INTERPELLATIONSBEANTWORTUNG DER REGIERUNG AN DEN LANDTAG DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN BETREFFEND DIE FINANZIERUNG DER AHV UNTER BERÜCKSICHTIGUNG ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
INTERPELLATIONSBEANTWORTUNG DER REGIERUNG AN DEN LANDTAG DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN BETREFFEND DIE FINANZIERUNG DER AHV UNTER BERÜCKSICHTIGUNG DER ERMÖGLICHUNG EINER RENTENANPASSUNG Behandlung im Landtag Datum Kenntnisnahme am: Nr. 91/2021
3 INHALTSVERZEICHNIS Seite Zusammenfassung .................................................................................................. 4 Zuständiges Ministerium......................................................................................... 4 Betroffene Stellen ................................................................................................... 5 I. BERICHT DER REGIERUNG ....................................................................... 7 1. Anlass ............................................................................................................. 7 2. Allgemeines ................................................................................................. 12 2.1 Konsumentenpreisindex .................................................................... 13 2.2 Lohnindex bzw. Lohnstatistik ............................................................. 14 3. Beantwortung der Fragen............................................................................ 15 II. ANTRAG DER REGIERUNG ..................................................................... 38
4 ZUSAMMENFASSUNG An der Landtagssitzung vom 2. September 2021 wurde die Interpellation vom 3. August 2021 der Abgeordneten Johannes Kaiser, Daniel Oehry, Karin Zech-Hoop, Wendelin Lampert, Sebastian Schädler und Albert Frick betreffend die Finanzierung der AHV unter Berücksichtigung der Ermöglichung einer Rentenanpassung an die Regierung überwiesen. Die Interpellanten stellen diverse Fragen insbesondere be- treffend die letzte AHV-Rentenanpassung im Jahr 2011 und die seitherige Teue- rungs- und Medianlohnentwicklung, die theoretische Rentenentwicklung, wenn der Mischindex beibehalten worden wäre, die entsprechende Entwicklung in der Schweiz, Österreich und Deutschland bzw. entsprechende Vergleichswerte, die fi- nanziellen Folgen einer allfälligen Rentenanpassung sowie betreffend die Versor- gungsquote im Alter bzw. dem Verhältnis der Rente zum früheren Lohn. Die Regierung führt insbesondere aus, dass die AHV-Rente letztmals im Jahr 2011 basierend auf dem damals anwendbaren schweizerischen Mischindex (Mittelwert des schweizerischen Konsumentenpreisindex sowie Nominallohnindex) angepasst wurde und es der Regierung seither verwehrt ist, die Renten zu erhöhen. Denn der Gesetzgeber hat in der Folge den Eckwert der Mindestrente an den Konsumenten- preisindex gekoppelt. Da der Konsumentenpreisindex derzeit tiefer liegt als im Jahr 2011 (Stand: September 2021), kann die Regierung die Renten gemäss aktueller Rechtslage nicht anpassen. Des Weiteren wird aufgezeigt, dass eine Rentenerhöhung durch eine Gesetzesän- derung grundsätzlich möglich wäre, wobei in diesem Fall die Frage der Finanzie- rung bzw. Gegenmassnahmen zur langfristigen finanziellen Sicherung der AHV be- antwortet werden müsste. Es wird mit Verweis auf den Bericht und Antrag Nr. 69/2021 darauf hingewiesen, dass im Falle einer Erhöhung der Mindestrente auf zum Beispiel CHF 1’200 bzw. der Höchstrente auf CHF 2'400 das Verhältnis von Fondsvermögen zu Jahresausgaben per Ende 2040 weniger als 5 betragen würde, sodass weitere Massnahmen beschlossen werden müssten, um die negative finan- zielle Auswirkung einer Rentenerhöhung auszugleichen. ZUSTÄNDIGES MINISTERIUM Ministerium für Gesellschaft und Kultur
5 BETROFFENE STELLEN AHV-IV-FAK-Anstalten
7 Vaduz, 2. November 2021 LNR 2021-1528 P Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Interpellations- beantwortung zu unterbreiten. I. BERICHT DER REGIERUNG 1. ANLASS An der Landtagssitzung vom 2. September 2021 wurde die Interpellation vom 3. August 2021 der Abgeordneten Johannes Kaiser, Daniel Oehry, Karin Zech-Hoop, Wendelin Lampert, Sebastian Schädler und Albert Frick betreffend die Finanzie- rung der AHV unter Berücksichtigung der Ermöglichung einer Rentenanpassung an die Regierung überwiesen. Die Interpellation hat folgenden Wortlaut: Gestützt auf Art. 45 der Geschäftsordnung vom 19. Dezember 2012 für den Liech- tensteinischen Landtag reichen die unterzeichnenden Abgeordneten eine Interpel- lation ein und laden die Regierung ein, nachfolgende Fragen zum Thema «Finan- zierung der AHV unter Berücksichtigung der Ermöglichung einer Rentenanpas- sung» zu beantworten. Ausgangslage:
8 Im Rahmen der letzten AHV-Revision wurde ein Massnahmenpaket vorgeschlagen (BuA 92/2020), welches eine Erhöhung des Beitragssatzes um 0.6 Prozentpunkt - von 8.1 auf 8.7% (auf 2024) - und eine Einmaleinlage von 100 Millionen Franken auf Ende 2020 vorsah. Damit hätte - prognostisch betrachtet per 2038 - das Ver- hältnis von Fondsvermögen zu Jahresausgaben um insgesamt 0.96 Einheiten ver- bessert werden können. Im Rahmen der Modellannahmen per Ende 2038 (BuA 138/2019) bedeutet dies eine Verbesserung dieses Verhältnisses von 4.26 (ohne Massnahmen) auf 5.22, das somit über die gesetzlich vorgeschriebene Grenze des Fünffachen der Jahresausgabe angehoben werden kann. Der Landtag hat einer Einmaleinlage von 100 Millionen Franken auf Ende 2020 zu- gestimmt, nicht aber der Erhöhung des Beitragssatzes. Damit erfolgte überschlags- mässig eine Verbesserung des Verhältnisses von Fondsvermögen zu Jahresausga- ben um lediglich 0 .23 Prozentpunkte - also von 4.26 auf 4.49 Prozentpunkte. Das versicherungstechnische Gutachten (Basisjahr 2018) zeigt - ohne Massnahmen - eine Abnahme des Verhältnisses von Fondsvermögen zu Jahresausgaben von 10.22 (2018) auf 9.96 (2019) bzw. 9.75 (2020). Tatsächlich kam es in beiden Jahren nicht zu einer Abnahme, sondern zu einer Zunahme auf 10.8 für 2019 und 2020, bzw. auf 11.08 für 2020 unter Berücksichtigung der Einmaleinlage von 100 Millio- nen Franken. Während das Anlageergebnis und die Beitragsleistungen von der Entwicklung der Kapitalmärkte und der Lohnsummen abhängt, sind die Ausgaben bzw. Rentenaus- zahlungen nicht abhängig von der aktuellen wirtschaftlichen Lage. Die LIBERA geht in ihrer Simulation von einer jährlichen Teuerung von 1% aus, so- dass die Regierung die Renten erstmalig 2024 um 3.17% und danach alle 3 Jahre um 3.03% anpasst.
9 Dieser Rhythmus entspricht Anpassungen zum jeweils spätmöglichsten Zeitpunkt, also wenn der Grenzwert von 3% erreicht oder übertroffen wird (BuA 138/2019). Bei der Ermittlung der Teuerung wird seit der AHV-Revision 2010 nicht mehr auf den Mischindex (arithmetisches Mittel zwischen Lohn- und Preisindex), sondern nurmehr auf den Konsumentenpreisindex abgestellt. Seit 2011 wurden daher die Renten nicht erhöht. Die Mindestrente beträgt seither unverändert 1160 Franken pro Monat, die Höchstrente liegt starr bei 2320 Fran- ken. Im Gegensatz dazu kam es in der Schweiz, wo nach wie vor der Mischindex zum Einsatz kommt, seit 2011 zu vier Teuerungsanpassungen. Auch in Österreich und in Deutschland gab es in den letzten Jahren regelmässig Rentenanpassungen. Renten-Stillstand seit 2011: Wie aus dem Jahresbericht 2020 der AHV zu entnehmen war, hat sich die Höchst- rente der AHV von 2010 bis 2018 um über 2% gegenüber dem Medianlohn abge- senkt. Über lange Zeit eingefrorene Renten führen nicht nur bei den heutigen Rent- nern zu abnehmendem Realeinkommen, sie haben insbesondere auch eine explizit negative Konsequenz für die künftigen Rentner*innen - zum Beispiel jene Bevölke- rungsschicht, die heute im Alter von 50 oder 55 Jahren und aufwärts steht. Beispiel: Wer 2010 in Rente ging und zuletzt den Medianlohn 2010 verdiente, dem deckt die Höchstrente der AHV 39.5 % des früheren Lohnes. Der Medianlohn ist seit 2010 gestiegen, die Rente nicht. Wer 2018 in Rente ging und adäquat den Medianlohn 2018 verdiente, dem vermag die Höchstrente der AHV nur noch 37.7 % des letzten Lohnes abzudecken. Die Statistiken belegen, dass der Medianlohn von 2010 auf 2018 - also binnen 8 Jahren – um 6.7% gestiegen ist. Die Rente jedoch ist seit 2011 infolge der
10 Entkoppelung vom Mischindex durch das alleinige Kriterium des Kostenindexes de facto eingefroren. Wenn der Medianlohn nun auch in den nächsten 8 Jahren um 6.7 % steigt, die Rente bis dann aber nicht erhöht wird - kein Teuerungsausgleich, keine ausserordentliche Rentenerhöhung - passiert Folgendes: Wer 2026 in Rente gehen wird und zuletzt den Medianlohn 2026 verdient hat, wird als Höchstrente nur noch 35.3 % des letzten Lohnes erhalten. Genau diese Entwicklung wird in den Geschäftsberichten der AHV 2013 und 2014 - und erneut im Geschäftsbericht der AHV 2020 - angemahnt. Zitat auf der Seite 21 im Geschäftsbericht der AHV 2020: «... der Ruf nach einer Rentenerhöhung war gerade im Jahr 2020 wieder häufiger zu hören. Der Gesetzgeber muss sich dabei verschiedener Punkt bewusst sein. Ers- tens: Der Konsumentenpreisindex kann die Lebenskosten eines Rentners nicht prä- zise abdecken. Zweitens: Der Stillstand bei der Rentenanpassung hat über die lange Zeit auch ernsthafte Nachteile. Die Versorgungsquote, das heisst das Verhältnis der Rente zum früheren Lohn, wird ständig kleiner.» Also führen über lange Zeit eingefrorene Renten auch für künftige Rentner*innen zu abnehmenden Realeinkommen und damit zu sinkenden Versorgungsquoten: das Verhältnis der Rente zu früherem Lohn. Betroffen sind auch zahlreiche andere Bereiche, die auf die Mindestrente abstellen. Daraus ergeben sich folgende Fragen: 1. Wie waren die Eckwerte bei der letzten AHV-Rentenanpassung im Jahr 2011 hinsichtlich Teuerungs- und Medianlohnentwicklung sowie der entsprechen- den Rentenerhöhung? 2. Wie hat sich seit dieser Anpassung die Teuerung entwickelt? Wie hat sich seit 2011 bis heute der Medianlohn entwickelt?
11 3. Wie hätten sich die Renten seit 2011 bei Beibehaltung des Mischindexes ent- wickelt - dies unter Berücksichtigung der eigendynamischen Entwicklung des Medianlohns? 4. Wie viele Prozentpunkte müssten beim Teuerungsindex nach heutigem Stand (September 2021) aufgeholt werden, bevor ein rechnerischer Ausgleichsme- chanismus überhaupt erst beginnen kann? 5. Fragen zu Rentenanpassungen in der CH, A und D: a. Wie war die Teuerungs- und Rentenentwicklung in der Schweiz seit 2010? b. Wie war die Teuerungs- und Rentenentwicklung in Österreich seit 2010 im Durchschnitt, d.h. nicht nur bei den tiefsten Renten? c. Wie war die Teuerungs- und Rentenentwicklung in Deutschland seit 2010 im Durchschnitt, d.h. nicht nur bei den tiefsten Renten? 6. Wie sieht die liechtensteinische Rente im Vergleich zu unseren Nachbarlän- dern betreffend Höhe, Kaufkraft und Medianlohnverhältnis aus? 7. Gibt es schon eine angepasste Modellrechnung der LIBERA zur AHV-Entwick- lung in Liechtenstein? Welche Veränderungen zur letzten Modellrechnung (BuA 138 /2019, Anhang LIBERA, Seite 29: Tabelle 11) mit Basisjahr 2018 sind signifikant? 8. Welche finanziellen Folgen hätte eine Rentenanpassung von zum Beispiel auf 2.0 oder 3.0%: a. auf die Höhe der Ausgaben; und b. auf das Verhältnis des AHV-Fonds zu den Jahresausgaben?
12 9. In Ergänzung zur Frage 8: Um welchen Prozentsatz müssten die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge erhöht werden, sofern eine Rentenanpassung an- hand diesen Parametern finanziert werden würde? 10. Die Versorgungsquote im Alter (Rente im Verhältnis zum früheren Lohn) sinkt mit jeder im neu in die Rente eintretenden Generation immer weiter. Die 1. Säule, zumindest deren Höchstrente, kann das Existenzminimum bereits heute nicht mehr decken. a. Bei einem Rentenhöhe-Stillstand - seit nunmehr zehn Jahren - nimmt die Ver- sorgungsquote im Alter prozentual ständig ab. Wie kann diese Lohnkraft Ab- wärtsspirale (Rente im Verhältnis des Medianlohnes) gestoppt und auf den % Stand von 2010 zurückgeführt werden? b. Sollte Liechtenstein nicht anstreben, dass die AHV-Höchstrente ein bestimm- tes Mass, das sich an Löhnen orientiert - zum Beispiel x % des Medianlohns - nicht unterschreitet? 11. Sieht die Regierung andere Mechanismen für Rentenanpassungen, die einen adäquaten Teuerungsausgleich gewährleisten? 12. Welche anderen Bereiche stellen auf die Mindestrente ab und sind direkt von deren Einfrieren betroffen, und wie wirkt sich dies jeweils konkret aus? 2. ALLGEMEINES Da in den Fragen auf verschiedene Indexwerte Bezug genommen wird, erscheinen die folgenden Vorbemerkungen angezeigt, um die Beantwortung der Fragen bes- ser nachvollziehen zu können.
13 2.1 Konsumentenpreisindex Liechtenstein hat keinen eigenen Konsumentenpreisindex. Der vom Schweizer Bundesamt für Statistik monatlich errechnete Schweizerische Landesindex der Konsumentenpreise wird vom Amt für Statistik übernommen und in Liechtenstein häufig für die Teuerungsberechnung herangezogen. Die Teuerung beschreibt die Preisveränderung eines bestimmten Warenkorbes über einen bestimmten Zeitab- schnitt. Der Landesindex der Konsumentenpreise misst die Preisentwicklung mo- natlich, als Teuerung bezeichnet man zumeist die Veränderung des Jahresdurch- schnitts. Mit dem Teuerungsrechner können Sie mit dem Landesindex indexierte Beträge oder die Teuerungsrate über einen beliebigen Zeitraum berechnen. 1 Der Landesindex der Konsumentenpreise wird regelmässig revidiert und bei dieser Gelegenheit jeweils auf eine neue Indexbasis (=100 Punkte) gestellt. Die alten In- dexreihen werden rechnerisch mit der neuen Indexreihe verknüpft und so weiter- geführt.2 Der Vergleich zwischen den Indexwerten (Dezember 2005, 2010, 2015 und 2020) ist in der Tabelle 1 dargestellt: 3 1 www.llv.li/inhalt/11376/amtsstellen/preise 2 www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/preise/landesindex-konsumentenpreise/indexierung.html 3 siehe hierzu www.bfs.admin.ch
14 Schweizerischer Landesindex der Konsumentenpreise Basis 12. 2005 12. 2010 12. 2015 12.2010 104.2 --- --- 12.2015 101.4 97.3 --- 12.2020 102.3 98.1 100.9 Tabelle 1: Schweizer Landesindex der Konsumentenpreise 2.2 Lohnindex bzw. Lohnstatistik Der schweizerische Lohnindex (SLI) misst die Entwicklung des Bruttonominal- und des Bruttoreallohns der Arbeitnehmenden in der Schweiz. Mit diesem Index kann berechnet werden, wie sich die Nominal- und Reallöhne in der gesamten Schwei- zer Wirtschaft, im sekundären und tertiären Sektor oder in einer bestimmten Branche bzw. in einer Gruppe von Wirtschaftsbranchen innerhalb eines bestimm- ten Zeitraums entwickeln. 4 Der SLI dient als Referenzwert für die Lohnverhandlun- gen zwischen den Sozialpartnern. Er fliesst in der Schweiz in die Berechnung der Rentenerhöhung der Alters- und Invalidenversicherung (AHV, IV) ein. 5 Die liechtensteinische Statistik verwendet keinen Lohnindex. Bis und mit 2011 hat Liechtenstein jeweils die schweizerischen Rentenerhöhungen übernommen. Es wurde auf den schweizerischen Mittelwert des Anstiegs des Konsumentenpreisin- dex und des Lohnindex abgestellt. Dabei wurde in der Schweiz jeweils im Herbst 4 Die monatlich erhobenen Preise werden jeweils in den ersten zwei Wochen des Monats bei ungefähr 3'000 Verkaufsstellen (vor Ort und mithilfe von Scannerdaten) erhoben, Heizöl und Treibstoff wegen der Preisschwankungen zweimal (an fixen Tagen Anfang und Mitte des Monates), Güter mit wenigen Schwan- kungen werden nur vierteljährlich erhoben, anderes aperiodisch. Dies wird dann zum Index für jeden Mo- nat verrechnet, zum Beispiel im September 2021. 5 www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/arbeit-erwerb/erhebungen/sli.assetdetail.7189.html
15 des betreffenden Jahres der Anstieg der beiden Werte bis Ende des Jahres ge- schätzt. In Liechtenstein wird im Rahmen der Lohnstatistik ein Medianlohn erhoben.6 Diese Erhebung erfolgt alle zwei Jahre. Die letzte Erhebung erfolgte für das Jahr 2018. Die Erhebung für 2020 liegt noch nicht vor. 7 3. BEANTWORTUNG DER FRAGEN 1. Wie waren die Eckwerte bei der letzten AHV-Rentenanpassung im Jahr 2011 hinsichtlich Teuerungs- und Medianlohnentwicklung sowie der ent- sprechenden Rentenerhöhung? Mit Verordnung über die Anpassung der Leistungen der AHV an die Lohn- und Preisentwicklung vom 30. November 2010, LGBl. 2010 Nr. 382 hat die Regierung mit Wirkung ab 1. Januar 2011 die Renten bzw. den Eckwert Mindestrente von CHF 1'140 auf CHF 1'160 erhöht (13 Mal jährlich). Die Höchstrente beträgt das Doppelte, somit CHF 2'320 pro Monat bzw. CHF 30'160 pro Jahr. Die Eckwerte jener Verordnung basierten noch auf dem früheren schweizerischen Mischindex, welcher den Mittelwert des schweizerischen Konsumentenpreisindex von 104.8 Punkten (Basis Dezember 2005 =100) sowie des schweizerischen Nomi- nallohnindex von 2'287 Punkten (Basis: Juni 1939 = 100) darstellte. Der Landtag hat per 1. Januar 2012 (LGBl. 2011 Nr. 541) den Eckwert für den Min- destbetrag der Altersrente im Gesetz auf CHF 1'160 festgesetzt und diesen Wert an den – bisher in der Teuerungsverordnung genannten Konsumentenpreisindex 6 www.llv.li/inhalt/1956/amtsstellen/lohnstatistik 7 Siehe www.llv.li/inhalt/1956/amtsstellen/lohnstatistik
16 – von 104.8 Punkten auf Basis Dezember 2005 = 100 gekoppelt (vgl. Art. 68 Abs. 3bis AHVG und Art. 77 AHVG in der vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2013 geltenden Fassung). Hintergrund war, dass der Staatsbeitrag an die AHV im Rah- men des Massnahmenpakets zur Sanierung des Staatshaushalts gekürzt wurde. Weil der Staatsbeitrag an die AHV kleiner wurde, hat der Gesetzgeber ausgaben- senkende Ausgleichsmassnahmen bei der AHV getroffen. Die Abkehr vom Mischindex (Mittelwert aus Lohn- und Preissteigerung) war eine dieser Stabilisie- rungsmassnahmen. 8 Dieser Konsumentenpreisindex von 104.8 Punkten (somit der "Rentenwert aus 2011") auf Basis Dezember 2005 entspricht einem Indexstand von 103.8 Punkten auf der aktuellen im Gesetz genannten Basis Dezember 2015 = 100. Dieser Wert "von 103.4 Punkten (Basis: Dezember 2015 = 100)" wurde im Gesetz (Art. 77 Abs. 1 AHVG) angepasst. 9 Der schweizerische Konsumentenpreisindex liegt heute tie- fer. Die Rente ist somit – entsprechend der vom Landtag verabschiedeten Rechts- lage – durchaus ausgeglichen. Er hatte im Dezember 2020 einen Stand von 100.9 Punkten (Basis: Dezember 2015 =100). Im aktuellen Jahr ist der Konsumenten- preisindex gestiegen, nämlich auf 102.2 Punkte (Stand: September 2021). 10 Er liegt dennoch unter dem "Ausgangswert" von 103.4 Punkten. Somit ist es der Regie- rung von Gesetzes wegen verwehrt, die Renten zu erhöhen. Die Interpellation nimmt auch Bezug auf die Medianlohnentwicklung. Diesbezüg- lich ist darauf hinzuweisen, dass die AHV-Rente nie an einen liechtensteinischen Medianlohn gekoppelt war. Unabhängig davon kann diese Frage wie folgt beant- wortet werden: 8 Vgl. Bericht und Antrag Nr. 61/2011, Seite 29 ff. 9 Vgl. Landtagsprotokoll vom 12. Mai 2016, Seite 824. 10 www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/preise/landesindex-konsumentenpreise/indexierung.html
17 Für das Jahr 2011 ist kein Medianlohn publiziert. Im Jahr 2010 lag der liechtenstei- nische Medianlohn bei CHF 6'257. Im Jahr 2018 lag der liechtensteinische Median- lohn bei CHF 6'675. Dies ist eine Steigerung um 6.7% gegenüber dem Medianlohn 2010. Neuere Zahlen des Amts für Statistik liegen noch nicht vor. Der schweizerische Nominallohnindex ist im selben Zeitraum um 5.3% gestiegen. 2. Wie hat sich seit dieser Anpassung die Teuerung entwickelt? Wie hat sich seit 2011 bis heute der Medianlohn entwickelt? Die Entwicklung des Konsumentenpreisindex seit 2011 bzw. der letzten Rentener- höhung in Liechtenstein lässt sich am anschaulichsten auf der "Basis: Dez 2010 = 100" darstellen. Wie der Abbildung 1 entnommen werden kann, hat sich der Landesindex der Konsumen- tenpreise in den Jahren von 2010 bis 2020 zwischen 96.9 (im Jahr 2015) und 100.8 (im Jahr 2011) bewegt und betrug per Ende 2020 98.2. Wie bereits ausgeführt, ist der Konsumentenpreisindex im Jahr 2021 gestiegen, nämlich auf 102.2 Punkte (Stand: September 2021).
18 102.0 100.8 101.0 99.9 100.0 100.0 99.0 98.0 98.2 97.0 96.9 96.0 95.0 12.2010 05.2011 10.2011 03.2012 08.2012 01.2013 06.2013 11.2013 04.2014 09.2014 02.2015 07.2015 12.2015 05.2016 10.2016 03.2017 08.2017 01.2018 06.2018 11.2018 04.2019 09.2019 02.2020 07.2020 12.2020 Abbildung 1: Entwicklung des Landesindex der Konsumentenpreise (2010 – 2020) Im Unterschied zum schweizerischen Konsumentenpreisindex sind die Lohnindi- zes durchaus gestiegen: Der liechtensteinische Medianlohn lag im Jahr 2010 bei CHF 6'257 und im Jahr 2018 bei CHF 6'675 (siehe Abbildung 2). Das ist eine Steige- rung um 6.7%. Neuere Zahlen des Amtes für Statistik liegen noch nicht vor. Der schweizerische Nominallohnindex ist im selben Zeitraum 2010 bis 2018 um 5.3% gestiegen. Von 2010 bis 2020 liegt die Steigerung bei 7.2%.
19 Abbildung 2: Medianlohn in Liechtenstein (2010-2018) Eine Gesamtbetrachtung betreffend Lohn-, Preis- und Rentenentwicklung ist in der nachfolgenden Abbildung 3 dargestellt. Dabei werden diese Werte per 2010 auf 100 kalibriert, um den Vergleich in der Entwicklung einfach darstellen zu kön- nen. Verwendet wird der schweizerische Konsumentenpreisindex, der liechten- steinische Medianlohn (Bruttojahreslohn, geteilt durch 12) und die liechtensteini- sche Höchstrente (auf 12 Monate gerechnet). Die Abbildung 3 zeigt, dass die liech- tensteinische Rente durchaus mit der Preisentwicklung Schritt hält, aber der Loh- nentwicklung hinterherhinkt. Da der Medianlohn nur alle zwei Jahre erhoben wird, wird dieser Rhythmus in der Abbildung übernommen. Die ungeraden Jahre wer- den ausgeblendet. Aus diesem Grunde wird eine Rentenerhöhung per 2012 ange- zeigt, die jedoch bereits per 2011 erfolgt ist.
20 107.5 106.7 105.0 102.5 101.7 100.0 99.2 97.5 95.0 92.5 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Konsumtenpreisindex AHV-Höchstrente Medianlohn Abbildung 3: Lohn-, Preis- und Rentenentwicklung (2010-2020) 3. Wie hätten sich die Renten seit 2011 bei Beibehaltung des Mischinde- xes entwickelt - dies unter Berücksichtigung der eigendynamischen Ent- wicklung des Medianlohns? Hätte der liechtensteinische Gesetzgeber auch nach 2011 die Bezugnahme auf den schweizerischen Mischindex beibehalten, so läge die Mindestrente heute anstatt bei CHF 1'160 bei CHF 1'195 bzw. wäre die Mindestrente 3.0% höher. Stellte man auf einen Mischindex aus schweizerischem Konsumentenpreisindex und liechtensteinischem Medianlohn ab, dann käme man (Stand 2018) auf ähnli- che Werte. Der Vergleich zur Schweiz ist hierbei jedoch mit Vorsicht zu geniessen. Denn in der Schweiz werden die Renten nicht auf Basis der Indexwerte (Konsum- entenpreise und Löhne) der Vergangenheit angepasst. Stattdessen wird jeweils im Herbst geschätzt, wie hoch die Jahresteuerung ausfallen wird. Auf der Basis dieser Schätzungen wird dann der Rentenindex für das Folgejahr festgelegt. Damit ist in
21 der Schweiz eine rentenpolitische Komponente im System beinhaltet, welche in Liechtenstein, das bewusst auf rein rechnerische Vergangenheitswerte abstellt, fehlt. 4. Wie viele Prozentpunkte müssten beim Teuerungsindex nach heutigem Stand (September 2021) aufgeholt werden, bevor ein rechnerischer Ausgleichsmechanismus überhaupt erst beginnen kann? Vorab ist darauf hinzuweisen, dass ein Stichtag immer mit Zufälligkeiten behaftet ist. Der Konsumentenpreisindex im September 2021 beträgt 102.2 Punkte auf der "Basis: Dezember 2015 = 100". Gemäss Art. 77 Abs. 1 AHVG gilt die Rente bis zu einem Stand von 103.4 Punkten (Basis: Dezember 2015 = 100) als teuerungsaus- geglichen. Der Index müsste also um 1.3 Punkte steigen, um den Ausgleichsme- chanismus überhaupt beginnen zu lassen. Gemäss Abs. 2 muss die Regierung die Renten auf Beginn des folgenden Kalender- jahres anpassen, wenn im Durchschnitt der Monate Januar bis Juni des laufenden Jahres der Stand des Landesindexes der Konsumentenpreise um mindestens 3% höher liegt als der Stand, der mit der letzten Rentenanpassung ausgeglichen wurde; vorbehalten bleibt Art. 77bis über das Aussetzen der Rentenanpassung. Die Regierung kann gemäss Art. 77 Abs. 3 auch vor Erreichen eines Preisanstiegs von 3% die Entwicklung der Preisteuerung ganz oder teilweise ausgleichen, indem sie die Renten auf Beginn des folgenden Kalenderjahres der Preisteuerung an- passt; vorbehalten bleibt Art. 77bis über das Aussetzen der Rentenanpassung. Da der Konsumentenpreisindex aktuell unter 103.4 liegt, kann die Regierung die Renten nicht anpassen. Die Regierung müsste die Renten spätestens dann anpassen, wenn der Indexwert von 106.5 Punkten überschritten ist (massgebend ist das arithmetische Mittel von
22 Januar bis Juni, die Anpassung erfolgt dann zwingend auf den folgenden 1. Januar, vgl. Art. 77 AHVG). Sie müsste allerdings dann auf eine Rentenerhöhung verzich- ten, wenn die Reserven der AHV in diesem Zeitpunkt bereits geringer wären als das Fünffache einer Jahresausgabe (vgl. Art. 77bis AHVG). 5. Fragen zu Rentenanpassungen in der CH, A und D: a. Wie war die Teuerungs- und Rentenentwicklung in der Schweiz seit 2010? Wie bereits ausgeführt, hat Liechtenstein keinen eigenen Konsumentenpreisindex und es wird der vom Schweizer Bundesamt für Statistik monatlich errechnete Schweizerische Landesindex der Konsumentenpreise vom Amt für Statistik über- nommen. Betreffend die Teuerungsentwicklung in der Schweiz wird auf die Ant- wort 2 und insbesondere auf die Abbildung 1 verwiesen. In der Schweiz sind die Renten der AHV im geschilderten Zeitraum um gesamthaft 4.82% gestiegen. Das ist mehr als der "Anstieg" des Konsumentenpreisindexes, da auch die Lohnentwicklung in die schweizerische Rentenanpassung hineinspielt (Mischindex). In der folgenden Tabelle 2 werden die Mindestrente sowie die entsprechenden Erhöhungen (absolut und prozentual) dargestellt:
23 Mindestrente (x 12) Erhöhung absolut Erhöhung prozentual 2009 CHF 1'140.- 2010 2011 CHF 1'160.- CHF 20.- 1.75% 2012 2013 CHF 1'170.- CHF 10.- 0.86% 2014 2015 CHF 1'175 CHF 5.- 0.43% 2016 2017 2018 2019 CHF 1'185.- CHF 10.- 0.85% 2020 2021 CHF 1'195.- CHF 10.- 0.84% Total CHF 55.- 4.82% Tabelle 2: Entwicklung Mindestrente in der Schweiz (2008-2021)
24 b. Wie war die Teuerungs- und Rentenentwicklung in Österreich seit 2010 im Durchschnitt, d.h. nicht nur bei den tiefsten Renten? Der österreichische Verbraucherpreisindex (Basis: 2005=100) hatte im Januar 2010 einen Stand von 107.9 Punkten. Er hat im August 2021 einen Stand von 135.1 Punkten. In Prozent ausgedrückt ist dies eine Zunahme um 25.2% seit 2010. Die Pensionen sind demgegenüber etwas weniger stark angestiegen. Gerechnet ab der Erhöhung per 2011 bis 2020 zeigt sich ein kumuliertes durchschnittliches Ren- tenwachstum um 23.0%. In Österreich hängt die Pensionsanpassung von verschiedenen Faktoren ab. Im Wesentlichen geht es um den Inflationsausgleich, es spielen aber auch sozialpoli- tische Faktoren mit. Geringe Renten werden oft stärker angepasst als hohe Ren- ten. Die durchschnittliche Jahresbruttorente liegt in Österreich inzwischen bei EUR 26'577, somit EUR 2'215 im Monat (Jahresbetrag durch 12) bzw. rund EUR 1'900 im Monat (Jahresbetrag durch 14 Zahlungen pro Jahr). Die Erhöhung der «Durchschnittspensionen» seit 2009 wird in der Tabelle 3 dar- gestellt:
25 Jahr Erhöhung der «Durchschnittspensionen» 2009 3.4% 2010 1.5% 2011 1.2% 2012 2.7% 2013 1.8% 2014 1.6% 2015 1.7% 2016 1.2% 2017 0.8% 2018 2.2% für die geringeren Renten 2019 2.6% für die geringeren Renten 2020 3.6% für die geringeren Renten 2021 3.5% für die geringeren Renten Tabelle 3: Entwicklung Pensionen in Österreich (2009-2021) c. Wie war die Teuerungs- und Rentenentwicklung in Deutschland seit 2010 im Durchschnitt, d.h. nicht nur bei den tiefsten Renten? Der deutsche Verbraucherpreisindex (Basis: 2015=100) hatte im Januar 2010 ei- nen Stand von 93.9 Punkten. Im August 2021 waren es 110.1 Punkte. In Prozent ausgedrückt ist das eine Zunahme um 17.3%. Die Renten sind demgegenüber
26 stärker angestiegen, da für die Rentenerhöhungen in Deutschland – vereinfacht ausgedrückt – auf die Lohnentwicklung abgestellt wird. In Deutschland wird zwischen den Renten für West- und Ostdeutschland unter- schieden. Die Renten für Ostdeutschland werden seit der Wiedervereinigung stär- ker erhöht, um sie schrittweise bis spätestens 1. Juli 2024 an die Renten für West- deutschland anzugleichen (Die Rentenanpassungen erfolgen nicht auf Kalender- jahresanfang, sondern stets auf 1. Juli). Die deutsche "Standard- oder Eckrente" wird einem Versicherten ausgerichtet, der über 45 Versicherungsjahre hinweg stets ein Entgelt in Höhe des Durch- schnittsentgeltes aller Versicherten erzielt und dementsprechende Beiträge ge- leistet hat. Diese Rente betrug 2010 in Ostdeutschland EUR 1'086 und in West- deutschland EUR 1'224. Im Jahr 2021 betrug die Standardrente in Westdeutsch- land EUR 1'539 und in Ostdeutschland EUR 1'506 (12 Mal pro Jahr). Das sind im Verhältnis 2010 zu 2021 Steigerungen von 25.7% (Westdeutschland) bzw. 38.7% (Ostdeutschland). Die prozentuale Rentenerhöhungen in West- bzw. Ostdeutschland ab 2009 wer- den in der Tabelle 4 dargestellt:
27 Jahr Erhöhung Erhöhung Ostren- Westrenten ten prozentual prozentual 2009 2.41% 3.38% 2010 - - - --- 2011 0.99% 0.99% 2012 2.18% 2.26% 2013 0.25% 3.29% 2014 1.67% 2.53% 2015 2.10% 2.50% 2016 4.25% 5.95% 2017 1.90% 3.59% 2018 3.22% 3.37% 2019 3.18% 3.91% 2020 3.45% 4.20% 2021 - - - 0.72% Tabelle 4: Entwicklung Renten in Deutschland (2009-2021) 6. Wie sieht die liechtensteinische Rente im Vergleich zu unseren Nach- barländern betreffend Höhe, Kaufkraft und Medianlohnverhältnis aus? Diesbezüglich liegen keine statistischen Daten vor.
28 Es ist davon auszugehen, dass die Kaufkraft in der Schweiz und in Liechtenstein vergleichbar sind. In der Schweiz belief sich der Medianlohn im Jahr 2018 einer Vollzeitstelle in der Schweizer Gesamtwirtschaft (privater und öffentlicher Sektor) auf CHF 6538 brutto pro Monat. Zwischen den Wirtschaftsbranchen und auch zwischen den Re- gionen bestehen noch immer grosse Lohnunterschiede (zum Medianlohn in Liech- tenstein; vgl. die Antwort 1). 11 Ein direkter Vergleich der Renten ist lediglich mit der Schweiz möglich, da die Ren- tensysteme vergleichbar sind. Die Renten der ersten Säule bzw. AHV-IV in Liech- tenstein sind auf das Kalenderjahr gerechnet höher als jene des Nachbarstaats Schweiz, was auf das in Liechtenstein ausgerichtete Weihnachtsgeld zurückzufüh- ren ist. Ein direkter Vergleich der Renten mit Österreich ist schwierig. Denn Österreich kennt keine gesetzlichen Höchstrenten, dafür Beitragsbemessungsgrenzen. Man müsste somit Durchschnittsrenten vergleichen. Solche Durchschnittsrenten sind für Liechtenstein wegen der hohen Zahl der Grenzgänger und der Renten für ehe- mals Nichterwerbstätige jedoch verzerrt und würden deswegen sehr niedrig aus- fallen. Ein Vergleich müsste zudem ganzheitlich erfolgen, so insbesondere auch unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen Situation, der 2. Säule in der Renten- versicherung, Transferleistungen des Staates sowie wesentlichen Kostenfaktoren ausserhalb der offiziellen Inflationsraten wie zum Beispiel Immobilienpreisen oder Krankenkassenprämien. 11 www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/kataloge-datenbanken/medienmitteilungen.assetde- tail.11927344.html
29 7. Gibt es schon eine angepasste Modellrechnung der LIBERA zur AHV- Entwicklung in Liechtenstein? Welche Veränderungen zur letzten Mo- dellrechnung (BuA 138/2019, Anhang LIBERA, Seite 29, Tabelle 11) mit Basisjahr 2018 sind signifikant? Diesbezüglich wird auf den Bericht und Antrag Nr. 69/2021 verwiesen. 8. Welche finanziellen Folgen hätte eine Rentenanpassung von zum Bei- spiel auf 2.0 oder 3.0%: a. auf die Höhe der Ausgaben; und b. auf das Verhältnis des AHV-Fonds zu den Jahresausgaben? Mit Bericht und Antrag Nr. 69/2021 betreffend Massnahmen zur langfristigen fi- nanziellen Sicherung der AHV wurde dem Landtag eine Aufdatierung des versiche- rungstechnischen Gutachtens per 31. Dezember 2018 (im Folgenden: Kurzgutach- ten 2021) zur Kenntnis gebracht. Im Kurzgutachten wurden die finanziellen Aus- wirkungen der Variante einer Anpassung der Mindestrente von CHF 1'160 auf CHF 1'200 als Prognosemodell berechnet. Das würde einer Rentenerhöhung von 3.45% entsprechen. Dieser Betrag bzw. Erhöhung wurde im Zeitpunkt der Auftragsertei- lung beispielhaft bzw. willkürlich gewährt. Wie dem Bericht und Antrag Nr. 69/2021 bzw. Kurzgutachten 2021 entnommen werden kann, würde im Falle einer Erhöhung der Mindestrente auf zum Beispiel CHF 1’200 bzw. der Höchstrente auf CHF 2'400 das Verhältnis von Fondsvermögen zu Jahresausgaben per Ende 2040 weniger als 5 betragen. Um ein Vermögen von mindestens fünf Jahresausgaben sicherzustellen, müssten im Falle einer Renten- erhöhung weitere Massnahmen beschlossen werden.
30 9. In Ergänzung zur Frage 8: Um welchen Prozentsatz müssten die Arbeit- geber- und Arbeitnehmerbeiträge erhöht werden, sofern eine Renten- anpassung anhand diesen Parametern finanziert werden würde? Die negative finanzielle Auswirkung einer Erhöhung der Maximalrente auf CHF 2'400 könnte zum Beispiel durch eine Erhöhung des Beitragssatzes um 0.6 Pro- zentpunkte auf 8.7% oder durch eine Erhöhung des Rentenalters auf 66 Jahre aus- geglichen werden (vgl. Bericht und Antrag Nr. 69/2021). 10. Die Versorgungsquote im Alter (Rente im Verhältnis zum früheren Lohn) sinkt mit jeder im neu in die Rente eintretenden Generation im- mer weiter. Die 1. Säule, zumindest deren Höchstrente, kann das Exis- tenzminimum bereits heute nicht mehr decken. a. Bei einem Rentenhöhe-Stillstand - seit nunmehr zehn Jahren - nimmt die Versorgungsquote im Alter prozentual ständig ab. Wie kann diese Lohnkraft Abwärtsspirale (Rente im Verhältnis des Medianlohnes) ge- stoppt und auf den % Stand von 2010 zurückgeführt werden? Im Jahre 2010 betrug die Höchstrente (Altersrente) der AHV für eine Einzelperson CHF 2'470 monatlich (CHF 2'280 mal 13 geteilt durch 12). Dies entsprach 39.5% des liechtensteinischen Medianlohns 2010. Heute (Zahlen Stand 2018) beträgt die Versorgungsquote bei einer Höchstrente von monatlich umgerechnet CHF 2'513 weniger als 37.7%. Um mindestens auf den Stand von 2010 zurückzukehren, könnte der Landtag beschliessen, die Renten der AHV zu erhöhen. Gemäss Art. 25bis AHVG wäre jedoch eine Gegenfinanzierung erforderlich, da die AHV von Ge- setzes wegen im Prognosezeitraum von 20 Jahren noch fünf Jahresausgaben in Reserve zur Verfügung haben soll. Art. 25bis Abs. 2 AHVG bestimmt, dass die Re- gierung innerhalb von zwölf Monaten nach der Kenntnisnahme der versicherungs- technischen Prüfung durch den Landtag diesem Vorschläge für Massnahmen zu
31 unterbreiten hat, welche ein Vermögen von mindestens fünf Jahresausgaben am Ende des Zeitraums sicherstellen, wenn die versicherungstechnische Prüfung zeigt, dass am Ende dieses Zeitraums damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Anstalt unter das Fünffache der Jahresausgabe fällt. Um die Tendenz des Sinkens der Versorgungsquote zu stoppen oder zu bremsen, könnte eine entsprechende Abänderung der Art. 77 f. AHVG, zum Beispiel des Me- chanismus der Rentenanpassung, erfolgen. Anstatt die Rentenerhöhung an den Konsumentenpreisindex zu koppeln, könnte man zum Mischindex zurückkehren oder auf eine Anbindung an die Lohnentwicklung oder eine Lohnersatzquote wechseln. Diesbezüglich ist nochmals darauf hinzuweisen, dass es der Regierung gemäss Art. 77 f. AHVG derzeit verwehrt ist, die Renten zu erhöhen. b. Sollte Liechtenstein nicht anstreben, dass die AHV-Höchstrente ein be- stimmtes Mass, das sich an Löhnen orientiert - zum Beispiel x % des Medianlohns - nicht unterschreitet? Denkbar wäre, anstatt die Rentenerhöhung an den Konsumentenpreisindex zu koppeln, zum Mischindex zurückzukehren oder auf eine Anbindung an die Lohn- entwicklung oder eine Lohnersatzquote zu wechseln (siehe Antwort 10.a). 11. Sieht die Regierung andere Mechanismen für Rentenanpassungen, die einen adäquaten Teuerungsausgleich gewährleisten? Die Verbesserung des Rentenniveaus kann verschiedenen politischen, gesell- schaftlichen und wirtschaftlichen Zwecken dienen. Es kommt darauf an, was ein Staat als einen "adäquaten" Teuerungsausgleich bei Renten ansieht. Die Renten- höhe kann ein weites Spektrum von Zielen verfolgen: von der reinen Anbindung an die gezahlten Beiträge bis zum Sozialausgleich mit Armutsvermeidung, über
32 Kaufkraftsicherung mit Lohnersatzquote bis hin zur Teilhabe an der Wohlstands- entwicklung eines Landes. Es gibt, je nach konkreter Zielsetzung, in den einzelnen Staaten unterschiedliche Ansätze: die Angleichung an die Preise (wie in Liechtenstein und Österreich, wobei Österreich die Renten faktisch auch diskretionär anpasst), die Angleichung an die Löhne und teilweise auch die Lebenserwartung (wie in den nordischen Staaten mit hohem Rentenalter und ohne Rentenvorbezug), die Angleichung an einen Zwi- schenwert zwischen Löhnen und Preisen (wie in der Schweiz) oder auch Mischsys- teme (wie in Deutschland, bei dem Ostrenten stärker erhöht werden als die West- renten, oder die Niederlande, wo es eine hohe Grundrente gibt). Um die Situation in Liechtenstein besser beurteilen zu können, soll der statistische Armutsbericht, der im Jahr 2022 auf Basis der Daten von 2020 erstellt und im Win- ter 2022/23 publiziert wird, abgewartet werden (vgl. hierzu die Beantwortung der kleinen Anfrage «Arm sein in einem der reichsten Länder der Welt»vom 5. Mai 2021). 12. Welche anderen Bereiche stellen auf die Mindestrente ab und sind di- rekt von deren Einfrieren betroffen, und wie wirkt sich dies jeweils kon- kret aus? Die Gesamtauswirkungen einer Rentenanpassung wird in der Tabelle 5 stichwort- artig dargestellt (ohne Gewähr auf Vollständigkeit): AHV AHV-Renten (und Zusatzren- werden automatisch angepasst ten)
33 Übergangsgutschriften wird automatisch angepasst; es handelt sich um eine Sonderlösung aus den Übergangsregelungen der Geset- zesrevision per 1997 (§ 2 Abs. 9 Üb.Best. LGBl. 1996/192); es betrifft nur die Jahrgänge 1952 und älter und auch hier nur Personen, welche die Rente noch nicht angetreten haben (1952 + 65 = 2017); kann im Jahr 2021 vernachlässigt werden. AHV und IV Erziehungsgutschriften werden automatisch angepasst (Art. 63sexies Abs. 3 AHVG) Betreuungsgutschriften werden automatisch angepasst (Art. 63septies Abs. 4 AHVG) Diese beiden wirken sich auf die Rentenanwartschaft aus (wie fiktive Beiträge bzw. wie fiktiver Lohn). Sie sind an die Mindestrente gekoppelt. Wenn die Mindestrente auf Jahre hinaus nicht mehr erhöht wird (Teuerungs- Freeze), wirkt sich das nachteilig auf diese Gutschriften aus (das wäre grundsätzlich systemwidrig, denn diese Gutschriften sollten eher an die Lohnentwicklung gekop- pelt werden). Falls eine Lösung als erforderlich betrach- tet wird, könnte eine Entkoppelung dieser Gutschriften von der Mindestrente ins Auge gefasst werden. IV IV-Renten (und Zusatzrenten) werden automatisch angepasst (Art. 62 IVG)
34 IV-Nutzgrenze für Eingliede- wird automatisch angepasst (Art. 15 Abs. 2 IVV) rungsmassnahmen IV-Nutzgrenze für Kapitalhilfe wird automatisch angepasst (Art. 16 Abs. 1 Bst. d IVV) für Selbstständigerwerbende IV-Höchstgrenze für Drittleis- wird automatisch angepasst (Art. 32 Abs. 2 IVV) tungen anstelle Hilfsmittel EL EL-Einkommensgrenzen sind eine "Ausgaben-Pauschale" für allgemeine Lebens- haltungskosten, sie können unabhängig vom "Ausgangs- punkt" an die Teuerung angepasst werden (Art. 2bis i.V.m. Art. 1 Abs. 1 ELG). Üblich und sinnvoll war bisher ein "Parallelismus" zur AHV-Rentenerhöhung (wenn nur die Renten erhöht werden, aber die EL-Einkommens- grenzen stehen gelassen werden, dann hat der EL-Bezü- ger im Total keinen Teuerungsausgleich, er hätte gleich viel im Total. EL-Vermögens-Freibeträge können unabhängig vom "Ausgangspunkt" an die Teue- rung angepasst werden (Art. 2bis i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Bst. b ELG); sinnvoll ist, die Anpassung spätestens parallel zur Rentenerhöhung zu prüfen. EL-Erwerbs-Freibeträge können unabhängig vom "Ausgangspunkt" an die Teue- rung angepasst werden (Art. 2bis i.V.m. Art. 2 Abs. 2 ELG); sinnvoll ist, die Anpassung spätestens parallel zur Rentenerhöhung zu prüfen.
35 EL-Krankenkassen-Prämien- können unabhängig vom "Ausgangspunkt" an die Teue- Pauschalen rung angepasst werden (Art. 2bis i.V.m. Art. 2 Abs. 4 Bst. d ELG); sinnvoll ist, die Anpassung spätestens parallel zur Rentenerhöhung zu prüfen. EL-Wohnnebenkosten-Pau- können unabhängig vom "Ausgangspunkt" an die Teue- schalen rung angepasst werden (Art. 2bis i.V.m. Art. 2 Abs. 4 Bst. f ELG); sinnvoll ist, die Anpassung spätestens parallel zur Rentenerhöhung zu prüfen. EL-Mietzins-Obergrenzen können unabhängig vom "Ausgangspunkt" an die Teue- rung angepasst werden (Art. 2bis i.V.m. Art. 2 Abs. 4 Bst. f ELG); sinnvoll ist, die Anpassung spätestens parallel zur Rentenerhöhung zu prüfen. EL-Hypothekarschuld-Ober- läuft parallel zur Mietzins-Obergrenze (Art. 2 Abs. 4 Bst. grenze b ELG) EL-behinderungsbedingte können unabhängig vom "Ausgangspunkt" an die Teue- Mehrkosten rung angepasst werden (Art. 2bis i.V.m. Art. 2 Abs. 4 Bst. h ELG); sinnvoll ist, die Anpassung spätestens parallel zur Rentenerhöhung zu prüfen. EL-Maximum-häusliche-Be- wird automatisch angepasst (Art. 2 Abs. 4 Bst. e ELG; treuung Sonderfall bei Parallelbezug von Pflegegeld) EL-Maximalgrenzen werden automatisch angepasst (Art. 1 Abs. 3 ELG) Pflegegeld
36 Pflegegeld kann unabhängig vom Ausgangspunkt an die Teuerung angepasst werden (Art. 3novies Abs. 2 ELG) Hilflosenentschädigung Hilflosenentschädigung werden automatisch angepasst (Art. 3bis Abs. 4 ELG) Blindenbeihilfe Blindenbeihilfen können nur bei Erhöhung der Mindestrente angepasst werden, aber nicht automatisch (Art. 4bis BBHG) 2. Säule BPV- Lohn-Untergrenze für Ob- wird automatisch angepasst (Art. 4 Abs. 1 BPVG) ligatorium BPV-Lohn-Obergrenze-für-Obli- wird automatisch angepasst (Art. 6 Abs. 3 BPVG) gatorium Sozialhilfe/Unterhaltsvorschuss Maximum bei Unterhalts-Vor- wird automatisch angepasst (Art. 9 Abs. 4 SHG, Art. 27 schuss Abs. 2 SHV) Höhe des Unterhaltsvorschus- wird automatisch angepasst (Art. 6 Unterhaltsvorschuss- ses gesetz) Sozialhilfe Bei der Sozialhilfe wird die Rente berücksichtigt. Prämienverbilligung
37 Prämienverbilligung Der Anspruch auf Prämienverbilligung ist Einkommens- abhängig. Die AHV-Rente gilt als steuerbarer Erwerb und wird berücksichtigt. Wird die Rente erhöht, würde das entsprechend zu einer Verringerung der Prämienverbil- ligung führen. Mietbeiträge Unterhaltspflicht-Abzug-Maxi- wird automatisch angepasst (Art. 5 Abs. 4 des Gesetzes mum über die Mietbeiträge). Sonstiges Überbrückungsgeld für Staats- Art. 39a BesG stellt automatisch auf Höchstrente (und angestellte bei vorzeitigem Al- damit auf Mindestrente) ab. tersrücktritt Tabelle 5: Auswirkungen einer Rentenanpassung auf andere Bereiche (Übersicht)
38 II. ANTRAG DER REGIERUNG Aufgrund der vorstehenden Ausführungen unterbreitet die Regierung dem Land- tag den Antrag, der Hohe Landtag wolle diese Interpellationsbeantwortung zur Kenntnis nehmen. Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Landtagspräsident, sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete, den Ausdruck der vorzüglichen Hochachtung. REGIERUNG DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN gez. [Dr. Daniel Risch]
Sie können auch lesen