"Jahreszeit Weihnachten - Einblicke - Green Care
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© Maria Putz „Jahreszeit Weihnachten“?! – Einblicke … Eintauchen in den Duft von Tannenreisig und Wacholder, gemeinsam gärtnerische Ziele im Blick haben und dabei Herausforderungen, Ressourcen und persönliche Entwicklungen in den Mittel- punkt stellen... von Klinik-MitarbeiterInnen werden I n der Gärtnerei des Universitätskli- ber arbeiten, auf uns? Wie wirken diese Merry Green Care! nikum Salzburg – Christian Doppler speziellen Arbeiten über einige Wochen von Frau H. „eingesammelt“, die mit Klinik (Österreich) beginnen nach hin, in die wir „eintauchen“? Können Charme und Geschick jede Gelegen- Allerheiligen die Vorbereitungsarbeiten Entwicklungen beobachtet werden? Wie heit dazu nutzt (bei Hydrokulturar- für Weihnachten: Wir holen das Rei- drücken sich Einzelne in ihrer Arbeit aus beiten in Büros, Stationen, oder bei sig von zwei Tannen selbst von einem - was bewegt sie? Beispiele1 sollen dies Auslieferungen von Pflanzen). Bauernhof ab. Von uns werden 200 Ad- illustrieren. • Sammlung: Wer möchte mit eigenen ventkränze und 300 Gestecke für die Bildern zur Ausstellung beitragen? Stationen und den Verwaltungsbereich Gemeinsam feiern • Sammlung/ Präsentation: „Orte“ - die gefertigt. In den Gewächshäusern findet mich berühren, die mir besonders für ca. 100 MitarbeiterInnen ein Advent- Unsere große Gewächshaus-Weihnachts- gefallen, die ich gerne aufsuche, die kranzbindeabend statt, wir bereiten alles feier kann nur durch den Einsatz aller ge- eine Stimmung ausdrücken, wo ich dafür vor. Und mit einer festlichen Weih- lingen. Bilder und Überlegungen zur Ge- gerne arbeite. nachtsfeier im Gewächshaus beenden wir staltung geben dazu einen Einblick. Nun, • Projekt Jahreszeitenkalender: Der unser Arbeitsjahr. wenige Tage vor Weinachten, sind alle umschlossene Garten der Forensik wichtigen Arbeiten für das vergangene - mit einer Patientin fotografiere ich Wir sind ein großes Team Jahr abgeschlossen. Wir schauen zurück alle zwei Monate ein Jahr lang vor und auch nach vor - wir gestalten eine Ort, aus ihrem Blickwinkel. Sie hatte Es besteht aus sechs Gärtnern und mir, große Fotoausstellung: der Blick Einzel- begonnen, diesen Garten während acht Reha-MitarbeiterInnen, maximal ner auf die Arbeit, auf Pflanzen, auf das ihrer Mitarbeit in der Gärtnerei noch zwölf PatientInnen des UK für Psychia- vergangene Jahr mit einem Schwerpunkt- mehr zu gestalten und Gartenpflege trie, Psychotherapie und Psychosomatik thema, das wir gemeinsam entwickeln. als Freiraum für sich zu entdecken. und der Jugendpsychiatrie, sowie maxi- Ideen dafür sind: mal 15 TeilnehmerInnen des Pro Men- • Spontane Wortbeiträge zu den Fotos Dass die Abteilungen „Technik und Bau/ te Jugendprojektes „Produktionsschule sammeln, als Kommentar (mit Namen) Liegenschaften“ und „Medizin/ The- Jumber“. Meine Aufgabe als Ergothera- am Bild anbringen. rapie“ auch durch unsere Vorgesetzten Green Care 4|2019 peutin ist es, vor allem die PatientInnen vertreten sind, ist natürlich noch mehr • Umfrage im Gartenteam/ Präsentation: bei der Arbeit therapeutisch zu begleiten. Ansporn, unsere Arbeit - unsere „grüne Was bedeutet die Arbeit für mich in Umwelt“ - in den Mittelpunkt zu stellen. der Gärtnerei? Jahreszeit Weihnachten In dieser Feier kommt jedes Jahr gut zum • Umfrage/ Präsentation: Wie werden Ausdruck, wie sehr wir uns als Team ver- Wie wirkt nun das Material, mit dem wir wir von unserer Umgebung als Gärt- stehen, in dem jeder seinen Platz finden besonders im November und Dezem- nerei wahrgenommen? Wortbeiträge kann, in dem jeder das Seine beiträgt! 37
Für manche ist es die einzige Feier, die sie in der Weihnachtszeit in Gesellschaft verbringen. Arbeitssituationen – Vier Beispiele Frau G. (40) ist sofort mit Feuereifer da- bei zu lernen, wie bei uns Adventkränze gebunden werden. Ihre Mitarbeit bei uns unterstützt den Erhalt der Arbeitsfähig- keit, das Erleben der eigenen Leistungs- fähigkeit, und - für sie die größte Her- ausforderung: das Einfügen in eine sehr dynamische und auch fragile Gruppen- © Maria Putz dynamik. Wir arbeiten Seite an Seite, Tannenreisig wird zugeschnitten, das Arbeitsmaterial wie Strohring, Drahtrolle und Astschere ter…, von seiner Familie, von Flucht sie von einem guten Lebkuchen, den sie liegen bereit. Bei so vielen MitarbeiterIn- und Kinderarbeit um zu überleben, um vor langer Zeit gebacken habe - und sie nen im Gewächshaus stehen wir eng an schließlich als unbegleiteter minderjäh- wisse noch das Rezept. Sie diktiert mir den Arbeitstischen; umso wichtiger ist es riger Flüchtling in Salzburg zu landen; die Zutaten. Als wir den Einkauf begut- also, seine Materialien gut geordnet bereit es begleitet ihn noch immer täglich die achten stellt sie fest, dass noch einiges zu haben. Das ist für Frau G. selbstver- Spannung, ob er den einzigen Familien- fehlt. Später duftet es: Ein ganzes Blech ständlich! Routine stellt sich bald ein. angehörigen, der noch lebt, telefonisch voller gefüllter Lebkuchenschnitten. Die- Braucht jemand in der Nähe Hilfe? Frau erreichen wird. Ganz oben auf einer unse- se werden natürlich gemeinsam gekostet, G. erkennt es sofort. Es duftet so inten- rer Bilder-Pflanzkistenpyramiden ist ein doch dann gut verschlossen in einer Dose siv! Harz klebt auch an unseren Händen. besonderes Schrift-Bild zu sehen: Gemü- für die Weihnachtsfeier gehortet. Und da Sie betrachtet immer wieder mit Bewun- se, Früchte und Kräuter aus seiner Hei- war natürlich auch Frau N. dabei! derung einzelne Zweige. Warum Kränze mat. Sie wurden von Herrn J. in mehreren Frau L. (16) entscheidet sich nach zwei Merry Green Care! zu Weihnachten? Fragen ergeben sich. Sprachen handschriftlich aufgelistet. Das Frau G. erzählt von Bräuchen aus ihrem gibt erstmals Anlass, sich auf ein langes, Schnuppertagen bei uns, in der Gärtnerei Kulturkreis und wie sie in den vergan- angeregtes Gespräch mit einem unserer mitzuarbeiten. Für sie ist dies Teil des Be- genen 25 Jahren, seit sie in Österreich Gärtner einzulassen. Die beiden sind nun handlungsprogramms der Jugendpsych- ist, Weihnachten „beobachtet“ hat. Doch ganz am Handy vertieft: Bilder aus der iatrie. Als Schulkind unauffällig, spricht nun ist Frau G. stationär hier in Behand- Heimat, von der Landwirtschaft und den sie nun fast nicht mehr. Ihre gebeugte lung! Was war geschehen? Sieht sie noch Landschaften dort. Haltung und der gesenkte Blick lassen Möglichkeiten für ihre Zukunft? Sorgen, sie sehr hilfsbedürftig wirken. Ihren Hän- Enttäuschung, Trauer und auch manch- Frau N. (58) beginnt im Herbst bei uns dedruck bei der Begrüßung spüre ich fast mal Zorn dringen an die Oberfläche. Wir mitzuarbeiten. Wir räumen Blumenbeete nicht. Die Arbeitskleidung den Wetterbe- wenden uns intensiv der Arbeit zu. Die im Park ab, schneiden im Gewächshaus dingungen anzupassen ist nicht selbstver- Kränze gelingen. So regelmäßig gebun- Kresse für die Küche, ernten Karotten ständlich. Nun steht sie in unserer Reihe den scheinen sie keinen Anfang und kein und putzen sie zum Einlagern. Frau N. ist an den Arbeitstischen beim Adventkranz- Ende zu haben. Frau G. trägt sie in das dabei unnahbar, wirkt misstrauisch, kriti- binden. Um die Äste zurechtzuschneiden Kühlhaus, wo sie auf eine Stange gereiht, siert dies und jenes. Bis wir beginnen Ad- muss sie mit der Astschere arbeiten, fest gelagert werden, bis wir mit dem Schmü- ventkränze zu binden. Das hat sie noch nie zudrücken, immer wieder. Büschel ma- cken beginnen werden. Erfolg, Freude gemacht, sagt Frau N. Wir können es gar chen, binden - Frau L. bleibt häufig „ste- und Anerkennung von allen Seiten. Wir nicht glauben - denn sie bindet den ersten cken“, führt die Bewegung nicht vollstän- machen weiter! Kranz in kurzer Zeit! Erstaunen allseits. dig aus. Wir vereinbaren, dass sie sich mir Zum ersten Mal sehe ich Frau N. lächeln. bei Fragen deutlich sichtbar zuwendet. Es Herr J. (21) fällt mir beim Jäten am Feld Herr Wessely, Leiter der Gärtnerei, bittet gelingt zusehends. Der Kranz „wächst“. sofort auf: Arbeitshaltung, Arbeitsweise sie, doch einen großen Kranz zu probie- Und als sich Frau L. an diesem Vormit- und Arbeitsrhythmus wirken so, als habe ren! Frau N. stellt sich umgehend darauf tag bei mir leise verabschiedet, sage ich er das immer schon gemacht. Viele un- ein, schneidet sich größere Büschel Zwei- in die Runde: „Frau L. verabschiedet sich serer Kräuter sind ihm bekannt und er ge zurecht, bindet und hebt und dreht für heute“. Da tritt Frau G. an sie heran, Green Care 4|2019 interessiert sich, wie sie hier heißen. Er den Kranz, der immer schwerer wird. Ich gibt ihr die Hand und sagt mit ihrer kräf- genießt intensiv den Duft, immer wie- schlage vor, den fast fertigen Kranz zu tigen Stimme: „Das hast Du aber gut ge- der. Das bringt uns ins Gespräch. Sonst wiegen, einfach so aus Neugierde: drei- macht heute!“ Da huscht ein Lächeln über still und zurückhaltend erzählt er bruch- zehn Kilogramm! Die reinste Gymnastik das Gesicht von Frau L. stückhaft von zuhause - einem Dorf auf - wir müssen beide lachen. Das Eis ist ge- über 1000m am Himalaya - sehr frucht- brochen. Frau N. fühlt sich nun sichtlich bar, Reis, Granatäpfel, Gemüse, Kräu- als Teil des Teams. Unter anderem erzählt 38
Arbeiten, die laufend je nach Anmerkung Maria Putz Witterung gemacht werden: Parkpflege, Baumpflege, Baumschnitt 1 Ähnliche Beobachtungen von Ergotherapeutin/ Spezialisierung Gar- Neuberger K., nachzulesen in: tentherapie, Re-integratives klinisch/ häckseln, Dachterrassen jäten, Herbst- praxisergotherapie, Dortmund: bepflanzung gießen, Sommerkulturen therapeutisches Arbeiten/ Gärtnerei modernes lernen. der Christian Doppler Klinik/ Salzburg, in den Gewächshäusern abräumen - Platz für Überwinterungspflanzen • Eine Verbindung von Therapie und Lehrbeauftragte, Autorin. schaffen, Weihnachtssterne einkaufen Gartenarbeit. 6/1991, S.89-93 maria.putz@salzburg.at - pflegen - auf Stationen ausliefern, • Gartenarbeit als Metapher. 4/1993, Christbäume bestellen - diese in Stän- S.88-93 der geben - ausliefern; Grünpflanzen umtopfen und aufstellen, Inventur, Literatur und Links Samenbestellung im Rahmen der Jah- resvorausplanung, Kräuteranbau im Putz, M. (2014). Eine Brücke zum Ar- Gewächshaus, Hydrokulturpflege in beitsleben - eine Brücke zu uns selbst: © Maria Putz allen Abteilungen, Kresse - Anbau und Die Klinikgärtnerei als Ort für Re-In- Ernte zweimal pro Woche, Anbau und tegratives Klinisches Arbeitstraining Ernte von Vogerlsalat/Feldsalat, Blu- im komplex psychiatrischen Behand- mengestecke für Dienstzeitehrungen, lungssetting. In: praxisergotherapie 4, für festliche Anlässe, Aufräumen von S. 85-94, Dortmund: Verlag modernes Lagerräumen, weihnachtliches Deko- lernen. rieren der Speisesäle. Gesellschaft Gartenbau und Therapie: www.ggut.org Merry Green Care! Green Care 4|2019 alle Bilder © Maria Putz 39
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