III. Sicherheitsakteure und -instrumente
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
III. Sicherheitsakteure und –instrumente 1. Sicherheitssysteme und -kooperationen Youssouf Diallo Sicherheitspolitik in Afrika Bürgerkrieg, Staatszerfall und die Mobilität von Flüchtlingsgruppen in Afrika führen zur Destabilisierung nicht nur einzelner Staaten, sondern ganzer Regionen des Kontinents. Für den Zusammenbruch der Institutionen und der inneren Ordnung eines Staates haben sich mehrere Begriffe wie failed states, fragile Staaten, zerfallende oder zerfallene Staaten etabliert. Die Bundesregierung hat sich dieses Themas angenommen und 2012 eine ressortübergreifende Strategie für den Umgang mit fragilen Staaten vorgeschlagen1. Die komplexen Herausforderungen der Krisen in Afrika verlangen regionale, kontinentale und internationale sicherheitspolitische Beiträge verschiedener Akteure. In diesem Beitrag wird die Sicherheitspolitik der Afrikanischen Union (AU) vorgestellt und die Politik der internationalen Organisationen zur Unterstützung afrikanischer Friedens- und Sicherheitsbemühungen untersucht. Sicherheitspolitik in Afrika seit 1960 Die Organisation of African Unity (OAU; 1963 gegründet) war bis 2001 die erste panafrikanische Organisation, deren Ziele waren, die Einheit und die Solidarität der afrikanischen Staaten zu fördern, die Zusammenarbeit zu koordinieren, die Unabhängigkeit und die Souveränität der Mitgliedstaaten zu verteidigen, den Kolonialismus zu beseitigen, Menschenrechte zu berücksichtigen und die internationale Kooperation zu fördern. Mit dem Konzept der Pax Africana lässt sich die sicherheitspolitische Doktrin der OAU Anfang der 1960er Jahre zusammenfassen. Danach sollte die Verantwortung für die Stabilisierung der inneren Ordnung eines afrikanischen Staates nicht mehr bei den ehemaligen Kolonialmächten liegen, sondern bei den Afrikanern selbst. Als überzeugter Panafrikanist war Kwame Nkrumah, der erste Präsident Ghanas, an einer Aufstellung einer panafrikanischen Armee interessiert. Seine Idee der Aufstellung von afrikanischen Truppen und des Einsatzes von multinationalen Streitkräften zur Durchführung friedenserhaltender Operationen wurde abgelehnt. Die OAU hat alle Erwartungen nicht erfüllt. Die zentralen Probleme waren neben Bürokratie und internen Streitigkeiten, dass die von ihr definierten Grundsätze in die Realität wenig umgesetzt wurden. 1 Vgl. Auswärtiges Amt/ Bundesministerium der Verteidigung/ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Für eine kohärente Politik der Bundesregierung gegenüber fragilen Staaten: Ressortübergreifende Leitlinien, August 2012. 1
Die Afrikanische Union(AU) Bei der Auflösung der OAU war das Thema „Marginalisierung Afrikas“, das unter Kriegen, Unterentwicklung und Menschenrechtverletzungen leidet, eine verbreitete These. Die African Renaissance kam als Ausdruck eines neuen Starts und sollte neue Impulse für die Überwindung der Krisen geben2. Im Jahre 2001 wurde die New Partnership for Africa’s Development (NEPAD) verkündet und zum Entwicklungsprogramm der neu gegründeten Afrikanischen Union (AU) erklärt. Erklärtes Ziel der NEPAD ist es, ein demokratisches, prosperierendes und weltintegriertes Afrika zu schaffen. Schule im Kongo Besuch deutscher Soldaten in der Grundschule Sankt Paul. Foto: Bundeswehr/Bienert Die AU mit Sitz in Addis Abeba ist aus der OAU hervorgegangen und wurde im Juli 2002 in Durban offiziell gegründet3. Der Union gehören mit Ausnahme Marokkos alle afrikanischen Staaten an. Erklärte Ziele der AU nach Artikel 3 der Gründungsakte4 sind unter anderem die Förderung der Einheit und der Solidarität zwischen den afrikanischen Staaten sowie des Friedens, der Sicherheit und der Stabilität auf dem Kontinent. Dazu gehört auch die Förderung der Menschenrechte in Übereinstimmung mit der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker von 1981 (auch Banjul Charta genannt). Die AU hat globale Entwicklungsziele definiert und eine gemeinsame Strategie vorgeschlagen. Staatschefs haben sich darauf verständigt, Krankheiten zu beseitigen, Armut und Hunger auf dem Kontinent zu bekämpfen sowie Staatlichkeit, Demokratie und gute Regierungsführung zu fördern. Zu den Grundsätzen der AU gehören das Prinzip der Souveränität, die Nichteinmischung in die internen Angelegenheiten der Mitgliedsstaaten und die Ablehnung aller Grenzveränderungen in Afrika, um Grenzstreitigkeiten zwischen Staaten zu vermeiden. In ihrer Verfassung 2 Vgl. Dorothée Enskog: La renaissance africaine selon Thabo Mbeki, abrufbar unter: https://www.credit-suisse.com (07. 06. 2013). Vgl. auch Cord Jakobeit: Fünf Jahre NEPAD, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 32-33/ 2006, S. 21-25. 3 Vgl. David Barthel: Die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union, Heidelberg 2011; John Akokpari/ Angela Ndinga-Muvumba/ Tim Murithi: The African Union and its Institutions, Cape Town 2008. 4 Constitutive Act of the African Union adopted by the thirty-sixth ordinary session of the Assembly of Heads of State and Government, 11 July, 2000 – Lomé, Togo. 2
bekannte sich die Union zu der Verantwortung, Bevölkerungen vor schweren Menschenrechtsverbrechen zu schützen. Die AU baut auf dem institutionellen System der OAU auf. Zum anderen orientiert sich die Gründungsakte an den Modellen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union (EU). An der Spitze der AU steht die Versammlung der Staats- und Regierungschefs, die sich einmal im Jahr trifft. Die Aufgaben dieses obersten Organs bestehen darin, Entscheidungen zu treffen, Beschlüsse zu verabschieden und Mitglieder der Kommission – des wichtigsten Amtes in der AU – zu ernennen. Der Exekutivrat besteht aus den Außenministern, deren Hauptaufgabe es ist, die Konferenz der Staatschefs vorzubereiten und Beschlüsse der Union umzusetzen. Die Kommission ist zuständig für administrative Aufgaben. Seit Juli 2012 ist erstmals eine Frau – Nkosazana Dlamini-Zuma aus Südafrika – zur AU-Kommissionsvorsitzenden gewählt worden. Weitere Organe bilden das Panafrikanische Parlament, die Finanzinstitutionen und der Wirtschafts-, Sozial-, und Kulturrat. Im Jahre 2004 wurde die Gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik (Common African Defense and Security Policy – CADSP) eingeführt5. Die CADSP ist kein völkerrechtlicher Vertrag, sondern eine politische Erklärung der AU-Mitgliedsstaaten. Erklärtes Ziel der CADSP ist, mehr Entwicklung und Sicherheit für die Staaten und Bevölkerungen zu gewährleisten. Die CADSP soll durch die Peace and Security Council implementiert werden. Die CADSP sieht den Einsatz von Streitkräften zum Schutz der Souveränität und der territorialen Integrität der afrikanischen Staaten vor. Auch sie soll sich programmgemäß mit menschlicher Sicherheit befassen. Aus sicherheitspolitischer Sicht bildet der Friedens- und Sicherheitsrat (Peace and Security Council – PSC) das Herzstück der Sicherheitsarchitektur der AU. Dem Sicherheitsrat gehören fünfzehn Mitglieder an, die durch die Generalsversammlung der Staatspräsidenten der AU gewählt werden. Fünf Mitglieder aus den fünf Regionen (Ost-, West-, Nord-, Süd- und Zentralafrika) Afrikas werden für eine Amtszeit von drei Jahren und zehn für zwei Jahre gewählt. Keines der Mitglieder besitzt ein Vetorecht. Die Aufgaben der PSC bestehen darin, Frieden, Sicherheit und Stabilität durch Diplomatie zu fördern sowie Friedensmissionen und Interventionen (Artikel 4, h. i. j) in einem Mitgliedstaat zu ermöglichen. Zu den Aufgaben gehören auch Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und die Entwicklung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik (Artikel 4, d). Die AU sieht den Aufbau regionaler Brigaden für die ASF-Einsätze vor. Die Brigaden sollen durch Zivilpolizei und andere Kräfte unterstützt werden. Weitere wichtige Organe des PSC sind das kontinentale Frühwarnsystem, das Panel of the Wise (bestehend aus fünf „Weisen“ aus den Regionen Afrikas), der Militärausschuss und der spezielle Friedensfonds für die Finanzierung von Militäreinsätzen. Das kontinentale Frühwarnsystem soll Studien, Feldforschungen und Untersuchungen zu Konflikten durchführen. Die in den Arbeiten gewonnen Informationen sollen weiterverbreitet und an Regierungen sowie die zuständigen AU- 5 Solemn Declaration on a Common African Defense and Security Policy, Sirte, 28 February 2004. Vgl. auch David Barthel, a.a.O., S.181-218. 3
Organe weitergeleitet werden. Da die Union aktuell mit finanziellen und logistischen Schwierigkeiten konfrontiert ist, sind die bisher definierten Programme wenig umgesetzt. Paradigmenwechsel nach dem Ende des Kalten Krieges Die Rahmenbedingungen der afrikanischen Sicherheitspolitik haben sich durch neue Ideen und Mechanismen seit dem Ende des Kalten Krieges verändert. Bis zur Gründung der AU waren die Unantastbarkeit der Souveränität und die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates ein Leitmotiv der OAU. Die bisherige Politik konnte den sicherheitspolitischen Anforderungen in Afrika nicht gerecht werden. Deshalb hat die Versammlung der Staatschefs der OAU im Juni 1993 in Kairo einen neuen Mechanismus für Konfliktprävention, -management und -lösung in Afrika verabschiedet6. Mit der impliziten Anerkennung des „Rechts auf Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten“ wurde die Möglichkeit eines Eingreifens in interne Konflikte mit Zustimmung des betroffenen Staates vorgesehen. VN-Generalsekretär Kofi Annan bei der Organization of African Unity (OAU) in Lomé/Togo 2000 mit General Gnassingbe Eyadema, Präsident von Togo (2.v.li.) Foto: UN Media Die treibende Kraft bei der Schaffung eines neuen Konfliktregelungsmechanismus in der OAU sowie der neuen internationalen Wahrnehmung der Herausforderungen der Friedenseinsätze war VN-Generalsekretär Boutros-Ghali mit seinem Vorschlag zur „präventiven Diplomatie“7. Dieser Idee zufolge sollen diplomatische Beiträge sowie humanitäre Hilfe das Ausbrechen von Konflikten und deren Eskalation verhindern. Im Jahre 2000 wurden neue Konzepte von mandatierten Einsätzen im sogenannten 6 Juliane Hilf: Der neue Konfliktregelungsmechanismus der OAU. Deklaration der Versammlung der Staats- und Regierungschefs der OAU über die Errichtung eines Mechanismus für Konfliktverhütung, -bewältigung und -lösung vom 30. Juni 1993, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 1994, S. 1024-1047. 7 An Agenda for Peace, Preventive diplomacy, peacemaking and peace-keeping, Report of the Secretary-General pursuant to the statement adopted by the Summit Meeting of the Security Council on 31 January 1992, A/47/277 - S/24111, 17 June 1992. 4
„Brahimi Report“ veröffentlicht8. Heute ist das Recht auf Intervention aus humanitären Gründen im Gründungsvertrag der AU verankert (Artikel 4. h). Die neuere Interventionspolitik stellt ehrgeizige Anforderungen. Die Verfassung der AU räumt in ernsthaften Krisen – Kriegsverbrechen, Genoziden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit – das Recht zur militärischen Intervention in einem Mitgliedstaat ein. Die PSC hat die Möglichkeit auf innerstaatliche Konflikte mit der Entsendung von Bereitschaftstruppen (African Stand-by Force) zu reagieren. Staaten- und Interventionspraxis Die neuere Interventionspolitik der AU stellt klare Anforderungen. Nach Artikel 4 (h) der AU-Gründungsakte soll bei schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen eine militärische Intervention durch die ASF durchgeführt werden. Die AU-Friedensmissionen sind bis jetzt völkerrechtlich konform. Die Rolle der Union in friedenssichernden Operationen in Burundi, der Elfenbeinküste und im Darfur-Konflikt wurde von den Vereinten Nationen gewürdigt. Fünf Regionalorganisationen stellen die Stützen der Sicherheitsarchitektur der AU dar: o Economic Community of West African States (ECOWAS), o Economic Community of Central African States (ECCAS), o Southern African Development Community (SADC), o East African Community (EAC)/Intergovernmental Community on Development (IGAD) und o Arab Maghreb Union (AMU). Die ECOWAS hat Interventionserfahrungen in Westafrika. Die ECOWAS Cease-fire Monitoring Group (ECOMOG) war der erste Einsatz von Truppen multinationaler Streitkräfte der ECOWAS in Liberia. Ziel der ECOMOG war ursprünglich, den Bürgerkrieg in Liberia (1989-1996) zu beenden und der Destabilisierung der westafrikanischen Region vorzubeugen. Die ECOMOG-Erfahrung in Liberia hat die Möglichkeit eines kollektiven Handelns der afrikanischen Staaten im Bereich militärischer Intervention gezeigt. Danach führte die ECOMOG eine Reihe von Militäreinsätzen in Sierra Leone (1997), Guinea-Bissau (1998) und der Elfenbeinküste (2002) durch. In der Debatte über die Konfliktlösung und -prävention in Afrika steht die Legitimität der Außeninterventionen. Wer autorisiert nach welchen Regeln eine Intervention? Wer führt sie durch? Eine Intervention von außen ist die Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates. Eine solche Intervention wird von der Staatengemeinschaft und den Vereinten Nationen abgelehnt. Bis zum Ende des Kalten Krieges war die „Stellvertreter-Strategie“ der Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion eine indirekte Konfrontation von beiden Supermächten in Afrika umstritten, da sie auf den Seiten unterschiedlicher Konfliktparteien intervenierten. Auf der anderen Seite erlaubt das Interventionsrecht, welches durch das Völkerrecht bestimmt wird, die Übertragung von Kompetenz auf einen Staat oder eine Regionalorganisation, so zum Beispiel die mandatierten Interventionen der Vereinten Nationen zur Friedenswahrung sowie zur Einrichtung und Sicherung von Pufferzonen 8 Report of the Panel on United Nations Peace Operations, United Nations, General Assembly, Security Council, 21 August 2000. 5
zwischen Konfliktparteien. Auch die Intervention wird als rechtmäßig angesehen, wenn die Einmischung nicht gegen den Willen des einladenden Staates ist. Hier handelt es sich um „Intervention auf Einladung“9. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Opération Serval der Franzosen in Mali am 11. Januar 2013 auf Einladung der malischen Regierung. Ziele der Operation sind, den Vormarsch islamistischer Gruppen in den Süden Mali zu stoppen, die Kriminalität zu bekämpfen und die territoriale Integrität Malis wieder herzustellen. Die Al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQMI), Die Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (MUJAO) und Ansar Din wollten von Mali aus den Dschihad auf ganz Westafrika ausdehnen10. Die Staatengemeinschaft, die Vereinten Nationen und die AU haben das militärische Vorgehen von Frankreich gegen die islamistischen Gruppen in Mali gebilligt. Formaldienst für den Führungsnachwuchs: In Koulikoro ist die Offizierschule des malischen Heeres stationiert. Foto: Bundeswehr/Wilke Im Falle Libyens hingegen haben fast alle Länder der AU die Intervention der westlichen Koalition verurteilt. Das Leitmotiv der AU ist African Ownership (das heißt „afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme“). In der Libyenkrise 2011 gab die AU der diplomatischen Konfliktlösung den Vorrang vor einer militärischen Intervention. Die Union hat zuerst die Angriffe des Regimes von Muammar Gaddafi auf friedliche Demonstranten verurteilt und danach ein ad hoc Komitee von fünf Staatschefs beauftragt, einen Dialog zwischen den Konfliktparteien in Libyen zu initiieren. Für Südafrikas Präsident Jacob Zuma hätte die Bombardierung die Friedensbemühungen der AU torpediert. Die Luftangriffe der Koalition auf Libyen wurde ebenfalls von Uganda und Simbabwe als „neokoloniale Einmischung“ gebrandmarkt11. 9 Georg Nolte: Intervention by Invitation, Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law, Heidelberg 2011, pp. 1-8. 10 Vgl. Youssouf Diallo/ Hans Krech: Der wachsende Einfluss des militanten Islam und der Al Qaida in Afrika, in: Österreichische Militärische Zeitung, Nr. 5/2012, S. 542-551. 11 Matthias Dembinski/ Densua Mumford: Die Schutzverantwortung nach Libyen, HSFK Standpunkte, Nr.4/2012. 6
Frankreich: Gendarm von Afrika? Wer sich mit Sicherheitspolitik in Afrika beschäftigt, kommt an der französischen Außenpolitik auf dem Kontinent nicht vorbei. Die Militärintervention gehört nach wie vor zur Frankreichs Afrikapolitik. Hierhin unterscheiden sich militärische Kooperationen von Verteidigungsabkommen. Militärische Kooperationen mit den ehemaligen Kolonien erzielen die Ausbildung der afrikanischen Streitkräfte. Die Verteidigungsabkommen hingegen räumen Frankreich mit der Entsendung von Truppen in inner- sowie zwischenstaatlichen Konflikten das Recht zur Intervention in Partnerländern ein. Bis vor kurzem waren die Abkommen in ihrer Gesamtheit streng geheim eingestuft. Die Verteidigungsabkommen sind sehr umstritten, aber völkerrechtlich zulässig. Geostrategische Interessen spielen dabei eine beachtliche Rolle. Zum anderen verfolgt Frankreich eigene wirtschaftliche Interessen. Die Klauseln der Verteidigungsabkommen sichern ihm den Zugang zu Rohstoffen in strategischen Partnerländern zu. Bei manchen Interventionen in diesen Ländern ging es um die Verteidigung von Sonderinteressen und die Unterstützung der herrschenden Eliten, statt die innere Ordnung zu stabilisieren. Frankreich wurde vorgeworfen, despotische Regierungen unterstützt zu haben. Bei dem Konflikt zwischen Hutu und Tutsi Anfang der 1990er Jahre in Ruanda wurde die Neutralität der Franzosen während der Opération Noroît von den Tutsi in Frage gestellt. Wegen der militärischen Unterstützung der Hutu-Regierung wurde Frankreich nach dem Genozid von 1994 als Konfliktpartei gebrandmarkt. Das hat die französische Afrikapolitik beschädigt12.Heute ist die Neuausrichtung an demokratischen Prinzipien, guter Regierungsführung und Menschenrechten ein Merkmal der Außenpolitik Frankreichs. Im Jahre 1997 verkündete der damalige Premierminister Lionel Jospin eine Sicherheitsdoktrin gegenüber internen Krisen in Afrika. Das Leitmotiv der sogenannten Jospin-Doktrin war „weder Einmischung noch Gleichgültigkeit“. Die Truppenstärke in Afrika wurde reduziert, eine Neustrukturierung der Militärbasen vorgenommen und ein Programm zum Reinforcement of African Peacekeeping Capacities (RECAMP) entwickelt. Start in Ouagadougou Bei knapp 40 Grad hebt die deutsche Transportmaschine ab. Foto: Bundeswehr/Wilke 12 Dazu www.assemblee-nationale.fr/dossiers/rwanda/r1271.asp. 7
AU-VN-EU-Zusammenarbeit Es wird von vielen Seiten angestrebt, die Kooperation mit der AU und deren subregionalen Organisationen zu verstärken. Bei dem RECAMP handelt es sich um eine Partnerschaft beziehungsweise gemeinsames und koordiniertes Vorgehen zur Konfliktprävention. Die Beziehungen zwischen der AU, der EU und den Vereinten Nationen sind ebenfalls durch Kooperation und Komplementarität gekennzeichnet. Auf einer Seite ist die afrikanische Sicherheitsarchitektur und -politik auf die logistische und finanzielle Unterstützung beider Organisationen angewiesen. Auf der anderen Seite hat die Außenwelt ein strategisches Interesse an Stabilität und dauerhaftem Frieden in Afrika. Die Vereinten Nationen betrachten die AU seit ihrer Gründung als Regionalorganisation im Sinne des Kapitels 8 der UN-Charta. Die Union hat einen Beobachterstatus bei der UN-Generalversammlung. In Darfur haben die AU und die Vereinten Nationen die sogenannte Hybridmission (d. h. eine gemischte AU-VN-Mission unter der Federführung eines Sonderbeauftragten des Vorsitzenden der AU-Kommission) entwickelt und umgesetzt. Die Hybridmission hat einen „integrierten Charakter“ und wird von mehreren Akteuren durchgeführt. Die militärischen Teile wirken mit den anderen zivilen Komponenten zusammen. Die UNAMID-Hybridmission ist relativ erfolgreich. Die Mission hat den afrikanischen Charakter der Konfliktlösungsstrategie der AU integriert. Sie bringt das Prinzip Try African Union First in Einklang mit dem Leitmotiv des African Ownership. Einzelner Gewehrschütze Die malischen Streitkräfte sollen fit gemacht werden, um künftig selbst für Stabilität im Land zu sorgen. Foto: Bundeswehr/Wilke Die EU ist ebenfalls eine wichtige Partnerin der AU. Afrika ist der Nachbarkontinent Europas. Krisen, die dort entstehen, betreffen früher oder später Europa. Deshalb hat die EU Mittel und Wege gefunden, um die Friedensbemühungen der Afrikaner auf regionaler, subregionaler und bilateraler Ebene zu unterstützen13. Auf Ersuchen der AU wurde erstmals im Jahre 2003 die Friedensfazilität (African Peace Facility – APF) durch 13 Vgl. Siegmar Schmidt: Die EU als Retterin der AU?, in: GIGA-Focus, Nr.5/2008, S. 1-7. 8
einen Beschluss des EU-Ministerrats errichtet. Es handelt sich vor allem um Finanzmittel, die der Durchführung von Friedensmissionen sowie der Unterstützung der afrikanischen Sicherheitsarchitektur dienen. Die APF-Mittel kommen aus freiwilligen Beiträgen der EU-Mitgliedstaaten und dem Europäischen Entwicklungsfond, dessen Hauptziel die Beseitigung der Armut in AKP-Staaten ist14. Aus rechtlichen Gründen sind die APF-Mittel nicht für die Finanzierung von militärischer Ausrüstung (Waffen, Munition), sondern für die Friedensunterstützung (Transport, Logistik, Deckung der Kosten der AU-Soldaten im Einsatz) vorgesehen. Die Friedensfazilität hat bereits mehrere Friedensmissionen unterstützt (Sudan, Somalia, Zentralafrikanische Republik, Komoren). Das Potential der APF wurde durch positive Evaluierungen bestätigt15. Zum anderen führt die EU Unterstützungsmissionen in Afrika in nationaler (Beispiel: EUFOR im Tschad unter der Führung von Frankreich) sowie internationaler Verantwortung der Vereinten Nationen durch. Sie stellt Unterstützungstruppen mit zivil-militärischen Aufgaben zu Verfügung. Von 2005 bis 2009 hat die EU Police Mission (EUPOL) an der Reform und Umstrukturierung der kongolesischen Polizei mitgewirkt. Problematisch hingegen war die EUFOR im Tschad in Jahren 2008/2009. Aufgrund von nationalen Interessen hinter den Vorschlägen Frankreichs war die EUFOR im Tschad nicht ohne Bedenken. Andere EU-Staaten betrachteten die Mission als eine parallele Stabilisierungsmission improvisiert durch Frankreich. Trotzdem genießen die EU- Unterstützungsmissionen großes Ansehen in Afrika. Ein aktuelles Beispiel für eine Unterstützungsmission ist die European Union Training Mission (EUTM) in Mali. Am 18. Februar 2013 beschloss die EU nach einer Anfrage der malischen Regierung und der Verabschiedung der UN-Resolutionen 2071 und 2085 (im Jahr 2012) die Aufstellung einer europäischen Trainingsmission in Mali. Hier geht es darum, den malischen Verteidigungs- und Sicherheitskräften zu helfen und das Militär zu befähigen, die Stabilisierung des Landes in eigener Verantwortung wieder voranzubringen. Herausforderungen der Friedenseinsätze heute Heute tendieren innerstaatliche Konflikte in Afrika dazu, rasch zu eskalieren und gesamte Regionen zu destabilisieren. Sie können nicht mehr isoliert betrachtet werden. Konflikte sind komplexer geworden und Friedensmissionen sind eine langfristige Investitionspolitik. Diese erklärt die lange Stationierungsdauer der multinationalen Friedenstruppen. In der AU-VN-EU-Zusammenarbeit werden unterschiedliche Fähigkeiten komplementär eingesetzt. Die Vereinten Nationen haben die Legitimität und die größte Erfahrung in der Durchführung der Friedensmissionen, sind aber langsam in der Reaktion wie die Krise in Mali gezeigt hat16. Die AU und deren Regionalorganisationen wie die ECOWAS haben auch Legitimität und Ortskenntnis, sind 14 Zu AKP vgl. z. B. Mark Paterson and Kudrat Virk: The African, Caribbean and Pacific (ACP) Group and the European Union (EU). Policy research seminar report, Cape Town 2014. 15 Vgl. James Mackie/ Alhaji Bah/ Jonas Frederiksen & Stella Sabiiti: Mid Term Evaluation of the African Peace Facility Framework-Contract. Final Report, Maastricht, 19 January 2006. 16 Zu UN-Friedensmissionen, siehe www.un.org/en/peacekeeping/operations. 9
aber mit organisatorischen, finanziellen und logistischen Problemen konfrontiert. Die EU ihrerseits kann Transportkapazitäten sowie einsetzbare Einheiten für kurzfristige Stabilisierungs- und Unterstützungsmissionen bereitstellen (Beispiel: EUTM-Mali). Die EU hat die militärstrategischen Konzepte des Pooling und Sharing für die Erledigung der Arbeitsteilung unter ihren Mitgliedstaaten entwickelt. Unter Pooling ist „die gemeinschaftliche Ausstattung eines Kampfverbundes mit militärischem Personal, Material und Know-how unterschiedlicher Herkunft“ zu verstehen (Beispiel: NATO Response Force). Sharing bedeutet „die eigenständige Erfüllung von Aufgaben innerhalb eines Systems getrennter Verantwortlichkeiten“ (Beispiel: Beteiligung deutscher Tornado Kampfflugzeuge an der Luftüberwachung und Luftaufklärung bei der NATO-geführten ISAF-Mission in Afghanistan in 2007)17. Die zentrale Herausforderung der gemischten Friedens- oder Stabilisierungsmissionen liegt im Bereich der interkulturellen Kompetenz, da unterschiedliche Organisationskulturen in Übereinstimmung gebracht werden müssen. Betrachtet man die Entwicklung innerhalb der AU selbst, dann sind zwei andere Probleme hervorzuheben, die eng miteinander verbunden sind. Uruguayische Blauhelme UN Stabilization Mission in the Democratic Republic of the Congo (MONUSCO) in der Stadt Pinga, Provinz Nord Kivu. Foto: UN Photo Zum einen ist die Union mit chronischen finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert. Die Einsätze von Truppen multinationaler Streitkräfte zur Friedenswahrung sind kostspielig. Die Union verfügt nicht über die erforderlichen Einsatzmittel, weil sie ein geringes Budget hat. Die Mitgliedstaaten sollen 0,5 Prozent ihres Haushaltes für die AU zur Verfügung stellen. Im Jahre 2004 beispielsweise haben aber nur 13 der 53 Mitgliedsstaaten ihre Beiträge bezahlt. In Anbetracht ihrer Finanzlage kann man davon ausgehen, dass die AU dauerhaft auf finanzielle Unterstützung der EU angewiesen sein wird. Das Problem der Finanzierung könnte die Handlungsfähigkeit und das Krisenmanagement der AU in Frage stellen. Die EU unterstützt die afrikanischen Friedens- und Sicherheitsbemühungen sowohl im Interesse der Afrikaner als auch im Interesse Europas. Für die EU ist die Finanzierung der Peace Facility aus dem 17 Dazu Ekkehard Brose: Parlamentsarmee und Bündnisfähigkeit. Ein Plädoyer für eine begrenzte Reform des Parlamentsbeteiligungsgesetzes, SWP-Studie, 2013, S. 1-21. 10
Europäischen Entwicklungsfond eine pragmatische Lösung gewesen. Diese war eine große Motivation für die Afrikaner. Es gibt von den afrikanischen Staatschefs Bestrebungen, die finanzielle Lage der AU zu verbessern. So schlug die AU die Ermäßigung der finanziellen Leistungen für arme Staaten von 0,5 Prozent auf 0,25 Prozent vor. Dennoch sollen die Mittel des speziellen Friedensfonds für die Finanzierung von Militäreinsätzen deutlich aufgestockt werden. Zum anderen sind die strukturellen und logistischen Probleme zu nennen. Viele Institutionen der AU und der subregionalen Organisation sind zwar funktionsfähig, aber die militärischen Organe befinden sich immer noch in der konzeptionellen Phase. Die Krise in Mali und die AFISMA-Mission der ECOWAS haben gezeigt, dass die westafrikanische Regionalbrigade noch nicht einsatzbereit ist. Betrachtet man die politischen Aspekte, dann lässt sich feststellen, dass in der AU Staaten vertreten sind, die weder Demokratie und Menschenrechte achten noch gute Regierungsführung praktizieren. Es gibt keine Sanktionsmechanismen bei Nichteinhaltung der demokratischen Prinzipien. Noch vor wenigen Jahren sprach sich Südafrika gegen jegliche Sanktionen gegen Zimbabwe aus. Besondere Probleme ergeben sich bei Wahl- und Verfassungsmanipulationen sowie der Verletzung der Menschenrechte und der Umsetzung der responsibility to protect (R2P). Nicht zu unterschätzen sind die Konfliktpotentiale in den Führungsnationen selbst, wie der Machtkampf in der Elfenbeinküste und die ethnisch-religiöse Konflikte in Nigeria. Ausblick Derzeit ist die AU mit logistischen und finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert. Die Konfliktlinien innerhalb der Union sind vor allem Interessenkonflikte zwischen Vertretern der frankophonen und anglophonen Länder sowie Konkurrenz um Schlüsselpositionen in AU-Institutionen. Nordafrika bleibt bis heute der Schwachpunkt der afrikanischen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur, nicht nur wegen des Todes Muammar Gaddafis, der der König der Könige Afrikas sein wollte, sondern auch wegen Unruhen in der Region und andauenden Rivalitäten zwischen Marokko und Algerien. Wenn man die AU bewerten will, sollte man nicht vergessen, dass sie eine junge Organisation ist. Es wird von vielen Seiten angestrebt, die Rahmenbedingungen für Frieden, Wiederaufbau und langfristige Stabilität in Konfliktgebieten zu schaffen. Positiv anzumerken ist die Idee der Eigenverantwortung. Die Afrikaner sind in ihrem Friedensengagement zu der Überzeugung gelangt, dass die Verantwortung für das Konfliktmanagement bei den Afrikanern selbst liegt. Die AU hat Beiträge zu friedenssichernden Operationen geleistet und die Friedensmissionen sind bis jetzt völkerrechtlich konform. Positiv zu bewerten in den neuen Entwicklungen sind das neue Souveränitätsverständnis und die Schutzverantwortung, welche durch die AU als wichtiges Prinzip anerkannt worden ist. Seit 2005 bedeutet Souveränität Verantwortung. In der neuen Sicherheitsarchitektur der AU ist der Mensch eine zentrale Referenz geworden. Während noch vor wenigen Jahren das Prinzip der Nichteinmischung unantastbar war, kann heute die Souveränität der Staaten nicht mehr als Vorwand bei 11
schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen benutzt werden. Jeder Staat trägt die Verantwortung, die auf seinem Territorium lebende Bevölkerung zu schützen. Doch die zentralen Probleme der Anwendung der Schutzverantwortung liegen heute in Konfliktgebieten. In Darfur und Ost-Kongo erfährt die Umsetzung der Schutzverantwortung viele Schwierigkeiten (zum Beispiel UNAMID in Darfur, MONUSCO in Kongo). In beiden Fällen ist der Mangel an kooperationsfähigen und -willigen Strukturen ein Hindernis für die effektive Umsetzung der Schutzverantwortung. In verschiedenen Resolutionen hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die sudanesische und die kongolesische Staaten auf ihre Schutzverantwortung hingewiesen. Trotz robuster Mandate gelingt es der UN-AU-Hybridmission in Darfur und der MONUSCO in Kongo nicht, die Bevölkerungen wirksam zu schützen. Das umfassende Konzept der Schutzverantwortung kann also bis heute nicht wirkungsvoll durchgesetzt werden. Autor Dr. habil. Youssouf Diallo, Jahrgang 1962, ist Privatdozent der Universität Leipzig und seit 2010 Lehrbeauftragter an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Schwerpunkte seiner Lehre und Forschungsarbeit sind Islam und Europa, interkulturelle Kompetenz sowie Konflikt und Sicherheitspolitik in Afrika. Literatur David Barthel: Die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union, Heidelberg 2011. Ekkehard Brose: Parlamentsarmee und Bündnisfähigkeit. Ein Plädoyer für eine begrenzte Reform des Parlamentsbeteiligungsgesetzes, SWP-Studie, 2013, S. 1-21. Youssouf Diallo/ Hans Krech: Der wachsende Einfluss des militanten Islam und der Al Qaida in Afrika, in: Österreichische Militärische Zeitung, Nr. 5/2012, S. 542-551. Matthias Dembinski/ Densua Mumford: Die Schutzverantwortung nach Libyen, in: HSFK Standpunkte Nr. 4/2012. James Mackie/ Alhaji Bah/ Jonas Frederiksen/ Stella Sabiiti: Mid Term Evaluation of the African Peace Facility Framework-Contract. Final Report, Maastricht, 19 January 2006. Georg Nolte: Intervention by Invitation, Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law, Heidelberg 2011, S. 1-8. Siegmar Schmidt: Die EU als Retterin der AU?, in: GIGA-Focus, Nr. 5/2008, S. 1-7. Weiterführende Links www.au.int Afrikanische Union www.giga-hamburg.de GIGA German Institute of Global and Area Studies / Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien www.bpb.de/internationales/afrika/afrika/ Bundeszentrale für Politische Bildung 12
Sie können auch lesen