Herpes genitalis in der Schwangerschaft - MGO Fachverlage
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12 HERPES GENITALIS CME Herpes genitalis in der Schwangerschaft Werner Mendling gyn_© Kateryna_Kon - Fotolia Herpes simplex-Infektionen zählen Erreger lis in das Lumbosakralganglion), wo es zu den nicht meldepflichtigen sexu- Zu den Herpesviren zählen u. a. die lebenslang verbleibt und bei endoge- ell übertragbaren Infektionen. Ihr Herpes simplex-Viren Typ 1 und Typ 2 nem oder exogenem Stress bzw. bei Vorkommen ist von äußeren (Sexual- (HSV 1 und 2) [2, 3]. HSV 1 galt pri- Immunsuppression reaktiviert wird. verhalten, Drogenmissbrauch, bak- mär als Erreger des Herpes labialis so- terielle Vaginose) und endogenen wie von Gingivostomatitis, Kerato- Läsionen und andere sexuell über- (Ethnie, Alter, Immunologie) Fakto- konjunktivitis, Ösophagusulzeratio- tragbare Infektionen (sexually trans- ren beeinflusst und ein globales Ge- nen und (selten) Enzephalitis. HSV 2 mitted infections/STI) begünstigen sundheitsproblem [1]. wurde als primärer Verursacher des die HSV-Infektion und umgekehrt. Herpes genitalis und des Herpes neo- Besonders bedeutsam ist das in Län- Schwangere mit anamnestisch rezi- natorum gesehen. Diese bisherige dern mit hohem Vorkommen der In- divierenden labialen oder genita- Zuordnung stimmt so nicht mehr. fektion mit dem humanen Immun- len Herpes simplex-Infektionen sind defizienzvirus (HIV) – dann können häufig. Aber auch deren Partner Das Herpes simplex-Virus tritt bei der schwere und ungewöhnliche Ver- oder medizinisches Personal, das Infektion in eine Zelle ein, vermehrt läufe vorkommen [4]. Schwangere oder Neugeborene be- sich und führt ggf. zu klinischen treut, kann darunter leiden und so- Symptomen. Es wird dann über axo- Virusausschüttung mit eine Gefahr für das Neu- oder nalen Transport in das regionale HSV kann periodisch in latent infi- Frühgeborene werden. Ganglion gebracht (bei Herpes genita- zierten Zellen, besonders oft bei 2/2018
HERPES GENITALIS 13 HSV 2, reaktiviert werden. In einer und in 10,2 % bei 88 Personen ohne dann ein Dauerkatheter oder besser CME prospektiven Studie mit 498 HSV 2- klinische Symptomatik mit Polyme- ein suprapubischer Katheter gelegt seropositiven Personen war die rasekettenreaktion (PCR) gefunden werden!) oder am Anus auftreten. Virusausschüttung größer bzw. häu- werden [5]. Schon vorhandene Antikörper ge- figer, wenn sie zuvor klinische Zei- gen HSV 1 können die Symptome ei- chen einer HSV 2-Infektion gehabt Mit einer intrauterinen Transmission, ner primären HSV 2-Infektion lin- hatten, und trat insgesamt an 85 von die zu Abort, Totgeburt oder Fehlbil- dern und umgekehrt. 519 asymptomatischen Tagen (ent- dungen führen kann, ist bei etwa spricht 16,4 %) auf [5]. Diese kli- 1:100.000 Fällen zu rechnen, wäh- Gerade während einer Schwanger- nisch unbemerkte Virusausschüt- rend die peripartale Transmission schaft können besonders schwere tung („shedding“) wurde auch in bzw. perinatale Infektionsrate des Primärinfektionen im Sinne einer weiteren Studien nachgewiesen [6]. Neugeborenen in den USA auf etwa Gingivostomatitis oder einer herpe- 5–31:100.000 Lebendgeburten ge- tischen Vulvovaginitis auftreten und Epidemiologie schätzt wird (3). (selten) disseminieren. Die Infektion mit HSV 1 erfolgt – meist nicht sexuell – in der Kindheit. Klinische Symptomatik Bei Immunsupprimierten, z. B. bei Sie kann mit oder (in etwa 90 % der Primärinfektion HIV-positiven Patientinnen, können Fälle) ohne klinische Symptomatik Sehr viele Primärinfektionen verlau- Schwere und Dauer der klinischen erfolgen. In Deutschland ist jedes 5. fen klinisch inapparent! Symptome und die Rezidivhäufigkeit Kind im Alter von 2 bis 3 Jahren vermehrt sein und selten ungewöhn- bereits HSV 1-positiv, Erwachsene Symptome der Primärinfektion kön- liche klinische Verläufe zeigen [4]. später in über 90 % der Fälle. Mit nen 2 bis 20 Tage nach einer Infekti- HSV 2 sind 4 % der Kinder und on auftreten und dauern 3 Wochen. Rezidivierender Herpes genitalis Jugendlichen bis zum 15. Lebensjahr Schwangere leiden unter heftigeren Rezidive verlaufen üblicherweise kli- und 18 % der Frauen im gebärfähi- Primärsymptomen als Nichtschwan- nisch schwächer ab und dauern mit gen Alter infiziert [3]. gere. HSV 1- und HSV 2-Infektionen Prodromi 7 bis 10 Tage. sind klinisch nicht unterscheidbar Im Rahmen einer prospektiven Un- [8]. Die klinischen Symptome kön- Herpes neonatorum tersuchung im Kontrollkollektiv zur nen wegen der Schwere des Krank- Man unterscheidet zwischen der Testung eines Impfstoffs bei 3.438 heitsbildes unvergesslich sein, aber intrauterinen, kongenitalen und der HSV 1- und 2-seronegativen ameri- auch schwach und uncharakteris- perinatalen HSV- Infektion, die prak- kanischen Frauen im Alter von 18 bis tisch ausgeprägt oder im Zusammen- tisch immer vertikal von der Mutter 30 Jahren wurden innerhalb von 20 hang mit anderen Hautkrankheiten auf das Kind übertragen wird, und Monaten 3,7 % der Probanden neu maskiert sein. Deshalb wird dringend der postnatalen HSV-Infektion, für mit HSV 1 und 1,6 % mit HSV 2 zur Absicherung durch direkten Vi- die auch andere Personen als Infekti- infiziert. 74 % der HSV 1- und 63 % rusnachweis aus den Läsionen gera- onsquelle in Frage kommen können der HSV 2-Infektionen erfolgten ten [2, 3, 9, 10, 11, 12]. Zudem ist die [2, 3, 13, 14]. symptomlos. Es waren signifikante Kenntnis über den Virustyp bera- ethnische Unterschiede erkennbar. tungsrelevant für Schwangere. Nur etwa 5 % der Feten werden 84 % aller klinischen HSV-Erkran- – meist durch HSV 2 – intrauterin in- kungen waren genital lokalisiert, Typisch sind Prodromi wie Span- fiziert. In 50 % der Fälle geschieht und es gab keine Unterschiede in der nungsgefühl und Juckreiz an der dies bei schwerer Infektion der Mut- klinischen Erscheinung von HSV 1- Vulva und im Introitus vaginae. ter im 1. Trimenon mit hoher Gefahr und 2 [7]. Es folgen Schmerzen, Fluor, Bläs- für Abort, Totgeburt oder Fehlbil- chen, später Ulzerationen, ggf. auch dungen und einer perinatalen Mor- In einer weiteren prospektiven Stu- Superinfektionen, oft durch Candi- talität um 50 % [2, 13]. die mit 498 amerikanischen HSV 2- da albicans. In den ersten Tagen sind seropositiven Frauen war zwischen fast immer regionale Lymphknoten In bis zu 90 % der Fälle aber wurde 1992 und 2008 die Frequenz des geschwollen, es treten grippearti- HSV (in etwa drei Vierteln ist es „viral shedding“, also der Infektiosi- ge Abgeschlagenheit, Glieder- oder HSV 2, das schwerere Verläufe verur- tät, mit täglich entnommenen Ab- Gelenkschmerzen, Temperaturerhö- sachen kann) während der Geburt strichen über mindestens 30 Tage hung und – in bis zu einem Drittel der übertragen, der Rest in den ersten untersucht worden: HSV 2 konnte Fälle – Meningismus auf. Die Ulzera- Stunden bis Tagen danach. In 50 % dabei in 20,1 % bei 410 Personen tionen können auch auf der Portio, der Fälle hat die Mutter bei der Über- mit klinischer Herpessymptomatik in und an der Harnröhre (ggf. muss tragung auf ihr Kind eine primäre 2/2018
14 HERPES GENITALIS CME HSV-Infektion, während das Über- Primärinfektion Episodische Therapie Suppressionstherapie tragungsrisiko bei einem HSV-Rezi- (reduziert Symptomatik um (reduziert Frequenz um div unter der Geburt nur bei 2–5 % 1–2 Tage!) 70–80%) liegt. Wichtig ist aber, dass die HSV- Immer Beginn innerhalb Infektion der Mutter in 70 % der Fäl- von 1 (- 5) Tagen und 5 Tage > 6–10 Rezidive/a lang 5 Tage oder weniger le von perinataler Infektion asympto- matisch besteht [2, 3]! Aciclovir 5 x 200 mg/d 4 x 200 mg/d, ggf. jahre- oder lang, oder Aciclovir 3 x 400 mg/d 2 x 800 mg/d 2 Tage 2 x 400 mg/d Die Symptome beginnen beim Kind oder oder oder meist in der 2. und 3. Lebenswoche. Famciclovir 3 x 250 mg/d 2 x 1000 mg/d 1 Tag 2 x 250 mg/d Es besteht je nach Schwere der Er- oder oder oder krankung eine hohe Letalität bzw. Valaciclovir 2 x 500 mg/d 2 x 500 mg/d 3 Tage 2 x 250 mg/d Gefahr von dauerhaften Handicaps. Schwangere (siehe auch Tab. 3) 10 Tage lang (11) Diagnostik Aciclovir 5 x 200 mg/d wie Primärinfektion 3 x 400 mg/d Ein serologisches Screening wird ab 36. SSW bis zur Geburt nicht empfohlen. Valaciclovir 3 x 400 mg/d 2 x 500 mg/d 10 Tage 2 x 250mg/d Bei Aciclovir und Famciclovir besteht kein fetales Risiko, auch nicht vor der 14. SSW. Valaciclovir ist als Valin-Ester dem Vulvaschmerzen durch Ulzera kön- Aciclovir sehr ähnlich, so dass seine Sicherheit zumindest auf das 3. Trimester extrapoliert werden darf, doch sichere Daten liegen nicht vor. nen so stark sein, dass eine gynäko- logische Untersuchung oder das Sit- Tab. 1: Therapie des Herpes genitalis zen für eine ganze Woche qualvoll ist. Inguinale Lymphknotenschwel- lung und grippeartige Beschwerden an den ersten Tagen sind typisch. fikationstest (NAAT) mit PCR zur Dif- Die Therapie muss so schnell wie Es wird dringend der Virusnachweis ferenzierung von HSV-Typ 1 und -Typ möglich und spätestens am 5. Tag der aus den Läsionen empfohlen [2, 3, 2 durchgeführt werden. Prodromi + Symptomatik begonnen 8, 9, 10, 11, 12]. Bei klinisch anschei- werden, um noch effektiv zu sein. Sie nend eindeutigen Fällen erlaubt Im Falle serologischer Tests sollten dauert 5 Tage und erfolgt immer oral, die Differenzierung von HSV 1- bzw. solche angewendet werden, die eine da lokale Therapien erfolglos sind HSV 2-Infektionen eine geeignete Differenzierung von HSV 1- und und dabei die Entwicklung von Aci- Beratung von Schwangeren hin- -2-Antikörpern erlauben. Immun- clovirresistenz beobachtet worden sichtlich des neonatalen Risikos. globulin (Ig) M-Tests werden nicht ist. Bei schwerem und längerem Ver- Außerdem erlaubt der Virusnach- empfohlen [3, 9]. Der den Abstrich lauf kann die orale Therapie auf 7–10 weis die Unterscheidung einer HSV- entnehmende Arzt sollte nach Kon- Tage verlängert werden. Sie wird we- Infektion in klinisch nicht eindeuti- takt mit dem Laborarzt immer das gen der Schwere der Symptome bei gen Fällen von anderen ulzerösen geeignete Abstrichset zur Hand ha- klinischem Verdacht begonnen, ohne oder vesikulösen Hauterkrankungen ben! Dieses muss geschützt in einem Laborbefunde abzuwarten. Schwan- (Pemphigus, Pemphigoid, aphthöse gekennzeichneten Transportbehäl- gere sollten 10 Tage behandelt wer- Erkrankungen, M. Behcet, auch Sy- ter verschickt werden (Gefahrgut den [3, 9, 10, 11, 12]. philis, u. a.) (EAbb. 1 und 2). Kategorie B Risikogruppe 2) [3]. Je nach Verfügbarkeit, Kosten oder Ein negativer Virusnachweis bedeu- Das Risiko anderer sexuell übertragba- individueller Compliance kommen tet nicht, dass eine HSV-Infektion rer Infektionen muss bedacht werden. Aciclovir und seine Verwandten zur ausgeschlossen ist, da die Virusaus- Anwendung. Eine intravenöse The- schüttung am symptomlosen Ent- Therapie rapie ist nur bei Erbrechen oder nahmeort wechseln kann. Therapie der Primärinfektion Schluckbeschwerden indiziert. De- Nur die symptomatische Primärin- tails gehen aus ETabelle 1 hervor. Der serologische Nachweis von HSV- fektion wird therapiert. Eine simulta- Aciclovir kann bei Niereninsuffizi- Antikörpern ist zur Primärdiagnostik ne Therapie des asymptomatischen enz kumulieren und wäre dann ungeeignet, hat aber Bedeutung für Partners ist nicht indiziert. Sie könnte kon-traindiziert. Dies muss auch bei die Risikoabschätzung einer Primär- unter besonderen Umständen zur Feten mit intrauterin diagnostizier- infektion, besonders vor und in der Prophylaxe erwogen werden, wenn ten Nierenerkrankungen, und evtl. Schwangerschaft. Zur Labordiag- bekannt ist, dass der Partner serone- bei Oligohydramnion, bedacht wer- nostik sollte ein Nukleinsäureampli- gativ ist. den. 2/2018
HERPES GENITALIS 15 • meist ist die primäre Infektion symptomlos! Infektion werden sofort und ohne CME • die Symptome der Primärinfektion dauern bis zu 3 Wochen; Abwarten von bestätigenden Labor- • die Aciclovirtherapie verkürzt und lindert nur die Symptome; befunden mit Aciclovir 3 x 20 mg/kg • HSV 1 führt zu selteneren, HSV 2 zu mehr Rezidiven und gefährdet im Fall einer KG/Tag (alle 8 Std.) über 10 Tage Schwangerschaft das Kind mehr; intravenös behandelt, disseminierte • während klinischer Symptomatik, aber auch in vielen Fällen ohne diese (statistisch in ca. und ZNS-Infektionen 3 Wochen lang 20 %) findet eine unbemerkte Virusauschüttung statt, d. h. es besteht Infektiosität mit der [13, 14]. Möglichkeit, den seronegativen Sexualpartner zu infizieren; • ein seronegativer Partner kann durch Kondome und/oder eine Suppressionstherapie vor Beratung einer Primärinfektion geschützt werden, allerdings nie zu 100 %; Im Fall einer Primärinfektion, beim • Partner mit Herpes labialis können bei orogenitalen Kontakten einen primären Herpes Eintreten einer Schwangerschaft und genitalis beim seronegativen Sexualpartner verursachen und umgekehrt; in individuellen Situationen (z. B. • das Infektionsrisiko ist für das Baby am höchsten (30–50 %), wenn eine HSV – Aus- Partnerwechsel) muss eine ausführli- schüttung (mit oder ohne Symptomatik) in den letzten 2 Wochen vor bzw. unter der Geburt auftritt und bei der Mutter keine Antikörper vorliegen; es liegt aber nur bei etwa che und angemessene ärztliche Bera- 1 %, wenn die Mutter bei der Geburt Antikörper hat, also ein Rezidiv vorliegt, oder die tung der Patientin, besser des Paares, Primärinfektion im ersten Trimenon stattgefunden hat, und selbst bei Vorliegen eines erfolgen. Rezidivs während der Geburt nur bei 2–5 %. • serologische Antikörpertests (IgG) sind geeignet, um nicht infizierte oder asymptoma- Das Wissen um die Problematik führt tische Partner zu identifizieren; sie sollten den Virustyp 1 und 2 unterscheiden können; zu einem verändertem Sexualverhal- eine Serokonversion von negativem zu positivem IgG beweist eine Primärinfektion. ten von Schwangeren [17] und hat • Aciclovir ist zwar nicht für den Gebrauch in der Schwangerschaft zugelassen, doch nach Aufklärung darüber off label erlaubt und empfohlen, da nicht mit kindlichen Schäden zu weniger neonatale Infektionen zur rechnen ist und die Risiko – Nutzen – Abwägung positiv ausfällt. Folge [6]. Frauen sollten bei Be- kanntwerden einer Schwanger- Tab. 2: Informationen über HSV – Infektionen für betroffene Frauen/Paare schaft gefragt werden, ob sie oder ihr Partner schon einmal an einer oralen oder genitalen Herpesinfekti- Supportive/symptomatische Maß- Suppression von on erkrankt waren und ob evtl. ein nahmen sind empfehlenswert. Da- (chronischen)Rezidiven positiver Virusdirektnachweis oder zu gehören Analgetika/Antiphlogis- Bei häufigen Rezidiven ist eine dau- serologische Antikörpertiter be- tika, ggf. auch Lidocaingel lokal oder erhafte medikamentöse Suppressi- kannt sind (E Tab. 2). Spülungen mit Kochsalzlösung. on über Monate bis Jahre indiziert und sollte mit der Patientin abge- Impfstoffe gibt es bisher nicht. Ganz wesentlich ist eine adäquate stimmt werden. Sie ist bei Aciclovir ausführliche Beratung der Patientin, über mindestens 6 bis zu 18 Jahren Vorgehen bei HSV – Infektionen möglichst mit Einbeziehung des als gefahrlos ohne Resistenzent- in der Schwangerschaft Partners (s. auch E Tab. 2.). wicklung dokumentiert [11]. Leider Bei einer vermuteten Erstinfektion kann auch die Dauersuppression oft in der Schwangerschaft müssen Ab- Episodische Therapie des keine signifikante Reduktion von Re- striche von den Läsionen zum Di- rezidivierenden Herpes genitalis zidiven erzielen, obwohl sie statis- rektnachweis von (getrennt) HSV Die Patientin sollte bei bekannter Re- tisch in 70–80 % der Fälle eintritt. Typ 1 und Typ 2 sowie IgG-Antikör- zidivierung prophylaktisch mit dem Die Notwendigkeit zur Therapie per getrennt auf HSV Typ 1 und Typ Medikament oder einem Rezept ver- sollte jährlich überprüft werden. 2 durchgeführt werden. Nur so ist sorgt sein, damit der Beginn der The- ei-ne adäquate Beratung mit Risiko- rapie am ersten Tag der Symptoma- Aciclovir, Famciclovir und Valaciclovir abschätzung hinsichtlich vaginaler tik ermöglicht wird (ETab. 1). Die reduzieren signifikant sowohl die Geburt möglich. Wegen des häufi- Therapie reduziert die Symptomdau- Frequenz von Rezidiven als auch die gen asymptomatischen „virus shed- er um 1 bis 2 Tage, kann aber bei frü- Virusausschüttung. Die Suppression ding“ wird zusätzlich zu einer Virus- hem Beginn in etwa einem Drittel mit Valaciclovir 500 mg/Tag reduzier- suppression ab der 36. SSW, die der Fälle den Ausbruch des Rezidivs te in einer Studie die Virusausschüt- nicht das Ausschütten der Viren in unterdrücken. In vitro-Studien bele- tung bei serodiskordanten Paaren allen Fällen dauerhaft unterdrücken gen, dass auch Flavonoide von Pro- um 50 % [1]. Als optimale Dosierung kann, geraten, präpartal 2 vulvova- polis und ätherische Öle, von u. a. gilt Aciclovir 800 mg/Tag (ETab. 1). ginale Abstriche zum PCR – Nach- Thymian, Ingwer, Sandelholz und weis von HSV 1 und 2 zu entneh- besonders Kamille, einen viruziden Therapie des Herpes neonatorum men, um unnötige Kaiserschnitte Effekt auf HSV 2 haben [15, 16]. Kinder mit Verdacht auf eine HSV- zu vermeiden (E Tab. 3). 2/2018
16 HERPES GENITALIS CME 3.1 Primärinfektion negativen Sexualpartner zu infizie- Immer Therapie der Mutter: 3 x 400 mg Aciclovir oral 10 Tage ren, ist auch ohne Symptomatik möglich. Auch bei anscheinend ein- 3.1.1 Primärinfektion im 1. oder 2. Trimenon: deutigen, besonders aber bei unty- • ab 32. SSW mind. 2 konsekutive vulvovaginale Abstriche (PCR) auf HSV -1 und -2. pischen klinischen Bildern, können Prophylaxe mit 3 x 400 mg Aciclovir/Tag ab 36. SSW bis zur Geburt andere Erkrankungen, wie z. B. ein Bei negativem Abstrich ohne Prodromi oder Läsionen am ET/bei Wehen: vaginale Entbindung! Morbus Behcet, vorliegen. Bei positivem Abstrich oder Podromi bzw. Läsionen: Sectio! HSV 1 und HSV 2 sollten, zumindest 3.1.2 Primärinfektion > 34. SSW: zur primären Diagnostik, immer ge- 3 x 400 mg Aciclovir/Tag bis zur Geburt, trennt durch geeignete Abstrich- primäre Sectio. technik im Labor mit NAAT identifi- Falls vaginale Geburt unvermeidbar ist oder Blasensprung > 4 Std. besteht: Behandlung von ziert werden. Schwangere können Mutter (fTab. 1) und Kind (Kap. 7.4). vom Partner primär infiziert werden, 3.2 Rezidive außerdem könnten sie das Neuge- Therapie der Mutter nach Bedarf (fTab. 2) borene bei genitaler Virusausschüt- und, tung peripartal mit der Gefahr ei- falls Rezidiv im 1. oder 2. Trimenon: ner schweren Herpeserkrankung mit • ab 36. SSW Aciclovir 3 x 400 mg/d Sepsis, Zerebralschaden und Tod oder Valaciclovir 2 x 250 mg/d infizieren. Bei Verdacht auf Herpes (Rezidivrisiko bei Geburt wird um ca. 70–80 % gesenkt). und genitalis muss deshalb zur Abschät- • vulvovaginale Abstriche (PCR) etwa am errechneten Geburtstermin: zung des Risikos und zu adäquater falls negativ: vaginale Entbindung, Beratung, sowohl der direkte Virus- falls positiv oder klinisch Rezidiv am ET/bei Geburtsbeginn und kein Blasensprung: nachweisals auch der Antikörper- Sectio und Aciclovir für Mutter und Kind (fTab. 1 und Kapitel 7.4) status (IgG) für HSV 1 und HSV 2 Tab. 3: Vorgehen bei HSV-Infektionen in der Schwangerschaft differenziert bestimmt werden. Allle Literaturstellen unter: Es gab in Deutschland bereits Klagen sollte aber zuvor die Hände desinfi- medizin.mgo-fachverlage.de gegen Ärzte und Hebammen, nach- zieren und einen Mundschutz tra- dem das Neugeborene nach unkom- gen. Sie sollte das Baby natürlich plizierter Geburt infiziert und schwer nicht küssen, solange sie Sympto- Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Werner Mendling geschädigt wurde oder verstorben ist, me hat. Neugeborene von infizier- Deutsches Zentrum für Infektionen in da es durch den anwesenden Vater ten Müttern haben zwar eine „stille Gynäkologie und Geburtshilfe mit akut rezidivierendem Herpes la- Feiung“ durch transplazentar über- www.werner-mendling.de bialis infiziert wurde, der unter einem tragene IgG-Antikörper, die sie vor w.mendling@t-online.de Bart verborgen oder klinisch unbe- einer Herpessepsis schützen, kön- merkt war. Bedeutsam und für das nen aber dennoch eine perinatale Neugeborene besonders riskant ist die Infektion, mit über Nervenscheiden Antikörper-negative Mutter. Überträ- fortgeleiteter Enzephalitis, erlei- ger ist häufig der Vater oder eine ande- den. Deshalb wird die Aciclovirpro- re nahestehende Kontaktperson [14]. phylaxe auch bei Rezidiven emp- Prof. Dr. med. Werner Mendling Es wird deshalb auch dringend emp- fohlen. fohlen, in Dienstanweisungen fest- zuhalten, dass an – z. B. Herpes la- Zusammenfassung bialis – erkranktes medizinisches Per- Der Herpes genitalis ist durch HSV sonal nicht bei der unmittelbaren Be- Typ 1 und HSV Typ 2 gleichermaßen treuung von Schwangeren, Gebä- und ohne klinische Unterscheidung renden und Neu-(Früh-)geborenen möglich. Eine perinatale Gefähr- mitwirken darf, was im Alltag bei re- dung des Neugeborenen ist über- duziertem Personalschlüssel zu Orga- wiegend durch HSV Typ 2 bedingt. nisationsproblemen führen könnte! Die Primärinfektion wird meist kli- nisch nicht bemerkt, Virusausschüt- Eine Mutter mit rezidivierendem tung bzw. die Gefahr, den bisher Herpes labialis darf ihr Kind stillen, gegen diesen Virustyp Antikörper- 2/2018
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