Künstlerisches Einkommen - Blick in andere Länder - BBK Bundesverband

 
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Künstlerisches Einkommen - Blick in andere Länder - BBK Bundesverband
Bundesverband                                Nr. 3/2021
                                      Bildender Künstlerinnen und Künstler e. V.        3,25 €

                     Einkommen
Blick in andere Länder
                     Künstlerisches
Künstlerisches Einkommen - Blick in andere Länder - BBK Bundesverband
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Künstlerisches Einkommen - Blick in andere Länder - BBK Bundesverband
Künstlerisches Einkommen –
                                                           Reform statt Stillstand                                     Blick in andere Länder

                                                           Wenn Sie diese Ausgabe von kultur politik in Händen
                                                           halten, ist die Bundestagswahl vorüber, und es ist          5     Aussstellungsvergütung im internationalen Kontext
                                                           entschieden, welche Koalitionskonstellationen überhaupt           Doris Granz
                                                           möglich sein können. Wird nun einem Reformschub die         6     Ausstellungsvergütung in Europa: Modelle, Initiativen
                                                           Tür geöffnet? Wir hoffen jedenfalls darauf, dass solche           und Austausch
                                                           Perspektiven real werden, die ganz klar auch Kunst und            Thomas Weis
                                                           Kultur, die Interessen von Künstler:innen in den Blick      8     pay the artist now! Für bessere Arbeitsbedingungen im
                                                           nehmen. Die zentralen Stichworte für uns, den Berufsver-          Kulturbereich Österreichs
                                                           band für Bildende Künstler:innen, sind Ausstellungs-              Petra Poelzl
                                                           vergütung, soziale Sicherung, Kunstfreiheit. Wenn es also   9     Künstler:innenhonorare in der Schweiz
                                                           etwas durch die Corona-Krise zu lernen gab, dann, dass            Regine Helbling
                                                           nicht Stillstand, sondern mutige Reform zur Lösung          10    Schweden: Allgemeine Geschäftsgrundsätze auch für
                                                           anstehender Zukunftsfragen angesagt ist.                          Ausstellungen gültig
                                                                                                                             Katarina Renman Claesson
                                                                                                    Dagmar Schmidt     13    Das niederländische Modell für die Ausstellungs-
                                                                                                                             vergütung von Künstler:innen
                                                                                                                             de Jong, Kapnissi, Schönbeck
                                                                                                                       14   Kanada: CARFAC Mindesthonorarempfehlungen
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                                                                                                                            Prof. Klaus Nerlich
                                                                                                                       17   ProKunsT
                                                                                                                            BBK-Symposion am 29. Oktober 2021
                                                                                                                            ProKunsT6: Digitales Handbuch Bildende Kunst
                                                                                                                       18   NEUSTART für Bildende Künstler:innen
                                                                                                                            Kunstprojekt »Einflugschneise BER«
                                                                                                                            Kunstprojekt »Sieben Schläfer«
                                                                                                                            Valeska Hageney
                                                                                                                       20   Wir können Kunst
                                                                                                                            Projekt des Quartals: Farbklangmobil
                                                                                                                            Nächste Ausschreibung ab 1. Oktober 2021
                                                                                                                            Christine Schofft
                                                                                                                       21   Reform des Verteilungsplans der VG Bild-Kunst
                                                                                                                            ver.di-Umfrage: Wer schafft wann und wo Kultur?
                                                                                                                            Hochwasser in NRW und Rheinland-Pfalz, Petra Gieler
                                                                                                                            Kulturplatte: Der BBK zieht wieder um.
                                                                                                                       22   Ausstellungen der BBK-Verbände
Cover: Atelier Nader Hamzeh, Künstlerhaus Vorwerkstift, Hamburg,

                                                                                                                       30   Ausschreibungen und Stipendien

                                                                      Gefördert von

                                                                                                                       … und in der nächsten kultur politik?
Foto: Paula Markert

                                                                                                                       … stellen wir ProKunsT6, die neue Auflage des Handbuchs
                                                                                                                       Bildende Kunst vor und informieren über die Ergebnisse der
                                                                                                                       15. Bundesdelegiertenversammlung des BBK Bundesverbands.

                                                                                                                                                                                    3
Künstlerisches Einkommen - Blick in andere Länder - BBK Bundesverband
Künstlerisches Einkommen
Blick in andere Länder

    Nader Hamzeh
    Berufsbezeichnung: Freier Künstler
    Studium: University Faculty of Fine Arts,Damascus, Syria
    und Burg Giebichenstein University of Art and Design,
    Halle(Saale)
    Arbeits- bzw. Wohnort: Hamburg
    naderhamzeh.epizy.com

Nader Hamzeh, Künstlerhaus Vorwerkstift, Hamburg, Foto: Paula Markert

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Künstlerisches Einkommen - Blick in andere Länder - BBK Bundesverband
Ausstellungsvergütung im internationalen Kontext
Doris Granz

»Und sie bewegt sich doch!« – Lange Zeit schien es hierzulande       Ausgewählte Details der internationalen Erfahrungen lassen
in Sachen Ausstellungsvergütung nicht voranzugehen. Die Bemü-        sich in diesem Heft studieren. Dabei zeigt sich, dass eine inter-
hungen der Künstler:innenverbände und der aufgeschlossenen           nationale Vernetzung der Künstler:innenverbände wichtig ist
Politiker:innen schienen in den Bedenken und Gegenargumenten         und gegenseitige Inspiration und Ermutigung hervorbringen
der politischen Mehrheit stecken geblieben zu sein. Aber jetzt tut   kann. So war das Schwedische Modell ein Vorbild für die 2012
sich etwas. Gegenwärtig scheint ein Umdenken einzusetzen. Wo-        erschienene Richtlinie zur Ausstellungsvergütung des Landes-
raus speist sich diese Hoffnung auf ein allgemeines Umdenken?        verbandes Bildende Kunst Sachsen – aus der dann 2014 die
     Einmal ist da die offensichtliche Notlage der Künstler:innen,   erste Leitlinie Ausstellungsvergütung des BBK Bundesverban-
die in der Politik etwas in Bewegung setzt. Außerdem zeigen die      des hervorgegangen ist.
Erfahrungen mit regionalen Modellen zur Ausstellungsvergütung            Einer der Akteure dieser Vernetzung ist die Internationale
Wirkung und strahlen aus. Und die beispielhaften Impulse aus         Gesellschaft der Bildenden Künste (IGBK). Ein Artikel von Thomas
dem Ausland, die in dieser Ausgabe von kultur politik im Mittel-     Weis, dem IGBK-Geschäftsführer, thematisiert diese Arbeit.
punkt stehen, zeigen allen, die es sehen wollen, dass das Ziel           Aber auch auf nationaler Ebene können Anliegen gemein-
einer Ausstellungsvergütung ganz und gar nicht utopisch ist.         sam besser vorangebracht werden. Das war der Grund dafür,
     Seit inzwischen 50 Jahren setzt sich der BBK Bundesverband      dass sich 2016 die Initiative Ausstellungsvergütung (IA) gegrün-
für die Einführung einer gesetzlich verankerten Ausstellungsver-     det hatte. In der Initiative setzen sich bundesweit agierende
gütung ein. Es gibt in Deutschland vereinzelt regionale Modelle,     Künstler:innenverbände, darunter der BBK Bundesverband, für
die sich jedoch stark voneinander unterscheiden. Zum großen          eine faire Vergütung künstlerischer Leistung in der Bildenden
Wurf hatte es bisher leider nicht gereicht. Im Deutschen Bundes-     Kunst ein.
tag fand sich zu verschiedenen Zeiten aus unterschiedlichsten            Mit der Kampagne »#paytheartist« zeigt die IA, wie aktuell
Gründen keine Mehrheit für eine verbindliche Regelung.               und dringlich die Forderungen sind. In einer digitalen Auftaktver-
     Die Beispiele aus dem Ausland zeigen, wie es gehen kann.        anstaltung diskutierte die IA mit Vertreter:innen aus der Landes-
Dabei sind die unterschiedlichen Modelle eine Reaktion auf die       und Bundespolitik. Mit einer Briefaktion anlässlich der Bundes-
spezifischen nationalen Gegebenheiten.                               tagswahl sollten Politiker:innen für das Thema sensibilisiert
     Zum einen finden sich befristete Modelle, die immer wieder      werden. Künstler:innen haben einen Brief mit grundlegenden
neu ausgehandelt und nachgebessert werden müssen. Zum                Forderungen an ihre jeweiligen Wahlkreiskandidat:innen ge-
anderen zeigt sich auch eine beneidenswerte Kontinuität und          sandt und das direkte Gespräch gesucht. Die Forderungen der
Selbstverständlichkeit, wie sie nur zu wünschen ist: Kanada          IA sind:
hatte schon 1988 den Anspruch auf Ausstellungsvergütung im               • Verbindliche Festlegung von Ausstellungsvergütungen in
Urheberrecht erstritten und verankert. Öffentlich geförderte                Förderrichtlinien des Bundes, der Länder und Kommunen.
Institutionen verlieren ihre Förderungen, wenn sie keine Aus-            • Explizite Verankerung eines Anspruchs auf Ausstellungs-
stellungsvergütung zahlen.                                                 vergütung im Urheberrechtsgesetz.
     Wie in Deutschland, so gab es in der Schweiz eine Umfrage zur       •Finanzielle Sicherstellung von Ausstellungsvergütung für
wirtschaftlichen Lage der Bildenden Künstler:innen. Die Umfrage            Ausstellungen in öffentlich geführten bzw. geförderten
offenbarte, dass 60 % der Kulturschaffenden ein Einkommen in               Kunstorten durch eine Anpassung ihrer Budgets.
der Höhe des Existenzminiums – oder gar weniger – zur Verfügung
steht. Die aufgedeckte Notlage hat zu einem Umdenken in der          Die künstlerischen Leistungen von Bildenden Künstler:innen
Schweizer Politik geführt. Der Bund erhöhte die Kulturförderung      müssen fair vergütet werden. Die Ausstellungsvergütung kann
merklich. Zum ersten Mal wurde zudem offiziell festgehalten,         ein wesentliches künstlerisches Einkommen sein. Im Mittelpunkt
dass Künstler:innen angemessene Honorare zustehen und dass           aller Bemühungen stehen die Künstler:innen und ihr Kunst-
der Bund nur noch Projekte fördert, die solche bezahlen.             schaffen.
     Schweden nahm mit der 2009 eingeführten Ausstellungs-
und Mitwirkungsvergütung eine Vorreiterrolle ein. In Norwegen        Diese Ausgabe der kultur politik wird in Cover und Titelthema von
gibt es langjährige staatliche Stipendien zur Sicherung künstle-     der Hamburger Fotografin Paula Markert begleitet. Ihre doku-
rischer Aktivitäten. Diese Stipendien für professionelle Künst-      mentarfotografischen Arbeiten zeigen Künstler:innen in ihrer
ler:innen werden bis zu zehn Jahre lang gewährt.                     jeweiligen Arbeitssituation.

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Künstlerisches Einkommen - Blick in andere Länder - BBK Bundesverband
Thomas Weis
Ausstellungsvergütung in Europa:
Modelle, Initiativen und Austausch
Eine faire Bezahlung von Künstler:innen ist in vielen europäischen   handene Gerechtigkeitslücke aufmerksam gemacht werden. Ziel
Ländern und für viele Künstlerorganisationen seit Jahren ein zen-    der IAA Europe Mitglieder ist ein Austausch über verbindliche
trales Thema. Kreative und öffentlichkeitswirksame Informations-     Ausstellungsvergütungen sowie über kontinuierlich angepasste
kampagnen setzen sich für eine Ausstellungsvergütung ein. Auf        öffentliche Budgets, die die Einhaltung einer fairen Ausstellungs-
regionaler und nationaler Ebene gibt es Empfehlungen, Honorar-       vergütung möglich machen.
beispiele und -rechner, aber auch bereits mehr oder weniger ver-         Dass das Thema mittlerweile auf europäischer Ebene ange-
bindliche Richtlinien. Um das gemeinsame Ziel einer fairen Vergü-    kommen ist, zeigt auch der im Juli 2021 veröffentlichte »Voices Of
tung künstlerischer Arbeit zu erreichen, braucht es beides:          Culture Report« zum Thema Status and Working Conditions of
konkrete Modelle und Initiativen vor Ort ebenso wie die Vernet-      Artists and Cultural and Creative Professionals im Rahmen des
zung und den Erfahrungsaustausch dazu auf europäischer Ebene.        Strukturierten Dialogs der EU-Kommission mit 47 Organisationen
    In diesem Beitrag geht es um den aktuellen Stand der Netz-       aus ganz Europa – darunter auch die IAA Europe. Ein Kapitel in
werkarbeit auf europäischer Ebene, insbesondere mit Blick auf die    diesem Bericht widmet sich u. a. dem Aspekt Fair Pay, der fairen
Rolle der International Association of Art (IAA) Europe sowie um     Bezahlung von Künstler:innen und Kreativen. Gefordert wird eine
aktuell bemerkenswerte Initiativen zur Ausstellungsvergütung.        Ausarbeitung von Richtlinien in Bezug auf alle Arten von künstle-
                                                                     rischen Dienstleistungen. Ein Appell geht an Fördereinrichtun-
Gesamteuropäischer Austausch zur Ausstellungsvergütung               gen, eine angemessene Vergütung und eine faire Behandlung von
2018 haben die Internationale Gesellschaft der Bildenden Küns-       Kreativen von vornherein als Kriterium für die Bewertung von
te (IGBK) und die International Association of Art (IAA) Europe,     Finanzierungsanträgen in alle Förderprogramme auf nationaler
ein Netzwerk von 40 Künstlerorganisationen, die gemeinsam die        und EU-Ebene aufzunehmen.
Interessen der Bildenden Künstler:innen in Europa vertreten, in
Brüssel ein Symposium zum Thema Ausstellungsvergütung orga-             Notwendig ist die Arbeit an einem
nisiert (Exhibition Remuneration Right in Europe). Weitere Koope-
rationspartner waren die VG Bild-Kunst und das Dach der für die
                                                                     gemeinsamen Verständnis von Begriffen,
visuellen Künste zuständigen europäischen Verwertungsgesell-               Regelungsvorschlägen und
schaften, European Visual Artists. Es war der erste gesamteuro-           Mindeststandards in Europa.
päische Austausch zu bereits umgesetzten Vergütungs- und
Gebührenmodellen sowie zu aktuell initiierten Kampagnen.             Am 24. September 2021 – nach Redaktionsschluss dieser Aus-
                                                                     gabe von kultur politik – fand in Helsinki und per Zoom das Fair
        Um das gemeinsame Ziel einer                                 Pay for Artists: Exhibition Payment Symposium der IAA Europe
    fairen Vergütung künstlerischer Arbeit                           statt. Das Symposium wurde gemeinsam organisiert von den IAA
                                                                     Nationalkomitees Artists’ Association of Finland und a-n The
       zu erreichen, braucht es konkrete                             Artists Information Company (Großbritannien). Referent:innen u. a.
     Modelle und Initiativen vor Ort sowie                           aus den USA, Großbritannien, den Niederlanden und Finnland
                                                                     tauschten sich über aktuelle Erfahrungen in Bezug auf vorhandene
    Vernetzung und Erfahrungsaustausch                               Ausstellungsvergütungsmodelle aus. Darüber hinaus wurden
            auf europäischer Ebene.                                  Werkzeuge für die Kampagnenarbeit sowie aktuelle Erfahrungen
                                                                     Bildender Künstler:innen in Europa vor dem Hintergrund der
Das Symposium zeigte, wie viele Künstler:innenverbände in Euro-      Covid-19-Pandemie diskutiert.
pa sich intensiv mit dem Thema Ausstellungsvergütung beschäf-
tigen. Deutlich wurde aber auch, wie weit die meisten europäi-       Verlässliche Kriterien sind notwendig
schen Länder – trotz vorhandener Erfolgsmodelle – von einer          Um einen europäischen Vergleich vornehmen zu können, wären
angemessenen, fairen Vergütungspraxis und der Einführung von         Kriterien hilfreich, die erkennen lassen, wofür (wenn überhaupt)
Budgets für Vergütungen von Künstler:innen bei öffentlich geför-     Ausstellungsvergütung bezahlt wird, was am besten funktioniert
derten temporären Ausstellungen noch entfernt sind. Auf der          und wie die einzelnen Länder bisher vorgehen. Hier ist noch viel
Website der IGBK können eine Dokumentation sowie ein umfang-         Arbeit zu leisten. Notwendig ist darüber hinaus, dass an einem
reiches Handout heruntergeladen werden. Es beinhaltet zum gro-       gemeinsamen Verständnis von Begriffen, Regelungsvorschlägen
ßen Teil nach wie vor aktuelle Beiträge aus zwölf europäischen       und Mindeststandards in Europa gearbeitet wird. Hilfreich könnte
Ländern sowie aus den USA, Kanada und Australien.                    sein, sich an der bspw. in Schweden und Norwegen etablierten
                                                                     Unterscheidung zwischen Ausstellungsvergütung und Mitwir-
Lobbyarbeit für faire Bezahlung von Künstler:innen                   kungsvergütung zu orientieren: Ausstellungsvergütung soll an
2019 entwickelte die IAA Europe eine Kampagne zur Ausstel-           professionelle Künstler:innen für die Präsentation von Arbeiten
lungsvergütung. Politik und Verwaltung auf EU- sowie nationaler      aus ihrem eigenen Besitz in einer öffentlich (mit)finanzierten Aus-
und regionaler Ebene sollen auf die in der Bildenden Kunst vor-      stellung bezahlt werden, die nicht dem Verkauf dient. Die Mitwir-

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Künstlerisches Einkommen - Blick in andere Länder - BBK Bundesverband
kungsvergütung wiederum berücksichtigt die Dienstleistungen             Ausstellungseinrichtungen mit dem Thema zu konfrontieren,
von Kunstschaffenden für die Organisation der Ausstellung.              sondern auch eine breitere kunstinteressierte Öffentlichkeit zu
    Hinsichtlich der Auszahlungsregeln ist ein Blick auf das nieder-    sensibilisieren. Im Austausch mit Künstler:innen, Kunstorganisa-
ländische temporäre Modell von Interesse, wo Ausstellungsein-           tionen und Fördereinrichtungen wurden Leitlinien erstellt, um
richtungen über den Mondriaan-Fonds eine Teilkompensation               Künstler:innen sowie Ausstellungs- und Veranstaltungsorte in die
(max. 50 %) der Künstler:innenhonorare beantragen können, aus           Lage zu versetzen, gerechte Vergütungen zu berechnen, ihre
Mitteln des u. a. für Kultur zuständigen Ministeriums. Die Summe        Programme adäquat zu budgetieren und der Vielfalt der Arbeit
richtet sich danach, wie viele der in einem Abkommen (dem mittler-      Rechnung zu tragen, die professionelle Künstler:innen leisten.
weile ein Großteil der niederländischen Ausstellungsinstitutionen           Sehr hilfreiche Leitlinien und Honorarempfehlungen hat im
beigetreten ist) festgelegten Vorgaben eingehalten werden. Wer          vergangenen Jahr auch der finnische Künstler:innenverband
keine Vergütungen zahlt, muss dies begründen. Dieses Pilotmodell        Artists‘ Association of Finland für Bildende Künstler:innen und
befindet sich derzeit in einer Umstrukturierung und wird hoffentlich    Auftraggeber entwickelt. Die Leitlinien beziehen sich nicht nur
in einer neuen Konstellation ab 2022 eine Fortsetzung finden.           auf Ausstellungs- und Mitwirkungsvergütung, sondern decken
                                                                        auch weitere künstlerische Tätigkeiten, Beratungsleistungen,
       Unterm Strich kann man sagen,                                    Vorträge, Lehrtätigkeiten und öffentliche Kunstaktivitäten ab.
    dass Deutschland – betrachtet man                                   Fazit: Was können wir von anderen Ländern lernen?
    die Vereinbarungen und Regelungen                                   Wo Künstler:innenverbände an der Umsetzung der Modelle zur
     in den skandinavischen Ländern –                                   Ausstellungsvergütung beteiligt sind – wie das z. B. in den Nieder-
                                                                        landen oder in Schweden der Fall ist – bestehen gute Kontroll-
         großen Nachholbedarf hat.                                      möglichkeiten, u. a. auch bei der Neuverhandlung von Honorar-
                                                                        sätzen oder bei Streitigkeiten. Auch bei regionalen Modellen
Diskutiert werden muss auch, welche Rolle Künstler:innenver-            gelingt es oft leichter, Regelverstöße zu erkennen und anzupran-
bände und Verwertungsgesellschaften bei der Umsetzung und               gern, vorausgesetzt die Künstler:innenszene ist entsprechend
Kontrolle von Vergütungsmodellen und -abkommen sowie bei der            gut vernetzt.
Auszahlung der Honorare spielen sollen und welche Erfahrungen
in den wenigen Ländern gemacht werden, wo sich entsprechende                   Das langfristige Ziel muss sein,
Vereinbarungen direkt auf das Urheberrecht beziehen. Ein Bei-
spiel hierfür ist Kanada, wo die Künstler:innenorgansiation
                                                                               den Anspruch auf Ausstellungs-
CARFAC auf der Grundlage des Urheberrechts mit ihren Forde-                      vergütung im Urheberrecht
rungen bis vor den Obersten Gerichtshof ging – mit Erfolg.                             zu verankern.
    Unterm Strich kann man sagen, dass Deutschland – betrach-
tet man die Vereinbarungen und Regelungen in den skandinavi-            Allerdings gibt es bei sog. »soft laws« (z. B. dem MU Agreement in
schen Ländern – großen Nachholbedarf hat, wenngleich sich z. B.         Schweden) immer wieder Klagen über Ungleichheiten, schlechte
das seit 2016 umgesetzte Berliner Modell sowie die vom BBK              Vergütung und mangelnde Transparenz. Modelle beruhen selbst
herausgegebene »Leitlinie Ausstellungsvergütung 2021« auch              für öffentlich geförderte Museen und Galerien immer noch auf
internationaler Aufmerksamkeit erfreuen.                                Freiwilligkeit. Die staatliche Förderung wird nicht in vollem Um-
                                                                        fang (den Vereinbarungen entsprechend) erhöht. Daher muss
Beispiele aus Großbritannien, Irland und Finnland                       das langfristige Ziel sein, den Anspruch auf Ausstellungsver-
Vor dem Hintergrund, dass in Großbritannien 71 % der Künstler:in-       gütung im Urheberrecht zu verankern, so, wie das auch schwedi-
nen kein Honorar für ihre Beiträge in öffentlich finanzierten Aus-      sche und norwegische Künstler:innenorganisationen fordern.
stellungen erhalten und 63 % der Künstler:innen laut eigener Aus-       Empfehlenswert ist außerdem, die öffentlichen Mittel für die Aus-
sage bereits Ausstellungsangebote von öffentlich finanzierten           stellungsvergütung nicht direkt an die Ausstellungsinstitutionen
Galerien ablehnen mussten, weil sie es sich nicht leisten konnten,      zu geben, sondern diese z. B. über die nationale Verwertungsge-
umsonst zu arbeiten, startete die Britische Organisation                sellschaft oder einen öffentlichen Kulturfonds zu administrieren.
a-n The Artists Information Company 2014 ihre Paying Artists            Das Ziel dabei ist, mehr Transparenz zu schaffen und die Einhal-
Campaign.                                                               tung der Vereinbarungen verbindlicher zu machen.
    Paying Artists zielt darauf ab, die Bezahlung von Künstler:in-
nen zu sichern, die in öffentlich finanzierten Institutionen ausstel-
len. Aus allen Teilen des Sektors gab es große Unterstützung und
die Bereitschaft, an der Umsetzung von Leitlinien mitzuwirken,
die dann 2016 gemeinsam mit der Künstler:innen-Beratungsein-
richtung AIR veröffentlicht wurden. Der Exhibition Payment Guide
bietet Handlungsanleitungen für Künstler:innen und Einrichtun-
gen, die ein breites Spektrum von Ausstellungsszenarien abde-
cken. 2018 wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die die Aufgabe
hat, dem Leitfaden bis 2022 möglichst große Akzeptanz zu ver-              Thomas Weis ist Geschäftsführer der
schaffen und ihn weiterzuentwickeln.                                       Internationalen Gesellschaft der Bildenden Künste (IGBK).
    In die gleiche Richtung geht die Arbeit der Künstler:innenver-         www.igbk.de
tretung Visual Artists Ireland, der es ebenfalls gelingt, nicht nur

                                                                                                                                         7
Künstlerisches Einkommen - Blick in andere Länder - BBK Bundesverband
Petra Poelzl
pay the artist now! Für bessere Arbeitsbedingungen
im Kulturbereich Österreichs
»You are an artist and that means: you don’t do it for the money.      Just am selben Wochenende wurde publik, dass die Entwicklung
That is what some people think. It is a great excuse not to pay you    einer Fair-Pay-Strategie für Österreich, initiiert von Kunst- und
for all the things you do«, inszeniert die Künstlerin Ina Wudtke       Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer, auf den Weg gebracht
den von Dieter Lesage verfassten Text in der Videoarbeit               wurde. Seit November 2020 kommen Vertreter:innen der Kunst-
»A Portrait of the Artist as a Worker (rmx.)« (2006). Auch gegen-      und Kultursektion des Bundes mit zehn geladenen Interessenver-
wärtig haben der Text und dessen Inszenierung nur wenig an             tretungen bzw. Vertreter:innen aus den Bundesländern regelmäßig
Aktualität eingebüßt. Aber hier und da tut sich etwas, auch in         im Forum Fairness bzw. in der Arbeitsgruppe Fairness zusammen,
Österreich. Die aktuelle Regierung hat das Thema faire Bezah-          um über Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation der
lung in Kunst und Kultur erstmals in ihrem Regierungsprogramm          freischaffenden Künstler:innen sowie Kulturarbeiter:innen zu
verankert.                                                             beraten.

Tiroler Künstler:innenschaft und IG Bildende Kunst                              Das oft von Kritiker:innen
Die Tiroler Künstler:innenschaft (Bereich: Interessenvertretung)
und die IG Bildende Kunst machen sich seit vielen Jahren für eine
                                                                          angeführte Argument, Künstler:innen
angemessene Bezahlung künstlerischer Arbeit stark. In den Aus-               könnten ihre Kunstwerke nach
stellungshäusern Kunstpavillon und Neue Galerie Innsbruck wer-            Ausstellungen verkaufen, perpetuiert
den seit 2020 explizit Ausstellungshonorare an ausstellende
Künstler:innen ausbezahlt – allerdings zulasten der Produktions-            einen Werkbegriff, der antiquiert
budgets, eine adäquate Anpassung der Fördergelder blieb bis                und in vielen Fällen auch nicht mehr
dato aus. Bereits seit 2011 arbeitet die IG Bildende Kunst am
Schwerpunkt »Über Geld reden« und setzt sich seit 2016 mit
                                                                                       zutreffend ist.
»pay the artist now!« für die Verankerung von angemessenen             Als erstes Ergebnis – und einer langjährigen Forderung der Inter-
Honoraren ein. Im November 2018 initiierte und organisierte sie        essenvertretungen folgend – wird derzeit eine systematische Er-
ein Vernetzungstreffen, an welchem Vertreter:innen österreichi-        hebung des Fair-Pay-Gap durchgeführt. Ziel ist es, die Differenz
scher Künstler:innenvereinigungen in Wien zusammenkamen, um            zwischen den tatsächlich bezahlten Honoraren bzw. Gehältern
sich über den Status Quo sowie mögliche Lösungsschritte aus-           und den von Interessenvertretungen empfohlenen Mindeststan-
zutauschen. »Gemeinsames Ziel ist, dass Künstler:innen in              dards zu erheben.
Österreich für geleistete Arbeit auch angemessen bezahlt wer-
den! Das oft von Kritiker:innen angeführte Argument, Künstler:in-      Leitfaden und Honorarempfehlung
nen könnten ihre Kunstwerke nach Ausstellungen verkaufen, per-         Seit Dezember 2020 kamen Sheri Avraham, Jannik Franzen
petuiert einen Werkbegriff, der antiquiert und in vielen Fällen        (bis April 2021), Vasilena Gankovska und Daniela Koweindl für die
auch nicht mehr zutreffend ist«, schreibt Michael Strasser (Vor-       IG Bildende Kunst sowie Petra Poelzl und Michael Strasser für die
standsmitglied, Tiroler Künstler:innenschaft) im Anschluss an          Tiroler Künstler:innenschaft (Bereich: Interessenvertretung)
das Treffen in der Bildpunkt, der Zeitschrift der IG Bildende Kunst.   wöchentlich zusammen, um – auf Basis der Resultate der oben
                                                                       genannten Vernetzungstreffen in Wien und Innsbruck – Empfeh-
Panel-Diskussion und Vernetzungstreffen in Innsbruck                   lungen und Kalkulationshilfen für faire Bezahlung in der Kunst-
In einer Kollaboration zwischen der IG Bildende Kunst, der Tiroler     und Kulturarbeit auszuformulieren. Veröffentlicht wurden ein Leit-
Künstler:innenschaft (Bereich: Interessenvertretung) und der           faden, ein Honorarspiegel sowie ergänzende FAQ, welche als
battlegroup for art (ein Netzwerk von Interessenvertretungen,          Grundlage und Hilfestellung für die systematische Erhebung des
Plattformen und Zusammenschlüssen im Bereich zeitgenössi-              Fair-Pay-Gaps sowie als Ausgangspunkt für weitere Gespräche
sche Kunst und Kultur in Innsbruck) wurde vom 16. bis 19. Oktober      mit Fördergeber:innen dienen sollen. Die Devise bleibt: »pay the
2020 an das Treffen in Wien angeknüpft und der viertägige              artist now!«
Themenschwerpunkt »Fair Pay in Kunst und Kultur« in Innsbruck
umgesetzt. Den Auftakt machte eine Panel-Diskussion, in welcher
erste Überlegungen zu fairer Bezahlung im Programm der öster-
reichischen Bundesregierung sowie Best-Practice-Beispiele
präsentiert und diskutiert wurden. Anschließend kamen Künst-
ler:innen sowie Vertreter:innen von Off-Spaces, Kunstvereinen,            Petra Poelzl ist künstlerische Leitung und
Kunsthallen und Künstler:innenvereinigungen im digitalen bzw.             Geschäftsleitung der Tiroler Künstler:innenschaft
physischen Raum zusammen. Das Kulturministerium des Bundes,               (Bereiche: Kunstpavillon, Neue Galerie Innsbruck,
die Stadt Innsbruck und die Bildrecht haben das Wochenende                Interessenvertretung).
finanziell unterstützt.                                                   www.kuenstlerschaft.at

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Künstlerisches Einkommen - Blick in andere Länder - BBK Bundesverband
Regine Helbling
Künstler:innenhonorare in der Schweiz

Künstler:innen leben in prekären finanziellen Verhältnissen. Die      sationen Empfehlungen zu ihrer Handhabung abzugeben. Nach
Corona-Pandemie hat diese Tatsache in der Schweiz einer breite-       einigem Insistieren werden seit Kurzem auch die entsprechenden
ren Bevölkerung und damit auch Politiker:innen, die sich bisher       Kulturverbände angehört. Immerhin hält die Kulturbotschaft
nicht immer durch ihre kulturfreundliche Haltung auszeichneten,       2021–2024 fest, dass die Honorarempfehlungen der Berufsver-
deutlich gemacht. Künstler:innen waren die ersten, die mit dem        bände für die Kulturförderung maßgebend sein sollen.
Lockdown und dem damit einhergehenden faktischen Berufsver-               Nachdem Visarte, der Berufsverband visuelle Kunst Schweiz,
bot in akute Notlagen gerieten. Entsprechend wurde im März            2016 die erste Broschüre »Leitlinie – Vergütung von Leistungen
2020 sehr schnell dem Verein Suisseculture Sociale die Ausrich-       bildender Künstlerinnen und Künstler« herausgegeben hatte,
tung von Nothilfen für professionelle Kulturschaffende übertra-       erarbeitete er 2020 die Neuauflage »Leitlinie – Honorare für
gen. Dank ihr konnten bisher rund 1.650 Personen unterstützt          Künstler*innen«. Sie richtet sich ausdrücklich an die Kunstschaf-
werden, wenn nötig seit Beginn der Krise bis heute. Die verhält-      fenden und nicht an die Ausstellungsinstitutionen. Ziel ist es nicht,
nismäßig geringe Zahl zeigt, dass die meisten Künstler:innen          letzteren vorzuschreiben, welche Honorare sie bezahlen sollten,
dank anderer Unterstützungsmaßnahmen wie Erwerbsersatz                sondern den Künstler:innen ein Instrument für die eigenen
oder Ausfallentschädigungen über die Runden kamen, ohne die           Honorarverhandlungen an die Hand zu geben. Die Leitlinie dient
Nothilfe zu beanspruchen.                                             als Empfehlung und Orientierungshilfe für Vereinbarungen zwi-
                                                                      schen Veranstalter:innen von Ausstellungen und professionellen
Einkommenssituation von Kulturschaffenden in der Schweiz              Bildenden Kunstschaffenden.
Suisseculture Sociale gab Anfang 2021 zusammen mit der
Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia eine Studie in Auftrag, die                Dabei konnte durchaus ein
die Einkommenssituation und den Stand der Altersvorsorge von
in der Kultur Tätigen untersuchte. Obwohl der Fragebogen nicht
                                                                                gewisses Umdenken bei den
auf die Folgen der Pandemie abzielte, sondern die finanzielle                    Ausstellungsinstitutionen
Lage unabhängig von ihr erheben sollte, beeinflusste sie wohl die                   festgestellt werden.
Antworten der Kulturschaffenden. Das erschreckende Ergebnis
der Auswertung war, dass sich die finanzielle Situation der Künst-    Im Vorfeld der Herausgabe der neuen Leitlinie wurden in größeren
ler:innen in den letzten fünf Jahren seit der letzten Studie zum      Runden mit Vertreter:innen von Museen, Kunsthallen und unab-
Thema noch einmal deutlich verschlechtert hat. Waren es damals        hängigen Kunsträumen wie auch von Pro Helvetia Gespräche ge-
noch 50 % der Befragten, die 40.000 Franken oder weniger pro          führt, um die verschiedenen Standpunkte auszutauschen und
Jahr verdienten, sind es heute schon 60 %. In der Schweiz ent-        wenn möglich eine Annäherung zu erreichen. Dabei konnte durch-
spricht dieser Betrag ungefähr dem Existenzminimum.                   aus ein gewisses Umdenken bei den Ausstellungsinstitutionen
     Immerhin hat die offensichtliche Notlage der Kulturschaffen-     festgestellt werden. Honorare für die ausgestellten Künstler:in-
den einige Parlamentarier:innen auf den Plan gerufen, die sich        nen waren nicht mehr von vornherein und grundsätzlich undenk-
aktiv für die Kultur einsetzen und auch längerfristig Verbesse-       bar, sondern in gewissen Situationen schon beinahe eine Selbst-
rungen in der Kulturförderung und für die soziale Sicherheit errei-   verständlichkeit. Die Diskrepanz zwischen den verschiedenen
chen wollen. Und obwohl im Herbst 2020 schon viele Millionen in       Institutionen ist jedoch groß. Während sich die einen aktiv für
die verschiedenen Unterstützungsmaßnahmen für die Kultur-             eine faire Vergütung der künstlerischen Leistung stark machen
branche geflossen waren, segnete das Schweizer Parlament die          und entsprechend großzügige Honorare bezahlen, sehen andere
Kulturbotschaft 2021–2024 ohne Widerstände – sogar mit einigen        immer noch hauptsächlich die Leistungen, die sie als Museum
Erhöhungen – ab. In ihr wird festgeschrieben, mit welchen finanzi-    im Zusammenhang mit einer Ausstellung erbringen, so dass die
ellen Mitteln die einzelnen Kultursparten gefördert werden.           zusätzliche Honorierung der künstlerischen Arbeit unnötig, die
     In dieser Kulturbotschaft ist nun zum ersten Mal festgehalten,   Forderung danach geradezu unanständig sei.
dass den Künstler:innen für ihre Leistungen angemessene Hono-             So wurde in den letzten Jahren eine größere Sensibilisierung
rare zustehen und der Bund nur noch Projekte fördert, die solche      für die Notwendigkeit der fairen Entlohnung Kunstschaffender
ausweisen und sicherstellen, dass sie auch bezahlt werden.            erreicht, doch ist das Ziel – ihre Selbstverständlichkeit – noch
                                                                      längst nicht erreicht. Das wird wohl noch einige weitere Jahre in
Leitlinie – Honorare für Künstler:innen                               Anspruch nehmen.
Eine weitere positive Neuerung ist eine Arbeitsgruppe innerhalb
des sogenannten »Nationalen Kulturdialogs«, bei dem Vertre-
ter:innen des Bundesamtes für Kultur, der Pro Helvetia sowie der
kantonalen und städtischen Kulturämter Themen der Kulturför-             Regine Helbling ist Geschäftsführerin von Visarte Schweiz,
derung diskutieren. Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit den           Berufsverband Visuelle Kunst.
Vergütungen für die Leistungen von Kulturschaffenden in den              www.visarte.ch
verschiedenen Sparten und hat zum Ziel, den Kulturförderorgani

                                                                                                                                         9
Künstlerisches Einkommen - Blick in andere Länder - BBK Bundesverband
Katarina Renman Claesson
Schweden: Allgemeine Geschäftsgrundsätze
auch für Ausstellungen gültig
Als die Ausstellung in letzter Minute abgesagt wurde und der          Bei Ausstellungen, die kürzer als eine Woche sind und zeitlich be-
Aussteller nicht bereit war, die Kosten zu übernehmen, beschloss      grenzte Werke zeigen, z. B. Performances, besteht Anspruch auf
die Künstlerin, ihn zu verklagen.                                     ein Ausstellungsentgelt, das nicht geringer als ein Entgelt für eine
    Im Dezember 2020 fällte ein schwedisches Bezirksgericht ein       Woche ist. Das Ausstellungsentgelt darf nicht die Teilnahme
mit Spannung erwartetes Urteil in der Rechtssache Strandverket.       des:der Künstler:in abdecken. Eine solche Klausel ist unwirksam.
Eine mutige Künstlerin verklagte einen Aussteller – in diesem             Die MU-Vereinbarung ist nicht nur wichtig, um die Bedingun-
Falle eine Kommune – auf Schadenersatz, als die Ausstellung, zu       gen und Zahlungen in den einzelnen Ausstellungsverträgen
der sie eingeladen war, kurzfristig abgesagt wurde.                   zu formalisieren, sondern gilt auch als staatliche Empfehlung
    Das Gericht prüfte, ob normale Vertragsregeln, Grundsätze         (faktisches Recht) für die Bedingungen der von öffentlich finan-
und Geschäftspraktiken gelten, wenn eine Gemeinde eine:n              zierten Organisationen veranstalteten Wechselausstellungen. Sie
Künstler:in für eine geplante Ausstellung engagiert. Es befasste      soll vor allem langfristig eine faire Geschäftspraxis etablieren.
sich auch mit der Frage, ob faire, in der staatlichen Rahmenver-
einbarung für Ausstellungen, der MU-Vereinbarung, festgelegte         Das Strandverket-Urteil
Geschäftspraktiken zu befolgen sind. Die Swedish Artists’ Asso-       Für einige Förderinstitutionen, wie den Swedish Arts Council, ist
ciation (der schwedische Künstler:innenverband), Aussteller, die      die Anerkennung der MU-Vereinbarung verpflichtend, um eine
Medien und andere Interessierte haben das Urteil mit großem           Förderung zu erhalten. Den meisten öffentlich finanzierten Aus-
Interesse erwartet. Aber bevor ich das Urteil verrate, möchte ich     stellern ist sie bekannt und wird von ihnen zumindest teilweise
die MU-Vereinbarung und ihren Zweck näher erläutern.                  angewandt oder es wird auf sie verwiesen. Leider ist dies bei den
                                                                      Kommunen weniger der Fall. Deshalb ist das Strandverket-Urteil
Die MU-Vereinbarung                                                   so wichtig.
2009 schloss die schwedische Regierung eine Rahmenvereinba-               Das Gericht entschied, dass zwischen dem Veranstalter und
rung ab, die MU-Vereinbarung, in der die Bedingungen und die          den Künstler:innen eine verbindliche mündliche Vereinbarung
Vergütung bei staatlich organisierten Ausstellungen formalisiert      bestand und die Kommunen, wie jede andere Vertragspartei, das
wurden. Staatliche Institutionen oder Behörden, die Kunstaus-         schwedische Vertragsrecht und seine Grundsätze befolgen
stellungen veranstalten (hier Veranstalter genannt) sind              müssen. Die plötzliche Absage der für 2019 geplanten Ausstel-
verpflichtet, die MU-Vereinbarung einzuhalten. Die Vertrags-          lungen stellte einen Vertragsbruch dar, der den vertraglich
parteien, die die ausstellenden Künstler:innen vertreten, sind        gebundenen Künstler:innen einen Anspruch einräumte: zum
The Swedish Artists’ Association (Schwedischer Künstlerverband),      einen auf Schadenersatz für die Kosten im Zusammenhang mit
die Association of Swedish Illustrators and Graphic Designers         ihren Vorbereitungen auf die Ausstellungen, zum anderen auf ein
(Verband der schwedischen Illustrator:innen und Grafikdesig-          Ausstellungsentgelt entsprechend dem geplanten Ausstellungs-
ner:innen) und die Swedish Association of Professional Photo-         zeitraum, da bei der Besprechung der Ausstellungsbedingungen
graphers (Schwedischer Verband der Berufsfotograf:innen).             mündlich und schriftlich auf die MU-Vereinbarung Bezug genom-
    Die MU-Vereinbarung gilt für staatlich organisierte Wechsel-      men worden war.
ausstellungen, wenn die teilnehmenden Künstler:innen ihre Werke           Es scheint, dass die MU-Vereinbarung dazu beigetragen hat,
für die Ausstellung zur Verfügung stellen. Sie soll nicht nur die     dass ausstellende Künstler:innen zumindest in öffentlich finan-
Bedingungen des einzelnen Ausstellungsvertrags selbst regeln,         zierten Veranstaltungen ein Ausstellungsentgelt als Gegenleis-
sondern auch die Verhandlungen und das Vertragsformat. Der Ver-       tung für das Recht der Veranstalter erhalten, Werke öffentlich zu
anstalter ist verpflichtet, so früh wie möglich vor der Ausstellung   präsentieren, die sich noch im Eigentum der Künstler:innen
mit den ausstellenden Künstler:innen Verhandlungen aufzuneh-          befinden. Wie das Gericht in Strandverket klarstellte, haben die
men und eine schriftliche Vereinbarung zu unterzeichnen.              Künstler:innen einen Rechtsanspruch auf eine Kompensation für
    Der Veranstalter ist weiter verpflichtet, dem:der Künstler:in     ihre Teilnahme an einer Ausstellung und auf entsprechenden
ein Ausstellungsentgelt als Kompensation für die öffentliche Zur-     Schadenersatz, wenn sie abgesagt wird. Wir müssen nun sicher-
schaustellung von dem:der Künstler:in gehörenden Werken zu            stellen, dass dies bekannt wird und Anwendung findet!
zahlen. Die MU-Vereinbarung beinhaltet eine tarifliche Auflistung,
in der die Entgelte in Abhängigkeit von der Ausstellungsdauer, der
Größe des Veranstalters (Anzahl der jährlichen Besucher:innen)
und der Anzahl der ausstellenden Künstler:innen aufgeführt sind

     Die Mindestentgelte betragen:
     � für Einzelausstellungen 5.700 SEK (559 Euro),                     Katarina Renman Claesson arbeitet als Juristin bei der
     � für Gruppenausstellungen mit 2 oder 3 Künstler:innen              Konstnärernas Riksorganisation/Swedish Artists’ Association.
        je 3.500 SEK (343 Euro),                                         www.kro.se
     � 4 bis 20 Künstler:innen je 2.400 SEK (235 Euro).

10
Simone Kessler
   Berufsbezeichnung: Konzeptkünstlerin
   Studium: Akademie der Bildenden Künste München
   Arbeits- bzw. Wohnort: Hamburg
   www.simonekessler.de

Simone Kessler, Waldstück bei Haubsruch, Hamburg, Foto: Paula Markert

                                                                        11
Carlos León Zambrano
     Berufsbezeichnung: Regisseur/ Storyteller
     Studium: Hochschule für Bildende Künste Hamburg
     Arbeits- bzw. Wohnort: Hamburg
     www.carlosleonzambrano.com

Studio Carlos León Zambrano, Hamburg, Foto: Paula Markert

12
Annelinde de Jong, Sofia Kapnissi, Loek Schönbeck
Das niederländische Modell für die Ausstellungs-
vergütung von Künstler:innen
In den Niederlanden wurde im Februar 2017 nach dreijähriger Vor-       Der Mondriaan Fonds erhielt vom Staat Mittel, um den Einrichtun-
bereitungszeit die erste Vereinbarung über die Ausstellungsver-        gen einen Ausgleich für die gezahlten Vergütungen zukommen zu
gütung (Convenant Kunstenaarshonoraria) unterzeichnet. Im Jahr         lassen. Während Mitte 2017 ein Drittel der Einrichtungen eine Ver-
2014 initiierte das BKnl (Beeldende Kunst Nederland) eine Studie       gütung an die Künstler:innen zahlte, hatten Mitte 2018 bereits
zur Vergütung von Bildenden Künstler:innen in den Niederlanden.        zwei Drittel von ihnen die Regelung umgesetzt. Entsprechend
Das BKnl ist ein informelles Beratungsgremium, bestehend aus           stellten sich finanzielle Engpässe ein: Mitte 2018 gingen die zuge-
Organisationen, die sich für die Interessen Bildender Künstler:in-     wiesenen Mittel aus. Daraufhin formierte sich eine Lobby, um die
nen sowie für Museen, Ausstellungseinrichtungen und Galerien in        Mittel – ursprünglich 400.000 Euro – aufzustocken und in einen
den Niederlanden einsetzen. Mitglieder sind Platform BK, Muse-         Strukturfonds umzuwandeln. Im September 2018 erfolgte nach
umvereniging (Museumsverband), der Kunstenbond, Kunsten’92,            hitzigen Verhandlungen mit den Funktionären eine Erhöhung des
BBK (Berufsverband Bildender Künstler), NGA (Niederländischer          Betrags für 2019 und 2020 auf jährlich 800.000 Euro. Bei Beitritt
Galerienverband) und der Verband für Ausstellungseinrichtungen         aller Einrichtungen wären jedoch weitere Mittel (geschätzt
De Zaak Nu. Der Mondriaan Fonds (Fonds für das visuelle und            1.200.000 Euro) erforderlich.
kulturelle Erbe in den Niederlanden) unterstützt und koordiniert           Die Umsetzung der Vereinbarung verlief nicht ohne Probleme.
das BKnl.                                                              Der Museumsverband beschloss kurz darauf, auszutreten (2020
     In einer Studie wurden Kunstinstitutionen und Bildende            trat er erneut bei). Dies hatte zur Folge, dass ein Museum nach
Künstler:innen zu nichtkommerziellen Ausstellungen befragt.            dem anderen zum Beitritt überredet werden musste. Innerhalb
Das Ergebnis zeigte, dass es in den Niederlanden weder Richt-          eines Jahres nach Unterzeichnung der Vereinbarung verdoppelte
linien für die Vergütung von Künstler:innen noch Modelle von           sich die Zahl der beigetretenen Museen und Einrichtungen; im
nationaler Bedeutung gibt. Jedes Museum und jede Ausstel-              Mai 2018 waren es 110; zu diesem Zeitpunkt trat auch das größte
lungseinrichtung wendet eigene Regeln an. Das BKnl hat es sich         niederländische Museum für zeitgenössische Kunst bei, das
zur Aufgabe gemacht, einheitliche Richtlinien zu erstellen und         Stedelijk Museum in Amsterdam.
nach langen Verhandlungen die hier beschriebene Vereinbarung               Die »Versuchsregelung« galt bis Ende 2020. Ab Anfang 2021
erarbeitet. Die Unterzeichnung fand in Den Haag in Anwesenheit         war eine Neuregelung zwingend erforderlich. Im Frühjahr 2021
der Kulturministerin und mehrerer hoher Vertreter:innen des            schlug der Mondriaan Fonds ungeachtet eines mit breiter Mehr-
Kultur- und Sozialwesens statt.                                        heit angenommenen Antrags des Parlaments (130 von 150 Stim-
     Es werden vier Ausstellungskategorien und die entsprechen-        men) vor, die »Versuchsregelung« für Einrichtungen mit weniger
den Vergütungen festgelegt: Ausstellung neuer Werke, Ausstel-          als 100.000 Euro Umsatz unter einem neuen Namen fortzuset-
lung bestehender Werke, Adaption bestehender Werke und Aktivi-         zen. Das BKnl als Verfasser der Ausstellungsvergütungsregelung
täten (z. B. kuratorische Arbeit, Vorträge, Führungen, pädagogische    lehnte dies ab, u. a. weil die Auswertung der Regelung noch nicht
Aktivitäten, Workshops). Die Institutionen werden nach ihrer           veröffentlicht worden war. Die Auswertung wies schließlich kaum
Größe aufgegliedert, d. h. danach, ob ihr Jahresumsatz mehr als        negative Punkte auf.
500.000 Euro beträgt. Für eine Einzelausstellung zahlen kleinere           Die Coronavirus-Krise ist sicherlich kein Grund, eine flankie-
Institutionen dem:der Künstler:in ein Honorar von 6.500 Euro für       rende Politik zu stoppen. Tatsächlich wurde die Möglichkeit,
ein neues Werk, 500 Euro für ein bereits vorhandenes Werk und          die Teilnahme an der Vereinbarung zu beantragen, um ein weiteres
2.500 Euro für die Adaption eines bereits vorhandenen Werks. Für       Jahr verlängert. Daraufhin beschloss der Mondriaan Fonds, das
eine Doppelausstellung belaufen sich die entsprechenden                BKnl ab 2022 nicht mehr zu unterstützen. Das BKnl arbeitet wei-
Beträge auf 3.606 Euro, 277 Euro bzw. 1.387 Euro pro Person.           ter an dem Ziel, die Regelung durch Umwandlung oder Einbezie-
Bei Ausstellungen von mehr als zwei Künstler:innen werden die          hung in ein strukturpolitisches Instrument tragfähig zu machen.
Beträge entsprechend angepasst.

Die Versuchsregelung
In einem separaten Reglement, der »Versuchsregelung« (experi-
menting regulation), ist die Höhe der Mittel festgelegt, die Museen
und Ausstellungseinrichtungen vom Mondriaan Fonds als Aus-
gleich erhalten. Die Regelung tritt in Kraft, wenn die Höhe der Ver-
gütung mindestens 50 % der in der Richtlinie genannten Vergü-             Annelinde de Jong, Bildende Künstlerin, Mitglied
tung beträgt. Bei Zahlung von 100 % der in der Richtlinie genannten       des Vorstands des niederländischen BBK
Vergütung werden 50 % ausgeglichen. Bei Zahlung von 70 % sind             Sofia Kapnissi, Malerin, Vertreterin des niederländischen
es 40 %, bei 50 % sind es 30 %. Dies galt von 2018 bis 2020. Es           BBK in der IAA
galt die »Anwenden oder erklären«-Regelung: Die Museen waren              Loek Schönbeck, Bildender Künstler, Typograph, Philosoph
nicht verpflichtet, Künstler:innen eine Vergütung zu zahlen, muss-        www.bbknet.nl
ten aber die Gründe erläutern, wenn sie dies nicht taten.

                                                                                                                                       13
April Britski
Kanada: CARFAC Mindesthonorarempfehlungen
Die Canadian Artists’ Representation (Le Front des artistes cana-     Weithin anerkannter Standard
diens), CARFAC, ist die nationale Vereinigung für Bildende Künst-     Die Grundlage unserer Richtlinien ist das Entgelt für Einzelaus-
ler:innen in Kanada. Wir setzen uns für bessere Arbeitsbedingun-      stellungen. Das Entgelt richtet sich nach dem Budget des Aus-
gen ein, seit 1968 steht die Ausstellungsvergütung im Mittelpunkt     stellers. In den frühen 1970er Jahren lag das Entgelt für eine Ein-
unserer Arbeit. In Kanada gibt es ca. 400 öffentliche Kunstmuse-      zelausstellung bei 250 – 500 CAD. Heute liegt die Vergütung bei
en, künstlergeführte Zentren, Kunsthandwerksgalerien und              mindestens 2.000 CAD, die Nationalgalerie zahlt 9.500 CAD. Die
Präsentationszentren für Medienkunst. Diese Ausstellungsorte          Vergütung wird je nach Umfang der Ausstellung angehoben oder
bezahlen Künstler:innen in der Regel nach den Mindesthonorar-         gesenkt, wenn es sich z. B. um eine Retrospektive, eine Gruppen-
empfehlungen der CARFAC-RAAV Minimum Recommended Fee                  ausstellung oder um ein einzelnes Werk handelt. Für Ausstellun-
Schedule – als Richtlinie für die Vergütung von Ausstellungen und     gen, die international auf Tournee gehen, sind die Entgelte höher.
Reproduktionen sowie von anderen durch Künstler:innen erbrach-        So erhalten Künstler:innen, die für eine Ausstellung im kanadi-
te Dienstleistungen (Verfassen von Texten, Präsentationen usw.).      schen Pavillon auf der Biennale in Venedig ausgewählt werden,
     Bei den Richtlinien handelt es sich um Mindestempfehlungen,      derzeit 17.500 CAD. Außerdem gibt es Entgelte für Performance-
da Künstler:innen ihr Recht behalten sollen, ein höheres Entgelt      Kunst, Filmfestivals, Web- und Druckreproduktionen, Künstler:in-
zu verhandeln. Sie beziehen sich ausschließlich auf das Urheber-      nengespräche, Vorträge usw. Die Vergütungsrichtlinien können
recht des:der Künstler:in oder seinen:ihren Zeit- und Arbeitsauf-     auf www.carfac-raav.ca (Englisch und Französisch) eingesehen
wand. Sie können nicht verwendet werden, um andere Ausgaben           werden.
wie Kunstproduktion, Reisen, Versicherungen oder Leihmaterial             Die Vergütungsrichtlinien sind weithin als von der kanadi-
zu begleichen, die für eine Galerie während einer Ausstellung         schen Kunst- und Medienbranche entwickelter und akzeptierter
anfallen können.                                                      Standard anerkannt. Sie werden jährlich angepasst, worüber
                                                                      unsere Mitglieder abstimmen. Wir werten regelmäßig Wirksam-
Gesetz über den Status der Künstler:innen                             keit und Einfluss aus und bieten Möglichkeiten für Feedback und
Bevor es diese Richtlinien gab, wurde niemand für Ausstellungen       Verhandlungen. Seit 2007 haben wir freiwillige Vereinbarungen
in öffentlichen/nicht kommerziellen Galerien und Museen vergü-        mit den nationalen Verbänden, die Museen und künstlergeführte
tet. Es wurde argumentiert, die kostenlose Ausstellung von Wer-       Zentren vertreten. Von 2016 bis 2019 waren wir an mehreren Kon-
ken gebe den Künstler:innen die Möglichkeit, sich zu präsentieren.    sultationen beteiligt, die zu bemerkenswerten Überarbeitungen
Kanadische Künstler:innen entwickelten daher Vergütungs-              im Bereich Präsentationen von Medien- und Performance-Kunst
richtlinien und übten Druck auf Ausstellungsmacher:innen aus. In      führten. Derzeit arbeiten wir mit der Medienkunstgemeinschaft
den 1970er-Jahren erklärte der Canada Council for the Arts, er wür-   an der Entwicklung von Richtlinien für das Online-Streaming von
de keine Museen finanzieren, die keine Künstlerhonorare zahlten.      Filmen und Videos. Des Weiteren führen wir regelmäßig Gesprä-
    Dies half uns, unsere Verhandlungsposition zu stärken, die        che mit unabhängigen Kurator:innen, um sie bei der Erstellung
durch die Aufnahme des Ausstellungsrechts in das Urheber-             eigener Vergütungsrichtlinien zu unterstützen.
rechtsgesetz (Copyright Act) 1988 und die Verabschiedung des              2020 haben wir Richtlinien für die Bezahlung von Künstler:in-
Gesetzes über den Status des:der Künstler:in (Status of the           nen für digitale Ausstellungen, Tourneen, Vorträge, Workshops
Artist Act) 1992 weiter ausgebaut wurde. Das Ausstellungsrecht        usw. während der COVID-19-Pandemie ausgearbeitet. Diese wer-
stärkt das Recht des:der Künstler:in, für Ausstellungen an öffent-    den sich zweifellos mit der Entstehung neuer Präsentationsarten
lichen Orten bezahlt zu werden, wenn das Werk nicht zum Ver-          weiterentwickeln.
kauf angeboten wird. Es gilt für Künstler:innen jeder Nationalität        Wir werden häufig von Künstlergruppen in anderen Ländern
und bis zu 50 Jahre nach dem Tod des:der Künstler:in für ihre         auf unsere Bemühungen um Ausstellungshonorare angespro-
Nachlässe. Der Status of the Artist Act ermöglicht es Verbänden       chen, und wir werden bestärkt durch die jüngsten Bestrebungen
wie dem CARFAC, die kollektivvertraglichen Interessen selbstän-       in Europa, Künstler:innen das Recht auf Entgeltverhandlungen zu
diger Künstler:innen zu vertreten. Es ergänzt das Ausstellungs-       gewähren. Wir freuen uns über Gelegenheiten, Beratung anzubie-
recht, indem es uns ermöglicht, im Namen aller lebenden kanadi-       ten und uns an diesem Dialog zu beteiligen.
schen Bild- und Medienkünstler:innen Vergütungsvereinbarungen
mit staatlichen Einrichtungen auszuhandeln. Laut diesem Gesetz
kann ein:e Veranstalter:in den Künstler:innen nicht weniger anbie-
ten, als wir mit den Einrichtungen aushandeln. Allerdings finden
die meisten Ausstellungen nicht in staatlichem Auftrag statt,
sodass wir nicht mit allen auf diese Weise verhandeln können. Seit
2015 haben wir eine Vergütungsvereinbarung mit der National
Gallery of Canada, die auf unserer Website (www.carfac.ca) abruf-        April Britski ist Geschäftsführende Direktorin von
bar ist. Wir erhalten Arbeitsentgelte für Verträge, die Teil dieser      CARFAC, dem nationalen Verband Bildender Künstler:in-
Vereinbarung sind, und wir erhalten Kopien aller Verträge mit            nen in Kanada.
Künstler:innen, um sicherzustellen, dass die Bedingungen einge-          www.carfac.ca
halten werden.

14
Studio Carlos León Zambrano, Hamburg, Foto: Paula Markert

                                                            15
Foto: Norbert Kiening

                                                                                                       Foto: Selbstportrait
     3. Juli 2021                                                       4. Juli 2021
Annemarie                                                             Professor
Helmer-Heichele                                                       Klaus Nerlich
Die Künstlerin und langjährige Vorsitzende des BBK Bundesver-         Wir sind sehr traurig. Wir haben unseren überaus geschätzten Vor-
bands, Annemarie Helmer-Heichele, ist am 3. Juli 2021 im Alter        standskollegen Klaus Nerlich verloren. Sein ganzes Engagement
von 72 Jahren verstorben. Sie war eine leidenschaftliche Kämpfe-      galt der Kunst, die das Leben feiert: Sein künstlerisches Schaffen
rin vor allem für die soziale Absicherung Bildender Künstler:innen.   und Werk inspirierte andere. Mit dem Blick für die großen Zusam-
     Seit 1982 war Annemarie Helmer-Heichele Mitglied im BBK          menhänge des Kunst- und Kulturbetriebs gab er maßgebliche
Schwaben Nord und Augsburg, 1993 bis 2013 in leitender Funktion.      Impulse für kulturpolitische Entwicklungen und setzte sich als
1990 wurde sie in den Bundesvorstand des BBK gewählt, 2005            Mensch und Künstler mit seiner ganzen Persönlichkeit für Kunst,
bis 2017 war sie Vorsitzende.                                         Kultur und für Kolleg:innen ein.
     Ab 1997 war sie Mitglied im Beirat der Künstlersozialkasse           Seit 1985 war er Mitglied des Verbands Bildender Künstler der
(KSK) und Vertreterin der Bildenden Künstler:innen in deren           DDR. Dem Verband Bildender Künstler Thüringen (VBKTh) gehör-
Widerspruchsausschuss. Mit der ihr eigenen Energie und Hart-          te er seit der Gründung im Oktober 1990 an und war seit 2002
näckigkeit verteidigte sie die KSK als zentrale soziale und welt-     dessen Sprecher. Im Jahr 2017 wurde er mit großer Mehrheit in
weit einzigartige Errungenschaft gegen alle Angriffe von außen        den Vorstand des BBK Bundesverbandes gewählt. Nach dem
und innen. Im Verwaltungsrat, der Berufsgruppe I und den Stif-        Umbruch 1989/90 hat Klaus Nerlich vehement die Interessen der
tungen Sozialwerk und Kulturwerk der VG Bild-Kunst engagierte         thüringischen Künstler:innen vertreten. Ohne ihn und seine Kom-
sie sich für die Rechte Bildender Künstler:innen.                     petenzen als Moderator wäre die Rückkehr des VBK Thüringen in
     Ihr war der Wert solidarischer Netzwerke bewusst. Sie ver-       die Solidargemeinschaft des BBK Bundesverbandes, nach einigen
stand es, in Kooperationen unterschiedlichster Art die Klaviatur      Jahren der Absenz, nicht zustande gekommen.
einer effektiven Interessenvertretung zu spielen: über die Lan-           Klaus Nerlich arbeitete im Bundesvorstand mit großem En-
desgrenzen hinaus viele Jahre in der Internationalen Gesellschaft     gagement und Sachverstand. Seit 2018 hatte er die künstle-
der Bildenden Künste (IGBK) und dem Kulturausschuss der Deut-         risch-pädagogische Leitung des BBK-Projektes im Förderpro-
schen UNESCO-Kommission, spartenübergreifend als Spreche-             gramm »Kultur macht stark« inne. Am 3. Mai 2021 wurde Klaus
rin des Deutschen Kunstrates (2010–2018) und im Sprecherrat           Nerlich der Verdienstorden des Freistaats Thüringen in seinem
des Deutschen Kulturrats sowie in dessen Fachausschuss Arbeit         Atelier in Weimar verliehen.
und Soziales. Nicht zuletzt war ihr die Idee der Solidargemein-           Besonders geschätzt haben wir seine fundierten und zugleich
schaft BBK, einer starken, berufsständischen Interessenvertre-        pointierten Beiträge, seine immer sachlich moderierende Argu-
tung Bildender Künstler:innen, immer ein Herzensanliegen.             mentationsweise, seine menschlichen und künstlerischen Erfah-
     In den letzten Jahren kam noch ein Lieblingsprojekt hinzu: der   rungen, seinen Humor.
Tag der Druckkunst am 15. März. Nach einer mehr als dreijährigen          Klaus Nerlich hat die Zuversicht nie aufgegeben. Er hat bis
Antragsphase wurden die traditionellen Drucktechniken ins Bun-        kurz vor seinem Tod an allen Sitzungen und Entscheidungen
desweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenom-          Anteil gehabt, Anteil haben wollen. Es kam für ihn nicht infrage,
men. Es war ihre Idee, dies mit einem jährlichen Tag der Druck-       sich wegen seiner Krankheit aufzugeben – Schonung nur so viel
kunst zu feiern, zu dem nun seit 2019 der BBK aufruft.                wie unbedingt nötig. Die Diagnose, vor allem ihre Schwere, hat
     Sie liebte gutes Essen, Ausflüge mit dem »Schifferl« und vor     uns alle vergangenen September erschüttert. »Ich will leben!« hat
allem ihren Mann Johann. Ihn vor zwei Jahren zu verlieren war ein     er gesagt, ja kämpferisch gerufen. Am 4. Juli 2021 ist er gegangen.
tragischer Einschnitt für sie. Gleichwohl ließ sie nie in ihrem En-       Wir sind dankbar für die gemeinsame Zeit. Wir vermissen
gagement für Künstler:innen nach, und das trotz vieler eigener        Klaus Nerlich sehr, seine Kompetenz, seinen Humor und vor allem
Beschwernisse. Sozial kämpferisch, streitbar, humorvoll war sie.      seine überaus sympathische und verbindliche Persönlichkeit.
Wir vermissen sie sehr.
                                              BBK Bundesvorstand                                                              BBK Bundesvorstand

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