Immunsystem und immunsuppressive Therapie im Alter
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Fortbildung Immunsystem und immunsuppressive Therapie im Alter VNR: 2760602020170650003 Prof. Dr. med. Elisabeth Märker-Hermann, Dr. med. Christian von Kiel der Einleitung einer spezifischen Immun- antwort führt. T-Zellen mit einem CD8+ Gedächtnis-Phänotyp („Virtual Memory T Cells“) werden trotz fehlendem vorheri- gen Antigenkontakt hingegen im Alter vermehrt nachgewiesen. Die Reaktionsfähigkeit der B-Lymphozy- ten ist im Alter ebenfalls vermindert. Älte- re B-Lymphozyten können einen Defekt in der Induktion eines wichtigen Transkripti- onsfaktors (E47) aufweisen mit der Folge, dass der Immunglobulin-Klassenwechsel der gebildeten Antikörper von IgM zu IgG gestört ist. Die Antikörper-Avidität, das heißt die Summe aller Affinitäten zwi- schen Antikörper und Antigen, ist redu- Abb. 1: Inflammaging und Immunoseneszenz (mod. nach Fulop T. et al. 2019 [1]) ziert – vgl. Übersicht bei [3]. Eine Folge dieser Veränderungen ist u. a. Einleitung wird verstärkt durch Komorbiditäten wie eine gestörte oder verzögerte spezifische Diabetes mellitus, COPD und Niereninsuf- Immunreaktion gegen bis dato unbekann- Die physiologische Alterung des menschli- fizienz. te Mikroorganismen (Viren, Bakterien, Pil- chen Immunsystems wird durch zwei we- ze) oder Tumorantigene. Die wichtigsten sentliche Prozesse bestimmt, die sich ge- Immunoseneszenz Veränderungen des Immunsystems im Al- genseitig beeinflussen. Der Prozess der ter zeigt zusammengefasst Tabelle 1. „Immunoseneszenz“ beschreibt die ab- Änderungen der funktionellen T- und nehmende funktionelle Kapazität des an- B-Lymphozytenantworten und anderer Suszeptibilität für Infektionskrankheiten geborenen und insbesondere des erwor- Immunzellen Im höheren Lebensalter ist das Immunsys- benen, adaptiven Immunsystems. Folgen Altersabhängig kommt es zu quantitati- tem häufig nicht in der Lage, effiziente sind die gesteigerte Empfänglichkeit für ven Verschiebungen innerhalb der T-Zell- Immunantworten gegen neue, unbekann- Infektionserkrankungen, eine reduzierte Subpopulationen und der B-Zellen bzw. te Erreger bzw. Virusstämme (z. B. Influ- Impfantwort und eine erhöhte Suszeptibi- langlebigen Plasmazellen, zudem zu Ver- enza A) aufzubauen. Hingegen können la- lität für Malignome. änderungen der funktionellen Kapazität tente chronische Virusinfektionen wie Der zweite, parallel ablaufende Prozess des adaptiven Immunsystems. Bereits seit durch das Cytomegalievirus (CMV) oder des „Inflammaging“ („Inflamm-Aging“) längerem weiß man, dass naive T-Zellen Epstein-Barr-Virus (EBV) ihrerseits tief- läuft in Form einer low-grade Inflammati- (CD28intCCR7hiCD95loCD45RA+) mit zu- greifende Effekte auf das Immunsystem on ab, also einer unterschwelligen chroni- nehmendem Alter in ihrer absoluten Zahl haben. Persistierende CMV-Infektionen schen Entzündung. Inflammaging führt zu sowohl im peripheren Blut als auch in den führen zu Veränderungen des adaptiven einer gesteigerten Inzidenz altersassozi- sekundären lymphatischen Organen ab- Immunsystems, namentlich zu einer soge- ierter Entzündungs- und Autoimmuner- nehmen [2]. nannten Memory-Inflation mit einer über krankungen (Abb. 1). Solche naiven T-Zellen, die bisher noch die Zeit zunehmenden Vermehrung CMV- In den vergangenen Jahren hat man die nicht aktiviert wurden, werden für spezifi- spezifischer CD8+ Memory-T-Lymphozy- zelluläre und molekularer Basis sowie die sche Immunantworten gegen bislang un- ten [5]. In älteren Individuen kann bis zu genetischen und epigenetischen Verände- bekannte Erreger benötigt. Sie binden 50 % des gesamten CD8+, weniger ausge- rungen des Immunsystems während des über ihren T-Zell-Rezeptor fremde Anti- prägt auch des CD4+ Gedächtnis-Reper- Alterungsprozesses besser verstanden. gene mit hoher Affinität, was zur Stimulie- toires des peripheren Bluts aus CMV-spe- Die vermehrte Infektneigung im Alter rung und Vermehrung der T-Zellen und zifischen T-Zellen bestehen [6]. Hessisches Ärzteblatt 6/2020 | 347
Fortbildung Tab. 1: Quantitative und qualitative Veränderungen verschiedener Immunzellen ganfibrose, vermittelt durch TGF-ß und in der Immunoseneszenz [3, 4] IL-13 [9]. Im Vergleich zu altersabhängigen entzündlichen Vorgängen ist der Aspekt der Zelltyp Altersabhängige Veränderung Fibrogenese (Ablagerung verdickter und vermehrter Kollagenbündel in Geweben, T-Lymphozyten • Reduzierte Zahl naiver T-Lymphozyten Proliferation und Aktivierung von Myofibro- • T-Lymphozyten mit Memory-Phänotyp blasten) bisher weniger gut untersucht. • Vermindertes Proliferationsvermögen • Verringerte Signaltransduktion Vermehrtes Auftreten chronischer (Herunterregulation des CD28-Rezeptors) Autoimmunerkrankungen • Reduzierte Diversität der T-Effektorzellen In Verbindung mit dem Inflammaging • Zellzyklus-Arrest werden typische Alterskrankheiten fest- gestellt: Alzheimer-Demenz, Osteoporo- B-Lymphozyten und • Geringere Bildung von Immunglobulinen (Ig), se, Arteriosklerose, Arthritis und Diabetes langlebige Plasmazellen namentlich Antigen-spezifischem IgG mellitus [10]. Phänomene des Inflamm- • Reduzierte Antikörper-Avidität aging sind in der Rheumatologie bei der • Defekt in der Differenzierung langlebiger rheumatoiden Arthritis (RA) und der Ar- Plasmazellen teriitis temporalis/Riesenzellarteriitis ge- nauer untersucht worden. Der proinflam- Makrophagen • Geringere phagozytische Aktivität matorische Zytokin- und Chemokinstatus • Gestörte Toll-like-Rezeptor-Expression bei RA-Patienten – auch jüngeren RA-Pa- tienten – kann bereits Monate vor den Dendritische Zellen • Reduzierte Zahl dendritischer Zellen ersten klinischen Symptomen messbar • Verminderte Fähigkeit zur Interleukin verändert sein und dem alternden Immun- (IL)-12-Bildung system (Inflammaging) ähneln [11, 12]. • Verminderte Antigen-Präsentation Die Alterung des Immunsystems und das Remodelling der Blutgefäßwand im Alter NK-Zellen • Niedrigere zytotoxische Aktivität sind typische Risikofaktoren für die Ent- wicklung einer Riesenzellarteriitis [13]. Die Vulnerabilität des alternden Immun- dem Status einer chronisch schwelenden Zu den Autoimmunerkrankungen mit ge- systems gegenüber Virusinfektionen zeigt Entzündungsreaktion (Inflammation) ein- häufter Erstmanifestation jenseits des sich derzeit eindrucksvoll in der Covid- her [8]. Dieses Phänomen wird als 60. Lebensjahrs gehören neben der Rie- 19-Pandemie. Es besteht bei Covid-19 ei- Inflammaging bezeichnet, ein Begriff, der senzellarteriitis auch die Antineutrophile ne signifikante Altersabhängigkeit für den von dem italienischen Immunologen Clau- cytoplasmatische Antikörper (ANCA)-as- Schweregrad der Infektion und bezüglich dio Franceschi von der Universität Bolog- soziierten Vaskulitiden mit und ohne Nie- des Risikos, an der Erkrankung zu sterben. na geprägt wurde. Im Rahmen des physio- renbefall, welche wiederum mit zuneh- In Italien lag bis Mitte März 2020 das me- logischen Alterungsprozesses kommt es mendem Alter eine schlechtere Prognose diane Lebensalter der an SARS-CoV-2 infi- zur gesteigerten Freisetzung entzün- haben. zierten und verstorbenen Patienten bei 80 dungsfördernder Botenstoffe wie Inter- So weist die ANCA-assoziierte Granulo- Jahren und das mittlere Alter der Patien- leukin (IL)-6, Tumor-Nekrose-Faktor matose mit Polyangiitis (ehemals M. We- ten, die eine intensivmedizinische Betreu- (TNF)-α und IL-1ß sowie Prostaglandin E; gener genannt) in Europa einen Erstmani- ung benötigten, bei 67 Jahren [7]. Zudem im Serum lässt sich häufig ein dauerhaft festationsgipfel zwischen dem 65. und ist die Covid-19-Morbidität und -Letalität erhöhtes C-reaktives Protein nachweisen. 74. Lebensjahr auf. Patienten mit ANCA- abhängig von der Präsenz schwerwiegen- Als Quelle der proinflammatorischen Zy- assoziierten Vaskulitiden mit Manifestati- der Komorbiditäten wie chronisch ob- tokine werden das im Alter relativ ver- on im höheren Lebensalter und solche mit struktiver Lungenerkrankung (COPD) mehrte oder veränderte Fettgewebe, eine Nierenfunktionseinschränkung verster- und ischämischer Herzerkrankung. Translokation von Bakterien über die ben signifikant häufiger an Infektionen als durchlässigere Darmbarriere und eine Ak- jüngere Patienten [14, 15]. Inflammaging (Inflamm-Aging) kumulation nicht-lymphoider Zellen dis- Zusätzliche immunologische Marker für kutiert, die zusammengefasst den soge- ein erhöhtes Infektionsrisiko bei Vas- Veränderungen löslicher nannten Seneszenz-assoziierten sekreto- kulitispatienten sind ein erniedrigtes Se- immunologischer Mediatoren rischen Phänotyp (SASP) repräsentieren rum-IgG, erniedrigte B-Lymphozyten und Der Verlust des „Feintunings“ einer zielge- – vgl. Übersicht bei [3]. CD4+ T-Lymphozyten sowie eine abge- richteten und zugleich selbstprotektiven, Eine weitere Folge löslicher immunologi- schwächte Impfantwort – dies entspricht den eigenen Organismus schützenden Im- scher Faktoren, welche typischerweise den den typischen Surrogatmarkern der Im- munantwort geht im höheren Alter mit alternden Organismus betrifft, ist die Or- munoseneszenz. 348 | Hessisches Ärzteblatt 6/2020
Fortbildung Immunsuppressive Therapie b) Cyclophosphamid sollte bei über hes Lebensalter in die Überlegungen im höheren Lebensalter 60-Jährigen um 25 % und um 50 % bei mit einzubeziehen [20]. über 70-Jährigen reduziert werden. Immunsuppressive Therapie c) Eine konsequente Prophylaxe mit Co- Immunsuppressive Therapie bei älteren der systemischen Vaskulitiden trimoxazol (zum Beispiel Einnahme Patienten mit Nierentransplantation Systemische Vaskulitiden müssen in der von 960 mg Cotrimoxazol an drei Das Alter, in dem Patienten nierentrans- Regel bei Patienten aller Altersgruppen Tagen pro Woche) unter Therapie mit plantiert werden, ist in den vergangenen immunsuppressiv behandelt werden, wo- Cyclophosphamid oder Rituximab, bei 20 bis 25 Jahren gestiegen. 60 % der bei die Therapien hochdosierte Kortiko- Lymphopenie und – als relativ neue Er- Transplantierten sind inzwischen ≥ 60 steroide, Methotrexat, Azathioprin, Cy- kenntnis – auch bei einer Prednisolon- Jahre alt; in den Jahren 1998–2011 kam es clophosphamid, Rituximab oder im Falle therapie mit > 30mg täglich über zu einer Verdreifachung der Zahl der der Riesenzellarteriitis IL-6-Rezeptor-An- > vier Wochen [19] kann nicht nur Transplantationen pro Jahr bei Patienten tikörper (IL-6R-AK Tocilizumab) beinhal- Pneumocystis jirovecii-Pneumonien jenseits des 65. Lebensjahrs [21]. ten können. Die Prognose und Letalität (PJP) vorbeugen, sondern reduziert Eine große Zahl von Studien konnte nach- der systemischen Vaskulitiden hängt vom auch anderweitige Infektionen wie weisen, dass eine Nierentransplantation Lebensalter bei Erstmanifestation der Vas- Harnwegs- und bronchopulmonale In- die Langzeitmortalität gegenüber Patien- kulitis und vom Auftreten Infekt-beding- fektionen unter immunsuppressiver ten auf der Warteliste für eine Transplan- ter Komplikationen während der ersten Therapie [20]. tation reduziert, und dies gilt auch für äl- sechs Monate der immunsuppressiven d) Während die Cotrim-Behandlung bei tere Patienten. Diese Studien zeigten aber Therapie ab. gleichzeitigem Vorliegen einer syste- auch, dass insbesondere in den ersten Mo- Das Risiko schwerwiegender Infektionen mischen Vaskulitis und Therapie mit naten nach der Nierentransplantation ist in der Induktionstherapie der ANCA-as- Cyclophosphamid als gesichert gelten ältere Patienten ein höheres Mortalitätsri- soziierten Vaskulitis beim Einsatz von Ritu- kann, besteht bei anderen Konstellatio- siko haben, mehr Infekt-bedingte Kompli- ximab ähnlich hoch wie bei Cyclophospha- nen nach wie vor große Unsicherheit, kationen erleiden, allerdings tendenziell mid [16], hängt aber in beiden Fällen ent- da es schwierig ist, den Nutzen der weniger akute Abstoßungsreaktionen scheidend von der Dosis und der Dauer der Therapie gegenüber den zu erwarten- aufweisen als junge Transplantatempfän- regelhaft damit kombinierten Steroidthe- den Nebenwirkungen abzuschätzen. Es ger [22, 23]. rapie ab. In der Erhaltungstherapie der gibt zu diesem Punkt keine Leitlinien In einer jüngst veröffentlichten nordwest- Vaskulitiden wird häufig Aza-thioprin oder oder kontrollierte Studien, lediglich Ex- französischen Studie an 171 Patienten low-dose Methotrexat eingesetzt. Letzte- pertenmeinungen. Zunächst erscheint > 70 Jahren, die zwischen Januar 2000 und res sollte bei einer glomerulären Filtrati- es sinnvoll, weitere individuelle Risiko- Dezember 2014 eine Nierentransplantati- onsrate (GFR) < 30 ml/min gar nicht und faktoren wie das Vorliegen einer on erhalten hatten, zeigte sich, dass ein bei einer GRF zwischen 30 und 60 ml/min, schweren Lymphophenie oder ein ho- Jahr nach erfolgter Transplantation 17 Pa- wie sie bei älteren Patienten häufiger fest- zustellen ist, nur in halbierter Regeldosis unter engmaschiger Kontrolle der Nieren- funktion gegeben werden [17]. Multiple Choice-Fragen Eine Besonderheit der Therapie mit dem Die Multiple Choice-Fragen zu dem Ar- Dieser Artikel hat ein Peer-Review-Ver- IL-6R-AK-Tocilizumab ist eine erhöhte In- tikel „Immunsystem und immunsuppres- fahren durchlaufen. Nach Angaben der zidenz komplizierter Divertikulitiden mit sive Therapie im Alter“ von Prof. Autoren sind die Inhalte des Artikels pro- der Gefahr der Darmperforation [18]. Des Dr. med. Elisabeth Märker-Hermann und dukt- und/oder dienstleistungsneutral, Weiteren hemmt Tocilizumab die Bildung Dr. med. Christian von Kiel finden Sie im es bestehen keine Interessenkonflikte. von CRP, so dass letzteres als Marker einer Mitglieder-Portal der Landesärztekam- möglichen Infektion nicht verwertbar ist. mer Hessen (https://portal.laekh.de) Erratum Laufzeit CME Procalcitonin als Sepsismarker wird hinge- sowie auf den Online-Seiten des Hessi- gen durch Tocilizumab nicht beeinflusst. schen Ärzteblattes (www.laekh.de). Ösophaguskarzinome Leider existieren noch keine durch Studi- Die Teilnahme zur Erlangung von Fort- Die Teilnahme an der CME-Fortbil- en belegte Empfehlungen zur individuali- bildungspunkten ist ausschließlich on- dung „Ösophaguskarzinome“ aus sierten immunsuppressiven Therapie der line über das Mitglieder-Portal vom 25. dem Hessischen Ärzteblatt HÄBL Vaskulitiden oder anderer rheumatischer Mai 2020 bis 24. Mai 2021 möglich. 05/2020 ist über das Mitglieder-Por- Systemerkrankungen im Alter. Aus Regis- Die Fortbildung ist mit zwei Punkten tal der LÄKH vom 25. April 2020 bis terdaten und Fallsammlungen lassen sich zertifiziert. Mit Absenden des Fragebo- 24. April 2021 möglich – nicht, wie aber folgende Schlussfolgerungen ziehen: gens bestätigen Sie, dass Sie dieses irrtümlich auf S. 287 abgedruckt, a) Eine Dosisreduktion von Rituximab CME-Modul nicht bereits an anderer vom 25. Mai 2020 bis 24. Mai 2021. kann zu einer Halbierung der Inzidenz Stelle absolviert haben. schwerer Infektionen führen. Hessisches Ärzteblatt 6/2020 | 349
Fortbildung tienten (9,9 %) verstorben waren, und älteren Patienten bereits die Induktions- chronischen Entzündung mit vermehrter zwar in erster Linie an Infektionen therapie mit geringerer Intensität starten, Sekretion pro-inflammatorischer löslicher (58,5 %) oder kardiovaskulären Erkran- das heißt ohne Kaninchen-Antithymozy- Botenstoffe (Inflammaging) und dem kungen (29,4 %) [24]. Die Autorinnen ten-Globulin (rATG) oder anti-IL2-AK. Auftreten chronisch-entzündlicher und und Autoren schließen daraus, dass bei Prinzipiell kommen wie bei jüngeren Nie- autoimmuner Erkrankungen. Nierentransplantatempfängern > 70 Jah- rentransplantierten in der immunsuppres- Bei bereits alteriertem Immunsystem, ver- ren eine kardiologische Evaluation und ei- siven Kombinationstherapie Kortikoste- mehrter Anfälligkeit für Infektionen und ne Optimierung der immunsuppressiven roide, ein Antimetabolit (Azathioprin oder reduzierter Impfantwort sind ältere Pa- Therapie entscheidend sei, um das Über- Mycophenolatmofetil) und ein Calcineu- tienten mit rheumatischen Erkrankungen, leben der Patientin bzw. des Patienten rin-Inhibitor (Ciclosporin A oder Tacroli- insbesondere systemischen Vaskulitiden, und des Transplantats in der Frühphase mus) zum Einsatz. einem erhöhten Risiko unter immunsup- nach Transplantation zu verbessern. Hinsichtlich der Cortisonreduktion in der pressiver Therapie ausgesetzt. Zunehmend werden geriatrische Untersu- Erhaltungstherapie gibt es keine einheitli- Gleiches gilt für ältere Nierentransplantat- chungsmethoden auch in der Transplan- che Empfehlung. In der Praxis ist es wich- empfänger. Leitlinien-basierte Empfehlun- tationsmedizin eingesetzt, da insbesonde- tig, beim Einsatz von Ciclosporin A bei äl- gen zur immunsuppressiven Therapie im re Frailty, also Gebrechlichkeit, ein unab- teren Patienten besonders wachsam im Alter existieren weder für Autoimmuner- hängiger Risikofaktor für das Überleben Hinblick auf potenzielle Medikamentenin- krankungen noch für Nierentransplantat- nach Nierentransplantation ist [25]. teraktionen zu sein. Ciclosporin A ist ein empfänger. Hier gilt es, individuell und un- Die immunologischen Voraussetzungen Substrat sowohl von Cytochrome P450 ter Berücksichtigung der Risikofaktoren die und das Faktum, dass ältere Patienten (CYP)3A als auch von P-Glycoprotein, Immunsuppressiva einschließlich Cortison häufig von medikamentösen Transplanta- welche pharmakokinetisch beide an der so niedrig wie möglich zu dosieren und tionsstudien ausgeschlossen werden, Elimination häufig verschriebener Medika- engmaschig zu überwachen, um die Gefahr macht die Auswahl des idealen und indivi- mente beteiligt sind [27]. bedrohlicher Infektionen zu minimieren. duell angepassten immunsuppressiven Im Falle unerwünschter Wirkungen wie Regimes zur Herausforderung. Zur im- Leukopenie, Thrombopenie, Infektionen munsuppressiven Therapie nach Nieren- oder Malignomen wird häufiger als bei jun- Prof. Dr. med. transplantation existieren Handlungs- gen Transplantierten in der Erhaltungs- Elisabeth empfehlungen, die sich allerdings interna- therapie eine Komponente der kombinier- Märker-Hermann tional und je nach Transplantationszen- ten Immunsuppression, meistens der Anti- E-Mail: Elisabeth. trum unterscheiden können. Sie orientie- metabolit, herausgenommen [28]. Leitli- Maerker-Hermann@ ren sich an einer individuellen Dosierung nien-basierte konkrete Empfehlungen zur helios-gesundheit.de Foto: privat und Anpassung der Induktions- und Erhal- Induktions- und Erhaltungstherapie sowie tungstherapie, an Nebenwirkungen und zur Deeskalation der Immunsuppression Komplikationen sowie natürlich der aktu- bei älteren Nierentransplantatempfängern ellen Studienlage. Auf Details kann in die- liegen jedoch nicht vor. sem Beitrag nicht eingegangen werden, Dr. med. vielmehr auf allgemeine Prinzipien der Zusammenfassung Christian von Kiel Therapieanpassung bei älteren Patienten. In den europäischen Leitlinien (EBP, Euro- Mit der physiologischen Alterung des Im- pean Best Practice Guidelines) wird zu spe- munsystems vermindert sich die Immun- ziellen Problemen bei älteren Transplan- kompetenz, das heißt die Fähigkeit, sich Foto: privat tatempfängern ausgeführt, dass die Im- mit Erregern und Malignomen auseinan- munsuppression „mit Augenmaß“ einge- derzusetzen, was sich in typischen Verän- setzt werden sollte, um einerseits Absto- derungen der quantitativen Zusammen- ßungen zu verhindern, andererseits aber setzung der Zellen des Immunsystems beide: Klinik Innere Medizin IV Nebenwirkungen gering zu halten, die im und der funktionellen Kapazität wider- (Rheumatologie, Klinische Immunologie höheren Lebensalter häufig ausgeprägter spiegelt (Immunoseneszenz). Diese Pro- und Nephrologie) der Helios Dr. Horst sind [25, 26]. Es gibt Zentren, welche bei zesse gehen einher mit einem Status der Schmidt Kliniken Wiesbaden Der interessante Fall – Kasuistiken erwünscht! Haben Sie einen interessanten Fall, den Die Redaktion freut sich über Sie gerne im Hessischen Ärzteblatt Zusendungen per E-Mail an: vorstellen würden? haebl@laekh.de 350 | Hessisches Ärzteblatt 6/2020
Fortbildung Multiple Choice-Fragen: Immunsystem und immunsuppressive Therapie im Alter VNR: 2760602020170650003 (nur eine Antwort ist richtig) 1) Welche Veränderung von Immunzellen 4. Die spezifische Immunantwort gegen den bei vergleichbarer Wirksamkeit zu und Immunglobulinen ist typisch für bis dato unbekannte Viren ist im Alter einer Verminderung infektiöser Kom- die Immunoseneszenz? häufig verzögert und ineffizienter. plikationen führen. 1. Expression des CD8-Moleküls 5. CD8+ T-Lymphozyten-Antworten ge- 3. Zur Induktionstherapie sollte bei AN- 2. Expression des CD20-Moleküls gen Viren gehören zum angeborenen CA-assoziierten Vaskulitiden niedrig 3. Verminderte Interleukin-6-Bildung Immunsystem. dosiertes Methotrexat bevorzugt statt durch dendritische Zellen Cyclophospamid eingesetzt werden. 4. Vermehrung der B-Lymphozyten 5) Welche Aussage zu Impfungen im hö- 4. Unter Therapie mit Cyclophosphamid 5. Reduzierte Antikörper-Avidität heren Alter ist falsch? oder Rituximab empfiehlt sich eine 1. Bei Impfungen gegen Influenza A Antibiotikaprophylaxe der Pneumo- 2) Welche Kombination von Begriffen kommt es häufiger zu allergischen Re- cystis jirovecii Pneumonie mit Cipro- passt am ehesten zum Prozess des „In- aktionen. floxacin. flammaging“? 2. Die Impfantwort (Entwicklung pro- 5. Tocilizumab ist bei erniedrigtem IgG a. Immunbiologie tektiver Antikörper) kann abge- kontraindiziert. b. Immunstatus schwächt sein. c. Proinflammatorische Zytokine 3. Es wird eine Pneumokokken-Impfung 8) Welche Aussage zu Tocilizumab ist d. Chronische CRP-Erhöhung empfohlen. falsch? e. Prädisposition für die Riesenzellarterii- 4. Es wird eine Impfung gegen Influenza 1. Bei Anamnese einer durchgemachten tis A empfohlen. Divertikulitis sollte es nicht eingesetzt 5. Vor geplanter immunsuppressiver werden. 1. Richtig sind a, b und e Therapie sollte der Impfstatus über- 2. Es ist zur Therapie der Riesenzellarte- 2. Richtig sind b und c prüft werden. riitis zugelassen. 3. Richtig sind a und e 3. Ein normaler CRP-Wert unter Tocilizu- 4. Richtig sind c, d und e 6) Welche der folgenden Autoimmuner- mabtherapie schließt eine Sepsis aus. 5. Richtig sind b und d krankungen treten vor allem in einem 4. Es handelt sich um einen Antikörper Lebensalter > 60 Jahren auf? gegen den Interleukin-6-Rezeptor. 3) Welche Funktionsstörung gehört nicht a. Systemischer Lupus erythematodes 5. Procalcitonin kann unter Tocilizumab- zu den typischen Folgen der Immuno- b. Psoriasisarthritis therapie im Falle bakterieller Infektio- seneszenz? c. Granulomatose mit Polyangiitis (M. nen ansteigen. 1. komplizierter Verlauf von Infektionen Wegener) mit unbekannten Erregern d. Morbus Bechterew 9) Welche Aussage zur Nierentransplan- 2. allergische Impfreaktion e. Riesenzellarteriitis tation bei Patienten > 60 Jahren ist 3. verminderte Bildung schützender An- richtig? tikörper nach Impfung 1. Richtig sind c und e 1. Die häufigste Todesursache im ersten 4. verminderte Tumorabwehr 2. Richtig sind a, c und e Jahr nach Transplantation sind Mali- 5. verzögerte Immunantwort gegen In- 3. Richtig sind b, c und d gnome. fektionserreger 4. Richtig sind d und e 2. Akute Abstoßungsreaktionen treten 5. Richtig sind a, b und e bei älteren Nierentransplantatemp- 4) Welche Aussage zu Infektionen im Al- fängern häufiger auf als bei jungen Pa- ter ist richtig? 7) Welche Aussage zur immunsuppressi- tienten. 1. Neuinfektionen mit Cytomegalievirus ven Therapie im Alter ist richtig? 3. Es existieren deutsche Leitlinien zur (CMV) sind im Alter häufiger als in der 1. Im hohen Alter sollte eine immunsup- immunsuppressiven Therapie nach Jugend. pressive Therapie möglichst nur mit Nierentransplantation beim älteren 2. Neuinfektionen mit Epstein-Barr-Virus Corticosteroiden durchgeführt wer- Patienten. (EBV) sind im Alter häufiger als in der den. 4. In der immunsuppressiven Kombinati- Jugend. 2. Im Alter kann eine Dosisreduktion von onstherapie kommen Corticosteroide, 3. Ein Herpes zoster verläuft unter Corti- Rituximab und Cyclophosphamid in ein Antimetabolit und ein Calcineurin- costeroidtherapie milder. der Induktionstherapie der Vaskuliti- Inhibitor zum Einsatz.
5. Die Reduktion der Corticosteroide er- folgt in der Erhaltungstherapie nach einem allgemeingültigen Schema. 10) Welche Aussage zur Vorbereitung auf eine Nierentransplantation bei Patien- ten > 60 Jahren ist falsch? 1. Die Häufigkeit von Nierentransplanta- tionen hat in der Gruppe der über 65-Jährigen in den letzten Jahren zu- genommen. 2. Es gibt keine allgemeine Altersbegren- zung für eine Nierentransplantation. 3. Eine sorgfältige kardiologische Evalua- tion ist vor der Listung zur Transplan- tation und auch auf der Warteliste wichtig. 4. Kardiovaskuläre Ereignisse und Infek- tionen sind die häufigsten Todesursa- chen im 1. Jahr nach Transplantation. 5. Eine maligne Tumorerkrankung in der Anamnese gilt generell als Kontraindi- kation für die Aufnahme in die Warte- liste.
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