HERKULES UND DER STALL DES AUGIAS - Friedrich Dürrenmatt - Theater Marie
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Herkules Milva Stark Deianeira Christoph Rath Polybios Florentine Krafft Augias Judith Cuénod Phyleus Nadja Rui Iole Andreas Bächli / Nadja Rui Kambyses Sandra Utzinger Tantalos Kathrin Veith Parlamentarier Ensemble Regie Olivier Keller Kostüm Tatjana Kautsch Bühne Dominik Steinmann Musik Daniel Steiner Video Kevin Graber Dramaturgie Patric Bachmann Technik Andreas Bächli Assistenz Sophia Senn / Sofiya Schweizer Inspizienz Eva Lorünser Premiere Mi 26. Januar 2022, 19.30 Uhr, Großes Haus Vorstellungen Do 27.1., Sa 29.1., Di 1.2., Fr 4.2. und So 6.2., 19.30 Uhr, Großes Haus Publikumsgespräch Fr 4.2., ca. 21.15 Uhr, T-Café (Eintritt frei) Aufführungsdauer ca. 90 Minuten, keine Pause Theater Marie, Koproduktion mit dem Vorarlberger Landestheater, Bühne Aarau und Kurtheater Baden Aufführungsrechte Diogenes Verlag AG Bild- und Tonaufnahmen während der Aufführung sind nicht gestattet. Technische Leitung Tino Machalett Assistenz Technische Leitung Leslie Bourgeois Bühnenmeister Jörg Dettelbach, Werner Mathis Bühnentechnik Johannes Moosbrugger, Werner Pettinger Beleuchtungsmeister Arndt Rössler Beleuchtung & Video Simon Tamerl Ton Andreas Niedzwetzki Veranstaltungstechnik Marco Kelemen, Simon Prantner, Sandro Todeschi Lehrlinge Veranstaltungstechnik Mohammad Chalch, Julian Schedler Requisite Ramona Bereiter Maske Tatjana Alber (Leitung) Schneiderei Bettina Henning (Leitung), Christine Schnell Garderobe Maria Stabodin Haustechnik Robert Mäser Werkstatt Claudius Rhomberg (Leitung), Kurt Amann, Rene Fischer, Roland Sonderegger Bühnenmalerei Valerie Fricker, Sarah Goldmann
Zum Einstieg In HERKULES UND DER STALL DES AUGIAS versinkt das Land Elis im Mist. Elis’ Präsident Augias beruft den Helden Herkules zum Oberausmister. Seine Aufgabe: Das Land vom Mist befreien. Dieser reist mit seiner Entourage in Elis ein und trifft auf traditionsbewusste Bewohner:innen und starre Strukturen. Herkules’ Säuberungsvorschläge müssen erst vom Grossen Nationalen Rat genehmigt werden. Dürrenmatts Groteske zeichnet das Bild einer Gesellschaft, deren Bewohner:innen wissen, dass Veränderungen notwendig sind. Ihre inneren Ängste und die demokratische Gesetzgebung in Elis verunmöglichen aber, diese in Angriff zu nehmen. Florentine Krafft, Milva Stark
Zum Autor Friedrich Dürrenmatt wurde 1921 als Pfarrerssohn in Konolfingen im Emmental / BE geboren und starb 1990 in Neuchâtel, wo er 38 Jahre gelebt hatte. Internationale Berühmtheit erlangte er vor allem mit seinen Dramen «Der Besuch der alten Dame» (1956) und «Die Physiker» (1962) und durch die vielfach verfilmten Kriminalromane wie «Der Richter und sein Henker» (1952) oder «Das Versprechen» (1958). Dürrenmatts erste Komödie, «Es steht geschrieben», endete bei der Urauffüh- rung 1947 am Schauspielhaus Zürich in einem Theaterskandal. «Romulus der Grosse», die 1949 uraufgeführte Geschichte vom Untergang des römischen Reichs, kritisiert unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges den heroischen Patriotismus in den Diensten des Großstaats. «Die Ehe des Herrn Mississip- pi» (1952), ein Endspiel der politischen Ideologien, brachte Dürrenmatt den Durchbruch in Deutschland, und die tragische Komödie «Der Besuch der alten Dame» (1956), in der die finanziell allmächtige Claire Zachanassian bei ihrer Rückkehr in die Stadt ihrer Jugend deren moralisches Lügengebäude aus den Angeln hebt, machte ihn zum weltberühmten Autor. Mit dem Stück «Die Physiker» (1962), in dem er die Frage nach der politischen Verantwortung der Wissenschaftler aufwarf, wurde Dürrenmatt in mehreren Spielzeiten zum meistgespielten zeitgenössischen Autor deutscher Sprache. 1963 wird «Herkules und der Stall des Augias» uraufgeführt. Das Bühnenstück, eine Bearbeitung des gleichnamigen Hörspiels aus dem Jahre 1954, trägt den Untertitel «Eine Komödie in 15 Bildern». Dürrenmatt suchte stets den engen Kontakt mit dem Theater und den Schauspielern und war 1968 bis 1969 in der Theaterdirektion der Basler Theater engagiert, aus der er im Streit wieder ausschied. In späteren Jahren wandte er sich – auch aufgrund von Misserfol- gen, insbesondere jenem der Komödie «Der Mitmacher» (1973) – vermehrt der Prosa zu, doch entstanden noch einzelne Theaterstücke und Pläne, insbe- sondere die Komödie «Achterloo» (1983), die als verwirrende Geschichts- und Dramencollage zahlreiche Motive des Autors wieder aufnimmt und verflicht. Kurz vor seinem Tod hält er in Zürich seine berühmte Rede «Die Schweiz – ein Gefängnis», die in der Schweiz einen Skandal auslöst. Judith Cuénod, Sandra Utzinger
Weniger bekannt sind sein umfangreiches essayistisches und autobiografi- sches Spätwerk sowie seine Bilder, die er parallel zur Schriftstellerei zeichnete und malte. Als angehender Student schrieb Dürrenmatt an seinen Vater: «Es handelt sich nicht darum zu entscheiden, ob ich ein ausübender Künstler werde oder nicht, denn da wird nicht entschieden, sondern das wird man aus Notwendigkeit. Das Problem liegt ja bei mir ganz anders. Soll ich malen oder schreiben. Es drängt mich zu beidem. Während seines ganzen Lebens hat Dürrenmatt gezeichnet und gemalt. Abgesehen von einigen Karikaturen und Buchillustrationen blieb sein Bildwerk jedoch lange unbekannt. «Meine Zeich- nungen sind nicht Nebenarbeiten zu meinen literarischen Werken, sondern die gezeichneten und gemalten Schlachtfelder, auf denen sich meine schriftstelle- rischen Kämpfe, Abenteuer, Experimente und Niederlagen abspielten», schrieb Dürrenmatt 1978 einleitend zum ersten Bildband seiner Werke. Andreas Bächli, Judith Cuénod, Sandra Utzinger
Nadja Rui, Sandra Utzinger, Judith Cuénod, Kathrin Veith, Milva Stark, Christoph Rath, Florentine Krafft, Adreas Bächli
Theater Marie, Januar 2022 Ausmisten muss Herkules Friedrich Dürrenmatt nimmt in dem Stück talos an und flüchtet, als dieser ihn auch HERKULES UND DER STALL DES AUGIAS noch um die Gage betrügt, nach Stympha- viele Ziele ins Visier. Er demontiert das lien, dessen Volk nur bis zwei zählen kann Bild des positiv konnotierten männlichen und von einer Vogelpest befreit werden Helden. Er stellt die Trägheit einer parla- will. Derweil pflegt der Präsident Augias mentarischen Demokratie an den Pranger. in seinem Hinterhof einen idyllischen Er zeigt Menschen, die ihr eigenes Wohl Schrebergarten, der ganz frei von Mist vor lauter Angst, ihre Privilegien zu verlie- ist. Keine der Figuren entkommt in Fried- ren, weit vor das Wohl der Allgemeinheit rich Dürrenmatts gross angelegter Farce stellen. Er karikiert Geschlechterbilder bis seinem Hohn. Und doch sprechen alle ins Groteske. Und zieht die Weitergabe wahrhaftig und aus der Binnenperspekti- der Macht an die jüngere Generation ins ve nachvollziehbar. Lächerliche. Eine vortreffliche Farce, die Anlass bietet, über unsere aktuelle Gesell- Die Frage, wie wir uns als Individuen in schaft zu lachen und nachzudenken. die Gesellschaft eingliedern, treibt uns als Theatermacher:innen immer wieder um. Augias ist Präsident des Landes Elis, das Und auch diesmal schicken wir grotesk im selbst produzierten Kuhmist unterzu- ausgestattete Figuren auf die Bühne, gehen droht. Da kommt der Präsident auf mit dem Überschüssigen aufzuräumen die Idee, dass sein Staat den Volkshelden und für eine – vielleicht nur vermeintlich Herkules bitten könnte, die Heldentat – bessere Gesellschaft zu kämpfen. Die des Ausmistens zu vollbringen. Herkules, wunderbare Satire auf kleinteilig klein- knapp bei Kasse, muss die niedere Aufga- bürgerliche Kommissionenpolitik und auf be annehmen und reist zum Volk, das nur das überholte Modell des Helden hat im bis drei zählen kann; froh um Vorschuss Dezember 2021 in der neuen Alten Reit- gleichermassen einen hohen Stellenwert Frauenrollen von Männern spielen zu und Reisespesen. Nun stellt sich heraus, halle Aarau Premiere gefeiert und ist nun in unserer Arbeit. Dem Wunsch, ein Stück lassen. Mit dieser Setzung stellen wir dass der Große Nationale Rat von Elis in Bregenz, Baden und Bern zu sehen. von einem Schweizer Klassikerautor zu ganz implizit die Frage nach Geschlech- viele Hürden einbauen lässt. Herkules inszenieren, gehen wir nun in unserer terbildern, die übrigens bei Dürrenmatt muss zwecks diverser Bewilligungen von Die Inszenierung HERKULES UND DER letzten Saison nach. alle Schattierungen von zweifelhaft bis Amt zu Amt und kann das Ausmisten des STALL DES AUGIAS läutet die letzte komplett klischiert durchlaufen. Distanzen Landes nicht vollbringen. Er lagert mit Saison des Theater Marie unter der Dürrenmatts Texte und Stücke berühren zwischen spielender Person und gezeich- seiner Geliebten auf einem der letzten Co-Leitung von Olivier Keller und Patric nach wie vor und haben in vielen Dingen neter Figur bieten uns den Steigbügel Felsen, der nicht im Mist untergegangen Bachmann ein. Wir haben in den letzten eine erstaunliche Aktualität. Es fällt für eine groteske Überzeichnung, die in ist, und versucht, sich gegen die platte neun Jahren beim Theater Marie die Her- jedoch auf, dass sich Dürrenmatt sehr oft ausstellender Spiellust mündet. Heldenverehrung der Elier und Elierinnen ausforderung divers gelagerter Vorlagen für sehr viele männliche Rollen entschei- zu wehren. Die Zeit verstreicht, ohne dass immer wieder mit Freude angenommen: det. Wir können dies nicht unreflektiert Milva Stark und Judith Cuénod spielen er zupacken könnte. Fast bankrott nimmt Zeitgenössische Dramatik, Musiktheater- mitnehmen. Wir haben uns entschieden, die beiden Titelfiguren. Wir haben in der er einen Auftrag des Zirkusdirektors Tan- projekte und Stückentwicklungen hatten alle Männerrollen von Frauen und alle Zusammenstellung des Ensembles eine Milva Stark, Florentine Krafft
Wie sollen wir uns verhalten in einer Ge- sellschaft, in der das Übernehmen von Verantwortung nicht gerade en vogue ist? Was ist der nächste Schritt, wenn wir akzeptiert haben, dass wir mit Haut und Haar der Geschichte ausgeliefert sind? Augias ist Präsident des Großen Nationa- len Rates, der aus unterschiedlichen Par- lamentariern besteht, die allesamt zwar anfangs für die Initiative des Ausmistens sind, diese aber je länger das Stück dau- ert, desto mehr ausbremsen. Bedenken da und dort. Kommissionen zur Überprüfung von Details verunmöglichen das Werk von Herkules. Augias ist einsam und zieht Theater sich gegen Ende des Stückes aus der Ver- antwortung. Er sei nur der Präsident, die Elier hätten leider ihre Chance nicht ge- packt. Dadurch wird der Chor des Großen Nationalen Rates zu etwas Diffusem und Marie Ungreifbarem. Die Reinigungsphantasien, die das Stück anspricht, der Wunsch, nach einer starken Heldenhand, die kollektiv verursachte Probleme einfach löst, und Abschiebung von Verantwortung sind alles Elemente, erfrischende Mischung von Personen, mit die an heutige Krisen des 21. Jahrhun- denen wir langjährig zusammenarbeiten, derts erinnern, nicht zuletzt natürlich an und neuen Poolmitgliedern erreicht. die aktuelle Pandemie oder die Klimaka- Theater Marie ist das Kompetenzzentrum für Theaterproduktion im Kanton Aargau Dies gewährt eine optimale Balance von tastrophe. und besteht aus einem zweiköpfigen Leitungsteam, drei Festangestellten und einem vertrauensvoller Produktivität und acht- Pool freischaffender Theatermenschen. Das Tourneetheater arbeitet eng mit Gastspiel- samer Neueinstellung aller Beteiligten. häusern der freien Szene zusammen. Eine mehrjährige Zusammenarbeit verbindet Theater Marie mit dem Vorarlberger Landestheater, Bregenz; zuletzt die Uraufführung Akteur:innen versus System. Schon bei von Joël Lászlós «Geld, Parzival». Die Inszenierungen «Zersplittert» von Alexandra Ba- früheren Arbeiten, wie z. B. «Liliom» und dea 2017 und «verdeckt» von Ariane Koch 2021 wurden zum Schweizer Theatertreffen «Geld, Parzival» sind wir bei ähnlichen eingeladen. «frau im wald» von Julia Haenni war zu Gast am biennal stattfindenden thematischen Konstellationen gelandet. internationalen Theaterfestival DramaFestMX (2018) in Mexico City sowie am Heidel- Was können wir als Individuen tun? berger Stückemarkt (2019). Milva Stark
Impressum Vorarlberger Landestheater · Seestraße 2 · 6900 Bregenz info@landestheater.org · www.landestheater.org Intendantin · Stephanie Gräve Geschäftsführer · Werner Döring Sämtliche Texte in diesem Heft sind Beiträge von Patric Bachmann Fotografie · Andreas Zimmermann Gestaltung · Ellen Tiefenbacher landestheatervorarlberg vorarlbergerlandestheater landestheater.org THEATER Hans und Lina MARIE Blattner Stiftung
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