Herpes genitalis in der Schwangerschaft - MGO Fachverlage

 
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12          HERPES GENITALIS

CME
      Herpes genitalis in der Schwangerschaft
      Werner Mendling

      gyn_© Kateryna_Kon - Fotolia

      Herpes simplex-Infektionen zählen      Erreger                                   lis in das Lumbosakralganglion), wo es
      zu den nicht meldepflichtigen sexu-    Zu den Herpesviren zählen u. a. die       lebenslang verbleibt und bei endoge-
      ell übertragbaren Infektionen. Ihr     Herpes simplex-Viren Typ 1 und Typ 2      nem oder exogenem Stress bzw. bei
      Vorkommen ist von äußeren (Sexual-     (HSV 1 und 2) [2, 3]. HSV 1 galt pri-     Immunsuppression reaktiviert wird.
      verhalten, Drogenmissbrauch, bak-      mär als Erreger des Herpes labialis so-
      terielle Vaginose) und endogenen       wie von Gingivostomatitis, Kerato-        Läsionen und andere sexuell über-
      (Ethnie, Alter, Immunologie) Fakto-    konjunktivitis, Ösophagusulzeratio-       tragbare Infektionen (sexually trans-
      ren beeinflusst und ein globales Ge-   nen und (selten) Enzephalitis. HSV 2      mitted infections/STI) begünstigen
      sundheitsproblem [1].                  wurde als primärer Verursacher des        die HSV-Infektion und umgekehrt.
                                             Herpes genitalis und des Herpes neo-      Besonders bedeutsam ist das in Län-
      Schwangere mit anamnestisch rezi-      natorum gesehen. Diese bisherige          dern mit hohem Vorkommen der In-
      divierenden labialen oder genita-      Zuordnung stimmt so nicht mehr.           fektion mit dem humanen Immun-
      len Herpes simplex-Infektionen sind                                              defizienzvirus (HIV) – dann können
      häufig. Aber auch deren Partner        Das Herpes simplex-Virus tritt bei der    schwere und ungewöhnliche Ver-
      oder medizinisches Personal, das       Infektion in eine Zelle ein, vermehrt     läufe vorkommen [4].
      Schwangere oder Neugeborene be-        sich und führt ggf. zu klinischen
      treut, kann darunter leiden und so-    Symptomen. Es wird dann über axo-         Virusausschüttung
      mit eine Gefahr für das Neu- oder      nalen Transport in das regionale          HSV kann periodisch in latent infi-
      Frühgeborene werden.                   Ganglion gebracht (bei Herpes genita-     zierten Zellen, besonders oft bei

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HSV 2, reaktiviert werden. In einer      und in 10,2 % bei 88 Personen ohne         dann ein Dauerkatheter oder besser       CME
prospektiven Studie mit 498 HSV 2-       klinische Symptomatik mit Polyme-          ein suprapubischer Katheter gelegt
seropositiven Personen war die           rasekettenreaktion (PCR) gefunden          werden!) oder am Anus auftreten.
Virusausschüttung größer bzw. häu-       werden [5].                                Schon vorhandene Antikörper ge-
figer, wenn sie zuvor klinische Zei-                                                gen HSV 1 können die Symptome ei-
chen einer HSV 2-Infektion gehabt        Mit einer intrauterinen Transmission,      ner primären HSV 2-Infektion lin-
hatten, und trat insgesamt an 85 von     die zu Abort, Totgeburt oder Fehlbil-      dern und umgekehrt.
519 asymptomatischen Tagen (ent-         dungen führen kann, ist bei etwa
spricht 16,4 %) auf [5]. Diese kli-      1:100.000 Fällen zu rechnen, wäh-          Gerade während einer Schwanger-
nisch unbemerkte Virusausschüt-          rend die peripartale Transmission          schaft können besonders schwere
tung („shedding“) wurde auch in          bzw. perinatale Infektionsrate des         Primärinfektionen im Sinne einer
weiteren Studien nachgewiesen [6].       Neugeborenen in den USA auf etwa           Gingivostomatitis oder einer herpe-
                                         5–31:100.000 Lebendgeburten ge-            tischen Vulvovaginitis auftreten und
Epidemiologie                            schätzt wird (3).                          (selten) disseminieren.
Die Infektion mit HSV 1 erfolgt –
meist nicht sexuell – in der Kindheit.   Klinische Symptomatik                      Bei Immunsupprimierten, z. B. bei
Sie kann mit oder (in etwa 90 % der      Primärinfektion                            HIV-positiven Patientinnen, können
Fälle) ohne klinische Symptomatik        Sehr viele Primärinfektionen verlau-       Schwere und Dauer der klinischen
erfolgen. In Deutschland ist jedes 5.    fen klinisch inapparent!                   Symptome und die Rezidivhäufigkeit
Kind im Alter von 2 bis 3 Jahren                                                    vermehrt sein und selten ungewöhn-
bereits HSV 1-positiv, Erwachsene        Symptome der Primärinfektion kön-          liche klinische Verläufe zeigen [4].
später in über 90 % der Fälle. Mit       nen 2 bis 20 Tage nach einer Infekti-
HSV 2 sind 4 % der Kinder und            on auftreten und dauern 3 Wochen.          Rezidivierender Herpes genitalis
Jugendlichen bis zum 15. Lebensjahr      Schwangere leiden unter heftigeren         Rezidive verlaufen üblicherweise kli-
und 18 % der Frauen im gebärfähi-        Primärsymptomen als Nichtschwan-           nisch schwächer ab und dauern mit
gen Alter infiziert [3].                 gere. HSV 1- und HSV 2-Infektionen         Prodromi 7 bis 10 Tage.
                                         sind klinisch nicht unterscheidbar
Im Rahmen einer prospektiven Un-         [8]. Die klinischen Symptome kön-          Herpes neonatorum
tersuchung im Kontrollkollektiv zur      nen wegen der Schwere des Krank-           Man unterscheidet zwischen der
Testung eines Impfstoffs bei 3.438       heitsbildes unvergesslich sein, aber       intrauterinen, kongenitalen und der
HSV 1- und 2-seronegativen ameri-        auch schwach und uncharakteris-            perinatalen HSV- Infektion, die prak-
kanischen Frauen im Alter von 18 bis     tisch ausgeprägt oder im Zusammen-         tisch immer vertikal von der Mutter
30 Jahren wurden innerhalb von 20        hang mit anderen Hautkrankheiten           auf das Kind übertragen wird, und
Monaten 3,7 % der Probanden neu          maskiert sein. Deshalb wird dringend       der postnatalen HSV-Infektion, für
mit HSV 1 und 1,6 % mit HSV 2            zur Absicherung durch direkten Vi-         die auch andere Personen als Infekti-
infiziert. 74 % der HSV 1- und 63 %      rusnachweis aus den Läsionen gera-         onsquelle in Frage kommen können
der HSV 2-Infektionen erfolgten          ten [2, 3, 9, 10, 11, 12]. Zudem ist die   [2, 3, 13, 14].
symptomlos. Es waren signifikante        Kenntnis über den Virustyp bera-
ethnische Unterschiede erkennbar.        tungsrelevant für Schwangere.              Nur etwa 5 % der Feten werden
84 % aller klinischen HSV-Erkran-                                                   – meist durch HSV 2 – intrauterin in-
kungen waren genital lokalisiert,        Typisch sind Prodromi wie Span-            fiziert. In 50 % der Fälle geschieht
und es gab keine Unterschiede in der     nungsgefühl und Juckreiz an der            dies bei schwerer Infektion der Mut-
klinischen Erscheinung von HSV 1-        Vulva und im Introitus vaginae.            ter im 1. Trimenon mit hoher Gefahr
und 2 [7].                               Es folgen Schmerzen, Fluor, Bläs-          für Abort, Totgeburt oder Fehlbil-
                                         chen, später Ulzerationen, ggf. auch       dungen und einer perinatalen Mor-
In einer weiteren prospektiven Stu-      Superinfektionen, oft durch Candi-         talität um 50 % [2, 13].
die mit 498 amerikanischen HSV 2-        da albicans. In den ersten Tagen sind
seropositiven Frauen war zwischen        fast immer regionale Lymphknoten           In bis zu 90 % der Fälle aber wurde
1992 und 2008 die Frequenz des           geschwollen, es treten grippearti-         HSV (in etwa drei Vierteln ist es
„viral shedding“, also der Infektiosi-   ge Abgeschlagenheit, Glieder- oder         HSV 2, das schwerere Verläufe verur-
tät, mit täglich entnommenen Ab-         Gelenkschmerzen, Temperaturerhö-           sachen kann) während der Geburt
strichen über mindestens 30 Tage         hung und – in bis zu einem Drittel der     übertragen, der Rest in den ersten
untersucht worden: HSV 2 konnte          Fälle – Meningismus auf. Die Ulzera-       Stunden bis Tagen danach. In 50 %
dabei in 20,1 % bei 410 Personen         tionen können auch auf der Portio,         der Fälle hat die Mutter bei der Über-
mit klinischer Herpessymptomatik         in und an der Harnröhre (ggf. muss         tragung auf ihr Kind eine primäre

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CME   HSV-Infektion, während das Über-            Primärinfektion                                Episodische Therapie                    Suppressionstherapie
      tragungsrisiko bei einem HSV-Rezi-                                                         (reduziert Symptomatik um               (reduziert Frequenz um
      div unter der Geburt nur bei 2–5 %                                                         1–2 Tage!)                              70–80%)
      liegt. Wichtig ist aber, dass die HSV-      Immer Beginn innerhalb
      Infektion der Mutter in 70 % der Fäl-       von 1 (- 5) Tagen und 5 Tage                                                           > 6–10 Rezidive/a
                                                  lang                                           5 Tage oder weniger
      le von perinataler Infektion asympto-
      matisch besteht [2, 3]!                     Aciclovir 5 x 200 mg/d                                                                 4 x 200 mg/d, ggf. jahre-
                                                  oder                                                                                   lang, oder
                                                  Aciclovir 3 x 400 mg/d                         2 x 800 mg/d 2 Tage                     2 x 400 mg/d
      Die Symptome beginnen beim Kind
                                                  oder                                           oder                                    oder
      meist in der 2. und 3. Lebenswoche.
                                                  Famciclovir 3 x 250 mg/d                       2 x 1000 mg/d 1 Tag                     2 x 250 mg/d
      Es besteht je nach Schwere der Er-
                                                  oder                                           oder                                    oder
      krankung eine hohe Letalität bzw.
                                                  Valaciclovir 2 x 500 mg/d                      2 x 500 mg/d 3 Tage                     2 x 250 mg/d
      Gefahr von dauerhaften Handicaps.
                                                  Schwangere (siehe auch Tab. 3)
                                                  10 Tage lang (11)
      Diagnostik                                  Aciclovir 5 x 200 mg/d                         wie Primärinfektion                     3 x 400 mg/d
      Ein serologisches Screening wird                                                                                                   ab 36. SSW bis zur Geburt
      nicht empfohlen.                            Valaciclovir 3 x 400 mg/d                      2 x 500 mg/d 10 Tage                    2 x 250mg/d
                                                  Bei Aciclovir und Famciclovir besteht kein fetales Risiko, auch nicht vor der 14. SSW. Valaciclovir ist als Valin-Ester dem
      Vulvaschmerzen durch Ulzera kön-            Aciclovir sehr ähnlich, so dass seine Sicherheit zumindest auf das 3. Trimester extrapoliert werden darf, doch sichere Daten
                                                  liegen nicht vor.
      nen so stark sein, dass eine gynäko-
      logische Untersuchung oder das Sit-
                                                 Tab. 1: Therapie des Herpes genitalis
      zen für eine ganze Woche qualvoll
      ist. Inguinale Lymphknotenschwel-
      lung und grippeartige Beschwerden
      an den ersten Tagen sind typisch.          fikationstest (NAAT) mit PCR zur Dif-                             Die Therapie muss so schnell wie
      Es wird dringend der Virusnachweis         ferenzierung von HSV-Typ 1 und -Typ                               möglich und spätestens am 5. Tag der
      aus den Läsionen empfohlen [2, 3,          2 durchgeführt werden.                                            Prodromi + Symptomatik begonnen
      8, 9, 10, 11, 12]. Bei klinisch anschei-                                                                     werden, um noch effektiv zu sein. Sie
      nend eindeutigen Fällen erlaubt            Im Falle serologischer Tests sollten                              dauert 5 Tage und erfolgt immer oral,
      die Differenzierung von HSV 1- bzw.        solche angewendet werden, die eine                                da lokale Therapien erfolglos sind
      HSV 2-Infektionen eine geeignete           Differenzierung von HSV 1- und                                    und dabei die Entwicklung von Aci-
      Beratung von Schwangeren hin-              -2-Antikörpern erlauben. Immun-                                   clovirresistenz beobachtet worden
      sichtlich des neonatalen Risikos.          globulin (Ig) M-Tests werden nicht                                ist. Bei schwerem und längerem Ver-
      Außerdem erlaubt der Virusnach-            empfohlen [3, 9]. Der den Abstrich                                lauf kann die orale Therapie auf 7–10
      weis die Unterscheidung einer HSV-         entnehmende Arzt sollte nach Kon-                                 Tage verlängert werden. Sie wird we-
      Infektion in klinisch nicht eindeuti-      takt mit dem Laborarzt immer das                                  gen der Schwere der Symptome bei
      gen Fällen von anderen ulzerösen           geeignete Abstrichset zur Hand ha-                                klinischem Verdacht begonnen, ohne
      oder vesikulösen Hauterkrankungen          ben! Dieses muss geschützt in einem                               Laborbefunde abzuwarten. Schwan-
      (Pemphigus, Pemphigoid, aphthöse           gekennzeichneten Transportbehäl-                                  gere sollten 10 Tage behandelt wer-
      Erkrankungen, M. Behcet, auch Sy-          ter verschickt werden (Gefahrgut                                  den [3, 9, 10, 11, 12].
      philis, u. a.) (EAbb. 1 und 2).            Kategorie B Risikogruppe 2) [3].
                                                                                                                   Je nach Verfügbarkeit, Kosten oder
      Ein negativer Virusnachweis bedeu-         Das Risiko anderer sexuell übertragba-                            individueller Compliance kommen
      tet nicht, dass eine HSV-Infektion         rer Infektionen muss bedacht werden.                              Aciclovir und seine Verwandten zur
      ausgeschlossen ist, da die Virusaus-                                                                         Anwendung. Eine intravenöse The-
      schüttung am symptomlosen Ent-             Therapie                                                          rapie ist nur bei Erbrechen oder
      nahmeort wechseln kann.                    Therapie der Primärinfektion                                      Schluckbeschwerden indiziert. De-
                                                 Nur die symptomatische Primärin-                                  tails gehen aus ETabelle 1 hervor.
      Der serologische Nachweis von HSV-         fektion wird therapiert. Eine simulta-                            Aciclovir kann bei Niereninsuffizi-
      Antikörpern ist zur Primärdiagnostik       ne Therapie des asymptomatischen                                  enz kumulieren und wäre dann
      ungeeignet, hat aber Bedeutung für         Partners ist nicht indiziert. Sie könnte                          kon-traindiziert. Dies muss auch bei
      die Risikoabschätzung einer Primär-        unter besonderen Umständen zur                                    Feten mit intrauterin diagnostizier-
      infektion, besonders vor und in der        Prophylaxe erwogen werden, wenn                                   ten Nierenerkrankungen, und evtl.
      Schwangerschaft. Zur Labordiag-            bekannt ist, dass der Partner serone-                             bei Oligohydramnion, bedacht wer-
      nostik sollte ein Nukleinsäureampli-       gativ ist.                                                        den.

                 2/2018
HERPES GENITALIS                         15

 • meist ist die primäre Infektion symptomlos!                                                   Infektion werden sofort und ohne         CME
 • die Symptome der Primärinfektion dauern bis zu 3 Wochen;                                      Abwarten von bestätigenden Labor-
 • die Aciclovirtherapie verkürzt und lindert nur die Symptome;                                  befunden mit Aciclovir 3 x 20 mg/kg
 • HSV 1 führt zu selteneren, HSV 2 zu mehr Rezidiven und gefährdet im Fall einer                KG/Tag (alle 8 Std.) über 10 Tage
   Schwangerschaft das Kind mehr;                                                                intravenös behandelt, disseminierte
 • während klinischer Symptomatik, aber auch in vielen Fällen ohne diese (statistisch in ca.     und ZNS-Infektionen 3 Wochen lang
   20 %) findet eine unbemerkte Virusauschüttung statt, d. h. es besteht Infektiosität mit der   [13, 14].
   Möglichkeit, den seronegativen Sexualpartner zu infizieren;
 • ein seronegativer Partner kann durch Kondome und/oder eine Suppressionstherapie vor           Beratung
   einer Primärinfektion geschützt werden, allerdings nie zu 100 %;
                                                                                                 Im Fall einer Primärinfektion, beim
 • Partner mit Herpes labialis können bei orogenitalen Kontakten einen primären Herpes           Eintreten einer Schwangerschaft und
   genitalis beim seronegativen Sexualpartner verursachen und umgekehrt;
                                                                                                 in individuellen Situationen (z. B.
 • das Infektionsrisiko ist für das Baby am höchsten (30–50 %), wenn eine HSV – Aus-             Partnerwechsel) muss eine ausführli-
   schüttung (mit oder ohne Symptomatik) in den letzten 2 Wochen vor bzw. unter der
   Geburt auftritt und bei der Mutter keine Antikörper vorliegen; es liegt aber nur bei etwa     che und angemessene ärztliche Bera-
   1 %, wenn die Mutter bei der Geburt Antikörper hat, also ein Rezidiv vorliegt, oder die       tung der Patientin, besser des Paares,
   Primärinfektion im ersten Trimenon stattgefunden hat, und selbst bei Vorliegen eines          erfolgen.
   Rezidivs während der Geburt nur bei 2–5 %.
 • serologische Antikörpertests (IgG) sind geeignet, um nicht infizierte oder asymptoma-         Das Wissen um die Problematik führt
   tische Partner zu identifizieren; sie sollten den Virustyp 1 und 2 unterscheiden können;
                                                                                                 zu einem verändertem Sexualverhal-
   eine Serokonversion von negativem zu positivem IgG beweist eine Primärinfektion.
                                                                                                 ten von Schwangeren [17] und hat
 • Aciclovir ist zwar nicht für den Gebrauch in der Schwangerschaft zugelassen, doch nach
   Aufklärung darüber off label erlaubt und empfohlen, da nicht mit kindlichen Schäden zu
                                                                                                 weniger neonatale Infektionen zur
   rechnen ist und die Risiko – Nutzen – Abwägung positiv ausfällt.                              Folge [6]. Frauen sollten bei Be-
                                                                                                 kanntwerden einer Schwanger-
Tab. 2: Informationen über HSV – Infektionen für betroffene Frauen/Paare
                                                                                                 schaft gefragt werden, ob sie oder
                                                                                                 ihr Partner schon einmal an einer
                                                                                                 oralen oder genitalen Herpesinfekti-
Supportive/symptomatische Maß-                     Suppression von                               on erkrankt waren und ob evtl. ein
nahmen sind empfehlenswert. Da-                    (chronischen)Rezidiven                        positiver Virusdirektnachweis oder
zu gehören Analgetika/Antiphlogis-                 Bei häufigen Rezidiven ist eine dau-          serologische Antikörpertiter be-
tika, ggf. auch Lidocaingel lokal oder             erhafte medikamentöse Suppressi-              kannt sind (E Tab. 2).
Spülungen mit Kochsalzlösung.                      on über Monate bis Jahre indiziert
                                                   und sollte mit der Patientin abge-            Impfstoffe gibt es bisher nicht.
Ganz wesentlich ist eine adäquate                  stimmt werden. Sie ist bei Aciclovir
ausführliche Beratung der Patientin,               über mindestens 6 bis zu 18 Jahren            Vorgehen bei HSV – Infektionen
möglichst mit Einbeziehung des                     als gefahrlos ohne Resistenzent-              in der Schwangerschaft
Partners (s. auch E Tab. 2.).                      wicklung dokumentiert [11]. Leider            Bei einer vermuteten Erstinfektion
                                                   kann auch die Dauersuppression oft            in der Schwangerschaft müssen Ab-
Episodische Therapie des                           keine signifikante Reduktion von Re-          striche von den Läsionen zum Di-
rezidivierenden Herpes genitalis                   zidiven erzielen, obwohl sie statis-          rektnachweis von (getrennt) HSV
Die Patientin sollte bei bekannter Re-             tisch in 70–80 % der Fälle eintritt.          Typ 1 und Typ 2 sowie IgG-Antikör-
zidivierung prophylaktisch mit dem                 Die Notwendigkeit zur Therapie                per getrennt auf HSV Typ 1 und Typ
Medikament oder einem Rezept ver-                  sollte jährlich überprüft werden.             2 durchgeführt werden. Nur so ist
sorgt sein, damit der Beginn der The-                                                            ei-ne adäquate Beratung mit Risiko-
rapie am ersten Tag der Symptoma-                  Aciclovir, Famciclovir und Valaciclovir       abschätzung hinsichtlich vaginaler
tik ermöglicht wird (ETab. 1). Die                 reduzieren signifikant sowohl die             Geburt möglich. Wegen des häufi-
Therapie reduziert die Symptomdau-                 Frequenz von Rezidiven als auch die           gen asymptomatischen „virus shed-
er um 1 bis 2 Tage, kann aber bei frü-             Virusausschüttung. Die Suppression            ding“ wird zusätzlich zu einer Virus-
hem Beginn in etwa einem Drittel                   mit Valaciclovir 500 mg/Tag reduzier-         suppression ab der 36. SSW, die
der Fälle den Ausbruch des Rezidivs                te in einer Studie die Virusausschüt-         nicht das Ausschütten der Viren in
unterdrücken. In vitro-Studien bele-               tung bei serodiskordanten Paaren              allen Fällen dauerhaft unterdrücken
gen, dass auch Flavonoide von Pro-                 um 50 % [1]. Als optimale Dosierung           kann, geraten, präpartal 2 vulvova-
polis und ätherische Öle, von u. a.                gilt Aciclovir 800 mg/Tag (ETab. 1).          ginale Abstriche zum PCR – Nach-
Thymian, Ingwer, Sandelholz und                                                                  weis von HSV 1 und 2 zu entneh-
besonders Kamille, einen viruziden                 Therapie des Herpes neonatorum                men, um unnötige Kaiserschnitte
Effekt auf HSV 2 haben [15, 16].                   Kinder mit Verdacht auf eine HSV-             zu vermeiden (E Tab. 3).

                                                                                                                  2/2018
16          HERPES GENITALIS

CME    3.1 Primärinfektion                                                                         negativen Sexualpartner zu infizie-
       Immer Therapie der Mutter: 3 x 400 mg Aciclovir oral 10 Tage
                                                                                                   ren, ist auch ohne Symptomatik
                                                                                                   möglich. Auch bei anscheinend ein-
       3.1.1 Primärinfektion im 1. oder 2. Trimenon:
                                                                                                   deutigen, besonders aber bei unty-
       • ab 32. SSW mind. 2 konsekutive vulvovaginale Abstriche (PCR) auf HSV -1 und -2.           pischen klinischen Bildern, können
       Prophylaxe mit 3 x 400 mg Aciclovir/Tag ab 36. SSW bis zur Geburt
                                                                                                   andere Erkrankungen, wie z. B. ein
       Bei negativem Abstrich ohne Prodromi oder Läsionen am ET/bei Wehen:
       vaginale Entbindung!                                                                        Morbus Behcet, vorliegen.
       Bei positivem Abstrich oder Podromi bzw. Läsionen:
       Sectio!                                                                                     HSV 1 und HSV 2 sollten, zumindest
       3.1.2 Primärinfektion > 34. SSW:                                                            zur primären Diagnostik, immer ge-
       3 x 400 mg Aciclovir/Tag bis zur Geburt,                                                    trennt durch geeignete Abstrich-
       primäre Sectio.                                                                             technik im Labor mit NAAT identifi-
       Falls vaginale Geburt unvermeidbar ist oder Blasensprung > 4 Std. besteht: Behandlung von   ziert werden. Schwangere können
       Mutter (fTab. 1) und Kind (Kap. 7.4).                                                       vom Partner primär infiziert werden,
       3.2 Rezidive                                                                                außerdem könnten sie das Neuge-
       Therapie der Mutter nach Bedarf (fTab. 2)                                                   borene bei genitaler Virusausschüt-
       und,                                                                                        tung peripartal mit der Gefahr ei-
       falls Rezidiv im 1. oder 2. Trimenon:                                                       ner schweren Herpeserkrankung mit
       • ab 36. SSW Aciclovir 3 x 400 mg/d                                                         Sepsis, Zerebralschaden und Tod
              oder Valaciclovir 2 x 250 mg/d
                                                                                                   infizieren. Bei Verdacht auf Herpes
       (Rezidivrisiko bei Geburt wird um ca. 70–80 % gesenkt).
       und                                                                                         genitalis muss deshalb zur Abschät-
       • vulvovaginale Abstriche (PCR) etwa am errechneten Geburtstermin:                          zung des Risikos und zu adäquater
       falls negativ: vaginale Entbindung,                                                         Beratung, sowohl der direkte Virus-
       falls positiv oder klinisch Rezidiv am ET/bei Geburtsbeginn und kein Blasensprung:          nachweisals auch der Antikörper-
       Sectio und Aciclovir für Mutter und Kind (fTab. 1 und Kapitel 7.4)
                                                                                                   status (IgG) für HSV 1 und HSV 2
      Tab. 3: Vorgehen bei HSV-Infektionen in der Schwangerschaft                                  differenziert bestimmt werden.

                                                                                                   Allle Literaturstellen unter:
      Es gab in Deutschland bereits Klagen             sollte aber zuvor die Hände desinfi-        medizin.mgo-fachverlage.de
      gegen Ärzte und Hebammen, nach-                  zieren und einen Mundschutz tra-
      dem das Neugeborene nach unkom-                  gen. Sie sollte das Baby natürlich
      plizierter Geburt infiziert und schwer           nicht küssen, solange sie Sympto-           Korrespondenzadresse:
                                                                                                   Prof. Dr. med. Werner Mendling
      geschädigt wurde oder verstorben ist,            me hat. Neugeborene von infizier-           Deutsches Zentrum für Infektionen in
      da es durch den anwesenden Vater                 ten Müttern haben zwar eine „stille         Gynäkologie und Geburtshilfe
      mit akut rezidivierendem Herpes la-              Feiung“ durch transplazentar über-          www.werner-mendling.de
      bialis infiziert wurde, der unter einem          tragene IgG-Antikörper, die sie vor         w.mendling@t-online.de

      Bart verborgen oder klinisch unbe-               einer Herpessepsis schützen, kön-
      merkt war. Bedeutsam und für das                 nen aber dennoch eine perinatale
      Neugeborene besonders riskant ist die            Infektion, mit über Nervenscheiden
      Antikörper-negative Mutter. Überträ-             fortgeleiteter Enzephalitis, erlei-
      ger ist häufig der Vater oder eine ande-         den. Deshalb wird die Aciclovirpro-
      re nahestehende Kontaktperson [14].              phylaxe auch bei Rezidiven emp-             Prof. Dr. med.
                                                                                                   Werner Mendling
      Es wird deshalb auch dringend emp-               fohlen.
      fohlen, in Dienstanweisungen fest-
      zuhalten, dass an – z. B. Herpes la-             Zusammenfassung
      bialis – erkranktes medizinisches Per-           Der Herpes genitalis ist durch HSV
      sonal nicht bei der unmittelbaren Be-            Typ 1 und HSV Typ 2 gleichermaßen
      treuung von Schwangeren, Gebä-                   und ohne klinische Unterscheidung
      renden und Neu-(Früh-)geborenen                  möglich. Eine perinatale Gefähr-
      mitwirken darf, was im Alltag bei re-            dung des Neugeborenen ist über-
      duziertem Personalschlüssel zu Orga-             wiegend durch HSV Typ 2 bedingt.
      nisationsproblemen führen könnte!                Die Primärinfektion wird meist kli-
                                                       nisch nicht bemerkt, Virusausschüt-
      Eine Mutter mit rezidivierendem                  tung bzw. die Gefahr, den bisher
      Herpes labialis darf ihr Kind stillen,           gegen diesen Virustyp Antikörper-

                   2/2018
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