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Vitamin-D-Mangel: ein Thema für die Volksgesundheit in Europa
                                                           Reichrath J, Nürnberg B
                   Journal für Klinische Endokrinologie und Stoffwechsel - Austrian
                Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 2009; 2 (2), 22-25

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Austrian Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism
                                               Metabolism
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Vitamin-D-Mangel

                          Vitamin-D-Mangel:
              ein Thema für die Volksgesundheit in Europa
                                                                      J. Reichrath, B. Nürnberg

 Kurzfassung: Die meisten Vertebraten benötigen            munsystem und protektive Effekte gegen Krebs und        synthesis, and it has therefore a central role in ob-
 Vitamin D, um ein gesundes mineralisiertes Kno-           andere Erkrankungen, wie Autoimmun- und Infek-          taining a sufficient vitamin D status. Additionally,
 chengerüst auszubilden und aufrechtzuerhalten.            tionserkrankungen. Man kann spekulieren, dass           the skin and various other tissues have the capacity
 Allerdings übt 1,25[OH]2D3, der biologisch aktive         die weitere Erforschung der biologischen Effekte        to synthesize the biologically active vitamin D
 Vitamin-D-Metabolit, unabhängig von seinen Wir-           von Vitamin-D-Analoga in Zukunft zu neuen thera-        metabolite 1,25[OH]2D3, and represent important
 kungen auf Knochen- und Kalziumstoffwechsel               peutischen Einsatzmöglichkeiten führen wird, die        target tissues for 1,25[OH]2D3. In keratinocytes and
 zahlreiche weitere wichtige physiologische Funkti-        neben der Krebsprävention auch die Prävention           other cell types, 1,25[OH]2D3 regulates growth and
 onen im menschlichen Organismus aus. Heute wis-           von Autoimmun- und Infektionskrankheiten bein-          differentiation. Consequently, vitamin D analogues
 sen wir, dass die Haut im Vitamin-D-Stoffwechsel          halten werden. Darüber hinaus ist davon auszuge-        have been introduced for the treatment of the hyper-
 des menschlichen Organismus eine besondere Stel-          hen, dass die dermatologischen Empfehlungen zur         proliferative skin disease psoriasis. “New” func-
 lung einnimmt. Sie ist der einzige Ort der Vitamin-       Hautkrebsprävention reevaluiert werden, um eine         tions of vitamin D analogues include profound ef-
 D-Photosynthese und hat daher für die Aufrechter-         ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Vita-       fects on the immune system as well as protection
 haltung eines ausreichenden Vitamin-D-Status              min D zu gewährleisten.                                 against cancer and other diseases, including auto-
 zentrale Bedeutung. Darüber hinaus hat die Haut,                                                                  immune and infectious diseases. It can be specu-
 neben zahlreichen anderen Organen, die Fähigkeit,         Abstract: Vitamin D Deficiency: an Important            lated that the investigation of biological effects of
 den biologisch aktiven Vitamin-D-Metaboliten              Topic for Human Health in Europe. Most verte-           vitamin D analogues will lead to new therapeutic
 1,25[OH]2D3 zu synthetisieren und stellt ein wichti-      brates need vitamin D to develop and maintain a         applications that, besides cancer prevention, may
 ges Zielgewebe für 1,25[OH]2D3 dar. In Keratino-          healthy mineralized skeleton. However, 1,25[OH]2D3,     include the prevention and treatment of infectious
 zyten und anderen Zelltypen reguliert 1,25[OH]2D3         the biologically active vitamin D metabolite, exerts    as well as of inflammatory diseases. Additionally, it
 Wachstum und Differenzierung. Folgerichtig wer-           a multitude of important physiological effects inde-    can be assumed that dermatological recommend-
 den Vitamin-D-Analoga inzwischen zur Behand-              pendent from the regulation of calcium and bone         ations on sun protection and health campaigns for
 lung der hyperproliferativen Hauterkrankung Psori-        metabolism. We know today that the skin has a           skin cancer prevention will have to be re-evaluated
 asis vulgaris eingesetzt. „Neue“ Funktionen von Vi-       unique role in the human body’s vitamin D endo-         to guarantee a sufficient vitamin D status. J Klin
 tamin-D-Analoga sind u. a. Wirkungen auf das Im-          crine system. It is the only site of vitamin D photo-   Endokrinol Stoffw 2009; 2 (2): 22–5.

„ UV-Strahlung, Vitamin D und Hautkrebs                                                „ Vitamin D: kein Vitamin im
Die Bewertung der positiven und negativen Effekte von UV-                                eigentlichen Sinn
Strahlung wird derzeit intensiv diskutiert. Einerseits stellt die                      Vitamin D ist kein Vitamin im eigentlichen Sinn, da es in der
solare UV-Strahlung den wichtigsten umweltbedingten Risi-                              Haut unter UV-B-Einfluss gebildet werden kann [7]. Bioche-
kofaktor für die Entstehung von hellem (epithelialem) Haut-                            misch gehören die Vitamin-D-Metabolite (Calciferole) in die
krebs (Basalzellkarzinome, Plattenepithelkarzinome der Haut)                           Gruppe der Secosteroide, die wiederum in ihrer chemischen
dar und spielt auch bei der Pathogenese des malignen Mela-                             Struktur den Steroiden ähneln.
noms eine wesentliche Rolle [1–6]. Folgerichtig stellen Maß-
nahmen zum Sonnenschutz, insbesondere bei Risikogruppen,                               Der biologisch aktive Metabolit der Calciferole ist 1,25-
einen wichtigen Bestandteil zur Prävention von Hautkrebs                               Dihydroxyvitamin D3 (1,25[OH]2D3, Calcitriol) [7]. Auf-
dar. Andererseits wissen wir heute, dass auch eine unzurei-                            grund seiner Steroidstruktur und weiterer typischer Eigen-
chende UV-Exposition der Haut mit schwerwiegenden ge-                                  schaften ist es als Hormon zu bezeichnen, welches in Ziel-
sundheitlichen Risiken verbunden ist. Denn der überwiegen-                             zellen seine genomischen Wirkungen über ein nukleäres
de Anteil (ca. 80–90 %) des vom menschlichen Organismus                                Rezeptorprotein (VDR) vermittelt [7]. Die Nomenklatur des
benötigten Vitamin D muss in der Haut unter der Einwirkung                             Vitamin-D-Systems ist verwirrend: So wird der Begriff „Vit-
von UV-B-Strahlung gebildet werden [7]. Wenn diese natürli-                            amin D“ nicht nur synonym mit Vitamin D, sondern oft
che Quelle der Vitamin-D-Versorgung nicht ausreichend ge-                              fälschlich auch synonym mit 1,25[OH]2D3 verwendet. Auch
nutzt wird, resultiert ein Vitamin-D-Mangel, der mit einem                             der Terminus Vitamin-D-Rezeptor (VDR) ist ungenau, da es
erhöhten Risiko für eine Vielzahl unterschiedlicher Erkran-                            sich hierbei um einen hochaffinen Rezeptor für den biolo-
kungen (u. a. Rachitis, Osteomalazie, verschiedene Krebs-                              gisch aktiven Vitamin-D-Metaboliten 1,25[OH]2D3 handelt.
erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Infektionserkran-
kungen) assoziiert ist [7–16]. In diesem Artikel wird das                              „ Der Vitamin-D-Stoffwechsel im
Spannungsfeld zwischen positiven und negativen Effekten                                  menschlichen Organismus: nicht nur
der UV-Strahlung unter Berücksichtigung neuer Forschungs-
ergebnisse erörtert.
                                                                                         von Bedeutung für Knochen- und
                                                                                         Kalziumstoffwechsel
Aus der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum
des Saarlandes, Homburg/Saar                                                           Ausgangspunkt der kutanen Vitamin-D-Biosynthese ist 7-
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Jörg Reichrath, Klinik für Dermatologie,          Dehydrocholesterol (7-DHC). Dieses wird in der Haut gespei-
Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, D-66421 Homburg/    chert und dort in einem photochemischen Prozess unter der
Saar, Kirrberger Straße; E-Mail: hajrei@uniklinik-saarland.de                          Einwirkung von ultraviolettem Licht (UV-B; Wellenlänge:

22     J KLIN ENDOKRINOL STOFFW 2009; 2 (2)

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Vitamin-D-Mangel

290–315 nm) über Zwischenstufen zu Vitamin D3 metabo-            höhte UV-Exposition verantwortlich gemacht. Hierzu tragen
lisiert [7]. Eine Kumulation von Vitamin D3 in der Haut bei      eventuell ein verändertes Freizeitverhalten (Fernreisen in
übermäßiger Sonneneinstrahlung wird durch die Bildung un-        sonnenreiche Regionen, vermehrte Aktivitäten im Freien,
wirksamer Nebenprodukte verhindert [7]. Vitamin D3 ist bio-      Solariumbesuche) bei. Aber vor allem die älterwerdende und
logisch inaktiv und wird nach der Abgabe ins Blut erst durch     somit länger der Sonne exponierte Bevölkerung (Alterspyra-
zwei Hydroxylierungsschritte in der Leber und Niere zum ak-      mide) führt dazu, dass immer mehr Menschen eine hohe ku-
tiven Vitamin-D-Hormon 1,25[OH]2D3 verstoffwechselt [7].         mulative UV-Belastung aufweisen. Es konnte gezeigt wer-
Hierzu gelangt Vitamin D3 über den Blutweg an Vitamin-D-         den, dass für die Photokarzinogenese des hellen Hautkrebses
Bindungsproteine (DBP) gebunden in die Leber, wo es zu 25-       charakteristische UV-B-bedingte DNA-Schädigungen (u. a.
Hydroxyvitamin D (25[OH]2D3) hydroxyliert wird. Dieser           Pyrimidindimere, 6-4-Photoprodukte) in bestimmten Ziel-
Stoffwechselschritt ist wenig limitiert und kaum reguliert.      genen (Plattenepithelkarzinome: p53-Gen; Basalzellkarzino-
25[OH]2D3 ist der wichtigste im Serum gespeicherte Vitamin-      me: PATCHED-Gen) verantwortlich sind. Dagegen verhält es
D-Metabolit und der aussagekräftigste Laborparameter für die     sich beim malignen Melanom anders als beim hellen Haut-
Beurteilung des individuellen Vitamin-D-Status eines mensch-     krebs: Beim malignen Melanom spielen UV-B-induzierte
lichen Organismus [7]. Die entscheidende zweite Hydroxylie-      DNA-Schädigungen keine wichtige Rolle, während kurzzeiti-
rung zum aktiven, im Blut zirkulierenden 1,25[OH]2D3 findet      ge intensive Sonnenexposition (v. a. Sonnenbrände in der Kind-
in der Niere statt [7]. Die renale Produktion von 1,25[OH]2D3    heit) das Melanomrisiko erhöht [3, 4], scheint eine chronische,
wird über zentrale Steuerungsmechanismen durch den Plas-         wenig intensive Sonnenexposition dagegen eher eine protek-
ma-Parathormon-Spiegel sowie den Kalzium- und Phosphor-          tive Wirkung zu haben [5, 6]. Zur Prävention des malignen
serumspiegel streng reguliert [7]. Wenn 1,25[OH]2D3 im Über-     Melanoms ist es daher insbesondere wichtig, Sonnenbrände
schuss vorliegt, wird in der Leber über eine 24-Hydroxylase      zu vermeiden, die nach heutiger Auffassung über immunolo-
vermehrt ein biologisch inaktiver Metabolit (24,25[OH]2D3        gische Mechanismen das Melanomrisiko erhöhen.
gebildet [7]. Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz ist die
Vitamin-D-Synthese allerdings deutlich eingeschränkt.            Das Sonnenlicht hat aber auch lebenswichtige positive Wir-
                                                                 kungen. Neben den stimmungsaufhellenden Wirkungen durch
Eine wichtige neue Erkenntnis, die zu einem besseren Verständ-   die Freisetzung von Botenstoffen im Gehirn (v. a. Endorphine
nis der Bedeutung des Vitamin-D-Systems für den menschlichen     und Serotonin) ist hier v. a. die UV-B-vermittelte kutane Vit-
Organismus geführt hat, war der Nachweis, dass auch zahlrei-     amin-D-Synthese zu nennen. Denn ca. 90 % des vom mensch-
che extrarenale Gewebe zur Bildung des biologisch aktiven        lichen Organismus benötigten Vitamin D müssen in der Haut
Metaboliten 1,25[OH]2D3 befähigt sind [7]. Dieses in ver-        unter der Einwirkung von UV-B-Strahlung gebildet werden.
schiedensten Geweben extrarenal produzierte 1,25[OH]2D3          Zwar kann Vitamin D auch über die Nahrung aufgenommen
wird nicht ins Blut abgegeben, ist nicht an der Regulation von   und verstoffwechselt werden (Vitamin D2/Vitamin D3), aber
Knochen- und Kalziumstoffwechsel beteiligt, sondern kon-         nur wenige Nahrungsmittel enthalten relevante Mengen des
trolliert ortsständig unterschiedliche Zellfunktionen wie Pro-   Vitamins (v. a. ölige Fische wie Lachs, Makrele und Hering
liferation und Differenzierung sowie gewebsspezifisch zahl-      sowie Fischöle und Lebertran). Entgegen der früheren An-
reiche weitere Funktionen wie die Regulation der Insulin-        sicht ist Vitamin D nicht ausschließlich für den Kalzium- und
sekretion oder des Renin-Angiotensin-Systems [7]. Es konnte      Knochenstoffwechsel von großer Bedeutung, sondern es
gezeigt werden, dass die lokale Produktion von 1,25[OH]2D3       vermittelt neben zahlreichen weiteren positiven Effekten (u. a.
in Makrophagen und anderen immunkompetenten Zellen über          auf Muskulatur und Herz-Kreislauf-System, protektive Wirkung
VDR- und Toll-like-Rezeptoren-vermittelte Mechanismen            gegen Autoimmunerkrankungen, Steigerung der Infektabwehr)
ganz wesentlich an der Abwehr von Tuberkulose und anderen        auch krebsprotektive Einflüsse [7–9]. Epidemiologische Unter-
Infektionskrankheiten beteiligt ist [7]. Diese Mechanismen       suchungen zeigten, dass mit zunehmender Entfernung des
sind wahrscheinlich auch der wesentliche Grund für die thera-    Wohnortes vom Äquator das Risiko ansteigt, an verschiedenen
peutische Wirkung der UV-Strahlung bei Lupus vulgaris            malignen Tumoren (u. a. Mamma-, Ovarial-, Kolon- und Prosta-
(Hauttuberkulose), eine Entdeckung, für die Niels Ryberg         takarzinom) zu versterben. Ein Zusammenhang dieser Beob-
Finsen 1903 der Nobelpreis für Medizin verliehen wurde.          achtungen mit niedrigen Vitamin-D-Serumspiegeln wurde nach-
                                                                 gewiesen. Entscheidend hierfür ist die Erkenntnis, dass der bio-
„ Negative und positive Wirkungen des                            logisch aktive Vitamin-D-Metabolit 1,25[OH]2D3 nicht aus-
  Sonnenlichts: die Wahl zwischen Skylla                         schließlich in der Niere gebildet wird, sondern dass in vielen an-
  und Charybdis?                                                 deren Geweben der VDR exprimiert wird und die enzymatische
                                                                 Ausstattung zur lokalen Synthese von 1,25[OH]2D33 vorhanden
Sonnenlicht wirkt in vielfältigen Facetten auf den menschli-     ist [10]. Diesem extrarenal synthetisierten 1,25[OH]2D3 wird u. a.
chen Organismus. Die wichtigste negative Wirkung ist das         auch eine krebsprotektive Wirkung als autokrines und/oder
erhöhte Hautkrebsrisiko bei übermäßiger Sonnenexposition.        parakrines Hormon zugeschrieben. Über direkte oder indirekte
Hautkrebs ist die häufigste Krebsart in der weißen Bevölke-      Mechanismen kontrolliert 1,25[OH]2D3 mehr als 200 Zielgene,
rung. Sowohl der helle Hautkrebs (Basalzellkarzinom, Platten-    u. a. auch solche Gene, die neben zellulärer Proliferation und
epithelkarzinom) als auch der schwarze Hautkrebs (malignes       Differenzierung auch Apoptose und Angioneogenese steuern
Melanom) weisen weltweit eine steigende Inzidenz auf, wäh-       [11–13]. Über diese Mechanismen kontrolliert 1,25[OH]2D3 in
rend die Sterblichkeitsraten in den vergangenen Jahren kon-      zahlreichen Geweben als ortsständig produzierter Faktor das
stant blieben bzw. sanken [1, 2]. Für die steigenden Inzi-       lokale Zellwachstum und wirkt präventiv gegen die Entstehung
denzraten des hellen Hautkrebses wird maßgeblich eine er-        von Krebs und anderen Erkrankungen.

                                                                                            J KLIN ENDOKRINOL STOFFW 2009; 2 (2)   23
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Vitamin-D-Mangel

„ Physiologische Bedeutung von Vitamin                            mL von den meisten Experten als Vitamin-D-Defizienz und
  D und mögliche Auswirkungen eines                               Werte zwischen 20 und 30 ng/mL als Vitamin-D-Insuffizienz
                                                                  bezeichnet [15, 23–26]. Bei Werten > 30 ng/mL spricht man
  Vitamin-D-Mangels                                               dagegen von Vitamin-D-Suffizienz [15, 17–20]. Die Exposi-
Eine wichtige Funktion des Vitamin-D-Systems ist die Auf-         tion des Körpers mit einer minimalen Erythemdosis (MED)
rechterhaltung eines stabilen Plasma-Kalzium-Spiegels und         Sonnenlicht entspricht in etwa der oralen Einnahme von
die Regulation des Knochenstoffwechsels durch Bereitstel-         10.000–40.000 IU Vitamin D. Einige Autoren sehen deshalb
lung von Kalzium für die Knochenmineralisation. Dies ge-          die Exposition von weniger als 18 % der Körperoberfläche (z.
schieht durch Steigerung der intestinalen Kalzium- und Phos-      B. Hände, Arme, Gesicht) 2–3×/Woche mit einer Dosis von
phataufnahme, Beeinflussung von Knochenmineralisation             bis zu 1/3 oder 1/2 MED (minimale Erythemdosis) im Früh-
und Knochenresorption, Suppression der Nebenschilddrüsen-         jahr, Sommer und Herbst als ausreichend an.
funktion und Beeinflussung der renalen Kalzium- und Phos-
phatexkretion [14]. Es konnte gezeigt werden, dass Patienten      Die Empfehlungen der täglichen Vitamin-D-Aufnahme mit
mit relativ hohen 25(OH)D-Serumspiegeln eine höhere Kno-          der Nahrung sind altersabhängig: Neugeborene und Kleinkin-
chenmineraldichte aufweisen verglichen mit Patienten mit          der sollten bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres unge-
niedrigen 25(OH)D-Serumspiegeln [15]. Auch konnte ge-             achtet ihrer Ernährung (Muttermilch, Muttermilchersatz-
zeigt werden, dass die tägliche Einnahme von Vitamin D das        präparate) zwischen 300 und 500 IU Vitamin D3 als Rachitis-
Risiko für eine Hüftfraktur um etwa 25 % reduziert [15]. Man      prophylaxe erhalten [21]. Für Erwachsene gibt es Empfehlun-
geht davon aus, dass schon in utero und während der Kindheit      gen, mit der Nahrung täglich 5 µg (entsprechend 200 IU Vita-
ein Vitamin-D-Mangel zur verminderten Kalzifizierung des          min D3) aufzunehmen; Personen > 65 Jahre benötigen min-
Skeletts führt [16]. Bei Kindern, die an Rachitis leiden,         destens 10 µg (entsprechend 400 IU Vitamin D3). Aktuell ge-
kommt es zu Wachstumsstörungen und Verformungen der               hen die meisten Experten davon aus, dass diese Empfehlun-
Knochen. Bei Erwachsenen deuten eine erhöhte Weichheit            gen deutlich erhöht werden müssen, um wirklich suffiziente
und Verbiegungstendenz der Knochen auf das Vorliegen ei-          25-Hydroxyvitamin-D-Serumspiegel zu erzielen, die Schutz
ner Osteomalazie hin. Durch eine permanente Stimulierung          vor Krebs und anderen Erkrankungen ausüben [22, 23]. Es
der Nebenschilddrüsen kann zudem ein sekundärer Hyper-            wird geschätzt, dass weltweit etwa 1 Milliarde Menschen Vi-
parathyreoidismus resultieren, der das Auftreten einer Osteo-     tamin-D-defizient bzw. -insuffizient sind [24]. Dieses Pro-
porose begünstigt.                                                blem betrifft alle Altersgruppen und alle Regionen der Erde.
                                                                  Eine aktuelle Studie von Hintzpeter et al. [24] zeigt, dass in
Neben Krebserkrankungen konnte auch für zahlreiche weitere        Deutschland 57 % der Männer und 58 % der Frauen 25-
Erkrankungen gezeigt werden, dass sie mit zunehmender             Hydroxyvitamin-D-Serumspiegel < 20 ng/mL aufweisen.
Nähe zum Äquator (aufgrund der hohen UV-Exposition) sel-          Auch die empfohlene tägliche Vitamin-D-Aufnahme von 5 µg
tener auftreten. Es wird der Schluss daraus gezogen, dass ein     wird im untersuchten Kollektiv deutlich unterschritten (Frau-
Vitamin-D-Mangel diesbezüglich einen Risikofaktor darstellt       en: 2,8 µg/Tag; Männer: 2,3 µg/Tag) [24].
(u. a. Hypertonie, Multiple Sklerose, Morbus Crohn, rheuma-
toide Arthritis, Diabetes mellitus Typ 1) [7].                    „ Fazit: Vitamin D wird unterschätzt
                                                                  Nach dem heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstand geht
„ Ursachen für Vitamin-D-Mangel
                                                                  man davon aus, dass eine maßvolle Erhöhung der Sonnen-
Vitamin-D-Mangel ist in der Regel auf eine unzureichende          lichtexposition in Bevölkerungsgruppen mit einer hohen Prä-
kutane Vitamin-D-Synthese zurückzuführen. Die Ursachen            valenz des Vitamin-D-Mangels (u. a. Europa, USA) wahr-
hiefür können vielfältig sein: u. a. geringe Intensität der UV-   scheinlich zu mehr positiven als negativen gesundheitlichen
B-Strahlung während der Wintermonate (so genannter „Vita-         Auswirkungen führt, d. h. dass die protektiven gegenüber den
min-D-Winter“), eine ausgeprägte Hautpigmentierung (Dun-          mutagenen (Hautkrebs-induzierenden) Effekten überwiegen
kelhäutige benötigen im Vergleich zu Hellhäutigen die 10–         [25–27]. Von einigen Autoren wird postuliert, dass in letzter
50-fache Dosis an UV-B-Strahlung, um gleiche Mengen an            Konsequenz auch die Zahl der Krebstodesfälle durch vorsich-
1,25[OH]2D3 zu produzieren), zunehmendes Alter (die Vita-         tige Sonnenlichtexposition oder sicherer durch orale Gabe
min-D-Produktion ist bei 70-jährigen Menschen 3–5-fach ge-        von Vitamin D reduziert werden kann [9, 22]. Es wurde postu-
ringer) und die Anwendung von Sonnenschutzcremes (v. a.           liert, dass die tägliche Einnahme von 1000–2000 IU Vitamin
Lichtschutzfaktor > 8). Ein Vitamin-D-Mangel kann aber auch       D ausreichend ist, um bei minimalem Risiko eine effektive
durch andere Mechanismen, wie eine verminderte intestinale        protektive Wirkung des Vitamin-D-Systems gegen Krebs und
Absorption und erworbene oder angeborene Störungen des            andere Erkrankungen zu gewährleisten. Studien der letzten
Vitamin-D-Metabolismus, bedingt sein.                             Zeit sprechen dafür, dass eine ausreichende Versorgung mit
                                                                  Vitamin D sich nicht nur auf die Inzidenz von Erkrankungen
                                                                  auswirkt, sondern auch den Verlauf von Krebs- und anderen
„ Wieviel Vitamin D brauchen wir, um uns                          Erkrankungen günstig beeinflusst [28]. Gesundheitsökono-
  vor Krebs und anderen Erkrankungen zu                           men vertreten die Auffassung, dass eine maßvolle Erhöhung
  schützen?                                                       der Sonnenlichtexposition in Bevölkerungsgruppen mit einer
                                                                  hohen Prävalenz des Vitamin-D-Mangels (u. a. Europa, USA)
Obwohl es noch keinen Konsens über den optimalen 25-              auch zu einer Senkung der Gesundheitskosten führt [27]. So
Hydroxyvitamin-D-Serumspiegel gibt, werden Werte < 20 ng/         wurden die Kosten im Jahr 2004 für das Gesundheitssystem

24   J KLIN ENDOKRINOL STOFFW 2009; 2 (2)
Homepage: www.kup.at/klinendokrinologie Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche
Vitamin-D-Mangel

der USA aufgrund zu geringer UV-Exposition mit ca. 40–56                                     neous malignant melanoma. II Importance of      17. Holick MF. High prevalence of vitamin D
                                                                                             UV-light exposure. Int J Cancer 1988; 42:       inadequacy and implications for health.
Mrd. US$ geschätzt, aufgrund zu hoher UV-Exposition dage-                                    319–24.                                         Mayo Clin Proc 2006; 81: 353–73.
gen lediglich mit ca. 6–7 Mrd. US$ beziffert [27].                                           5. Elwood JM, Jopson J. Melanoma and sun        18. Malabanan A, Veronikis IE, Holick MF.
                                                                                             exposure: an overview of published studies.     Redefining vitamin D insufficiency. Lancet
                                                                                             Int J Cance 1997; 73: 198–203.                  1998; 351: 805–6.
In den meisten Regionen genügt eine regelmäßige, aber kurz-                                  6. Gass R, Bopp M. Mortality from malig-        19. Thomas MK, Lloyd-Jones DM, Thadhani
zeitige und begrenzte Sonnenlichtexposition, um ausreichend                                  nant melanoma: epidemiological trends in        RI, Shaw AC, Deraska DJ, Kitch BT, Vam-
                                                                                             Switzerland. Schweiz Rundsch Med Prax           vakas EC, Dick IM, Prince RL, Finkelstein JS.
hohe Vitamin-D-Serumspiegel zu erzielen [22, 23]. Bei län-                                   2005; 94: 1295–300.                             Hypovitaminosis D in medical inpatients.
gerer Sonnenlichtexposition sollte unbedingt ein ausreichen-                                 7. Holick MF. Vitamin D deficiency. N Engl J
                                                                                                                                             N Engl J Med 1998; 338: 777–83.
der Sonnenschutz (z. B. durch Sonnenschutzcremes) prakti-                                    Med 2007; 357: 266–81.                          20. Dawson-Hughes B, Heaney RP, Holick
                                                                                                                                             MF, Lips P, Meunier PJ, Vieth R. Estimates
ziert werden, um einem Sonnenbrand und anderen schädli-                                      8. Garland CF, Comstock GW, Garland FC,
                                                                                                                                             of optimal vitamin D status. Osteoporos Int
                                                                                             Helsing KJ, Shaw EK, Gorham ED. Serum-
chen Folgen exzessiver Sonnenlichtexposition vorzubeugen                                                                                     2005; 16: 713–6.
                                                                                             25-hydroxyvitamin D and colon cancer: eight
[7, 22, 23]. Der Vitamin-D-Serumspiegel sollte insbesondere                                  year prospective study. Lancet 1989; 2:         21. Ernährungskommission der Schweizeri-
                                                                                             1176–8.                                         schen Gesellschaft für Pädiatrie: Empfeh-
in solchen Bevölkerungsgruppen regelmäßig kontrolliert wer-                                                                                  lungen für die Säuglingsernährung 2008.
                                                                                             9. Grant WB. An estimate of premature can-      Paediatrica 2008; 19: 19–21.
den, die ein hohes Risiko für die Entwicklung eines Vitamin-                                 cer mortality in the U.S. due to inadequate
                                                                                             doses of solar ultraviolet-B radiation. Can-    22. Reichrath J. The challenge resulting
D-Mangels haben (z. B. bettlägerige Menschen in Pflegehei-                                                                                   from positive and negative effects of sun-
                                                                                             cer 2002; 94: 1867–75.
men, Menschen mit Hauttyp I, oder Patienten, die unter                                       10. Reichrath J, Holick MF. Psoriasis and
                                                                                                                                             light: how much solar UV-exposure is appro-
                                                                                                                                             priate to balance between risks of vitamin D
immunsuppressiver Behandlung einen konsequenten Sonnen-                                      other skin diseases. In: Feldman D, Glorieux    deficiency and skin cancer? Progr Biophys
schutz betreiben müssen). Ein Vitamin-D-Mangel sollte un-                                    FH, Pike JW (eds). Vitamin D. 2nd ed. Acade-    Mol Biol 2006; 92: 9–16.
                                                                                             mic Press, San Diego-London-Boston-New
bedingt behandelt werden, z. B. durch orale Vitamin-D-Sub-                                   York-Sydney-Tokyo-Toronto [in press].           23. Reichrath J. Protecting against adverse
                                                                                                                                             effects of sun protection? J Am Acad
stitution. Die einmal wöchentliche orale Gabe von 50.000 IU                                  11. Holick MF. Resurrection of vitamin D        Dermatol 2003; 49: 1204–6.
                                                                                             deficiency and rickets. J Clin Invest 2006;
über insgesamt acht Wochen stellt eine effiziente und sichere                                116: 2062–72.                                   24. Hintzpeter B, Mensink GBM, Thierfelder
Methode zur Behandlung des Vitamin-D-Mangels dar. Eine                                                                                       W, Müller MJ, Scheidt-Nave C. Vitamin D
                                                                                             12. Holick MF, Garabedian M. Vitamin D:         status and health correlates among German
Maßnahme zur Sicherstellung einer ausreichenden Vitamin-                                     photobiology, metabolism, mechanism of ac-      adults. Eur J Clin Nutr 2008; 62: 1079–89.
                                                                                             tion, and clinical applications. In: Favus MJ
D-Versorgung besteht in der täglichen Einnahme von 1000–                                     (ed). Primer on the metabolic bone disease      25. Giovannucci E, Liu Y, Rimm EB, Hollis
                                                                                                                                             BW, Fuchs CS, Stampfer MJ, Willett WC.
2000 IU Vitamin D.                                                                           and disorders of mineral metabolism. 6th ed.
                                                                                                                                             Prospective study of predictors of vitamin D
                                                                                             American Society for Bone and Mineral Re-
                                                                                             search, Washington, DC, 2006; 129–37.           status and cancer incidence and mortality in
                                                                                                                                             men. J Natl Cancer Inst 2006; 98: 451–9.
                                                                                             13. Nagpal S, Na S, Rathnachalam R.
  „ Relevanz für die Praxis                                                                  Noncalcemic actions of vitamin D receptor
                                                                                                                                             26. Moan J, Porojnicu AC, Dahlback A,
                                                                                                                                             Setlow RB. Addressing the health benefits
                                                                                             ligands. Endocr Rev 2005; 26: 662–87.
                                                                                                                                             and risks, involving vitamin D or skin cancer,
  1,25[OH]2D3, der biologisch aktive Vitamin-D-Metabo-                                       14. Reichel H. Vitamin D und D-Hormone.         of increased sun exposure. PNAS 2008; 105:
                                                                                             Der Internist 1998; 39: 657–67.                 668–73.
  lit, übt unabhängig von seinen Wirkungen auf Knochen-
                                                                                             15. Bischoff-Ferrari HA, Giovannucci E,         27. Grant WB, Garland C, Holick MF. Com-
  und Kalziumstoffwechsel zahlreiche weitere wichtige                                        Willett WC, Dietrich T, Dawson-Hughes B.        parison of estimated economic burden due
  physiologische Funktionen im menschlichen Organismus                                       Estimation of optimal serum concentrations      to insufficient solar ultraviolet irradiance
                                                                                             of 25-hydroxyvitamin D for multiple health      and vitamin D and excess solar UV irradi-
  aus. Man kann spekulieren, dass die weitere Erforschung                                    outcomes. Am J Clin Nutr 2006; 84: 18–28.       ance for the United States. Photochem
  der biologischen Effekte von Vitamin-D-Analoga in der                                      16. Cooper C, Javaid K, Westlake S, Harvey      Photobiol 2005; 81: 1276–86.
  Zukunft zu neuen therapeutischen Einsatzmöglichkeiten                                      N, Dennison E. Developmental origins of os-     28. Tretli S, Hernes E, Berg JP, Hestvik UE,
                                                                                             teoporotic fracture: the role of maternal vi-   Robsahm TE. Association between serum
  führen wird, die neben der Krebsprävention auch die Prä-                                   tamin D insuffiency. J Nutr 2005; 135:          25(OH)D and death from prostate cancer. Br
  vention von Autoimmun- und Infektionskrankheiten be-                                       2728S–2734S.                                    J Cancer 2009; 100: 450–4.
  inhalten werden. Darüber hinaus ist davon auszugehen,
  dass die dermatologischen Empfehlungen zur Hautkrebs-
  prävention reevaluiert werden, um eine ausreichende                                          Prof. Dr. med. Jörg Reichrath
  Versorgung der Bevölkerung mit Vitamin D zu gewähr-                                          Geboren 1962. 1982–1988 Studium der Human-
  leisten.                                                                                     medizin an der Universität des Saarlandes. 1991
                                                                                               Promotion am Institut für Humangenetik der Uni-
                                                                                               versität des Saarlandes, 1991–1993 und 1994–
                                                                                               1999 Assistenzarzt an der Universitäts-Haut-
                                               mour stages and localization (epidemiology      klinik in Homburg, 1993–1994 Ausbildungs-
Literatur:                                                                                     stipendiat an der Boston University School of
                                               of skin cancer). Br J Dermatol 2003; 149:
1. Holmes SA, Malinovszky K, Roberts DL.       1200–6.                                         Medicine. 1996 Facharzt für Haut- und Ge-
Changing trends in nonmelanoma skin can-       3. Gandini S, Sera F, Cattaruzza MS,            schlechtskrankheiten, Allergologie und Umwelt-
cer in South Wales, 1988–98. Br J Dermatol     Pasquini P, Picconi O, Boyle P, Melchi CF.
2000; 143: 1224–9.                                                                             medizin. 2000–2004 Oberarzt an der Universi-
                                               Meta-analysis of risk factors for cutaneous
2. Katalinic A, Kunze U, Schafer T. Epidemi-   melanoma:II. Sun exposure. Eur J Cancer
                                                                                               täts-Hautklinik Homburg, 2000 Venia legende für Dermatologie, 2004
ology of cutaneous melanoma and nonme-         2005; 41: 45–60.                                außerplanmäßiger Professor. Seit 2005 leitender Oberarzt und ständiger
lanoma skin cancer in Schleswig-Holstein,      4. Osterlind A, Tucker MA, Stone BJ, Jensen     Vertreter des Klinikdirektors an der Universitäts-Hautklinik Homburg.
Germany: incidence, clinical subtypes, tu-     OM. The Danish case-control study of cuta-

                                                                                                                                     J KLIN ENDOKRINOL STOFFW 2009; 2 (2)              25
Wir stellen vor:

                      Unser neues Journal:

                   Journal für Pneumologie

                          Homepage:
                    www.kup.at/pneumologie
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