Unternehmen in der Corona-Virus-Pandemie - Stand Jänner - IFZ Graz
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Stand Jänner 2021 Unternehmen in der Corona-Virus- Pandemie EIN STIMMUNGSBILD VON WEIBLICHEN FÜHRUNGSKRÄFTEN IN DER STEIERMARK
MEDIENINHABERIN UND HERAUSGEBERIN FELIN_female leaders initiative c/o Caritas Grabenstraße 39 8010 Graz Die Studie „Unternehmen in der Corona Virus-Pandemie, Ein Stimmungsbild von weiblichen Führungskräften in der Steiermark“ wurde vom IFZ – Interdisziplinäres Forschungszentrum für Technik, Arbeit und Kultur im Auftrag von FELIN_female leaders initiative erstellt. Projektleitung: Mag.a Mag.a Dr.in Anita Thaler, Projektmitarbeit: Mag. Dr. Julian Anslinger und Scarlet Fiser, MA. DESIGN taska.at 2 Graz, Jänner 2021
4 ZUSAMMENFASSUNG 6 EINLEITUNG 11 UNTERNEHMEN IM KRISENMODUS 15 FÜHRUNG IN ZEITEN DER PANDEMIE 21 WORK-LIFE-BALANCE IM KRISENMODUS 24 COPINGSTRATEGIEN ZUR BESSEREN WORK-LIFE-BALANCE 27 FRAUEN FÜHREN (NICHT) ANDERS! 32 EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT 36 CONCLUSIO 38 LITERATURNACHWEISE
Zusammenfassung Mit der vorliegenden Studie wurde untersucht, inwiefern Das Resultat der Untersuchung ist ein qualitatives Stim- sich das Führungsverhalten von Frauen durch die CO- mungsbild, das verantwortungsvolles Führen in Krisenzeiten VID-19 Pandemie verändert haben könnte, mit welchen in vielfachen Ausprägungen beleuchtet. Die Corona-Krise Herausforderungen Frauen in Führungspositionen konfron- hat unvorhersehbare Herausforderungen für Unternehmen tiert wurden, welche Erfahrungen sie gemacht haben und und ihre Führungspersonen gebracht. Ein zentrales Merk- mit welchen Strategien sie auf die veränderte Arbeitssitua- mal von Krisenzeiten, welches auch in den durchgeführten tion reagiert haben. Interviews deutlich zum Vorschein kommt, ist die unsichere Informationslage. Führungskräfte sind gezwungen, zeitnah Dazu wurden zwischen 22. Oktober und 25. November auf neue Informationen zu reagieren und möglichst rasch 2020 zehn Telefoninterviews mit weiblichen Führungs- passende Maßnahmen zu setzen. Gleichzeitig müssen sie kräften zehn steirischer Organisationen der Finanz- Tech- dafür sorgen, ihren Mitarbeiter_innen durch eine klare nik-, Logistik-, Elektrohandel-, Reiseveranstaltungs- und Kommunikation, Unsicherheiten und Ängste zu nehmen, Gesundheitsbranche, sowie einer öffentlichen Einrichtung sie auch bei großen innerbetrieblichen Veränderungen durchgeführt. Die Stichprobe wurde innerhalb der Vorga- bestmöglich zu unterstützen und trotz schwieriger Umstän- be, weibliche Führungskräfte in steirischen Unternehmen de zu motivieren. zu interviewen, möglichst breit aufgestellt, um vielfältige Sichtweisen abzudecken. Neben einem Branchenmix war Was die Corona-Virus-Pandemie im Vergleich zu bis- eine weitere Kategorie für die Auswahl die Unternehmens- herigen wirtschaftlichen Krisen im besonderen Ausmaß größe, welche von Kleinbetrieben mit weniger als 20 Be- erfordert, ist die Berücksichtigung privater Belange. Die schäftigten bis zu Großunternehmen mit über 15.000 Mit- interviewten Führungskräfte weisen auf die weit stärkere arbeiter_innen reichte, sowie der Frauenanteil unter den Vermischung beruflicher und privater Aspekte hin, be- Beschäftigten, der von 10 bis 85 % variierte. Sieben der dingt durch Kontaktverfolgungsgespräche, Homeoffice interviewten Gesprächspartnerinnen sind Führungskräfte und gesundheitlicher Einschränkungen. Diese Vermischung der ersten Ebene (z.B. in Geschäftsführungsfunktion), drei scheint eine empathische und beziehungsorientierte Füh- weitere leiten Personalabteilungen. Die große Mehrheit rung von Mitarbeiter_innen noch einmal notwendiger zu der Interviewten hat über elf Jahre Führungserfahrung, machen. Darüber hinaus zeigen die Interviews, dass das zwei davon über 21 Jahre. Eingehen auf die individuellen Bedürfnisse der Angestell- 4
ten ein zentrales Steuerungselement der durch die Krise navigierenden Unternehmen ist. Die Auseinandersetzung mit der Vereinbarkeit von be- ruflichen und familiären Verpflichtungen von Mitarbei- tenden brachte manche Interviewte dazu, ähnlich wie aktuelle Studien, Befürchtungen vor einem möglichen Rückschritt bei der Gleichstellung der Geschlechter zu äußern. Die Auswirkungen der Corona-Virus-Krise auf Familien und insbesondere Frauen mit vielfältigen Be- treuungspflichten wird man im Blick behalten müssen. Für Unternehmen wird es wesentlich sein, Arbeits- und Karrieremodelle inklusiver zu gestalten, um nächsten Generationen die Balance von Privat- und Berufsleben besser zu ermöglichen. Die von den Interviewten mehr- mals angesprochene partnerschaftliche Aufteilung von Betreuungsaufgaben erfordert folglich auch eine ent- sprechende Unternehmenskultur. Zusammenfassend kann jedoch festgestellt werden, dass die interviewten Frauen insgesamt Zuversicht ausstrahlten, mit Unternehmen und Mitarbeitenden gut durch die Krise zu kommen. Aus dem an die Mitarbeiter_innen kommuni- zierten Credo „Wir schaffen das“ sprach mehr als eine Maßnahme zur Motivation von Mitarbeiter_innen: Es war die feste Überzeugung die stürmische Situation mit gemein- samer Anstrengung bewältigen zu können. 5
Einleitung Kontext und Ziel der Studie Neben den beträchtlichen gesundheitlichen und sozialen Folgen der Corona-Virus (CO- VID-19) Pandemie hat Österreich auch mit erheblichen wirtschaftlichen und arbeitsbezo- genen Konsequenzen zu kämpfen. Durch die beiden Lockdowns1 im Jahr 2020 kam es in Österreich zu einem geschätzten Wirtschaftseinbruch von 7,7 Prozent (vgl. Baumgart- ner et al. 2020). Viele Unternehmen stellten ihren Betrieb, soweit möglich, auf Telearbeit (Homeoffice) um. An diese Neuerung mussten sich sowohl Arbeitnehmer_innen als auch Führungskräfte anpassen. Das Ausmaß der Änderungen für Arbeitnehmer_innen und Führungskräfte lässt sich an- hand einer deutschen Studie abschätzen (Bauer et al. 2020). In der im Mai 2020 durchgeführten Befragung 500 deutscher Unternehmen gaben 93 Prozent der befragten Unternehmensvertreter_innen an, dass ihre Unternehmen aufgrund der Corona-Krise ver- mehrt auf Web- oder Videokonferenzsysteme zurückgriffen. 42 Prozent der Unternehmen gaben an, das Homeoffice Angebot noch weiter ausweiten zu wollen. 81 Prozent (39 Prozent „stimme voll und ganz zu“ und 42 Prozent „stimme eher zu“) nahmen an, dass ihre Mitarbeiter_innen auch nach der Corona-Krise vermehrt Homeoffice fordern würden (ebd. S.11). Gleichsam gaben rund 47 Prozent der befragten Führungskräfte an, ihre „Vorbehalte gegenüber Arbeit auf Distanz deutlich abgebaut [zu] haben“ (ebd. S. 12). Die befragten Mitarbeiter_innen konstatierten den Führungskräften hingegen Nachhol- bedarf im Umgang mit COVID-19 und dessen innerbetrieblichen Konsequenzen. 12 Prozent der befragten Mitarbeiter_innen gaben an, dass ihre Führungskräfte durch die Corona-Krise überfordert seien. 40 Prozent sahen bei ihren Führungskräften darüber hinaus ein „definitives Schulungsdefizit in Bezug auf Führung auf Distanz“ (ebd. S.13). Die Kompetenzen von Führungskräften, ihre Mitarbeiter*innen durch eine Krise zu füh- ren, wurden in einer weiteren Studie näher betrachtet (Bartsch et al. 2020). Die Studie verglich den Einfluss von aufgabenorientierten und beziehungsorientierten Führungssti- len während des ersten Lockdowns in Deutschland (April bis Mai 2020). Die erhobenen Daten leiten die Autor_innen zu der Schlussfolgerung, dass aufgabenorientierte Füh- rungsstile dabei unterstützen können, die Unsicherheiten von Mitarbeiter_innen während einer Krise einzudämmen. Ein klarer, richtungsweisender Führungsstil unterstütze die Teamarbeit der Mitarbeiter_innen, die im zunehmenden Ausmaß in einem virtuellen Rah- men stattfindet. Gleichzeitig stellten die Autor_innen fest, dass aufgabenorientierte Füh- rungsstile nicht dabei helfen, die Arbeitsbelastung zu reduzieren. Beziehungsorientierte Führungsstile unterstützten die Mitarbeiter_innen hingegen, sich auf die krisenbedingten Umstände einzustellen und einen individuellen Umgang damit zu finden. Eine gesunde 6
Mischung zwischen der an Zielen ausgerichteten aufgabenorientierten Führung und der auf Wohlergehen abzielenden beziehungsorientierten Führung sei somit der beste Weg um Mitarbeiter_innen gut durch eine Krise zu geleiten. Beim Betrachten der Auswirkungen der Corona-Krise auf Unternehmen ist der Faktor Geschlecht von wichtiger Bedeutung. Laut einer Untersuchung der Arbeiterkammer Wien (2020) aus dem Jänner 2020 sind in den „Top 200 Unternehmen“ Österreichs acht Pro- zent Frauen in Geschäftsführungen und 22,6 Prozent Frauen in Aufsichtsräten tätig (Wie- ser & Werni 2020, S.2). Ursächlich für den geringen Frauenanteil seien Geschlechter- stereotype, „die Ausrichtung von Karriereplänen auf traditionelle Geschlechterrollen“ (ebd. S. 2) sowie starre und gleichförmige Rekrutierungsstrukturen in den oberen Ma- nagementebenen. Im Kontext der Corona-Krise befürchten Expert_innen, dass sich die Bedingungen für Frauen noch weiter verschlechtern werden und eine erneute Zementie- rung traditioneller Geschlechterrollen einläuten (vgl. Scheuermann 2020). Im Vorder- grund steht hierbei die Vereinbarkeitsproblematik von Homeoffice und Familienarbeit (Kinderbeaufsichtigung, Homeschooling, etc.) und die daraus resultierende Belastung für Eltern (Berghammer, 2020). Untersuchungsdaten aus Österreich legen nahe, dass Frauen auch in der Corona-Krise noch einmal mehr Zeit für Hausarbeit und Kinder- betreuungsaufgaben aufwanden als Männer dies taten – auch beim gleichen Ausmaß der Erwerbsarbeit zwischen den Geschlechtern (ebd.; Berghammer & Beham-Rabanser, 2020). Weitere Studien weisen darauf hin, dass auch Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten deutlich leiden (Jüngling & Rastetter, 2011, S. 26-27). Bei der Untersuchung von ,coronabeding- ten Konsequenzen’, lohnt es sich demnach, die Situation von Frauen gesondert in den Fokus zu nehmen. Zusammenfassend hat die COVID-19 Pandemie nicht nur zu Änderungen der Arbeitsum- stände diverser Unternehmen und deren Führungskräfte, sondern auch zu einer enormen Belastung von insbesondere Frauen geführt. Bis dato ungeklärt ist jedoch, auf welche Art und Weise weibliche Führungskräfte im Speziellen durch die Corona-Krise betroffen sind. Mit der vorliegenden Studie sollte daher untersucht werden, inwiefern sich das Führungsverhalten von Frauen durch die COVID-19 Pandemie verändert haben könn- te. Mit welchen Herausforderungen wurden Frauen in Führungspositionen konfrontiert, welche Erfahrungen haben sie gemacht und mit welchen Strategien haben sie auf die veränderte Arbeitssituation reagiert? Das Resultat ist ein qualitatives Stimmungsbild, in 7
das verschiedenste Positionen und Organisationen einbezogen wurden, um verantwor- tungsvolles Führen in Krisenzeiten in vielfachen Ausprägungen beleuchten zu können. Zur Stichprobe und Methode Zwischen 22. Oktober und 25. November 2020 wurden von den Autorinnen dieser Stu- die zehn Telefoninterviews2 mit weiblichen Führungskräften zehn steirischer Organisatio- nen der Finanz- Technik-, Logistik-, Elektrohandel-, Reiseveranstaltungs- und Gesundheits- branche, sowie einer öffentlichen Einrichtung durchgeführt. Zwei dieser Organisationen wurden in der COVID-19 Pandemie als ‚systemkritisch’ eingestuft. Die Stichprobe wurde innerhalb der Vorgabe ‚weibliche Führungskräfte in steirischen Un- ternehmen zu interviewen’ möglichst divers aufgestellt, um möglichst vielfältige Sichtwei- sen abzudecken. Neben einem Branchenmix war eine weitere Kategorie für die Auswahl die Unternehmensgröße, welche von unter 20 Mitarbeitenden hin zu über 15.000 reicht, sowie der Frauenanteil unter den Mitarbeiter_innen, der von 10 bis 85 % variierte. Größe der Unternehmen der vorliegenden Stichprobe nach Mitarbeiter_innenzahl Mittleres Unternehmen Großunternehmen Kleinunternehmen Abb. 1: Größe der Unternehmen3, in denen die interviewten Führungskräfte tätig sind Frauenanteil in den Unternehmen der Stichprobe 5 Häufigkeiti in der Stichprobe 4 3 2 1 0 unter 10 % 10–20 % 21–40 % 41–60 % 61–80 % über 80 % Frauenanteil in Prozent Abb. 2: Frauenanteil in den Unternehmen, in denen die interviewten Führungskräfte tätig sind 8
Frauen, die in der Belegschaft eines Unternehmens zahlenmäßig unterrepräsentiert sind, sind einem besonderen vergeschlechtlichten Erwartungsdruck ausgesetzt, als eine Grenze für diese Unterrepräsentation nennt Rosabeth Kanter (1977) 35% Frauenan- teil. Sieben der zehn Organisationen der vorliegenden Stichprobe weisen mehr als 35% Frauenanteil in ihrer Belegschaft4 auf. Die Aussage zu diesen vergeschlechtlichten Gruppendynamiken in Unternehmen aufgrund bestimmter prozentueller Geschlechter- verhältnisse (Kanter 1977) wurden mittlerweile etwas revidiert, da es nicht nur um die Quantität, sondern auch die Qualität der Verhältnisse geht (z. B. wenn in Unternehmen mit sehr hohem Frauenanteil unter den Mitarbeitenden wenige oder keine weiblichen Führungskräfte beschäftigt sind vs. Unternehmen mit niedrigerem Frauenanteil in der Be- legschaft als im Management). Trotzdem konnte nachgewiesen werden, dass Frauen in Organisationen mit geringem Frauenanteil (unter 35%) – mehr Leistungsdruck aufgrund erhöhter Sichtbarkeit (des „Frau-Seins“), – Isolation durch von der Mehrheitsgruppe überdramatisierte Geschlechterunterschiede und – Erwartungsdruck erlebten, sich gemäß vordefinierter Geschlechterrollen zu verhalten (ebd.) Der Zugang zu den in dieser Untersuchung interviewten hochrangigen Führungskräften, die gemäß ihrer Macht und ihres Einflusses als ‚Elite’ definiert werden können (siehe Littig 2008), ist erfahrungsgemäß schwierig und wurde in dieser Studie durch die Kon- takte des auftraggebenden Vereins FELIN5 ermöglicht. Die Interviewpartnerinnen wurden nach oben genannten Organisationskriterien, sowie nach Führungsverantwortung aus- gesucht (1. und 2. Führungsebene). Außerdem sollte sich auch die private Situation (Er- ziehungs- und Pflegeverantwortungen), und Führungserfahrung (und damit zusammen- hängend Alter) in der Stichprobe variieren. Sieben der Interviewpartnerinnen sind Führungskräfte der ersten Ebene (z.B. in Ge- schäftsführungsfunktion), drei weitere leiten Personalabteilungen. Die große Mehrheit der Interviewten hat über elf Jahre Führungserfahrung, zwei davon über 21 Jahre. Führungserfahrung der Interviewten 7 Häufigkeiti in der Stichprobe 6 5 4 3 2 1 0 unter 10 % 10–20 % 21–40 % 41–60 % Führungserfahrung Abb. 3: Erfahrung der Interviewten als Führungskraft in Jahren 9
Sechs von zehn interviewten Frauen berichteten von familiären Verpflichtungen wie die Betreuung von Kindern, Enkelkindern bzw. pflegebedürftigen Eltern. Drei Interviewte gaben an, keine Kinder zu haben, zwei weitere machten keinerlei Angaben zu ihrer privaten Situation. Die leitfadengestützten Telefoninterviews dauerten jeweils ca. 45 Minuten, es wurden Audioaufnahmen erstellt und diese im Anschluss transkribiert. In Anlehnung an das Ver- fahren der Grounded Theory (Strauss und Glaser 1967, zit. nach Böhm 2003) wurde das gesamte Interviewmaterial von beiden6 Forscher_innen offen kodiert, danach dis- kursiv validiert und weiter analysiert. Die Ergebnisse auf den folgenden Seiten ermöglichen einen Einblick in die aktuellen Herausforderungen österreichischer Unternehmen und ein Stimmungsbild unter weib- lichen Führungskräften, die ihre Organisationen und deren Belegschaften mit großem persönlichen Einsatz durch die Corona-Virus-Pandemie führen. 1 Stand 18. 12. 2020 2 Die Zitate in diesem Bericht werden den Interviews nach deren chronologischer Reihenfolge zugeordnet. Die Interviews 1-4 wurden zwischen 22. und 29. Oktober 2020 von Anita Thaler geführt. In diesem Zeit- raum waren Gastronomie, Handel, Schulen etc. mit Sicherheitsvorkehrungen geöffnet; die Zahl der CO- VID-19-Infizierten stieg in Österreich rasant an (am 27.10 wurden erstmals über 1000 COVID-19 Tote vermeldet). Die Interviews 5-10 wurden zwischen 12. und 25. November 2020 von Julian Anslinger geführt. In diesem Zeitraum fand zunächst ein ‚Teil-Lockdown’ in Österreich statt (3.11.-16.11.), in dem u.a. Gastronomie und Hotellerie schließen mussten und gewisse Ausgangsbeschränkungen galten, der durch einen 2. ‚harten Lockdown’ (17.11.-7.12.) abgelöst wurde, in dem z.B. Handel und Oberstufen von Schulen geschlossen werden mussten (siehe: https://www.sozialministerium.at/dam/jcr:a2b9f1f6- e70b-41e5-b1a1-fa64653ce7a6/BGBLA_2020_II_544.pdf). 3 Die Kategorisierung der Unternehmensgröße in Abbildung 1 erfolgte nach Definition der Österreichi- schen Wirtschaftskammer (https://www.wko.at/service/zahlen-daten-fakten/KMU-definition.html). 4 Sieben Interviewpartnerinnen machten auch Angaben zum Frauenanteil in den Führungsebenen ihrer Organisationen, in sechs Fällen lag der Anteil weiblicher Führungskräfte unter dem Frauenanteil der ge- samten Belegschaft (im siebten Fall handelt es sich um ein von einer Frau allein geführtes Unternehmen). 5 https://www.felin.at 6 Zur intersubjektiven Nachvollziehbarkeit wurde die Interpretation von den beiden interviewenden Gen- derforscher_innen gemeinsam vorgenommen, dies dient der Sicherung der wissenschaftlichen Qualität (Steinke 2003). 10
Unternehmen im Krisenmodus Die Corona-Virus (COVID-19) Pandemie hat in Österreich „Und dass da von der Mitarbeiter-Seite aber auch von der bis 18. Dezember 2020 zwei Lockdowns und damit zu Führungskräfte-Seite jede Menge Fragen auftauchten, die einem geschätzten Wirtschaftseinbruch von 7,7 Prozent nicht beantwortbar waren zu diesem Zeitpunkt liegt auch auf (Baumgartner et al. 2020) geführt. Im Zentrum der vorlie- der Hand. Weil in diesem Spiel sind eben die Gewerkschaft, genden Studie steht das Agieren von weiblichen Führungs- das AMS, die Wirtschaftskammer, die Arbeiterkammer und kräften und wie sie mit den Rahmenbedingungen und Aus- die Industriellenvereinigung und auf manche Fragen haben wirkungen der Corona-Virus-Krise auf ihre Unternehmen wir fünf verschiedene Antworten bekommen. Und damit umzu- und deren Belegschaft umgehen. gehen ist wirklich mehr als schwierig gewesen, auch ein Vor- stand versteht so etwas nicht. Das sind ja Fragen, die nicht be- Unsichere Zeiten antwortbar sind. Und wenn sie fünf Antworten kriegen wird’s Die interviewten Führungskräfte berichteten allesamt von halt schwierig.“ (Interview 5) stark spürbaren Auswirkungen der Krise (wie mangelnder Planbarkeit) auf ihre Organisationen. Besonders zu Zeiten „Naja, erstens einmal sind komplett neue Themenstellungen des ersten Lockdowns im Frühling 2020 in Österreich und dazugekommen, die es vorher noch nie gegeben hat, wo bevor die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen verlaut- es keine Lösungen gegeben hat, Unsicherheiten und natür- bart wurden, bzw. solange die genauen Rahmenbedingun- lich zeitliche Flexibilität ohne Ende. ... Also es ist unsicher, es gen und Modalitäten unklar waren, war die Unsicherheit ist dynamischer geworden in jeder Hinsicht. Also, auch die in den Betrieben entsprechend groß. Es gab (und gibt) in Kurzarbeit mit allen Unsicherheiten die das einfach mit sich einigen Organisationen Unsicherheit, ob Mitarbeitende gebracht hat und die Fragestellungen der Umsetzbarkeit, der gekündigt werden oder Unternehmensbereiche bzw. Unter- Kommunikation, der vielen Kommunikation mit den Mitarbei- nehmen geschlossen werden müssen. tern extrem, also die Kommunikationsansprüche auch schwie- Die Führungskräfte sahen sich folglich in der schwierigen rige Informationen weitergeben zu müssen und da voll rein- Situation, trotz unvollständiger Datenlage – und teilweise zustehen, das ist natürlich speziell. Natürlich zwischendurch, widersprüchlicher Aussagen offizieller Stellen –, schnell Coronafall da, Coronafall da, Schließung Werk da, keine Entscheidungen fällen und Informationen an die Mitarbei- Ahnung, Regierungsvorgaben dort. Also ja, Querschüsse die tenden liefern zu müssen. ganze Zeit.“ (Interview 6) „Die größten Herausforderungen – also, für uns definitiv die „Mit allen Unsicherheiten und das Ganze macht es sehr in- größte Herausforderung war wirklich die, dass wir alle vor effizient, weil man einfach nicht voraussagen kann, wie die einer neuen Situation gestanden sind und in Wirklichkeit kei- Behörden – oder die Vorgangsweise der Behörden ist ge- ner gewusst hat, wie er damit umgehen soll, kann, was er setzlich unklar und das macht es schwierig. Und zeitintensiv.“ machen kann. Weil ich habe dann das Arbeiten gehabt, und (Interview 9) ich muss sagen für mich war es ganz schlimm, am Anfang wie ich zu Fuß zum Arbeiten gegangen bin und nicht gewusst Zum Zeitpunkt des zweiten Lockdowns im Herbst/Winter hab, muss ich meine Mitarbeiter entlassen, weil da war ja 2020 in Österreich waren die Betriebe wesentlich infor- auch das Thema mit der Kurzarbeit noch nicht so wirklich mierter und auch die Problemstellungen und die Umgangs- draußen.“ (Interview 7) weisen unterschieden sich zum ersten Lockdown. Zum Bei- 11
spiel trat das Thema Sonderbetreuungszeit7 in den Fokus, „Und wir halt schon die Befürchtung haben, wenn wir halt weil viele Arbeitnehmer_innen mit Betreuungspflichten da- einen Krankheitsfall reinkriegen, und es sind bei uns in der von betroffen waren. Umgebung doch auch einige betroffen, eigentlich ja Angst haben vor dem, dass wir einen Bereich schließen müssen „Dieser zweite Lockdown, was heißt das für uns im Haus. Und oder dass wir dann eben alle in Quarantäne haben und die da haben wir gesagt wir wollen auf alle Fälle damit großzü- bestehenden Aufträge und Arbeiten nicht abarbeiten können. gig umgehen. Wenn Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Proble- Vor allem wie es dann mit der Zukunft weitergeht. Das ist me haben mit der Betreuung, dann werden wir freiwillig eine ganz schwierig. Man möchte natürlich alle Mitarbeiter be- Sonderbetreuung gewähren. So wie es ursprünglich eigent- halten, aber wie gesagt, das ist ein bisschen eine unsichere lich gedacht war, so kommuniziert worden von der Regie- Geschichte momentan.“ (Interview 7) rung. Wir tun da nicht herum, wir können es uns leisten, Gott sei Dank, ja. Viele Mitarbeiter machen ja dann Working from „Dann, Vorbereitung der Führungskräfte, weil auch diese Ge- home, also die arbeiten dann von zuhause, wenn man dann spräche für Führungskräfte kein Alltag sind, Gott sei Dank. Die nicht auf die Arbeitszeiten kommt, weil ja neben Kinder zu be- ein bisschen auch einfach zu unterstützen für diese Gesprä- treuen sind, dann geben wir dir diese Sonderbetreuungszeit, che. Dann die betroffenen Mitarbeiter, für die das natürlich dass du auf deine Anwesenheit kommst und so. Dass du nicht eine jeweilige Katastrophe bedeutet sowieso. Die Abstimmun- Minusstunden schreibst. Da wollen wir einfach großzügig sein gen mit dem Betriebsrat, eine Sozialplanverhandlung, eine und diese paar Wochen, die da jetzt noch auf uns zukommen Stiftung auf die Beine zu stellen, das Ganze dann umzuset- entsprechend auch unterstützen.“ (Interview 9) zen, die Vereinbarungen schlussendlich zu unterschreiben... Ja, also, heftigst.“ (Interview 5) Notwendige Schritte Unternehmen erfolgreich durch die Krise zu bringen, er- Krisentools fordert viel Nachdenken über notwendige Kürzungen, Um- Alle interviewten Führungskräfte berichteten von Instrumen- schichtungen von Arbeit, bis hin zu Schließungen und Per- ten, die sich aus ihrer Sicht besonders bewährt haben, um sonalabbau. Die interviewten Frauen berichteten, wie sie der Krise zu begegnen. Welche davon zum wirtschaftli- ihr Handeln an Wertvorstellungen wie Fairness und dem chen Überleben oder gar Erfolg von Organisationen bzw. Verantwortungsfühl für ihre Mitarbeitenden ausrichten. zum Erhalt von Zufriedenheit und Wohlbefinden der Mit- arbeitenden geführt haben, können erst Untersuchungen „Und konkret auch sicherstellen, dass die Arbeit da ist, dass in den nächsten Jahren zeigen. Jetzt ginge es zunächst sie gerecht verteilt wird. Und was mache ich mit jenen, wo darum, die Möglichkeiten von Führungskräften aufzuzei- weniger Arbeit ist. Also auch dieses Zeitmanagement, wer gen, mit Krisen allgemein und mit einer Pandemie speziell hat noch Urlaub, wer hat Minusstunden, wer hat Gutstunden. umzugehen. So dieses gute und möglichst faire Verteilen der Arbeit. Das ist sicher eine Herausforderung.“ (Interview 9) Viele Organisationen haben versucht, auch in Zeiten von Lockdowns und Homeoffice ihre Mitarbeitenden gut infor- „Also wir haben uns jetzt im September etwas verkleinert. Lei- miert zu halten und eine klar kommunizierte einheitliche der. Aber wir haben versucht, wirklich viele Arbeitsplätze zu Unternehmenslinie vorzugeben. Konkret nennen die Inter- halten, manche Mitarbeiter haben eh über den Sommer schon viewten: etwas Neues gefunden. Gerade diejenigen, die sich nicht auf Teilzeitarbeit und weniger Gehalt einlassen können, weil sie – Videobotschaften statt Belegschaftsversammlungen halt persönliche Verpflichtungen haben. Die haben geschaut, dass sie da halt was Anderes finden und sind teilweise in – SMS an alle Mitarbeitenden (z.B. am Wochenende, ob ganz anderen Arbeitsbereichen. ..., also so haben wir ge- am Montag gearbeitet wird) schaut, dass da keiner auf der Strecke bleibt.“ (Interview 4) – Täglich mehrmals Krisenmeetings mit den Führungskräften 12
„Also wir haben halt auch in der Lockdown Situation Kri- rauf, dass alle Personalprozesse möglichst digital ablau- senteammeetings gehabt und eigentlich am Anfang täglich fen können und es gab Systemumstellungen vorher schon, mit allen Filialleitern in der Früh ein Webex gehabt. Das und jetzt durch die Pandemie ist es jetzt noch einmal war gut. Das hat ihnen auch Sicherheit gegeben und Sta- stärker, dass wir eine digitale HR-Plattform vorantreiben“ bilität gegeben. Das war sehr wichtig.“ (Interview 1) (Interview 6) – Krisentelefon In manchen größeren Unternehmen wurden aus bestehen- „Wir haben ein Krisentelefon, das zum Beispiel – das den Kompetenzbereichen Krisen- und Notfallteams zusam- habe ich eingerichtet, eher wo es halt diese „Ich habe Sor- mengestellt, um auf bestehendem Wissen aufbauend, mög- ge, ich brauche jemanden zum Reden.’...“ (Interview 9) lichst schnell dazulernen und agieren zu können: Um ihre Organisationen wirtschaftlich so gut als möglich – Krisenstab aus Führungskräften durch die Krise zu bringen, und zwar trotz der erwähnten Unwägbarkeiten und Unsicherheiten, nutzen die interview- – Emergency Team ten Führungskräfte folgende Instrumente: „... wo wir die Betriebsräte drinnen haben, die Sicher- heitsfachkräfte drinnen haben, die Juristen drinnen haben, – Maßnahmenpakete und Wirtschaftspläne für das Unter- die Verantwortung für die Produktion, die Verantwortung für nehmen den Angestelltenbereich und eben sehr rasch mit diesem „Aber jetzt seit Oktober, wo wir diesen Überlebensplan Virus umgehen lernen mussten.“ (Interview 5) haben und die Mitarbeiter schon zugestimmt haben und alle ihre Bildungskarenzzusagen haben und die interne Organisationen, die bereits in ‚ruhigeren’ Zeiten Maßnah- Weiterbildung auch gut ankommt (…). Alle greifen hin und men implementieren, die die Gesundheit und das Wohlbe- helfen sich gegenseitig und unterstützen und Tun und jetzt finden von Führungskräften und der gesamten Belegschaft werde auch ich ruhiger.“ (Interview 4) im Auge haben, können auf diese etablierten Instrumente auch in Krisenzeiten bauen, weil dafür nicht erst im Ernst- – Kürzer getaktete Finanzvorschauen und -controlling fall Bekanntheit und Vertrauen aufgebaut werden müssen: „Wenn ich jetzt den Finanzbereich nur anschaue, sage ich: „Auf drei Monate können wir relativ schauen“ und – (Online-)Coaching alles andere ist eine wage Prognose, die man macht. „Das ist dieses Online-Coaching, was wir ... jedem Mit- Und man muss viel schneller und viel öfters draufschauen.“ arbeiter anbieten und das nehme ich selber auch in An- (Interview 2) spruch. Das ist echt fein. Da kann man sich einfach einen Coach aussuchen, das ist wie so ein Psychologen-Mat- – Vierteljährliche Review-Gespräche zusätzlich zum jähr- ching, und du kannst schreiben, du kannst telefonieren und lichen Mitarbeitergespräch das auch mit Video machen. Und das bieten wir unseren Mitarbeitern eigentlich schon seit eineinhalb Jahren kosten- – Neu eingeführte Tagesrandzeiten los an und das ist wirklich eine feine Sache.“ (Interview 2) „Wir haben Tagesrandzeiten eröffnet, das heißt wir haben mit dem Betriebsrat auch eine neue Betriebsvereinbarung „Und um tough bleiben zu können bei all diesen Anforde- vereinbart, die es diesen Leuten ermöglicht auch zu den Zei- rungen, die ich zuerst geschildert habe, ist genau dieses ten, wenn ein Kind schläft, arbeiten zu können. Das heißt Coaching – das kann jetzt ein Coach sein, dass kann auch den Abend zu nutzen, wenn es die Mitarbeiter wollen aber auch eine erfahrene Führungskraft sein – ganz wich- und können. Das ist vorher nicht gegangen.“ (Interview 5) tig, dass man einfach diese Themen mit jemanden reflek- tieren kann. Weil man ja oft wenn man irgendwie in eine – Digitale Personal-Plattform Überforderung kommt, dann auch ein Verhalten zeigt, das „Naja, wir haben immer schon natürlich Wert gelegt da- so mit seinen Grundtendenzen viel zu tun hat, was aber in 13
der Führungsrolle nicht wirklich erwünscht ist, sagen wir’s einmal so.“ (Interview 8) – Gesundheitsprogramme „..., da arbeiten drei Mitarbeiterinnen die sich kümmern einfach um das Wohlbefinden der Mitarbeiter. Sei es – also das geht es konkret um Gesundheitsprogramme, körperliches Wohlbefinden aber auch psychisches Wohl- befinden, da arbeitet auch bei uns ein Arbeitspsychologe, der ist auch angestellt im Unternehmen.“ (Interview 9) 7 „Zwischen dem 1. November 2020 und dem 9. Juli 2021 (Ende des Schuljahres 2020/2021) soll es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Kinder bis zum 14. Lebensjahr oder Menschen mit Behinderungen be- treuen müssen oder Angehörige pflegebedürftiger Personen sind, mit Hilfe eines Rechtsanspruchs auf Sonderbetreuungszeit sowie der Möglichkeit einer Vereinbarung der Sonderbetreuungszeit im Ausmaß von bis zu vier Wochen möglich gemacht werden, der Betreuung bei laufendem Arbeits- verhältnis nachzugehen.“ (Quelle: https://www.bmafj.gv.at/Services/ News/Coronavirus/FAQ--Sonderbetreuungszeit.html) 14
Führung in Zeiten der Pandemie Neue Routinen für die Ausnahmesituation In der Corona-Virus-Pandemie stehen Troubleshooting und „Ja, also aufpassen auf Mitarbeiter, Bewusstseinsbildung schnelles Agieren auf der Tagesordnung von Führungskräf- schaffen, Controlling, natürlich, also man muss dann ständig ten. Da sich die Marktgegebenheiten und Dringlichkeiten dahinter sein. Wenn ich sage okay pass auf, bei uns ist der von Aufgaben verändern, müssen Arbeitsroutinen hinter- Abstand so oder wir verhalten uns so, das muss man dann fragt oder durch neue Routinen ersetzt werden. Diese sind natürlich auch einfordern, weil manche nehmen es auf die durch die Pandemie oftmals mit entsprechenden Sicher- leichte Schulter.“ (Interview 9) heitsmaßnahmen und Handlungsanweisungen und dem Kontrollieren der Maßnahmen verbunden. Reden, reden, reden! Darüber hinaus bekräftigten alle interviewten Führungskräf- „... das war dann eine neue Routine, die kurzfristig ent- te, was einschlägige Fachliteratur (z.B. Mast 2019) gene- standen ist mit raschen Maßnahmen und Umsetzungen. Das rell für Krisenzeiten und Veränderungsprozesse empfiehlt: waren dann interne Sicherheitsmaßnahmen wie Desinfektions- Kommunikation als das zentrale Thema in den Unterneh- schutz, Mund-Nasen-Schutz, Homeoffice umstellen und darü- men. Dabei geht es zunächst darum, sowohl umfassend ber hinaus die Kurzarbeit beantragen, Szenarien berechnen, und schnell als auch ruhig und mit Bedacht zu kommunizie- Worst-Case Szenario berechnen, wie schaut es aus mit der ren, um Unsicherheiten so gut als möglich abzubauen und Liquiditätsplanung, Sonderkredite, Stundungszahlungen, die Stabilität zu vermitteln: ganzen Instrumente die seitens der Regierung etabliert wor- den sind – das war alles nicht Routine. Und das war in dieser „Schnell reagieren auf sich ändernde Gegebenheiten, damit Ausnahmesituation dann der Alltag.“ (Interview 3) auch möglichst rasch dann Entscheidungen treffen, um den Mitarbeitern eine gewisse Stabilität zu geben.“ (Interview 1) „Weil es muss immer sehr schnell gehen. Ich habe ein inter- nes Contact-Tracing auch auf die Beine gestellt. Es geht da „Wir sind ein Unternehmen, das viel kommuniziert – Richtung immer um die Mitarbeiter, die Menschen selbst, die massiv Mitarbeiter – und ich beachte das als wichtig, und zwar di- verunsichert sind. Wenn sie einerseits selbst den positiven rekte Kommunikation nicht nur mit Aushang, was kein Mensch Bescheid bekommen, beziehungsweise die Kontaktpersonen liest oder von den meisten nicht gelesen wird. Und in Krisen- – Kontaktpersonen Kategorie 1, Kategorie 2 – da ist es ein- zeiten erachte ich die Kommunikation noch einmal als wichti- fach dringend notwendig, die Leute ein Stück zu beruhigen, ger und zwar nicht irgendeine Kommunikation, sondern kurze beziehungsweise zu informieren was jetzt die notwendigen und klare Fragen.“ (Interview 3) Schritte sind. Und das kann nicht warten, das muss wirklich sofort geschehen.“ (Interview 5) „Ja, vielleicht, naja, es ist dann schon manchmal notwendi- gerweise einfach auch, ich würde jetzt nicht sagen autoritärer „Was sich schon geändert hat, einfach mehr Hinweisregeln aber in manchen Bereichen schärfer, klarer weil wir schneller und ‚Schaut, das ist da und die Sachen, bitte verwendet die und effizienter Ergebnisse bringen müssen und auf der ande- jetzt und im Auto passt‘s auf den Abstand auf!’. Das „Beleh- ren Seite aber auch vielleicht noch eine Spur persönlicher und ren“ unter Anführungszeichen oder das Hinweisen ist definitiv eine Spur einfühlsamer noch. Das geht so irgendwie beides mehr geworden.“ (Interview 7) Hand in Hand.“ (Interview 6) 15
„... und ich glaube die größte Herausforderung ist in dieser „Das ist mir einfach auch ein Anliegen, dass ich die Mitarbei- Situation, wie halt generell in einer Krisensituation ruhig zu ter nicht als Ressource sehe, sondern als Mensch und also, ich bleiben, klar zu bleiben, bedacht zu bleiben. In der Wert- bin da immer schon gut informiert gewesen. Wie schaut’s mit schätzung- in der Kommunikation wertschätzend zu bleiben, den Kindern aus, ist wer krank, gibt’s mit den Partner Themen, das was man eigentlich außerhalb der Krise auch machen also jetzt zum Beispiel wenn jemand erkrankt ist. Also das sollte, als wirksame Führungskraft auch in der Krisensituation erzählen mir die Mitarbeiter schon und kommen auch und zu beherrschen.“ (Interview 8) sagen das ist meine Situation und bitte, können wir darauf irgendwie Rücksicht nehmen. Das hat sich jetzt nicht großartig „Was wir tun, ist gut informieren. Also wirklich viel mehr Infor- verändert würde ich sagen.“ (Interview 8) mation, also die Kommunikation ausbauen. ... Und wirklich Leuten anbieten, wir lassen niemanden alleine. Wir stehen „Gleichzeitig, ich meine jetzt geht’s ja gar nicht, weil jetzt ist das gemeinsam durch. Kommunikation, wirklich verstärkte ja wirklich der Lockdown, gleichzeitig merke ich schon, wie Kommunikation.“ (Interview 9) wichtig das ist, dass so in einem direkten Kontakt Themen besprochen werden, weil es die Leute einfach beruhigt. Man Gleichzeitig betonten die Interviewten, dass Feedbackge- kann damit, so alles was so zwischen den Zeilen oft nicht spräche zwar deutlich, aber in Zeiten der Krise mit viel gesagt ist, das merkt man einfach nicht. Man merkt sonst wie Gespür und Vorsicht zu führen sind. Empathie und Kommu- die Leute beieinander sind und kann sie direkt ansprechen. nikationskompetenzen sind wichtige Fähigkeiten von Füh- Und das sind bei uns also, aber das weiß ich auch von woan- rungskräften. Dabei stellen die persönliche Betroffenheit ders, dass das wirklich viele Leute sehr beunruhigt. Die haben der Mitarbeitenden und die physische Distanz (z.B. durch einfach wirklich Ängste. Angst um Existenzen, Angst um Job, Homeoffice) besondere Herausforderungen dar: Angst um wie können sie ihre Kinder betreuen, wie wird das alles werden und das ist eine wesentliche Führungsaufgabe, „Das ist wahnsinnig wichtig in der Krisenzeit. Und deswegen da Sicherheit zu geben und wir tun alle, was wir können, wir habe ich auch Mitarbeiter angerufen, die Corona gehabt ha- halten zusammen. Wir hoffen, dass wir es gut überstehen, ben, weil sie erzählen dann einem die Geschichte und wie sagen wir es mal so.“ (Interview 9) es ihnen geht und wenn man dann sagt:„Schau, das wird schon wieder und mach dir keine Sorgen (…), gehört halt Motivieren in Krisenzeiten auch dazu.“ (Interview 1) Die Motivation der Mitarbeitenden bei unsicheren Rahmen- bedingungen zu erhalten, sei besonders in krisengeschüt- „... aber die Herausforderung für mich als Führungskraft war telten Unternehmen und belastenden Rahmenbedingungen wirklich zu sehen: Wie geht es dem Mitarbeiter, wie kommen wichtig: Botschaften, die vielleicht nicht so angenehmen waren, wie kommen die bei ihm an? Der sitzt dann alleine Zuhause und „Ich glaube ganz stark geht es darum, die Mitarbeitermotiva- arbeitet weiter oder hat er Zeit zum Nachdenken? Also die tion zu erhalten. Im Prinzip bleiben alle freiwillig bei uns. Es ist Kommunikation war nicht immer leicht.“ (Interview 2) gerade für dieses klassische Führungsverhalten – also dieses wenn das Ziel nicht erreicht wird, gibt es Sanktionen, wenn „Und da die Mitarbeiter eh schon so gestresst sind von dieser es erreicht wird, gibt es eine Belohnung – das funktioniert im ganzen Unsicherheit und der generellen Situation mit Corona Moment auch gar nicht wirklich. ... deswegen ist es auch und eh belastet sind, sei es wegen der Arbeit, das Private wichtig, dass die Mitarbeiter sich selbst motivieren und dass belastet, weil man seine Großeltern nicht mehr sehen kann keine Reize von mir gesetzt werden, die diese Motivation zer- oder ein Kind in der Schule hat Corona. Also es ist so viel Be- stört. Im Endeffekt muss ich eh sagen, dass ich so gut es geht lastendes, dass man sehr vorsichtig kommunizieren muss, sehr nichts tue, was demotiviert.“ (Interview 4) empathisch und sehr viel kommunizieren muss.“ (Interview 4) „Im Moment kommen ja fast jeden Tag neue Richtlinien heraus und dass du trotzdem die Mitarbeiter motivierst, dass sie zur 16
Baustelle fahren und vor Ort beim Kunden sind und - wenn tanz zu kommunizieren, so sehr wurde von allen Interview- der Kunde uns lässt – die Mitarbeiter wirklich sehr flexibel sein ten zu bedenken gegeben, dass körpersprachliche und müssen.“ (Interview 2) nicht-sprachliche Ebenen der Kommunikation eindeutig zu kurz kommen. Trotz dieser Limitierungen müssen Wege ge- „Also auf die Menschen zu schauen ist eine besondere He- funden werden, auch Fehler und Probleme nach wie vor rausforderung und es geht dann auch darum, zu erkennen zu thematisieren. einmal eine Führungskraft am Freitag heimzuschicken und zu sagen: ‚Bitte nimm dir Zeit für dich, es reicht jetzt einmal’. „Naja, es ist so ein bisschen schwieriger über Webex oder Also das zu erkennen und natürlich zu motivieren, was wir Videokonferenzen oder was auch immer – Zoom-, welche immer getan haben. Also nicht zu sparen mit Lob, Dank und Methode man auch immer anwendet, ein Gespür zu kriegen, Anerkennung und das auch in Form von Zuwendungen. Aber wie es den Mitarbeitern wirklich geht. Also ich finde die In- auch bei den Besprechungen, also immer wieder würdigen formation über all diese Medien super, wirklich strategische die besondere Leistung, die jetzt wirklich nötig ist, über so Diskussionen halte ich für nicht machbar. Und irgendwann einen langen Zeitraum.“ (Interview 10) hört man auf, seine engsten Mitarbeiter, die man gut kennt, zu spüren.“ (Interview 1) Gute Führungskräfte könnten dabei auf die funktionieren- den Beziehungen aufbauen, an denen sie die Jahre da- „Manchmal hast du ein Video von Kollegen und manchmal vor gearbeitet haben. Vertrauen und gegenseitige Wert- nicht - je nachdem wie die Verbindung ist - und das ist es, schätzung, aber auch die Sorge um den Arbeitsplatz sind dass du nicht zwischen den Zeilen lesen kannst, wie es wirk- Grundlagen der Motivation in der Krise: lich deinem Gegenüber geht und wie er die Dinge aufnimmt, die du mit ihm besprichst.“ (Interview 2) „Je größer diese Vertrauensbasis da ist zwischen Mitarbeiten und Führungskraft, desto leichter gelingt das natürlich auch „... aber grundsätzlich, um Kontakt zu halten, um die Mit- in einer Krisensituation die Leute zu bitten und zu motivieren, arbeiter auch Zuhause an Board zu haben, ist ein höherer bitte übernehmt dieses oder übernehmt jenes, was jetzt nicht Kommunikationsaufwand seitens der Führung erforderlich. euer eigentliches Aufgabengebiet ist.“ (Interview 8) Das bestätigen mir auch alle bei uns im Haus. Es ist auch mühsamer, weil man mehr koordinieren muss, man macht ein „Es ist ein Geben und Nehmen. Und gerade in solchen Si- virtuelles Meeting, muss das virtuell vereinbaren, sagt wer ist tuationen zeigt sich das, wo auch dann Mitarbeiter, die sind da wer ist nicht da. Man muss mehr kommunizieren, weil die- super, die lesen auch am Abend ihre E-Mails und bearbeiten se raschen Flurgespräche, wenn der Eine oder Andere dir ein das, und das ist keine Arbeitszeit. Aber das ist so wirklich in Thema zuwirft, das lässt jetzt nach.“ (Interview 3) einem guten Miteinander, dass wir das bewältigen. Weil es weiß jeder Mitarbeiter es geht um einen Arbeitsplatz, also Es hat natürlich im Lockdown auch Themen gegeben, die das ist den Leuten schon sehr bewusst. Das Ganze ist für nicht gepasst haben mit den Kollegen oder Mitarbeitern und ein Unternehmen nicht leicht. Weil viele Unternehmen gibt es ich habe mir ganz schwergetan, die Dinge klar und deutlich gar nicht mehr oder wird es nicht mehr geben, und sie sind anzusprechen, weil mein Mitarbeiter ist ja irgendwo geses- alle froh, wenn sie da Sicherheit – ich meine, Sicherheit hat sen und ich habe nicht gewusst, wie kommt das dann bei man nie, aber dass wir gemeinsam beitragen, dass wir das ihm an. Wie wir dann quasi im Juli wieder da waren, habe überstehen. Und dieses Bewusstsein ist ganz stark im Haus ich gesagt: „Ich brauch eine Feedbackrunde, wie es meinen spürbar.“ (Interview 9) Mitarbeitern gegangen ist.“ Und sie haben mir gesagt, dass wenn wieder ein Lockdown kommt – und das Meeting habe Webmeetings sind gut aber nicht genug ich jetzt erst -, müssen wir einen Rahmen schaffen, wo ich, Webmeetings mit diversen Onlinetools wurden seit dem vielleicht auch mit jedem einzelnen Mitarbeiter, (bespreche): ersten Lockdown in Österreich verstärkt eingesetzt. So sehr „Wie spricht man unangenehme Dinge an, wenn er nicht bei diese virtuellen Besprechungen helfen, trotz physischer Dis- dir ist?“ (Interview 2) 17
Der in Österreich beliebte gemeinsam getrunkene Kaffee, das vermisse ich ein bisschen. ... Weil ansonsten, wenn wir bei dem auf informelle Art und Weise Informationen aus- uns wirklich sehen, dann haben wir andere Meinungen, da getauscht und Beziehungsarbeit geleistet wird, ist laut Inter- können wir diskutieren, da ist es sehr belebend. Und jetzt views den Pandemiemaßnahmen zum Opfer gefallen und durch Webex, man sieht zwar das Gesicht, aber es ist ein- fehlt den Führungskräften wie auch den Mitarbeitenden. fach nicht das gleiche, also das physische anwesend sein, das erzeugt meiner Meinung nach eine andere Dynamik.“ „Es gibt einen Morgenkaffee und da trifft sich quasi die engste (Interview 10) Mannschaft, also ich mit meinen Führungskräften in einem de- finierten Zeitraum von einer halben Stunde, kann kommen und Manche der befragten Führungskräfte haben andere Kom- gehen wer möchte, und das ist schon sowas wo du die Mitar- munikationskanäle gewählt, um diese Lücke zu schließen: beiter natürlich spürst und für mich hat man einfach neben dem was dann beruflich kurz abgeklärt wird, wenn man an dem „Und den Humor, den haben wir bewusst eingebaut in allen Tag irgendwelche Termine hat und noch kurz eine Abstimmung unseren Themen und Gesprächen, das hilft uns allen auch gut. braucht wechselseitig, halt auch Platz für Privates ist. Und man ... Also dass wir jetzt eine WhatsApp Gruppe haben und uns einfach merkt, wie geht es dem, das fehlt schon sehr. Und ich da auch ab und zu lustige Sachen schicken und so. Und das kann meine Abteilung auch heuer nicht zu Weihnachten ein- auch von der Chefin einmal kommt, das hat sich geändert.“ laden zu so einem Event, oder am Jahresanfang haben wir das (Interview6) immer gemacht, wo ich einfach Bericht über die wesentlichen Punkte des vergangenen Jahres, über die Zukunft, was geplant Homeoffice hat sich bewährt, aber ... ist, und wo es einfach auch ein bisschen ums Feiern und Aus- Homeoffice wurde im Lockdown im Frühjahr 2020 in tausch geht. Das geht halt jetzt alles nicht. Und das macht es, Österreich sehr breit als Instrument eingesetzt, um trotz finde ich, fürs Führen schon schwieriger. Dass man einfach die Pandemie und verhängten Ausgangsbeschränkungen die Leute gut bei der Stange hält sozusagen.“ (Interview 8) Einsatzfähigkeit von Mitarbeitenden zu erhalten. Dieses fast flächendeckende Experiment wurde überwiegend als „Also der Reiz des virtuellen Kaffeetrinkens ist enden wol- erfolgreich angesehen. Allerdings wurde oftmals betont, lend.“ (Interview 6) dass das Vertrauen in die daheim arbeitenden Kolleg_in- nen von zentraler Bedeutung ist. Und gerade in dieser An- Webmeetings verlaufen den Interviewten zufolge viel ge- gelegenheit unterscheiden sich manchmal die Meinungen radliniger, sachlicher ab. Humor, Kreativität und Diskurse der Verantwortlichen. In manchen Unternehmen bleibt das kommen zu kurz. Homeoffice lediglich ein vorübergehendes ein Kriseninstru- ment, während gerade Führungskräfte, die selbst positive „Und es gibt wenig Ideen, interessanter Weise auch, ich weiß Erfahrungen gemacht haben (zum Beispiel um Familienver- nicht, wie viele Veranstaltungsagenturen schreien, sie haben pflichtungen besser mit der Arbeit vereinbaren zu können), ein Problem, aber es gibt wenig Ideen, wie ich Videokonfe- aufgeschlossener sind. renzen so gestalten kann, dass sie wirklich pfiffig sind. Da hat sich keiner Gedanken gemacht drüber. Was mich überrascht, „Also ich selber habe als Führungskraft ja zwei Kinder, die noch ehrlich gesagt. Wenn einer irgendwelche Studios und dort im schulpflichtigen Alter sind und ich habe, seit ich die Füh- sitzen die Leute, nur, wenn man des selber verfolgt, es ist teil- rungsposition übernommen habe, oder auch schon davor, seit weise genauso fad wie andersrum – Entschuldigung, wenn 14 Jahren arbeite ich immer wieder in Telearbeit, also für mich ich das so sage. Aber es macht sich keiner Gedanken „Wie ist das ganz normal. Und ermögliche es natürlich auch den könnt ich das irgendwie aufpeppen?“ Da fehlt mir wirklich die Mitarbeitern, wo es sinnvoll und notwendig ist.“ (Interview 8) Kreativität.“ (Interview 1) „Weil aus meiner Sicht hat das sehr sehr gut funktioniert im „Es fehlt dann natürlich die persönliche Komponente und was ersten Lockdown, und jetzt auch, also es sind ja wieder sehr spannend ist, wir haben weit weniger heftige Diskussionen, viele Leute im Homeoffice, das funktioniert wunderbar. Und 18
die Basis von einem Homeoffice ist ganz einfach Vertrauen. jemand vor Ort ist und man schnell einmal ins Nebenbüro Und da sind wir uns nicht ganz einig, mein Chef und ich. ... geht und sich informell rasch austauschen kann.“ (Interview 3) Ich glaube, dass es da schon einen Unterschied der Genera- tion gibt. ... Und mir wäre es sehr wichtig, wir haben vorher „Auch eine Herausforderung ist natürlich, wenn Mitarbeiter im Homeoffice gehabt, aber natürlich sehr eingeschränkt, das Homeoffice sind, wie kommunizieren wird miteinander, das etwas auszuweiten zumindest, dass die Mitarbeiter die Mög- Sicherstellen, auch dass man sich gut versteht, was die Tätig- lichkeit haben mehr aus dem Homeoffice zu arbeiten, auch keitsbeschreibung ist. Und das Sicherstellen des Ergebnisses, wenn sie es dann nicht nutzen. Wie gesagt, jetzt ist es so, Kontakt halten zu denjenigen, die im Homeoffice sind, dass dass es sehr freizügig gehandhabt wird und logischerweise man sozusagen das Team auch immer auf gleichem Stand gut funktioniert, also alles andere hätte mich sowieso über- hält.“ (Interview 9) rascht.“ (Interview 5) Kritisch wurde auch gesehen, wenn Sorge- und Reprodukti- „Ja, es hat sich schon etwas verändert. Also das hat sich ver- onsarbeiten völlig ausgeblendet und als leicht mit Homeof- ändert, dass viele Leute wirklich auch im Homeoffice sind und fice vereinbar gesehen werden. Darunter leiden besonders das nach wie vor. Und da brauchst du als Führungskraft schon berufstätige Mütter: viel mehr Vertrauen. Ich vertraue meinen Mitarbeitern, aber das ist wirklich so losgelöst, weil die sind eine Woche nicht „Also, jeder der glaubt, und da kritisiere ich auch die Politik, da, dann kommen die Nächsten wieder, das bedarf schon an jeder der glaubt, dass eine berufstätige Mutter mit einem Drei- großem Vertrauen. ... Ich will jemanden, der Zuhause arbei- jährigen locker aus dem Homeoffice arbeiten kann – ist eine tet, dass ich mich verlassen kann, und dass die Dinge fertig komplette Illusion.“ (Interview 5) sind, so wie wir es vereinbart haben. Drum ist dieses Commit- ment und Accountability, dass jeder für sein Tun verantwortlich In manchen Unternehmen bleibt Homeoffice daher ledig- ist, das ist für mich sehr wichtig und ist in den Vordergrund lich ein vorübergehendes Kriseninstrument. Dies ist vor al- gerückt.“ (Interview 2) lem der Fall, weil Präsenz im Unternehmen und informelle Kommunikationsaktivitäten (zum Beispiel das gemeinsame „Naja, wir haben eine neue Richtlinie zur Telezeit und Tele- Kaffeetrinken) als identitätsstiftende Momente für die Unter- arbeit, da haben wir schon manches sag ich jetzt einmal libe- nehmenskultur gesehen werden. ralisiert. Uns ist ganz wichtig, dass auch in Zukunft Führungs- kräfte mit den Mitarbeitenden vereinbaren, was an diesem „Dass wir keine Unternehmenskultur mehr zusammenbringen Homeoffice Tag gemacht wird und dass es Ergebnisse geben und dass man in Wirklichkeit die Teams nicht mehr zusam- muss. Also wichtig dabei ist uns diese Transparenz und auch menbringen und das gehört auch dazu. Ich glaube, dass ein ein bisschen das Controlling, das ist am Anfang immer ein Unternehmen so nicht funktionieren kann. Davon bin ich zu- Thema in einer Organisation. ... was wir nicht möchten, ist tiefst überzeugt. Selbst wenn ich jetzt Mitarbeiter habe, die eine gewisse Neidkultur, die sich da etablieren könnte und nur Routinearbeiten machen, irgendwann muss ich das Team deswegen wollen wir da sehr transparent sein. Das hat das zusammenholen, weil sonst wird es mir „zerfleddern“. Und Thema selbstverständlich gefördert, aber wie in gewissen an- das ist halt schwierig, nur über irgendwelche Remote Arbeits- deren Organisationen werden wir keine reine Homeoffice-Or- plätze.“ (Interview 1) ganisation werden, dazu sind wir zu sehr am Kunden oder an der Kundin.“ (Interview 10) „Es ist so schwierig, wir haben das schon ein paar Mal dis- kutiert, weil wir uns eigentlich echt gerne sehen. Wir gehen (Es ist) „Führen auf Distanz angesagt. Stichwort: Homeoffice. alle so gerne arbeiten, weil der Plausch am Arbeitsplatz so Ich denke, das fordert mehr Führungsaufwand als in einer Prä- angenehm ist, man hilft sich auch gegenseitig und jeder weiß, senzkultur. Man denkt immer, das ist so leicht und easy und wenn man alleine im Büro bist und das Telefon geht neben alle bleiben daheim aber es erfordert mehr Führungsarbeit im über und dort ist noch eine Anfrage und sonst ist man einfach Sinne von Koordination, Vereinbarung von Zielen, als wenn im Büro, wir haben ein mittleres Büro wo wir alle drinsitzen, 19
man hört doch im Hintergrund ein bisschen mit und man hilft „Mein Thema ist, die Leute zu beruhigen, Besonnenheit aus- den anderen auch wenn es ein Problem gibt.“ (Interview 7) zustrahlen und irgendwie auch so einschwören halten wir zu- sammen, Bewusstseinsbildung, passen wir gut auf uns auf und Wir schaffen das! bewahren wir Ruhe. Wir schaffen das.“ (Interview 9) Über Allem steht die Aufgabe der Führungskraft, den Mit- arbeitenden, Stabilität zu geben und Zuversicht zu vermit- teln. Zum Zeitpunkt dieser Studie (Oktober bis Dezember 2020) gibt es zwar schon Meldungen zur baldigen Ver- breitung eines Impfstoffes, aber die Covid-19-Infizierten- zahlen sind nach wie vor auf einem hohen Niveau. Das spiegelt sich insbesondere in den Interviews wider, die im November geführt wurden (Interview 5 bis 10). „Also das gelingt in meinem Bereich zum Beispiel sehr gut, aber es ist natürlich vor Ort noch einmal eine ganz andere Challenge, weil natürlich eine große Sorge herrscht, wird das in den nächsten Wochen, werden wir das in den Griff krie- gen von den Zahlen her oder drohen uns Situationen, die wir aus anderen Ländern beobachtet haben, die es bei uns in Österreich in der Form nicht gegeben hat. Also da Sorge zu nehmen, Angst zu nehmen, trotzdem Zuversicht auszustrahlen. Trotzdem gut bedachte Entscheidungen zu treffen, auch wenn sie schnell getroffen werden müssen. Ja, das ist die riesen Herausforderung momentan, würde ich sagen.“ (Interview 8) „Dann finde ich auch ganz wichtig in der wirtschaftlichen Si- tuation eine Strategie fürs Unternehmen zu haben und auch einen Plan B und vielleicht auch einen Plan C. Es ist ganz wichtig, Kompetenz zu zeigen und den Mitarbeitern das Ge- fühl zu geben, dass das Unternehmen geführt ist und die Füh- rungskraft weiß, was sie tut und ist kompetent und dass wir das schaffen. Das ist ganz wichtig, das gibt auch wieder Sicherheit. Und auch Verantwortung tragen und sich um die Mitarbeiter zu kümmern.“ (Interview 4) 20
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