Künstlerisches Einkommen - Blick in andere Länder - BBK Bundesverband
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Bundesverband Nr. 3/2021 Bildender Künstlerinnen und Künstler e. V. 3,25 € Einkommen Blick in andere Länder Künstlerisches
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Künstlerisches Einkommen – Reform statt Stillstand Blick in andere Länder Wenn Sie diese Ausgabe von kultur politik in Händen halten, ist die Bundestagswahl vorüber, und es ist 5 Aussstellungsvergütung im internationalen Kontext entschieden, welche Koalitionskonstellationen überhaupt Doris Granz möglich sein können. Wird nun einem Reformschub die 6 Ausstellungsvergütung in Europa: Modelle, Initiativen Tür geöffnet? Wir hoffen jedenfalls darauf, dass solche und Austausch Perspektiven real werden, die ganz klar auch Kunst und Thomas Weis Kultur, die Interessen von Künstler:innen in den Blick 8 pay the artist now! Für bessere Arbeitsbedingungen im nehmen. Die zentralen Stichworte für uns, den Berufsver- Kulturbereich Österreichs band für Bildende Künstler:innen, sind Ausstellungs- Petra Poelzl vergütung, soziale Sicherung, Kunstfreiheit. Wenn es also 9 Künstler:innenhonorare in der Schweiz etwas durch die Corona-Krise zu lernen gab, dann, dass Regine Helbling nicht Stillstand, sondern mutige Reform zur Lösung 10 Schweden: Allgemeine Geschäftsgrundsätze auch für anstehender Zukunftsfragen angesagt ist. Ausstellungen gültig Katarina Renman Claesson Dagmar Schmidt 13 Das niederländische Modell für die Ausstellungs- vergütung von Künstler:innen de Jong, Kapnissi, Schönbeck 14 Kanada: CARFAC Mindesthonorarempfehlungen BBK-Newsletter April Britski monatlich aktuelle Informationen und Termine jetzt kostenlos abonnieren Aktuelle Informationen www.bbk-bundesverband.de 16 Nachrufe: Annemarie Helmer-Heichele Prof. Klaus Nerlich 17 ProKunsT BBK-Symposion am 29. Oktober 2021 ProKunsT6: Digitales Handbuch Bildende Kunst 18 NEUSTART für Bildende Künstler:innen Kunstprojekt »Einflugschneise BER« Kunstprojekt »Sieben Schläfer« Valeska Hageney 20 Wir können Kunst Projekt des Quartals: Farbklangmobil Nächste Ausschreibung ab 1. Oktober 2021 Christine Schofft 21 Reform des Verteilungsplans der VG Bild-Kunst ver.di-Umfrage: Wer schafft wann und wo Kultur? Hochwasser in NRW und Rheinland-Pfalz, Petra Gieler Kulturplatte: Der BBK zieht wieder um. 22 Ausstellungen der BBK-Verbände Cover: Atelier Nader Hamzeh, Künstlerhaus Vorwerkstift, Hamburg, 30 Ausschreibungen und Stipendien Gefördert von … und in der nächsten kultur politik? Foto: Paula Markert … stellen wir ProKunsT6, die neue Auflage des Handbuchs Bildende Kunst vor und informieren über die Ergebnisse der 15. Bundesdelegiertenversammlung des BBK Bundesverbands. 3
Künstlerisches Einkommen Blick in andere Länder Nader Hamzeh Berufsbezeichnung: Freier Künstler Studium: University Faculty of Fine Arts,Damascus, Syria und Burg Giebichenstein University of Art and Design, Halle(Saale) Arbeits- bzw. Wohnort: Hamburg naderhamzeh.epizy.com Nader Hamzeh, Künstlerhaus Vorwerkstift, Hamburg, Foto: Paula Markert 4
Ausstellungsvergütung im internationalen Kontext Doris Granz »Und sie bewegt sich doch!« – Lange Zeit schien es hierzulande Ausgewählte Details der internationalen Erfahrungen lassen in Sachen Ausstellungsvergütung nicht voranzugehen. Die Bemü- sich in diesem Heft studieren. Dabei zeigt sich, dass eine inter- hungen der Künstler:innenverbände und der aufgeschlossenen nationale Vernetzung der Künstler:innenverbände wichtig ist Politiker:innen schienen in den Bedenken und Gegenargumenten und gegenseitige Inspiration und Ermutigung hervorbringen der politischen Mehrheit stecken geblieben zu sein. Aber jetzt tut kann. So war das Schwedische Modell ein Vorbild für die 2012 sich etwas. Gegenwärtig scheint ein Umdenken einzusetzen. Wo- erschienene Richtlinie zur Ausstellungsvergütung des Landes- raus speist sich diese Hoffnung auf ein allgemeines Umdenken? verbandes Bildende Kunst Sachsen – aus der dann 2014 die Einmal ist da die offensichtliche Notlage der Künstler:innen, erste Leitlinie Ausstellungsvergütung des BBK Bundesverban- die in der Politik etwas in Bewegung setzt. Außerdem zeigen die des hervorgegangen ist. Erfahrungen mit regionalen Modellen zur Ausstellungsvergütung Einer der Akteure dieser Vernetzung ist die Internationale Wirkung und strahlen aus. Und die beispielhaften Impulse aus Gesellschaft der Bildenden Künste (IGBK). Ein Artikel von Thomas dem Ausland, die in dieser Ausgabe von kultur politik im Mittel- Weis, dem IGBK-Geschäftsführer, thematisiert diese Arbeit. punkt stehen, zeigen allen, die es sehen wollen, dass das Ziel Aber auch auf nationaler Ebene können Anliegen gemein- einer Ausstellungsvergütung ganz und gar nicht utopisch ist. sam besser vorangebracht werden. Das war der Grund dafür, Seit inzwischen 50 Jahren setzt sich der BBK Bundesverband dass sich 2016 die Initiative Ausstellungsvergütung (IA) gegrün- für die Einführung einer gesetzlich verankerten Ausstellungsver- det hatte. In der Initiative setzen sich bundesweit agierende gütung ein. Es gibt in Deutschland vereinzelt regionale Modelle, Künstler:innenverbände, darunter der BBK Bundesverband, für die sich jedoch stark voneinander unterscheiden. Zum großen eine faire Vergütung künstlerischer Leistung in der Bildenden Wurf hatte es bisher leider nicht gereicht. Im Deutschen Bundes- Kunst ein. tag fand sich zu verschiedenen Zeiten aus unterschiedlichsten Mit der Kampagne »#paytheartist« zeigt die IA, wie aktuell Gründen keine Mehrheit für eine verbindliche Regelung. und dringlich die Forderungen sind. In einer digitalen Auftaktver- Die Beispiele aus dem Ausland zeigen, wie es gehen kann. anstaltung diskutierte die IA mit Vertreter:innen aus der Landes- Dabei sind die unterschiedlichen Modelle eine Reaktion auf die und Bundespolitik. Mit einer Briefaktion anlässlich der Bundes- spezifischen nationalen Gegebenheiten. tagswahl sollten Politiker:innen für das Thema sensibilisiert Zum einen finden sich befristete Modelle, die immer wieder werden. Künstler:innen haben einen Brief mit grundlegenden neu ausgehandelt und nachgebessert werden müssen. Zum Forderungen an ihre jeweiligen Wahlkreiskandidat:innen ge- anderen zeigt sich auch eine beneidenswerte Kontinuität und sandt und das direkte Gespräch gesucht. Die Forderungen der Selbstverständlichkeit, wie sie nur zu wünschen ist: Kanada IA sind: hatte schon 1988 den Anspruch auf Ausstellungsvergütung im • Verbindliche Festlegung von Ausstellungsvergütungen in Urheberrecht erstritten und verankert. Öffentlich geförderte Förderrichtlinien des Bundes, der Länder und Kommunen. Institutionen verlieren ihre Förderungen, wenn sie keine Aus- • Explizite Verankerung eines Anspruchs auf Ausstellungs- stellungsvergütung zahlen. vergütung im Urheberrechtsgesetz. Wie in Deutschland, so gab es in der Schweiz eine Umfrage zur •Finanzielle Sicherstellung von Ausstellungsvergütung für wirtschaftlichen Lage der Bildenden Künstler:innen. Die Umfrage Ausstellungen in öffentlich geführten bzw. geförderten offenbarte, dass 60 % der Kulturschaffenden ein Einkommen in Kunstorten durch eine Anpassung ihrer Budgets. der Höhe des Existenzminiums – oder gar weniger – zur Verfügung steht. Die aufgedeckte Notlage hat zu einem Umdenken in der Die künstlerischen Leistungen von Bildenden Künstler:innen Schweizer Politik geführt. Der Bund erhöhte die Kulturförderung müssen fair vergütet werden. Die Ausstellungsvergütung kann merklich. Zum ersten Mal wurde zudem offiziell festgehalten, ein wesentliches künstlerisches Einkommen sein. Im Mittelpunkt dass Künstler:innen angemessene Honorare zustehen und dass aller Bemühungen stehen die Künstler:innen und ihr Kunst- der Bund nur noch Projekte fördert, die solche bezahlen. schaffen. Schweden nahm mit der 2009 eingeführten Ausstellungs- und Mitwirkungsvergütung eine Vorreiterrolle ein. In Norwegen Diese Ausgabe der kultur politik wird in Cover und Titelthema von gibt es langjährige staatliche Stipendien zur Sicherung künstle- der Hamburger Fotografin Paula Markert begleitet. Ihre doku- rischer Aktivitäten. Diese Stipendien für professionelle Künst- mentarfotografischen Arbeiten zeigen Künstler:innen in ihrer ler:innen werden bis zu zehn Jahre lang gewährt. jeweiligen Arbeitssituation. 5
Thomas Weis Ausstellungsvergütung in Europa: Modelle, Initiativen und Austausch Eine faire Bezahlung von Künstler:innen ist in vielen europäischen handene Gerechtigkeitslücke aufmerksam gemacht werden. Ziel Ländern und für viele Künstlerorganisationen seit Jahren ein zen- der IAA Europe Mitglieder ist ein Austausch über verbindliche trales Thema. Kreative und öffentlichkeitswirksame Informations- Ausstellungsvergütungen sowie über kontinuierlich angepasste kampagnen setzen sich für eine Ausstellungsvergütung ein. Auf öffentliche Budgets, die die Einhaltung einer fairen Ausstellungs- regionaler und nationaler Ebene gibt es Empfehlungen, Honorar- vergütung möglich machen. beispiele und -rechner, aber auch bereits mehr oder weniger ver- Dass das Thema mittlerweile auf europäischer Ebene ange- bindliche Richtlinien. Um das gemeinsame Ziel einer fairen Vergü- kommen ist, zeigt auch der im Juli 2021 veröffentlichte »Voices Of tung künstlerischer Arbeit zu erreichen, braucht es beides: Culture Report« zum Thema Status and Working Conditions of konkrete Modelle und Initiativen vor Ort ebenso wie die Vernet- Artists and Cultural and Creative Professionals im Rahmen des zung und den Erfahrungsaustausch dazu auf europäischer Ebene. Strukturierten Dialogs der EU-Kommission mit 47 Organisationen In diesem Beitrag geht es um den aktuellen Stand der Netz- aus ganz Europa – darunter auch die IAA Europe. Ein Kapitel in werkarbeit auf europäischer Ebene, insbesondere mit Blick auf die diesem Bericht widmet sich u. a. dem Aspekt Fair Pay, der fairen Rolle der International Association of Art (IAA) Europe sowie um Bezahlung von Künstler:innen und Kreativen. Gefordert wird eine aktuell bemerkenswerte Initiativen zur Ausstellungsvergütung. Ausarbeitung von Richtlinien in Bezug auf alle Arten von künstle- rischen Dienstleistungen. Ein Appell geht an Fördereinrichtun- Gesamteuropäischer Austausch zur Ausstellungsvergütung gen, eine angemessene Vergütung und eine faire Behandlung von 2018 haben die Internationale Gesellschaft der Bildenden Küns- Kreativen von vornherein als Kriterium für die Bewertung von te (IGBK) und die International Association of Art (IAA) Europe, Finanzierungsanträgen in alle Förderprogramme auf nationaler ein Netzwerk von 40 Künstlerorganisationen, die gemeinsam die und EU-Ebene aufzunehmen. Interessen der Bildenden Künstler:innen in Europa vertreten, in Brüssel ein Symposium zum Thema Ausstellungsvergütung orga- Notwendig ist die Arbeit an einem nisiert (Exhibition Remuneration Right in Europe). Weitere Koope- rationspartner waren die VG Bild-Kunst und das Dach der für die gemeinsamen Verständnis von Begriffen, visuellen Künste zuständigen europäischen Verwertungsgesell- Regelungsvorschlägen und schaften, European Visual Artists. Es war der erste gesamteuro- Mindeststandards in Europa. päische Austausch zu bereits umgesetzten Vergütungs- und Gebührenmodellen sowie zu aktuell initiierten Kampagnen. Am 24. September 2021 – nach Redaktionsschluss dieser Aus- gabe von kultur politik – fand in Helsinki und per Zoom das Fair Um das gemeinsame Ziel einer Pay for Artists: Exhibition Payment Symposium der IAA Europe fairen Vergütung künstlerischer Arbeit statt. Das Symposium wurde gemeinsam organisiert von den IAA Nationalkomitees Artists’ Association of Finland und a-n The zu erreichen, braucht es konkrete Artists Information Company (Großbritannien). Referent:innen u. a. Modelle und Initiativen vor Ort sowie aus den USA, Großbritannien, den Niederlanden und Finnland tauschten sich über aktuelle Erfahrungen in Bezug auf vorhandene Vernetzung und Erfahrungsaustausch Ausstellungsvergütungsmodelle aus. Darüber hinaus wurden auf europäischer Ebene. Werkzeuge für die Kampagnenarbeit sowie aktuelle Erfahrungen Bildender Künstler:innen in Europa vor dem Hintergrund der Das Symposium zeigte, wie viele Künstler:innenverbände in Euro- Covid-19-Pandemie diskutiert. pa sich intensiv mit dem Thema Ausstellungsvergütung beschäf- tigen. Deutlich wurde aber auch, wie weit die meisten europäi- Verlässliche Kriterien sind notwendig schen Länder – trotz vorhandener Erfolgsmodelle – von einer Um einen europäischen Vergleich vornehmen zu können, wären angemessenen, fairen Vergütungspraxis und der Einführung von Kriterien hilfreich, die erkennen lassen, wofür (wenn überhaupt) Budgets für Vergütungen von Künstler:innen bei öffentlich geför- Ausstellungsvergütung bezahlt wird, was am besten funktioniert derten temporären Ausstellungen noch entfernt sind. Auf der und wie die einzelnen Länder bisher vorgehen. Hier ist noch viel Website der IGBK können eine Dokumentation sowie ein umfang- Arbeit zu leisten. Notwendig ist darüber hinaus, dass an einem reiches Handout heruntergeladen werden. Es beinhaltet zum gro- gemeinsamen Verständnis von Begriffen, Regelungsvorschlägen ßen Teil nach wie vor aktuelle Beiträge aus zwölf europäischen und Mindeststandards in Europa gearbeitet wird. Hilfreich könnte Ländern sowie aus den USA, Kanada und Australien. sein, sich an der bspw. in Schweden und Norwegen etablierten Unterscheidung zwischen Ausstellungsvergütung und Mitwir- Lobbyarbeit für faire Bezahlung von Künstler:innen kungsvergütung zu orientieren: Ausstellungsvergütung soll an 2019 entwickelte die IAA Europe eine Kampagne zur Ausstel- professionelle Künstler:innen für die Präsentation von Arbeiten lungsvergütung. Politik und Verwaltung auf EU- sowie nationaler aus ihrem eigenen Besitz in einer öffentlich (mit)finanzierten Aus- und regionaler Ebene sollen auf die in der Bildenden Kunst vor- stellung bezahlt werden, die nicht dem Verkauf dient. Die Mitwir- 6
kungsvergütung wiederum berücksichtigt die Dienstleistungen Ausstellungseinrichtungen mit dem Thema zu konfrontieren, von Kunstschaffenden für die Organisation der Ausstellung. sondern auch eine breitere kunstinteressierte Öffentlichkeit zu Hinsichtlich der Auszahlungsregeln ist ein Blick auf das nieder- sensibilisieren. Im Austausch mit Künstler:innen, Kunstorganisa- ländische temporäre Modell von Interesse, wo Ausstellungsein- tionen und Fördereinrichtungen wurden Leitlinien erstellt, um richtungen über den Mondriaan-Fonds eine Teilkompensation Künstler:innen sowie Ausstellungs- und Veranstaltungsorte in die (max. 50 %) der Künstler:innenhonorare beantragen können, aus Lage zu versetzen, gerechte Vergütungen zu berechnen, ihre Mitteln des u. a. für Kultur zuständigen Ministeriums. Die Summe Programme adäquat zu budgetieren und der Vielfalt der Arbeit richtet sich danach, wie viele der in einem Abkommen (dem mittler- Rechnung zu tragen, die professionelle Künstler:innen leisten. weile ein Großteil der niederländischen Ausstellungsinstitutionen Sehr hilfreiche Leitlinien und Honorarempfehlungen hat im beigetreten ist) festgelegten Vorgaben eingehalten werden. Wer vergangenen Jahr auch der finnische Künstler:innenverband keine Vergütungen zahlt, muss dies begründen. Dieses Pilotmodell Artists‘ Association of Finland für Bildende Künstler:innen und befindet sich derzeit in einer Umstrukturierung und wird hoffentlich Auftraggeber entwickelt. Die Leitlinien beziehen sich nicht nur in einer neuen Konstellation ab 2022 eine Fortsetzung finden. auf Ausstellungs- und Mitwirkungsvergütung, sondern decken auch weitere künstlerische Tätigkeiten, Beratungsleistungen, Unterm Strich kann man sagen, Vorträge, Lehrtätigkeiten und öffentliche Kunstaktivitäten ab. dass Deutschland – betrachtet man Fazit: Was können wir von anderen Ländern lernen? die Vereinbarungen und Regelungen Wo Künstler:innenverbände an der Umsetzung der Modelle zur in den skandinavischen Ländern – Ausstellungsvergütung beteiligt sind – wie das z. B. in den Nieder- landen oder in Schweden der Fall ist – bestehen gute Kontroll- großen Nachholbedarf hat. möglichkeiten, u. a. auch bei der Neuverhandlung von Honorar- sätzen oder bei Streitigkeiten. Auch bei regionalen Modellen Diskutiert werden muss auch, welche Rolle Künstler:innenver- gelingt es oft leichter, Regelverstöße zu erkennen und anzupran- bände und Verwertungsgesellschaften bei der Umsetzung und gern, vorausgesetzt die Künstler:innenszene ist entsprechend Kontrolle von Vergütungsmodellen und -abkommen sowie bei der gut vernetzt. Auszahlung der Honorare spielen sollen und welche Erfahrungen in den wenigen Ländern gemacht werden, wo sich entsprechende Das langfristige Ziel muss sein, Vereinbarungen direkt auf das Urheberrecht beziehen. Ein Bei- spiel hierfür ist Kanada, wo die Künstler:innenorgansiation den Anspruch auf Ausstellungs- CARFAC auf der Grundlage des Urheberrechts mit ihren Forde- vergütung im Urheberrecht rungen bis vor den Obersten Gerichtshof ging – mit Erfolg. zu verankern. Unterm Strich kann man sagen, dass Deutschland – betrach- tet man die Vereinbarungen und Regelungen in den skandinavi- Allerdings gibt es bei sog. »soft laws« (z. B. dem MU Agreement in schen Ländern – großen Nachholbedarf hat, wenngleich sich z. B. Schweden) immer wieder Klagen über Ungleichheiten, schlechte das seit 2016 umgesetzte Berliner Modell sowie die vom BBK Vergütung und mangelnde Transparenz. Modelle beruhen selbst herausgegebene »Leitlinie Ausstellungsvergütung 2021« auch für öffentlich geförderte Museen und Galerien immer noch auf internationaler Aufmerksamkeit erfreuen. Freiwilligkeit. Die staatliche Förderung wird nicht in vollem Um- fang (den Vereinbarungen entsprechend) erhöht. Daher muss Beispiele aus Großbritannien, Irland und Finnland das langfristige Ziel sein, den Anspruch auf Ausstellungsver- Vor dem Hintergrund, dass in Großbritannien 71 % der Künstler:in- gütung im Urheberrecht zu verankern, so, wie das auch schwedi- nen kein Honorar für ihre Beiträge in öffentlich finanzierten Aus- sche und norwegische Künstler:innenorganisationen fordern. stellungen erhalten und 63 % der Künstler:innen laut eigener Aus- Empfehlenswert ist außerdem, die öffentlichen Mittel für die Aus- sage bereits Ausstellungsangebote von öffentlich finanzierten stellungsvergütung nicht direkt an die Ausstellungsinstitutionen Galerien ablehnen mussten, weil sie es sich nicht leisten konnten, zu geben, sondern diese z. B. über die nationale Verwertungsge- umsonst zu arbeiten, startete die Britische Organisation sellschaft oder einen öffentlichen Kulturfonds zu administrieren. a-n The Artists Information Company 2014 ihre Paying Artists Das Ziel dabei ist, mehr Transparenz zu schaffen und die Einhal- Campaign. tung der Vereinbarungen verbindlicher zu machen. Paying Artists zielt darauf ab, die Bezahlung von Künstler:in- nen zu sichern, die in öffentlich finanzierten Institutionen ausstel- len. Aus allen Teilen des Sektors gab es große Unterstützung und die Bereitschaft, an der Umsetzung von Leitlinien mitzuwirken, die dann 2016 gemeinsam mit der Künstler:innen-Beratungsein- richtung AIR veröffentlicht wurden. Der Exhibition Payment Guide bietet Handlungsanleitungen für Künstler:innen und Einrichtun- gen, die ein breites Spektrum von Ausstellungsszenarien abde- cken. 2018 wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die die Aufgabe hat, dem Leitfaden bis 2022 möglichst große Akzeptanz zu ver- Thomas Weis ist Geschäftsführer der schaffen und ihn weiterzuentwickeln. Internationalen Gesellschaft der Bildenden Künste (IGBK). In die gleiche Richtung geht die Arbeit der Künstler:innenver- www.igbk.de tretung Visual Artists Ireland, der es ebenfalls gelingt, nicht nur 7
Petra Poelzl pay the artist now! Für bessere Arbeitsbedingungen im Kulturbereich Österreichs »You are an artist and that means: you don’t do it for the money. Just am selben Wochenende wurde publik, dass die Entwicklung That is what some people think. It is a great excuse not to pay you einer Fair-Pay-Strategie für Österreich, initiiert von Kunst- und for all the things you do«, inszeniert die Künstlerin Ina Wudtke Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer, auf den Weg gebracht den von Dieter Lesage verfassten Text in der Videoarbeit wurde. Seit November 2020 kommen Vertreter:innen der Kunst- »A Portrait of the Artist as a Worker (rmx.)« (2006). Auch gegen- und Kultursektion des Bundes mit zehn geladenen Interessenver- wärtig haben der Text und dessen Inszenierung nur wenig an tretungen bzw. Vertreter:innen aus den Bundesländern regelmäßig Aktualität eingebüßt. Aber hier und da tut sich etwas, auch in im Forum Fairness bzw. in der Arbeitsgruppe Fairness zusammen, Österreich. Die aktuelle Regierung hat das Thema faire Bezah- um über Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation der lung in Kunst und Kultur erstmals in ihrem Regierungsprogramm freischaffenden Künstler:innen sowie Kulturarbeiter:innen zu verankert. beraten. Tiroler Künstler:innenschaft und IG Bildende Kunst Das oft von Kritiker:innen Die Tiroler Künstler:innenschaft (Bereich: Interessenvertretung) und die IG Bildende Kunst machen sich seit vielen Jahren für eine angeführte Argument, Künstler:innen angemessene Bezahlung künstlerischer Arbeit stark. In den Aus- könnten ihre Kunstwerke nach stellungshäusern Kunstpavillon und Neue Galerie Innsbruck wer- Ausstellungen verkaufen, perpetuiert den seit 2020 explizit Ausstellungshonorare an ausstellende Künstler:innen ausbezahlt – allerdings zulasten der Produktions- einen Werkbegriff, der antiquiert budgets, eine adäquate Anpassung der Fördergelder blieb bis und in vielen Fällen auch nicht mehr dato aus. Bereits seit 2011 arbeitet die IG Bildende Kunst am Schwerpunkt »Über Geld reden« und setzt sich seit 2016 mit zutreffend ist. »pay the artist now!« für die Verankerung von angemessenen Als erstes Ergebnis – und einer langjährigen Forderung der Inter- Honoraren ein. Im November 2018 initiierte und organisierte sie essenvertretungen folgend – wird derzeit eine systematische Er- ein Vernetzungstreffen, an welchem Vertreter:innen österreichi- hebung des Fair-Pay-Gap durchgeführt. Ziel ist es, die Differenz scher Künstler:innenvereinigungen in Wien zusammenkamen, um zwischen den tatsächlich bezahlten Honoraren bzw. Gehältern sich über den Status Quo sowie mögliche Lösungsschritte aus- und den von Interessenvertretungen empfohlenen Mindeststan- zutauschen. »Gemeinsames Ziel ist, dass Künstler:innen in dards zu erheben. Österreich für geleistete Arbeit auch angemessen bezahlt wer- den! Das oft von Kritiker:innen angeführte Argument, Künstler:in- Leitfaden und Honorarempfehlung nen könnten ihre Kunstwerke nach Ausstellungen verkaufen, per- Seit Dezember 2020 kamen Sheri Avraham, Jannik Franzen petuiert einen Werkbegriff, der antiquiert und in vielen Fällen (bis April 2021), Vasilena Gankovska und Daniela Koweindl für die auch nicht mehr zutreffend ist«, schreibt Michael Strasser (Vor- IG Bildende Kunst sowie Petra Poelzl und Michael Strasser für die standsmitglied, Tiroler Künstler:innenschaft) im Anschluss an Tiroler Künstler:innenschaft (Bereich: Interessenvertretung) das Treffen in der Bildpunkt, der Zeitschrift der IG Bildende Kunst. wöchentlich zusammen, um – auf Basis der Resultate der oben genannten Vernetzungstreffen in Wien und Innsbruck – Empfeh- Panel-Diskussion und Vernetzungstreffen in Innsbruck lungen und Kalkulationshilfen für faire Bezahlung in der Kunst- In einer Kollaboration zwischen der IG Bildende Kunst, der Tiroler und Kulturarbeit auszuformulieren. Veröffentlicht wurden ein Leit- Künstler:innenschaft (Bereich: Interessenvertretung) und der faden, ein Honorarspiegel sowie ergänzende FAQ, welche als battlegroup for art (ein Netzwerk von Interessenvertretungen, Grundlage und Hilfestellung für die systematische Erhebung des Plattformen und Zusammenschlüssen im Bereich zeitgenössi- Fair-Pay-Gaps sowie als Ausgangspunkt für weitere Gespräche sche Kunst und Kultur in Innsbruck) wurde vom 16. bis 19. Oktober mit Fördergeber:innen dienen sollen. Die Devise bleibt: »pay the 2020 an das Treffen in Wien angeknüpft und der viertägige artist now!« Themenschwerpunkt »Fair Pay in Kunst und Kultur« in Innsbruck umgesetzt. Den Auftakt machte eine Panel-Diskussion, in welcher erste Überlegungen zu fairer Bezahlung im Programm der öster- reichischen Bundesregierung sowie Best-Practice-Beispiele präsentiert und diskutiert wurden. Anschließend kamen Künst- ler:innen sowie Vertreter:innen von Off-Spaces, Kunstvereinen, Petra Poelzl ist künstlerische Leitung und Kunsthallen und Künstler:innenvereinigungen im digitalen bzw. Geschäftsleitung der Tiroler Künstler:innenschaft physischen Raum zusammen. Das Kulturministerium des Bundes, (Bereiche: Kunstpavillon, Neue Galerie Innsbruck, die Stadt Innsbruck und die Bildrecht haben das Wochenende Interessenvertretung). finanziell unterstützt. www.kuenstlerschaft.at 8
Regine Helbling Künstler:innenhonorare in der Schweiz Künstler:innen leben in prekären finanziellen Verhältnissen. Die sationen Empfehlungen zu ihrer Handhabung abzugeben. Nach Corona-Pandemie hat diese Tatsache in der Schweiz einer breite- einigem Insistieren werden seit Kurzem auch die entsprechenden ren Bevölkerung und damit auch Politiker:innen, die sich bisher Kulturverbände angehört. Immerhin hält die Kulturbotschaft nicht immer durch ihre kulturfreundliche Haltung auszeichneten, 2021–2024 fest, dass die Honorarempfehlungen der Berufsver- deutlich gemacht. Künstler:innen waren die ersten, die mit dem bände für die Kulturförderung maßgebend sein sollen. Lockdown und dem damit einhergehenden faktischen Berufsver- Nachdem Visarte, der Berufsverband visuelle Kunst Schweiz, bot in akute Notlagen gerieten. Entsprechend wurde im März 2016 die erste Broschüre »Leitlinie – Vergütung von Leistungen 2020 sehr schnell dem Verein Suisseculture Sociale die Ausrich- bildender Künstlerinnen und Künstler« herausgegeben hatte, tung von Nothilfen für professionelle Kulturschaffende übertra- erarbeitete er 2020 die Neuauflage »Leitlinie – Honorare für gen. Dank ihr konnten bisher rund 1.650 Personen unterstützt Künstler*innen«. Sie richtet sich ausdrücklich an die Kunstschaf- werden, wenn nötig seit Beginn der Krise bis heute. Die verhält- fenden und nicht an die Ausstellungsinstitutionen. Ziel ist es nicht, nismäßig geringe Zahl zeigt, dass die meisten Künstler:innen letzteren vorzuschreiben, welche Honorare sie bezahlen sollten, dank anderer Unterstützungsmaßnahmen wie Erwerbsersatz sondern den Künstler:innen ein Instrument für die eigenen oder Ausfallentschädigungen über die Runden kamen, ohne die Honorarverhandlungen an die Hand zu geben. Die Leitlinie dient Nothilfe zu beanspruchen. als Empfehlung und Orientierungshilfe für Vereinbarungen zwi- schen Veranstalter:innen von Ausstellungen und professionellen Einkommenssituation von Kulturschaffenden in der Schweiz Bildenden Kunstschaffenden. Suisseculture Sociale gab Anfang 2021 zusammen mit der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia eine Studie in Auftrag, die Dabei konnte durchaus ein die Einkommenssituation und den Stand der Altersvorsorge von in der Kultur Tätigen untersuchte. Obwohl der Fragebogen nicht gewisses Umdenken bei den auf die Folgen der Pandemie abzielte, sondern die finanzielle Ausstellungsinstitutionen Lage unabhängig von ihr erheben sollte, beeinflusste sie wohl die festgestellt werden. Antworten der Kulturschaffenden. Das erschreckende Ergebnis der Auswertung war, dass sich die finanzielle Situation der Künst- Im Vorfeld der Herausgabe der neuen Leitlinie wurden in größeren ler:innen in den letzten fünf Jahren seit der letzten Studie zum Runden mit Vertreter:innen von Museen, Kunsthallen und unab- Thema noch einmal deutlich verschlechtert hat. Waren es damals hängigen Kunsträumen wie auch von Pro Helvetia Gespräche ge- noch 50 % der Befragten, die 40.000 Franken oder weniger pro führt, um die verschiedenen Standpunkte auszutauschen und Jahr verdienten, sind es heute schon 60 %. In der Schweiz ent- wenn möglich eine Annäherung zu erreichen. Dabei konnte durch- spricht dieser Betrag ungefähr dem Existenzminimum. aus ein gewisses Umdenken bei den Ausstellungsinstitutionen Immerhin hat die offensichtliche Notlage der Kulturschaffen- festgestellt werden. Honorare für die ausgestellten Künstler:in- den einige Parlamentarier:innen auf den Plan gerufen, die sich nen waren nicht mehr von vornherein und grundsätzlich undenk- aktiv für die Kultur einsetzen und auch längerfristig Verbesse- bar, sondern in gewissen Situationen schon beinahe eine Selbst- rungen in der Kulturförderung und für die soziale Sicherheit errei- verständlichkeit. Die Diskrepanz zwischen den verschiedenen chen wollen. Und obwohl im Herbst 2020 schon viele Millionen in Institutionen ist jedoch groß. Während sich die einen aktiv für die verschiedenen Unterstützungsmaßnahmen für die Kultur- eine faire Vergütung der künstlerischen Leistung stark machen branche geflossen waren, segnete das Schweizer Parlament die und entsprechend großzügige Honorare bezahlen, sehen andere Kulturbotschaft 2021–2024 ohne Widerstände – sogar mit einigen immer noch hauptsächlich die Leistungen, die sie als Museum Erhöhungen – ab. In ihr wird festgeschrieben, mit welchen finanzi- im Zusammenhang mit einer Ausstellung erbringen, so dass die ellen Mitteln die einzelnen Kultursparten gefördert werden. zusätzliche Honorierung der künstlerischen Arbeit unnötig, die In dieser Kulturbotschaft ist nun zum ersten Mal festgehalten, Forderung danach geradezu unanständig sei. dass den Künstler:innen für ihre Leistungen angemessene Hono- So wurde in den letzten Jahren eine größere Sensibilisierung rare zustehen und der Bund nur noch Projekte fördert, die solche für die Notwendigkeit der fairen Entlohnung Kunstschaffender ausweisen und sicherstellen, dass sie auch bezahlt werden. erreicht, doch ist das Ziel – ihre Selbstverständlichkeit – noch längst nicht erreicht. Das wird wohl noch einige weitere Jahre in Leitlinie – Honorare für Künstler:innen Anspruch nehmen. Eine weitere positive Neuerung ist eine Arbeitsgruppe innerhalb des sogenannten »Nationalen Kulturdialogs«, bei dem Vertre- ter:innen des Bundesamtes für Kultur, der Pro Helvetia sowie der kantonalen und städtischen Kulturämter Themen der Kulturför- Regine Helbling ist Geschäftsführerin von Visarte Schweiz, derung diskutieren. Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit den Berufsverband Visuelle Kunst. Vergütungen für die Leistungen von Kulturschaffenden in den www.visarte.ch verschiedenen Sparten und hat zum Ziel, den Kulturförderorgani 9
Katarina Renman Claesson Schweden: Allgemeine Geschäftsgrundsätze auch für Ausstellungen gültig Als die Ausstellung in letzter Minute abgesagt wurde und der Bei Ausstellungen, die kürzer als eine Woche sind und zeitlich be- Aussteller nicht bereit war, die Kosten zu übernehmen, beschloss grenzte Werke zeigen, z. B. Performances, besteht Anspruch auf die Künstlerin, ihn zu verklagen. ein Ausstellungsentgelt, das nicht geringer als ein Entgelt für eine Im Dezember 2020 fällte ein schwedisches Bezirksgericht ein Woche ist. Das Ausstellungsentgelt darf nicht die Teilnahme mit Spannung erwartetes Urteil in der Rechtssache Strandverket. des:der Künstler:in abdecken. Eine solche Klausel ist unwirksam. Eine mutige Künstlerin verklagte einen Aussteller – in diesem Die MU-Vereinbarung ist nicht nur wichtig, um die Bedingun- Falle eine Kommune – auf Schadenersatz, als die Ausstellung, zu gen und Zahlungen in den einzelnen Ausstellungsverträgen der sie eingeladen war, kurzfristig abgesagt wurde. zu formalisieren, sondern gilt auch als staatliche Empfehlung Das Gericht prüfte, ob normale Vertragsregeln, Grundsätze (faktisches Recht) für die Bedingungen der von öffentlich finan- und Geschäftspraktiken gelten, wenn eine Gemeinde eine:n zierten Organisationen veranstalteten Wechselausstellungen. Sie Künstler:in für eine geplante Ausstellung engagiert. Es befasste soll vor allem langfristig eine faire Geschäftspraxis etablieren. sich auch mit der Frage, ob faire, in der staatlichen Rahmenver- einbarung für Ausstellungen, der MU-Vereinbarung, festgelegte Das Strandverket-Urteil Geschäftspraktiken zu befolgen sind. Die Swedish Artists’ Asso- Für einige Förderinstitutionen, wie den Swedish Arts Council, ist ciation (der schwedische Künstler:innenverband), Aussteller, die die Anerkennung der MU-Vereinbarung verpflichtend, um eine Medien und andere Interessierte haben das Urteil mit großem Förderung zu erhalten. Den meisten öffentlich finanzierten Aus- Interesse erwartet. Aber bevor ich das Urteil verrate, möchte ich stellern ist sie bekannt und wird von ihnen zumindest teilweise die MU-Vereinbarung und ihren Zweck näher erläutern. angewandt oder es wird auf sie verwiesen. Leider ist dies bei den Kommunen weniger der Fall. Deshalb ist das Strandverket-Urteil Die MU-Vereinbarung so wichtig. 2009 schloss die schwedische Regierung eine Rahmenvereinba- Das Gericht entschied, dass zwischen dem Veranstalter und rung ab, die MU-Vereinbarung, in der die Bedingungen und die den Künstler:innen eine verbindliche mündliche Vereinbarung Vergütung bei staatlich organisierten Ausstellungen formalisiert bestand und die Kommunen, wie jede andere Vertragspartei, das wurden. Staatliche Institutionen oder Behörden, die Kunstaus- schwedische Vertragsrecht und seine Grundsätze befolgen stellungen veranstalten (hier Veranstalter genannt) sind müssen. Die plötzliche Absage der für 2019 geplanten Ausstel- verpflichtet, die MU-Vereinbarung einzuhalten. Die Vertrags- lungen stellte einen Vertragsbruch dar, der den vertraglich parteien, die die ausstellenden Künstler:innen vertreten, sind gebundenen Künstler:innen einen Anspruch einräumte: zum The Swedish Artists’ Association (Schwedischer Künstlerverband), einen auf Schadenersatz für die Kosten im Zusammenhang mit die Association of Swedish Illustrators and Graphic Designers ihren Vorbereitungen auf die Ausstellungen, zum anderen auf ein (Verband der schwedischen Illustrator:innen und Grafikdesig- Ausstellungsentgelt entsprechend dem geplanten Ausstellungs- ner:innen) und die Swedish Association of Professional Photo- zeitraum, da bei der Besprechung der Ausstellungsbedingungen graphers (Schwedischer Verband der Berufsfotograf:innen). mündlich und schriftlich auf die MU-Vereinbarung Bezug genom- Die MU-Vereinbarung gilt für staatlich organisierte Wechsel- men worden war. ausstellungen, wenn die teilnehmenden Künstler:innen ihre Werke Es scheint, dass die MU-Vereinbarung dazu beigetragen hat, für die Ausstellung zur Verfügung stellen. Sie soll nicht nur die dass ausstellende Künstler:innen zumindest in öffentlich finan- Bedingungen des einzelnen Ausstellungsvertrags selbst regeln, zierten Veranstaltungen ein Ausstellungsentgelt als Gegenleis- sondern auch die Verhandlungen und das Vertragsformat. Der Ver- tung für das Recht der Veranstalter erhalten, Werke öffentlich zu anstalter ist verpflichtet, so früh wie möglich vor der Ausstellung präsentieren, die sich noch im Eigentum der Künstler:innen mit den ausstellenden Künstler:innen Verhandlungen aufzuneh- befinden. Wie das Gericht in Strandverket klarstellte, haben die men und eine schriftliche Vereinbarung zu unterzeichnen. Künstler:innen einen Rechtsanspruch auf eine Kompensation für Der Veranstalter ist weiter verpflichtet, dem:der Künstler:in ihre Teilnahme an einer Ausstellung und auf entsprechenden ein Ausstellungsentgelt als Kompensation für die öffentliche Zur- Schadenersatz, wenn sie abgesagt wird. Wir müssen nun sicher- schaustellung von dem:der Künstler:in gehörenden Werken zu stellen, dass dies bekannt wird und Anwendung findet! zahlen. Die MU-Vereinbarung beinhaltet eine tarifliche Auflistung, in der die Entgelte in Abhängigkeit von der Ausstellungsdauer, der Größe des Veranstalters (Anzahl der jährlichen Besucher:innen) und der Anzahl der ausstellenden Künstler:innen aufgeführt sind Die Mindestentgelte betragen: � für Einzelausstellungen 5.700 SEK (559 Euro), Katarina Renman Claesson arbeitet als Juristin bei der � für Gruppenausstellungen mit 2 oder 3 Künstler:innen Konstnärernas Riksorganisation/Swedish Artists’ Association. je 3.500 SEK (343 Euro), www.kro.se � 4 bis 20 Künstler:innen je 2.400 SEK (235 Euro). 10
Simone Kessler Berufsbezeichnung: Konzeptkünstlerin Studium: Akademie der Bildenden Künste München Arbeits- bzw. Wohnort: Hamburg www.simonekessler.de Simone Kessler, Waldstück bei Haubsruch, Hamburg, Foto: Paula Markert 11
Carlos León Zambrano Berufsbezeichnung: Regisseur/ Storyteller Studium: Hochschule für Bildende Künste Hamburg Arbeits- bzw. Wohnort: Hamburg www.carlosleonzambrano.com Studio Carlos León Zambrano, Hamburg, Foto: Paula Markert 12
Annelinde de Jong, Sofia Kapnissi, Loek Schönbeck Das niederländische Modell für die Ausstellungs- vergütung von Künstler:innen In den Niederlanden wurde im Februar 2017 nach dreijähriger Vor- Der Mondriaan Fonds erhielt vom Staat Mittel, um den Einrichtun- bereitungszeit die erste Vereinbarung über die Ausstellungsver- gen einen Ausgleich für die gezahlten Vergütungen zukommen zu gütung (Convenant Kunstenaarshonoraria) unterzeichnet. Im Jahr lassen. Während Mitte 2017 ein Drittel der Einrichtungen eine Ver- 2014 initiierte das BKnl (Beeldende Kunst Nederland) eine Studie gütung an die Künstler:innen zahlte, hatten Mitte 2018 bereits zur Vergütung von Bildenden Künstler:innen in den Niederlanden. zwei Drittel von ihnen die Regelung umgesetzt. Entsprechend Das BKnl ist ein informelles Beratungsgremium, bestehend aus stellten sich finanzielle Engpässe ein: Mitte 2018 gingen die zuge- Organisationen, die sich für die Interessen Bildender Künstler:in- wiesenen Mittel aus. Daraufhin formierte sich eine Lobby, um die nen sowie für Museen, Ausstellungseinrichtungen und Galerien in Mittel – ursprünglich 400.000 Euro – aufzustocken und in einen den Niederlanden einsetzen. Mitglieder sind Platform BK, Muse- Strukturfonds umzuwandeln. Im September 2018 erfolgte nach umvereniging (Museumsverband), der Kunstenbond, Kunsten’92, hitzigen Verhandlungen mit den Funktionären eine Erhöhung des BBK (Berufsverband Bildender Künstler), NGA (Niederländischer Betrags für 2019 und 2020 auf jährlich 800.000 Euro. Bei Beitritt Galerienverband) und der Verband für Ausstellungseinrichtungen aller Einrichtungen wären jedoch weitere Mittel (geschätzt De Zaak Nu. Der Mondriaan Fonds (Fonds für das visuelle und 1.200.000 Euro) erforderlich. kulturelle Erbe in den Niederlanden) unterstützt und koordiniert Die Umsetzung der Vereinbarung verlief nicht ohne Probleme. das BKnl. Der Museumsverband beschloss kurz darauf, auszutreten (2020 In einer Studie wurden Kunstinstitutionen und Bildende trat er erneut bei). Dies hatte zur Folge, dass ein Museum nach Künstler:innen zu nichtkommerziellen Ausstellungen befragt. dem anderen zum Beitritt überredet werden musste. Innerhalb Das Ergebnis zeigte, dass es in den Niederlanden weder Richt- eines Jahres nach Unterzeichnung der Vereinbarung verdoppelte linien für die Vergütung von Künstler:innen noch Modelle von sich die Zahl der beigetretenen Museen und Einrichtungen; im nationaler Bedeutung gibt. Jedes Museum und jede Ausstel- Mai 2018 waren es 110; zu diesem Zeitpunkt trat auch das größte lungseinrichtung wendet eigene Regeln an. Das BKnl hat es sich niederländische Museum für zeitgenössische Kunst bei, das zur Aufgabe gemacht, einheitliche Richtlinien zu erstellen und Stedelijk Museum in Amsterdam. nach langen Verhandlungen die hier beschriebene Vereinbarung Die »Versuchsregelung« galt bis Ende 2020. Ab Anfang 2021 erarbeitet. Die Unterzeichnung fand in Den Haag in Anwesenheit war eine Neuregelung zwingend erforderlich. Im Frühjahr 2021 der Kulturministerin und mehrerer hoher Vertreter:innen des schlug der Mondriaan Fonds ungeachtet eines mit breiter Mehr- Kultur- und Sozialwesens statt. heit angenommenen Antrags des Parlaments (130 von 150 Stim- Es werden vier Ausstellungskategorien und die entsprechen- men) vor, die »Versuchsregelung« für Einrichtungen mit weniger den Vergütungen festgelegt: Ausstellung neuer Werke, Ausstel- als 100.000 Euro Umsatz unter einem neuen Namen fortzuset- lung bestehender Werke, Adaption bestehender Werke und Aktivi- zen. Das BKnl als Verfasser der Ausstellungsvergütungsregelung täten (z. B. kuratorische Arbeit, Vorträge, Führungen, pädagogische lehnte dies ab, u. a. weil die Auswertung der Regelung noch nicht Aktivitäten, Workshops). Die Institutionen werden nach ihrer veröffentlicht worden war. Die Auswertung wies schließlich kaum Größe aufgegliedert, d. h. danach, ob ihr Jahresumsatz mehr als negative Punkte auf. 500.000 Euro beträgt. Für eine Einzelausstellung zahlen kleinere Die Coronavirus-Krise ist sicherlich kein Grund, eine flankie- Institutionen dem:der Künstler:in ein Honorar von 6.500 Euro für rende Politik zu stoppen. Tatsächlich wurde die Möglichkeit, ein neues Werk, 500 Euro für ein bereits vorhandenes Werk und die Teilnahme an der Vereinbarung zu beantragen, um ein weiteres 2.500 Euro für die Adaption eines bereits vorhandenen Werks. Für Jahr verlängert. Daraufhin beschloss der Mondriaan Fonds, das eine Doppelausstellung belaufen sich die entsprechenden BKnl ab 2022 nicht mehr zu unterstützen. Das BKnl arbeitet wei- Beträge auf 3.606 Euro, 277 Euro bzw. 1.387 Euro pro Person. ter an dem Ziel, die Regelung durch Umwandlung oder Einbezie- Bei Ausstellungen von mehr als zwei Künstler:innen werden die hung in ein strukturpolitisches Instrument tragfähig zu machen. Beträge entsprechend angepasst. Die Versuchsregelung In einem separaten Reglement, der »Versuchsregelung« (experi- menting regulation), ist die Höhe der Mittel festgelegt, die Museen und Ausstellungseinrichtungen vom Mondriaan Fonds als Aus- gleich erhalten. Die Regelung tritt in Kraft, wenn die Höhe der Ver- gütung mindestens 50 % der in der Richtlinie genannten Vergü- Annelinde de Jong, Bildende Künstlerin, Mitglied tung beträgt. Bei Zahlung von 100 % der in der Richtlinie genannten des Vorstands des niederländischen BBK Vergütung werden 50 % ausgeglichen. Bei Zahlung von 70 % sind Sofia Kapnissi, Malerin, Vertreterin des niederländischen es 40 %, bei 50 % sind es 30 %. Dies galt von 2018 bis 2020. Es BBK in der IAA galt die »Anwenden oder erklären«-Regelung: Die Museen waren Loek Schönbeck, Bildender Künstler, Typograph, Philosoph nicht verpflichtet, Künstler:innen eine Vergütung zu zahlen, muss- www.bbknet.nl ten aber die Gründe erläutern, wenn sie dies nicht taten. 13
April Britski Kanada: CARFAC Mindesthonorarempfehlungen Die Canadian Artists’ Representation (Le Front des artistes cana- Weithin anerkannter Standard diens), CARFAC, ist die nationale Vereinigung für Bildende Künst- Die Grundlage unserer Richtlinien ist das Entgelt für Einzelaus- ler:innen in Kanada. Wir setzen uns für bessere Arbeitsbedingun- stellungen. Das Entgelt richtet sich nach dem Budget des Aus- gen ein, seit 1968 steht die Ausstellungsvergütung im Mittelpunkt stellers. In den frühen 1970er Jahren lag das Entgelt für eine Ein- unserer Arbeit. In Kanada gibt es ca. 400 öffentliche Kunstmuse- zelausstellung bei 250 – 500 CAD. Heute liegt die Vergütung bei en, künstlergeführte Zentren, Kunsthandwerksgalerien und mindestens 2.000 CAD, die Nationalgalerie zahlt 9.500 CAD. Die Präsentationszentren für Medienkunst. Diese Ausstellungsorte Vergütung wird je nach Umfang der Ausstellung angehoben oder bezahlen Künstler:innen in der Regel nach den Mindesthonorar- gesenkt, wenn es sich z. B. um eine Retrospektive, eine Gruppen- empfehlungen der CARFAC-RAAV Minimum Recommended Fee ausstellung oder um ein einzelnes Werk handelt. Für Ausstellun- Schedule – als Richtlinie für die Vergütung von Ausstellungen und gen, die international auf Tournee gehen, sind die Entgelte höher. Reproduktionen sowie von anderen durch Künstler:innen erbrach- So erhalten Künstler:innen, die für eine Ausstellung im kanadi- te Dienstleistungen (Verfassen von Texten, Präsentationen usw.). schen Pavillon auf der Biennale in Venedig ausgewählt werden, Bei den Richtlinien handelt es sich um Mindestempfehlungen, derzeit 17.500 CAD. Außerdem gibt es Entgelte für Performance- da Künstler:innen ihr Recht behalten sollen, ein höheres Entgelt Kunst, Filmfestivals, Web- und Druckreproduktionen, Künstler:in- zu verhandeln. Sie beziehen sich ausschließlich auf das Urheber- nengespräche, Vorträge usw. Die Vergütungsrichtlinien können recht des:der Künstler:in oder seinen:ihren Zeit- und Arbeitsauf- auf www.carfac-raav.ca (Englisch und Französisch) eingesehen wand. Sie können nicht verwendet werden, um andere Ausgaben werden. wie Kunstproduktion, Reisen, Versicherungen oder Leihmaterial Die Vergütungsrichtlinien sind weithin als von der kanadi- zu begleichen, die für eine Galerie während einer Ausstellung schen Kunst- und Medienbranche entwickelter und akzeptierter anfallen können. Standard anerkannt. Sie werden jährlich angepasst, worüber unsere Mitglieder abstimmen. Wir werten regelmäßig Wirksam- Gesetz über den Status der Künstler:innen keit und Einfluss aus und bieten Möglichkeiten für Feedback und Bevor es diese Richtlinien gab, wurde niemand für Ausstellungen Verhandlungen. Seit 2007 haben wir freiwillige Vereinbarungen in öffentlichen/nicht kommerziellen Galerien und Museen vergü- mit den nationalen Verbänden, die Museen und künstlergeführte tet. Es wurde argumentiert, die kostenlose Ausstellung von Wer- Zentren vertreten. Von 2016 bis 2019 waren wir an mehreren Kon- ken gebe den Künstler:innen die Möglichkeit, sich zu präsentieren. sultationen beteiligt, die zu bemerkenswerten Überarbeitungen Kanadische Künstler:innen entwickelten daher Vergütungs- im Bereich Präsentationen von Medien- und Performance-Kunst richtlinien und übten Druck auf Ausstellungsmacher:innen aus. In führten. Derzeit arbeiten wir mit der Medienkunstgemeinschaft den 1970er-Jahren erklärte der Canada Council for the Arts, er wür- an der Entwicklung von Richtlinien für das Online-Streaming von de keine Museen finanzieren, die keine Künstlerhonorare zahlten. Filmen und Videos. Des Weiteren führen wir regelmäßig Gesprä- Dies half uns, unsere Verhandlungsposition zu stärken, die che mit unabhängigen Kurator:innen, um sie bei der Erstellung durch die Aufnahme des Ausstellungsrechts in das Urheber- eigener Vergütungsrichtlinien zu unterstützen. rechtsgesetz (Copyright Act) 1988 und die Verabschiedung des 2020 haben wir Richtlinien für die Bezahlung von Künstler:in- Gesetzes über den Status des:der Künstler:in (Status of the nen für digitale Ausstellungen, Tourneen, Vorträge, Workshops Artist Act) 1992 weiter ausgebaut wurde. Das Ausstellungsrecht usw. während der COVID-19-Pandemie ausgearbeitet. Diese wer- stärkt das Recht des:der Künstler:in, für Ausstellungen an öffent- den sich zweifellos mit der Entstehung neuer Präsentationsarten lichen Orten bezahlt zu werden, wenn das Werk nicht zum Ver- weiterentwickeln. kauf angeboten wird. Es gilt für Künstler:innen jeder Nationalität Wir werden häufig von Künstlergruppen in anderen Ländern und bis zu 50 Jahre nach dem Tod des:der Künstler:in für ihre auf unsere Bemühungen um Ausstellungshonorare angespro- Nachlässe. Der Status of the Artist Act ermöglicht es Verbänden chen, und wir werden bestärkt durch die jüngsten Bestrebungen wie dem CARFAC, die kollektivvertraglichen Interessen selbstän- in Europa, Künstler:innen das Recht auf Entgeltverhandlungen zu diger Künstler:innen zu vertreten. Es ergänzt das Ausstellungs- gewähren. Wir freuen uns über Gelegenheiten, Beratung anzubie- recht, indem es uns ermöglicht, im Namen aller lebenden kanadi- ten und uns an diesem Dialog zu beteiligen. schen Bild- und Medienkünstler:innen Vergütungsvereinbarungen mit staatlichen Einrichtungen auszuhandeln. Laut diesem Gesetz kann ein:e Veranstalter:in den Künstler:innen nicht weniger anbie- ten, als wir mit den Einrichtungen aushandeln. Allerdings finden die meisten Ausstellungen nicht in staatlichem Auftrag statt, sodass wir nicht mit allen auf diese Weise verhandeln können. Seit 2015 haben wir eine Vergütungsvereinbarung mit der National Gallery of Canada, die auf unserer Website (www.carfac.ca) abruf- April Britski ist Geschäftsführende Direktorin von bar ist. Wir erhalten Arbeitsentgelte für Verträge, die Teil dieser CARFAC, dem nationalen Verband Bildender Künstler:in- Vereinbarung sind, und wir erhalten Kopien aller Verträge mit nen in Kanada. Künstler:innen, um sicherzustellen, dass die Bedingungen einge- www.carfac.ca halten werden. 14
Studio Carlos León Zambrano, Hamburg, Foto: Paula Markert 15
Foto: Norbert Kiening Foto: Selbstportrait 3. Juli 2021 4. Juli 2021 Annemarie Professor Helmer-Heichele Klaus Nerlich Die Künstlerin und langjährige Vorsitzende des BBK Bundesver- Wir sind sehr traurig. Wir haben unseren überaus geschätzten Vor- bands, Annemarie Helmer-Heichele, ist am 3. Juli 2021 im Alter standskollegen Klaus Nerlich verloren. Sein ganzes Engagement von 72 Jahren verstorben. Sie war eine leidenschaftliche Kämpfe- galt der Kunst, die das Leben feiert: Sein künstlerisches Schaffen rin vor allem für die soziale Absicherung Bildender Künstler:innen. und Werk inspirierte andere. Mit dem Blick für die großen Zusam- Seit 1982 war Annemarie Helmer-Heichele Mitglied im BBK menhänge des Kunst- und Kulturbetriebs gab er maßgebliche Schwaben Nord und Augsburg, 1993 bis 2013 in leitender Funktion. Impulse für kulturpolitische Entwicklungen und setzte sich als 1990 wurde sie in den Bundesvorstand des BBK gewählt, 2005 Mensch und Künstler mit seiner ganzen Persönlichkeit für Kunst, bis 2017 war sie Vorsitzende. Kultur und für Kolleg:innen ein. Ab 1997 war sie Mitglied im Beirat der Künstlersozialkasse Seit 1985 war er Mitglied des Verbands Bildender Künstler der (KSK) und Vertreterin der Bildenden Künstler:innen in deren DDR. Dem Verband Bildender Künstler Thüringen (VBKTh) gehör- Widerspruchsausschuss. Mit der ihr eigenen Energie und Hart- te er seit der Gründung im Oktober 1990 an und war seit 2002 näckigkeit verteidigte sie die KSK als zentrale soziale und welt- dessen Sprecher. Im Jahr 2017 wurde er mit großer Mehrheit in weit einzigartige Errungenschaft gegen alle Angriffe von außen den Vorstand des BBK Bundesverbandes gewählt. Nach dem und innen. Im Verwaltungsrat, der Berufsgruppe I und den Stif- Umbruch 1989/90 hat Klaus Nerlich vehement die Interessen der tungen Sozialwerk und Kulturwerk der VG Bild-Kunst engagierte thüringischen Künstler:innen vertreten. Ohne ihn und seine Kom- sie sich für die Rechte Bildender Künstler:innen. petenzen als Moderator wäre die Rückkehr des VBK Thüringen in Ihr war der Wert solidarischer Netzwerke bewusst. Sie ver- die Solidargemeinschaft des BBK Bundesverbandes, nach einigen stand es, in Kooperationen unterschiedlichster Art die Klaviatur Jahren der Absenz, nicht zustande gekommen. einer effektiven Interessenvertretung zu spielen: über die Lan- Klaus Nerlich arbeitete im Bundesvorstand mit großem En- desgrenzen hinaus viele Jahre in der Internationalen Gesellschaft gagement und Sachverstand. Seit 2018 hatte er die künstle- der Bildenden Künste (IGBK) und dem Kulturausschuss der Deut- risch-pädagogische Leitung des BBK-Projektes im Förderpro- schen UNESCO-Kommission, spartenübergreifend als Spreche- gramm »Kultur macht stark« inne. Am 3. Mai 2021 wurde Klaus rin des Deutschen Kunstrates (2010–2018) und im Sprecherrat Nerlich der Verdienstorden des Freistaats Thüringen in seinem des Deutschen Kulturrats sowie in dessen Fachausschuss Arbeit Atelier in Weimar verliehen. und Soziales. Nicht zuletzt war ihr die Idee der Solidargemein- Besonders geschätzt haben wir seine fundierten und zugleich schaft BBK, einer starken, berufsständischen Interessenvertre- pointierten Beiträge, seine immer sachlich moderierende Argu- tung Bildender Künstler:innen, immer ein Herzensanliegen. mentationsweise, seine menschlichen und künstlerischen Erfah- In den letzten Jahren kam noch ein Lieblingsprojekt hinzu: der rungen, seinen Humor. Tag der Druckkunst am 15. März. Nach einer mehr als dreijährigen Klaus Nerlich hat die Zuversicht nie aufgegeben. Er hat bis Antragsphase wurden die traditionellen Drucktechniken ins Bun- kurz vor seinem Tod an allen Sitzungen und Entscheidungen desweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenom- Anteil gehabt, Anteil haben wollen. Es kam für ihn nicht infrage, men. Es war ihre Idee, dies mit einem jährlichen Tag der Druck- sich wegen seiner Krankheit aufzugeben – Schonung nur so viel kunst zu feiern, zu dem nun seit 2019 der BBK aufruft. wie unbedingt nötig. Die Diagnose, vor allem ihre Schwere, hat Sie liebte gutes Essen, Ausflüge mit dem »Schifferl« und vor uns alle vergangenen September erschüttert. »Ich will leben!« hat allem ihren Mann Johann. Ihn vor zwei Jahren zu verlieren war ein er gesagt, ja kämpferisch gerufen. Am 4. Juli 2021 ist er gegangen. tragischer Einschnitt für sie. Gleichwohl ließ sie nie in ihrem En- Wir sind dankbar für die gemeinsame Zeit. Wir vermissen gagement für Künstler:innen nach, und das trotz vieler eigener Klaus Nerlich sehr, seine Kompetenz, seinen Humor und vor allem Beschwernisse. Sozial kämpferisch, streitbar, humorvoll war sie. seine überaus sympathische und verbindliche Persönlichkeit. Wir vermissen sie sehr. BBK Bundesvorstand BBK Bundesvorstand 16
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