INFORMEL DAS PRINZIP DER FORMLOSIGKEIT - Galerie Bentler

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INFORMEL DAS PRINZIP DER FORMLOSIGKEIT - Galerie Bentler
INFORMEL
DAS PRINZIP DER FORMLOSIGKEIT

Karl Otto Götz • Luis Feito López • Jean Miotte • Bernard
Schultze • Emil Schumacher • Jaroslav Serpan • Fred Thieler

Galerie Bentler
INFORMEL DAS PRINZIP DER FORMLOSIGKEIT - Galerie Bentler
GALERIE BENTLER
INFORMEL DAS PRINZIP DER FORMLOSIGKEIT - Galerie Bentler
INFORMEL
DAS PRINZIP DER FORMLOSIGKEIT
Karl Otto Götz • Luis Feito López • Jean Miotte • Bernard
Schultze • Emil Schumacher • Jaroslav Serpan • Fred Thieler

Ausstellungskatalog der Galerie Bentler
Bonn 2020
INFORMEL DAS PRINZIP DER FORMLOSIGKEIT - Galerie Bentler
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INFORMEL DAS PRINZIP DER FORMLOSIGKEIT - Galerie Bentler
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Galerie,

es ist immer wieder erstaunlich,          Zuschlag, der gerade erst vor einem
welch eine Dynamik die Planung            Jahr die „Forschungsstelle Informelle
einer Ausstellung annehmen kann.          Kunst“ an der Universität Bonn ge-
Die Idee, eine Ausstellung mit in-        gründet hatte, gewinnen konnten,
formeller Kunst auszurichten, war         die Eröffnungsrede der Ausstellung
schnell geboren. Schien es uns doch       zu halten. Dass wir damit einen der
nur folgerichtig, die Kunst in der        profundesten Kenner des Informel
Galerie zu zeigen, von der sich die       in der Galerie zu Gast hatten, erfüllt
hier schon seit langem vertretenen        uns mit großer Freude. Auch Prof.
ZERO-Künstler am Ende abgrenzten.         Zuschlag konnte noch einige der
Erstaunlicherweise hatten noch an         informellen Künstler kennenlernen
der 7. Abendausstellung der ZERO-         und für seine Forschung befragen.
Bewegung, die am 24. April 1958           Seinen Text zur Ausstellung finden Sie
in Düsseldorf stattfand, die der in-      im Katalog.
formellen Malerei zuzurechnen-            Dass auf seine Anregung hin
den Künstler Bernard Schultze, Fred       auch Anne-Kathrin Hinz von der
Thieler und Jaroslav Serpan, die auch     „Forschungsstelle Informelle Kunst“
wir in der Ausstellung zeigen, zu-        einen Text über die Forschungsstelle
sammen mit Heinz Mack, Günther            selbst und deren Ziele beisteuerte,
Uecker und Otto Piene teilgenom-          empfinden wir als eine gelungene
men. Außerdem glaubten wir dar-           Abrundung dieses kleinen Buches.
an, dass es sich lohnen würde, diese      Am Ende aber sind wir stolz darauf,
oft stiefmütterlich behandelte Kunst,     dass Sie, als unsere Kunden, die-
so unser Eindruck, in den Mittelpunkt     se immer wieder neuen Wege mit
des öffentlichen Interesses zu stellen.   uns gehen und sich immer wieder
Dass wir bei unseren Recherchen           auf neue Sichtweisen auf die Welt
das Sammlerehepaar Retzlaff aus           zusammen mit uns einlassen. Der
Köln kennenlernten, die über die          Erfolg der Galerie ist eben immer
Jahrzehnte hinweg eine große              ein Zusammenspiel zwischen vielen
Sammlung informeller Kunst zusam-         Menschen, die an der Kunst Freude
mengetragen hatten, war ein wah-          haben und diese mit uns teilen.
res Glück. Die langjährige, intensive     So möchten wir hier noch einmal
Freundschaft, die sie mit Karl Otto       allen Beteiligten, genannt und
Götz verband, war ein sprudelnder         ungenannt, von Herzen für Ihre
Quell des Wissens und der Informa-        Unterstützung danken.
tion. Dass sie zusätzlich noch bereit     Ihre
waren, einige Ihrer Arbeiten der Ga-
lerie zur Verfügung zu stellen, machte
diese Ausstellung erst möglich.
Außerdem war es ihrer Initiative zu
verdanken, dass wir Prof. Dr. Christoph   Jenny Geißler     Bernd Bentler

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Weißes Blatt 2020, Papier Relief, 105,5 x 250 x 8 cm, Unikat

          1. Bernard Schultze "....als ein Korsett..." 1996, Öl auf Leinwand, 120 x 100 cm, Diederich / Hermann 96 / 5

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Bernard Schultze

Bernard Schultze "....als ein Korsett..." Detailaufnahme

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2. und 3. Bernard Schultze Capriccio 02 und Capriccio 05 1997, Öl auf Leinwand, 60 x 40 cm, Diederich / Hermann 97 / 12, 97 / 15

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4. und 5. Bernard Schultze Innere Landschaften 3 und Innere Landschaften 2
1997, Öl auf Leinwand, 70 x 50 cm, Diederich / Hermann 97 / 47, 97 / 46

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6. und 7. Bernard Schultze Innere Landschaften 5 und Innere Landschaften 6
1997, Öl auf Leinwand, 70 x 50 cm, Diederich / Hermann 97 / 49, 97 / 50

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Karl Otto Götz

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8. Karl Otto Götz ohne Titel 1953, Mischtechnik auf Aquarellpapier, 25 x 22,5 cm

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9. Karl Otto Götz Castor und Pollux - Mondscheibe 1996, Gouache über Prägedruck, 69,5 x 69,5 cm

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10. Karl Otto Götz Castor und Pollux - Sonnenscheibe 1996, Gouache über Prägedruck, 69,5 x 69,5 cm

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11-13. Karl Otto Götz Laph II, Laph VII, Laph IX 1998, Gouachen in weiß auf schwarzem Karton, 30 x 21 cm

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14. Karl Otto Götz Timph II 1994, Lithografie, 80 x 70 cm, Probe (Auflage        15. Karl Otto Götz Timph 1994, Lithografie, 80 x 70 cm, Exemplar 21 / 40,
20 Exemplare), Hügelow 138                                                       Hügelow 137

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16. Karl Otto Götz Zeisig 1992, Lithografie, 70 x 80 cm, EA (Auflage 40 Exemplare), Hügelow 115

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17. Karl Otto Götz Tylv 2001, Lithografie, 106 x 81 cm, Probe (Auflage 20 Exemplare), Hügelow 197

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18. Karl Otto Götz Giverny III 1990, Lithografie, 70 x 90 cm, EA (Serie E, Auflage 10 Exemplare), Hügelow 84

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     19. Karl Otto Götz Pill-De II 1998, Mischtechnik auf Leinwand, 90 x 70 cm, Ströher 1998 - 7
Formlos – und doch Form.
Zur Kunst des Informel
Christoph Zuschlag

»Jedenfalls sollte man an dieser Ausstellung nicht vorbei-               durch, im angelsächsischen Sprachraum spricht man vom
gehen.« Dieser Satz könnte sich mit Fug und Recht auf die                Abstract Expressionism (wobei dieser Begriff so unterschied-
Ausstellung in der Galerie Bernd Bentler beziehen – tut er               liche Phänomene wie das Action Painting eines Jackson Pol-
aber nicht. Geschrieben wurde er vor fast 70 Jahren von der              lock und das Colorfield Painting eines Mark Rothko umfasst).
Kunstkritikerin Doris Schmidt, die damit ihre Besprechung ei-
ner kleinen Galerieausstellung, erschienen in der FAZ vom 17.            Das Informel ist kein Stil, vielmehr charakterisiert der Begriff
Dezember 1952, beendete: »Jedenfalls sollte man an dieser                eine künstlerische Haltung, die das klassische Form- und
Ausstellung nicht vorbeigehen.« Doris Schmidt ahnte wohl,                Kompositionsprinzip ebenso ablehnt wie die geometrische
was damals noch niemand wissen konnte, dass nämlich                      Abstraktion und stattdessen eine zwar ebenfalls gegen-
diese Ausstellung in die Kunstgeschichte der Nachkriegszeit              standsfreie, aber offene und prozessuale Bildform anstrebt.
eingehen sollte. In der Zimmergalerie Franck im Frankfurter              Es geht, wie es der Künstler K. O. Götz formuliert hat, um die
Westend waren insgesamt 13 abstrakte Bilder von vier Ma-                 Auflösung des klassischen Formprinzips, es geht um die Ent-
lern zu sehen: Karl Otto Götz, Otto Greis, Heinz Kreutz und              wicklung neuer Modi der Formsetzung und um die Konstitu-
Bernard Schultze. Auf dem Plakat und der Einladungskarte                 ierung eines neuen, eines offenen Bildbegriffs. Offener Bild-
waren sie als neuexpressionisten angekündigt. Doch noch                  begriff meint zum einen, dass das Kunstwerk in einem Prozess
am Eröffnungsabend verfasste der Dichter René Hinds ein                  entsteht, dessen Endresultat offen ist, und zum anderen, dass
hymnisches Gedicht, in dem er die vier Künstler zur Quad-                das Werk für uns Betrachter einen offenen Assoziationsraum
riga vereinte, und dieser Begriff setzte sich durch. Die Qua-            darstellen soll.
driga war keine Künstlergruppe (von denen es nach 1945
viele gab) – es existierte kein Manifest, kein gemeinsames               Die kunsthistorischen Quellen des Informel sind vielfältig.
ästhetisches Programm –, sondern eine einmalige                          Künstler der klassischen Moderne wie Wassily Kandinsky, Paul
Ausstellungsgemeinschaft. Aber es war in Deutsch-                        Klee und Max Ernst waren ebenso prägend und vorbildhaft
land die erste Manifestation der Kunst des Informel.                     wie die in Frankreich arbeitenden deutschen Künstler Wols
                                                                         und Hans Hartung sowie die Franzosen Jean Dubuffet und
Das Informel ist Thema des vorliegenden Katalogs, in des-                Jean Fautrier. Der bereits erwähnte Amerikaner Jackson Pol-
sen Zentrum Werke von vier deutschen Hauptrepräsen-                      lock hatte großen Einfluss, desgleichen Willi Baumeister, Fritz
tanten dieser Richtung stehen: Karl Otto Götz und Bernard                Winter, Ernst Wilhelm Nay und Carl Buchheister – also Künst-
Schultze (beide waren auf der erwähnten Quadriga-Aus-                    ler, die bereits vor 1945 in Deutschland abstrakte oder stark
stellung 1952 in Frankfurt vertreten) sowie Emil Schumacher              abstrahierende Positionen entwickelt hatten. Auch einige
und Fred Thieler. Hinzu kommen Arbeiten des Spaniers Luis                Künstler des 19. Jahrhunderts wie Claude Monet und William
Feito, des Franzosen Jean Miotte und des gebürtigen Tsche-               Turner sind hier zu nennen.
chen Jaroslav Serpan. Hier deutet sich schon ein Charakte-
ristikum der informellen Kunst an: Es ist ein internationales, ja        Das Informel war die kunsthistorisch und wirkungsgeschichtlich
fast schon ein globales Phänomen in der Kunst nach 1945.                 zentrale Innovation in der bildenden Kunst der 1950er-Jahre.
                                                                         Es ist eine Art Brennpunkt in der Kunst des 20. Jahrhunderts,
Im Folgenden möchte ich zunächst auf den Begriff Informel,               in den, wie erwähnt, verschiedene künstlerische Bewegun-
sowie die Geschichte und die Charakteristika der informel-               gen als Quellen eingeflossen sind, der ganz unterschiedliche
len Kunst eingehen, anschließend auf die hier vorgestellten              parallele Strömungen umfasste und der verschiedene Reak-
Künstler und Werke.                                                      tionen auslöste, die für die spätere Kunstentwicklung, bis in
                                                                         die Gegenwart hinein, wichtig geworden sind. In der zweiten
Als informelle (wörtlich: formlose) Kunst wird ein breites Spek-         Hälfte der 1950er-Jahre erfuhr das Informel wachsende An-
trum abstrakt-expressiver Strömungen bezeichnet, die sich                erkennung. Künstler des Informel wurden auf Professuren an
bald nach 1945 parallel in den USA und in Europa entwickel-              Kunstakademien berufen (etwa Emil Schumacher 1958 nach
ten, zu einer Zeit also, in der Paris die unangefochtene Metro-          Hamburg und Karl Otto Götz 1959 nach Düsseldorf) und
pole der aktuellen Kunst war. Die Bezeichnung geht auf den               konnten ihre Werke auf internationalen Ausstellungen wie
französischen Kunstkritiker Michel Tapié zurück, der im No-              der Biennale 1958 in Venedig und der II. documenta 1959
vember 1951 in Paris die Ausstellung Signifiants de l’Informel           in Kassel präsentieren. Doch parallel formierten sich Gegen-
(Bedeutungen des Formlosen) organisierte. Einer der sechs                kräfte. 1959 konstatierte der Maler Hans Platschek, der bis
Künstler in dieser Ausstellung war Jaroslav Serpan. 1952 ver-            dahin selbst zum Informel gehört hatte, die Vulgarisierung
öffentlichte Tapié eine programmatische Schrift zum Informel             und Banalisierung des Informel und forderte – so der Titel sei-
mit dem Titel Un art autre (Eine andere Kunst). Gegenüber                nes Buches – Neue Figurationen. In der Tat entstanden ab
den anfangs ebenfalls verbreiteten Benennungen Tachismus                 Mitte der 1950er-Jahre und dann vor allem seit den 1960er-
(abgeleitet von la tache = der Fleck) und Lyrische Abstrak-              Jahren in der Malerei neue Spielarten gegenstandsbezoge-
tion setzte sich im deutschen und im romanischen Sprach-                 ner, realistischer Malerei, die sich ebenso programmatisch
raum die Bezeichnung Informel als Ober- und Sammelbegriff                vom Informel abgrenzten wie zum Beispiel die zeitgleiche
                                                                    23
Zero-Bewegung. Die Gegenströmungen zum Informel wur-                      Die Lithographie Zeisig (Abb. 16 / S. 19, Hügelow 115) wurde
den zu einem guten Teil von den Schülern der Informellen                  sogar in sieben Farben gedruckt.
selbst getragen. Neben Abgrenzungen vom Informel gab
es aber auch vielfältige Anknüpfungspunkte, nicht nur im                  Ebenfalls aus den 1990er-Jahren stammen die insgesamt
Bereich der Malerei; so konnte etwa die Performance- und                  sieben Ölbilder auf Leinwand des Malers Bernard Schultze,
Installationskunst der 1960er- und 1970er-Jahre an performa-              der 2005 in Köln verstarb: … als ein Korsett … (Abb. 1 / S. 6,
tive und raumbezogene Elemente im Informel anschließen.                   Diederich/Hermann 96/5), Innere Landschaften 2 (Abb. 5 / S.
                                                                          10, Diederich/Hermann 97/46), Innere Landschaften 3 (Abb.
Die Wirkungsgeschichte und die historische Stellung des                   4 / S. 10 Diederich/Hermann 97/47), Innere Landschaften
Informel in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts zu unter-            5 (Abb. 6 / S. 11, Diederich/Hermann 97/49), Innere Land-
suchen, ist eines der Ziele der Forschungsstelle Informelle Kunst,        schaften 6 (Abb. 7 / S. 11, Diederich/Hermann 97/50) sowie
die ich im Juni vergangenen Jahres hier in Bonn am Kunsthis-              Capriccio 2 (Abb. 2 / S. 8, Diederich/Hermann 97/12) und
torischen Institut der Universität gegründet habe (vgl. hierzu            Capriccio 5 (Abb. 3 / S. 8, Diederich/Hermann 97/15).
den Textbeitrag von Anne-Kathrin Hinz in diesem Katalog).                 Schultzes späte Bilder sind ganz aus der Farbe geschaffene
                                                                          leuchtende Farbräume, Farblandschaften von geradezu
Nun aber noch einige Ausführungen zu den Werken in die-                   betörender Schönheit, die uns Betrachter förmlich hineinzie-
sem Katalog. Er umfasst Bilder auf Leinwand, Gouachen und                 hen in die Tiefe der Bildräume. »Himmel werden aufgerissen,
Druckgrafiken der sieben zu Beginn bereits genannten Ma-                  neue Räume öffnen sich«, schrieb der Künstler 1994, »Ja, die-
ler, von denen ich K. O. Götz (1914–2017), Bernard Schultze               se Räume, das ist das sehr notwendige Merkmal meiner spä-
(1915–2005), Emil Schumacher (1912–1999) und Fred Thieler                 ten Bilder: die Räume verdrehen sich, positive Formen schla-
(1916–1999) noch persönlich kennenlernen und interviewen                  gen um in negative. Ein Stürzen und Schwanken bis an den
durfte.                                                                   äußersten Bildrand ist zu spüren. Somit ist ein neuer Reich-
                                                                          tum, außer Farbklängen, Liniengewucher entstanden, die
Die älteste Arbeit ist ein zauberhaftes kleines Aquarell von              Vielschichtigkeit der Räume, wie Erdleben-Landschaften«
K. O. Götz (Abb. 8 / S. 13) aus dem Jahr 1953, das kurz nach              (Weiss 1994, S. 263).
der erwähnten Quadriga-Ausstellung entstand und die ganz
frühe informelle Werkphase des Künstlers repräsentiert – eine
echte Rarität (Blätter aus derselben Serie sind abgebildet
bei Götz 1983, S. 558f.). Der Katalog schlägt zudem den
Bogen zum Spätwerk des 2017 im Alter von 103 Jahren ver-
storbenen K. O. Götz, stammen eine Reihe von Gouachen
und Lithographien sowie ein Gemälde doch noch aus den
1990er-Jahren. Die für Götz charakteristische dynamische
Bildsprache mit ihren explodierenden, strudelförmigen und
wirbelartigen Formen hängt mit der besonderen Maltech-
nik des Künstlers zusammen, bei der er Pinsel und Rakel ein-
setzte, sowie mit der großen Geschwindigkeit beim Malvor-
gang. Die beiden Gouachen Castor und Pollux (Abb. 9-10 /
S. 14 und 15) mit ihren kreisrunden Bildfeldern (abgebildet
in Hakenjos/Quadt 2001, S. 111 und S. 113) entstanden im
Zusammenhang mit Götz‘ Bemalung von Tellern aus Kera-
mik. An den drei Gouachen aus der Serie Laph (Abb. 11-
13 / S. 16 und 17) sowie dem Bild Pill-DE II (Abb. 19 / S. 22,
Ströher 1998-7) von 1998 ist interessant, dass der damals
84-jährige Künstler den von ihm geliebten Schwarz-Weiß-
Kontrast gleichsam umdreht und mit Weiß auf Schwarz
arbeitet. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die
Lithographien, die eine wichtige Facette im Œuvre von
K. O. Götz darstellen. Götz bevorzugte die Lithographie,
weil die glatte Oberfläche des Steins eine adäquate Umset-                Fred Thieler, 1999 in Berlin gestorben, praktizierte, wie etwa
zung seines malerischen Vorgehens mit Pinsel und Rakel so-                auch K. O. Götz, die sogenannte Flachmalerei, bei der der
wie die erforderliche schnelle Arbeitsweise ermöglichte. Die              Bildträger nicht auf einer Staffelei steht, sondern flach auf
Farblithographien Timph (Abb. 15 / S. 18, Hügelow 137) und                dem Boden liegt. Auch Thieler entwickelte seine eigene
Timph II (Abb. 14 / S. 18, Hügelow 138) wurden von drei                   Technik, indem er die Farben aus Gießkannen, Kanistern,
Steinen gedruckt, jedoch in unterschiedlichen Farben. Der                 Dosen und Eimern auf den Bildträger schüttete, sie durch
Schwarzstein ist jeweils identisch, aber was in Timph in Ult-             Falten, Knicken und Anheben des Bildträgers lenkte und mit
ramarin und Türkis erscheint, leuchtet bei Timph II in Violett            Pinseln weiterbearbeitete. »Beim Malen sind mir alle Hilfsmit-
und Rot. Eine Besonderheit ist auch das fünffarbige Blatt                 tel recht. Malerei ist ein Experimentierfeld« – so der Künstler.
Giverny III E (Abb. 18 / S. 21, Hügelow 84) aus Götz‘ umfang-             Und weiter: »Das freie, ungehemmte Fließen und Sichaus-
reicher Giverny-Serie, die sich durch ihre hohe Buntfarbigkeit            breiten der Farbe ist mir wichtig, weil es vom Zufall bestimmt
bei gleichzeitigem Verzicht auf Schwarz auszeichnet. Be-                  wird« (Zuschlag 1997, S. 172). Das großformatige Gemälde
nannt ist der Zyklus nach dem Ort in der Nähe von Paris, in               in Mischtechnik auf Leinwand von 1992 (Schwarz von Blau
dem Claude Monet seinen berühmten Garten anlegte.                         umrandet, Abb. 34 / S. 38, Firmenich/Merkert 9/68) sowie die
                                                                     24
sechs Gouachen aus den 1980er- und 1990er-Jahren (Abb.                   Literatur
35 - 40 / S. 41 - 46) belegen darüber hinaus, dass Fred Thieler
mit Vorliebe die Farben Blau und Rot im Kontrast mit Schwarz             Donata Bretschneider (Hg.), Tendenzen der abstrakten Kunst nach
und Weiß verwendete.                                                     1945. Die Sammlung Kraft Bretschneider in der Stiftung Kunst und
                                                                         Recht, Tübingen, Heidelberg 2003 (bearb. von Christoph Zuschlag).
Damit zu dem ebenfalls 1999 verstorbenen Hagener Maler                   Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung (Hg.), Faszination Farbe. Abstrakte
Emil Schumacher. Die wichtigsten Elemente seiner Kunst wa-               Malerei. Die Sammlung Reinhard Ernst, München 2019 (bearb. von
ren nach eigener Aussage Form, Linie, Farbe, Materie, Zer-               Christoph Zuschlag und Kirsten Maria Limberg).
störung, Raum und Natur. Die Werke in diesem Katalog, Ra-
dierungen aus den späten 1950er- und den 1960er-Jahren,                  K. O. Götz, Erinnerungen und Werk, Band 1a, Düsseldorf 1983.
führen zurück in die Frühphase des Informel. Die vier Blätter
aus dem Mappenwerk Poesie in Schwarz-Weiß (Abb. 22 - 25                  Bernd Hakenjos/Edgar Quadt (Hg.), K. O. Götz. Seitensprünge. Ke-
                                                                         ramik 1995–2001, Essen/München 2001.
/ S. 30) entstanden 1959, nur ein Jahr, nachdem der Künstler
auf Anraten seiner damaligen Heidelberger Galeristen Maria               Michael Klant/Christoph Zuschlag (Hg.), Emil Schumacher im Ge-
und Wolfgang Rothe begonnen hatte, sich mit der Tiefdruck-               spräch. »Der Erde näher als den Sternen«, Stuttgart 1992.
technik der Radierung zu beschäftigen. Diese sollte er zeit-
lebens bevorzugen, weil er den Widerstand, den das Mate-                 dies. (Hg.), Karl Otto Götz im Gespräch. »Abstrakt ist schöner!«,
rial der arbeitenden Hand entgegensetzt, schätzte. Bisweilen             Stuttgart 1994.
traktierte Schumacher die Kupferplatten regelrecht, schnitt in
sie hinein, stauchte und durchlöcherte sie.                              dies. (Hg.), Bernard Schultze. Pictor Poeta. Gedichte und Zeich-
                                                                         nungen 1990–1995, Stuttgart 1995.
Von dem französischen Künstler Jean Miotte (1926–2016) ist               Evelyn Weiss (Hg.), Bernard Schultze. Das große Format, München
unter anderem das Bild L’Esprit du Zen (Abb. 32 / S. 34) aus den         1994.
1980er-Jahren sowie eine Folge von Lithographien aus einem
Mappenwerk von 1994 (Abb. 28 - 31 / S. 33) abgebildet. Der               Christoph Zuschlag, K. O. Götz, in: Tayfun Belgin (Hg.), Kunst des In-
Werktitel L’Esprit du Zen verdeutlicht, dass einige Künstlerinnen        formel. Malerei und Skulptur nach 1952, Ausstellungskatalog Dort-
und Künstler des Informel von der ostasiatischen Philosophie,            mund/Emden/Linz, Köln 1997, S. 102f.
insbesondere vom Zen-Buddhismus beeinflusst waren (ich er-
                                                                         ders., Fred Thieler, in: Tayfun Belgin (Hg.), Kunst des Informel. Ma-
innere an den Namen der Münchner Künstlergruppe ZEN 49).
                                                                         lerei und Skulptur nach 1952, Ausstellungskatalog Dortmund/Em-
                                                                         den/Linz, Köln 1997, S. 172f.
Jaroslav Serpan (1922–1976) nahm 1947 seinen Wohnsitz in
Paris. Als Künstler war er Autodidakt – und zwar ein sehr er-            ders., Das Aufbrechen der Materie. Zerstörung als bildnerisches
folgreicher. Er nahm nicht nur 1951 an Michel Tapiés Ausstel-            Prinzip im Werk Emil Schumachers, in: Hans Gercke/Peter Anselm
lung Signifiants de l’Informel in Paris teil, sondern auch 1957          Riedl/Christoph Zuschlag (Hg.), Emil Schumacher. Letzte Bilder
an der ersten deutschen Museumsausstellung zum Informel                  1997–1999, Ausstellungskatalog Heidelberg, Köln 2000, S. 16–22.
Lebendige Farbe – Couleur vivante im Museum Wiesbaden
und 1959 an der II. documenta in Kassel. Sein hier präsentier-           ders., Zur Kunst des Informel, in: Hans-Jürgen Schwalm/Ellen
                                                                         Schwinzer/Dirk Stei-mann (Hg.), Informel. Zeichnung – Plastik – Ma-
tes Werk mit dem rätselhaften Titel CLK 53 (Abb. 21 / S. 29)
                                                                         lerei, Ausstellungskatalog Recklinghausen/Witten/Hamm, Bönen
entstand 1966 und zeigt eine Komposition in Weiß und Blau mit            2010, S. 9–17 & S. 161–165.
einem violettfarbenen Kreis auf schwarzem Karton.
                                                                         ders., Künstlergruppen nach 1945 in Deutschland, in: Ferdinand
Schließlich der 1929 in Madrid geborene und heute noch                   Ullrich/Hans-Jürgen Schwalm (Hg.), Junger Westen. Auf dem Weg
dort und in Paris arbeitende Künstler Luis Feito, der als einer          zur Avantgarde, Ausstellungskatalog Recklinghausen, Dortmund
der wichtigen Protagonisten der spanischen Nachkriegskunst               2017, S. 50–55.
gilt. Durch sein Studium in Paris in den 1950er-Jahren fand
                                                                         ders./Hans Gercke/Annette Frese (Hg.): Brennpunkt Informel.
Feito Anschluss an die europäische Kunstszene. 1957 war
                                                                         Quellen – Strömungen – Reaktionen, Ausstellungskatalog Heidel-
er Mitbegründer der Künstlergruppe El Paso in Madrid. Fei-               berg 1998/99, Köln 1998.
to stellte 1959 auf der II. documenta und insgesamt viermal
auf der Biennale in Venedig aus. Seit Ende der 1990er-Jahre              Zitierte Werkverzeichnisse
dominiert in Feitos Werken ein starker Schwarz-Rot-Kontrast.
Ein solcher zeichnet auch das titellose Werk von 2017 aus,               Stephan Diederich/Barbara Hermann, Bernard Schultze. Verzeich-
gemalt mit Acrylfarben auf Büttenpapier und aufgezogen                   nis der Werke, Bd. 3: 1990–2005, Köln 2015.
auf Leinwand (Abb. 20 / S. 27). Es ist dies das jüngste Werk
in diesem Katalog, der somit chronologisch mit einer regel-              Andrea Firmenich/Jörn Merkert (Hg.) Fred Thieler. Monographie
                                                                         und Werkverzeichnis, Bilder von 1942–1993, Köln 1995.
rechten Farbexplosion in kräftigem Rot und Schwarz endet.
                                                                         Manfred Hügelow (Hg.), Karl Otto Götz. Werkverzeichnis der Origi-
Der Katalog gewährt einen facettenreichen Einblick in das                nallithographien 1946–1994, Offenbach 1994.
vielfältige Spektrum der informellen Kunst und damit in ei-
nes der, wie ich meine, spannendsten Kapitel der Kunstge-                Manfred Hügelow (Hg.), Karl Otto Götz. Werkverzeichnis der Ori-
schichte nach 1945. Und so gilt auch für diese Ausstellung,              ginallithographien 1994–1995, Ergänzungsband, Offenbach 1995.
was Doris Schmidt 1952 über die Frankfurter Quadriga ge-
schrieben hat: »Jedenfalls sollte man an dieser Ausstellung              Ina Ströher, K. O. Götz. Werkverzeichnis, Band 2: 1980–2012, Köln
                                                                         2014.
nicht vorbeigehen.«
                                                                    25
26
Luis Feito López

20. Luis Feito López ohne Titel 2015, Acryl auf Bütten, auf Leinwand aufgezogen, 63 x 91 cm

                                                                     27
Jaroslav Serpan

28
21. Jaroslav Serpan CLK 53 1966, Mischtechnik auf schwarzem Karton, 55 x 40 cm

                                                         29
Emil Schumacher

22-25. Emil Schumacher Blatt 01 - 04 aus dem Mappenwerk Poesie in Schwarz - Weiß
1959, Kaltnadelradierung, 47,5 x 35,5 cm, Exemplar 14 / 40

                                                              30
26. Emil Schumacher ohne Titel , 1964, Aquatinta mit Prägung auf Büttenkarton
39 x 27 cm, Exemplar 11 / 100

                                       31
27. Emil Schumacher aus dem Mappenwerk Schein und Gegenschein
1969, Aquatinta mit Prägungen auf Büttenkarton, 39 x 27 cm
Exemplar 4 / 100

                                 32
Jean Miotte

              28-31. Jean Miotte aus dem Mappenwerk Kenneth White - RIVAGES D´OCCIDENT
              1994, Lithografien auf Büttenkarton, 52 x 33 cm, Exemplar 95 / 100

                                                   33
32. Jean Miotte L´Esprit du Zen 1980 / 85, Acryl auf Leinwand, 80 x 60 cm

                                                         34
33. Jean Miotte Multiple ohne Titel 1980 / 85, Acryl collagiert mit Jute auf schwarzer Leinwand, 78 x 56 cm
Exemplar 72 / 99

                                                          35
Die Forschungsstelle Informelle
Kunst am Kunsthistorischen
Institut der Universität Bonn
Anne-Kathrin Hinz

Im Juni 2019 wurde am Kunsthistorischen Institut der Universi-         Anzeiger vom 09.04.2010). Diesem »Imageproblem« möchte
tät Bonn die Forschungsstelle Informelle Kunst unter der Lei-          die Forschungsstelle Informelle Kunst mit ihren Zielen und Pro-
tung von Prof. Dr. Christoph Zuschlag gegründet, mit dem               jekten von Seiten der Kunstwissenschaft entgegenwirken.
Ziel, die in den letzten Jahren eher spärlichen Forschungen
zur informellen Kunst zu intensivieren und insbesondere auch           Mit Bonn ist für die Forschungsstelle ein geradezu idealer
den akademischen Nachwuchs einzubinden und zu fördern.                 Standort gewählt, um die Forschung und Lehre zum Informel
Dabei soll das Informel in all seinen unterschiedlichen Facet-         zu intensivieren: Das Kunsthistorische Institut der Universität
ten in Deutschland, Europa, Japan und in den USA unter-                Bonn verfügt über eine lange Tradition; hier wurde 1860 der
sucht, mithin eine globale und transnationale Perspektive              erste Lehrstuhl für Kunstgeschichte in Deutschland eingerich-
eingenommen werden. Bislang nicht oder wenig beachte-                  tet. National wie auch international genießt das Institut ein
te Aspekte, wie etwa die Bedeutung der Künstlerinnen oder              hohes Renommee und verfügt über eine der bestausgestat-
auch das Informel in der DDR, sollen in den Blick genommen,            teten kunsthistorischen Fachbibliotheken im deutschsprachi-
zugleich eingefahrene kunsthistorische Narrative, etwa die             gen Raum. Unter den Lehrenden findet sich der Name Edu-
Konnotation Informel = Kunst der Freiheit, kritisch hinterfragt        ard Trier, der 1974 in einer Vorlesung zur Bildhauerei im 20.
werden.                                                                Jahrhundert den Begriff »informelle Plastik« eingeführt hatte.
                                                                       Nur wenige hundert Meter vom Institut entfernt befindet sich
Das Informel war die zentrale künstlerische Innovation in der          das LVR-LandesMuseum Bonn, in welchem die Kunststiftung
Kunst der 1950er-Jahre, die wirkungsgeschichtlich bis in die           Hann Trier, Bruder Eduard Triers, angesiedelt ist. Sie verwahrt
Gegenwart von großer Bedeutung ist. Dabei bezeichnet der               den künstlerischen Nachlass Hann Triers. Vor dem Gebäude
Begriff Informel keinen Stil, sondern charakterisiert eher eine        steht eine Großplastik von Norbert Kricke. Das LandesMuse-
künstlerische Haltung (vgl. hierzu den Beitrag von Christoph           um wie auch das Kunstmuseum Bonn besitzen repräsentative
Zuschlag in diesem Katalog). In der Malerei repräsentieren             Werke des Informel. Ab 1972 engagierte sich die Galerie Hen-
u. a. Peter Brüning, Karl Fred Dahmen, K. O. Götz, Bernard             nemann (damals nur wenige Meter vom Kunsthistorischen
Schultze, Emil Schumacher, Fred Thieler und Hann Trier, im             Institut am Bonner Kaiserplatz entfernt) über Jahrzehnte für
Bereich der Plastik Emil Cimiotti, Otto Herbert Hajek und Nor-         die Vermittlung des Informel, unterstützt von dem Kurator und
bert Kricke zentrale künstlerische Positionen der deutschen            Autor Manfred de la Motte. Das Rheinische Archiv für Künst-
informellen Kunst. Viele der nachfolgenden Strömungen be-              lernachlässe in Bonn bietet reichlich Forschungsmaterial, es
zogen sich auf die eine oder andere Weise auf das Informel,            verwahrt unter anderem die Nachlässe des Bildhauers Friede-
indem sie daran anknüpften, wie z. B. Gerhard Richter, oder            rich Werthmann und der Malerin Marie-Louise von Rogister.
sich bewusst davon abgrenzten, wie z. B. Konrad Klapheck.
Umso mehr erstaunt es, dass es bislang kein Forschungszent-            Ohnehin war das Rheinland ein wichtiges Zentrum des Infor-
rum für diesen Bereich gab und er in der universitären Lehre           mel: An der Düsseldorfer Akademie lehrten K. O. Götz, Ger-
kaum vorkommt. Man kann Georg Imdahl daher nur zustim-                 hard Hoehme sowie Peter Brüning. Der Kunstpalast verfügt
men, wenn er feststellt, dass es um den Ruf des Informel bes-          mit der Sammlung Ingrid und Willi Kemp über eine bedeu-
ser bestellt sein könnte: »Der Kunstbetrieb hat so etwas wie           tende Privatsammlung informeller Kunst. In Köln lebte über
eine Hassliebe zu dieser Malerei entwickelt, die das entleerte         viele Jahrzehnte Bernard Schultze, das Museum Ludwig be-
Etikett ›nach 1945‹ wie einen Reflex nach sich zieht und ih-           herbergt ei¬nen Großteil seines künst-lerischen Nachlasses.
rerseits daran klebt. So verkörpert das Informel Aufbruch und          Auf Schloss Alfter bei Bonn gründete sich bereits 1947 um den
Befreiung ebenso wie eine akademische Erstarrung, steht                Künstler Hubert Berke die Donnerstag-Gesellschaft, die erste
für die Autonomie nicht minder wie für das Biedermeier des             Ausstellungen abstrakter Kunst in der unmittelbaren Nach-
Wirtschaftswunders, für Nierentisch und Tapete. Auch dem               kriegszeit realisierte. Wichtige Galerien wie die Galerie 22
Vorwurf der Geschichtsflucht sieht es sich regelmäßig aus-             in Düsseldorf und die Galerie Der Spiegel in Köln waren im
gesetzt, zudem gilt es auch noch als Stiefkind des New Yor-            Rheinland angesiedelt, ihre Nachlässe befinden sich zum Teil
ker Abstrakten Expressionismus, den de Kooning, Pollock und            im Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels (ZADIK) in
Co. hervorgebracht hatten« (Georg Imdahl im Kölner Stadt-              Köln, das daher reiches Quellenmaterial bereithält.

                                                                  36
Die Forschungsstelle Informelle Kunst kooperiert eng mit Kolle-
ginnen und Kollegen in Universitäten, Museen und im Kunsthan-
del sowie mit Privatsammlungen. Begleitet wird sie von einem
ehrenamtlich agierenden Beirat, dem Dr. Renate Goldmann
(VAN HAM Art Estate), Dr. Dieter Groll (Köln), Ina Hesselmann
(Stiftung Informelle Kunst, Darmstadt), Kay Heymer (Kunstpa-
last, Düsseldorf), Prof. Dr. Sigrid Hofer (Universität Marburg), Hans
Maulberger (Galerist in München) und Dr. Gabriele Uelsberg
(Direktorin des LVR-LandesMuseum Bonn a. D.) angehören.

Für Forscher und Forscherinnen aus dem In- und Ausland soll
die Forschungsstelle in den kommenden Jahren zu einer fes-
ten Anlaufstelle werden. Seltene Publikationen wie Kataloge
mit Originalgrafik und bibliophile Werke sowie Foto- und Video-
material werden hier gesammelt und zur Verfügung gestellt.
Auch die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist
ein zentrales Anliegen: Bereits im Gründungsjahr konnten zwei
dreijährige Promotionsstipendien zum Thema Informel, geför-
dert durch die Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung und die MKM-
Stiftung, an Dominik Eckel und Alexander Leinemann verliehen
werden, deren Forschungsprojekte sich mit dem Informel aus
jeweils unterschiedlicher transnationaler Perspektive befassen.
Die Veranstaltung von Workshops, wie im Februar 2020 das »1.
Forschungskolloquium Informelle Kunst« für Doktorandinnen
und Doktoranden, sowie Tagungen, wie die für 2021 geplante
internationale Tagung »Kunst des Informel – Bilanz und Perspek-
tiven der Forschung«, die Pflege nationaler wie internationaler
Kooperationen sowie die Anregung und Durchführung von
Sonderausstellungen in Zusammenarbeit mit Museen und an-
deren Partnern sind integraler Bestandteil der Forschungsstelle.
Seit Gründung wird am Aufbau einer Studien- und Lehrsamm-
lung gearbeitet, um Studierenden das Studium am Original
zu ermöglichen. K. O. Götz, Heinz Kreutz, Gerhard Hoehme,
Bernard Schultze, Emil Schumacher, K. R. H. Sonderborg,
Friederich Werthmann, Wilhelm Wessel und Irmgard
Wessel-Zumloh sind bereits mit Druckgrafiken und Zeich-
nungen in der Sammlung vertreten. Eine eigene Schriften-
reihe wird ab dem kommenden Jahr die Projekte der For-
schungsstelle dokumentieren und zunächst die Ergebnisse
des Forschungskolloquiums veröffentlichen. Ein besonde-
res Projekt ist zudem die vollständige Übersetzung wichtiger
fremdsprachiger Quellentexte zum Informel. So sollen unter
anderem Michel Tapiés Un art autre (1952) und Jean Paul-
hans L’art informel (1962) erstmals in vollständiger Überset-
zung einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden.

                                                                        37
38
34. Fred Thieler
     Schwarz von Blau umrandet
     Mischtechnik auf Leinwand
             150 x 200 cm, 1992
       Firmenich / Merkert 9 / 68
39
Fred Thieler

               40
35. Fred Thieler ohne Titel 1984, Mischtechnik auf Karton, 72 x 63 cm

                                                        41
36. Fred Thieler ohne Titel 1997, Mischtechnik auf Karton, 75 x 108 cm

                                                                  42
37. Fred Thieler ohne Titel 1995, Mischtechnik auf Karton, 75 x 108 cm

                                                                         43
38. Fred Thieler ohne Titel 1991, Mischtechnik auf Karton, 108 x 75 cm

                                                          44
39. Fred Thieler ohne Titel 1989, Mischtechnik auf Karton, 108 x 75 cm

                                                     45
40. Fred Thieler ohne Titel 1991, Mischtechnik auf Karton, 108 x 75 cm

                                                  46
v.l.n.r. Prof. Dr. Christoph Zuschlag, Jenny Geißler und Bernd Bentler

                                                         47
Friedrichstraße 55
                               53111 Bonn
                               Fon: +49 228 96119195
                               berndbentler@berndbentler.de
                               www.berndbentler.de

                  Informel
       Das Prinzip der Formlosigkeit
        09. Oktober - 11. November 2020

                  ISBN: 978-3-00-067142-5
                    Printed in Germany
                         Bonn 2020

Texte: Anne-Kathrin Hinz, Bernd Bentler, Prof. Dr. Christoph Zuschlag
        Konzept: Jenny Geißler • Produktion: Edition Wasser
          Gestaltung, Layout und Fotos: Jasmin Metzen
GALERIE BENTLER
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