehler wären, dass die äußere Funktion              möglichen Ergebnisse dieser Prüfung kann entwe-
abgeleitet statt integriert wurde, oder algebraische            der auf einen weiteren Knoten verweisen oder die
Fehler bei der Rücksubstitution. Nicht nur auf wirk-            Antwortüberprüfung beenden. Jedem Prüfungser-
liche Fehler, auch auf ihre Form hin können Ein-                gebnis kann ggf. ein Punktwert (±, =) zugeord-

Abbildung 4. Skizze eines Potential Response Trees (PRT). An den Knoten finden Prüfungen auf mathematische Eigenschaften der
Eingabe statt. Je nach Ausgang der Prüfung [wahr (w) oder falsch (f)] wird auf weitere Knoten verwiesen. An jedem Wegsegment
können Punkte gegeben (+) oder abgezogen (−) werden. Am Ende eines Weges durch den PRT wird ein Output (o) ausgegeben, der
spezifisches Feedback für den durch den PRT genommenen Weg sowie ggf. die Gesamtpunktzahl enthalten kann.
Herausfordernde Mathematikaufgaben in digitalen Lernmanagementsystemen am Beispiel Moodle
30   Digitales Lehren und Lernen                                                                           GDM-Mitteilungen 110 · 2021

     Abbildung 5. Zwei Beispiele für eingabespezifisches Feedback und für anschließende Handlungsoptionen. Links: Hyperlink zur
     Lernressource folgen oder nochmal versuchen. Rechts: Abhilfe ist im Feedback enthalten, die Handlungsoption ist nochmal versuchen.

     net werden und zu jedem Prüfungsergebnis kann                      Weges aufmerksam macht, Abhilfen zur Fehlerkor-
     ein Feedback hinterlegt werden. Die entlang eines                  rektur bereithält und Handlungsoptionen anbietet
     Weges ‚eingesammelten‘ Feedbacks und ggf. Punk-                    (Lernressource konsultieren, nochmal versuchen).
     te werden am Ende des Weges als Output (o) aus-
     gegeben. Mithilfe von Nutzungsstatistiken können                   Zwischenschritte. In einer Stack-Aufgabe können
     Lehrende die Häufigkeit der im PRT genommenen                      mehrere Eingabefelder platziert werden. So kön-
     Wege nachvollziehen. Zwei Beispiele:                               nen Zwischenschritte abgefragt werden; etwa in
                                                                        einem ersten Schritt die richtige mathematische
         Abb. 5(links) zeigt eine digitale Umsetzung ei-
                                                                        Modellierung einer Textaufgabe, bevor im zweiten
         ner Aufgabe aus dem Mathematik-Brückenkurs
                                                                        Schritt die Lösung des Problems abgefragt wird.
         der Ostfalia. Die Eingabe entsteht aufgrund fol-
                                                                        Abb. 6(links) zeigt eine in zwei Schritte zerlegte
         genden Fehlers:
                                                                        Bestimmung der notwendigen Bedingung für die
                    9
                                                                        Extremwertstellen eines gegebenen kubischen Po-
              · 16
             3               169           1
                                            6            1             lynoms. Die Überprüfungen der Eingaben können
               18     4
                        =              =            =
          3 · 2 · 16
                         218
                             2 · 16 4    2    4
                                         2 · 16  3   4 · 4096          innerhalb des PRT miteinander verknüpft werden,
                            1                                           um Folgefehler zu berücksichtigen. Abb. 6(links)
                        =
                          16384                                         zeigt die Berücksichtigung eines solchen Folgefeh-
                                                                        lers, der aus einem Fehlverständnis der Aufgaben-
        Das Feedback weist auf den Fehler hin und lie-
                                                                        stellung entsteht. Das Feedback weist auf den Feh-
        fert einen Ansatz zur Fehlerbehebung. Zudem
                                                                        ler hin und bietet per Hyperlink Zugang zu einer
        bietet es per Hyperlink Zugang zu einer Abhilfe
                                                                        Abhilfe versprechenden Ressource. (Bei dieser Auf-
        versprechenden Lernressource.
                                                                        gabe könnte zum Beispiel bei Eingabe der richtigen
        Abb. 5(rechts) zeigt ein eingabespezifisches
                                                                        Bedingungsgleichung, aber einer falschen Lösung
        Feedback auf eine falsche Antwort auf die be-
                                                                        derselben, eine Lernressource zum Lösen quadrati-
        reits in Abb. 3 dargestellte Integrationsaufga-
                                                                        scher Gleichungen angeboten werden.) Es können
        be. Es wurde richtig substituiert (z = 3x − 2,
                                                                        auch Variablenwerte an folgende oder spätere Auf-
        dz = 3dx), aber der Potenzausdruck 1/z3 wur-
                                                                        gaben weitergereicht werden.
        de differenziert statt integriert. Das Feedback
                                                                            I Die Möglichkeit der freien Eingabe von Zwi-
        weist auf den Fehler hin und bietet per Hyper-
                                                                        schenschritten ermöglicht Aufgaben mit konstrukti-
        link Zugang zu einer Abhilfe versprechenden
                                                                        ver Lösungssuche. Die vorgegebene Zerlegung in
        Lernressource. Da es sich um eine Übungsauf-
                                                                        Teilprobleme ist das Gerüst einer zu entwickelnden
        gabe handelt, wird zudem angeboten, diese Auf-
                                                                        und zu reflektierenden Problemlösungsstrategie.
        gabe nochmal zu versuchen.
                                                                        Das gezielte Feedback zu einzelnen Modellierungs-
     I Die Eingaben der Lernenden folgen je nach ih-                    und Rechnungsschritten, insbesondere auch zu ei-
     ren Eigenschaften einem individuellen Pfad durch                   nem fehlerhaften Verstehen der Problemstellung
     den PRT. Mithilfe der an den Knoten des PRT hin-                   und zu typischen Fehlvorstellungen, ermöglicht
     terlegten Teilfeedbacks kann als Output ein ein-                   im Zusammenhang mit den Handlungsoptionen
     gabespezifisches Feedback generiert werden, das                    ‚Lernressource konsultieren‘ und ‚nochmal versu-
     auf mögliche Fehler entlang der Berechnung des                     chen‘ (und dem abermaligen detaillierten Feed-
Herausfordernde Mathematikaufgaben in digitalen Lernmanagementsystemen am Beispiel Moodle
GDM-Mitteilungen 110 · 2021                                                                 Digitales Lehren und Lernen           31

Abbildung 6. Links: Beispiel für Feedback zu Zwischenschritten und Berücksichtigung von Folgefehlern. Rechts: Beispiel für eine
offene Aufgabenstellung mit Feedback zu Eigenschaften der Antwort und grafischem Feedback. Aus Platzgründen wurde hier die
Syntaxprüfung des Eingabefelds ausgespart.

back) ein systematisches Probieren und stellt eine                gischen Lernens dar.
Form zielgerichteten Diskutierens und damit dialo-
gischen Lernens dar.
                                                                  4     Zusammenfassung

Herausfordernde, offene Aufgaben. Die eben dis-                   Ich habe in Abschnitt 3.2 anhand von Beispielen
kutierte Aufgabe der Abb. 6 (links), die Bestim-                  gezeigt, wie Elemente der in Abschnitt 2.1 formu-
mung der Extremwertstellen eines gegebenen kubi-                  lierten didaktischen Ziele mithilfe des Aufgaben-
schen Polynoms, kann ‚umgedreht‘ werden, indem                    typs Stack im Lernmanagementsystem Moodle er-
nach einem kubischen Polynom mit vorgegebenen                     reicht werden können. Die in den Beispielen er-
Eigenschaften gefragt wird, siehe Abb. 6(rechts). In              reichten Ziele sind jeweils im letzten Absatz des
einem sorgfältig angelegten PRT kann die Eingabe                  Abschnitts 3.2 zusammengefasst. Dabei ist deut-
der Lernenden nach und nach auf alle geforder-                    lich geworden, dass die grundsätzliche Struktur
ten Eigenschaften abgeklopft werden: 1. Wurde ein                 einer Stack-Aufgabe top-down und nicht biologisch
kubisches Polynom eingegeben? 2. Ist die Ablei-                   ist (vgl. Abschnitt 2.1), sodass die Möglichkeiten
tung an den gegebenen Extremwertstellen gleich                    zum dialogischen Handeln beschränkt sind auf hin-
Null? 3. Ist die zweite Ableitung an der Wende-                   terlegtes Feedback inklusive Handlungsoptionen.
stelle gleich Null? Zu jeder dieser Prüfungen kann                Durch kluge Formulierung und Strukturierung der
Feedback ausgegeben werden. Das Feedback kann                     Aufgabenstellung und des PRT gelingt mit dem
zudem einen Funktionsplot enthalten, um die Dar-                  Aufgabentyp Stack jedoch eine sehr zielgerichte-
stellung der Eigenschaften der eingegeben Funkti-                 te Formulierung von Feedback und Handlungs-
on um die grafische Visualierungsebene zu ergän-                  optionen. Eine Besonderheit des Aufgabentyps ist
zen.                                                              die freie Eingabe mit sofortigem Feedback, die als
    I Wird die Aufgabe solchermaßen ‚umgedreht‘,                  Interaktion mit dem Lerngegenstand Mathematik
so wird aus einer Aufgabe, die mittels bekannter                  hinsichtlich ihrer Syntax und Notationen ein zu-
mathematischer Prozeduren gelöst werden kann                      sätzliches Element dialogischen Lernens darstellt.
(Kurvendiskussion), eine herausfordernde, offene                  Das Ensemble aus freier Eingabe, zielgerichtetem
Aufgabe, die ein mathematisches Verständnis der                   Feedback und den Handlungsoptionen ‚Lernres-
Problemstellung und das Entwickeln eigener Pro-                   source konsultieren‘ und ‚nochmal versuchen‘ (und
blemlösungsstrategien erfordert. Das gezielte Feed-               dem abermaligen detaillierten Feedback) stellt eine
back zu den Eigenschaften der Eingabe ermöglicht                  Form dialogischen Lernens dar.
im Zusammenhang mit den Handlungsoptionen                             Als Defizite sind zu nennen: 1. Das Feedback
eine Art diskursiven Umgang mit Fehlern, regt                     und die Handlungsoptionen sind beschränkt auf
zu systematischem Probieren an und stellt eine                    die Vorausschau der Lehrperson beim Schreiben
Form zielgerichteten Diskutierens und damit dialo-                der Aufgabe. Die Maschine selbst lernt nicht, dass
Herausfordernde Mathematikaufgaben in digitalen Lernmanagementsystemen am Beispiel Moodle
32   Digitales Lehren und Lernen                                                                         GDM-Mitteilungen 110 · 2021

     Lernende ggf. andere Hilfen benötigen. Als Abhilfe                Colchester, K., Hagras, H., Alghazzawi, D. & Aldabbagh,
     erstellt die Maschine Nutzungsstatistiken, aus de-                    G. (2017). A Survey of Artificial Intelligence Techni-
     nen die Lehrperson Schlüsse über zum Beispiel die                     ques Employed for Adaptive Educational Systems
     Notwendigkeit weiterer Knoten im PRT, einer an-                       within E-Learning Platforms. Journal of Artificial Intel-
     deren Art von Feedback oder der Bereitstellung an-                    ligence and Soft Computing Research, 7(1), 47–64.
                                                                       HU Berlin. (n. d.). Moodle-Forum der Hochschulen im
     derer Lernressourcen ziehen kann. 2. Zwar nimmt
                                                                           deutschsprachigen Raum. Verfügbar 11. Januar 2021 un-
     innerhalb einer Aufgabe die Eingabe der Lernenden
                                                                           ter https://moodle.hu-berlin.de/course/view.php?
     einen individuellen Weg durch den PRT. Die Abfol-                     id=37191
     ge der Aufgaben selbst, und damit der Weg zum                     Jordan, A., Krauss, S., Löwen, K., Blum, W., Neubrand,
     letztendlichen Lernziel, ist jedoch weiterhin von                     M., Brunner, M., Kunter, M. & Baumert, J. (2008).
     der Lehrperson vorgegeben und nicht an die spezi-                     Aufgaben im COACTIV-Projekt: Zeugnisse des ko-
     fischen Leistungen und Fehlleistungen der Lernen-                     gnitiven Aktivierungspotentials im deutschen Mathe-
     den innerhalb der einzelnen Aufgaben angepasst.                       matikunterricht. Journal für Mathematik-Didaktik, 29(2),
     3. Es fehlt die Möglichkeit für Lernende, gezielt                     83–107.
     nachzufragen. Da die Maschine dies nicht leisten                  Kallweit, M. (n. d.). Stack in der Lehre. Verfügbar 11. Januar
     kann, kann hierzu auf andere Features des LMS                         2021 unter https://moodle.ruhr-uni-bochum.de/m/
                                                                           course/view.php?id=13674
     wie Chats, Foren und Videokonferenzräume, oder
                                                                       Klieme, E., Lipowsky, F., Rakoczy, K. & Ratzka, N. (2006).
     auf feste Termine wie Seminare und Tutorien zu-
                                                                           Qualitätsdimensionen und Wirksamkeit von Mathe-
     rückgegriffen werden. Dies wiederum kollidiert in                     matikunterricht. Theoretische Grundlagen und aus-
     der Praxis oft mit der Ressourcenknappheit auf                        gewählte Ergebnisse des Projekts „Pythagoras“. In
     Lehrendenseite.                                                       M. Prenzel & L. Allolio-Näcke (Hrsg.), Untersuchun-
         Abhilfe bei den Defiziten 1 und 2, womöglich                      gen zur Bildungsqualität von Schule. Abschlussbericht des
     auch bei Defizit 3, verspricht der Einsatz Künstli-                   DFG-Schwerpunktprogramms (S. 127–146). Waxmann.
     cher Intelligenz (KI) und adaptiver Technologien.                 Kunter, M., Baumert, J., Blum, W., Klusmann, U., Krauss,
     Einen Überblick über die KI-basierten Techniken                       S. & Neubrand, M. (2011). Professionelle Kompetenz
     zum Einsatz in e-Learning-Plattformen findet man                      von Lehrkräften: Ergebnisse des Forschungsprogramms
     bei Colchester et al. (2017). Eine Untersuchung die-                  COACTIV. Waxmann Verlag.
                                                                       Moodle. (n. d.). Statistics. Verfügbar 11. Januar 2021 unter
     ser Techniken hinsichtlicher ihres Potentials zur
                                                                           https://stats.moodle.org
     digitalen Bereicherung der Aufgabenkultur in der
                                                                       Neumann, I., Pigge, C. & Heinze, A. (2017). Welche mathe-
     Mathematikausbildung an Hochschulen erscheint                         matischen Lernvoraussetzungen erwarten Hochschulleh-
     eine lohnenswerte Aufgabe.                                            rende für ein MINT-Studium? IPN Kiel.
                                                                       Sporring, M. & Sangwin, C. (2019). STACK Online As-
     Ich danke N. Jensen und U. Priss für Hinweise zum                     sessment. A collection of case studies. The University of
     Manuskript. Diese Arbeit wurde aus Mitteln des Bun-                   Edinburgh.
     desministeriums für Bildung und Forschung unter dem               The University of Edinburgh. (2018, 26. Nov.). Stack. https:
     Förderkennzeichen 01PL16066H gefördert. Die Verant-                  //www.ed.ac.uk/maths/stack
     wortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim         TU Clausthal. (2020, 14. Okt.). RZ-Dokumentationen:
     Autor.                                                                6. Stack (Maxima). https://doku.tu-clausthal.de/doku.
                                                                           php?id=multimedia:moodle:stack%5C_maxima
                                                                       Weber, B.-J. & Lindmeier, A. (2020). Viel Beweisen,
                                                                           kaum Rechnen? Gestaltungsmerkmale mathemati-
     Literatur                                                             scher Übungsaufgaben im Studium. Mathematische
     Bennecke, I. & Wagner, G. Engagierte Studierende – eine               Semesterberichte, 67, 1432–1815.
         Frage der Lehrmethode? [DiNa-Sonderausgabe]. In:              Weigel, M., Derr, K. & Hübl, R. Optimising Self-study
         Tagungsband zum 3. Symposium zur Hochschullehre in                with STACK. In: STACK Online Assessment. A collecti-
         den MINT-Fächern. DiNa-Sonderausgabe. Nürnberg,                   on of case studies. The University of Edinburgh, 2019,
         2017, 257–262.                                                    35–40.
     Bisitz, S. & Jensen, N. (2012). Aktivierende Online-Lehre
         in der Mathematik mit Moodle, Clicker und LON-                Sebastian Linden, Ostfalia Hochschule
         CAPA. In J. Desel, J. M. Haake & C. Spannagel (Hrsg.),        für angewandte Wissenschaften
         DeLFI 2012: Die 10. e-Learning Fachtagung Informatik der      E-Mail: Sebastian.Linden@SundL.online
         Gesellschaft für Informatik e.V. (S. 219–224). Gesellschaft
         für Informatik e.V.
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Herausfordernde Mathematikaufgaben in digitalen Lernmanagementsystemen am Beispiel Moodle
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