I 2020 - Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift
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1 I 2020 75. JAHRGANG Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift Mitgliederzeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde e.V. Änderung der Bisslage bei einem Patienten mit Zahnhartsubstanzverlust SEITE 6 Implantatprothetische Rehabilitation bei durch Periimplantitis entstandenen Knochendefekten mittels allogenen individualisierten Knochenblocktransplantaten SEITE 12 Effektivität einer elektrischen „Waschzahnbürste“ auf die orale Plaquekontrolle – eine Pilotstudie SEITE 20 This journal is regularly listed in CCMED / LIVIVO.
LEADING REGENERATION 5. Geistlich Konferenz in Baden-Baden Reparatur-Chirurgie Periimplantitis: Vorbeugen – Behandeln – Reparieren SAVE THE D ATE 07. 03. 2 020 Prof. Dr. Dr. Al-Nawas Prof. Dr. Kebschull Dr. Rathe MSc Quelle: Kurhaus Baden-Baden Prof. Dr. Stimmelmayr Bitte senden Sie mir folgende Informationen zu: 䡺 Flyer Geistlich-Konferenz inkl. Anmeldeformular Prof. Dr. Dr. Terheyden 䡺 Produktkatalog Geistlich Biomaterials per Fax an 07223 9624 - 10 Dr. Dr.Tröltzsch Geistlich Biomaterials Vertriebsgesellschaft mbH DZZ 01/ 2020 Praxisstempel Schneidweg 5 | 76534 Baden-Baden Tel. 07223 9624– 0 | Fax 07223 9624 – 10 info@geistlich.de | www.geistlich.de
EDITORIAL / EDITORIAL 1 Liebe Leserinnen und Leser, Zum Beginn dieses Jahres gibt es die englischsprachige Ausgabe der DZZ – die DZZ International – genau ein Jahr. Sie können diese allerdings nicht als Heft in die Hand nehmen, denn sie wird ausschließlich Online (online-dzz.com) mit Open Access publiziert. Die DZZ in ihrer Printausgabe ist die größte deutschsprachige wissenschaftliche Zeitschrift in der Zahnmedizin. Da die deutschsprachige DZZ bislang nicht in der Datenbank MEDLINE gelistet wird, ist die Auffindbarkeit dort publizierter Artikel im Netz eingeschränkt. Hinzu kommt, dass ein überwiegender Teil der internationalen wissenschaftlichen Beiträge in Englisch veröffentlicht wird, was zu der Voraussetzung führt, dass eine Listung in internationalen Datenbanken primär an die Englischsprachig- keit geknüpft wird. Warum ist die Präsenz in Datenbanken zur Literaturrecherche wichtig? Für die universitären Autoren wissenschaftlicher Beiträge ist es als „Rendite“ erfor- derlich, in Journalen zu publizieren, die in Datenbanken leicht recherchierbar sind und die zudem möglichst einen „Impact Factor“ aufweisen. Wir möchten für Sie, liebe Leser, den besten Extrakt aus praxisrelevanter Information und Wissenschaft für den deutschen Sprachraum zusammenführen. Daher müssen wir dafür Sorge tragen, dass wir Autoren von der Hochschule und aus der nie- dergelassenen Praxis dafür gewinnen, ihre Beiträge in der DZZ zu veröffent- lichen. Als Konsequenz war es deshalb für die DZZ als Wissenschaftsorgan in Prof. Dr. Werner Geurtsen Zentraleuropa unabdingbar, für den wissenschaftlichen Teil eine Lösung zu finden, die eine Listung in PubMedCentral, später MEDLINE, ermöglicht. In einem gemeinsamen Projekt der DGZMK und des Deutschen Ärzteverlags wurde deshalb die Rückkehr der DZZ in die international bedeutendsten Datenbanken vorbereitet. Im abgelaufenen Jahr haben wir in 6 Online-Ausgaben der DZZ Interna- tional 27 Beiträge publiziert. Diese Online-Version wurde bereits 15.000 Mal abgerufen. Wir laden an dieser Stelle gerne unsere Autoren dazu ein, vermehrt Beiträge für die DZZ International einzureichen. Was bringt das für Sie als Leser der deutschsprachigen „DZZ-Print-Version“? Die deutschsprachige Ausgabe wird vielfach wissenschaftliche Beiträge, die in der DZZ International auf Englisch erschienen sind, auch in deutscher Sprache publizieren. Zusätzlich bekommen Sie den DGZMK-Gesellschaftsteil, der Sie Prof. Dr. Guido Heydecke über Aktuelles dieser Gesellschaft und den mit ihr assoziierten bzw. verbunde- nen Fachgesellschaften, Arbeitsgemeinschaften und Arbeitskreise informiert. In der Summe sind wir stolz, Ihnen mit diesen beiden DZZ-Versionen einen unseres Erachtens idealen Mix aus Wissenschaft und Gesellschaft in Deutsch und Englisch zu präsentieren. Mit besten Grüßen und allen guten Wünschen für ein gemeinsam erfolg- reiches Jahr 2020 Ihre Prof. Dr. Guido Heydecke Prof. Dr. Werner Geurtsen © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2020; 75 (1)
2 INHALTSANGABE / TABLE OF CONTENTS 1 EDITORIAL / EDITORIAL PRAXIS / PRACTICE 3 Empfehlung der Schriftleitung / Editors’ Pick 4 Danksagung an die Gutachter*innen der DZZ / Acknowledgement to the DZZ reviewers 4 Buchneuerscheinungen / New Publications 11 Markt / Market 18 Buchbesprechung / Book Review PRAXISLETTER / CLINICAL PRACTICE CORNER Michael Behr, Jochen Fanghänel, Angelika Rauch 6 Änderung der Bisslage bei einem Patienten mit Zahnhartsubstanzverlust Changing the bite position in a patient with tooth hard substance loss FALLBERICHT / CASE REPORT Alice Josephine Müller, Simon Peroz, Frank Peter Strietzel 12 Implantatprothetische Rehabilitation bei durch Periimplantitis entstandenen Knochendefekten mittels allogenen individualisierten Knochenblocktransplantaten Implant-prosthetic rehabilitation using individualized allogeneic bone blocks for bone defects caused by peri-implantitis WISSENSCHAFT / RESEARCH ORIGINALARBEITEN / ORIGINAL ARTICLES Karen Meyer-Wübbold, Hüsamettin Günay, Kira Ebert 20 Effektivität einer elektrischen „Waschzahnbürste“ auf die orale Plaquekontrolle – eine Pilotstudie The effectiveness of an electric “wash toothbrush” on oral plaque control – A pilot study ÜBERSICHT / REVIEW Christian Graetz, Jonas Conrad, Christof E. Dörfer, Sonja Sälzer 28 Systemische adjuvante Antibiotikagabe in der Parodontologie – eine bundesweite Onlineumfrage Administration of systemic adjunctive antibiotics in periodontology – a nationwide online survey GESELLSCHAFT / SOCIETY LEITLINIE / GUIDELINE Lisa Hezel, Moritz Kebschull, Holger Jentsch 39 S3-Leitlinie zur Parodontitistherapie „Subgingivale Instrumentierung“ MITTEILUNGEN DER GESELLSCHAFT / NEWS OF THE SOCIETY 42 Alex-Motsch-Preis 2019 verliehen 43 Neuer Vorstand der DGFDT gewählt 44 Wettbewerb als wichtiger Wissenschaftsevent 45 Prophylaxe-Forscher aufgepasst: Ausschreibung des Wrigley-Preises 2020 46 Erinnerung wachhalten: Geschichte als Verpflichtung für Gegenwart und Zukunft 49 Prof. Dr. Günter Dhom aus Ludwigshafen ist Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Implantologie 50 „Arbeite sehr gern mit Menschen zusammen“: Sonja Beate Lucas im Interview 51 Der Pionier der Professionellen Prävention ist tot: Prof. Dr. Per Axelsson 52 DGR²Z schreibt 2020 wieder Fördergelder in Höhe von über 30.000 Euro aus 52 Dental Ethics Award 2019 vergeben 53 Ausschreibung des Dental Ethics Award der DGZMK für das Jahr 2020 54 APW startet das erste „Gutachter“-Curriculum im März 2020 55 Investition in die Zukunft – der DG PARO/DIU-Master für Parodontologie und Implantattherapie 56 Technische Innovationen in der Zahnerhaltung und Endodontie – wohin steuern wir im 21. Jahrhundert? © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2020; 75 (1)
INHALTSANGABE / TABLE OF CONTENTS 3 57 Voco GmbH neuer Sponsor: Ausschreibung Praktikerpreis der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin e.V. 58 Fortbildungskurse der APW 60 Spendenaufruf für Flüchtlingsnothilfe in Bosnien-Herzegowina TAGUNGSBERICHT / CONFERENCE REPORT 61 43. Jahrestagung des Arbeitskreises für Forensische Odontostomatologie und AKFOS-Mitgliederversammlung 57 TAGUNGSKALENDER / MEETINGS 62 LESERBRIEF / LETTER TO THE EDITOR 64 BEIRAT / ADVISORY BOARD 64 IMPRESSUM / LEGAL DISCLOSURE Titelbildhinweis: Aus dem Fallbericht von Müller, Peroz und Strietzel, Abbildung 6: Intraoperative Situation nach Befestigung der allogenen patientenindividuellen Transplantate (Maxgraft Bone Builder, Botiss, Zossen, Deutschland), Seiten 12–18; (Foto: A.J. Müller) Online-Version der DZZ: www.online-dzz.de Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung weitgehend verzichtet. Entspre- chende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für alle Geschlechter. EMPFEHLUNG DER SCHRIFTLEITUNG / EDITORS‘ PICK Liebe DZZ-Leserinnen und -Leser Editors‘ Pick Fallberichte, die in unserer Zeitschrift publiziert werden, zeigen an konkreten Beispielen und damit praxisrelevant die Lösung komplexer Probleme. Ein exzellentes Beispiel hierfür ist der Beitrag von Müller, Peroz und Strietzel (S. 12ff). Thema dieser Arbeit ist die implantatprothetische Rehabilitation von Prof. Dr. Werner Geurtsen Knochendefekten, die aufgrund einer Periimplantitis entstanden sind. Es handelt sich hierbei um eine immer häufiger auftretende Situation, deren Behandlung mit großen therapeutischen Herausforderungen verbunden ist. Die Autorengruppe beschreibt anhand einer älteren Patientin die Deckung von Periimplantis-Defekten durch allogene Knochensegmente, die sie mithilfe der CAD-CAM-Technologie herstellte. Einige Monate später konnten dann Implantate inseriert und anschließend diese prothetisch versorgt werden. Hervorzuheben ist an diesem Bericht, dass die Therapiefolge sehr anschaulich dokumentiert werden und damit wertvolle Anregungen für die Versorgung ähnlicher Defekte geben. Wir sind uns sicher, dass sich das Lesen dieses Fallberichtes sehr lohnt. Prof. Dr. Guido Heydecke Mit freundlichen Grüßen Prof. Dr. Werner Geurtsen Prof. Dr. Guido Heydecke © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2020; 75 (1)
4 DANKSAGUNG / ACKNOWLEDGEMENT Danksagung an die Gutachter*innen der DZZ Die kompetente und zeitaufwendige Arbeit von Gutachterinnen und Gutachtern ist für die wissenschaftliche Qualität und Weiterentwicklung der DZZ – Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift von unschätzbarem Wert. Die Schriftleiter der DZZ, Prof. Geurtsen und Prof. Heydecke, möchten sich daher bei den nachfolgend genannten Kolleg*innen für ihr uner- müdliches Engagement und ihre ehrenamtliche Unterstützung im Jahr 2019 herzlich bedanken: Bilal Al-Nawas SØren Jepsen Ulrich Schiffner Wolfgang Bömicke Marco Kesting Ulrich Schlagenhauf Wolfgang Buchalla Joachim Klimek Henning Schliephake Monika Daubländer Norbert Krämer Udo Frank Schneider Uwe Diedrichs Hermann Lang Andreas Schulte Henrik Dommisch Günter Lauer Falk Schwendicke Christof Dörfer Werner E. Müller Sebastian Schwindling Tobias Ettl Torsten Mundt Christian Splieth Roland Frankenberger Frank Nothdurft Ingmar Staufenbiel Christian Ralf Gernhardt Bernadette Pretzl Harald Tschernitschek Christian Graetz Alexander Rahman Gerhard Wahl Rainer Haak Angelika Rauch Annette Wiegand Petra Hahn Heike Rudolf Britta Willershausen Detlef Heidemann Stefan Rüttermann Dirk Ziebolz Elmar Hellwig Stefan Rupf Stefan Zimmer Michael Hülsmann Edgar Schäfer Buchneuerscheinungen Mathias Cohnen, Florian Dammann, Ärzte ausgerichtet. Profitieren Sie von Kapitel für schnelles Nachschlagen Stefan Rohde (Autoren) einem umfassenden und hochaktuel- und nachhaltiges Einprägen. len Werk mit allen wichtigen Krank- • Fokus auf das Wesentliche: Die In- Referenz Radiologie – heitsbildern, Diagnosen, und Metho- halte sind für den schnellen Zugriff Kopf/Hals den der Radiologie des Kopf-Hals- optimiert, kein mühsames Suchen Thieme-Verlag Stuttgart, ISBN Bereichs! in langen Textpassagen. Wir brin- 978-3-13-241975-9, 336 Seiten, ca. Ihre Vorteile im Überblick: gen die Information für Sie auf den 600 Abb., Hardcover, 179,99 Euro • Radiologisches Fachwissen auf Punkt. Radiologische Referenzinformation: höchstem Niveau: Qualitätsge- Der ideale Begleiter für alle Radio- vollständig, qualitätsgesichert, über- sicherte Informationen von re- logen in Klinik und Praxis – diagnos- sichtlich und aktuell nommierten Herausgebern und tizieren Sie nach dem State of the Der stetige Wissenszuwachs und die Autoren. Art! starke Arbeitsverdichtung in der Me- • Maximale Praxisrelevanz: Konkrete Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des dizin machen eine schnelle Verfüg- und präzise Handlungs- und Vor- Buches steht Ihnen ohne weitere Kos- barkeit qualitätsgesicherter Informa- gehensanweisungen für eine opti- ten digital in der Wissensplattform tion für eine sichere und effiziente male Patientenversorgung in Kli- eRef zur Verfügung (Zugangscode im Patientenversorgung unabdingbar. nik und Praxis. Buch). Mit der kostenlosen eRef App Die Referenz-Werke sind speziell an • Hohe Übersichtlichkeit: Klare und haben Sie zahlreiche Inhalte auch den Bedürfnissen klinisch tätiger konsequente Strukturierung der offline immer griffbereit. © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2020; 75 (1)
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6 PRAXIS / PRACTICE PRAXISLETTER / CLINICAL PRACTICE CORNER Änderung der Bisslage bei einem Patienten mit Zahnhartsubstanzverlust* Changing the bite position in a patient with tooth hard substance loss Frage ker wie Dawson [8] gehen davon aus, Neuralleiste wandern ektodermale Können wir die vertikale Dimension dass die vertikale Dimension der Ok- Zellen, sog. Neuralleistenzellen, in der Okklusion problemlos anheben? klusion, auch bei Verschleiß der die Anlagen des Ober- und Unterkie- Zahnhartsubstanz, weitgehend auf fers ein (Abb. 4). Als Straßen ihrer Hintergrund gleicher Höhe in Bezug zum Schädel Wanderung benutzen die Neuralleis- Patienten mit sichtbaren Attritionen bleibt (Abb. 2). Daher warnt Dawson tenzellen Moleküle der extrazellulä- der Zahnhartsubstanz haben aus äs- eindringlich davor, in Fällen mit ren Matrix. Im Folgenden entsteht ei- thetischen und funktionellen Grün- massivem Zahnhartsubstanzverlust ne erste primitive Mundhöhle, wel- den vielfach den Wunsch, den Ver- prothetische Versorgungen einzuglie- che mit Epithelzellen ausgekleidet ist. lust an Zahnhartsubstanz wieder aus- dern, welche nur Rücksicht auf die Im Bereich dieser Epithelzellen gleichen zu lassen (Abb. 1). Diesem ursprüngliche ästhetisch korrekte kommt es lokal zu einer Erhöhung Anliegen kommen viele Behandler Zahnhöhe und Zahnform nehmen. der Zellzahl mit knäuelartiger Ver- nach. Sie rekonstruieren die ur- Durch die „Überkompensation“ des dichtung [5, 11]. Es entsteht das sprüngliche Zahnform durch prothe- vermeintlichen Verlusts der vertika- odontogene Epithel, welches in Inter- tische Maßnahmen, beispielsweise len Dimension der Okklusion werden aktion mit dem anliegenden Mesen- durch eine Überkronung der Zähne, Parafunktionen erst recht getriggert. chym auf der Epithelseite Ameloblas- Eingliederung von Veneers oder Einerseits finden sich in den ten und auf der Mesenchymseite Table-tops. Dabei gehen die meisten Sprechstunden für Funktionsstörun- Odontoblasten entstehen lässt (Abb. davon aus, dass sie mit der Wieder- gen des Kauorgans immer wieder 5). Die embryonale Zahnentwicklung herstellung der ursprünglichen Zahn- Patienten ein, deren Bisslage angeho- macht verständlich, dass ein Leben form und Zahngröße auch die ur- ben wurde, und welche diese Maß- lang ein Zahn die Fähigkeiten zur sprüngliche vertikale Dimension der nahme nicht tolerieren. Anderseits Eruption nach okklusal und die Mi- Okklusion automatisch rekonstruie- haben wir viele Patienten, welche ei- grationstendenz nach mesial beibe- ren. Der Verlust der Zahnhartsub- ne Bisserhöhung durch eine Aufbiss- halten wird. Diese Fähigkeit ist ver- stanz wird mit einem Verlust an Biss- Schiene oder prothetische Maßnah- gleichbar mit dem lebenslangen höhe gleichgesetzt. men problemlos adaptieren. Wir wol- Wachstum von Haaren und Nägeln, Es stellt sich jedoch die Frage, ob len uns daher im Folgenden mit der welche auch ektodermalen Ursprungs die Ansicht, Zahnhartsubstanzverlust Frage beschäftigen, welche Struktu- sind. Den Sinn für die Fähigkeit zur führe automatisch zu einem Verlust ren physiologischerseits die Einstel- lebenslangen Eruption und Migration der vertikalen Dimension der Okklu- lung der vertikalen Bisslage steuern. nach mesial unserer Zähne hat Begg sion (Bisssenkung), korrekt ist. Diese Nach der Entwicklung der 3 im Jahre 1954 beschrieben [2]. Er un- Ansicht wird schon seit vielen Jahren Keimblätter (Abb. 3) entwickelt sich tersuchte die Zähne australischer Ab- [2, 6, 8] in letzter Zeit wieder ver- nach dem Verschluss der Neuralfalten origenies. Bedingt durch ihre Ernäh- mehrt angezweifelt [1, 10, 13]. Kriti- eine unpaare Neuralleiste. Aus der rungsweise hatten bereits junge Er- *Deutsche Version der englischen Erstveröffentlichung Behr M, Fanghänel J, Rauch A: Changing the bite position in a patient with tooth hard substance loss. Dtsch Zahnärztl Z Int 2020; 2: 3–7 Zitierweise: Behr M, Fanghänel J, Rauch A: Änderung der Bisslage bei einem Patienten mit Zahnhartsubstanzverlust. Dtsch Zahnärztl Z 2020; 75: 6–10 DOI.org/10.3238/dzz.2020.0006–0010 © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2020; 75 (1)
PRAXIS / PRACTICE PRAXISLETTER / CLINICAL PRACTICE CORNER 7 wachsene erheblich okklusale wie zir- kuläre Zahnhartsubstanzverluste. Die ursprünglichen Höcker und ihr Zahn- schmelz waren weitgehend abradiert. Die Zahnreihe war aber durch Migra- tions- und Eruptionsprozesse der Zähne geschlossen gehalten worden. Je älter die Patienten waren, desto häufiger waren ein Kopfbiss und eine Zahn-zu-Zahn-Beziehung. Die gegen- wärtig geltende lehrbuchmäßige Ver- zahnung sowie eine sagittale Stufe und ein Overbite hatten nur Jugend- Abbildung 1 Patient (72 Jahre) mit Attrition der Zahnhartsubstanz liche. Alt et al. [1] gehen davon aus, dass die oben beschriebenen Okklusi- onsverhältnisse bis vor rund 300 Jah- ren auch in unserer Bevölkerung weitgehend vorgefunden wurden. Durch die veränderte weichere Nah- rung konnte sich erst die heutzutage zumeist vorgefundene Bisslage und Overbite-Ausprägung auch bei älte- ren Erwachsenen einstellen. Alt et al. [1] sehen in dieser Tatsache auch die Ursache für heutige Zahneng- und Fehlstellungen. Durch die permanente Fähigkeit zur Eruption und Migration nach me- sial waren die Zahnhartsubstanzver- luste bezüglich der vertikalen Dimen- sion bei den Aborigenes kompensiert Abbildung 2 Die vertikale Dimension der Okklusion bleibt nach der These von worden. Auch der Alveolarknochen Dawson auch bei Zahnhartsubstanzverlust (rechtes Bild) weitgehend erhalten. wuchs mit der Eruption der Zähne Umzeichnung nach [8] zeitlebens mit, sodass Begg davon aus- geht, dass „as occlusal attrition occurs, occlusal contact of all teeth is main- tained, without reduction in interal- veolar distance, by the hereditary pro- cess of continual tooth eruption“ [2]. Dieser Sachverhalt bedeutet: Geht der Verschleiß der Zahnhartsubstanz ste- tig und langsam vonstatten, bleibt die vertikale Dimension der Okklusion ein Leben lang weitgehend identisch. Die Einstellung der Bisslage und Kauebene erfolgt im Zusammenspiel von Eruptionstendenz der Zähne und der Aktivität der Kaumuskulatur [3] (Abb. 6). Beim Schluckakt beispiels- weise, welcher tagsüber ca. 1000- bis 2000-mal unbewusst abläuft, ziehen die Aduktoren der Kaumuskulatur Abbildung 3 Querschnitt durch eine späte 3-blättrige Keimscheibe. Elektronen- den Unterkiefer kurz in der retralen mikroskopische Aufnahme. In der Mitte das geschlossene Neuralrohr. Beidseitig die Kontaktposition in Okklusion. Diesen noch getrennten Neuralleisten. Direkt unter dem Neuralrohr die Chorda dorsalis [12] kurzen Impuls des Zahnkontakts re- gistrieren die verschiedene Rezepto- ren im Zahnhalteapparat. Weiterhin registrieren Rezeptoren (Ruffini-Endi- während des Schluckaktes die Positi- des stomatognathen Systems. Es ist gungen, Pacini-Korpuskel, Golgi-Seh- on des Kiefergelenkes, der Muskulatur wahrscheinlich, dass ein Abgleich al- nenorgane, freie Nervendigungen) sowie der umgebenden Weichgewebe ler dieser Rezeptoren in zentralen © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2020; 75 (1)
8 PRAXIS / PRACTICE PRAXISLETTER / CLINICAL PRACTICE CORNER Zentren der Körperfühlsphere erfolgt, welche die Position von Zähnen, Kau- ebene, Muskulatur und Gelenk ana- lysieren. Je nach Analyse der Rezep- torimpulse erfolgen dann Anweisun- gen des motorischen Cortex an die Basalganglien und den Nucleus ruber, beispielsweise die Muskeln zu ver- anlassen, die Ruheschwebelage ein- zustellen oder im Falle von „Störun- gen“, wie einer Bisserhöhung, eine Muskelaktivität zu triggern, um den Störkontakt zu beseitigen (Abb. 6). Folgen wir den Beobachtungen von Begg [2] und anderen Dental- antropologen [1, 10], so müssen wir „Verschleiß“ der Zahnhartsubstanz als ein natürliches und bis zu einem gewissen Grade auch notwendiges Phänomen betrachten. Von allen Komponenten des stomatognathen Systems können sich alle Strukturen durch Wachstums- und Resorptions- prozesse anpassen: Knochen, Zahn- halteapparat, Muskulatur, Weichge- webe. Nur unsere Zähne sind, einmal gebildet, nicht mehr anpassungs- fähig. Sie können in der Gebrauchs- periode nur noch „verschleißen“. Auf diese Tatsache können Strukturen wie Knochen, Muskulatur und Zahnhal- teapparat reagieren. Der Zahn ist das fixe, die anderen Strukturen das flexi- ble Element im stomatognathen Sys- tem: Vor diesem Hintergrund sind die derzeitigen Konzepte zur Rekon- struktion eines erodierten Gebisses kritisch zu betrachten. Zunächst ein- Abbildung 4 Wanderung des embryonalen Materials (Neuralleistenzellen) während mal sind viele unserer modernen der Blastogenese und Embryogenese. 1: Definitive Neuralleiste; 2: Noch nicht vereinigte Werkstoffe viel Verschleiß-resistenter Neuralleisten; 3: Geschlossenes Neuralrohr; 4: Wege der Neuralleistenzellen; 5: Chorda als der Zahnschmelz. Diese Tatsache dorsalis; 6: Primitives Darmrohr; Die Neuralleistenzellen besitzen hinsichtlich ihrer trifft besonders für monolithisches Differenzierungsmöglichkeiten eine große Plastizität, nach [12] Zirkoniumdioxid zu [4]. Rekonstruk- tionen der Okklusion sollten dem na- türlichen Verschleiß eines Gebisses mit dem Alter nicht entgegenstehen. Sofern der Verschleiß der Zahnhart- (Abb. 5: Dr. B. Miehe, Institut für Anatomie und substanz langsam über Jahre statt- gefunden hat, müssen wir davon aus- gehen, dass adaptive Prozesse die ver- tikale Dimension der Okklusion weit- gehend beibehalten haben. Zellbiologie, Greifswald) Statement Abrupte Erhöhungen der Bisslage sind in diesen Fällen zu vermeiden. Pau- schale Aussagen wie „5 mm Bisserhö- hung gehen immer“ sind sicherlich Abbildung 5 Zahnglockenstadium. Beachte die Verbindung des Mundhöhlenepithels nicht korrekt. Wir wissen aus der zur Zahnanlage. Vergrößerung 200-fach, HE-Färbung Schienentherapie, dass Bisserhöhun- © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2020; 75 (1)
PRAXIS / PRACTICE PRAXISLETTER / CLINICAL PRACTICE CORNER 9 (Mit freundlicher Genehmigung: Thieme Verlag) Abbildung 6 Prinzip der neuromuskulären Steuerung der Kaumuskulatur. Erklärung siehe Text; ARAS = Aufsteigendes retikuläres Aktivierungssystem [3] gen adaptiert werden können [7, 9]. Es sollte aber immer noch eine Ruhe- schwebelage nach Bisserhöhung vor- handen sein und die Erhöhung sollte in zentraler Relation des Unterkiefers zum Oberkiefer geplant werden, so- dass die Erhöhung als nahezu reine Rotationsbewegung des Unterkiefers erfolgt. Nach unserer klinischen Beob- achtung scheitern Rekonstruktionen mit Bisserhöhung vor allem dann, (Abb. 1–4, 7: M. Behr) wenn sie nicht in der retralen, son- dern in einer sagittal nach anterior verschobenen Position vorgenommen wurden. Wer sich also der Herausforde- rung, einen „Biss zu heben“ gegen- Abbildung 7 Die Okklusalflächen der Michiganschiene zeigten nach 6 Wochen übersieht, sollte die Ätiologie, welche Tragedauer ausgeprägte parafunktionelle Verschleißmuster. Die vorhandene Bisslage zum Zahnhartsubstanzverlust geführt wurde nicht adaptiert. In regio 45 ist die Schiene frakturiert. hat, beim Patienten genau studieren. Dann ist in zentrischer Relation mit einer Aufbiss-Schiene die neue Biss- lage auszutesten [3] (Abb. 7). Die klas- tagsüber, außer zu den Mahlzeiten, scheint die neue Bisslage bisher nicht sische Michigan-Schiene ist das Mit- getragen werden sollte, lassen sich zu adaptieren. Die gewählte Bisslage tel der Wahl. Notfalls ist die Biss- leicht parafunktionelle Schliffspuren führt zu (erneuten) Parafunktionen, hebung in mehreren Etappen durch- identifizieren. In diesen Fällen mit welche später auch zu Schäden, bei- zuführen. Anhand einer okklusal gut deutlichen Schliffspuren ist eine Biss- spielsweise Chipping an der Verblen- polierten Schiene, welche vor allem hebung risikoreich. Der Patient dung, führen könnten. © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2020; 75 (1)
10 PRAXIS / PRACTICE PRAXISLETTER / CLINICAL PRACTICE CORNER Literatur Funktionsstörungen? Dtsch Zahnärztl Z 9. Hellsing G: Functional adaptation to 2019; 74: 86–89 change in vertical dimension. J Prosthet 1. Alt KW, Garve R, Türp JC: Ist Abnut- Dent 1984; 52: 867–870 zung der Zahhartsubstanz ein patholo- 5. Berkovitz BK, Boyde A, Frank RM et gischer Prozess? Eine dentalanthropo- al.: Teeth. Springer, Berlin, Heidelberg 10. Kaidonis JA: Tooth wear: the view logische Perspektive. Dtsch Zahnärztl 1989 of the anthropologist. Clin Oral Invest Z 2013; 68: 550–557 2008; 12 (Suppl1): S21–26 6. Berry DC, Poole DF: Attrition: 2. Begg PR: Stone age man‘s dentition. Possible mechanisms of compensation. 11. Schumacher GH, Schmidt H: Anato- J Orthod 1954; 40: 298–312, 373–383, J Oral Rehabil 1976; 3: 201–206 mie und Biochemie der Zähne. VEB Volk 462–475, 517–531 und Gesundheit, Berlin 1982 7. Carlsson GE, Ingerval B, Kocak GI: 3. Behr M, Fanghänel J: Kraniomandi- Effects of increasing of vertical dimension 12. Schumacher GH, Fanghänel J, Per- buläre Dysfunktionen. Antworten aus Fra- on the masticatory system in subject with saud TVN: Teratologie. Fischer, Jena 1992 gen aus der Praxis. Thieme, Stuttgart, natural teeth. J Prothet Dent 1979; 41: 13. Türp JC: Okklusion in der Dental- New York 2020 281–289 anthropologie und Zahnmedizin. 4. Behr M, Proff P, Rosentritt M: Führt 8. Dawson PE: Functional Occlusion. 4. Konferenz des AK Ethno- und Paläo- die Anwendung von monolithischem From TMJ to smile design. Mosby, Zahnmedizin der DGZMK. J Cranio- Zirkoniumdioxid möglicherweise zu St. Louis 2007 mandib Func 2019; 11: 371–376 (Foto: Ingolf Riemer) (Foto: UKR) (Foto: UKR) PROF. DR. MED. DENT. PROF. DR. MED. DR. MED. DENT. M.SC. MICHAEL BEHR JOCHEN FANGHÄNEL ANGELIKA RAUCH Universität Regensburg Universität Regensburg Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik Fakultät für Medizin Fakultät für Medizin und Werkstoffkunde Franz-Josef-Strauss-Allee 11 Franz-Josef-Strauss-Allee 11 Universität Leipzig 93053 Regensburg 93053 Regensburg Liebigstr. 12, 04103 Leipzig michael.behr@klinik.uni-regensburg.de jochen.fanghaenel@ukr.de angelika.rauch@medizin.uni-leipzig.de Autorinnen und Autoren für wissenschaftliche Beiträge gesucht • Beschäftigen Sie sich mit einem zahnärztlichen Thema besonders intensiv? • Möchten Sie andere an Ihrem Wissen und Ihren Erfahrungen teilhaben lassen? • Dann schreiben Sie eine Originalarbeit, einen Übersichtsartikel oder einen Fallbericht für die DZZ – gerne in deutscher Sprache. Nähere Informationen zum Aufbau eines wissenschaftlichen Beitrages finden Sie unter: https://www.online-dzz.de/autorengutachter/ Wir beraten Sie gern! Wenn Sie eine Idee für einen wissenschaftlichen Beitrag haben, melden Sie sich gerne bei der DZZ-Schriftleitung. Unsere Kontaktdaten finden Sie auf der neuen Webseite unter https://www.online-dzz.de/schriftleitung/ © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2020; 75 (1)
AKTUELLES / NEWS MARKT / MARKET 11 11 MEDENTIS APW ICX-Fortbildung auf Mallorca Curriculum „Gutachter“ ab März Namhafte Referen- Streitigkeiten zwischen Behand- ten, Innovationen lern und Patienten kommen im- aus der ICX-Welt, mer wieder vor. Für die richtige eine ausgezeichne- Einschätzung des Sachverhalts te Betreuung und sorgen bei juristischen Aus- Verpflegung und einandersetzungen dann Gut- das alles im Wohl- achter. Im neuen Curriculum Robert Kneschke – Fotolia fühlambiente un- „Gutachter“ der Akademie ter der Sonne Spa- Praxis und Wissenschaft (APW) niens – das sind werden dazu Standards aus al- die Zutaten der er- len Teilgebieten der Zahnmedi- folgreichen Events zin vermittelt, wie diese von von medentis in der ICX-Fortbildungsvilla an der Costa den jeweiligen Fachgesellschaf- d‘en Blanes auf Mallorca. ten konsentiert sind. Auch die rechtlichen Grundlagen und Am 3. und 4. April 2020 geht es um das Thema „Chirurgie Voraussetzungen für die Gutachtertätigkeit gehören zu den oder komplexe Augmentationen“. Mit dabei sind Prof. Dr. Kurs-Inhalten. Diese Grundlagen vermittelt das neue APW Katja Nelson (Freiburg) und PD Dr. Susanne Nahles von Curriculum „Gutachter“ in Theorie und Praxis, jetzt unter der Charité Universitätsmedizin Berlin. Weitere Informa- der Leitung von Prof. Dr. Dr. Andreas Schlegel. Das Curri- tionen und Anmeldung unter https://icx-mallorca.de. culum startet am 13./14. März 2020 in München und en- det vom 26. bis 28. Februar 2021 ebenda. medentis medical GmbH Walporzheimer Str. 48-52 APW Akademie Praxis und Wissenschaft 53474 Bad Neuenahr/Ahrweiler Liesegangstr. 17a, 40211 Düsseldorf Tel.: 02641 9110-0, Fax: 02641 9110-120 Anmeldung über Karin Odor, Tel.: 0211 66 96 73-45 info@medentis.de, www.medentis.de apw.odor@dgzmk.de, www.apw.de GEISTLICH PERMADENTAL Konferenz „Reparatur-Chirurgie“ Zahnersatz von A-Z Am Samstag, den 7. März 2020, findet die 5. Geistlich Konferenz unter dem Leitthema „Reparatur-Chirurgie“ im Kurhaus in Baden- Baden statt. Im Fokus Übersichtlich, komplett, attraktiv und mit klarem werden die Prävention Mehrfachnutzen für die Zahnarztpraxis, so präsentiert und Behandlung von Permadental die aktualisierte Neuauflage seines Zahn- Periimplantitis sowie ersatzkatalogs 2020. Mit „Zahnersatz von A-Z“ stellt der Regenerationsmaßnah- Komplettanbieter für zahntechnische Lösungen der men für Knochen und Praxis wieder ein Nachschlagewerk zur Verfügung, das Weichgewebe nach Ex- sowohl dem hohen Qualitätsniveau des Unternehmens plantation und Implantatverlust zur Wiederherstellung als auch den ausgeprägten Qualitätsansprüchen der Zahn- der Kaufunktion stehen. Namhafte Experten werden im ärztinnen und Zahnärzte entspricht. Das mehr als 60 Austausch mit den Konferenzteilnehmern Pionierarbeit Seiten starke Kompendium bildet nahezu das gesamte leisten und neue Wege sowie Behandlungsstrategien bei Permadental-Leistungsspektrum ab und beeindruckt in und nach Periimplantitis aufzeigen. Den Vorsitz führt Text und Bild mit praxisrelevanten Informationen zu Prof. Dr. Dr. Hendrik Terheyden. festsitzendem und herausnehmbarem Zahnersatz und dem ebenso innovativen wie umfassenden Service- Geistlich Biomaterials Vertriebsgesellschaft mbH angebot des Komplettanbieters. Schneidweg 5, 76534 Baden-Baden Tel.: 07223 9624-16 oder 07223 9624-40 Permadental GmbH events@geistlich.de, bettina.schmitz-bensberg@geistlich.de Marie-Curie-Str. 1, 46446 Emmerich www.geistlich.com Tel.: 02822 10065, info@ps-zahnersatz.de, www.permadental.de Alle Beschreibungen sind den Angaben der Hersteller entnommen. © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2020; 75 (1)
12 PRAXIS / PRACTICE FALLBERICHT / CASE REPORT Alice Josephine Müller, Simon Peroz, Frank Peter Strietzel Implantatprothetische Reha- bilitation bei durch Periimplantitis entstandenen Knochendefekten mittels allogenen individualisierten Knochenblocktransplantaten* Warum Sie Einführung: Implantatprothetische Rehabilitationen nach vorausgegangenem diesen Beitrag Implantatverlust aufgrund einer Periimplantitis und Parodontitis gelten als lesen sollten? anspruchsvoll und risikobehaftet, da die verbleibenden Defekte am Alveolar- fortsatz oft weit ausgedehnt sind und auch die Nachbarregionen betreffen Die implantatprothetische können. Eine 68-jährige Patientin stellte sich mit ausgeprägter Periimplantitis Rehabilitation bei ausgeprägten in regio 44 und stark atrophiertem Kieferkamm in regio 32–41 mit dem Knochendefekten gilt als chirurgisch Wunsch nach einer neuen implantatfixierten prothetischen Versorgung des und implantatprothetisch anspruchs- Unterkiefers vor. Bei unauffälliger Allgemeinanamnese und bereits durch- voll. Eine Möglichkeit zur Lösung geführten Parodontitistherapien zeigten sich nach Explantation 44 in regio 44 dieser Fälle kann die Verwendung bis 46 ein ausgeprägter horizontaler und vertikaler sowie in regio 32 bis 41 ein von allogenen individuellen horizontaler Alveolarfortsatzdefekt klinisch und in der dreidimensionalen Knochenblöcken sein, wie wir in Bildgebung (Digitale Volumentomographie, DVT). Vor erneuter Implantat- dieser Kasuistik zeigen. planung erfolgte eine Reevaluation des Status der Periimplantitis und Paro- dontitis. Es bestand der Verdacht auf eine Zementrest-assoziierte Periimplan- titis, welche zum Implantatverlust geführt haben könnte. Material und Methode: Zwei mittels CAD-CAM Verfahren hergestellte patientenindividuelle allogene Knochentransplantate (Maxgraft bone builder®, Botiss, Zossen, Germany) wurden stabil zur Defektrekonstruktion eingebracht. Trotz Dehiszenz in Regio 31 zeigten sich beide Knochenblöcke nach 6 Monaten revaskularisiert und integriert. Es erfolgte die Implantation in regio 31, 41, 44 und 46. Eine festsitzende implantatprothetische Versorgung konnte 3 Monate später erfolgreich eingegliedert werden. Ergebnisse: Die Kasuistik zeigt, dass eine funktionell und ästhetisch zufrie- denstellende Defektrekonstruktion auch nach Periimplantitis, Explantation und bei konsequent vorbehandelter chronischer Parodontitis marginalis durch ein zweizeitiges operatives Vorgehen möglich ist. Eine kleinere lokale Dehis- zenz über dem allogenen Transplantat schränkte das Gesamtergebnis der Augmentation nicht ein. Inwiefern das Augmentationsergebnis stabil bleibt, werden Langzeituntersuchungen zeigen müssen. Schlüsselwörter: implantatprothetische Rehabilitation; Periimplantitis; Parodontitis; allogene Transplantate Charité – Universitätsmedizin Berlin, Charité Centrum 3 für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Bereich Oralmedizin, zahnärztliche Röntgenologie und Chirurgie (Leitung: Univ. -Prof. Dr. Andrea-Maria Schmidt-Westhausen); Dr. Alice Josephine Müller, PD Dr. Frank-Peter Strietzel Charité – Universitätsmedizin Berlin, Charité Centrum 3 für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Abteilung für Prothetik, Alterszahnmedizin und Funktionslehre (Leitung: Univ.-Prof. Dr. F. Beuer); Simon Peroz *Deutsche Version der englischen Erstveröffentlichung Müller AJ, Peroz S, Strietzel FP: Implant-prosthetic rehabilitation using individualized allogeneic bone blocks for bone defects caused by peri-implantitis. Dtsch Zahnärztl Z Int 2020; 2: 8–13 Zitierweise: Müller AJ, Peroz S, Strietzel FP: Implantatprothetische Rehabilitation bei durch Periimplantitis entstandenen Knochendefekten mittels allogenen individualisier- ten Knochenblocktransplantaten. Dtsch Zahnärztl Z 2020; 75: 12–18 Peer-reviewed article: eingereicht: 12.07.2019, revidierte Fassung akzeptiert: 30.10.2019 DOI.org/10.3238/dzz.2020.0012–0018 © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2020; 75 (1)
MÜLLER, PEROZ, STRIETZEL: Implantatprothetische Rehabilitation bei durch Periimplantitis entstandenen Knochendefekten Implant-prosthetic rehabilitation for bone defects caused by peri-implantitis 13 anamnese stellte sich in der Abtei- lung Oralmedizin, zahnärztliche Implant-prosthetic rehabilitation Röntgenologie und Chirurgie am using individualized allogeneic Charité Centrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Charité- bone blocks for bone defects caused Universitätsmedizin Berlin mit dem by peri-implantitis Wunsch nach einer neuen festsitzen- den prothetischen bzw. implantat- prothetischen Versorgung vor. Vor- Introduction: Implant-prosthetic rehabilitation after previous implant loss untersuchungen erfolgten schon bei due to peri-implantitis and periodontitis is considered to be challenging mehreren Zahnärzten alio loco, der and risky, as the remaining alveolar process defects are often extensive and Patientin wäre mehrfach dargestellt may also affect neighboring regions. A 68-year-old female patient with ad- worden, dass das Implantat 44 sowie vanced peri-implantitis in region 44 and a severely atrophied alveolar ridge der Zahn 45 nicht erhaltungswürdig in region 32–41 requested a new fixed implant-prosthetic restoration of wären, eine neue festsitzendende im- the lower jaw. The patient had an inconspicuous general medical history plantatprothetische Versorgung auf- and previous periodontitis therapy had been performed. Subsequent to grund der ausgeprägten Knochen- explantation at site 44, pronounced horizontal and vertical defects of the defekte im Unterkiefer nicht möglich alveolar ridge in region 44 to 46 and in region 32 to 41 were identified wäre. Dennoch war der Wunsch der both clinically and using 3D radiographic imaging (cone-beam computed Patientin groß, weiterhin festsitzend tomography, CBCT). Prior to implant planning, the status of peri-implantitis versorgt werden zu können. (Abb. 1 and periodontitis was re-evaluated, as there was a suspicion of residual ce- Ausgangssituation) ment-associated peri-implantitis, which could have resulted in implant loss. Nebenbefunde Material and Methods: Two patient-specific allogeneic bone grafts Im Unterkiefer zeigten sich außerdem were made using CAD-CAM (Maxgraft bone builder®, Botiss, Zossen, die Zähne 32–42 aufgrund einer fort- Germany) and were securely introduced for bone defect reconstruction. geschritten Parodontitis marginalis Despite dehiscence in region 31, both transplants showed revascularization nicht erhaltungswürdig, sowie die and integration after 6 months. Implant placement ensued in regions 31, Zähne 43 und 33 aufgrund von aus- 41, 44 and 46. Thereafter, a fixed implant-supported restoration could be geprägten Abrasionen überkronungs- successfully applied 3 months later. bedürftig. Aufgrund von abgeplatzter keramischer Verblendung und insuf- Results: This case report demonstrates that satisfactory bone defect recon- fizienten Kronenrändern waren die struction, meeting both functional and esthetic criteria, is possible even Kronen auf den Zähnen 34 und 47 subsequent to peri-implantitis, explantation and rigorous periodontal erneuerungsbedürftig, ebenso die pretreatment of chronic marginal periodontitis by means of a two-staged Brücke auf den Zähnen 35 bis 37. Zu- surgical approach. A small dehiscence above the allograft did not curtail sätzlich zeigten sich im Oberkiefer the overall result of the augmentation. Long-term studies must show the alle Kronen aufgrund von insuffizien- extent to which the augmentation result remains stable. ten Kronenrändern (auf den Zähnen 15–25, 27 und Implantaten 17, 16 Keywords: implant-prosthetic rehabilitation; peri-implantitis; periodonti- und 26) erneuerungsbedürftig. Die tis; allogeneic grafts Implantate zeigten einen beginnen- den horizontalen Knochenabbau, die endodontische Versorgung des Zah- nes 21 war aufgrund von überpress- tem Wurzelkanalfüllmaterial zu revi- Einleitung on ausgeprägter Alveolarfortsatzdefekte dieren. Alle Zähne zeigten sich apikal Die implantatprothetische Rehabilitati- mit autologen Knochentransplantaten unauffällig, jedoch mit zervikalem on nach vorausgegangener Periimplan- der Goldstandard. Der erhöhte Schwie- Knochenabbau. titis mit Explantation und daraus resul- rigkeitsgrad des operativen Vorgehens tierenden ausgedehnten horizontalen sowie die Entnahmemorbidität und die Therapiealternativen und vertikalen Knochendefekten gilt längere Operationsdauer befeuern den Alternativ hätte im Unterkiefer ein als anspruchsvoll. Schüsselförmige, Wunsch nach alternativen Methoden: herausnehmbarer Zahnersatz angefer- periimplantäre Defekte sind oft aus- Eine Möglichkeit ist die Verwendung tigt werden können. Hierzu wären ei- gedehnt und können auch Nachbar- von individuell hergestellten allogenen ne teleskopierende Brücke/Prothese regionen betreffen. Ihre spezielle und Transplantaten. oder eine mittels Klammern ver- höchst individuelle Geometrie er- ankerte Modellgussprothese in Frage schwert die Rekonstruktion und die Fallbericht gekommen. Eine festsitzende Versor- Wahl eines geeigneten Augmentations- Patientenvorstellung: Eine 68-jährige gung war in diesem Fall nur mittels verfahrens. Aktuell ist die Rekonstrukti- Patientin mit unauffälliger Allgemein- Implantaten möglich. © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2020; 75 (1)
MÜLLER, PEROZ, STRIETZEL: Implantatprothetische Rehabilitation bei durch Periimplantitis entstandenen Knochendefekten 14 Implant-prosthetic rehabilitation for bone defects caused by peri-implantitis bebank) aus Femurköpfen von Le- bendspendern gewonnen und in mehreren Schritten aufbereitet. Sie durchlaufen verschiedene Anti- gen- und serologische Tests, um eine Übertragung von Infektionen aus- zuschließen. Dabei werden die Kno- chenblöcke mittels Ultraschallbad (Reinigung von Blut-, Zell- und Gewebekomponenten), Diethylether- und Ethanolspülung (Denaturierung von nichtkollagenem Protein und Pa- thogenen), oxidativer Behandlung (Eliminierung potenzieller Antigene), Lyophilisierung (Strukturerhalt und Erhalt einer Restfeuchte) und finaler Gammabestrahlung (Sterilisation und Abbildung 1 Ausgangssituation Konservierung) aufbereitet. Durch den Herstellungsprozess bleibt die of- fenporöse spongiöse Knochenstruk- tur erhalten bei einer Porengröße von Behandlung chentransplantaten entfiel somit als 100–1800 μm (Angaben laut Herstel- Zunächst erfolgte die Explantation Behandlungsalternative. Es folgte der ler) [5, 10]. von 44 und die Extraktion von Zahn Vorschlag der Augmentation mittels Für die Patientin wurden 2 pa- 45, die daraus entstandene Lücken- patientenindividuellen allogenen tientenindividuelle allogene Trans- gebisssituation wurde mit einem Knochenblöcken (Maxgraft Bone plantate mit der oben beschriebenen parodontal abgestützten Schienen- Builder, Botiss, Zossen, Deutschland). Methode angefertigt. Diese wurden provisorium versorgt. Nach Abschluss Über die weiteren bestehenden Alter- nach Kortikaliskonditionierung an der Wundheilung erfolgte die Anferti- nativen (u.a. Beckenkammtransplan- den Empfängerorten und nach Rehy- gung eines DVTs mit röntgenopaken tation, Verwendung von Knochen- drierung der Transplantate mittels Referenzmarkern (Röntgenschablone ersatzmaterial in partikulärer Form autogener, an Wachstumsfaktoren mit Titanhülsen [10 mm lang] in den im Rahmen einer gesteuerten Kno- angereicherter Plasmafraktion (PRGF Regionen 46, 44, 32, 41 nach zuvor chenregeneration unter Schaffung Endoret Phase 2, BTI, Karlsruhe, angefertigter diagnostischer Aufstel- eines Kompartments) mit den Vortei- Deutschland) mit jeweils 2 von vesti- lung der fehlenden Zähne). Die DVT- len bzw. Risiken und voraussicht- bulär eingesetzten Osteosynthese- Bildgebung zeigte in diesen Regionen lichen Kosten wurde die Patientin schrauben (Minischrauben, Strau- ausgeprägte horizontale und vertikale umfassend aufgeklärt. Maxgraft Bone mann, Freiburg, Deutschland) (Abb. Alveolarfortsatzdefekte, welche eine Builder sind allogene Transplantate, 6 und 7) fixiert. Es folgte nach Mobi- Implantation a priori ausschlossen welche individuell an die Defektsitua- lisierung des jeweiligen vestibulären und ein mehrzeitiges Vorgehen erfor- tion (Abb. 2a und 2b) des Patienten Mukosa-Periost-Lappens und Abde- derten (Abb. 3 und 4). Zusätzlich präoperativ mittels digitaler drei- ckung der Transplantate mittels Fi- stellte sich die übliche intraorale Ent- dimensionaler Planung (SMOP, Swiss- brinmembran (PRGF Endoret, Phase nahmestelle für autologe Transplan- meda AG, Baar, Schweiz) (Abb. 5) an- 1, BTI, Karlsruhe, Deutschland) der tate als zu gering dimensioniert dar. gefertigt werden. Sie werden durch primäre und spannungsfreie Wund- Die Verwendung von autologen Kno- die Cells+Tissuebank Austria (Gewe- verschluss. Während der Einheilungs- (Abb. 2a: S. Peroz, Abb. 2b: A.J. Müller) a) b) Abbildung 2a Klinischer Zustand regio 32 und regio 44/45, 2b intraoperativer Zustand nach Lappenbildung © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2020; 75 (1)
MÜLLER, PEROZ, STRIETZEL: Implantatprothetische Rehabilitation bei durch Periimplantitis entstandenen Knochendefekten Implant-prosthetic rehabilitation for bone defects caused by peri-implantitis 15 phase der Transplantate trug die Pa- tientin das angepasste parodontal ab- gestützte Schienenprovisorium, um die augmentierten Regionen weitest- gehend vor mechanischer Belastung zu schützen. Es erfolgte zudem eine perioperative systemische antiinfek- tive Therapie (Amoxicillin) über 7 Ta- ge (initial eine Stunde präoperativ 2 g, sodann alle 8 Stunden je 1 g Amoxicillin). Die Wundheilung ver- lief unauffällig und nach Angaben der Patientin schmerzarm. Es erfolg- ten monatliche Kontrollen des Aug- 3) 4) mentationsgebietes. Kurz vor Ablauf der 6-monatigen Einheilungsphase Abbildung 3 und 4 Radiologischer Zustand regio 32 und regio zeigte sich in regio 31 eine kleine De- 44/45 (Galileos, Dentsply Sirona, Bensheim, Deutschland) hiszenz. Die umgebenden Gewebe waren reizlos. Vor Planung der Implantation er- folgte eine röntgenologische Reeva- plantate freigelegt und zusätzlich ei- Abutments wurden im zahntech- luation der Augmentationen. Sowohl ne Vestibulumplastik in den Regio- nischen Labor (Zahntechnik Mehl- bei klinischer Untersuchung als auch nen 32 bis 42 und 44 bis 46 durch- horn, Berlin) hergestellt. Kleinere äs- röntgenologisch zeigte sich eine Zu- geführt, da durch die mehrfachen thetische und funktionelle Korrektu- nahme des vertikalen und transversa- Augmentationen und damit verbun- ren wurden chair-side vorgenommen. len Knochenangebots für eine Im- denen Mobilisierungen der Schleim- Alle Brücken und Kronen im Unter- plantation. Es erfolgte die Implantat- haut die mukogingivale Grenzlinie kiefer wurden aus Zirkonoxid mit in- planung nach Kalibrierung der PSA nach krestal verschoben war. Durch dividueller keramischer Verblendung mittels 10 mm langer teilbarer Rönt- die Vestibulumplastik konnte im Be- hergestellt. Alle zahngetragenen Kro- gen- bzw. Bohrhülsen und Vermes- reich der Implantate wieder eine aus- nen und Brücken wurden permanent sung der zu implantierenden Regio- reichend breite Zone keratinisierter (Ketac Cem, 3M, Neuss, Deutsch- nen 32, 41, 44 und 46. Gingiva hergestellt werden. Drei Wo- land), alle implantatgetragenen Brü- Unmittelbar vor der Implantation chen nach der Freilegungsoperation cken semipermanent (Improv, Dente- wurden die Osteosyntheseschrauben konnte die Abformung der nach Ent- gris, Monheim am Rhein, Deutsch- entfernt. Die allogenen Transplantate fernung alter Restaurationen und Prä- land) zementiert (Abb. 11 und 12). zeigten im Bereich der Osteosynthe- paration neu zu versorgenden Zähne Zum Zeitpunkt der Fertigstellung der seschrauben ca. 1,5 mm Resorption 37, 35, 33 und 43 mit zeitgleichem Unterkieferversorgung waren die (Abb. 8) in der horizontalen Dimensi- Bissregistrat und Gesichtsbogen erfol- Zähne im Oberkiefer noch mit aus on. Beide Transplantate waren osseo- gen. Ein Set-up zur Anprobe sowie PMMA gefrästen Langzeitprovisorien integriert und vaskularisiert. Die Im- die individuell aus Titan gefrästen versorgt. plantate des Typs Astra EV (Dentsply, Sirona, Bensheim, Deutschland) konnten planmäßig in den Regionen 32, 41, 44 und 46 inseriert werden (Abb. 9 und 10). Zusätzlich erfolgte (Abb. 5: C. Hohmann, botiss biomaterials GmbH, Zossen) als Resorptionsschutz und zur Ab- deckung der vestibulären Implantat- schulter eine gesteuerte Knochen- regeneration mittels bovinem Kno- chenersatzmaterial (Bio Oss, Geistlich Biomaterials, Waldenburg, Schweiz) und Abdeckung mittels porciner Kol- lagenmembran (Bio Gide, Geistlich Biomaterials, Waldenburg, Schweiz) in den Regionen 41, 44 und 46. Auch hier erfolgte wie zuvor eine syste- mische antiinfektive begleitende The- rapie mit Amoxicillin. Die Wundhei- lung erfolgte komplikationslos. Nach Abbildung 5 3D-Planung der Firma Botiss (Straumann, Freiburg, Deutschland) mit weiteren 3 Monaten wurden die Im- SMOP (Swissmeda AG, Baar, Schweiz) © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2020; 75 (1)
MÜLLER, PEROZ, STRIETZEL: Implantatprothetische Rehabilitation bei durch Periimplantitis entstandenen Knochendefekten 16 Implant-prosthetic rehabilitation for bone defects caused by peri-implantitis Nachsorge Die erste Nachsorge erfolgte 3 Mona- te nach Eingliederung und zeigte un- auffällige periimplantäre Gewebe. Diskussion und Epikrise Bei ausgedehnten Kieferkammdefek- ten, fortgeschrittenem Patientenalter und mehrfach erfolgten Revisions- behandlungen sind bei mehreren be- troffenen Regionen oft die Grenzen intraoraler Spenderregionen zur Ge- winnung von autologen Knochen- transplantaten erreicht. Die Alterna- tive – Beckenkammtransplantation – schreckt viele Patienten ab und geht 6) mit einer gewissen Entnahmemorbi- dität [12] sowie einem stationären Aufenthalt einher. Intraoperativ bieten die CAD/ CAM („computer-aided design-“ und „computer-aided manufacturing-”) gefrästen patientenindividuellen Kno- chenblöcke (Maxgraft Bone Builder) den Vorteil der relativ kurzen Opera- tionsdauer aufgrund der hohen Pass- genauigkeit der Transplantate. Die große Kontaktfläche zwischen Trans- plantat und Empfängerbett ermög- licht einen flächigen Austausch sowie Revaskularisierung und Osteokon- duktion durch kontinuierliche Substi- tution des Augmentats durch Eigen- knochen [2]. Das Volumen der patien- 7) tenindividuellen allogenen Knochen- Abbildung 6 und 7 Intraoperative Situation nach Befestigung der allogenen patien- blöcke darf nicht zu groß gewählt tenindividuellen Transplantate (Maxgraft Bone Builder, Botiss, Zossen, Deutschland) werden, um eine flächige Revaskulari- sierung sowie den Umbauprozess zu gewährleisten [3]. Ebenso ist die Dicke der bedeckenden Schleimhaut ent- scheidend für den Erfolg der Augmen- tation: Der Oberkiefer ist also theo- retisch mit einer durchschnittlichen Schleimhautdicke von 3–6 mm geeig- neter als die Verwendung der Trans- plantate im Unterkiefer, da bei dicke- ren Schleimhautverhältnissen sowohl der spannungsfreie Wundverschluss als auch die Ernährung des Mukosa- Periostlappens erleichtert ist [11]. Schon lange gibt es Stimmen bezüg- lich des potenziellen Risikos der Krankheitsübertragung von Spender auf Empfänger durch die Verwendung allogener Transplantate – seit der Durchführung von DNA-basierten Bluttests und der Aufbereitung der Transplantate mittels Lösungsmittel- Abbildung 8 Zustand nach 6-monatiger Einheilung, ca. 1,5 mm Resorption dehydrierung, oxidativer Behandlung erkennbar im Bereich der Schraubenköpfe und Gamma-Bestrahlung – konnte je- © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2020; 75 (1)
MÜLLER, PEROZ, STRIETZEL: Implantatprothetische Rehabilitation bei durch Periimplantitis entstandenen Knochendefekten Implant-prosthetic rehabilitation for bone defects caused by peri-implantitis 17 (Abb. 1, 3, 4, 6–10: A.J. Müller) 9) 10) Abbildung 9 und 10 Zustand nach Entfernung der Osteosyntheseschrauben und Implantatinsertion regio 32, 41, 44 und 46, „nachaugmentiert“ in regio 41, 44 und 46. doch kein Fall einer Krankheitsüber- liche – Augmentation erforderlich defekten dar. Durch die digitale Pla- tragung vom Spender zum Empfänger machen, die dann jedoch zumeist im nung und die Diagnostik mittels DVT nachgewiesen werden [4]. Auch das Rahmen der Implantation simultan können gemeinsam mit dem Patien- Thema der Antigenität gegenüber erfolgen kann. ten mögliche Augmentationsverfah- dem humanen Leukozyten-Antigen Gerade bei der Herstellung einer ren evaluiert und diskutiert werden. (HLA) rückt durch die mehrschrittige auf Implantaten festsitzenden Prothe- Die geringere Morbidität und kürzere Prozessierung der heute verwendeten tik spielt die Rot-Weiß-Ästhetik eine Operationsdauer (da eine Knochen- allogenen Knochentransplantate in große Rolle, welche nur zufriedenstel- entnahme, sowie die Anpassung der den Hintergrund. Sie wurde bislang lend erreicht werden kann, wenn die autologen Knochenblöcke entfällt) besonders im Zusammenhang mit Defektrekonstruktion auch in vertika- sind wichtige Argumente bei der Aus- Kryokonservierung [7, 8] und frisch ler Richtung erfolgt. In der hier prä- wahl einer geeigneten Augmenta- gefrorenen allogenen Transplantaten sentierten Kasuistik war dies nur in re- tionstechnik. Langfristige Nachbeob- [9] beobachtet. Eine ausführliche Auf- gio 44 bis 46 vollständig realisierbar, achtungen müssen zeigen, inwiefern klärung über die Art, Herkunft und in regio 32 bis 42 musste zusätzlich die Augmentationsergebnisse stabil die Besonderheiten des zu verwen- mit rosa Keramik gearbeitet werden, bleiben und wie sich die Verweilrate denden Knochenersatzmaterials ist in um die fehlende Gingivahöhe aus- der Implantate in einem derartig re- jedem Fall erforderlich [1]. Vergleicht zugleichen. konstruierten Lagergewebe entwickelt. man autologe und allogene Trans- plantate, fanden Kloss et al. nach Schlussfolgerung 12 Monaten Beobachtungszeiten un- In der Zusammenschau aller Faktoren ter radiologischer Kontrolle ähnliche stellen allogene patientenindividuell Interessenkonflikte: Resorptionsraten [6] wie bei auto- hergestellte Knochenblöcke eine Alter- Die Autoren erklären, dass kein Inte- logen Transplantaten. Dies kann – wie native zu autologen Knochenblöcken ressenkonflikt im Sinne der Richt- auch im vorgestellten Behandlungs- oder der Schalentechnik bei der Re- linien des International Committee verlauf – eine zusätzliche, nachträg- konstruktion von Alveolarfortsatz- of Medical Journal Editors besteht. (Abb. 11 u. 12: S Peroz) 11) 12) Abbildung 11 und 12 Zustand nach Abschluss der implantatprothetischen Behandlung © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2020; 75 (1)
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