Matilda-Handreichung zum inklusiven Prozente-Unterricht - DZLM
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1 1. Allgemeine Grundideen des inklusiven Mathematikunterrichts Matilda-Handreichung zum inklusiven Prozente-Unterricht aus dem Projekt Matilda – „Mathematik inklusiv lehren lernen“ Dieses Material wurde durch die unten genannten Autorinnen und Autoren konzipiert und kann unter der Creative Commons Lizenz BY-NC-SA: Namensnennung – Nicht kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International weiterverwendet werden. Zitierbar als Susanne Prediger, Judith Strucksberg, Claudia Ademmer, Birte Pöhler, Sarah Buró, Jan Kuhl, Claudia Wit- tich, Imke Pulz, Sarah Schulze (2019). Matilda-Handreichung zum inklusiven Prozente-Unterricht. Open Educational Ressource aus dem Projekt Mathematik inklusiv lehren lernen. Dortmund: Technische Universität / DZLM. sima.dzlm.de/um/7-001 Projektherkunft Diese Handreichung ist entstanden im Rahmen des Projekts Matilda – Mathematik inklusiv lehren lernen (gefördert durch das BMBF 2017-2020 mit Förderkennzeichen 01NV1704 an Susanne Prediger & Jan Kuhl) und basiert auf Unterrichtsmaterialien aus Mathe sicher können (gefördert durch die Deutsche Telekom-Stif- tung 2014-2017, Teilprojekt von Susanne Prediger & Birte Pöhler. Bildrechte Alle Bilder (bis auf das zitierte INVO-Modell) sind im Rahmen von Mathe sicher können entstanden. Die Bildrechte liegen bei Susanne Prediger und Birte Pöhler.
2 1. Allgemeine Grundideen des inklusiven Mathematikunterrichts Zentrale Lernvoraussetzungen und Lernziele der Unterrichtseinheit zu Prozenten Verstehensgrundlagen (V) und zu automa- Neu zu entwickelnde Kompetenzen für alle tisierendes Basiskönnen (B) für die Einheit bzw. im Regelniveau (R) und Basisniveau (B) V1 Anteil-Ganzes-Konzept K1 Prozente und Brüche schätzen / darstellen B2 Zählen in Schritten K2 Prozentwert und Prozentsatz am Streifen finden V3 Multiplizieren als Zählen in Schritten K3 Prozentwert und Prozentsatz und Dividieren als Passen-in bestimmen B4 Zerlegen der 100, 60, 80, ... K4 Grundwert am Streifen finden / bestimmen B5 Umwandeln: Prozente – einfache Brüche K5R mit Verminderungen umgehen V6 Zwei Skalen verknüpfen K5B / K6R Textaufgaben unterscheiden B7 Zählen in doppelten Schritten K7R Textaufgaben selbst erstellen V8 Proportionales Hoch- und Runterrechnen K8R schwierigere Textaufgaben bearbeiten Inhaltsverzeichnis zu dieser Handreichung 1. Allgemeine Grundideen des inklusiven Mathematikunterrichts....................................................................................... 3 1.1 Balance von individuellem und gemeinsamem Lernen.............................................................................................. 3 1.2 Individuelle Lernvoraussetzungen identifizieren: Das INVO-Modell ........................................................................ 3 1.3 Individuelle Lernvoraussetzungen berücksichtigen: Adaptivität durch Unterstützen und durch Fördern ...................... 5 1.4 Unterrichtsmethoden zum Kombinieren gemeinsamen und individuellen Lernens...................................................... 6 1.5 Ausblick: Berücksichtigen und Fördern der verschiedenen Lernvoraussetzungen ...................................................... 6 2. Aufbau der Unterrichtseinheit zur Prozentrechnung ........................................................................................................ 7 2.1 Aufzubauende Kompetenzen und Grundvorstellungen in der Einheit.......................................................................... 7 2.2 Aufbau entlang der acht Kompetenzen ........................................................................................................................ 7 2.3 Prozentstreifen als durchgängiges Darstellungsmittel................................................................................................ 8 2.4 Sprachförderung in der Einheit.................................................................................................................................. 8 2.5 Weiterführende Literatur und Film ............................................................................................................................ 9 2.6 Übersicht zur Differenzierung mit Basis- und Regelniveau-Fassungen der Einheit ..................................................... 9 3. Inklusive Ausgestaltung der Unterrichtseinheit zur Prozentrechnung ............................................................................ 10 3.1 Berücksichtigen des Vorwissens: Fördern von Verstehensgrundlagen und Basiskönnen für Prozente ..................... 10 3.2 Berücksichtigen der themenspezifischen Sprachkompetenz ..................................................................................... 13 3.3 Berücksichtigen von Strategien und metakognitiver Regulation .............................................................................. 15 3.4 Berücksichtigen des Arbeitsgedächtnisses und der Aufmerksamkeitssteuerung ........................................................ 17 4. Erläuterung der einzelnen Aufgaben entlang der acht Etappen...................................................................................... 19 5. Literatur zum Weiterlesen aus dem Matilda-Projekt ................................................................................................... 51
3 1. Allgemeine Grundideen des inklusiven Mathematikunterrichts 1. Allgemeine Grundideen des inklusiven Mathematikunterrichts 1.1 Balance von individuellem 1.2 Individuelle Lernvoraussetzungen und gemeinsamem Lernen identifizieren: Das INVO-Modell Guter inklusiver Mathematikunterricht hat viele Facetten, Charakteristika im Förderschwerpunkt Lernen eine zentrale Herausforderung liegt in dem Umgang mit ei- Wenn von individuellen Bedarfen die Rede ist, wird im in- ner großen Leistungsheterogenität. klusiven Unterricht meist zunächst an Kinder mit einem di- Als Strategie zur Bewältigung von Heterogenität wird agnostizierten sonderpädagogischen Förderbedarf (SPF) meist eine Individualisierung des Unterrichts empfohlen. gedacht. Im Schuljahr 2016/17 gehörten 7 % aller Schüle- Allerdings ist eine vollständige Individualisierung weder rinnen und Schüler dieser Gruppe an, über 40 % davon mit möglich noch sinnvoll. Inklusion zeichnet sich eben nicht einem Förderbedarf im Bereich Lernen. Kennzeichnend für nur durch individuelle Förderung, sondern auch durch ein den Förderbedarf Lernen sind langandauernde, tiefgrei- gemeinsames Lernen der Kinder aus. Daher braucht guter fende und umfassende Lernschwierigkeiten. Bei solchen inklusiver Unterricht individuelle Lernsituationen, in denen Lernschwierigkeiten sind die Lernprobleme nicht vorüber- die Kinder z.B. in Einzelarbeit differenzierte Inhalte bear- gehend, sondern bestehen meist die gesamte Schulzeit; die beiten. Genauso braucht er aber auch gemeinsame Lernsi- schwachen Leistungen betreffen meist nicht nur einen Lern- tuationen, in denen die Kinder kooperativ am gemeinsamen bereich, sondern die meisten Fächer. Meistens sind die Leis- Gegenstand arbeiten, denn gemeinsame Lernsituationen tungen in Mathematik, im Lesen und in der Rechtschrei- sind nicht nur aus sozialen Gründen wichtig: Nur im ge- bung besonders schwach. Schülerinnen und Schüler mit meinsamen Gespräch lassen sich mathematisches Verständ- dem SPF Lernen weisen in der Sekundarstufe oft Lernrück- nis und Sprache weiterentwickeln. Entscheidend ist es da- stand von zwei oder mehr Schuljahren auf, da sie deutlich her, im inklusiven Unterricht eine Balance aus individuel- langsamer lernen und Gelerntes deutlich schneller verges- len Lernangeboten und gemeinsamen Lernsituationen sen als andere. herzustellen (Wocken 1998). Um individuelles Lernen zu gewährleisten, muss zu- Keine Spezialdidaktik notwendig nächst darüber nachgedacht werden, welche spezifischen Allerdings haben nicht nur Kinder mit dem Förderbedarf Bedarfe, aber auch welche Ressourcen die unterschiedli- Lernen Schwierigkeiten beim mathematischen Lernen. chen Lernenden haben (vgl. Abschnitt 1.2). Da es beim Ler- Vielmehr haben ca. 15-20 % aller Lernenden mehr oder we- nen aber immer um die Aneignung eines bestimmten Ge- niger große Lernschwierigkeiten im mathematischen Be- genstands geht, kann nicht nur von den Lernenden ausge- reich und benötigen daher besondere Unterstützung. gangen werden. Vielmehr muss ebenso gefragt werden, Grundsätzlich lernen Kinder mit SPF nicht anders als welche spezifischen Anforderungen der Lerngegenstand andere lernschwache Schülerinnen und Schüler. Daher be- stellt und wie dieser adaptiv zugänglich gemacht werden nötigen sie auch keine grundsätzlich andere Didaktik oder kann (vgl. Abschnitt 2 und 3). Dabei gilt es, die entwick- Methodik. Entsprechend ist aus didaktischer Sicht die Un- lungslogischen Stufungen des Gegenstands zu berücksich- terscheidung zwischen Schülerinnen und Schülern mit SPF tigen, da aus diesen die notwendigen Verstehensgrundlagen und anderen schwachen Lernenden wenig hilfreich. Um des jeweiligen Inhalts abzuleiten sind. Die individuellen dem Rechnung zu tragen, werden in diesem Manual Kinder Lernbedarfe können aus den spezifischen Anforderungen mit SPF und andere schwache Lernenden zusammenfas- des Gegenstands und den je individuellen Voraussetzungen send als Förderkinder bezeichnet. Damit sind alle Schüle- der einzelnen Lernenden abgeleitet werden. In der Klasse rinnen und Schüler gemeint, die im Mathematikunterricht müssen dann allerdings die verschiedenen Lernbedarfe in keine ausreichenden Leistungen erbringen und zusätzliche einer Balance von individuellem und gemeinsamem Lernen Unterstützung benötigen. zusammengebracht werden. Die wichtigste Erkenntnis bei der Förderung dieser Ler- nenden ist, dass sie grundsätzlich in der Lage sind, mathe- matische Zusammenhänge zu verstehen, dabei allerdings größere Unterstützung in Bezug auf die Verstehensgrundla- gen benötigen. Versuche, die Schwierigkeiten einfach durch vermehrtes Üben zu beheben oder mangelndes Ver- ständnis durch Auswendiglernen von Rechenprozeduren zu kompensieren, funktionieren langfristig nicht, denn sie ver- hindern das Weiterlernen. Gerade bei den Förderkindern ist ein besonderes Augenmerk auf die Verstehensgrundlagen sehr wichtig (vgl. Abschnitt 3.1).
4 1. Allgemeine Grundideen des inklusiven Mathematikunterrichts Wichtige Lernvoraussetzungen – das INVO-Modell grundlagen sind dabei noch wichtiger als das automatisier- Die Frage ist nun, worin sich erfolgreiche und weniger er- bare Basiskönnen, weil ohne Verständnis eine Automatisie- folgreiche Lernende unterscheiden und wie diese Unter- rung nicht nachhaltig greift (vgl. Abschnitt 3.1). schiede bei der Lernförderung berücksichtigt werden kön- Die Aufmerksamkeitssteuerung ist dafür verantwort- nen. Häufig werden Unterschiede im Lernen auf Unter- lich, welche Reize aus der Umwelt beachtet und weiterver- schiede in der Intelligenz zurückgeführt. Diese Sichtweise arbeitet werden. Beim Lernen ist es sehr wichtig, die richti- ist grundsätzlich nicht verkehrt, da intelligentere Menschen gen Reize zu filtern. Dazu muss ausgewählt werden, welche häufig auch die besseren Lernenden sind. Allerdings gibt es Reize für die Lernhandlung relevant sind (z.B. die Instruk- Faktoren, durch die sich Lernerfolg noch besser erklären tionen der Lehrkraft) und welche irrelevant sind (z.B. die lässt und die bei der Gestaltung von Unterricht auch besser Gespräche der Sitznachbarn). Kindern mit Problemen der berücksichtigt werden können. Aufmerksamkeitssteuerung fällt es häufig besonders In ihrem „Modell der kognitiven und motivationalen- schwer, irrelevante Reize zu ignorieren. Daraus resultiert volitionalen individuellen Voraussetzungen erfolgreichen ihre hohe Ablenkbarkeit, sowohl mündlich als auch auf Ar- Lernens“ (INVO-Modell) haben Hasselhorn und Gold beitsblättern. Für diese Kinder sind daher eine sehr gute (2013) solche Faktoren zusammengestellt. Strukturierung der Arbeitsblätter und der Verzicht auf evtl. Auf Grundlage vieler Befunde der Lehr-Lern-For- ablenkende Elemente besonders wichtig. schung stellen sie fünf Lernvoraussetzungen als besonders Im Arbeitsgedächtnis werden die von der Aufmerksam- wichtig heraus: keitssteuerung ausgewählten Informationen weiterverarbei- 1. Mathematisches Vorwissen tet. Sprachliche Informationen werden dazu im phonologi- 2. Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis schen Arbeitsgedächtnis zwischengespeichert, während vi- 3. Strategien und meta-kognitive Regulation suell-räumliche Informationen in einem speziell visuell- 4. Motivation und Selbstkonzept räumlichen Arbeitsgedächtnis präsent gehalten werden. Die 5. Volition und lernbegleitende Emotion sogenannte zentrale Exekutive überwacht die beiden Spei- Wir ergänzen 6. Sprachkompetenz, um dieses sprachliche chersysteme und ist dafür verantwortlich, ob und wie die Vorwissen vom mathematischen Vorwissen zu trennen. Informationen weiterverarbeitet werden. Im Arbeitsge- dächtnis kann nur eine begrenzte Anzahl von Information für sehr kurze Zeit gespeichert werden. Beim mathematischen Lernen werden alle drei Kompo- nenten des Arbeitsgedächtnisses gefordert, je nach Aufga- benstellung in unterschiedlicher Gewichtung: z.B. werden bei Kopfrechenaufgaben die Aufgabe selbst (z.B. 3·4+4·4) und auch Zwischenergebnisse (z.B. 12+16) sprachlich im phonologischen Arbeitsgedächtnis abgespeichert. Aufgabe der zentralen Exekutive wäre es in diesem Fall, die Reihen- folge der Bearbeitung zu organisieren (zuerst 3·4 und 4·4) sowie zu entscheiden, welche Informationen aus dem Lang- zeitgedächtnis abgerufen werden müssen (4er-Reihe). Wird bei der Aufgabe das 100er Feld als Darstellungsmittel ver- wendet, kommt auch das visuell-räumliche Arbeitsgedächt- nis ins Spiel. Sprach- kompetenz Schwache Lernende haben meist Schwierigkeiten, be- reits einfache Strategien einzusetzen und damit die meta- kognitive Regulation zu stärken, z.B. um in Textaufgaben auf wesentliche Informationen und ihre Bezüge fokussieren Das Vorwissen, d.h. bereits vorhandenes mathematisches zu können. Sie kennen weniger tragfähige Strategien als er- Wissen, ist die wichtigste Voraussetzung für weiteres Ler- folgreiche Lernende und setzen auch bekannte Strategien nen, denn ohne das direkte Anknüpfen an dieses ist kein seltener ein. Daher ist es wichtig, mit schwachen Lernenden Weiterlernen möglich. Darum ist es gerade bei lernschwa- Strategien explizit zu erarbeiten und auch den Strategieein- chen Schülerinnen und Schülern im Mathematikunterricht satz zu üben. Ein bedeutsames Problem ist, dass eine neue so wichtig, Wert auf die Verstehensgrundlagen zu legen und Strategie zunächst wirklich gut beherrscht werden muss, da- Vorwissenslücken aufzuarbeiten, damit das allgemein for- mit sie einer bisher verwendeten Strategie überlegen sein mulierte Stundenziel, dass jede und jeder etwas dazulernt, kann. Daraus resultiert das sogenannte Motivationstal der überhaupt erreicht werden kann. Dies bedeutet aber auch, Strategienutzung. Z.B. verwendet ein Schüler eine nicht dass in der Sekundarstufe I der Lernstoff aus der Grund- tragfähige Strategie zum Knacken von Textaufgaben wie schule nicht einfach vorausgesetzt werden kann, sondern „Einfach Zahlen rauspicken und durch irgendeine Opera- teilweise noch nachgelernt werden muss. Die Verstehens- tion verknüpfen“. Es lernt nun eine eigentlich effektivere Strategie zu nutzen wie „Ich suche immer das Ganze und den Teil heraus und finde heraus, was überhaupt gesucht
5 1. Allgemeine Grundideen des inklusiven Mathematikunterrichts wird“. Bis der Schüler die beue Strategie aber wirklich si- 1.3 Individuelle Lernvoraussetzungen berück- cher beherrscht, ist die nicht-tragfähige Strategie schneller sichtigen: Adaptivität durch Unterstützen und sicherer. Daher besteht die Gefahr, dass er weiterhin die Zahlen-Herauspick-Strategie benutzt, die zunächst einfa- und durch Fördern cher, schneller und sicherer erscheint. Daher ist es vor allem bei schwachen Lernenden wichtig, Strategien lange und gut Das INVO-Modell beschreibt, worin sich schwache Ler- zu üben. Weiterhin kann es sinnvoll sein, den Gebrauch ei- nende von starken Lernenden unterscheiden. Um diesen ner neuen Strategie zunächst extrinsisch zu motivieren (z.B. Unterschieden gerecht zu werden, muss Unterricht adaptiv mit einem Verstärkerplan), damit die Lernenden überhaupt gestaltet werden, das heißt an die individuellen Vorausset- erfahren können, dass die neue Strategie wirklich lohnens- zungen angepasst werden. Diese Anpassung kann durch wert ist. zwei verschiedene Strategien erfolgen. Starke Lernende sind meist motivierter zu lernen und • Bei der Förderstrategie werden fehlende Lernvoraus- besitzen ein überwiegend positives Bild ihrer Fähigkeiten. setzungen direkt gefördert. Wenn Lernende etwa eine Sie trauen sich etwas zu, wissen aber auch wo ihre Grenzen Verstehensgrundlage der vorangehenden Lernstufen liegen. Dabei ist zu beachten, dass Motivation nicht nur wie das Stellenwertsystem noch nicht ausreichend be- eine Voraussetzung, sondern vor allem auch eine Folge er- herrschen, ist es sinnvoll, diese weiter zu vermitteln, folgreichen Lernens ist. Kinder sind zunächst grundsätzlich auch wenn es sich dabei nicht um den aktuellen Lern- zum Lernen motiviert. Alle Kinder wollen Rechnen lernen, stoff handelt. wenn sie in die Schule kommen. Bei schwachen Lernenden • Bei der Unterstützungsstrategie werden hingegen feh- führen dann vor allem Misserfolge zu einem Rückgang der lende Lernvoraussetzungen umgangen und die Lern- Motivation. Dies bedeutet aber auch, dass die beste Motiva- prozesse dadurch unterstützt. Dies ist besonders bei tionsförderung Erfolgserlebnisse beim Lernen sind. Um zu Lernvoraussetzungen sinnvoll, die gar nicht oder sehr Erfolgserlebnissen zu kommen, ist das richtige Anspruchs- schwierig zu fördern sind. So gilt das Arbeitsgedächt- niveau von Aufgaben wichtig. nis als kaum trainierbar. Daher erscheint es sinnvoll, Starke Lernende sind meist auch in der Lage, ein für sich das Arbeitsgedächtnis von schwachen Lernenden mög- passendes Aufgabenniveau auszuwählen. Sie bevorzugen lichst zu entlasten, damit überhaupt möglich ist, gut an Aufgaben, die für sie lösbar sind, aber noch eine gewisse den mathematischen Inhalten zu arbeiten. Herausforderung beinhalten und daher nicht langweilig Diese Idee der Entlastung von kognitiven Ressourcen liegt sind. Schwache Lernende suchen sich eher Aufgaben, die auch der sogenannten „Ressourcenorientierten Lernförde- sie auf jeden Fall lösen können. So vermeiden sie Misser- rung“ (Ennemoser & Krajewski 2010; Hecht 2014) zu- folge, nehmen sich aber auch Möglichkeit zur Weiterent- grunde. Hier wird davon ausgegangen, dass jede Aufgabe wicklung. Oder sie suchen sich zu schwere Aufgaben, um eine kognitive Belastung durch die Inhalte der Aufgabe mit sich ihr negatives Selbstkonzept zu bestätigen. Dabei spielt sich bringt, aber auch durch das Format. Die Aufgabe 130 der pädagogische Umgang der Lehrkraft mit den Lernenden + 60 + 20 kann durch die Veränderung des Zahlenraums (13 eine entscheidende Rolle: Zum einen sorgen Lob und Aner- + 6 + 2) inhaltlich vereinfacht werden. Wir bezeichnen dies kennung von Leistungen oder auch Teilleistungen durch die als Adaptivität bezüglich der Lernentwicklung, wenn Ler- Lehrkraft bei den Lernenden zu einem positiven Selbstbild. nende den Hunderterraum noch nicht erarbeitet haben. Wird Zum anderen dient sie damit als Vorbild, sodass eine gegen- die Aufgabe 130 + 60 + 20 ausschließlich mündlich gestellt, seitige Wertschätzung von Beiträgen unter den Schülerin- ist die Belastung des phonologischen Arbeitsgedächtnisses nen und Schülern erreicht wird und das Selbstbild weiter relativ hoch. Wenn die Aufgabe aber an die Tafel geschrie- positiv bestärkt und somit die Motivation gefördert wird. ben wird, wird das phonologische Arbeitsgedächtnis bei der Lösung entlastet. Dadurch wird die Aufgabe erleichtert, Ergänzung des INVO-Modells um Sprachkompetenz ohne dass sich der Inhalt verändert. Dies bezeichnen wir als Eine weitere, im INVO-Modell unter Vorwissen versteckte Adaptivität bezüglich der kognitiven Ressourcen. Der An- Voraussetzung guten Lernens ist Sprachkompetenz, die satz der Ressourcenorientierten Lernförderung ist, die zu- hier explizit als Lernvoraussetzung angeführt werden soll, sätzliche kognitive Belastung durch das Aufgabenformat um sie vom mathematischen Vorwissen zu trennen. Um gut möglichst gering zu halten, damit möglichst viele kognitive zu lernen, müssen Kinder die Unterrichtssprache soweit be- Ressourcen für die Lösung der eigentlichen Aufgabe einge- herrschen, dass sie den Instruktionen der Lehrkräfte und setzt werden können. Aufgabentexten die notwendigen Informationen entnehmen Eine gute adaptive Lernförderung, die die im INVO- können. Noch wichtiger ist die Sprache als Denkwerkzeug, Modell beschriebenen Lernvoraussetzungen beachtet, muss in der sich abstraktere Zusammenhänge erst denken lassen. sich beider Strategien bedienen, Förder- und Unterstüt- Bei sprachlich schwachen Kindern (und zu ihnen gehören zungsstrategie. meist nahezu alle Förderkinder, aber auch einige mehr) sind Zunächst muss der Unterricht adaptiv bezüglich der Ler- in der Regel nicht nur der Wortschatz beschränkt, sondern nentwicklung sein und am Vorwissen der Lernenden anset- auch Sprachhandlungen wie Erklären, Argumentieren, Er- zen. Insbesondere müssen die Verstehensgrundlagen für läutern, mit denen Gedanken ausgetauscht und ausgeschärft den weiteren Unterricht geschaffen werden. Für den Mathe- werden.
6 1. Allgemeine Grundideen des inklusiven Mathematikunterrichts matikunterricht der Klassen 5-7 bezieht sich dieses Vorwis- 1.5 Ausblick: Berücksichtigen sen maßgeblich auf Verstehensgrundlagen und Basiskön- der verschiedenen Lernvoraussetzungen nen der Klasse 2-5, z.B. • Grundvorstellungen von Multiplikation und Division Im inklusiven Unterricht sollen also unterschiedliche Lern- • Stellenwertsystem voraussetzungen berücksichtigt und gefördert werden: Weiterhin muss er adaptiv bezüglich der kognitiven Res- • Berücksichtigen des Vorwissens, insbesondere der sourcen sein und die schwachen Lernenden durch die Ent- Verstehensgrundlagen & des Basiskönnens lastung von Arbeitsgedächtnis und Aufmerksamkeitssteue- • Berücksichtigen der Sprachkompetenz rung unterstützen. • Berücksichtigen des Strategielernens • Berücksichtigen von Arbeitsgedächtnis sowie Auf- merksamkeitssteuerung 1.4 Unterrichtsmethoden zum Kombinieren gemeinsamen und individuellen Lernens Um für jede dieser Lernvoraussetzungen die Differenzie- rungsziele einer Unterrichtseinheit miteinander zu kombi- Die Abbildung gibt einen Überblick über verschiedene Un- nieren, sind jeweils vier Handlungsschritte wichtig: terrichtsmethoden im inklusiven Unterricht. • Anforderungen an Lernvoraussetzungen identifizieren und diagnostizieren, • bzgl. Lernvoraussetzung differenzierte Schwerpunkte setzen und unterstützen, • bzgl. Lernvoraussetzung unterstützen, d.h. die Heraus- forderungen umgehen • bzgl. Lernvoraussetzung fokussiert fördern • Lernvoraussetzung in das gemeinsame Lernen einbrin- gen. Bevor diese Planungsschritte für die Unterrichtseinheit zum Prozentverständnis in Abschnitt 3 genauer erläutert und ge- füllt werden können, soll die Unterrichtseinheit in ihren In- halten und ihrer Struktur in Abschnitt 2 vorgestellt werden. Lernvoraus- Verstehens- Sprach- Strate- Arbeitsge- setzungen: grundlagen kompe- gien dächtnis & & Basiskön- tenz Aufmerksam- Planungsschritte: nen keitssteuerung Eine Balance von individuellem und gemeinsamen Ler- LV identifizieren & nen erhält man durch die Kombination von Sozialformen, 3.1.1 3.2.1 3.3.1 3.4.1 diagnostizieren in denen zusammen oder allein gelernt wird. Das gemein- Bzgl. LV differenzierte 3.1.2 3.2.2 3.3.2 3.4.2 same Lernen meint hierbei sowohl das Miteinander- als Schwerpunkte setzen auch das Voneinander-Lernen. Gerade für den Verstehen- Bzgl. LV fokussiert fördern (bzw. nur unter- 3.1.3 3.2.3 3.3.3 3.4.3 saufbau und für die Spracharbeit sind genügend Unter- stützen) richtsphasen mit Moderation der Lehrkraft wichtig. Stehen LV ins gemeinsame zwei Lehrkräfte zur Verfügung (2L) kann dies in heteroge- 3.1.4 3.2.4 3.3.4 3.4.4 Lernen einbringen nen Kleingruppen oder in „Pull-Out“-Kleingruppen erfol- gen, sonst bewährt sich nach vielfältigen empirischen Un- tersuchungen vor allem die moderierte Kleingruppenarbeit, weil viele Kinder nur darin adaptiv gefördert werden kön- nen, die im Klassengespräch aussteigen, aber dennoch Un- terstützung brauchen. Die unmoderierte Gruppenarbeit funktioniert oft nur bei stärkeren Lernenden, die allerdings auch ab und zu durch moderierte Diskussionen gefordert werden sollten. Um eine Methodenvielfalt zu erlangen, werden daher Unterrichtsgespräche mit Einzelarbeit und wechselnden moderierten Kleingruppen kombiniert, z.B. im Sandwich- Modell (gemeinsam anfangen – allein arbeiten bzw. in Kleingruppe diskutieren – gemeinsam enden).
7 2. Aufbau der Unterrichtseinheit zur Prozentrechnung 2. Aufbau der Unterrichtseinheit zur Prozentrechnung 2.1 Aufzubauende Kompetenzen und Etappe 1: Prozente und Brüche abschätzen und darstellen Grundvorstellungen in der Einheit Die Unterrichtseinheit startet mit den intuitiven Vorerfah- rungen der Lernenden: Dem Downloadbalken, an dem Pro- Prozente begegnen Lernenden überall, z.B. in der Werbung, beim Einkaufen oder in den Medien. Trotz der hohen All- zente abgeschätzt werden. Alle Lernenden erarbeiten oder tagsrelevanz bereitet das Thema Prozentrechnung vielen reaktivieren, dass das Ganze immer 100 % sind und dann Teile vom Ganzen als Anteile in Prozent beschrieben wer- Lernenden Schwierigkeiten. Daher sollen Vorstellungen zu Prozenten verständnisorientiert erarbeitet und immer wieder den. Statt Grundwert, Prozentwert und Prozentsatz werden diskutiert werden. Dieser Prozess wird durch geeignete hier noch intuitive Sprachmittel genutzt wie „fertiger Down- load“, „der komplette Film“, das Runtergeladene“, die spä- Sprachmittel und graphische Darstellungsmittel unterstützt. ter überformt werden mit den bedeutungsbezogenen Fach- Dazu werden im Regelniveau insgesamt acht Kompeten- wörtern wie „der Teil vom Ganzen“, „der Anteil“. zen aufgebaut, im Basisniveau davon fünf (jeweils auf der Rückseite des Materials aufgeführt). Etappe 2: Prozentwerte und Prozentsätze am Streifen finden Schülerinnen und Schüler können … Intuitive Strategien zum Finden von Prozentsätzen und Pro- K1 … Prozente und Brüche abschätzen und darstellen. K2 … Prozentwerte und Prozentsätze am Streifen finden. zentwerten werden in Etappe 2 aktiviert oder entwickelt. Um K3 … Prozentwerte und Prozentsätze bestimmen. allen dazu einen Zugang zu ermöglichen, starten die Lernen- K4 … Grundwerte am Streifen finden und bestimmen. den mit dem Zählen in Schritten (2 GB, 4 GB, 6 GB, …), K5R … mit Verminderungen umgehen (nur Regelniveau). um die multiplikative Struktur am Prozentstreifen zu erfas- K5B / K6R … verschiedene Textaufgaben unterscheiden. sen und mit dem Zählen in doppelten Schritten (10 % sind 2 K7R … Textaufgaben selbst erstellen (nur Regelniveau). GB, 20 % sind 4 GB, ...), um den Zusammenhang zweier K8R … schwierigere Textaufgaben bearbeiten (nur Regelniveau). Größen (Skalen) zu erfassen. Daran kann das intuitive Hoch- Lernende sollen sich beim Umgehen mit Prozenten nicht an und Runterrechnen als informelle, nicht schematische Form unverstandenen Formeln orientieren, sondern auf zwei des Dreisatzes anknüpfen. Grundvorstellungen zugreifen: • mit Prozenten beschreibt man Anteile, also Teile eines Etappe 3: Prozentwerte und Prozentsätze bestimmen Ganzen Hoch- und Runterrechnen wird nun systematischer verfolgt • in der Prozentrechnung kombiniert man zwei Größen und so lange wie notwendig grafisch gestützt. Es wird nicht (z.B. Prozente und Geld), mit ihnen kann man proporti- immer (wie beim Dreisatz-Schema) über die 1 gerechnet, onal hoch- und runterrechnen sondern flexibel auch über 25 % oder 10%. Die bedeutungsbezogenen und intuitiven Begriffe wer- den in einem Sprachspeicher gesichert und mit den formal- bezogenen Fachbegriffen verknüpft: Anteil heißt auch Pro- zentsatz, der Teil auch Prozentwert, und das Ganze heißt auch Grundwert. Beide Grundvorstellungen sind im inklusiven Unterricht auch für sehr schwache Lernende und Lernende mit sonder- pädagogischem Unterstützungsbedarf Lernen (beide zusam- men werden hier als Förderkinder bezeichnet) zugänglich, wenn sie am Prozentstreifen veranschaulicht werden. Die Verwendung eines durchgängigen Anschauungsmaterials ist entlastend für die Aufmerksamkeitsteuerung und das Ar- beitsgedächtnis. 2.2 Aufbau entlang der acht Kompetenzen Etappe 4: Grundwerte am Streifen finden und bestimmen Die Einheit ist in der Regelfassung des Materials entlang der Am Streifen können auch Grundwerte durch intuitives oben aufgeführten acht Kompetenzen in acht Teile geglie- Hoch- und Runterrechnen gefunden werden. Nun geht es dert. Die Basisfassung, die sich an die Schwächeren der auch darum, den Aufgaben anzusehen, nach was jeweils ge- Lerngruppe (i.d.R. die Förderkinder im FS Lernen und die fragt wird. Um den Aufgabentyp zu identifizieren, wird das Lernenden mit Hauptschulempfehlung) richtet, endet mit Gegebene und Gesuchte immer zuerst am Prozentstreifen der fünften Kompetenz (mehr Details zur Basisfassung in eingetragen, der Prozentstreifen wird also auch ein Hilfsmit- Abschnitt 2.6 und 3). tel zum Decodieren von Textaufgaben. Durch das Einüben von solchen einfachen Lösungsstrategien wird wiederum die Aufmerksamkeitsteuerung entlastet.
8 2. Aufbau der Unterrichtseinheit zur Prozentrechnung Etappe 5-8: Steigende Schwierigkeit im Umgang mit Manche Eltern bevorzugen die Formel, weil sie 7. einen Textaufgaben schnellen Rechenweg bietet. Erfahrene Lehrkräfte wissen Gefördert werden soll die Flexibilität der Lernenden im Um- jedoch, dass nur wenige Kinder mit der Formel umgehen gang mit den Grundaufgabentypen und das Erkennen kom- können, weil sie das Verstehen zu wenig unterstützt (1., 2., plexerer Bezüge in Aufgaben. Dazu sind neben Aufgaben 3., 4., 5.) und die Bezüge in Textaufgaben nicht sortieren des Typs „Grundwert gesucht“ auch solche der anderen bei- hilft (8., 9.). Daher ist der Rechenweg auch nicht sicher (6.). den Aufgabentypen (PW oder PS gesucht) integriert. Außer- Die Dreisatztabelle erfüllt viele Funktionen auch: dem müssen die Lernenden selbständig Prozentaufgaben im 1. Prozente als Anteile veranschaulichen Einkaufskontext zu einem gegebenen Aufgabentyp erstellen 2. Gefühl für Größenordnung der Anteile bekommen und anschließend so umformulieren, dass ein anderer Auf- 3. informelle Rechenstrategien unterstützen gabentyp entsteht. Auch komplexere Textaufgaben können 4. Koordinieren zweier Größen unterstützen durch die Vorstrukturierung am Prozentstreifen gelöst wer- 5. proportionale Struktur verdeutlichen den, der Streifen wird dann zum strategischen Gerüst. 6. sicheren Rechenweg bieten In diesen Etappen werden auf dem Regelniveau auch 7. schnellen Rechenweg bieten sprachliche Feinheiten thematisiert und gezielt gegenüber- 8. Bezüge in Textaufgaben sortieren helfen / kontrollieren gestellt (z.B. der Unterschied zwischen „reduzieren um“ und 9. komplexere Beziehungen zugänglich machen „reduzieren auf“). Bearbeitet werden auf dem Regelniveau Sie kann daher ergänzend hinzugenommen werden für Ei- auch komplexere Aufgaben, z.B. die Grundwertbestimmung lige, sollte aber mit dem Prozentstreifen explizit vernetzt nach Angabe der prozentualen Verminderung beziehungs- werden („In der Dreisatztabelle kann man sich in der Mitte weise Erhöhung und des verminderten beziehungsweise er- den Streifen vorstellen, dann funktioniert sie genauso.“, vgl. höhten Prozentwerts. Derweil verbleibt das Basisniveau in Aufgabe 4.5). Um die kognitiven Ressourcen der schwäche- weniger komplexen Aufgaben als das Regelniveau, beide ren Lernenden nicht unnötig zu belasten, bleiben diese in der Gruppen können immer wieder gemeinsam starten mit der ganzen Unterrichtseinheit bei dem einen durchgängigen Strategie „Als erstes tragen wir am Prozentsteifen ein, was Darstellungsmittel, dem Prozentstreifen. wir wissen, und was wir suchen.“ Gerade mit den Förderkin- dern müssen solche Strategien explizit eingeübt werden 2.4 Sprachförderung in der Einheit (vgl. Abschnitt 3.3). Lesen: Textaufgaben sind eine große Herausforderung für 2.3 Prozentstreifen als durchgängiges viele Lernende, mit dem Prozentstreifen erhalten sie ein stra- Darstellungsmittel tegisches Gerüst, um Beziehungen im Text besser decodie- ren zu können. Die Strategien werden explizit thematisiert, Als zentrales Darstellungsmittel wird in diesem Material der auch für die Aufmerksamkeitssteuerung. Auf dem Regelni- Prozentstreifen genutzt. Dieses Veranschaulichungsmittel veau wird zudem für sprachliche Feinheiten durch gezieltes ist für einige noch unvertraut (insbesondere für Eltern), doch Gegenüberstellen von Varianten sensibilisiert. hat er sich unter allen möglichen Darstellungen als Sprechen und Schreiben: Die Unterrichtseinheit will durchgängiges Darstellungsmittel am besten bewährt. alle Lernenden immer wieder herausfordern, ihre Rechen- wege zu erläutern und die Bedeutungen zu erklären. Je mehr sie dies tun, desto nachhaltiger wird ihr Lernprozess. (Alle Aufgaben mit Sprechblasen-Kennzeichnung sind dafür kon- zipiert, gemeinsam besprochen zu werden, im Klassenge- spräch oder in moderierten Kleingruppen.) Sprachspeicherarbeit: Damit die Lernenden die hohen sprachlichen Anforderungen beim Lesen, Sprechen und Schreiben auch bewältigen können, wird ein Sprachspeicher erstellt und zunehmend gefüllt (s.o.). Der Sprachspeicher Mit dem Prozentstreifen kann man / kann man nicht… vernetzt die mitgebrachten mit den neu eingeführten Sprach- 1. Prozente als Anteile veranschaulichen mitteln: Teil, Anteil und Ganzes werden verknüpft mit den 2. ein Gefühl für Größenordnung der Anteile bekommen Begriffen Prozentwert, Prozentsatz und Grundwert. 3. informelle Rechenstrategien unterstützen Dabei ist es wichtig die Sprachmittel gut einzuüben. 4. Koordinieren zweier Größen unterstützen Können die Sprachmittel auto- 5. die proportionale Struktur verdeutlichen matisiert abgerufen werden, 6. einen sicheren Rechenweg bieten führt dies zu einer Entlastung 7. einen schnellen Rechenweg bieten. des phonologischen Arbeitsge- 8. Bezüge in Textaufgaben sortieren helfen / kontrollieren dächtnisses und der zentralen 9. komplexere Beziehungen im Text zugänglich machen. Exekutive. Das Kreisbild leistet zwar auch die 1. und 2., jedoch nicht die weiteren Funktionen des Prozentrechnens.
9 2. Aufbau der Unterrichtseinheit zur Prozentrechnung 2.5 Weiterführende Literatur und Film 2.6 Übersicht zur Differenzierung mit Basis- und Regelniveau-Fassungen der Einheit Die Lernwirksamkeit der Unterrichtseinheit wurde in Regel- Die in Regelklassen empirisch bewährte Unterrichtseinheit klassen empirisch nachgewiesen: Schülerinnen und Schüler wurde seit 2016 für den inklusiven Unterricht adaptiert, es lernen in der Einheit signifikant mehr als im herkömmli- entstanden die zwei Fassungen, einmal im Basis- und einmal chem Unterricht (Pöhler & Prediger 2017). im Regelniveau. Wie sie aufeinander bezogen sind, wird in Mehr zur Spracharbeit in der Unterrichteinheit finden Sie der Tabelle unten im Überblick gezeigt. in einem 15-minütigen Film, der unter Viele Aufgaben werden in zwei Varianten präsentiert, https://dzlm.de/1000/filme gestreamt werden kann. deren kognitive Anforderungen etwas gestuft sind, sie kön- Artikel: Pöhler, B. & Prediger, S. (2017). Verstehensförderung erfordert nen aber dennoch im gemeinsamen Lernen thematisiert und auch Sprachförderung. In A. Fritz, G. Ricken & S. Schmidt, Siegbert die verschiedenen Lernstufen aufeinander bezogen werden. (Hrsg.), Handbuch Rechenschwäche (S. 436-459). Weinheim: Beltz. Im Basisniveau werden einige Teilaspekte ausgelassen, es gibt aber immer wieder Einstiegspunkte, um wieder gemein- sam zu arbeiten. Zusätzlich enthalten Basis- und Regelfassung Sternchen- aufgaben*, die der Differenzierung nach oben und nach Lerntempo (und teilweise auch Schwierigkeit) dienen. Wei- tere Details werden in Abschnitt 3 erläutert. Kompetenz / Etappe Thema Aufgaben im Gemeinsame Aufgaben im Basisniveau Aufgaben Regelniveau K1 Prozente und Brüche ab- Einführung Streifen 1.1 schätzen und darstellen Anteile schätzen 1.2 1.2 Verknüpfen mit Brüchen - 1.3, 1.4 K2 Prozentwerte und Bezug der Skalen herstellen 2.1, 2.2 Prozentsätze am Streifen Zählen in doppelten Schritten 2.3, 2.4 finden Formale Päckchen - 2.5 K3 Prozentwerte und Hoch- und Runterrechnen 3.1 Prozentsätze bestimmen von Prozentwerten und -sätzen 3.2 Sprachspeicher für bedeutungs-bezo- 3.3 genes Vokabeln 3.4 Üben des Hoch- und Runterrechnens 3.5, 3.7 3,8 Einführung formalbezogene Vokabeln 3.6 K4 Grundwerte am Streifen Typ Grundwert gesucht 4.1 finden und bestimmen Hoch- und Runterrechnen 4.2, 4.4, 4.5 4.3 4.2, 4.4 Verknüpfung mit Dreisatztabelle - 4.5 K5R Umgang mit Ver- Sensibilisieren für sprachliche Details - 5.1, 5.2 minderung Grundwerte nach Verminderung - 5.3, 5.4 K5B / 6R Verschiedene Text- Grundaufgaben erkennen und ggf. ab- 5.1B = 6.1R 6.2* R aufgaben unterscheiden weichende Strukturen erfassen 5.2B = 6.3R 6.4* R 5.3B = 6.5R 6.6* R K7R Textaufgaben selbst Textaufgaben selbst stellen Aufgaben selbst stellen 7.1, 7.2, 7.3 erstellen K8R Schwierige Textaufgaben Am Prozentstreifen komplexe - 8.1, 8.2, 8.3, 8.4 bearbeiten Textaufgaben entschlüsseln
10 2. Aufbau der Unterrichtseinheit zur Prozentrechnung 3. Inklusive Ausgestaltung der Unterrichtseinheit zur Prozentrechnung Im inklusiven Unterricht sollen vier Lernvoraussetzungen Inwiefern die Automatisierungen auch Begrenzungen im besonders berücksichtigt und gefördert werden: Arbeitsgedächtnis etwas kompensieren können, wird in Ab- • Berücksichtigen des Vorwissens: Fördern von Verste- schnitt 3.4 erläutert. hensgrundlagen & Basiskönnen Konkret für das Thema Prozente haben sich in qualitati- • Berücksichtigen der Sprachkompetenz ven Analysen der Lernprozesse von Förderkindern mit und • Berücksichtigen der Strategien und metakognitiven Re- ohne sonderpädagogischen Förderbedarf (SPF) folgende gulation Verstehensgrundlagen und Basisfertigkeiten als wichtig er- • Berücksichtigen (d.h. Unterstützen und Entlasten) von wiesen (Strucksberg & Prediger 2017). Sie sollten daher er- Arbeitsgedächtnis und Aufmerksamkeitssteuerung arbeitet bzw. wieder aktiviert und später automatisiert wer- Das Zusammenspiel von individuellem und gemeinsamem den: Lernen erfordert für das Berücksichtigen jede dieser Lern- Verstehensgrundlagen (V) und Basiskönnen (B) voraussetzungen je vier Planungsschritte: a) Anforderungen identifizieren und diagnostizieren, für die Prozentrechnung (aus den Jahrgängen 3-6) b) differenzierte Schwerpunkte setzen, V1. Anteil-Ganzes-Konzept (am Streifen) c) fokussiert fördern, (manchmal statt dessen auch nur un- • 100 % sind das Ganze, 50% sind die Hälfte terstützen, d.h. Herausforderungen bzgl. Lernvoraussetzung • 40 % ist etwas weniger als 50% umgehen) B2. Zählen in Schritten (additiv) d) ins gemeinsame Lernen einbringen. • Zählen in Schritten zur 100: 20, 40, 60, 80, 100; Im Folgenden wird erläutert, inwiefern einige Aspekte die- 10, 20, 30, …, 100; 25, 50, 75, 100. ser Planungsschritte bereits in das Unterrichtsmaterial inte- • Mit welchen Schritten erreiche ich 100? griert wurden, und was in der konkreten Unterrichtsgestal- V3. Zählen in Schritten als Multiplizieren und tung dafür weiter getan werden kann. Dividieren als Passen-in • Sprechweise: 20, 40, 60 sind „drei 20er-Schritte“ Struktur der Abschnitte: • Drei 20er sind 3 · 20 Lernvoraus- Verstehens- Sprach Strate- Arbeitsgedächtnis • Wie viel 20er Schritte passen in 100? (heißt 100 : 20) setzungen: grundlagen & kom- gien & Aufmerksam- • Wie groß sind 5 Schritte bis 100? (heißt 100 : 5) Planungsschritte: Basiskönnen petenz keitssteuerung • 8 sind vier 2er (das entspricht 4 · 2 = 8 und 8 : 4 = 2) LV identifizieren & • multiplikatives Anteil-Ganzes-Konzept mit multiplika- 3.1.1 3.2.1 3.3.1 3.4.1 diagnostizieren tiver Sprechweise und Aufgaben verknüpfen: 12 sind Bzgl. LV differenzierte 3.1.2 3.2.2 3.3.2 3.4.2 vier 3er, 3 · 4 = 12, 4 · 3 = 12, 12 : 3 = 4, 12 : 4 = 3 Schwerpunkte setzen B4 Zerlegen der 100, 60, 80, ... Bzgl. LV fokussiert fördern (bzw. nur un- 3.1.3 3.2.3 3.3.3 3.4.3 • 100 ist 1 · 100, 2 · 50, 4·25, 5·20 oder 10·10 terstützen) LV ins gemeinsame Verstehensgrundlagenund Basiskönnen in der 3.1.4 3.2.4 3.3.4 3.4.4 Prozentrechnung (aus dem Jahrgang 7) Lernen einbringen B5. Umwandeln: Prozente – einfache Brüche: 100 % ist 1, 50 % ist die Hälfte, 25 % ist ein Viertel, 20 3.1 Berücksichtigen des Vorwissens: % ist ein Fünftel Fördern von Verstehensgrundlagen und V6.Verknüpfen zweier Skalen (funktionales Denken) • Bei der Hälfte (50 %) habe ich 10 GB Basiskönnen für Prozente • Wenn die Prozente wachsen, wächst auch der Preis 3.1.1 Verstehensgrundlagen und zu automatisierendes B7. Zählen in doppelten Schritten Basiskönnen identifizieren und diagnostizieren • bei 10 % sind es 2 €, bei 20 % sind es 4 €, bei … Das relevante mathematische Vorwissen bezieht sich in der V8. Proportionales Hoch- und Runterrechnen Regel auf zwei Wissensarten: • Wenn 60 % 18 € sind, dann sind 30 % 9 €. Die addiere • Verstehensgrundlagen: Welche inhaltlichen Vorstel- ich zu 90 %, also 18 € + 9 € = 27 € lungen aus vorangehenden Lernstufen sind für die Weiterarbeit zwingend notwendig? und 3.1.2 Differenzierte Schwerpunkte für Lernziele setzen • Zu automatisierendes Basiskönnen: Welche Fertigkei- Neue Lernziele der Unterrichtseinheit im Regelniveau sind ten sollten bereits automatisiert sein? die Kompetenzen K1-K8, im Basisniveau K1-K5 (wobei K5B = K6R, vgl. Abschnitt 2.1). Im inklusiven Unterricht verfügen allerdings nicht alle Lernenden bereits über alle
11 2. Aufbau der Unterrichtseinheit zur Prozentrechnung notwendigen Verstehensgrundlagen und das Basiskönnen aus vorangehenden Lernstufen, um direkt an den neuen Kompetenzen K1-K8 zu arbeiten. Differenzierte Schwerpunkte für verschiedene Lernendengruppen “Zielgleiche“ „Zieldifferente“: Starke Mittel- Fördergruppe sehr schwache FS Gruppe gruppe (mit & ohne SPF) Lernen / fitte FS GE Fachliches Sprachhandlungen Arbeiten mit dem Material Arbeiten mit (ggf. Teilen des) Materials (Teil-)Lernziel (siehe Abschnitt 3.2) auf Regelniveau auf Basisniveau Verstehensgrundlagen / Basiskönnen V1 Anteil-Ganzes- Schätzungen begründen Alle Brüche Alle Brüche Wiederholen Hälfte, Vier- Nur Hälfte Konzept Beschreiben durch Passen-in tel, drei Viertel, Zehntel B2 Zählen in Beschreiben in Automatisiert Automatisieren Wiederholen Zentrales Lernziel Schritten Bündeln („drei 4er“) und automatisieren für FS GE V3 Multiplizieren als Bedeutung der Multiplikation Automatisiert Wiederholen Wieder erarbeiten Zentrales Lernziel Zählen in Schritten erklären durch Bündel für schwache im FS L V4 Dividieren als Bedeutung der Division Zum Begrün- Wiederholen Wieder erarbeiten Zentrales Lernziel Passen-in erklären durch Bündel den aktivieren für schwache im FS L B4 Zerlegen (reines Kopfrechnen) Zum Begrün- Automatisieren Erarbeiten der 100, 60, 80, ... den aktivieren und automatisieren B5 Umwandeln: Pro- Am Streifen erklären Erarbeiten für Hälfte, zente – einfache Brü- drei Viertel, Zehntel che V6 Zwei Skalen Beziehung zwischen Skalen Zum Begrün- Zum Begründen Erarbeiten verknüpfen ausdrücken den aktivieren aktivieren Zentrales Lernziel B7 Zählen in doppelten „Bei 10 % sind es 3€, bei 20 Zum Begrün- Zum Begründen Erarbeiten Schritten % sind es 6 €, bei 30 % ...“ den aktivieren aktivieren und automatisieren V8 Proportionales Hoch- Rechenwege erläutern Zum Begrün- Selbst Erarbeiten und Runterrechnen den aktivieren entdecken Zentrales Lernziel Aktuelle Kompetenzen der Regel-Einheit K1 Prozente und Brüche Anteils-Beziehungen Selbst Selbst LZ: Erarbeiten für einfache schätzen / darstellen erklären entdecken entdecken Prozentzahlen (10er /25er) K2 PW & PS Bedeutungen erklären LZ: Erarbeiten LZ: Erarbeiten LZ: Erarbeiten für einfache am Streifen finden intuitive Wege erläutern und begründen Prozentzahlen (10er/ 25er) K3 PW & PS Rechenwege erläutern LZ: Erarbeiten LZ: Erarbeiten LZ: Erarbeiten für einfache bestimmen und begründen Prozentzahlen (10er/25er) K4 GW am Streifen fin- Bedeutung erklären LZ: Erarbeiten LZ: Erarbeiten LZ: Erarbeiten für einfache den / bestimmen Rechenwege erläutern und begründen Hochrechnungen K5R mit Verminderungen Bedeutung erklären, Bezie- LZ: Selbststän- LZ: Erarbeiten umgehen hungen im Text enkodieren dig erarbeiten K6R /K5B Textaufgaben Strategien nutzen zum Bezie- LZ: Selbststän- LZ: Strategie-för- Strategieförderung, nur unterscheiden hungen enkodieren dig erarbeiten derung einfache Grundaufgaben K7R Textaufgaben Anteilsbeziehungen prägnant LZ: Selbststän- LZ: Strategie-för- Nur einfache selbst erstellen beschreiben dig erarbeiten derung Grundaufgaben K8R schwierigere Text- Strategien nutzen zum Bezie- LZ: Erarbeiten Anbahnen Strategieförderung, nur aufgaben bearbeiten hungen enkodieren einfache Grundaufgaben
12 2. Aufbau der Unterrichtseinheit zur Prozentrechnung Daher sind die Verstehensgrundlagen und das Basiskönnen • Verstehenskerne bei den einführenden Aufgaben sehr für einige auch explizit als Lernziele einzuplanen und nicht explizit herausarbeiten (werden jeweils mit aufgeführt als vorhandene Lernvoraussetzung, Für einige ist dies sogar in Abschnitt 4). ausschließlich der Fall, damit das oft formulierte Stunden- • Bei späteren Aufgaben die Verstehensgrundlagen ziel, dass jeder Lernende auf seinem Niveau etwas dazu- immer wieder hervorheben. lernt, überhaupt erreicht werden kann. • Basiskönnen fortgesetzt trainieren, sobald es einmal Hier dürfen sie stehenbleiben und erst in einem neuen In- verstanden ist, z.B. in Warm-Ups zu Beginn jeder haltsfeld werden sie weitergeführt. Die Verstehensgrundla- Stunde. gen im Unterricht zu thematisieren, nutzt als Begründungs- • Neue Inhalte an die Verstehensgrundlagen und das Ba- basis aber auch denjenigen, die sie eigentlich bereits kennen siskönnen anknüpfen, insbesondere in den Plenums- sollten und bieten so ideale Gelegenheiten zum gemeinsa- phasen. men Lernen auf verschiedenen Niveaus. So ergibt sich in • Den Prozentstreifen durchgängig zur Problembewälti- Bezug auf K1-8 und V/B 1-8 zum Beispiel in einer Klasse gung und als Unterstützung hervorheben und nutzen. eine Differenzierung der Schwerpunkte, wie sie in der fol- genden Tabelle abgebildet ist (für andere Lerngruppen muss 3.1.4 Verstehensgrundlagen im gemeinsamen Lernen wieder etwas anders akzentuiert werden, je nach Vorwis- thematisieren sen). Gemeinsames Lernen ist relativ leicht zu inszenieren, so- Wie die Tabelle zeigt, werden im differenzierenden Un- lange alle Kinder am gleichen Inhalt arbeiten (dann gelingt terricht auch bei den sogenannten „zielgleich“ unterrichte- kurzeitiges Lernen im Gleichschritt). Das Material von Ba- ten Lernenden bzgl. der Lernziele differenzierte Schwer- sis- und Regelfassung beginnt daher häufig mit einer gleich- punkte gesetzt: Während die Einserkandidatin in der star- artigen Aufgabe (siehe Übersicht in Abschnitt 2.6). An- ken Lernendengruppe (1. Spalte) komplexere Verknüpfun- spruchsvoller ist das Inszenieren gemeinsamen Lernens, gen verstehen und begründen soll, gehört zu einer Note 4 wenn die Lernenden an unterschiedlichen Schwerpunkten (Förderkind ohne SPF, vorletzte Spalte) die sichere Beherr- arbeiten. Durch folgende Situationen können z.B. Erkennt- schung der Verstehensgrundlagen. Die neuen Lernziele nisse aus individuellen Arbeitsprozessen zu Verstehens- werden auf jeweils einfache Prozentzahlen beschränkt. grundlagen im gemeinsamen Lernen eingebracht werden: Für Förderkinder (vorletzte Spalte), also schwache Ler- • Gemeinsames Lernen beim Abschätzen und Darstellen nenden mit und ohne offiziellem sonderpädagogischem von Brüchen (Etappe 1) inszenieren: Während die Ler- Förderbedarf (SPF), sind die Verstehensgrundlagen essen- nenden in der Regelfassung bereits Brüche und Pro- tiell: Darauf können dann komplexere Lerninhalte und Re- zente gleichermaßen am Streifen veranschaulichen und chenwege (auch nachfolgender Unterrichteinheiten) aufset- umwandeln (Aufgaben 1.3 und 1.4) und erste Anteile zen. Einige Kinder werden bei den Verstehensgrundlagen am Prozentstreifen bestimmen, können sich die Förder- stehen bleiben (rechte Spalte), andere weitere Kompetenzen kinder bei ein Halb, ein Viertel und ein Zehntel ein- des aktuellen Stoffs erwerben. bringen (Aufgabe 1.2). Zudem kontrollieren sie die Für Lernende mit Förderschwerpunkt Geistige Ent- Passung der Ergebnisse des Regelniveaus durch Zählen wicklung (oder sehr schwache im Förderschwerpunkt Ler- in Schritten. Durch diese Inszenierung können sich die nen) kann der Schwerpunkt voll auf die Anbahnung multi- Förderkinder gewinnbringend beteiligen. plikativen Denkens gesetzt werden. Wie dies mit den Lern- • Einbezug der Förderkinder beim Umgang mit Vermin- prozessen der anderen zusammengebracht werden kann, derung (Etappe 5R /4B):Während das Regelniveau auch wird in 3.1.4 erläutert. Grundwerte für Angebote mit Verminderungen thema- tisiert und bestimmen lässt (Aufgaben 5.1-5.4), bear- 3.1.3 Verstehensgrundlagen und zu automatisierendes beiten Lernende des Basisniveaus nur solche ohne Ver- Basiskönnen fokussiert fördern minderung (z.B. Aufgabe 4.4/4.5). In den Besprechun- gen an der Tafel ist die gemeinsame Strategie „Immer Dies wurde bereits ins Material integriert erst am Streifen eintragen, was wir wissen und was wir • Das Material im Regel- und Basisniveau bietet für jede suchen“ stets der verknüpfende Bezugspunkt. Zum an- der aufgeführten Verstehensgrundlagen und für alles deren können die Förderkinder die Verstehensgrund- Basiskönnen jeweils Aufgaben, in denen sie mindes- lage V8 des proportionalen Hoch- und Runterrechnens tens einmalig erarbeitet bzw. thematisiert werden (aus- vertiefen und zum Überprüfen der Produkte der Ler- gewiesen in Abschnitt 4). nenden des Regelniveaus nutzen. • Die Basisfassung bietet außerdem jeweils auch Übungsgelegenheiten für alle Verstehensgrundlagen. Dies wurde bereits ins Material integriert • Verstehensgrundlagen sind in Basis- und Regelfassung Dies können Lehrkräfte zusätzlich tun des Materials eingebaut, so dass beide immer wieder • Allen Lernenden (nicht nur den Schwachen) gerade für ein gemeinsames Thema haben. die Verstehensgrundlagen genügend Zeit lassen. • Bei manchen Aufgaben bietet die Basisfassung eine • Verstehensgrundlagen in einem Wissensspeicher auf mehrschrittige Erarbeitung für eine Verstehensgrund- einem Plakat festhalten. lage, die auch im Regelniveau aktiviert werden soll,
13 2. Aufbau der Unterrichtseinheit zur Prozentrechnung aber nicht mehrschrittig eingeführt wurde, d.h. die Ler- 3.2 Berücksichtigen der themenspezifischen nenden auf dem Basisniveau können dem Regelniveau Sprachkompetenz dann etwas erklären. • Bei manchen Aufgaben muss auf dem Basisniveau nur 3.2.1 Sprachhandlungen und Sprachmittel identifizieren hochgerechnet werden (z.B. von 10 % auf 40 %, auf dem Regelniveau aber runter und hoch (z.B. von 60% und diagnostizieren auf 10 % auf 40 %). In der Aufgabenbesprechung kön- Um die themenspezifisch relevanten Aspekte von Sprach- nen die Kinder des Basisniveaus dann die des Regelni- kompetenz zu identifizieren, hat es sich bewährt, jeweils veaus mithilfe ihrer Lösung kontrollieren. Verknüpfun- von den verschiedenen fachlichen Teilzielen aus zu denken. gen sind in Abschnitt 4 an vielen Stellen ausgewiesen. In der Tabelle der vorangehenden Seite sind daher die Sprachhandlungen gleich mit aufgeführt. Dies können Lehrkräfte zusätzlich tun • Auch bei der Besprechung von schwierigen Aufgaben Sprachhandlung Sprachmittel können die Förderkinder beteiligt werden, nämlich je- Multiplikation / Division weils an den Schritten, in denen es um die Aktivierung • Schätzungen begründen „Das ist die Hälfte, denn das Stück von Basiskönnen oder Verstehensgrundlagen geht. Beschreiben durch Pas- passt zweimal rein.“ • Die stärkeren Kinder sollten immer wieder explizit auf- sen-in gefordert werden, die Verstehensgrundlagen als Be- • Beschreiben in „Hier sind drei 4er-Gruppen.“ (s.u.) gründungsbasis zu nutzen. Beispielsituation: Bündeln („drei 4er“) Die Klasse hat in Aufgabe 1.1 intuitiv geschätzt. Die • Bedeutung der Multiplika- „3 · 4, das sind ja drei 4er-Schritte.“ tion erklären durch Bündel mathematisch sehr schwachen Kinder orientieren sich • Bedeutung der Division „Wenn ich wissen will, mit wie vielen an der Hälfte: X ist kleiner oder größer als die Hälfte. 5er-Schritten ich zur 100 komme, erklären durch Bündel Die Hälfte wird räumlich erschlossen, indem der Down- dann rechne ich 100 : 5.“ loadstreifen geknickt wird, so dass zwei gleich große „Wenn ich wissen will, wie groß die Teile entstehen. Die mathematisch Stärkeren schätzen 20 Schritte zur 100 sind, dann rechne mit Zahlen und begründen. ich 100 : 20.“ Nach Aufgabe 1.2 werden die Kinder im Basisni- Funktionale Beziehungen veau aufgefordert, alle möglichen Schritte zur 100 auf- • Beziehung zwischen Ska- Zählen in doppelten Schritten: zuschreiben, die anderen bearbeiten Aufgabe 1.3. Im len ausdrücken „Bei 10 % sind es 3€, bei 20 % sind Anschlussgespräch erklären die Kinder des Regelni- es 6 €, bei 30 % ....“ veaus (und stärkere des Basisniveaus) ihre Vorgehens- Anteilsbeziehungen am Streifen weise. Danach stellen die schwächeren Kinder des Ba- • Am Streifen erklären „Der neue Preis ist ja nur noch ein Bruchteil von dem alten Preis, näm- sisniveaus ihre Ergebnisse vor, die nun als Begrün- lich 80 %.“ dungsbasis von den übrigen Kindern genutzt werden „Rabatt ist, wie viel man spart.“ sollen. „Der Teil ist der neue Preis und das • Zudem können Aufgaben von Förder- und lernstarken Ganze ist die 100, der alte Preis“ Kindern gemeinsam, also in heterogenen Kleingrup- • Anteilsbeziehungen „Bei der Mehrwertsteuer ist ja das pen, erarbeitet und auch in Plenums- und Präsentations- in komplexen Texten Ganze die 100 ohne Steuer.“ phasen vorgestellt werden. encodieren und erklären „Hier ist das Ganze gegeben und der Teil gesucht“ Rechenwege am Streifen • Intuitive Rechenwege am „Um den Teil zu bestimmen, such ich Streifen erläutern und er- erst einen kleineren Teil, den ich klären leicht berechnen kann, der passt da dreimal rein, also durch 3“ • Rechenwege erläutern „Von 40 % rechne ich erst runter auf 20 %, dann hoch auf 100 %, also fünf 20er-Schritte.“ 3.2.2 Differenzierte Schwerpunkte für Sprachhandlungen und Sprachmittel setzen Vorschläge zur Differenzierung in den Schwerpunkten wur- den in der Tabelle in Abschnitt 3.1.2 bereits mitgeliefert. Insbesondere für die sehr schwachen Lernenden ist das Sprachmittel der Gruppen / der Schritte das wichtigste Lern- ziel, weil es die mentale Denkoperation des Bündelns unter- stützt.
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