I. Eilmeldung - strafrecht-online.org

Die Seite wird erstellt Niklas-Maximilian Walz
 
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LSH-Newsletter vom 30.09.2022

Herzlich willkommen zum NL der emsigen Ameisen. Deren Arbeitsstil haben wir nie so
ganz durchschaut, ist uns aber sympathisch. Einfach mal ein bisschen Wind machen und
hin und her wuseln. Ein Team um den Biologen Patrick Schultheiss von der University of
Hongkong hat sich nun von diesen umtriebigen Ameisen inspirieren lassen und ganz ge-
nau nachgezählt: Es gibt 20 Billiarden von ihnen auf der Erde, was einer 20 mit 15 Nullen
entspricht. Wir hoffen, dass unsere traditionelle Sommer-Ameisenstraße auf dem Sims des
Institutsgebäudes mitberücksichtigt wurde, die stets im Nirwana endet. Nicht, dass die
Zählung wieder von vorn beginnen muss!

https://sz.de/1.5660106

I. Eilmeldung
< Kann Wissenschaft verständlich sein? >

So lautet der Titel eines Buches von Ernst Glaser    Zu welchen Erkenntnissen Ernst Glaser gelangt
aus dem Jahre 1965, das wir nur deshalb zur          ist, wissen wir leider nicht, weil wir selbst keine
Kenntnis nahmen, weil doch tatsächlich eine Stu-     Bücher lesen. Wir rufen aber erschrocken aus:
dentin aus unserer Institutsbibliothek ein echtes    „Gott behüte! Verständlichkeit wäre der Tod der
Buch, und dann noch eines aus der Steinzeit, aus-    Wissenschaft!“
leihen wollte.

II. Law & Politics
< Das Eichhörnchen-Prinzip >

Nach den Ameisen nun also die Eichhörnchen           gewesen. Das Recht auf informationelle Selbstbe-
und deren Prinzipien. So berichtet Wolfgang Ja-      stimmung schütze den Einzelnen gegen informa-
nisch von der Süddeutschen Zeitung, das Bundes-      tionsbezogene Maßnahmen, die für ihn weder
verfassungsgericht habe es der Polizei untersagt,    überschaubar noch beherrschbar seien. Erken-
von einem Sprayer „nach dem Prinzip Eichhörn-        nungsdienstliche Maßnahmen seien auf das zu be-
chen“ eine Datenbank mit verschiedenen Fotos         schränken, was „konkret notwendig“ für ein
sowie Finger- und Handflächenabdrücken anzu-         Strafverfahren sei.
legen, um für etwaige künftige Fälle gewappnet zu
sein.                                                https://sz.de/1.5641894

Diese erkennungsdienstlichen Maßnahmen seien         Auch die berüchtigte Vorratsdatenspeicherung,
für die Aufklärung der Sprayaktion gar nicht nötig   über die wir immer wieder mit Schaum vor dem
                                                     Mund berichteten und der es nunmehr hoffent-
                                                     lich endgültig an den Kragen ging, stand für die
NL vom 30.09.2022

anlasslose Speicherung zahlreicher Verkehrsdaten
„auf Vorrat“, also für eine mögliche spätere Nut-    Aber die Eichhörnchen sammeln beileibe nicht
zung.                                                ohne Sinn, Zweck und Verstand, wie uns von
                                                     NABU bestätigt wird:
https://strafrecht-online.org/nl-2015-10-23 [II.]
                                                     „Doch wer versteckt, muss auch wiederfinden.
https://strafrecht-online.org/spon-vorrat-22         Deshalb sind bei Tierarten, die Nahrungsverste-
                                                     cke anlegen, bestimmte Hirnareale besonders aus-
Und um ein drittes Beispiel aus diesem schier un-    geprägt, um die Versteckorte zu speichern. So
erfindlichen Reservoir der anlasslosen Sammel-       versteckt das nordamerikanische Rothörnchen
wut zu nennen: Im Kampf gegen den Kindes-            schätzungsweise etwa 10.000 Nüsse pro Saison
missbrauch will die Kommission nunmehr Chats         und findet die allermeisten wieder! Manche De-
auf verdächtige Inhalte hin scannen lassen.          pots werden sogar ausgegraben, die Qualität über-
                                                     prüft und dann erneut vergraben.
https://sz.de/1.5636760
                                                     Beim Finden spielt auch der Geruchssinn eine
Wir wollen an dieser Stelle gar nicht ein weiteres
                                                     Rolle. Selbst durch die Schneedecke hindurch er-
Mal gegen unverhältnismäßige Grundrechtsein-
                                                     schnuppern die Tiere ihre Vorratslager. Nicht ge-
griffe ohne Anlass wettern, auch weil wir diesbe-
                                                     fundene Samen füllen zwar nicht den Magen der
züglich ein wenig müde geworden sind. Aber wir
                                                     Hörnchen, aber erfüllen auch ihren Zweck: Aus
finden es echt gemein, dass plötzlich das Eich-
                                                     ihnen können neue Bäume sprießen und den
hörnchen in den Dreck gezogen wird, dem impli-
                                                     Wald ergänzen! Eichhörnchen bauen sich also ih-
zit vorgeworfen wird, es sammele einfach mal so.
                                                     ren Lebensraum ein Stück weit selbst.“
Zugegeben machen wir gerade auch bei unseren         https://strafrecht-online.org/nabu-eichhoernchen
Institutseichhörnchen eine gewisse Hektik in der
Nähe des Haselnussbaums aus, die wir nicht           Es besteht kein Anlass anzunehmen, dass dies die
nachvollziehen können. Denn wir haben Sie be-        europäischen Eichhörnchen nicht hinbekommen.
reits mehrfach darüber informiert, dass Urban        Also: Hände weg von diesen Bildern im Zusam-
Wildlife in Freiburg allein den Steinmarder und      menhang mit der anlasslosen Sammelwut des
den Igel in unserem Institutsgarten vor die Linse    Staates. Auch wenn der Teufel ein Eichhörnchen
bekam, die sich einen Kehricht um die Haselnüsse     sein soll.
kümmern. Das dürfte doch auch den Eichhörn-
chen nicht entgangen sein, es sei denn, sie halten
streng die Nachtruhe ein.

III. Ratgeber LSH
< heute: Alles zum Studienbeginn >

Der LSH rühmt sich in bescheidener Selbstein-        Kategorie, die man nicht braucht“, die nicht nur
schätzung, die für ein erfolgreiches Studium es-     zufällig das Kernelement des Newsletters seit
senziellen Bausteine für Sie parat zu haben. Wir     mehr als 20 Jahren ausmacht.
meinen nicht etwa unser solides strafrechtliches
Halbwissen, das wir gerne als das Nonplusultra       „Und wie steht es mit einer Wohnung oder einem
verkaufen, sondern vielmehr unsere umfängliche       Zimmer, Ihr Schlaumeier?“ werden Sie vielleicht
Mensa-Expertise, die sich RH in nunmehr fast         einwenden. „Ein Bude liegt uns nämlich durchaus
vier Jahrzehnten angeeignet hat, oder eben „die      am Herzen, und wir sehen hier kein Land.“

                                                                                                        -2-
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Auch diese Frage bringt uns keinesfalls aus dem      habe wegen der miesen Wahlbeteiligung selbst
Konzept. So verweisen wir in diesem Fall einfach     Dreck am Stecken. Der Student wolle einfach nur
auf https://www.wohnheim-freiburg.de, bei der        studieren, eine Bude haben und vielleicht mal mit
es laut Bezeichnung im Browser-Tab um ein „Stu-      einer „Ausgehbegleitung“ oder „Couleurdame“
dentenwohnheim“ gehen soll und attraktiver           „vögeln“, auch wenn er sie nicht so nenne. Nicht
Wohnraum zur Verfügung steht:                        mehr und nicht weniger.

„Die Zimmer sind zwischen 16 und 20m² groß           https://strafrecht-online.org/taz-warnung
und befinden sich im dritten Stock des Hauses.
Möbel sind bereits vorhanden, können aber auch       Lustig. Der „Beitrag“ von Christian Füller ist
selbst mitgebracht werden, so dass der freien Ge-    mehr als zehn Jahre alt, in denen sich einiges in
staltung deiner neuen Bleibe nichts im Wege          der Genderdebatte getan hat, wie wir gerne zuge-
steht. Die Zimmer verfügen über kostenloses In-      stehen. Aber ganz so einfach war es auch schon
ternet und kosten 300,- € im Monat inkl. aller Ne-   2011 nicht. Wenn Füller das misogyne Frauenbild
benkosten.“                                          der Studentenverbindungen teilt, soll das seine Sa-
                                                     che sein, und zwar allein. Auch in der schlagenden
Und das Beste: In der Wiehre-Villa um die Ecke       Corps Suevia sind Frauen im Übrigen nur als die
der Universität kümmert sich ein Haushälterehe-      besagte Ausgehbegleitung zugelassen, vermutlich
paar um die Sauberkeit und die Verpflegung der       aber nur dann, wenn sie was hergibt und sich be-
Studenten.                                           dingungslos hingibt.

Aber Moment mal. Heißt es nicht Studierenden-        Und selbst dann, wenn man für ein Zimmer nicht
wohnheim? Und warum findet man auf der Seite         gleich in die Verbindung eintreten müsste, ist die
des Studierendenwerks dieses konkurrenzlos at-       Gefahr einer Prägung durch ein nicht nur flüchti-
traktive Angebot nicht?                              ges Umfeld hinlänglich untersucht. Neben patri-
                                                     archalen Strukturen käme eine in vielen Verbin-
https://strafrecht-online.org/swfr-wohnen            dungen bedenkliche politische Grundhaltung
                                                     hinzu, der man in den beschriebenen Gemein-
Nun ja, „das Wohnheim ist nicht nur dein poten-      schaftsräumen, bei Konferenzen, Vorträgen, Fei-
tielles neues Zuhause, es ist auch die Heimat des    ern, Bällen und weiteren Aktivitäten ohne Unter-
Corps Suevia“, lesen wir auf wohnheim-frei-          lass ausgesetzt wäre. Das Haushälterehepaar wie-
burg.de weiter.                                      derum wird beim Durchsaugen ein waches Auge
                                                     auf die Zimmerausstattung haben und Jungle
Ja, und? Meinetwegen teilen wir uns dieses Haus      World ohne viel Aufhebens konfiszieren.
eben. Hauptsache, ich habe ein Zimmer für 300
Euro inkl. aller davongaloppierenden Nebenkos-       Und daher sind wir ganz altmodisch und rufen:
ten, und gescheites Internet dazu. Wir haben so-     „Finger weg!“ Und liefern den folgenden ein-
gar in Gestalt der taz eine machtvolle Fürspreche-   dringlichen Warnhinweis kostenlos gleich mit.
rin, die man gemeinhin nicht als verbindungs-
freundlich einstuft.                                 https://www.suevia-freiburg.de/

Deren Argumentation geht so: Man solle nicht         Und was ist nun mit dem Zimmer? Haltung hat
wie der AStA voller Bedenken daherkommen, er         ihren Preis. Weitersuchen!

                                                                                                    -3-
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IV. Feuilleton
< Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm >

Richterin Barbara Salesch ist nach sage und           Schweigerecht aufzuklären, ist dann nur konse-
schreibe 10 Jahren zurück auf Sendung und die         quent.
Kolumnist:innen der Republik stürzen sich auf
die erste Folge. „Kann ja jeder“, denken wir uns.     Diese Fehler zu bemerken, um sie adäquat zum
Die eigentliche Frage ist doch aber, ob das Straf-    eigenen Vorteil nutzen zu können, bedarf freilich
gericht auf RTL auch nach zwei Wochen noch die        juristischer Expertise, die Straf- und Kultverteidi-
eigenen „Qualitätsansprüche“ erfüllt oder sich        ger Malte Höch – vermutlich des Drehbuchs we-
wie beim Tanz mit der Limbo-Stange sukzessive         gen – offenkundig nicht zuteilwird. Interveniert
unterbietet. Und so haben wir uns direkt die          hat er jedenfalls nicht, auch nicht, als er sich den
fünfte und sechste Folge vorgenommen.                 verdienten Keks bei einer Tasse Kaffee im Rich-
                                                      terinnenzimmer schmecken lässt. Aufgrund der
Ihre zweite Arbeitswoche beginnt für Richterin        imposant vor ihm in Stellung gebrachten Kom-
Salesch, die sich eigentlich schon im Ruhestand       mentierung zum BtMG, die bei Raubdelikten und
befindet, mit einem „skrupellosen Einbruch“ – so      strafprozessualen Fragen nur selten zur Lösung
der Folgentitel. Die ehemaligen Häftlinge Robert      rechtlicher Probleme beitragen dürfte, vermuten
„Bobby“ Merten und Dennis Vollmer sind ange-          wir aber, dass er sich entweder im Gerichtssaal ge-
klagt, in das Haus von Bobbys Freundin Rabea          irrt hat oder aber der Kommentar die Gesamtat-
bzw. deren Mutter Klara Selbmann eingebrochen         mosphäre einfach etwas „juristischer“ wirken las-
zu sein und Bargeld in Höhe von 50.000 € gestoh-      sen soll.
len zu haben.
                                                      Ein Blick auf seine Homepage, wo er seine „lang-
Zu Beginn der Folge werden wir zunächst positiv       jährigen Erfahren (sic!) bei Medienauftritten“ und
überrascht, da mit der Altersarmut und der Part-      den Einsatz „aktuellster Online-Rechtsdatenban-
nersuche von Strafgefangenen zwei Themen an-          ken“ (beck-online? juris?) als Qualitäten hervor-
gesprochen werden, die ansonsten keine Öffent-        hebt, rundet den verwirrenden Gesamteindruck
lichkeit bekommen, uns hingegen schon sehr            ab. Über ein Tablet verfügte er jedenfalls in der
lange beschäftigen.                                   Hauptverhandlung, konnte er doch darüber von
                                                      seinem Platz aus Beweisvideos auf einem großen
Auch was die schauspielerische Besetzung angeht,      Bildschirm abspielen, um diese der Beweisauf-
werden hohe Erwartungen geweckt: Anders als           nahme zuzuführen. Der Verdacht, die Printfas-
etwa bei den Verfilmungen von Ferdinand von           sung des BtMG-Kommentars diene allein Protz-
Schirachs „Terror“ oder „Gott“ bedarf es zur          zwecken, erhärtet sich damit einmal mehr.
Qualifikation für Barbara Salesch offenbar zweier
juristischer Staatsexamina, jedenfalls sind Richte-   Oberstaatsanwalt Bernd Römer findet das Argu-
rin, Verteidiger und Staatsanwalt jeweils „echt“.     ment, verurteilte Straftäter würden ohnehin er-
                                                      neut straffällig, derart überzeugend, dass sich
Doch wir werden schnell enttäuscht. Richterin Sa-     seine gesamte Beweisführung im Wesentlichen
lesch teilt unsere Einstellungen zu Strafgefange-     hierin erschöpft. Vielleicht sind die fehlenden Ar-
nen nicht, erklärt die Unschuldsvermutung impli-      gumente aber auch dem Umstand geschuldet,
zit für überholt und echauffiert sich erst einmal     dass der Oberstaatsanwalt zwar seinen „Schönfel-
über die beiden Angeklagten („Fünf Wochen             der“ bereits gegen den neuen „Habersack“ einge-
nach Haftentlassung und schon wieder ein Ein-         tauscht, dabei aber anscheinend versehentlich
bruchsversuch!“). Bereits vor Verhandlungsbe-         zum Ergänzungsband gegriffen hat, in dem zu
ginn qualifiziert man sich also für ein Ableh-        Ablehnungsgesuchen und Diebstahlsdelikten lei-
nungsgesuch. Den Angeklagten nicht über sein          der wenig zu finden sein wird. Die Zuschauer:in-
                                                      nen im Gerichtssaal dürften jedenfalls mit jedem

                                                                                                     -4-
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gemurmelten „einmal kriminell, immer kriminell“      Fensterkulisse direkt auf eine Strafvollzugsanstalt.
ihre Vorurteile gegenüber Strafgefangenen weiter     Fehlt nur noch eine Seufzerbrücke wie in Vene-
gefestigt haben. Von Sozialromantik wie dem          dig, wo der Ponte dei Sospiri den Dogenpalast mit
Ideal der Resozialisierung fehlt jede Spur. Selbst   dem neuen Gefängnis verbindet und den Gefan-
die herkömmliche Romantik kommt im Strafge-          genen noch einen letzten Blick auf die Freiheit der
richt von Barbara Salesch unserer Meinung nach       Lagune gewährt.
zu kurz: Auf die Frage der Richterin, was denn das
Wichtigste in einer Beziehung sei, antwortet die     Wer jedoch das Strafgericht von Barbara Salesch
Freundin des Angeklagten: „Dass man sich gut         schaut, blickt nostalgisch auf eine Zeit, in der – so
findet. Also … scharf!“                              vermutlich die Annahme der Produktion – zu-
                                                     mindest das Fernsehen noch besser war. Die
In der zweiten von uns gesehenen Folge wird es       Rückkehr von Barbara Salesch reiht sich nahtlos
nicht gerade romantischer. Barbara Salesch muss      in die derzeit grassierende Retro-Welle des deut-
über die Schuld des „Fachanwalts für Frauen“         schen Fernsehens ein: „TV Total“, „Wetten, dass
Justus Krämer entscheiden, weil der Rechtsan-        …?“, „Der Preis ist heiß“ oder auch „Geh aufs
walt, der Männer nur vertritt, wenn er selbst        Ganze!“
knapp bei Kasse ist, seinen Mandanten Andreas
Beyer mit einer Statuette der Justitia erschlagen    Da junge Menschen vor allem Streaming-Plattfor-
haben soll. Als Zuschauer blickt man neidisch auf    men nutzen, konzentrieren sich die Fernsehsen-
die Göttin der Gerechtigkeit. Schließlich müssen     der in konsequenter Weise auf ihr immer älter
ihre verbundenen Augen dieses Elend nicht mit-       werdendes Publikum und reanimieren altbe-
ansehen. Als die Freundin des Angeklagten im         kannte Formate. Nach zwei Folgen „Barbara Sa-
Zeugenstand dann einen Ohnmachtsanfall erlei-        lesch – Das Strafgericht“ sind wir skeptisch, ob
det, wird die Verhandlung für zehn Minuten un-       man mit manischem Blick auf die Vergangenheit
terbrochen. Davon können Examenskandidat:in-         den Weg in die Zukunft finden wird. Statt der
nen allerdings nur träumen.                          Ausdifferenzierung eines Zwei-Altersklassen-
                                                     Programms wünschen wir uns ein inklusives
https://strafrecht-online.org/zusammenbruch-bonn     Fernsehen, das Alte und Junge wieder ins Ge-
                                                     spräch bringt. Wie wäre es mit „SOKO Berlin –
Was den Angeklagten blüht, wenn Richterin Bar-       Tag & Nacht“, dem „ZDF Fernsehgarten mit
bara Salesch sie schuldig spricht, wird durch das    Joko & Klaas“ oder „Schlag den Bergdoktor“?
Bühnenbild nicht gerade subtil in Szene gesetzt.     Zumindest Letzteres würden wir uns gerne an-
Hinter dem Strafverteidiger blickt man durch die     schauen.

V. Forschung
< Bin ich was wert und wenn ja wie viel? >

Ab und zu liest man Umfragen zur Frage: „Wel-        Rechtschreibprüfung auch gleich einmal rot un-
che dieser Berufe genießen Ihrer Meinung nach        terkringelt (70 %). Die Hochschulprofessorin und
ein hohes bzw. kein hohes Ansehen?“ In der           der Hochschulprofessor rangieren mit 60 % zwar
jüngsten liegt wieder die Feuerwehrfrau bzw. der     deutlich vor der Beamtin oder dem Beamten (30
Feuerwehrmann mit 93 % an der Spitze, gefolgt        %), obwohl sie in aller Regel in diese verderbliche
vom Krankenpfleger bzw. der Krankenpflegerin         Kategorie fallen, aber eben auch nur im Mittel-
(88 %) und beispielsweise dem Müllmann oder          feld.
der Müllfrau. Letztere erwähnen wir aber nur der
Vollständigkeit halber, sie wird von der Word-       https://strafrecht-online.org/statista-berufe

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NL vom 30.09.2022

Und wenn die Professorinnen und Professoren           Jetzt müsste man nur noch in transparenter Weise
dann noch diese vermaledeiten Studierenden-           auf der Website die jeweilige Einwerbungsquote
Evaluationen zur Kenntnis nehmen müssen, an           benennen müssen, um den auch von den Univer-
denen man heute kaum noch vorbeikommt, stel-          sitäten und den Bildungsministerien erhofften
len sie sich vielleicht selbstkritisch schon die      Battle so richtig zu entfachen. Denn von diesen
Frage: „Bin ich was wert?“ Und sie erinnern sich      Drittmitteln wird immer eine gewisse Quote, der
wehmütig an vergangene Zeiten, die sie jedenfalls     sog. Overhead, im Wesentlichen für nichts für die
aus dem Fernsehen kennen und in denen einem           Verwaltung einbehalten, zudem kann man ja die
und der ganzen Entourage mit dem Hinweis auf          reguläre Finanzierung der Universitäten ein biss-
den Professorentitel die Welt mit all ihren An-       chen runterfahren. Aber würden denn diese Dritt-
nehmlichkeiten österreichgleich zu Füßen lag.         mittel auch in die Lehre fließen? Nicht direkt, aber
                                                      die Studierenden sollten sich freuen, wenn an ih-
Aber Moment mal: Welchen großen Geist stört           rer Universität schlaue Menschen forschen. Man
schon die Einschätzung der Studierenden oder          kann sich von ihnen halt in Journals, nur eben
gar des einfachen Volkes, für die der Feuerwehr-      nicht im Hörsaal einen Eindruck verschaffen.
mann schon seit Kinderzeiten der Traum                Denn über die Drittmittel wurde ihnen zugleich
schlechthin war? Von solchen Flausen sollte man       ein Forschungsfreisemester eingeräumt, oder
sich schleunigst freimachen.                          auch mal zwei.

Sie meinen also, dass man es mit der „C 4-Besol-      Und so boomt das Drittmittelgeschäft wie ver-
dung “ definitiv geschafft hat, die im Vergleich zu   rückt, weil man sich der Forschung hingeben und
„W 3“ doch noch immer den Charme des be-              prestigeträchtige Gelder generieren kann. In auf-
schriebenen verstaubt Altehrwürdigen voraushat?       wendigen Seminaren lernt man die geheimen Er-
Eben nicht, diese Kategorie spiegelt das wahre        folgsfaktoren einer Bewerbung auf diese kennen,
Ranking der Exzellenz nicht mehr tagesaktuell wi-     in Berufungsverfahren wiederum spielen die ein-
der. Dieses folgt heute definitiv aus den eingewor-   geworbenen Drittmittel eine wesentliche Bedeu-
benen Drittmitteln pro Jahr.                          tung.

Und nach der jüngsten Veröffentlichung dieser         Wir sind vermutlich nur deswegen mal wieder
Tage liegt die Messlatte bei exakt 335.890 Euro       mäkelig eingestellt, weil wir regelmäßig die oben
pro Jahr. Wem hier gleich ein gehöriger Schreck       beschriebene Latte reißen. Aber das Antragsge-
in die Glieder fährt: Die Drittmitteleinnahmen je     schäft verschlingt erhebliche Ressourcen, zudem
Professur in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozi-      setzen sich meist diejenigen Anträge durch, die
alwissenschaften machten lediglich, aber immer-       nicht abseits des Mainstreams wandeln, was den
hin noch satte 142.000 Euro pro Jahr aus.             Begutachtenden unheimlich wäre. Gewinnmaxi-
                                                      mierung durch Systemstabilisierung eben. Wer
https://strafrecht-online.org/statista-drittmittel    sollte da außer uns was zu meckern haben?

                                                                                                     -6-
NL vom 30.09.2022

VI. News aus der Regio
< 72 auf einen Streich >

Kurz bevor wir in den Sommerschlaf verfielen,
nahmen wir in der Badischen Zeitung noch diese       Wir sind ferner ein wenig ratlos, was der Sinn die-
beeindruckende Nachricht zur Kenntnis, die das       ses Aktionismus ist, außer die Badische Zeitung
tapfere Schneiderlein vor Neid erblassen lassen      in Entzücken zu versetzen und einmal mehr das
müsste: Auf einen Streich, nämlich eine Schwer-      Racial Profiling zu befeuern oder Verdrängungs-
punktaktion der Polizei auf dem Stühlinger Kirch-    effekte zu befördern. Ach so, es soll um einen
platz hin, wurden gleich 72 Ermittlungsverfahren     „empfindlichen Schlag gegen die Betäubungsmit-
mit Bezug auf das Betäubungsmittelgesetz einge-      telszene“ gegangen sein. Aber natürlich! Ob sie
leitet.                                              sich davon jemals erholen wird?

https://strafrecht-online.org/bz-72                  Ferner galt es laut Polizeipräsidium den „offenen
                                                     Handel mit Betäubungsmitteln auf dem Platz“ zu
Da bleibt uns nur ein „Chapeau!“ oder „Wow!“         unterbinden. – Bei diesem Hinweis wird die
und wir wenden lediglich ganz bescheiden ein,        Maske schon ein klein wenig gelupft. Meinetwe-
dass Schwerpunktaktionen auf Feldern der             gen soll der Handel mit Betäubungsmitteln weiter
ubiquitären Delinquenz stets diese Effekte haben.    stattfinden, aber bitte nicht am Stühlinger Kirch-
Besonders gut funktioniert dies zum Beispiel auch    platz und jedenfalls ein wenig dezenter.
beim Fahren ohne Fahrschein und ist demzufolge
bei derartigen Aktionismustagen sehr beliebt.        Wir sind schon auf den nächsten Battle zur Jah-
Aber auch jenseits der Delinquenz garantieren wir    resendrallye ganz gespannt, wenn es gilt, den Po-
Ihnen grandiose Erfolge, wenn Sie Ihr Mailkonto      lizeibedarf oder die Videoüberwachung weiter zu
nach hinfällig gewordenen Nachrichten durch-         forcieren. Und wir rufen salbungsvoll mit der
forsten oder einmal schauen, wie es mit nicht        Bergpredigt: „Wer suchet, der findet.“
mehr genutzten T-Shirts in Ihrem Schrank aus-
sieht.

VII. Leute
< Berühmte Vorbilder der Zeitgeschichte >

In unregelmäßigen Abständen fördern wir für un-      Nicht mehr? Nicht mehr, er sollte also lediglich
sere alten und treuen Leserinnen und Leser wahre     der Grüßaugust sein.
Schätze zutage, wenn wir sie zum Beispiel fast se-
herisch über Graf Koks von der Gasanstalt infor-     Dieser wird als eine Person charakterisiert, die ein
mieren, vor dem Robert Habeck wie vor dem sau-       repräsentatives Amt bekleidet, mit dem wie beim
dischen Prinzen derzeit sicherlich strammstehen      bloßen Grüßen keinerlei Machtbefugnisse ver-
würde.                                               bunden sind. Die Kombination mit dem August
                                                     erfolgt dabei in Anlehnung an den Zirkusclown,
https://strafrecht-online.org/nl-2019-09-20 [V.]     den „dummen August“.

Heute wollen wir Ihnen den Grüßaugust näher-         RH hat noch einmal nachgedacht und er findet
bringen. Und das nicht ohne Grund: So wurden         diese Rolle nun doch gar nicht so schlecht. Beim
RH kürzlich für eine Veranstaltung die eröffnen-     Imbiss möchte er aber in jedem Fall dabei sein.
den Worte und die Verabschiedung angetragen.         Frühstücksdirektor trifft es eben fast noch besser.

                                                                                                    -7-
NL vom 30.09.2022

VIII. Events
< Das Betätigungsverbot der PKK – Es ist Zeit nachzudenken >

Im Zuge der Nato-Erweiterung um Schweden              eine restriktive Auslegung, im Strafrecht ist zu be-
und Finnland wurde einmal mehr deutlich, welche       urteilen, welche Straftaten insoweit berücksichti-
politische Bedeutung die türkische Regierung der      gungsfähig sind und wie sich die Zurechnung ei-
Existenz und dem Wirken der PKK in Europa             ner Straftat zur PKK vornehmen lässt. Und über
nach wie vor zuschreibt.                              die Kriminologie schließlich ist zu klären, welche
                                                      empirische Dimension insoweit auszumachen ist
Fast scheint es so, als habe das Bundesinnenmi-       und ob sich in den letzten 30 Jahren Veränderun-
nisterium auch deswegen derzeit kein großes In-       gen ergeben haben.
teresse, am Status quo des Umgangs mit der PKK
in Deutschland zu rütteln. So ist bereits 1993 und    Genauer: Müssen wir bei dieser Analyse nicht sol-
damit vor knapp 30 Jahren der „Arbeiterpartei         che Straftaten für die Beurteilung ausblenden, die
Kurdistans (PKK)“ verboten worden, sich im            sich erst aus dem Vereinsverbot ergeben? Wie
Geltungsbereich des deutschen Vereinsgesetzes         steht es insoweit mit dem Straftatbestand der Bil-
zu betätigen.                                         dung terroristischer Vereinigungen? Und welche
                                                      empirischen Erkenntnismöglichkeiten gibt es
In jüngerer Zeit mehren sich aber auch die Stim-      überhaupt, die der PKK zuzurechnende Krimina-
men, die eine Aufhebung des PKK-Verbots for-          lität zu ermitteln?
dern. Sie sehen sich durch die Entscheidung des
belgischen Kassationshofes aus dem Jahr 2019          RH versucht aus strafrechtlich-kriminologischer
bestätigt, wonach die PKK keine terroristische        Perspektive eine Hilfestellung zu geben, ob in
Organisation, sondern eine Partei in einem be-        Deutschland eine veränderte Einstellung gegen-
waffneten Konflikt sei.                               über der PKK geboten ist.

Wenn als maßgeblicher Verbotsgrund angeführt          Zeit und Ort: 25. Oktober 2022 – 20 Uhr c.t. im
wurde, Zwecke oder Tätigkeiten der PKK liefen         HS 1098 (KG I)
den Strafgesetzen zuwider, sind das Verfassungs-
recht, das Strafrecht und die Kriminologie in glei-   https://tacheles-vorträge.de/
cher Weise auf den Plan gerufen. Das Verfas-
sungsrecht gebietet im Hinblick auf die Bedeu-
tung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit

                                                                                                        -8-
NL vom 30.09.2022

IX. Die Kategorie, die man nicht braucht
< Warten >

Das Warten spielt im Leben von RH eine bedeut-         https://strafrecht-online.org/nl-2021-09-24 [VI.]
same Rolle. Schon seit 2004 lebt er streng nach
der Murakami-Regel, die er im „Tanz mit dem            Und dieses Mehr wäre bei all dem Warten von RH
Schafsmann“ kennenlernte:                              fast wieder in Vergessenheit geraten, hätte nicht
                                                       Hubert Wetzel in seiner sentimentalen SZ-
„Was sollte ich tun? Ich wusste es längst. Einfach     Geschichte „Miss You“ gerade dieses Spiel her-
nur abwarten. Abwarten, bis etwas geschah. Es          vorgehoben, das er in Europa vermissen werde,
war immer das Gleiche. Sobald ich in der Klemme        und sein Gefühl in die folgenden Worte gekleidet:
saß, galt es, nichts zu überstürzen. Einfach nur       „Auf dem Rückweg nach Phoenix fuhr ich durch
still abwarten, bis sich etwas ereignete. Ich musste   Ajo. Ich hatte eigentlich nicht vor, dort anzuhal-
lediglich die Augen offenhalten und hoffen, dass       ten, aber ich kam an einem Baseball-Feld vorbei.
sich in dem trüben Dunst etwas rührte. Das hatte       […] Es war ein Highschool-Spiel, nichts Beson-
ich aus meinen Erfahrungen gelernt. Irgendwann         deres. Ich wollte nur ein paar Minuten zuschauen.
würde es sich schon regen. Wenn es sich um et-         Doch ich blieb fast drei Stunden. Einige Eltern
was Notwendiges handelte, würde es sich schon          saßen auf der Tribüne, sie unterhielten sich auf
regen, garantiert. Okay, ich würde geduldig war-       Englisch und Spanisch und riefen zwischendurch
ten.“                                                  ihren Kindern etwas zu. Die Jungs auf dem Feld
                                                       warfen, schlugen und fingen die Bälle. Der Staub
Damit ist sein Leben schon einmal erheblich ent-       brach die Strahlen der sinkenden Sonne. Die Zeit
schleunigt. Und vielleicht war es auch diese Mur-      zerfloss in milder Luft und goldenem Licht.
akami-Regel, die bei RH den Ehrgeiz entfachte,
zumindest zu versuchen, sich dem Baseball zu nä-       Es war ein friedlicher Abend in einer kleinen ame-
hern. Denn einfach ist es beileibe nicht, man muss     rikanischen Stadt, begleitet von den friedlichsten,
sehr lange warten, bis sich etwas rührt. Dann aber     amerikanischsten Geräuschen, die man sich den-
geht alles sehr schnell und meist ist man just in      ken kann – dem hellen Klingen, wenn ein Base-
diesem Moment nicht darauf vorbereitet, dass           ball-Schläger den Ball trifft, und dem satten Klat-
sich etwas regen würde, und gerade ein Bier holen      schen, wenn der Ball in einem Fanghandschuh
gegangen.                                              landet.

Die YouTube-Tutorials wiederum belassen es             Wie gesagt, Baseball war die eine Sache, die ich in
vermutlich aus gutem Grund regelmäßig bei eini-        Amerika sehr gemocht habe.“
gen basalen Regeln, die das Schillernde dieser
Sportart ebenso wenig abzubilden vermögen wie          https://strafrecht-online.org/sz-miss-you [Probeabo]
irgendwelche Highlight-Videos.
                                                       Das Warten kann eben doch offensichtlich mehr
                                                       sein als allein die Hoffnung auf Veränderung.
Dass es beim Baseball ohnehin um viel mehr geht,
                                                       Aber so haben wir Murakami auch nicht verstan-
haben wir erst im letzten Jahr für Sie aufbereitet.
                                                       den.

                                                                                                              -9-
NL vom 30.09.2022

X. Das Beste zum Schluss
Die profunde Expertise von RH in Sachen Mensa ist in dieser NL-Ausgabe bereits ebenso hervorgehoben
worden wie seine nahende Zeit als Frühstücksdirektor. Und am Mittwoch war sie wieder da, die berühmte
braune Sauce zum Cordon bleu, ohne die nicht nur für Monaco Franze ein Beamtenleben gar nicht denkbar
ist.

https://www.youtube.com/watch?v=CalNSP3gMTs

Ihr LSH, uns interessiert wenig mehr als uns selbst.

--

NL vom 30.09.2022

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Netz: https://strafrecht-online.org

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