Herausforderung Klimawandel - Chancen und Risiken für den Tourismus in Graubünden

Die Seite wird erstellt Pierre-Oliver Neuhaus
 
WEITER LESEN
Herausforderung Klimawandel - Chancen und Risiken für den Tourismus in Graubünden
Herausforderung
Klimawandel
     Chancen und Risiken für den Tourismus in Graubünden
Herausforderung Klimawandel - Chancen und Risiken für den Tourismus in Graubünden
Herausforderung Klimawandel - Chancen und Risiken für den Tourismus in Graubünden
Herausforderung Klimawandel
                                Chancen und Risiken für den Tourismus in Graubünden

    Teil A
    Klimawandel und Tourismus – Grundlagen

    Teil B
    Aktuelle und zukünftige Schneesicherheit
    der Bündner Skigebiete

    Bruno Abegg1,2,3, Robert Steiger 4, Roger Walser1

1
    HTW Chur
2
  Universität Innsbruck
3
  alpS – Centre for Climate Change Adaptation
4
  MCI Management Center Innsbruck

    Chur/Innsbruck
    April 2013

    Bach Ova da Roseg, ©swiss-image.ch/Robert Boesch
Herausforderung Klimawandel - Chancen und Risiken für den Tourismus in Graubünden
Inhaltsübersicht

                                                 Seite
Teil A
Klimawandel und Tourismus – Grundlagen              8
1 Das Wichtigste in Kürze                           9
2 Klimawandel                                      10
3 Auswirkungen auf den alpinen Tourismus           17
4 Der Beitrag des Tourismus zum Klimawandel        28
5 Anpassungs- und Verminderungsmassnahmen          30
  im Tourismus
6 Klimawandel und Nachfrage                        41

Teil B
Aktuelle und zukünftige Schneesicherheit           44
der Bündner Skigebiete
1 Das Wichtigste in Kürze                          45
2 Vorgehensweise                                   46
3 Resultate                                        49
4 Mögliche Grenzen der technischen Beschneiung     55
5 Diskussion                                       60
6 Anhang                                           62

Literatur (für Teil A und B)                       64

                                                    4
Herausforderung Klimawandel - Chancen und Risiken für den Tourismus in Graubünden
Vorbemerkungen der Autoren

Der vorliegende Bericht ist in zwei Teile gegliedert. Im       Mit diesem Bericht werden verschiedene Ziele verfolgt.
ersten Teil werden die Wechselwirkungen zwischen               Der Bericht soll:
Klimawandel und Tourismus aufgezeigt. Hier werden
keine neuen Untersuchungen durchgeführt – es geht              – Verständnis für die Komplexität der Problematik
vielmehr darum, das vorhandene Wissen aus der verfüg-            wecken und den Bündner Tourismus für die Heraus-
baren Literatur aufzuarbeiten und aus der Sicht des              forderungen, die mit dem Klimawandel verbunden
Tourismus im Kanton Graubünden zu interpretieren.                sind, sensibilisieren;
Im zweiten Teil wird der für den Kanton Graubünden             – aufzeigen, wie sich die klimatischen Rahmenbedin-
so wichtige Winter- bzw. Skitourismus in den Mittel-             gungen für den Bündner Tourismus verändern
punkt gerückt und die zukünftige Schneesicherheit                könnten und Leitplanken im Umgang mit diesen
der Skigebiete analysiert. Dabei kommt – erstmals in             Veränderungen zur Diskussion stellen;
der Schweiz – das Schneedecken-Simulationsmodell               – aufzeigen, dass der Klimawandel nicht nur mit
SkiSim 2.0 zum Einsatz.                                          Risiken, sondern auch mit Chancen verbunden ist.
                                                                 Hinzu kommt, dass viele Massnahmen als soge-
Der Klimawandel stellt den Tourismus vor grosse                  nannte «no-regrets» bezeichnet werden können:
Herausforderungen. Wir sehen uns nicht nur mit einer             das sind Massnahmen, die sich auch auszahlen,
Vielzahl von potentiellen Auswirkungen konfrontiert,             wenn der Klimawandel nicht genauso wie in einem
sondern sind auch gezwungen, in ungewohnten Di-                  bestimmten Szenario angenommen eintritt. Diese
mensionen zu denken: global, vernetzt und in langen              Massnahmen tragen beispielsweise dazu bei, einsei-
Zeiträumen.                                                      tige Geschäftsmodelle breiter abzustützen, Kosten zu
                                                                 reduzieren oder neue Positionierungsmöglichkeiten
Wer sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf               im Markt zu finden.
den Tourismus beschäftigt, muss Annahmen treffen,
Unsicherheiten abwägen und in Szenarien denken.                Wir bedanken uns für die zur Verfügungsstellung von
Gewissheit gibt es nicht, nur Zukunftsbilder, die unter        Abbildungen und Fotografien bei:
bestimmten Annahmen plausibel sind. Erschwerend
kommt hinzu, dass die Zukunft des Tourismus von                – Dr. Stephan Bader, Bundesamt für Meteorologie und
vielen Faktoren geprägt wird und die Bedeutung des               Klimatologie MeteoSchweiz, Abteilung Klima, Zürich
Klimawandels in Relation zu diesen Einflussfaktoren            – Brigitte Schrade, Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern
ungewiss ist.                                                  – Roman Grossrieder, Grischconsulta AG, Chur
                                                               – Dr. Christoph Kull, Beratendes Organ für Fragen der
                                                                 Klimaänderung (OcCC), Bern
                                                               – Dr. Andreas Bauder, Versuchsanstalt für Wasserbau,
                                                                 Hydrologie und Glaziologie der Eidgenössischen Tech-
                                                                 nischen Hochschule Zürich, Zürich

                                                               Bruno Abegg, Robert Steiger, Roger Walser

                                                           5
Herausforderung Klimawandel - Chancen und Risiken für den Tourismus in Graubünden
Vorwort
Herausforderung Klimawandel: Chancen und Risiken für den Tourismus in Graubünden

Teil A                                                        dass sich die natürliche Schneesicherheit der Bündner
Klimawandel und Tourismus – Grundlagen                        Skigebiete im Verlaufe des 21. Jahrhunderts ver-
                                                              schlechtern wird, die Auswirkungen des Klimawandels
Im Jahr 2006 hat der Kanton Graubünden die Bündner            aber mit technischer Beschneiung aufgefangen werden
Tourismusreform «Wettbewerbsfähige Strukturen und             können und die Zahl der technisch schneesicheren
Aufgabenteilung im Bündner Tourismus» gestartet. Im           Schneesportgebiete in Graubünden deutlich weniger
Rahmen dieser Tourismusreform wurde auch das Qua-             stark zurückgehen wird als beispielsweise im benach-
litätsprogramm Graubünden (www.qualitaet-gr.ch)               barten Tirol.
konzipiert. Aufbauend auf einem Qualitäts-Leitbild
werden seit 2011 Massnahmen zur Qualitätsentwick-             Die vorliegende Broschüre zeigt somit auf, dass wir
lung und zur Qualitätsmessung umgesetzt. Mit dem              mit dem Phänomen Klimawandel auch in Graubünden
Qualitätsprogramm werden den touristischen Leis-              konfrontiert sind. Es kann davon ausgegangen werden,
tungserbringern praxisorientierte Hilfsmittel zur Ver-        dass sich die natürliche Schneesicherheit im Winter
besserung ihrer Dienstleistungs- und Erlebnisqualität         verschlechtern wird und sich die klimatischen Bedin-
zur Verfügung gestellt.                                       gungen für den Sommertourismus saisonverlängernd
                                                              auswirken können. Es ist daher wichtig, dass sich der
Bei der Qualitätsentwicklung kommt auch der Um-               Bündner Tourismus mit den Fragen des Klimawandels
weltqualität grosse Bedeutung zu, wird doch oft die           und dessen Chancen und Risiken in naher Zukunft
Naturlandschaft als Kapital des Alpinen Tourismus             auseinandersetzt.
bezeichnet. Dabei spielt auch der Klimawandel und
die sich für den Tourismus ergebenden Chancen und             Eugen Arpagaus
Risiken eine Rolle. Der vorliegende Grundlagenbericht         Leiter Amt für Wirtschaft und Tourismus
zeigt anschaulich die Wechselwirkungen zwischen
Klimawandel und Tourismus auf. Er ist als Ergänzung
zu den vom Amt für Natur und Umwelt (ANU) publi-
zierten Berichten «Klimawandel in Graubünden» (ANU,
2009) und «Klimabericht Graubünden» (MeteoSchweiz
im Auftrag des ANU, 2012) zu betrachten.

Der Verband Bergbahnen Graubünden bekundete
ebenfalls Interesse an einem Klimabericht für Grau-
bünden. Daraus entstand eine Zusammenarbeit und
ein bergbahnspezifischer Berichtsteil. Dieser legt dar,

                                                          6
Herausforderung Klimawandel - Chancen und Risiken für den Tourismus in Graubünden
Teil B                                                            Mit einem Anteil von 55 % oder 2.5 Milliarden Franken
Aktuelle und zukünftige Schneesicherheit                          an der Exportwertschöpfung des Kantons, ist und wird
der Bündner Skigebiete                                            die Tourismuswirtschaft ein wichtiger Impulsgeber der
                                                                  Bündner Volkswirtschaft bleiben. Dem Tourismus gilt
Das Klima unseres Planeten Erde verändert sich stetig.            es Sorge zu tragen, denn die Alternativen im Bergge-
Die heutigen Signale deuten in den nächsten Dekaden               biet sind rar. Zudem ergibt sich durch den Klimawandel
auf einen Anstieg der Temperaturen hin, was die                   für die Bündner Skigebiete ein komparativer Vorteil,
Schneesicherheit des Alpenraums und von Graubün-                  den es geschickt zu nutzen und in Wertschöpfung zu
den beeinflusst. Dies wiederum hat kurz-, mittel- und             transferieren gilt.
langfristig Auswirkungen auf den alpinen Schnee-
sport, den eigentlichen Motor des Bündner Tourismus,              Der Klimawandel ist Fakt. Es liegt nun an uns Bünd-
und mit ihm auf die Entwicklung der Bergbahnunter-                nerinnen und Bündnern aus diesem das Beste für
nehmen und die damit verbundenen Einkommen und                    unseren Wohn- und Wirtschaftsstandort Graubünden
Arbeitsplätze.                                                    zu machen, so dass wir uns in unserer Heimat auch
                                                                  künftig noch wohlfühlen und entwickeln können.
«Lehne es nicht ab, das Negative zur Kenntnis zu
 nehmen. Weigere dich lediglich, dich ihm zu unter-               Silvio Schmid
 werfen.»                                                         Präsident Bergbahnen Graubünden
      Norman Vincent Peale, amerikanischer Autor über posi-
tives Denken.

In diesem Sinne möchte Bergbahnen Graubünden mit
der vorliegenden Broschüre einen Beitrag zu einer
positiven Diskussion der strategischen Entwicklung
seiner Mitglieder und der Destinationen leisten. Ebenso
wichtig erscheint Bergbahnen Graubünden aber auch
die Diskussion der erforderlichen Rahmenbedingungen
seitens der öffentlichen Hand (Raumplanung, Umwelt,
Energie, Wirtschaftsentwicklung), damit den Berg-
bahnunternehmen und den Destinationen die Anpas-
sung an den Klimawandel und die damit verbundenen
Herausforderungen auf eine effiziente und wirtschaft-
lich verträgliche Art gelingt.

                                                              7
Herausforderung Klimawandel - Chancen und Risiken für den Tourismus in Graubünden
Klimawandel und Tourismus – Grundlagen

Teil A

Bruno Abegg

HTW Chur
Universität Innsbruck
alpS – Centre for Climate Change Adaptation

Chur/Innsbruck
April 2013

                                                8
                                              Teil A
Herausforderung Klimawandel - Chancen und Risiken für den Tourismus in Graubünden
1 Das Wichtigste in Kürze

  – Der Klimawandel findet statt und wird sich in Zukunft         komparativen Vorteil. Im Sommer könnten vor allem
    weiter akzentuieren.                                         der Tagesausflugs- und Kurzzeittourismus profitieren.
  – Im Winter ist von einer Verschlechterung der natür-        – Anpassung findet statt und hat viele Facetten. Im
    lichen Schneesicherheit auszugehen. Mit einem                Vordergrund stehen reaktive Anpassungen zur
    Ausbau der technischen Beschneiung können die                Sicherung des Status Quo. Anpassung ist stark
    negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die              kontext-spezifisch – Patentlösungen gibt es keine.
    natürliche Schneesicherheit teilweise ausgeglichen         – Der Tourismus ist für bedeutende CO2- bzw. Treib-
    werden.                                                      hausgas-Emissionen verantwortlich. Mit Abstand
  – Die Verbesserung der klimatischen Bedingungen                wichtigste Emissionsquelle ist der touristische Ver-
    für den Sommertourismus (höhere Temperaturen,                kehr, insbesondere die An- und Abreise der Gäste.
    weniger Niederschlag, längere Saison) ist aller            – Es gibt nur wenige Touristiker, die sich für den
    Voraussicht nach höher zu gewichten wie potentiell           Klimaschutz engagieren. Möglichkeiten, mit entspre-
    negative Auswirkungen von klima-induzierten                  chenden Massnahmen Geld zu sparen (Stichwort:
    Umweltveränderungen (z. B. Gletscherschwund).                Energie) oder sich neu zu positionieren, liegen brach.
  – Die Nachfrage dürfte sich – aus klimatischer Sicht –
    tendenziell positiv entwickeln. Im Winter sorgt die
    vergleichsweise hohe Schneesicherheit für einen

  Landschaft im Unterengadin, © Graubünden Ferien, Chur

                                                           9
Herausforderung Klimawandel - Chancen und Risiken für den Tourismus in Graubünden
2 Klimawandel

  Historische Klimaentwicklung                                          Während die Temperaturzunahme in allen Regionen
                                                                        und Höhenstufen eindeutig ist, können für die Verän-
  Die Jahresmitteltemperaturen haben in den letzten                     derung des Niederschlags keine klaren Aussagen
  100 Jahren (1912–2011) um mehr als 1.5 °C zugenom-                    gemacht werden (Abb. A2). Im Norden konnte eine
  men (Abb. A1). In den letzten 30 Jahren (1982–2011)                   leichte Zunahme, im Süden eine leichte Abnahme des
  hat sich die Erwärmung beschleunigt und Werte von                     Jahresniederschlags beobachtet werden – beides ist
  bis zu 0.5 °C pro Dekade erreicht. Die hiesige Erwär-                 statistisch aber nicht signifikant.
  mung ist rund doppelt so hoch wie das globale Mittel
  und lässt sich u. a. mit den unterschiedlichen physika-               Die historische Klimaentwicklung im Kanton Grau-
  lischen Eigenschaften von Land- und Meeresober-                       bünden wurde von MeteoSchweiz (2012) untersucht.
  flächen erklären. Hinzu kommt, dass in den Alpen                      Die wichtigsten Resultate können wie folgt zusammen-
  grosse Flächen mit Schnee und Eis bedeckt sind. Diese                 gefasst werden:
  Flächen nehmen ab, was zu einer dunkleren Erdober-
  fläche und damit zu positiven Rückkoppelungseffekten                   – Die Klimaerwärmung ist in den Messdaten eindeutig
  führt.                                                                  nachweisbar: Der langfristige Temperaturtrend
                                                                          (1900–2011) liegt zwischen +0.1 °C und +0.2 °C pro
                                                                          10 Jahre. Betrachtet man nur die letzten 50 Jahre
  Abb. A1: Langjähriger Verlauf der Jahrestemperatur gemittelt            (1961–2011), werden deutlich höhere Werte erreicht:
  über die gesamte Schweiz. Dargestellt ist die jährliche Abwei-          Winter: +0.2 °C bis +0.4 °C pro 10 Jahre; Sommer:
  chung der Temperatur von der Norm 1961–1990 (rot = positive             +0.4 °C bis +0.5 °C pro 10 Jahre.
  Abweichungen, blau = negative Abweichungen). Die schwarze
  Kurve zeigt das 20jährige, gewichtete Mittel.
        Quelle: MeteoSchweiz 2013

                                                                   10
                                                              Teil A
– Die Zahl der Sommertage (Tage mit Tmax ≥ 25 °C)                       – In den letzten 50 Jahren (1961–2011) haben sowohl
  hat von 1961–2011 markant zugenommen. Gleich-                           die Neuschneesummen als auch die Anzahl Tage mit
  zeitig ist die Zahl der Frosttage (Tage mit Tmin < 0 °C)                einer Schneehöhe von mindestens 5 bzw. 30 cm
  deutlich zurückgegangen. Im Weiteren ist die Null-                      deutlich abgenommen.
  gradgrenze in allen Jahreszeiten angestiegen.
– Die saisonalen Niederschlagssummen weisen zwar
  periodische Schwankungen auf, zeigen aber keine
  klaren Trends. Auch zur Entwicklung der Starknie-
  derschläge und Trockenperioden lassen sich keine
  gesicherten Angaben machen.

Abb. A2: Abweichung des jährlichen Durchschnittsniederschlags
vom langjährigen Mittelwert (1961–1990) in Prozent. Positive Ab-
weichungen (mehr Niederschlag) sind grünblau, negative Abwei-
chungen (weniger Niederschlag) sind gelbbraun.
      Quelle: MeteoSchweiz 2012

                                                                   11
Zukünftige Klimaentwicklung                                     vorausgesagt werden können, stehen verschiedene
                                                                Emissionsszenarien zur Verfügung. Für die Berech-
Temperatur- und Niederschlag                                    nung der CH2011-Szenarien wurden drei Emissions-
Im Herbst 2011 wurden die CH2011-Szenarien (CH                  szenarien ausgewählt:
2011, Fischer et al. 2012) publiziert. Diese Szenarien
ermöglichen eine neue Beurteilung der zukünftigen               – A2: Stetige Zunahme der Treibhausgas-Emissionen
Klimaentwicklung in der Schweiz. Sie beruhen auf                  bis 2100 (lila in Abb. A3).
Klimamodellen mit höherer Auflösung und verbesser-              – A1B: Zunahme der Treibhausgas-Emissionen bis 2050,
ten statistischen Methoden.                                       dann leichte Abnahme (grau).
                                                                – RCP3PD: Emissionen werden bis 2050 um etwa 50 %
Die CH2011-Szenarien basieren auf sogenannten Emis-               gesenkt und bis Ende Jahrhundert auf die Werte um
sionsszenarien. Diese geben einen Einblick in den mögli-          1900 reduziert. Dieses Szenario beschränkt die
chen weiteren Verlauf der globalen Treibhausgas-Emis-             globale Erwärmung gegenüber dem vorindustriellen
sionen. Die Höhe der zukünftigen Treibhausgas-                    Niveau auf 2 °C (orange).
Emissionen hängt u. a. von der Bevölkerungsentwick-
lung, dem Wirtschaftswachstum, dem technologischen              Wie Abb. A3 zeigt, wird der zukünftige Verlauf der
Fortschritt und allfälligen energiepolitischen Weichen-         globalen Treibhausgas-Emissionen die Entwicklung
stellungen ab. Da diese Entwicklungen nicht genau               der saisonalen Temperaturen und Niederschläge bis
                                                                Ende des Jahrhunderts stark beeinflussen.

Val Poschiavo, © Graubünden Ferien, Chur

                                                           12
                                                      Teil A
Abb. A3: Die Bedeutung des zukünftigen Emissionsverlaufs für
die Entwicklung der saisonalen Temperaturen und Niederschläge.
Links: Globale Treibhausgas-Emissionen der drei Emissionsszen-
arien RCP3PD (orange), A1B (grau) und A2 (lila) für die Jahre
1900–2100. Rechts: Projizierte Temperatur- (°C) und Nieder-
schlagsänderungen (%) für 2070–2099 gegenüber 1980–2009 für
Nord-und Mittelbünden (links) und die Bündner Südtäler und das
Engadin (rechts) jeweils für Winter (oben) und Sommer (unten).
      Quelle: MeteoSchweiz (2012)

                                                                 13
Das Bündner Klima wird sich im Verlaufe des 21. Jahr-        Abb. A4: Vergangene und zukünftige Änderungen der Sommer-
hunderts weiter verändern. Die Temperaturen werden           und Wintertemperaturen (in °C) gezeigt am Beispiel von Chur (linke
in allen Jahreszeiten um mehrere Grade ansteigen             Spalte, Beobachtungen seit 1888) und Segl-Maria (rechte Spalte,
(Abb. A4). Die Sommerniederschläge werden in der             Beobachtungen seit 1864). Die Änderungen beziehen sich auf den
zweiten Hälfte des Jahrhunderts im ganzen Kantons-           Referenzzeitraum 1980–2009. Die dünnen farbigen Balken zeigen
gebiet deutlich abnehmen, die Winterniederschläge in         die jährlichen Abweichungen vom gemessenen Durchschnitt über
den südalpin beeinflussten Gebieten hingegen eher            den Referenzzeitraum, die dicken schwarzen Linien sind die
zunehmen. Für die nordalpin geprägten Gebiete gibt           entsprechenden über 30 Jahre geglätteten Durchschnittswerte.
es im Winter kein eindeutiges Signal (Abb. A5). Im           Die graue Schattierung gibt die Spannweite der jährlichen Abwei-
Frühling und Herbst können die Niederschläge ge-             chungen an (wie sie die Klimamodelle für das A1B Szenario
mäss Modellaussagen sowohl zu- als auch abnehmen.            berechnen); die dicken farbigen Balken zeigen die besten Schät-
Für detaillierte Angaben zur zukünftigen Temperatur-         zungen der Projektionen in die Zukunft und den damit verbunde-
und Niederschlagsentwicklung im Kanton Graubünden            nen Unsicherheitsbereich für die drei ausgewählten Zeiträume
verweisen wir auf die beiden Publikationen «Klimabe-         von 30 Jahren und für die drei verschiedenen Emissionsszenarien
richt Kanton Graubünden 2012» (MeteoSchweiz 2012)            (A1B, A2 und RCP3PD).
und «Klimaszenarien Schweiz – eine regionale Über-                 Quelle: MeteoSchweiz (2012)
sicht» (MeteoSchweiz 2013).

Nord- und Mittelbünden                                       Bündner Südtäler und Engadin
Bsp. Chur 1888–2011                                          Bsp. Segl-Maria 1864–2011/12

                                                        14
                                                   Teil A
Bei der Interpretation dieser Klimaszenarien ist zu         Abb. A5: Wie Abb. A4 aber für die Sommer- und Winternieder-
bedenken, dass die aktuellen Treibhausgas-Emissionen        schläge (in % gegenüber dem Wert 1980–2009).
schneller wachsen wie angenommen. In Bezug auf                    Quelle: MeteoSchweiz (2012)
die zu erwartenden Temperatur- und Niederschlags-
veränderungen muss also – zumindest aus heutiger
Sicht – vom negativsten der erwähnten Szenarien (A2)
ausgegangen werden.

Mit griffigen Massnahmen zur Reduktion der globa-
len Treibhausgas-Emissionen, könnte die Erwärmung
in Graubünden auf ca. 1,4 °C beschränkt werden
(RCP3PD-Szenario). Im Gegensatz zu den anderen
beiden Szenarien, wo keine Reduktionsmassnahmen
ergriffen werden, würde der Temperaturanstieg also
zwei bis drei Mal tiefer ausfallen. Zum Vergleich:
+1,4 °C entspricht in etwa der bereits beobachteten
Erwärmung zwischen 1864 und 2010.

 Alpennordseite                                               Alpensüdseite
 Bsp. Chur 1888–2011                                          Bsp. Segl-Maria 1864–2011/12

                                                       15
Extremereignisse                                                – Trockenperioden: Die meisten Modellrechnungen
Der Klimawandel wird sich auf die Mittelwerte und                 sind sich einig, dass es zu einer Verlängerung der
die Verteilungen der klimatischen Grössen und somit               sommerlichen Trockenperioden kommen wird – die
auch auf die Häufigkeit von Extremereignissen aus-                Unsicherheiten bleiben jedoch gross (Werte zwischen
wirken. Aufgrund der Modellrechnungen ist mit fol-                -10 und +70 %). (mittel)
genden Entwicklungen zu rechnen (CH2011, Meteo                  – Starkniederschläge: Gesicherte Aussagen über die zu-
Schweiz 2012):                                                    künftige Häufigkeit und Intensität von Starknieder-
                                                                  schlagsereignissen sind momentan noch nicht mög-
– Hitzewellen: Häufigkeit, Dauer und Intensität von               lich (verschiedene Indizien deuten zwar auf eine
  Hitzewellen werden zunehmen. Gegen Ende des Jahr-               Zunahme hin; die Modellresultate weisen aber nach
  hunderts könnte jeder zweite Sommer mindestens                  wie vor eine grosse Streuung auf). Da mehr Nieder-
  so warm sein wie jener von 2003 – der «Jahrhundert-             schlag in Form von Regen fallen wird, ist im Winter-
  sommer» 2003 würde also gewissermassen zur Norm                 halbjahr mit einem höheren Überschwemmungsrisiko
  werden (Abb. A6). Weiter wird von einer grösseren               zu rechnen. (mittel)
  jährlichen Variabilität der Sommertemperaturen aus-
  gegangen. (wissenschaftliches Prozessverständnis:             Abb. A6: Oben: Beobachtete mittlere Sommertemperaturen (JJA) im
  hoch bis sehr hoch)                                           schweizerischen Mittelland. Mitte/unten: Klimamodellrechnungen,
– Kältewellen: Häufigkeit und Dauer von Kältewellen             d. h. Nachrechnung für vergangenes Klima (Mitte) sowie Projektio-
  werden abnehmen. Es ist allerdings nicht ausge-               nen für zukünftiges Klima gemäss IPCC SRES A2-Szenario (unten).
  schlossen, dass auch in Zukunft vereinzelt Kältewellen        Die Temperaturen vom Sommer 2003 erscheinen gegenüber dem
  auftreten werden. (mittel bis hoch)                           bisherigen Klima extrem (oben), werden gemäss den Szenarioan-
                                                                nahmen jedoch zum Normalfall (unten – nach S. 52, Figur TS.13,
                                                                Schär et al., 2004).
                                                                  Quelle: OcCC 2008 (nach Schär et al. 2004)

                                                           16
                                                      Teil A
3 Auswirkungen auf den alpinen
  Tourismus

  Wintertourismus                                                 Wenn die 100-Tage-Regel erfüllt ist, bestehen gute
                                                                  Voraussetzungen für einen erfolgreichen Skibetrieb.
  Der alpine Winter- bzw. Skitourismus gilt als besonders         Falsch wäre es, wie von Witmer (1986) suggeriert, die
  klimasensitiv. In keinem anderen Tourismusbereich               100-Tage-Regel als Indikator für die Beurteilung der
  sind die Verknüpfungen mit dem Klima so eng wie hier.           Wirtschaftlichkeit eines Skigebiets zu verwenden. Das
  Schnee ist eine Grundvoraussetzung und kann zwar                Vorhandensein einer ausreichend mächtigen Schnee-
  technisch hergestellt, aber nicht substituiert werden.          decke während längerer Zeit ist zwar eine wichtige
  Hinzu kommt die grosse regionalwirtschaftliche Bedeu-           Voraussetzung, bei weitem aber nicht der einzige
  tung des Skitourismus in vielen Berggebieten. Aus               Faktor, der über Erfolg oder Nichterfolg eines Skige-
  dieser Perspektive ist es nicht weiter verwunderlich,           biets entscheidet. In diesem Sinne wird die 100-Tage-
  dass nicht nur die ersten, sondern auch die meisten             Regel auch von zahlreichen Skigebietsbetreibern in
  Studien, die sich mit den möglichen Auswirkungen                Europa, Nordamerika und Neuseeland akzeptiert
  des Klimawandels auf den Tourismus befassen, über               (Abegg et al. 2007, Scott et al. 2008, Hendrikx &
  den Skitourismus geschrieben wurden (vgl. Scott et al.          Hreinsson 2012).
  2012 für einen aktuellen Überblick über den For-
  schungsstand im Bereich Klimawandel und Tourismus).             Die 100-Tage-Regel hat sich zu einem wertvollen
                                                                  Arbeitswerkzeug zur Analyse der natürlichen und
  Schneesicherheit                                                technischen Schneesicherheit (ohne bzw. unter Be-
  Es gibt verschiedene Definitionen für Schneesicherheit.          rücksichtigung der technischen Beschneiung) ent-
  Aus skitouristischer Sicht hat sich die sogenannte 100-         wickelt. Mitunter wird die 100-Tage-Regel auch mit
  Tage-Regel durchgesetzt. In ihrer ursprünglichen Ver-           weiteren Indikatoren ergänzt: Scott et al. (2008)
  sion besagt die Regel, dass «eine ökonomisch sinnvolle          haben den «Weihnachtsindikator» eingeführt, Steiger
  Investition in Wintersportgebieten u. a. nur dann ge-           & Abegg (2013) den «Saisonstart-Indikator». Sinn und
  geben ist, wenn während mindestens 100 Tagen je                 Zweck dieser zusätzlichen Indikatoren liegt darin, be-
  Saison eine Ausnützung der installierten Anlagen er-            sonders kritische Perioden detaillierter zu analysieren.
  wartet werden kann, was nur mit einer Schneedecke               Ein frühzeitiger Saisonstart – bei guten Bedingungen
  von genügender Mächtigkeit möglich ist» (Witmer                 notabene – hat positive Auswirkungen auf das Image
  1986: 193). Diese Definition weist gewisse Unschärfen            des Skigebiets, den Verkauf der Saisonkarten und das
  auf. Punkte, die vor einer konkreten Anwendung ge-              Buchungsverhalten der Kunden. Weihnachten ist des-
  klärt werden müssen, betreffen z. B. die Festlegung             halb kritisch, weil viele Skigebiete in der kurzen Zeit
  der minimal erforderlichen Schneehöhe sowie die De-             über Weihnachten und Neujahr einen massgeblichen
  finition der Skisaison (100 Tage im Zeitraum von ... bis        Anteil ihres Winterumsatzes erzielen.
  …). Weiters stellt sich die Frage, ob die 100-Tage-
  Regel in jedem Winter erfüllt sein soll. Oder ob, was
  wohl eher der Realität entspricht, schlechte mit guten
  Jahren kompensiert werden können, die 100-Tage-
  Regel also beispielsweise nur in 7 von 10 Wintern
  erfüllt sein muss (vgl. Abegg 1996). Bürki (2000: 42)
  spricht von einem schneesicheren Skigebiet, «wenn in
  7 von 10 Wintern in der Zeit vom 1. Dezember – 15. April
  an mindestens 100 Tagen eine für den Skisport ausrei-
  chende Schneedecke von mindestens 30–50 cm vor-
  handen ist.»

                                                             17
Schneearme Winter                                            Natürliche Schneesicherheit der Skigebiete
Die natürlichen Schneeverhältnisse und damit auch            In einer Studie der OECD werden 91 % der heute
die natürliche Schneesicherheit in den Skigebieten           bestehenden Skigebiete in den Alpen als natürlich
sind starken jährlichen Schwankungen unterworfen.            schneesicher (ohne Einbezug der technischen Be-
Die Auswirkungen von schneearmen Wintern auf den             schneiung) bezeichnet (Abegg et al. 2007). Bei einer
Skitourismus wurden mehrfach untersucht (vgl. z. B.          durchschnittlichen Erwärmung von +1 °C würde dieser
Abegg und Froesch 1994, Dawson et al. 2009, Steiger          Wert auf 75 % sinken. Bei +2 °C wären noch 61 %, bei
2011). Die Ergebnisse dieser Studien lassen sich wie         +4 °C nur noch 30 % der Skigebiete natürlich schnee-
folgt zusammenfassen:                                        sicher. Sowohl als nationaler (Tab. A1) wie auch auf
                                                             regionaler Ebene (Abb. A7) zeigen sich grosse Unter-
– Schneearme Winter haben negative Auswirkungen              schiede: Vereinfacht ausgedrückt werden Gebiete mit
  auf die Saisondauer, die Nachfrage und damit auf           einem hohen Voralpenanteil früher und stärker
  das Geschäftsergebnis der betroffenen Skigebiete.          betroffen sein als Gebiete in den Hochalpen.
– Kleinere und tiefer gelegene Skigebiete sind in der
  Regel stärker betroffen wie grössere und höher
  gelegene Skigebiete; letztere können mitunter sogar
  profitieren.
– In Skigebieten, wo die Auswirkungen von mehreren
  und über die Jahre verteilten schneearmen Wintern
  untersucht wurden, gehen die negativen Auswir-
  kungen tendenziell zurück. Diese Entwicklung wird
  dem Ausbau der technischen Beschneiung zuge-
  schrieben.
                                                             Tab. A1: Zahl der natürlich schneesicheren Skigebiete unter heutigen
                                                             und zukünftigen Klimabedingungen (nationale Ebene).
                                                                    Quelle: Abegg et al. 2007: 32

                       Anzahl       Schneesicher                  +1 °C                  +2 °C                  +4 °C
Land                Skigebiete            heute                 (≈2025)                (≈2050)                (≈2100)
Deutschland                39                 27                     11                      5                      1
Frankreich                148               143                     123                     96                     55
Italien                    87                 81                     71                     59                     21
Österreich                228               199                     153                    115                     47
Schweiz                   164               159                     142                    129                     78
Total                     666               609                     500                    404                    202

                                                        18
                                                   Teil A
Bei der Interpretation der OECD-Studie müssen fol-                      Fazit: Im nationalen bzw. regionalen Vergleich ist
gende Einschränkungen beachtet werden:                                  die natürliche Schneesicherheit der Schweizer bzw.
                                                                        Bündner Skigebiete relativ hoch. Die negativen Aus-
– Die angewandte Methodik eignet sich für grossmass-                    wirkungen der Klimaerwärmung auf die natürliche
  stäbliche Vergleiche. Um Aussagen auf einzelbe-                       Schneesicherheit fallen entsprechend geringer aus.
  trieblicher Ebene machen zu können, müssen detail-
  lierte Analysen durchgeführt werden.
– Die Ergebnisse sind wahrscheinlich sowohl zu optimis-
  tisch als auch zu pessimistisch. Zu optimistisch, weil
  die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf
  die natürliche Schneesicherheit grösser ausfallen
  dürften (Steiger & Abegg 2013). Und zu pessimis-
  tisch, weil die technische Beschneiung – heute
  integraler Bestandteil in den meisten Skigebieten –
  nicht berücksichtigt wurde.

Abb. A7: Zahl der natürlich schneesicheren Skigebiete unter heu-
tigen und zukünftigen Klimabedingungen (regionale Ebene).
      Quelle: Abegg et al. 2007: 35

                                                                   19
Technische Schneesicherheit der Skigebiete                      Abb. A8: Technische Schneesicherheit der österreichischen Skige-
Untersuchungen, in welchen die technische Beschnei-             biete in der Referenzperiode (1961–1990), bei einer Erwärmung
ung als Anpassungsmassnahme an den Klimawandel                  von 1 °C (Mitte) und bei einer Erwärmung von 2 °C (unten). Die
berücksichtigt wird, wurden u.a. in Australien (Hennessy        verwendeten Indikatoren werden wie folgt definiert:
et al. 2008), Kanada (Scott et al. 2003, 2007), Neusee-
land (Hendrikx & Hreinsson 2012), Österreich (Steiger           – 100-Tage-Regel: ≥ 30 cm Schnee während 100 Tagen pro Saison
2010) und den USA (Scott et al. 2008) durchgeführt.             – Weihnachts-Indikator: ≥ 30 cm Schnee zwischen 22. Dez.– 4. Jan.
Als Beispiel soll hier eine aktuelle Studie aus Öster-          – Saisonstart-Indikator: ≥ 30 Schnee am 8. Dez. (Maria Emp-
reich (Steiger & Abegg 2013) dienen. Wichtige Ergeb-             fängnis – offizieller Saisonstart in vielen Skigebieten)
nisse dieser Studie, in der die gegenwärtige und
zukünftige natürliche und technische Schneesicher-              Die Indikatoren müssen jeweils in 7 von 10 Jahren erfüllt sein.
heit von 228 österreichischen Skigebieten untersucht                  Quelle: nach Steiger & Abegg (2013)
wurde, können wie folgt zusammengefasst werden
(vgl. auch Abb. A8):

– In der Referenzperiode (1961–1990) können 78 %
  bzw. 96 % der Skigebiete als natürlich bzw. technisch
  schneesicher bezeichnet werden (Indikator: 100-
  Tage-Regel).
– Bei einer Erwärmung von 2 °C wären noch 37 %
  bzw. 61 % der Skigebiete natürlich bzw. technisch
  schneesicher (Indikator: 100-Tage-Regel).
– Von den drei Indikatoren ist der Saisonstart-Indikator
  am sensibelsten, gefolgt vom Weihnachtsindikator
  und der 100-Tage-Regel. Mit anderen Worten: je
  früher in der Saison, desto grösser sind die zu erwar-
  tenden negativen Auswirkungen des Klimawandels
  auf die natürliche und technische Schneesicherheit.

                                                           20
                                                      Teil A
Schneesicherheit                                                                 Referenzperiode
 Alle Indikatoren erreicht
 Dez. 8 nicht erreicht
                                                              Niederösterreich
 Dez. 8 und Weihnachtsindikator nicht erreicht
 Kein Indikator erreicht
                                             Oberösterreich

                                  Salzburg

Vorarlberg

                                                              Steiermark

                                             Kärnten
                          Tirol

                                                                                 Erwärmung 1 °C

                                                              Niederösterreich

                                             Oberösterreich

                                  Salzburg

Vorarlberg

                                                              Steiermark

                                             Kärnten
                          Tirol

                                                                                 Erwärmung 2 °C

                                                              Niederösterreich

                                             Oberösterreich

                                  Salzburg

Vorarlberg

                                                              Steiermark

                                             Kärnten
                          Tirol

                                                       21
Die Studien aus den verschiedenen Ländern können               der fortschreitenden Erwärmung auf die natürlichen
nur beschränkt miteinander verglichen werden – zu              Schneebedingungen zumindest teilweise auffangen.
unterschiedlich sind die Schneemodelle, die zu Grunde          Voraussetzung ist allerdings, dass im Vergleich zu
liegenden Emissionsszenarien und Klimamodelle sowie            heute mehr beschneit werden kann.
die verwendeten Indikatoren. Ein paar allgemeine
Schlüsse lassen sich aber dennoch ziehen:                     Der Klimawandel wird – wie auch von der OECD-
                                                              Studie gezeigt – zu einem Rückgang der Zahl der
– Gegenwart: In den meisten Fällen kann die Schnee-           Skigebiete führen. Gleichzeitig kommt es zu einer Kon-
  sicherheit mit Hilfe der technischen Beschneiung ge-        zentration auf die am besten geeigneten Standorte.
  währleistet werden.                                         Mit der technischen Beschneiung können diese Pro-
– Zukunft: Die klimatischen Voraussetzungen für den           zesse zwar verzögert, aber nicht abgewendet werden.
  Einsatz von Beschneiungsanlagen (heutige Techno-            Tiefer gelegene Skigebiete bzw. Gebiete, die bereits
  logie) werden sich verschlechtern. Dort, wo die Be-         heute unter marginalen Bedingungen operieren (ver-
  schneiungsanlagen auch in Zukunft eingesetzt                gleichsweise wenig Naturschnee, schlechte klimati-
  werden können, lassen sich die negativen Folgen             sche Voraussetzungen für den effizienten Einsatz von
                                                              Beschneiungsanlagen) werden besonders gefährdet
                                                              sein. Stark betroffen – auch in höheren Lagen – sind
                                                              die Saisonrandzeiten, insbesondere der Saisonauftakt
                                                              mit den für den Geschäftserfolg so wichtigen Weih-
                                                              nachtsferien. Hier wird es immer schwieriger bzw. auf-
                                                              wendiger werden, Schneesicherheit zu garantieren.

                                                              Fazit: Die Auswirkungen des Klimawandels auf die
                                                              Schneesicherheit der Bündner Skigebiete werden im
                                                              zweiten Teil dieses Berichts detailliert untersucht.
                                                              Eines vorweg: In den meisten Bündner Skigebieten
                                                              wird die technische Schneesicherheit auch in der
                                                              zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts gegeben sein –
                                                              vorausgesetzt, es wird mehr beschneit.

Schneilanze, © Savognin Bergbahnen AG

                                                         22
                                                    Teil A
Sommertourismus                                                Dieses Zitat von Schweiz Tourismus (2010) bringt die
                                                               weit verbreitete Erwartung zum Ausdruck, dass der
«Mit der Klimaerwärmung wird es in vielen Ländern              alpine Sommertourismus vom Klimawandel profitieren
 unerträglich heiss. Unsere Seen laden dann zum                könnte. Konkret wird davon ausgegangen, dass …
 Bade und die Berge zum Geniessen der Bergfrische.»
                                                               – sich die klimatischen Bedingungen für den Sommer-
                                                                 tourismus in der Schweiz verbessern;
                                                               – sich die klimatischen Bedingungen für den Sommer-
                                                                 tourismus in den Badedestinationen des Mittelmeers
                                                                 verschlechtern;
                                                               – und sich die touristische Nachfrage entsprechend ver-
                                                                 schieben wird.

                                                               Im Folgenden werden die ersten beiden Punkte einer
                                                               kritischen Würdigung unterzogen. Die potentiellen
                                                               Auswirkungen auf die touristische Nachfrage folgen
                                                               in Kap. 6 Klimawandel und Nachfrage.

Familie beim Crestasee Flims, © Graubünden Ferien, Chur

                                                          23
Direkte Auswirkungen                                          – Die wenigen verfügbaren Studien (z. B. Fleischhaker
Die aktuellen klimatischen Bedingungen stellen nicht            & Formayer 2007, Matzarakis et al. 2007, Krajasits &
unbedingt einen Pluspunkt für den Schweizer Som-                Schöner 2008), die tatsächlich auf eine Verbesse-
mertourismus dar. In Zukunft können wir allerdings              rung der klimatischen Voraussetzungen für den
mit höheren Temperaturen und geringeren Nieder-                 alpinen Sommertourismus hindeuten, haben explo-
schlagsmengen rechnen (vgl. Kap. 1). Dadurch könnte             rativen Charakter. Sie werden weder der räumlichen
sich die klimatische Eignung für den Sommertourismus            Variabilität des Klimas noch der Vielfalt des Touris-
verbessern. In diesem Zusammenhang müssen aber                  mus gerecht und müssen deshalb mit Vorsicht inter-
auch folgende Punkte beachtet werden:                           pretiert werden. Für die Schweiz gibt es noch keine
                                                                entsprechenden Untersuchungen.
– Wintertourismus braucht in erster Linie Schnee; der         – Aus der Sicht des alpinen Sommertourismus sind
  alpine Sommertourismus «schönes Wetter». Während              höhere Temperaturen willkommen. Wichtiger dürfte
  die klimatischen Voraussetzungen für Schnee (auch             aber sein, wie sich die zukünftigen Niederschläge
  für den technischen Schnee) klar definiert werden             verteilen werden. Sollten Verhältnisse, wie sie im
  können, ist die Sache im Sommer etwas komplizierter.          Sommer 2003 geherrscht haben, tatsächlich zur Norm
  Hier sind die Verknüpfungen zwischen Klima und                werden, könnte das sehr wohl positiv sein. An dieser
  Tourismus weniger deutlich; das Angebot ist vielfäl-          Stelle muss allerdings an die Unsicherheiten und den
  tiger und entsprechend unterschiedlich sind auch die          Zeithorizont der Szenarien erinnert werden.
  Anforderungen an Wetter und Klima.

                                                              Tab. A2: Entwicklung der Sommertemperaturen (°C) für ausge-
                                                              wählte Bündner Stationen (A1B-Szenario).
                                                                    Quelle: MeteoSchweiz (2012)

Station                  Heute              2035                    2060                 2085
Chur (556 m)              17,9              19,2                    20,5                 21,6
Disentis (1197 m)         14,5              15,8                    17,1                 18,2
Davos (1594 m)            11,4              12,7                    14,0                 15,1
Samedan (1709 m)          11,1              12,4                    14,0                 15,2

                                                         24
                                                    Teil A
Indirekte Auswirkungen                                          und dem auftauenden Permafrost ist mit mehr
Neben den direkten müssen auch die indirekten Aus-              Steinschlag zu rechnen (Behm et al. 2006).
wirkungen berücksichtigt werden. Mit den indirekten           – Im Vorfeld abschmelzender Gletscher können sich
Auswirkungen sind die klima-induzierten Umweltver-              neue Seen bilden. Dieser Prozess wurde in den
änderungen gemeint: z.B. der Gletscherschwund oder              letzten Jahren mehrfach beobachtet (z. B. Trift-,
das Auftauen des Permafrosts. Veränderungen im                  Gauli- und Rhonegletscher) und kann zu einer
Wasserhaushalt und in der Vegetationszusammenset-               Erhöhung des lokalen Naturgefahrenrisikos führen
zung können den Tourismus ebenfalls beeinflussen.               (z. B. Bergstürze in die Seen mit darauf folgenden
Weiter stellt sich die Frage, welche Auswirkungen ein           Flutwellen). Womöglich stellen diese Seen aber auch
allfälliges Ansteigen des Naturgefahrenrisikos auf den          eine neue Attraktion für den Tourismus dar.
alpinen Sommertourismus hätte. Die naturwissen-               – Skigebiete, welche den Gletscher in ihren Winterbe-
schaftliche Literatur zu den klima-induzierten Umwelt-          trieb integriert haben, müssen mit folgenden
veränderungen füllt ganze Bibliotheken. Die Frage, was          Herausforderungen rechnen: fehlender Schnee auf
diese Veränderungen konkret für den Tourismus be-               den stark ausgeaperten Gletschern zum Saisonauf-
deuten könnten, bleibt aber weitestgehend unbeant-              takt, schwieriger Übergang von der Bergstation auf
wortet – abgesehen von der pauschalen Einschätzung,             die Gletscherpisten, Probleme mit der Verankerung
dass die klima-induzierten Umweltveränderungen für              von Anlagen im Eis etc. (Serquet & Thalmann 2012).
den Tourismus negativ zu beurteilen sind. Im Folgen-          – Unbekannt ist, wie sich der Gletscherschwund auf
den werden die möglichen Auswirkungen des Gletscher-            die Wahrnehmung der Touristen und das Image der
schwundes – als klassisches Beispiel einer klima-indu-          Schweizer Alpen auswirken wird. Aus heutiger Sicht
zierten Umweltveränderung – detaillierter angeschaut.           sind mehrheitlich eisfreie Alpen kaum vorstellbar.
                                                                Wenn es tatsächlich so weit kommen sollte, so die
Der Gletscherschwund wird weitergehen. Je nach Sze-             gängige Argumentation, wären die Alpen nur noch
nario ist bis zum Ende dieses Jahrhunderts von einem            halb so attraktiv. Das mag vielleicht für aktuelle Zeit-
Verlust von 60 bis 80 % der heute in der Schweiz                genossen gelten. Zukünftige Besucher, die heute
vorhandenen Gletscherfläche auszugehen (Linsbauer               womöglich noch nicht einmal geboren sind, werden
et al. 2012). Mögliche Auswirkungen aus touristischer           die Landschaft aber vermutlich mit anderen Augen
Sicht sind:                                                     betrachten.

– Der Gletscherrückgang wird den Charakter der
  alpinen Hochgebirgslandschaften verändern. Der
  Zugang zu den Gletschern wird beschwerlicher und
  der Unterhalt von Attraktionen im «ewigen Eis»
  (z.B. Gletschergrotte auf dem Titlis) immer aufwen-
  diger. Wo Klimawandel und Gletscherschwund the-
  matisiert werden, können aber auch neue Angebote
  geschaffen werden (z.B. Gletscherpfad Silvretta und
  Klimaweg Muottas Muragl).
– Die mit dem Eisrückgang verbundenen Landschafts-
  veränderungen werden den Alpinismus beeinflus-
  sen: gewisse Routen werden schwieriger, andere
  müssen neu angelegt werden. Probleme können
  sowohl bei den Übergängen Fels – Eis als auch bei
  den Zugängen zu den Schutzhütten auftreten. In
  Kombination mit höheren Sommertemperaturen

                                                         25
Abb. A9: Die Volumenveränderung (km3) des Silvretta-Gletschers        Weniger gut sichtbar, aber nicht minder bedeutend ist
von 1900 bis 2100.                                                    die zukünftige Verbreitung des Permafrosts. Langzeit-
      Quelle: BAFU 2012                                               studien im Kanton Graubünden (Piz Corvatsch) haben
                                                                      gezeigt, dass der Permafrost sowohl auf die steigen-
Bemerkung: In Graubünden, wo 90 % der Gletscher kleiner als           den Temperaturen wie auch auf die Menge und den
1 km2 sind, werden in den nächsten Jahrzehnten viele Gletscher        Zeitpunkt des Schneefalls reagiert – Aussagen zu den
ganz verschwinden (Bauder & Funk-Salami 2009).                        Auswirkungen des Klimawandels auf den Permafrost
                                                                      sind daher schwierig. Mögliche Folgen wurden im
                                                                      Sommer 2003 sichtbar: Die zahlreichen Felsstürze, die
                                                                      von Juni bis August 2003 beobachtet werden konnten,
                                                                      gelten gemeinhin als Anzeichen für die rasche Desta-
                                                                      bilisierung von steilen Permafrosthängen bei starker
                                                                      Erwärmung. In Kombination mit Starkniederschlägen

Silvretta, Foto: Archiv VAW/ETH Zürich (A. Bauder)

                                                                 26
                                                            Teil A
können auch vermehrt Murgänge auftreten. Das er-               Fazit: Es ist davon auszugehen, dass der Bündner
fordert neue Schutzbauten und eine Anpassung der               Sommertourismus von einer absoluten (höhere Tem-
Gefahrenplanung (vgl. Pontresina). Weiter ist von              peraturen, weniger Niederschlag, längere Saison)
negativen Auswirkungen auf die Stabilität von Bauten           und einer relativen Verbesserung (im Vergleich zu
im Hochgebirge (Seilbahnanlagen, Lawinenverbau-                den vermehrt hitzegeplagten Ballungszentren im
ungen etc.) auszugehen (Keller & Wachler 2008).                Alpenvorland) der klimatischen Bedingungen profi-
                                                               tieren kann. Diese Verbesserung der klimatischen
Wird es am Mittelmeer wirklich zu heiss?                       Bedingungen ist aller Voraussicht nach höher zu ge-
Die World Tourism Organization hat den Mittelmeer-             wichten wie potentiell negative Auswirkungen der
raum zum «destination vulnerability hotspot» erklärt           klima-induzierten Umweltveränderungen.
(UNWTO/UNEP/WMO 2008). Hier könnte es – so die
gängige Auffassung – im Zuge des Klimawandels zu
heiss werden. Verschiedene Eignungsuntersuchungen
haben nämlich gezeigt, dass sich die klimatische At-
traktivität verringern wird (Amelung & Viner 2006,
Amelung et al. 2007 etc.). Hinzu kommt, dass ver-
mehrt Hitzewellen, Wasserknappheit und Waldbrän-
de auftreten könnten (Perry 2006). Aber auch hier ist
eine gewisse Vorsicht bei der Interpretation der
besagten Studien geboten:

– Die klimatische Attraktivität wird mit so genannten
  Klima-Tourismus-Indikatoren analysiert. Diese Indi-
  katoren beziehen sich in der Regel auf «ideale klima-
  tische Verhältnisse»und«durchschnittliche Touristen».
  Da sich die klimatischen Präferenzen von Tourist zu
  Tourist stark unterscheiden (z. B. je nach Alter und
  Aktivität etc.), machen solche Verallgemeinerungen
  nur beschränkt Sinn (Scott et al. 2008).
– Im Weiteren stellt sich die Frage, was mit dem
  Begriff «zu heiss» gemeint ist. Gewisse Orte (z. B.
  Antalya und Larnaca) werden bereits heute als «zu
  heiss» taxiert, behaupten sich aber nach wie vor
  erfolgreich auf dem Markt. Neuere Studien (Moreno
  2010, Rutty & Scott 2010) weisen denn auch darauf
  hin, dass die Auswirkungen des Klimawandels auf
  den Mittelmeertourismus komplexer (und vermutlich
  auch weniger negativ) sein werden wie ursprünglich
  angenommen.

                                                          27
4 Der Beitrag des Tourismus zum
  Klimawandel

  Die CO2-Emissionen des globalen Tourismus werden                Fazit: Der Tourismus – auch der Bündner Touris-
  auf 1307 Millionen Tonnen geschätzt (2005). Das                 mus – ist für bedeutende CO2- bzw. Treibhausgas-
  entspricht einem Anteil von knapp fünf Prozent am               Emissionen verantwortlich. Mit Abstand wichtigste
  globalen CO2-Ausstoss. 75 Prozent der touristischen             Emissionsquelle ist der touristische Verkehr, insbe-
  CO2-Emissionen gehen auf das Konto des Verkehrs                 sondere die An- und Abreise der Gäste.
  (40 % Flugverkehr, 32 % Strassenverkehr, 3 % andere).
  Der Rest verteilt sich auf die beiden Kategorien Unter-
  künfte (21 %) sowie Aktivitäten vor Ort (4 %) (UNWTO/           Abb. A10, Seite 29 oben: Treibhausgas-Emissionen pro Person
  UNEP/WMO 2008). Für den Schweizer Tourismus liegen              und Tag für verschiedene Tagesausflüge ab Zürich.
  folgende Angaben vor (Sesartic & Stucki 2007, Perch-                  Quelle: nach Zegg et al. 2010 (Stucki & Jungbluth 2010)
  Nielsen et al. 2010):

  – Die Treibhausgas-Emissionen des Schweizer Touris-
    mus werden auf 2.29 Millionen Tonnen CO2-Äquiva-
    lente geschätzt. Das entspricht einem Anteil von
    5.2 % am schweizerischen Treibhausgas-Ausstoss
    (1998).
  – Der Schweizer Tourismus ist sehr «treibhausgas-in-
    tensiv»: Die Emissionen pro Franken Wertschöpfung             Abb. A11, Seite 29 Mitte: Treibhausgas-Emissionen pro Person
    (Gramm CO2-Äquivalente/CHF) sind rund viermal                 und Tag für ausgewählte Gästesegmente auf der Lenzerheide.
    so hoch wie für die schweizerische Wirtschaft im
    Mittel (Mittelwert über alle Branchen).                       Bemerkung: Je nach Unterkunftskategorie (Ferienwohnung, Mittel-
  – Die hohe Treibhausgas-Intensität hängt in erster              klassehotel, Luxushotel) fallen unterschiedlich hohe Treibhausgas-
    Linie mit dem Luftverkehr zusammen. Der Luftver-              Emissionen an.
    kehr ist für 80 % der touristischen Treibhausgas-                   Quelle: nach Zegg et al. 2010 (Stucki & Jungbluth 2010)
    Emissionen verantwortlich und zeichnet sich durch
    die höchste Treibhausgas-Intensität aller Tourismus-
    Subsektoren aus.
  – 87%der touristischen Treibhausgas-Emissionen gehen
    auf das Konto des Verkehrs (ohne motorisierten Indi-
    vidualverkehr). Der Rest verteilt sich auf die Unter-
    künfte (10 %) und die Aktivitäten (3 %).
  – Die obigen Aussagen sind mit zahlreichen Unsicher-            Abb. A12, Seite 29 unten: Treibhausgas-Emissionen pro Person
    heiten (z. B. Systemabgrenzung, Datenverfügbarkeit            und Woche für verschiedene Ferienarten ab Bern.
    etc.) behaftet und müssen mit Vorsicht interpretiert
    werden. Allen Studien (auch den hier nicht erwähn-            Bemerkung: Mit der Kategorie «Aktivitäten» (rot) ist das Ski-
    ten) ist jedoch gemein, dass der Grossteil der touris-        fahren auf der Lenzerheide, das Heliskiing in Kanada, das Tauchen
    tischen CO2- bzw. Treibhausgasemissionen dem Ver-             in Ägypten, aber auch die eigentliche Kreuzfahrt auf dem Mittel-
    kehr zugeordnet werden kann. Die herausragende                meer etc. gemeint. Je nach Unterkunftskategorie (Ferienwohnung,
    Bedeutung des Verkehrs kommt auch in den Abb.                 Mittelklassehotel, Luxushotel) fallen unterschiedlich hohe Treib-
    A10–A12 zum Ausdruck.                                         hausgas-Emissionen an.
                                                                        Quelle: nach Zegg et al. 2010 (Stucki & Jungbluth 2010)

                                                             28
                                                        Teil A
29
5 Anpassungs- und Verminderungs-
  massnahmen im Tourismus

  Anpassungsmassnahmen                                                Technische Anpassungsmassnahmen

  Im Folgenden werden ausgewählte Anpassungsmass-                     Beschneiung
  nahmen im alpinen Tourismus vorgestellt. Die ver-                   Mit dem Einsatz von Beschneiungsanlagen werden
  fügbare Literatur bezieht sich in erster Linie auf die              verschiedene Ziele verfolgt (Steiger & Mayer 2008).
  Sicherung des Winter- bzw. Skitourismus (vgl. Abegg                 Vor dem Hintergrund der zu erwartenden klimati-
  et al. 2007 und Scott & McBoyle 2008) – daher auch die              schen Veränderungen geht es in erster Linie um eine
  thematische Gewichtung der nachfolgenden Aus-                       Sicherung des Skibetriebs und um eine Aufrechterhal-
  führungen. Wir unterscheiden zwischen technischen                   tung der Saisondauer.
  und nicht-technischen Massnahmen. Die Beschneiung
  wird hier nur kurz abgehandelt – eine ausführliche Dis-             Wie die Erfahrungen aus den schneearmen Wintern
  kussion folgt im zweiten Teil dieses Berichts.                      und die Ergebnisse aus den Modellrechnungen zeigen,
                                                                      ist das Potential der technischen Beschneiung gross.
                                                                      Aber auch sie wird im Zuge der fortschreitenden Erwär-
                                                                      mung auf klimatische Grenzen stossen. Hinzu kommt,
                                                                      dass die künftige Schneesicherheit nur gewährleistet
                                                                      werden kann, wenn mehr Schnee auf grösserer Fläche
                                                                      in kürzerer Zeit produziert werden kann. Das bedeutet
                                                                      mehr Beschneiungsanlagen, höherer Ressourcenein-
                                                                      satz und – last but not least – höhere Kosten (Abegg
                                                                      2012). Für eine ausführliche Diskussion der techni-
                                                                      schen Beschneiung müssen also neben den klimati-
                                                                      schen Grenzen und den ökologischen Auswirkungen
                                                                      auch der Ressourceneinsatz (Wasser und Strom) und
                                                                      die finanziellen Auswirkungen (Investitions- und Be-
                                                                      triebskosten, Finanzierung etc.) thematisiert werden.
                                                                      Und schliesslich stellt sich noch die Frage, wie die
                                                                      Touristen einem deutlichen Ausbau der technischen
                                                                      Beschneiung gegenüberstehen würden.

  Gletschermühlen Alp Mora bei Trin, © Graubünden Ferien, Chur

                                                                 30
                                                            Teil A
Pisten- und Schneemanagement                                     Konzentration auf Gunsträume
Ziel dieser Massnahmen ist es, möglichst haushälterisch          Ziel dieser Massnahmen ist es, den Skibetrieb auf die
mit dem vorhandenen Schnee – natürlich oder tech-                am besten geeigneten Standorte zu konzentrieren.
nisch erzeugt – umzugehen. Dazu zählen eine sorgfäl-             Dazu zählen die Vermeidung von süd- bzw. die Be-
tige Pflege der Pisten, eine allfällige Beschattung der          vorzugung von nordexponierten Hängen, die Kon-
Pisten, die Errichtung von Schneezäunen sowie das                zentration auf die höher gelegenen, aber bereits er-
Anlegen von Schneedepots.                                        schlossenen Teile eines Skigebietes sowie die Expansion
                                                                 in bis anhin noch unerschlossene, möglichst hochge-
Massnahmen, welche in Zukunft an Bedeutung ge-                   legene Geländekammern inklusive Gletscher.
winnen dürften, sind die GPS-gestützte Pistenpräpa-
ration sowie das Anlegen von Schneedepots in höher               Die Konzentration auf skitouristische Gunsträume,
gelegenen Wintersportorten, auf Skipisten und Glet-              insbesondere die Konzentration auf die höher gelege-
schern. Der Schnee wird mit Folien oder Sägespänen               nen Teile, ist eine relativ weit verbreitete Strategie.
zugedeckt – Ziel ist eine«Übersommerung» des Schnees.            Hierzu müssen folgende Einschränkungen gemacht
Erste Versuche (z. B. in Davos) zeigen, dass ein Teil des        werden:
Schnees – abhängig von Höhenlage bzw. Abdeckme-
thode – konserviert und zu Beginn der neuen Saison               – In vielen Skigebieten ist die «Flucht nach oben» gar
wieder eingesetzt werden kann. Positiv ist die Strom-              nicht möglich, weil das zur Verfügung stehende
(Beschneiung) und Treibstoffersparnis (Pistenfahrzeu-              Höhenintervall bereits voll ausgeschöpft wird.
ge), negativ die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes.         – In höheren Lagen muss mit häufigeren Betriebsun-
                                                                   terbrüchen (Wind und Wetter), allenfalls auch mit
Landschaftseingriffe                                               einer erhöhten Lawinengefahr gerechnet werden.
Ziel dieser Massnahmen ist es, die für den Skibetrieb            – Die Hochgebirgserschliessung ist mit einem grossen
erforderliche Mindestschneehöhe – natürlich oder                   technischen und finanziellen Aufwand verbunden.
technisch erzeugt – zu reduzieren. Weiters wird die                Oftmals stehen die Ausbaupläne auch im Wider-
Pistenpräparation erleichtert. Zu den häufigsten Land-              spruch zu bestehenden Natur- und Landschafts-
schaftseingriffen zählen die Trockenlegung von Feucht-             schutzbestimmungen.
gebieten, die Beseitigung von Hindernissen sowie die
klein- und grossflächige Planierung von Skipisten.               Die Verbindung von benachbarten Skigebieten, die
                                                                 Erschliessung von unberührten Geländekammern so-
Landschaftseingriffe, insbesondere grossflächige Planien,         wie die Planung von neuen Skigebieten sind stark
führen zu einer Veränderung des Landschaftsbildes,               umstritten. Dabei wird auf den stagnierenden Skifah-
zu einer Verarmung der Vegetation und zu einer Ver-              rermarkt verwiesen. Hinzu kommt, dass Neuschlies-
stärkung der Erosion. In den bayerischen Skigebieten             sungen nicht nur unberührte, sondern oftmals auch
wurde beispielsweise festgestellt, dass 63 % aller               geschützte Gebiete tangieren.
Erosionsschäden auf modifizierten Pistenabschnitten
(= 27 % der Pistenfläche) auftreten (Dietmann & Kohler
2005). Grossflächige Planien werden denn auch als be-
sonders schädigende Massnahme bezeichnet (Wipf et
al. 2005). Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der
Landschaftseingriffe – nicht zuletzt auch im Zusam-
menhang mit dem Ausbau der technischen Beschnei-
ung – zunehmen wird.

                                                            31
Eine besondere Rolle spielen die Gletschergebiete. Lan-        Nicht-technische Massnahmen
ge Zeit galten die Gletscher – sommers wie winters –
als Schneegaranten. Mittlerweile ist der Gletscher-            Finanzielle Unterstützung
schwund so weit fortgeschritten, dass das in den               Ziel dieser Massnahmen ist es, den (Ski-)Betrieb mit
1970er und 80er Jahren aufgekommene Sommerski-                 öffentlichen Geldern zu unterstützen. Dazu gehören
fahren – von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen –             einmalige oder wiederholte Betriebszuschüsse, aber
wieder verschwunden ist. Im Winter zeigt sich ein              auch die Vermittlung und Vergabe von Darlehen zu
differenzierteres Bild: Auf der einen Seite können             günstigen Konditionen sowie die direkte Beteiligung
Gletscher, wie die Erfahrungen aus den schneearmen             an den Bahnen. Mit den Geldern wird der Betrieb er-
Wintern beweisen, einen Wettbewerbsvorteil dar-                möglicht, werden Defizite gedeckt und Erneuerungs-
stellen. Auf der anderen Seite wird es immer aufwen-           anlagen finanziert. Immer öfters fliessen die Gelder in
diger, den Betrieb auf den schwindenden Eismassen              den Ausbau der Beschneiungsanlagen.
aufrechtzuerhalten. Da immer mehr Flächen eisfrei
werden bzw. viele Gletscher über den Sommer voll-              Es gibt zahlreiche Beispiele für die finanzielle Unter-
ständig ausapern, braucht es immer mehr Schnee, um             stützung von Seilbahnunternehmen. In der Regel
den Betrieb im Herbst/Frühwinter aufzunehmen. In               werden immer wieder die gleichen Argumente für die
der Zwischenzeit sind einige Skigebietsbetreiber dazu          Einforderung bzw. die Gewährung dieser Unterstüt-
übergegangen, die Gletscher zu beschneien – auf dem            zung vorgebracht: Die Bahnen bilden das Rückgrat
Pitztaler Gletscher (Österreich) gar mit dem «IDE All          des touristischen Angebots und sind deshalb von
Weather Snowmaker», einer temperaturunabhängigen               grosser regionalwirtschaftlicher Bedeutung. Problema-
Beschneiungsanlage. Mitunter werden auch Folien                tisch ist, dass es an klaren Kriterien für die Überprüfung
und Vliese ausgelegt. Damit soll der Eiszerfall redu-          dieser Argumente und für die Vergabe von öffentlichen
ziert werden. Die Erfahrungen zeigen, dass dieses Ziel         Geldern mangelt (z. B. klarer Nachweis der regional-
auch erreicht werden kann (Olefs & Fischer 2008) – zu-         wirtschaftlichen Bedeutung und der längerfristigen
mindest vorübergehend, mittelfristig ist eine solche           Überlebensfähigkeit – nicht zuletzt auch im Hinblick
«Pflästerli-Politik» aber keine Lösung.                        auf die zu erwartenden klimatischen Veränderungen).
                                                               In Zukunft dürfte der Ruf nach finanzieller Unterstüt-
                                                               zung – wenngleich diese Forderung auch in der Branche
                                                               umstritten ist (Stichwort: Marktverzerrung) – noch lauter
                                                               werden. Einerseits werden die betroffenen Bahnen noch
                                                               stärker auf ihre vermeintliche oder tatsächliche regional-
                                                               wirtschaftliche Bedeutung pochen. Andererseits können
                                                               sie die Beschneiung zur Grundausstattung einer Winter-
                                                               sportdestination erklären – mit dem Argument, dass alle,
                                                               die davon profitieren (Gemeinde, Hotellerie, Einzel-
                                                               handel etc.) auch dafür aufkommen sollen. Zwei Befra-
                                                               gungen von Seilbahnunternehmen liefern die entspre-
                                                               chenden Beispiele:

                                                               – 35 % der befragen schweizerischen Seilbahnunter-
                                                                 nehmer streben eine höhere Kostenbeteiligung durch
                                                                 die Gemeinde und/oder den Kanton an (Abegg et
                                                                 al. 2008).
                                                               – 75 bzw. 90 % der befragten österreichischen Seil-
                                                                 bahnunternehmer betrachten Subventionen und eine

                                                          32
                                                     Teil A
Sie können auch lesen