Herausforderungen 2013-2020 aus Sicht der Industrie - Für einen neuen gesellschaftlichen Konsens

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Herausforderungen 2013-2020 aus Sicht der Industrie - Für einen neuen gesellschaftlichen Konsens
Herausforderungen 2013–2020 aus Sicht der Industrie
                                                      Herausforderungen 2013–2020
                                                      aus Sicht der Industrie

                                                      Für einen neuen gesellschaftlichen Konsens
Herausforderungen 2013–2020
aus Sicht der Industrie

Für einen neuen gesellschaftlichen Konsens
BDI – Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.                                                  Für einen neuen gesellschaftlichen Konsens                                                  5
Herausforderungen 2013–2020 aus Sicht der Industrie                                               www.bdi.eu

Inhalt

Vorwort....................................................................................................................................................................................... 7

Industrielle Basis durch ­kohärente Industriepolitik stärken................................................................................................ 8

Steuerrecht vereinfachen – Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsfreundlichkeit fördern ......................................... 10

Investitionsbedingungen am Standort Deutschland attraktiv ­gestalten......................................................................... 12

Weichen für mehr Wachstum stellen..................................................................................................................................... 14

International wettbewerbsfähige Energiekosten und sichere ­Energieversorgung gewährleisten .............................. 16

Zielkonflikte in der Energie-, Klima- und Umweltpolitik beseitigen.................................................................................. 18

Energieeffizienz im Gebäudesektor fördern........................................................................................................................20

Nachhaltiges Wirtschaften braucht ein ganzheitliches Verständnis von Industrie.........................................................22

Nachhaltige Rohstoffversorgung für deutsche Industrieunternehmen sicherstellen....................................................24

Marktorientierte Systeme statt Rekommunalisierung .......................................................................................................26

Neuen gesellschaftlichen Konsens über Rolle der Industrie finden – Akzeptanz in Gesellschaft und
Politik ausbauen ......................................................................................................................................................................28

Zukunft von Infrastrukturprojekten sichern – Vorhaben beschleunigen..........................................................................30

Akzeptanz innovativer Technologien stärken......................................................................................................................32

Unternehmensrecht angemessen und praxisgerecht gestalten ......................................................................................34

Geistiges Eigentum – Herausforderungen der Globalisierung und Digitalisierung annehmen.....................................36

Wirtschaftsverfassung und Wettbewerbsordnung – keine Überregulierung mit gesellschaftspolitischen Zielen ....38

Staatliche Forschungsförderung auf Wertschöpfungspotenziale ausrichten................................................................40

Innovative Gesundheitswirtschaft als Wachstumstreiber anerkennen............................................................................ 42

Mobilität durch Investitionen und Innovationen stärken ...................................................................................................44

Chancen der digitalen Entwicklung nutzen und damit Zukunft der Industrie gestalten ................................................46

Sicherheit in der deutschen Industrie verbessern...............................................................................................................48

Cybersicherheit national und international fördern ...........................................................................................................50

Systematische und nachhaltige Konsolidierung der Staatshaushalte sicherstellen......................................................52

Wachstumsbasis und Wettbewerbsfähigkeit der Eurozone stärken................................................................................54
6             BDI – Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.                                  Für einen neuen gesellschaftlichen Konsens
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ESM zu einem europäischen Fiskalfonds weiterentwickeln..............................................................................................56

Weltweiten Ordnungsrahmen für globale Finanz- und Kapitalmärkte schaffen..............................................................58

Eigenkapitalbasis der Unternehmen stärken.......................................................................................................................60

Finanzierung des industriellen Mittelstands sichern..........................................................................................................62

Zusätzlichen Marktzugang über Freihandelsabkommen sichern.....................................................................................64

Weltweite Handels- und Investitionsfreiheit fördern, protektionistische Maßnahmen verhindern .............................66

Welthandelsorganisation als Institution stärken.................................................................................................................68

G-20- und BRIC-Staaten stärker bei globalen Lösungen einbinden ................................................................................. 70

Impressum................................................................................................................................................................................ 72
BDI – Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.               Für einen neuen gesellschaftlichen Konsens                  7
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Vorwort

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Industrie und die industrienahen Dienstleister generie-    Mit den »Herausforderungen 2013–2020 aus Sicht der
ren mehr als ein Drittel der Wertschöpfung der deutschen       ­Industrie – Für einen neuen gesellschaftlichen Konsens«
Volkswirtschaft. Sie beschäftigen zusammen unmittelbar          legt der BDI nicht nur Wahlprüfsteine zu einer Bundes-
zwölf Millionen Menschen. Das entspricht knapp 30 Pro-          tagswahl vor. Dieses Kompendium beleuchtet die derzeit
zent aller Beschäftigten in Deutschland.                        wichtigsten industriebezogenen Themenkomplexe –
                                                                ­sowohl in kurz-, mittel- wie auch in langfristiger Perspek-
Als Spitzenverband der deutschen Industrie ist der BDI           tive. Die relevanten Themenfelder werden im Hinblick auf
damit zugleich Stimme einer modernen Industriegesell-            den ­Erhalt der Wertschöpfungsketten, von Arbeitsplätzen
schaft. Denn ohne die Leistungs- und Innovationsfä-              und Wachstum in ihrem Status quo analysiert. Es werden
higkeit der Industrie sind die wirtschaftlichen, sozialen        Zukunftsperspektiven aufgezeigt und praxisorientierte
und ökologischen Herausforderungen, vor denen un-                Lösungsvorschläge unterbreitet.
sere ­Gesellschaft steht, nicht bewältigbar. Mehr noch:
Je leistungsfähiger die Industrie ist, desto größer sind die   Gesetzliche Rahmenbedingungen für und politische
Chancen, dass Deutschland die anstehenden Herausforde-         ­A nforderungen an die deutschen Industrieunternehmen
rungen mit Erfolg bestehen wird!                                müssen stets das europäische Zusammenwachsen, die
                                                                weiterhin zunehmende Globalisierung und den interna-
Durch diese Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit hat sich        tionalen Wettbewerbsdruck auf die deutsche Industrie
Deutschland zügig von der europaweiten Staatsschulden-          ­berücksichtigen.
krise erholt und eine eigene Finanz- und Wirtschaftskrise
vermeiden können. Deutschland ist mit seinem stabilen          Diese Broschüre soll deswegen über die nächste Legisla-
industriellen Fundament zum Vorbild für unsere europäi­        turperiode hinaus Denkanstöße geben und dem sachori-
schen Nachbarn geworden. Unter den Ländern, die am             entierten Diskurs mit der Politik und der Gesellschaft über
schwersten unter der Krise leiden, sind viele, die nur über    nationale, europäische und globale Themen dienen.
eine kleine und oft wenig wettbewerbsfähige industrielle
Basis verfügen. Deshalb streben viele Länder eine Indus-
trialisierung oder Reindustrialisierung ihrer Volkswirt-
schaften an.

Unser gemeinsames Ziel muss es sein, das industrielle
­Potenzial Deutschlands weiterzuentwickeln und damit
 auch die Wachstumskräfte in ganz Europa zu beleben.           Dr. Markus Kerber
 Das wird aber nur dann möglich sein, wenn die Politik in      Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Präsidiums
 Deutschland die Weichen richtig stellt.                       Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.
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Industrielle Basis durch k
                         ­ ohärente Industriepolitik stärken

Wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen und eine kohärente Wirt-
schaftspolitik müssen dazu beitragen, das Industrieland Deutschland zu
stärken.

Wo stehen wir?                                                   Wo wollen wir hin?
Auf keine andere hoch entwickelte Volkswirtschaft passt          Deutschland muss auch in Zukunft Industrieland blei-
die Beschreibung »Industrieland« so gut wie auf die deut-        ben. Die derzeit günstige Position der deutschen Industrie
sche. Denn bereits vor Ausbruch der Finanz- und Wirt-            auf den Weltmärkten ist kein Ruhepolster. Die internatio-
schaftskrise 2008/09 hat sich der Anteil der deutschen           nale Wettbewerbsfähigkeit muss täglich auf den Märkten
Industrie an der Bruttowertschöpfung gegen den internati-        ­behauptet und verteidigt werden. Es gilt daher, die breit
onalen Trend stabilisiert und ist sogar noch gestiegen. Die       aufgestellten und tief gestaffelten Wertschöpfungsketten
Industrie war – zusammen mit den industrienahen Dienst-           am Standort Deutschland zu erhalten. Wir brauchen diese
leistungen – auch Garant für die vergleichsweise ­zügige          Produktions- und Innovationsnetzwerke, um die anste-
Erholung nach der Krise. Industrie und industrienahe              henden Herausforderungen, wie zum Beispiel die Ener-
Dienstleistungen bilden den produktiven und innovativen           giewende, zu bewältigen. Denn wird ein Glied der Kette
Kern der deutschen Volkswirtschaft.                               übermäßig belastet, kann die gesamte Wertschöpfungs-
                                                                  kette reißen – mit negativen Auswirkungen auf Wachstum
Deutschland ist damit vom »kranken Mann Europas«                  und Beschäftigung in Deutschland.
zum Vorbild für andere Länder geworden. Viele ehemalige
­Industrieländer streben mittlerweile eine Reindustriali-        Notwendig ist eine Industriepolitik, die marktwirtschaft-
 sierung ihrer Volkswirtschaften an, so zum Beispiel das         lich ausgerichtet ist. Das heißt, dass sie über günstige Rah-
 Vereinigte Königreich mit seiner Strategie »New Indus-          menbedingungen und Infrastrukturen versuchen muss,
 try, New Jobs«. Eine Stärke der deutschen Volkswirtschaft       Wertschöpfungspotenziale zu heben, ohne eine bestimmte
 sind die breit aufgestellten und tief gestaffelten Wertschöp-   Industriestruktur herbeilenken zu wollen.
 fungsketten. Sie ermöglichen Spezialisierungsvorteile und
 die heraus­ragende Fähigkeit der deutschen Unternehmen,
 im Verbund zwischen Großindustrie und Mittelstand ver-
 netzte Systemlösungen auf den internationalen Märkten
 anzubieten.

Was ist zu tun?
• Die Wirtschaftspolitik muss über alle Politikfelder hinweg kohärent sein und negative Rückwirkungen auf das Indust-
  rieland vermeiden.

• Bestehende Belastungen der Industrie sind zu verringern, zusätzliche Belastungen zu vermeiden. So muss auf die Wie-
  dereinführung der Vermögensteuer oder anderer Substanzsteuern insbesondere im Hinblick auf die zentrale Rolle der
  Personengesellschaften im industriellen Mittelstand verzichtet werden.

• Die Akzeptanz für Industrie, Investitionen und Innovationen muss verbessert werden. Für ein positives Innovations-
  klima und Aufgeschlossenheit gegenüber industriellen Großprojekten ist zu sorgen.
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Bruttowertschöpfungsanteile des verarbeitenden Gewerbes
in Prozent

           24

           22

           20                                                                                                     Deutschland
                                                                                                                  Europäische Union 27
                                                                                                                  Japan

           18                                                                                                     USA
                                                                                                                  Vereinigtes Königreich
                                                                                                                  Frankreich

           16

           14

           12

           10
                  2000   2001   2002    2003    2004   2005   2006   2007   2008    2009    2010    2011

Quelle: OECD (2012)
10       BDI – Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.      Für einen neuen gesellschaftlichen Konsens
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Steuerrecht vereinfachen – Wettbewerbsfähigkeit und
Innovationsfreundlichkeit fördern

Wettbewerbsfähiges Belastungsniveau und steuerliche Strukturreformen
führen zu zusätzlichen Investitionen und mehr Wachstum.

Wo stehen wir?                                                 Wo wollen wir hin?
Die Steuerpolitik der vergangenen zehn Jahre hat die Ge-       Das Steuerrecht muss das Ziel flankieren, die Wettbe-
samtbelastung der Unternehmen maßvoll gesenkt. Die             werbsfähigkeit des Standortes zu erhöhen. Um zeitge-
Unternehmen in Deutschland erwarten eine weitere Stär-         mäße Konzernstrukturen nicht steuerlich zu behindern,
kung der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit durch die           muss das Unternehmenssteuerrecht durchgreifend mo-
angekündigten Reformen der Gewerbesteuer, die steuer-          dernisiert werden. Zudem müssen die Steuerbelastungen
lichen Verlustverrechnung und die Konzernbesteuerung.          für die Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften
Aber trotz Rekordsteuereinnahmen werden Steuererhö-            durch die Weiterentwicklung der sogenannten Thesaurie-
hungen und die Einführung neuer Steuern in Form einer          rungsbegünstigung einander angegelichen werden. Um
Vermögensteuer oder Vermögensabgabe sowie eine Ver-            die deutschen Unternehmen nicht zu benachteiligen oder
schärfung der Erbschaftsteuer diskutiert.                      bürokratisch zu belasten, darf eine Vermögensteuer oder
                                                               Vermögensabgabe nicht eingeführt und die Erbschaft-
Die Bürokratie wurde zwar in Teilbereichen abgebaut,           steuer nicht verschärft werden. Neben einfachen Regelun-
aber nach wie vor besteht Handlungsbedarf: Die Gelan-          gen brauchen Unternehmen auch einen praxisgerechteren
gensbestätigung der Umsatzsteuer zeigt, dass wie so oft        Vollzug durch die Finanzverwaltung. Erste notwendige
Vorschriften an den Bedürfnissen der Unternehmen vor-          Schritte hierzu sind zeitnahe Betriebsprüfungen, Verein-
bei auf den Weg gebracht werden und ihr Regelungsziel          fachungen im Vollzug und Rechtssicherheit durch die Pa-
verfehlen.                                                     rallelität von Gesetzen und Verwaltungsverordnungen.
                                                               Bei der Umsatzsteuer muss die Kooperation zwischen
Durch die zunehmende internationale Ausrichtung der            Finanzverwaltung und Wirtschaft verbessert und Büro-
Unternehmen in Deutschland rückt das Steuerrecht für           kratie weiter abgebaut werden – vor allem bei den Aufbe-
die grenzüberschreitenden Aktivitäten immer mehr in            wahrungsfristen. Das deutsche internationale Steuerrecht
den Fokus der Investitionsplanung. Investitionen am            muss die Unternehmen bei Exporten und Investitionen
deutschen Standort und die wirtschaftlichen Aktivitäten        unterstützen: Das Netz der Doppelbesteuerungsabkom-
aus Deutschland werden gehemmt, zum Beispiel durch             men (DBA) mit konsequenter Freistellung und Abwehr-
ertragsunabhängige Elemente bei der Gewerbesteuer,             regelungen muss weiter ausgebaut werden, sodass nur der
international unübliche Besteuerungen, sogenannte Funk-        Missbrauch erfasst wird, nicht aber die allgemeinen und
tionsverlagerungen und komplexe Hinzurechnungen.               international üblichen Strukturen behindert werden.

Was ist zu tun?
• Zusätzliche Steuerlasten sind zu verhindern – dies gilt vor allem für die Einführung einer Vermögensteuer oder Ver-
  mögensabgabe sowie für Verschärfungen der Erbschaftsteuer. Der Innovationsstandort ist durch ein international
  vergleichbares Belastungsniveau zu stärken. Maßvolle Absenkungen der Belastung auf der Unternehmensebene sind
  fortzusetzen. Ertragsunabhängige Elemente müssen aus dem Unternehmenssteuerrecht entfernt werden.

• Die Unternehmensbesteuerung muss weiter modernisiert werden mit der Einführung eines neuen Gruppenbesteuerungs-
  systems, einer Weiterentwicklung der Thesaurierungsbegünstigung, einer Verbesserung der Kooperation mit der Finanz-
  verwaltung und dem weiteren Abbau der Steuerbürokratie. Die Doppelbesteuerungsabkommen sind wirtschaftspolitisch
  entscheidende Instrumente für die Internationalisierung der deutschen Industrie. Sie sollen Investitionen fördern, mögli-
  chen Missbrauch erfassen, aber keinesfalls die wirtschaftlich gebotenen und international üblichen Strukturen behindern.
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Tarifliche Gesamtbelastung von Kapitalgesellschaften 2011
in Prozent

                                               Zypern     10,0
                                            Bulgarien     10,0
                                                Irland           12,5
                                              Litauen                   15,0
                                           Hongkong                        16,5
                                             Singapur                          17,0
                                             Slowakei                                 19,0
                                                Polen                                 19,0
                                          Tschechien                                  19,0
                                     Schweiz (Zürich)                                    20,7
                                        Griechenland                                            24,0
                                           Österreich                                             25,0
                                         Niederlande                                              25,0
                               Vereinigtes Königreich                                                  26,0
                                           Schweden                                                    26,3
                                             Portugal                                                   26,5
                                           Norwegen                                                           28,0
                                              Kanada                                                          28,0
                                          Luxemburg                                                            28,8
                                              Spanien                                                                30,0
                                       Deutschland (1)                                                                30,9
                                                Italien                                                                31,4
                                           Frankreich                                                                         34,4
                                                Malta                                                                          35,0
                                                Japan                                                                                 39,5
                                                 USA                                                                                  39,6

(1)
  Gewerbesteuerhebesatz: 432 Prozent
Quellen: BMF; Deloitte; IW (2011); eigene Berechnungen
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Investitionsbedingungen am Standort Deutschland attraktiv g
                                                          ­ estalten

Wir müssen strukturelle Investitionsschwächen überwinden, Infrastruk-
turdefizite abbauen und Wachstumschancen nutzen.

Wo stehen wir?                                                 Wo wollen wir hin?
Der Anteil der Bruttoinvestitionen am Bruttoinlands-           Investitionen in die Infrastruktur des Landes erhöhen das
produkt in Deutschland sinkt seit 1990 kontinuierlich.         Wachstumspotenzial der Volkswirtschaft, schaffen Ar-
Bei einer Nettobetrachtung bewegt sich die Nettoinves-         beitsplätze und generieren zusätzliche Wertschöpfung.
titionsquote seit 2002 nur noch knapp über der Null­
linie. Deutschland droht, von seiner Substanz zu leben.        Mit einer zügigen Erneuerung der Infrastruktur aus
Auch aus der globalen Perspektive zeigt Deutschland eine       Straßen, Schienenwegen, Energie- und Kommunikati-
strukturelle Investitionsschwäche. Zwar können Schwel-         onsnetzen muss sichergestellt werden, dass unsere Volks-
lenländer mit ihrem immensen Nachholbedarf nicht als           wirtschaft im weltweiten Wettbewerb führend bleibt.
Referenzgröße gelten. Besorgniserregend ist jedoch, dass       Hemmnisse für private Investitionen aus dem In- oder
viele andere hoch entwickelte Länder deutlich höhere           Ausland müssen beseitigt werden.
Bruttoinvestitionsquoten haben als Deutschland.
                                                               Deutsche Unternehmen, aber auch ausländische Inves-
Noch gravierender ist der Rückstand bei den öffentlichen       toren sind bereit, eigene Mittel auf eigenes Risiko in den
Investitionen: Die öffentlichen Abschreibungen liegen in       forcierten Auf- und Ausbau des Kapitalstocks am Standort
Deutschland seit 2003 über den Nettoinvestitionen. Der         Deutschland zu investieren. Für Infrastrukturinvestitio-
öffentliche Kapitalstock schwindet. Nirgendwo sonst in         nen kann und muss deshalb mehr privates Kapital mobi-
der EU ist die Investitionstätigkeit der Gebietskörper-        lisiert werden. Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP)
schaften – bezogen auf das BIP – so gering wie in              müssen attraktiver gestaltet werden. Sie brauchen rechtli-
­Deutschland. Auch in den USA und Japan liegt der              che und steuerliche Rahmenbedingungen, die diese Inves-
 ­Invest­itionsanteil am BIP deutlich höher.                   titionen rentabel machen.

Was ist zu tun?
• Um das Wachstumspotenzial zu erhöhen, müssen die Investitions- und Standortbedingungen in Deutschland verbes-
  sert und Investitionen aus dem In- und Ausland stimuliert werden.

• Die Infrastruktur aus Verkehrs-, Energie- und Kommunikationsnetzen muss modernisiert und ausgebaut werden.

• Dringend notwendige Infrastrukturinvestitionen sind trotz knapper öffentlicher Kassen durch die Beteiligung priva-
  ten Kapitals über Öffentlich-Private Partnerschaften zu ermöglichen.
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Bruttoinvestitionsquoten 2011
in Prozent des Bruttoinlandsprodukts

                                  China                                                                     48

                                  Indien                                                    37

                               Russland                                   25

                                Spanien                              22

                              Frankreich                         21

                                  Japan                         20

                            Deutschland                    18

                            Niederlande                    18

                          Großbritannien              15

                                   USA                15

Quelle: Weltbank (2013)
14       BDI – Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.      Für einen neuen gesellschaftlichen Konsens
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Weichen für mehr Wachstum stellen

Durch eine Stärkung der industriellen Basis und mehr Investitionen muss
die deutsche Volkswirtschaft einen höheren Wachstumspfad erreichen.

Wo stehen wir?                                                 Wo wollen wir hin?
Trotz der nach wie vor vergleichsweise robusten konjunk-       Der Grundstein des Wachstums wird von den Unter­­
turellen Lage zeigt sich bei längerfristiger Betrachtung       nehmen gelegt. Um ihre Wachstumsbeiträge leisten zu
eine strukturelle Wachstumsschwäche des Industrie­landes       können, brauchen sie Rahmenbedingungen, die auf
Deutschland. Das schwächere Potenzialwachstum ist              Wertschöpfungsprozesse am Standort Deutschland aus­
vor allem auf die ungünstige demografische Entwicklung         gerichtet sind.
sowie auf Schwächen und Hemmnisse bei der Investiti-
onstätigkeit zurückzuführen. Dabei kommt es gerade für         Die Wirtschaftspolitik muss durch entschlosseneres Han-
das Industrieland Deutschland darauf an, neben gut qua-        deln Wachstumsimpulse auslösen, die unser Industrieland
lifizierten Erwerbspersonen einen modernen und hoch-           auf einen nachhaltig höheren Wachstumspfad führen.
produktiven Kapitalstock auf- bzw. auszubauen. Nur so          Dabei müssen Faktoren wie private Ausrüstungsinvesti-
können wir uns dauerhaft im internationalen Standort-          tionen, staatliche Infrastrukturinvestitionen, Aus- und
wettbewerb behaupten.                                          Weiterbildung sowie Forschung und Entwicklung in den
                                                               Fokus rücken.
Deutschland kann mehr leisten, als in einem Wachstums­
potenzial von etwa einem Prozent zum Ausdruck kommt.
Ein höherer Wachstumspfad ist nach wie vor erreichbar.
Megatrends, wie zum Beispiel Klimawandel, Ressourcen-
verknappung oder Urbanisierung, die den globalen Struk-
turwandel antreiben, deuten auf gute Perspektiven für
die deutsche Industrie und damit die deutsche Volkswirt-
schaft hin.

Was ist zu tun?
• Investitionshemmnisse, insbesondere steuerliche Belastungen, sollen abgebaut und Bildung und Innovationen
  ­gefördert werden.

• Wachstum und Konsolidierung gehören zusammen. Die Haushaltskonsolidierung ist voranzutreiben und zwar eine
  qualitative Haushaltskonsolidierung, also ein Umschichten von konsumtiven zu investiven Ausgaben.
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Potenzialwachstum und Bruttoinlandsprodukt
in Prozent

          6
                     1980–1991: 2,4 %          1991–2000: 1,9 %          2000–2010: 1,3 %

          4
                                                                                                                 Veränderung des BIP ggü. Vj.

          2                                                                                                      Durchschnittliches Potenzialwachstum

          0

         -2

         -4

         -6
              1980                      1990                      2000                        2010

Quellen: BMWi; BMF (2013)
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International wettbewerbsfähige Energiekosten und sichere
­Energieversorgung gewährleisten

Energiepolitik muss sich weiter an marktwirtschaftlichen Prinzipien aus-
richten und die Bezahlbarkeit der Energieversorgung im Fokus haben.

Wo stehen wir?                                                     Wo wollen wir hin?
Um im Weltmarkt zu bestehen, braucht die deutsche                  Die Industrie braucht eine europäisch eingebettete Ener-
­Industrie geschlossene Wertschöpfungsketten. Diese dür-           giewende aus einem Guss mit Entwicklungschancen für
 fen nicht durch einen ungesteuerten Umbau des Energie-            die gesamte Wertschöpfungskette. Die energiepolitischen
 systems gefährdet werden.                                         Ziele der Regierung sollen mit Grund- und Werkstoffen
                                                                   aus deutscher Produktion erreicht werden und nicht aus
Die Industrie in Deutschland zahlt schon heute im ­Ver­­­­gleich   Ländern mit weniger ambitionierten Umwelt- und Kli-
zu ihren internationalen Wettbewerbern mit die höchsten            mavorschriften. Nur so bleiben langfristig Wertschöp-
Strom- und Energiepreise. Die Tendenz ist steigend. Dabei          fung, Innovation und Wohlstand in Deutschland erhalten.
ist der staatliche Anteil so hoch wie nirgendwo sonst in der       Der Energiewendeprozess muss so vorausschauend ge-
OECD. Dieser Anteil ist aber entscheidend für die Wettbe-          staltet und in seinen einzelnen Teilen so synchronisiert
werbsfähigkeit, da der Börsenstrompreis zunehmend eu-              werden, dass Probleme frühzeitig identifiziert und ge-
ropaweit gilt. Haupttreiber für die national hohe Belastung        löst werden können. Diese Umgestaltung des Energiesys-
ist der Umbau des Energieversorgungssystems, der sich vor          tems umfasst neben einer kosteneffizienten Integration
allem in der steigenden EEG-Umlage widerspiegelt. Die Be-          von erneuerbaren Energien auch die Gewährleistung der
grenzung der Belastung von zahlreichen energieintensiven           Versorgungssicherheit. Dies schließt ein, dass regelbare
Betrieben in den Grundstoffindustrien, darunter auch viele         Erzeugungskapazitäten sichergestellt sowie flexible Nach-
Mittelständler, sichert deren Fortbestand und den Erhalt von       frage und Speichertechnologien einbezogen werden. Auch
geschlossenen Wertschöpfungsketten. Die Akzeptanz für              mit Blick auf das globale Umfeld ist zu erwarten, dass die
das deutsche Energieversorgungssystem schwindet jedoch             deutsche Energiewende nur dann Nachahmer findet, wenn
bei weiter steigenden Kosten. Dies gefährdet die Unterstüt-        sich die eigene industrielle Basis gedeihlich entwickelt.
zung der Energiewende in der Bevölkerung. Gleichzeitig             Deshalb kann der Umbau Markt- und Exportchancen für
entfernt sich der Stromsektor zunehmend vom Markt, indem           die gesamte deutsche Wirtschaft bieten – über die einzel-
Umlagen und staatliche Lasten bereits heute rund die Hälfte        nen Produkte hinaus beim Kompetenzaufbau in der Steue-
des Strompreises ausmachen. Das Umlagesystem des EEG               rung eines zunehmend dezentralen Energiesystems.
stellt heute ein paralleles Marktdesign dar, das es intelligent
zu integrieren gilt.

Was ist zu tun?
• Um die Wettbewerbsfähigkeit der Industrieunternehmen in Deutschland zu erhalten und die Investitionssicherheit
  zu verbessern, muss der durch Steuern und Abgaben hervorgerufene Anstieg der Energiekosten begrenzt und zurück­
  geführt werden.

• Die nationalen Sonderlasten für die Industrie sind insgesamt zu begrenzen. Die Industrie steht geschlossen hinter den
  Befreiungen ihrer stromintensiven Mitglieder. Die Entwicklung der Gesamtkosten des Systems muss dringend be-
  grenzt werden.

• Geringere zusätzliche Kosten sind langfristig nur durch ein neues integriertes Strommarktdesign möglich, welches die
  Gesamtkosteneffizienz berücksichtigt. Dies betrifft den Ausbau der erneuerbaren Energien ebenso wie die Bereitstel-
  lung ausreichender gesicherter Leistung und die Integration von Speicher- und Netzkosten.
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Industriestrompreise 2012
in Cent pro Kilowattstunde

                                                                                                                              Trend1)

                                   Italien                                                                        10,5

                            Deutschland                                                                        10,0

                                                                                                                               Keine
                                      EU                                                          7,9
                                                                                                                              Angabe

                              Frankreich                                              5,8

                                     USA                                        5,1

Basis: mittelgroße Industrie- und Gewerbekunden, 1) Prognose der Boston Consulting Group (BCG): Trendstudie Strom 2030
Quellen: IEA; Monitoring Bericht der Bundesregierung (2012)
18        BDI – Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.        Für einen neuen gesellschaftlichen Konsens
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Zielkonflikte in der Energie-, Klima- und Umweltpolitik beseitigen

Investitionen in die Energiewende und den Klimaschutz setzen einen
­berechenbaren und widerspruchsfreien gesetzlichen Rahmen voraus.

Wo stehen wir?                                                    Wo wollen wir hin?
Die unterschiedlichen Ziele der Energie-, Klima- und              Es geht um mehr als bloße Emissionsminderung in
­Umweltpolitik auf europäischer, nationaler und zum Teil          Deutschland und der EU. Es geht letztlich um die öko-
 sogar auf Bundesländerebene stehen trotz zum Teil erheb-         nomische und soziale Zukunftsfähigkeit in einer zuneh-
 licher inhaltlicher Wechselwirkungen weitgehend unabge-          mend vernetzten globalen Wirtschaft. Investitionsbereite
 stimmt nebeneinander. Zielkonflikte und Ineffizienz sind         Unternehmen brauchen klare, verlässliche und zuein­
 die Folgen. Den Unternehmen drohen Mehrfachbelastun-             ander konsistente Vorgaben. Dies gilt nicht nur für das
 gen, die Kapital abschöpfen, Investitionen erschweren und        EU-Emissionshandelssystem (EU ETS), sondern auch für
 damit deren Wettbewerbsfähigkeit im Weltmarkt massiv             die Steuerung des Zubaus an erneuerbaren Energien, für
 beeinträchtigen.                                                 Energie- und Ressourceneffizienzvorgaben und die Regu-
                                                                  lierung von Industrieemissionen.
Angesichts des Ausstiegs aus der Kernenergie hat Deutsch-
land wenig Spielraum, um das langfristige Ziel einer              Weil es viel Geld kostet, ambitionierte Klimaziele zu
weitgehend emissionsneutralen Energieversorgung                   ­realisieren, müssen alle Maßnahmen effizienter werden.
zu erreichen. Zudem soll zwischen 2020 und 2030 das                Deshalb müssen die zahlreichen unterschiedlichen ener-
­Minderungsziel für den Emissionshandelssektor stark               gie-, klima- und umweltpolitischen Ziele und Instrumente
 angehoben werden. Was dies im Zusammenhang mit der                nicht nur viel stärker als bisher abgestimmt, sondern auch
 Energiewende in Deutschland für das Jahr 2030 genau be-           nach ihrer Kosten-Nutzen-Relation bewertet werden.
 deutet, ist noch nicht klar. Jedoch sind in jedem Fall deutli-    ­Zugleich gilt es, Zielvorgaben auf europäischer, nationaler
 che Steigerungen des CO2-Preises zu erwarten.                      und Bundesländerebene besser abzugleichen.

Was ist zu tun?
• Die Bundesregierung muss sich viel stärker als bisher für die Konsistenz der energie-, klima- und umweltpolitischen
  ­Instrumente (EU ETS, Ausbau der erneuerbaren Energien, Energieeffizienzsteigerung, Luftqualitätsvorgaben etc.)
   einsetzen.

• Es ist falsch, spezifische Klimaschutzgesetze mit eigenen Zielen in einzelnen Bundesländern zu beschließen. Eine
  ­ineffiziente Regionalisierung muss vermieden werden.

• Das EU-2050-Klimaziel und die deutsche Energiewende sind inhaltlich miteinander verbunden. Die EU-Kommission
  und die Bundesregierung sind hier gefordert, klare und berechenbare Gestaltungsprozesse auf den Weg zu bringen.
  Gerade für Deutschland mit seinen noch intakten Wertschöpfungsketten ist ein Abgleich dieser Prozesse von größter
  Bedeutung, weil mehrfache Kostenbelastungen vermieden werden müssen.

• Zielkonflikte in der Umweltpolitik sind aufzulösen. Unvereinbare Anforderungen an Unternehmen sind zu vermeiden.
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Unterschiedliche Ziele bei Energie- und Klimapolitik

                                                                                  Zieldimension

                                                                 Emissionen                       Ausbau
                                                                                                  erneuerbare
                                        Politische Ebene                                          Energien2)

                                          EU                     • Reduktion um                   • 20 % für Primär-
                                                                 20 % bis 2020                    energieverbrauch
                                                                                                  im Jahr 2020

                                          Deutschland            • Reduktion um                   • 35 % (40 %1)) für
                                                                 40 % bis 2020                    Stromverbrauch
                                                                                                  im Jahr 2020
                                                                                                  • 80 % im Jahr 2050

                                          Bundesländer           • In Summe:                      • Circa 50 % für
                                                                 Reduktion um 26,7 %              Erzeugungskapazität
                                                                 bis 2020                         im Jahr 2020

1)
 Vorschlag Minister Altmaier, 2) Primärenergieträger und Strom
Quelle: eigene Berechnungen
20       BDI – Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.      Für einen neuen gesellschaftlichen Konsens
         Herausforderungen 2013–2020 aus Sicht der Industrie   www.bdi.eu

Energieeffizienz im Gebäudesektor fördern

In Gebäuden werden deutschland- und EU-weit rund 40 Prozent der Ener-
gie verbraucht. Effizienzverbesserung ist wichtig für die Energiewende.

Wo stehen wir?                                                 Wo wollen wir hin?
Auf Gebäude entfallen derzeit immer noch mehr als              Im Hinblick auf die Neuausrichtung der deutschen Ener-
40 Prozent des Energieverbrauchs. Die Bundesregierung          gie- und Klimapolitik sollen Effizienzverbesserungen in
hat deshalb hierfür ambitionierte Einsparziele festgelegt:     Gebäuden einen großen Beitrag zur Erfüllung der Energie-
20 Prozent des Wärmebedarfs bis zum Jahre 2020 und             und Klimaziele leisten.
mindestens 80 Prozent des Primärenergieverbrauchs bis
zum Jahr 2050.                                                 Dazu bedarf es eines langfristigen und umfassenden
                                                               ­Konzepts, das vor allem auf Motivation der Eigentümer
Nach den Berechnungen von BDI und McKinsey sind die             und nur nachrangig auf ordnungsrechtliche Vorgaben
Einsparpotenziale in Gebäuden – gerade im Vergleich zu          setzt. Auf diese Weise soll die aktuelle Sanierungsquote
anderen Sektoren wie Verkehr und Industrie – besonders          verdoppelt werden.
groß und in 90 Prozent aller Fälle wirtschaftlich zu heben.

Zwar liegen technologische Lösungen zur CO2-Reduktion
vor, aber eine Investitionswelle bleibt bislang aus. Die un-
stete Investitionskulisse, die längeren Amortisationszeiten
und die demografische Entwicklung verunsichern offen-
kundig nicht nur die vielen Millionen Ein- und Zweifamili-
enhausbesitzer.

Diese zu geringe Investitionstätigkeit führt zu einer jähr­
lichen Sanierungsquote von knapp einem Prozent. Bliebe
es bei diesem Tempo, so dürften die o. g. Ziele nicht er-
reicht werden. Damit wäre allerdings auch die Energie-
wende ­insgesamt in Gefahr.

Was ist zu tun?
• Um das 40-prozentige Einsparziel zu erreichen, bedarf es eines zielgerichteten Sanierungsfahrplans, der auf
  ­ordnungsrechtliche Zwänge weitgehend verzichtet.

• Die Bundesregierung muss insbesondere langfristige und attraktive Rahmenbedingungen zur energetischen Sanie-
  rung des ­Gebäudebestands schaffen – am besten über eine technologieoffene steuerliche Förderung.

• Eine unabhängige Energieberatungsstruktur muss geschaffen werden.
BDI – Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.                                                   Für einen neuen gesellschaftlichen Konsens                                    21
Herausforderungen 2013–2020 aus Sicht der Industrie                                                www.bdi.eu

Energieeffizienz von Gebäuden

                                                        14
           am gesamten Gebäudebestand in Deutschland
            Prozentualer Anteil von Gebäuden gemessen

                                                        12
                                                                                                                                 EnEV1)-Standard

                                                        10                                                                       Gebäude mit EnEV-Standard oder besser

                                                                                                                                 Gebäude, die den EnEV-Standard nicht erfüllen
                                                         8

                                                         6

                                                         4

                                                         2
                                                                 20 %         80 %
                                                         0
                                                             0    100   200      300   400   500         600       700
                                                                                                                 kWh/(m2a)

Basis: 1) Energieeinsparverordnung
Quelle: Forschungszentrum Jülich (2012)
22        BDI – Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.        Für einen neuen gesellschaftlichen Konsens
          Herausforderungen 2013–2020 aus Sicht der Industrie     www.bdi.eu

Nachhaltiges Wirtschaften braucht ein ganzheitliches Verständnis
von Industrie

Künstliche Abgrenzungen in »grüne« und »nichtgrüne« Produkte wider-
sprechen dem Nachhaltigkeitsprinzip.

Wo stehen wir?                                                    Wo wollen wir hin?
Alle Industriebereiche befinden sich längst auf dem Nach-         Für den Erfolg einer »Green Economy« ist es von ent-
haltigkeitspfad, der zu beachtlichen Verbesserungen bei           scheidender Bedeutung, die Wertschöpfungsketten in
Ressourcen- und Energieeffizienz sowie Umwelt- und                Deutschland und an anderen Standorten zu erhalten.
­K limafreundlichkeit geführt hat. »Green Economy« war            Die Innovationen der Grundstoff- und energieintensi-
 ­eines der zentralen Themen der Internationalen Konferenz        ven ­Industrien tragen maßgeblich zur Entwicklung ener-
  zur nachhaltigen Entwicklung in Rio de Janeiro im Juni          gieeffizienter und umweltfreundlicher Produkte in der
  2012 (Rio+20). Mit dem gemeinsamen Memorandum von               ganzen Wertschöpfungskette bei. Ohne sie wäre nachhal-
  BDI und Bundesumweltministerium für eine »Green                 tiges Wirtschaftswachstum nicht vorstellbar. Mit Blick
  ­Economy« vom 12. Juni 2012 hat sich die deutsche               auf wachsende Nachhaltigkeitsanforderungen verbietet
   ­Industrie zum Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung         sich daher eine künstliche Abgrenzung in »grüne« und
    bekannt. In den vergangenen 20 Jahren wurde dies immer        ­»nichtgrüne« Sektoren oder Produkte.
    stärker zum übergeordneten Leitprinzip für politisches
    und wirtschaftliches Handeln. Letztlich geht es darum,
    Ökonomie, Ökologie und Soziales abzuwägen und die
    daraus häufig resultierenden Interdependenzen und Ziel-
    konflikte anzugehen. Nachhaltiges Wachstum ist die
    Grundlage für die Verbesserung der Lebensqualität von
    weiten Teilen der Weltbevölkerung und wird dies zukünf-
    tig noch stärker sein. Alle Industriesektoren sind über die
    Wertschöpfungsketten eng miteinander verbunden und
    haben gleichermaßen Anteil am Gelingen einer nachhalti-
    gen Wirtschaftsstruktur. Dazu zählt auch die Entkopplung
    von Wirtschaftswachstum und steigendem Ressourcenein-
    satz.

Was ist zu tun?
• Eine künstliche Spaltung der Wertschöpfungsketten in »grüne« und »nichtgrüne« Sektoren ist nicht zweckmäßig.
  Vielmehr tragen Produkte und Technologien aller Industriesektoren in Deutschland entscheidend zur »Green Eco-
  nomy« weltweit bei.

• Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Die technologische Zusammenarbeit ist zu unterstützen.
BDI – Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.                                                   Für einen neuen gesellschaftlichen Konsens                            23
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Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts und Verbrauch natürlicher Ressourcen
Indizes (1991 = 100; 1992 = 100)

             130

             120

             110                                                                                                                           Reales Bruttoinlandsprodukt
                                                                                                                                           Flächen
                                                                                                                                           Energie
             100                                                                                                                           Material
                                                                                                                                           Wasser

              90

              80

              70

              60
                     91

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                                 93

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                                              95

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                                                          97

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                                                                                                                 20

                                                                                                                         20

                                                                                                                               20

                                                                                                                                     20

Quellen: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (2011); Statistisches Bundesamt (2010; 2011a; 2011b); eigene Berechnungen
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Nachhaltige Rohstoffversorgung für deutsche Industrieunternehmen
sicherstellen

Rohstoffsicherung erfordert kohärentes Vorgehen und muss auch in
­Zukunft ein zentrales Politikfeld bleiben.

Wo stehen wir?                                                 Wo wollen wir hin?
Bei vielen Rohstoffen kann Deutschland den Bedarf              Rohstoffe zu beziehen ist zwar in erster Linie Aufgabe
derzeit noch vollständig aus heimischen Quellen de-            der Unternehmen. Aber angesichts zunehmender Ver-
cken. Heimische energetische Rohstoffe wie Erdgas und          zerrungen auf den Rohstoffmärkten bedarf es politischer
Braunkohle sichern mehr als ein Drittel unserer Energie-       Unterstützung. Ein fairer Wettbewerb ist sicherzustel-
versorgung. Bei Primärmetallen und einigen Industriemi-        len. Kooperationen mit rohstoffreichen Ländern können
neralen ist Deutschland allerdings stark importabhängig:       helfen, den Unternehmen einen diskriminierungsfreien
Um diese Abhängigkeit zu verringern, setzt die deutsche        Zugang zu ermöglichen. Die DERA soll dabei eine koor-
­Industrie Ressourcen effizienter ein und verwendet recy-      dinierende Rolle einnehmen. Heimische Rohstoffe sollen
 celte Rohstoffe. Ressourceneffizienz-Technologien „Made       stärker zur Sicherung der Rohstoffversorgung genutzt wer-
 in Germany“ zählen zur weltweiten Spitze. Die strategi-       den. Dazu zählen auch Energierohstoffe, deren Beiträge
 sche Abhängigkeit von Rohstoffimporten bleibt dennoch         zu einer sicheren Energieversorgung vor dem Hintergrund
 eine Herausforderung für die Unternehmen. Mit der Roh-        der Energiewende noch wichtiger sind. Deshalb muss die
 stoffstrategie der Bundesregierung, die unter anderem die     Erkundung von Lagerstätten und die Erforschung und
 Gründung der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) und             Weiterentwicklung von Fördermethoden künftig gewähr-
 das Instrument der Rohstoffpartnerschaft umfasst, wurde       leistet sein. Für die bessere Verfügbarkeit an Sekundär-
 eine wichtige Grundlage für eine ganzheitliche Rohstoff-      rohstoffen ist das Recycling zu stärken. Notwendig ist ein
 politik geschaffen. Um die Rohstoffversorgung über Be-        freier Markt für Sekundärrohstoffe und fairer Wettbewerb
 teiligungen an Rohstoffprojekten zu verbessern, hat die       zwischen kommunalen und privaten Akteuren. Für eine
 Industrie die RA Rohstoffallianz GmbH initiiert.              nachhaltige Rohstoffwirtschaft arbeiten die Unternehmen
                                                               bereits heute daran, Sozialstandards und Nachhaltigkeit
                                                               entlang der grenzüberschreitenden Lieferzeiten sicherzu-
                                                               stellen.

Was ist zu tun?
• Die Politik ist aufgefordert, im bilateralen Dialog, über die WTO und auf G-20-Ebene Handels- und Wettbewerbsver-
  zerrungen umfassend zu begegnen und damit den Zugang zu Rohstoffen zu verbessern. Damit die Unternehmen selbst
  in der Lage sind, sich mit heimischen Rohstoffen zu versorgen, sind Bedarfs- und Stoffstromanalysen für die speziell in
  Deutschland kritischen Rohstoffe nötig.

• Um den Zugang zu den – standortgebundenen – heimischen Rohstoffen zu gewährleisten, ist das Ziel „Rohstoffsiche-
  rung“ in Raumordnung und Landesplanung gleichrangig mit ökologischen und sozialen Belangen zu berücksichtigen.
  Für die effiziente Nutzung heimischer Rohstoffe ist die technologische Weiterentwicklung von Fördermethoden unab-
  dingbar.

• Die nachhaltige Rohstoffnutzung ist zu fördern. Umwelt- und Sozialstandards von ausländischem Rohstoffabbau sol-
  len durch die Entwicklungspolitik verbessert werden, Beratungsangebote helfen, die Ressourceneffizienz zu steigern.
  Zur Stärkung der Recyclingwirtschaft soll eine Bündelung der Zuständigkeiten im Wirtschaftsministerium geprüft
  werden.
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Entwicklung der Metallimporte
Index (2003 = 100)

                                400
                                                                                                                 Wert der Metallimporte

                                                                                                                 Menge der Metallimporte
                                300
             Index 2003 = 100

                                200

                                100

                                  0
                                      2003   2004   2005   2006   2007   2008   2009   2010    2011

Quelle: Deutsche Rohstoffagentur DERA (2012)
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Marktorientierte Systeme statt Rekommunalisierung

Fairer Wettbewerb für private und öffentliche Anbieter – Rekommunali-
sierung gefährdet Wachstums- und Beschäftigungsperspektiven.

Wo stehen wir?                                                 Wo wollen wir hin?
Dank innovativer Technologien, die von deutschen An-           Die leeren Kassen der Kommunen rechtfertigen nicht, das
lagenbauern entwickelt und von privaten Unternehmen            Spektrum ihrer Einnahmequellen zulasten der privaten
betrieben werden, ist Deutschland im Export von Recy­          Wirtschaft immer stärker zu erweitern. Die Privatwirt-
clingtechnologie weltweit führend. Jedoch ziehen im In-         schaft braucht fairen Wettbewerb um das beste Angebot
land die Kommunen immer mehr Geschäftsfelder an sich.           nach Preis und Leistung. Tatsächlich hat die Privatwirt-
Die Privatwirtschaft wird damit aus zentralen zukunfts-        schaft nach der Liberalisierung wichtiger Märkte gezeigt,
weisenden Wirtschaftsbereichen verdrängt. Das neue             dass sie neue Produkte und innovative Leistungen zu
Kreislaufwirtschaftsgesetz unterstützt sogar diesen Trend:     ­attraktiven Preisen anbieten kann. Das wird durch die
So soll sich das Zugriffsrecht der Kommunen auf Abfälle         Entsorgung der Leichtverpackungen eindrucksvoll belegt.
künftig auch auf getrennt gesammelte Haushaltsabfälle           Das Abfallrecht muss daher so ausgerichtet werden, dass
erstrecken, also auf genau jene Abfälle, die sich besonders     getrennt gesammelte Abfälle im Wettbewerb verwertet
für das Recycling eignen. Sie enthalten viele hochwer-          und die daraus gewonnenen Sekundärrohstoffe dem Wirt-
tige Stoffe wie Metalle, Kunststoffe, Glas oder Papier. Das     schaftskreislauf wieder zufließen können. Dies entspräche
Gesetz begrenzt die Möglichkeit für Privatunternehmen,          dann auch den Grundsätzen des europäischen Binnen-
Abfälle gewerblich zu sammeln, so stark, dass Kunden mit        marktes. Die positiven Erfahrungen mit der privatwirt-
monopolartigen kommunalen Strukturen rechnen müs-               schaftlichen Entsorgung von Leichtverpackungen müssen
sen. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz gefährdet somit die         aus ökologischen wie ökonomischen Gründen im neuen
bisherigen Erfolge.                                             Wertstoffgesetz auf weitere Wertstoffe übertragen werden.

Was ist zu tun?
• Ein fairer Wettbewerb sowie gleiche Rahmenbedingungen für private und öffentliche Anbieter sind in allen Wirt-
  schaftsbereichen zu gewährleisten.

• Das Kreislaufwirtschaftsgesetz ist dahingehend zu ändern, dass getrennt gesammelte Abfälle im Wettbewerb ver­
  wertet und die daraus gewonnenen Sekundärrohstoffe dem Wirtschaftskreislauf wieder zugeführt werden.

• Auf der Grundlage der Verantwortung der Hersteller muss das künftige Wertstoffgesetz privatwirtschaftlich
  ­organisiert und wettbewerblich ausgestaltet werden, damit so die Rückführung von hochwertigen Wertstoffen in den
   Wirtschaftskreislauf gewährleistet ist.
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Entwicklung der kommunalen und privaten Anteile an der Abfallentsorgung
in Prozent der von privaten Unternehmen versorgten Einwohner

           Mecklenburg-                                                                                                                                         91,7 %
           Vorpommern                                                                                                                                 85,0 %

                                                                                                                                    75,1 %
     Baden-Württemberg
                                                                                                                                72,4 %

                                                                                                                                        77,8 %
                 Hessen
                                                                                                                            70,8 %

                 Bayern                                                                                                      71,8 %
                                                                                                                        68,6 %

                Saarland                                                                                58,9 %
                                                                                                        58,9 %

         Rheinland-Pfalz                                                                                           65,4 %
                                                                                                    58,0 %

                                                                                                                            70,7 %
                Sachsen
                                                                                                55,1 %

         Niedersachsen/                                                                        54,2 %
                Bremen                                                                49,8 %

                                                                                  49,4 %
     Nordrhein-Westfalen                                                        48,0 %

               Thüringen                                                                                     62,6 %
                                                                             45,7 %

         Sachsen-Anhalt                                                                 51,5 %
                                                                   37,8 %

     Schleswig-Holstein/                                                     45,5 %
               Hamburg                                    33,7 %

           Brandenburg/                                                                                          Privater Anteil 2006        Privater Anteil 2013
                                                           34,2 %
                  Berlin                         23,6 %

                 Gesamt                                                                         55,0 %

Quelle: BDE (2013)
28       BDI – Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.      Für einen neuen gesellschaftlichen Konsens
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Neuen gesellschaftlichen Konsens über Rolle der Industrie finden –
Akzeptanz in Gesellschaft und Politik ausbauen

Deutschland braucht einen neuen gesellschaftlichen Grundkonsens über
die Bedeutung der Industrie als Wertschöpfungs- und Wohlstandstreiber.

Wo stehen wir?                                                 Wo wollen wir hin?
Die Industrie generiert unmittelbar fast ein Viertel der       Wir brauchen einen neuen gesellschaftlichen Konsens
Wertschöpfung in Deutschland. Investitionen in das             über die Bedeutung der Industrie als Wertschöpfungs- und
­Industrieland Deutschland, in seine Anlagen und Infra-        Wohlstandstreiber für Deutschland. Industrielle Groß-
 struktur sind das Fundament von Wachstum, Wohlstand           projekte und Infrastrukturen müssen künftig schneller
 und sozialem Frieden. Doch die Industrie ist besorgt:         realisiert werden. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
 Investitionsprojekte verzögern sich oder werden abge-         müssen dabei gemeinsam an einem Strang ziehen, die
 brochen. Langwierige Planungs- und Genehmigungs-              Bürgerbeteiligung verbessern, Planungen beschleunigen
 verfahren sowie mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz         und Akzeptanz schaffen. Für Infrastrukturprojekte ist es
 hemmen in- und ausländische Investoren, stärker in            grundlegend, Bürger früher zu beteiligen und über den ge-
 Deutschland zu investieren. Viele Bürger fühlen sich un-      samten Planungsprozess zu informieren.
 zureichend eingebunden.
                                                               Die deutsche Industrie setzt dabei auf optionale, maßge-
Eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach zeigt:     schneiderte und flexible Lösungen. Am Ende eines partizi-
54 Prozent der Menschen reagieren auf den Begriff »große       pativen Verfahrens muss eine verbindliche Entscheidung
Bauprojekte« negativ. 71 Prozent fühlen sich bei großen        stehen. Dann werden im Industrieland Deutschland die
Bauprojekten nicht ausreichend in Entscheidungsprozesse        Investitionen künftig wieder sicherer.
eingebunden. Die Folge: Derzeit werden in Deutschland
über 53 Infrastrukturprojekte blockiert. Es geht um In-        Die Industrie setzt sich dafür ein, die Information und Be-
vestitionen in Höhe von 46 Milliarden Euro, viele Arbeits-     teiligung der Bürger bei Verkehrsin­f rastrukturprojekten
plätze und Entwicklungschancen.                                zu verbessern. Für die Verkehrswegeprojekte bietet das
                                                               »Handbuch für gute Bürgerbeteiligung« des BMVBS sinn-
                                                               volle optionale Lösungsvorschläge.

Was ist zu tun?
• Die Transparenz von Planungs- und Genehmigungsverfahren und die Beteiligung der Bürger bei Infrastrukturprojek-
  ten sind zu verbessern. Entscheidend für bessere Partizipation und Information vor Ort sind maßgeschneiderte, optio-
  nale und flexible Lösungen.

• Planungsunterlagen müssen verständlicher dargestellt und besser zugänglich gemacht werden. E-Government ist für
  Verkehrsinfrastrukturprojekte besser zu nutzen.

• Für Infrastrukturnetze sind sowohl die parlamentarische Verantwortung als auch die Öffentlichkeitsbeteiligung
  ­weiter zu stärken. Indes können Plebiszite die gemeinsame Konsenssuche und die volkswirtschaftliche Relevanz nicht
   hinreichend abbilden.
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Einbindung bei großen Bauvorhaben

           Frage: „Wie ist Ihr Eindruck: Sind die Bürger bei den meisten großen Bauprojekten ausreichend in Entscheidungsprozesse eingebunden, oder ist das nicht der Fall?“

                                                                                                            Ausreichend eingebunden

                                 Unentschieden, keine Angabe                                     10 %
                                                                            19 %

                                                                                       71 %
                                                                                                                  Nicht der Fall

Basis: Bundesrepublik Deutschland (2011), Bevölkerung ab 16 Jahre
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10076

Spontane emotionale Reaktion auf Schlüsselbegriffe

                                                  (%) unsympathisch              Dieses Wort ist mir …             sympathisch (%)

                                                                      4               Naturschutz                   92
                                                                      7              Solaranlagen                   87
                                                                      6                Fortschritt                  86
                                                                      6               Forschung                     86
                                                                      8            Wasserkraftwerk                  84
                                                                     11             Modernisierung                  78
                                                                     20               Windräder                     72
                                                                     20             Bürgerinitiative                70
                                                                     16               Innovation                    70
                                                                     14               Infrastruktur                 70
                                                                     28               Autobahnen                    59
                                                                     26                Hightech                     58
                                                                     31               Straßenbau                    55
                                                                     32                  Staat                      52
                                                                     32               Staudamm                      50
                                                                     44                 Protest                     43
                                                                     40              Gaskraftwerk                   41
                                                                     54            Große Bauprojekte                30
                                                                     58        Müllverbrennungsanlage               29
                                                                     68             Kohlekraftwerk                  22
                                                                     64               Stuttgart 21                  18

Basis : Bundesrepublik Deutschland (2011), Bevölkerung ab 16 Jahre
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10076
30       BDI – Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.      Für einen neuen gesellschaftlichen Konsens
         Herausforderungen 2013–2020 aus Sicht der Industrie   www.bdi.eu

Zukunft von Infrastrukturprojekten sichern – Vorhaben beschleunigen

Deutschland braucht effizientere Planungs- und Genehmigungsverfah-
ren, um Infrastrukturprojekte zügiger und bürgernäher zu realisieren.

Wo stehen wir?                                                 Wo wollen wir hin?
Planungsverfahren dauern in Deutschland zu lange. Das          Die Industrie fordert seit Langem schnellere und trans-
schwächt Akzeptanz und Legitimität von Infrastruktur-           parentere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Un-
projekten und mindert ihren Nutzen. Langwierige Ver-           sere Ziele sind es, Redundanzen zu vermeiden, zügiger
fahren bewirken weitere Verzögerungen, weil Ergebnisse         und zugleich bürgernäher vorzugehen. Dazu müssen
überholt sind und beteiligte Akteure wechseln.                 ­Doppelungen im Planungsrecht (zum Beispiel bei Umwelt-
                                                                verträglichkeitsprüfungen) abgeschafft und europäische
Wir stehen vor großen Herausforderungen: Für die stär-          Richtlinien (wie zum Beispiel FFH-Richtlinie) angemessen
kere Nutzung von erneuerbaren Energiequellen werden             in nationales Recht umgesetzt werden.
bis 2020 ca. 3.600 Kilometer neue Leitungen im Über-
tragungsnetz benötigt. Mehrere Tausend Kilometer im            Notwendige Infrastrukturprojekte müssen von vornherein
Hochspannungsnetz bzw. der Um- und Ausbau von rund             aus­fi nanziert sein.
200.000 bis 300.000 Kilometern im Mittel- und Nieder-
spannungsnetz gilt es zu realisieren.

Gleiches gilt für die Verkehrswege: Allein der Güterver-
kehr wird bis 2020 um 70 Prozent zunehmen. Kapazitäten
müssen verkehrsträgerübergreifend erhalten und erwei-
tert werden. Doch die Bundesverkehrswege sind chronisch
­u nterfinanziert. Für die nächsten Jahre sind lediglich et-
 was mehr als zehn Milliarden Euro jährlich budgetiert.
 Der tatsächliche Bedarf liegt jedoch in Höhe von 14 Milli-
 arden Euro jährlich. Nur so können wichtige Verkehrspro-
 jekte zügiger realisiert werden.

Was ist zu tun?
• Bei Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) sind Dopplungen zu vermeiden. Raumordnerische Feststellungen sind
  in Planfeststellungsverfahren zu integrieren. Alternativ könnten UVP-Belange im Raumordnungs- und Planfeststel-
  lungsverfahren verbindlich abgeschichtet werden. Die Vorschriften zur Umweltverträglichkeitsprüfung dürfen jedoch
  nicht ausgeweitet werden, da insbesondere die Energiewende und Infrastrukturinvestitionen nicht durch weitere bü-
  rokratische Hürden belastet werden dürfen.

• Infrastrukturprojekte müssen verlässlicher finanziert werden. Zügige Planungsverfahren nutzen wenig, wenn dann
  die Mittel für die Umsetzung fehlen. Deshalb setzt eine schnellere Realisierung eine bessere Finanzierung voraus.
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