Jüdische Kultus-Gemeinde Essen

 
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Jüdische Kultus-Gemeinde Essen
Jüdische Kultus-Gemeinde Essen

 I. Geschichte der Juden in Essen

                                            1291 werden erstmals Juden als Einwohner von
                                            Essen urkundlich erwähnt. Sie wohnten abge-
                                            sondert im sog. "Judenhof", irgendwo zwischen
                                            Viehofer und Limbecker Tor. Als "Schutzjuden"
                                            unterstanden sie der Äbtissin von Essen, die
                                            Landesherrin war. Ihrer Duldung lagen, wie anders-
                                            wo, wirtschaftliche Motive zugrunde: Für das Recht,
                                            sich in Essen niederzulassen, mußten sie ein
                                            "Schutzgeld" an die Landesherrin zahlen. Trotz
                                            dieser Schutzbriefe wurden die Essener Juden
                                            zwischen dem 14. und dem 17. Jh. mehrfach vom
                                            Rat der Stadt aus dem Stadtgebiet ausge-wiesen.
                                            Im Pestjahr 1349 kam es wie an vielen Orten auch
von Seiten der Essener Christen zu Pogromen und der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung
aus der Stadt, man warf ihnen eine Vergiftung von Brunnen vor. Nachdem im beginnenden 15. Jh.
wieder einige jüdische Bürger in Essen Fuß gefaßt hatten, erzwangen 150 Jahre später Essener
Bürger gegen den Willen der Äbtissin und Landesherrin wiederum eine Ausweisung des jüdischen
Teils der Bevölkerung. Ab dem Ende des 16. Jahrhunderts kam es zu einer langsamen
Neuansiedlung jüdischer Familien.

Bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts wird in amtlichen Dokumenten ein Rabbiner erwähnt, was
den Rückschluß auf ein beginnendes jüdisches Gemeindeleben in Essen erlaubt.

Erstmals 1683 ist in einem Essener Ratsprotokoll von einer Synagoge die Rede, sie stand auf der
Südseite der heutigen Straße Zwölfling, nordöstlich der Münsterkirche. Im Jahr 1808 konnte eine
neuere Synagoge in der heutigen Gerswidastraße eingeweiht werden. Auch sie wurde für die
mittlerweile blühende jüdische Gemeinde aber bald zu klein und wurde 1870 durch ein großes
Gebäude ersetzt, das bis 1937 stand.

                              1847 erhielt die Essener Synagogengemeinde, die auch die
                              damals selbständigen Orte Steele, Werden und Borbeck umfaßte,
                              im Zuge der preußischen Emanzipationsgesetze die Rechte einer
                              juristischen Person, 1858 gab sie sich ihre endgültigen Statuten.
                              Ein jüdischer Frauenverein und ein "Beerdigungsbrüderschaft"
                              wurden gegründet, die jüdischen Schulen in Essen und Steele
                              wurden zu öffentlichen Schulen erklärt.

                              Der heute als "Alte Synagoge" bekannte Bau des christlichen
                              Essener Architekten Edmund Körner an der Steeler Straße konnte
                              1913 eingeweiht werden. In einigen Elementen des Baustils
                              angelehnt an christliche Sakralbauten, bot er im Betsaal 1.400
                              Gläubigen Platz. "Insgesamt dokumentierte der Bau das
                              Selbstverständnis und den Zukunftsoptimismus einer jüdischen
                              Gemeinde, die keinen Zweifel an der Dauerhaftigkeit jüdischen
                              Lebens in Deutschland hegte."

Die Essener Juden gehörten zu dieser Zeit überwiegend dem gehobenen Mittelstand an. Die
Gemeinde war mehrheitlich nicht orthodox, sondern liberal eingestellt. In den Jahren des ersten
Weltkrieges kamen orthodoxe Juden, in der Regel einfache, ärmere Leute in größerer Zahl aus
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Osteuropa auch nach Essen. Es kam zu Differenzen unter den Menschen so unterchiedlicher Her-
kunft und Tradition, schließlich zu getrennten Synagogeng’ttesdiensten und eigenen Rabbinern
beider Gruppen.

Bis zum Jahr 1933, mit Einschränkungen sogar bis 1938, organisierten die jüdischen Bürger
Essens ein blühendes Gemeinde und Kulturleben. Die Gemeinde hat 1933 ca. 4.500 Mitglieder.
Es gab neben den Schulen und Vereinen einen jüdischen Kindergarten, einen
Schülerhort, das gut ausgestattete Jugendheim an der Sedanstraße (auf dem Platz der heutigen Neuen
Synagoge) und ein Altersheim. Noch bis zur Pogromnacht 1938 veranstaltete der Jüdische
Kulturbund im Jugendheim Konzerte, Theateraufführungen und Vorträge. Neben den Synagogen
in Essen Mitte und Steele gab es nun auch jüdische G’tteshäuser in einigen Stadtteilen bzw.
Vororten, z. B. im zum großen Teil von Juden bewohnten Borbeck.
Die erste antijüdische Aktion der neuen nationalsozialistischen Machthaber nach 1933 war der
"Judenboykott" im selben Jahr. 700 jüdische Bürger Essens wurden bereits in diesem Jahr in
"Schutzhaft" genommen, was in der Regel die spätere Überführung in ein Konzentrationslager
bedeutete. Auf dem Burgplatz in Essen wurden die Bücher jüdischer Autoren öffentlich verbrannt.
Juden wurden, wie überall in Deutschland, auch in Essen aus den städtischen bzw. staatlichen
Diensten entlassen. Da Juden das Halten und der Erwerb von Tageszeitungen untersagt war, gab
die Essener Gemeinde bis 1938 ein eigenes Wochenblatt heraus.

Bereits in den ersten Jahren nationalsozialistischer Herrschaft verließ ein Teil der jüdischen
Bürger Essens ihre Heimatstadt und wanderte aus, insgesamt gelang es zwischen 1933 und 1941
etwa 60 % der Essener Juden, ins Ausland zu emigrieren, viele von Ihnen gerieten allerdings im
benachbarten Ausland später wieder in den nationalsozialistischen Machtbereich. Am 28. Oktober
1938 wurden die staatenlosen und die polnischen Angehörigen der jüdischen Gemeinde (es gibt
Schätzungen, die sich auf 500 Menschen belaufen) im Zuge der von den Nationalsozialisten sogenannten
"Polenaktion" nach Polen deportiert.

                           In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 (sog.
                           "Reichskristallnacht") wurde die große Synagoge in Brand gesetzt, das
                           Innere der Synagoge zerstört und das Heiligste, die Thorarolle
                           verbrannt. Auch die Synagoge in Essen-Steele und das Jugendheim
                           in der Sedanstraße wurden Opfer der Gewalt. Fast alle jüdischen
                           Geschäfte Essens und zahlreiche Wohnungen wurden verwüstet und
                           eine Anzahl von wohlhabenden Juden in "Schutzhaft" genommen.
                           Der Synagogen-gemeinde Essen wurden die Körperschaftsrechte
                           aberkannt. Trotz ihrer ohnmächtigen Lage feierte die immer weiter
                           dezimierte Gemeinde in der folgenden Zeit noch G’ttesdienste in
Behelfsunterkünften, versorgte Alte und Kranke, führte Schulunterricht durch und vieles mehr.

Im September 1939 lebten noch 1600 jüdische Bürger in Essen. Der überwiegende Teil von ihnen
starb in nationalsozialistischen Vernichtungslagern. Heute steht vor der wiedererrichteten
Synagoge ein Mahnmal, das an die ermordeten Mitglieder der Gemeinde, ihre Zahl wird auf 2.500
geschätzt, erinnert.

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Jüdische Kultus-Gemeinde Essen
II. Die Jüdische KultusGemeinde Essen nach 1945

                    Nach 1945 kehrte nur eine geringe Zahl von jüdischen Bürgern aus dem
                    Ausland zurück, einige wenige überlebten ihre Zeit im Konzentrationslager
                    Theresienstadt. Hatte die blühende jüdische Gemeinde noch 12 Jahre zuvor
                    aus 4.500 Mitgliedern bestanden, so fanden sich jetzt nur wenig mehr als 150
                    Juden wieder in Essen ein, nur ein geringer Teil von ihnen hatte vor 1933
                    bereits in Essen gewohnt. So konnte die Tradition jüdischen
                    Gemeindelebens in Essen nach dem Ende der nationalsozialistischen
                    Herrschaft nicht fortgesetzt werden. Im Mai 1945 gründete sich eine neue
                    jüdische Gemeinde, deren G’ttesdienst zunächst in notdürftig hergerichteten
                    Räumen eines Krankenhauses, eines Gasthauses und später des alten
                    Rabbinerhauses stattfanden.
                    Da die Essener Gemeinde nach ihrer Neugründung im Jahre 1945 nur etwa
                    150 Mitglieder zählte – im Jahre 1933 waren es 4.500 – stellte sich die Frage
ob die Restaurierung der alten und recht großen Synagoge und ihre Wiederinbetriebnahme als
Synagoge für solch eine kleine Gemeinde sinnvoll sei.

Schließlich einigte man sich auf zwei Lösungen: Der alte Bau an der Steeler Straße wurde
wiederhergerichtet und nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten 1986 – 1988 der Stadt als
Gedenkstätte und Kulturzentrum für Ausstellungen, Vorträge und andere kulturelle
Veranstaltungen zur Verfügung gestellt, und die jüdische Gemeinde erhielt einen Neubau an der
Sedanstraße, der der neuen Gemeindesituation entsprach und 1959 eingeweiht wurde.

Den Architektenwettbewerb gewannen die Essener Architekten Dieter Knoblauch und Heinz
Heise, die in Berlin das ebenfalls 1959 eingeweihte Jüdische Gemeindehaus errichteten. Sie
schufen in Essen eine Synagoge mit Gemeindezentrum. Doch anders als z. B. Helmut
Goldtschmidt mit seinen Gemeindezentren in Dortmund (1956) oder Münster (1961) schufen
Knoblauch und Heise nicht ein Gefüge verschiedener Raumgruppierungen zu einem
Gesamtkomplex, sondern setzten Synagoge und Gemeindebau räumlich und stilistisch
voneinander ab. Nur zwei seitliche überdachte Gänge verbinden die kreisrunde Synagoge mit
dem dahinterliegenden Trakt der quer gelagert und leicht geboten auf die Rundung der Synagoge
abgestimmt ist.
                                                               Die eigentliche Synagoge ist als
                                                               Halbkugel mit vorgelagertem
                                                               Eingangsbereich gebildet. Ihre
                                                               Außenhaut ist streifenartig durch
                                                               Partien mit farbigen Glasbausteinen
                                                               durchbrochen, die im Innern den
                                                               Eindruck von Zeltbahnen erwecken
                                                               und oben auf ein größeres rundes
                                                               Feld mit eingelassenem Magen
                                                               David treffen.
                                                               Die Synagoge ist für 200 Personen
                                                               konzipiert. Wegen der gebogenen
                                                               Außenhaut war die Einfügung von
                                                               Frauenemporen in einem
                                                               Obergeschoss nicht möglich.
                                                               Stattdessen zieht sich ein leicht
erhöhter, vom Männerraum durch eine Balustrade abgetrennter Frauenbereich an der runden
Wand entlang, die nur die Ostpartie ausspart. Hier bildet ein dunkles Dreieck einen farblichen
Kontrast zur hellen Kuppelwand und gleichzeitig den Hintergrund für den Aron Hakodesch,
dessen Außenteile mit jeweils 6, also insgesamt 12 Feldern die Motive der Zwölf-Stämme-
Symbolik einschließlich Beschriftung aufnehmen. So ist jedem der 12 Stämme Israels ein Feld

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gewidmet – in Erinnerung an den alten Bau mit dem gleichen Symbolzyklus auf den ehemaligen
Bronzeportalen.

                                                     In der Mitte des Aron Hakodesch hängt ein
                                                     Thoravorhang mit traditioneller Symbolik,
                                                     darüber findet sich das Motiv der beiden
                                                     Gesetzestafeln. Zwei schlichte
                                                     siebenarmige Leuchter rahmen den
                                                     Thoraschrein ein; das vorgesetzte Lesepult,
                                                     die Ehrensitze usw. sind dagegen sehr
                                                     schlicht gehalten.

                                                     Die Idee eines Synagogenbaues als
                                                     Zeltarchitektur und damit als Symbol für das
                                                     biblische Stiftszelt hat sich in dieser Zeit
                                                     nicht nur in Europa, sondern auch in den
                                                     USA und Israel entwickelt.

III. Gemeindetrakt / Gemeindesaal

1. Beschreibung
Allen Eingängen zur Synagoge ist ein Brunnen – in Form von kupfergetragenen Keramikschalen it
wasserspeiendem Fisch – zugeordnet. Der Entwurf für die Dekors der Schalen wurde von Eva
Samuel, der Tochter des ehemaligen Essenr Rabbiners – welche heute in Israel lebt – extra hier-
für angefertigt.
Durch den verglasten Gang ins sogenannte Profangebäude kommend, welches seinen eigent-
lichen Zugang der an der Sedanstraße hat, betritt man die Eingangshalle mit Garderobenanlage
frei im Raum angeordneter Treppe und Zugang zu den Gemeindebüros, Gemeindesaal, Küche,
Keller mit rituellem Bad etc.
Zwei MosaikWandflächen in eigenwilliger Gestaltungsweise – Albert Sötrop, Krefeld – verleihen
dieser Halle eine Note besonderer Würde und Eigenart.

Der Gemeindesaal mit Podium bietet Platz für ca. 250 Personen in Reihen oder für ca. 190
Personen mit Tischordnung. Großfläche Thermonpaneverglasungen zwingen den Blick – vorbei
an der Gedenk und Mahnsäule (Kerchner) über das Atrium – zur Kuppel. Der warme Ton der
TeakVerkleidungen und das Anthrazit der Waschputzsäulen halten der Betonglaswand die
Waage. Diese Glaswand gibt durch ihre eingestreuen, von Kurt Lewy gestalteten, farbigen
Glasflächen dem ganzen Saal Schwerpunkt und Inhalt (Leider musste diese Verglasung durch
Sicherheitsmaßnahmen verdeckt werden, so dass dieser Eindruck nicht mehr gegeben ist.) Ausgesuchte
Dekorationen vervollkommnen Zylinderleuchten diese Komposition.

2. Renovierung der Synagoge und des Gemeindetraktes

In den Jahren 2003 – 2004 wurde die Synagoge seit Bestehen erstmalig renoviert. Sie erhielt
einen neuen Anstrich, die Bestuhlung wurd neu aufgepolstert und erhielt neue Bezüge, der
Parkettboden aus MissandaHolz wurde abgeschliffen und neuversiegelt, die Türen, Verkleidungen
aus Makassar und Esche wurden überarbeitet, eine neuer Teppichläufer wurde verlegt. Die
Thorarollen erhielten neue Mäntel und das Vorbeterpult eine neue Decke.
Der Gang zur Synagoge erhielt einen Vorhang, neue Lampen und wurde neu gestrichen. Auch
der Gemeindesaal (Hirschlandsaal) erhielt eine neue Bestuhlung, neue Vorhänge und einen frischen
neuen Anstrich.
In der 1. Etage des Gemeindetraktes entstanden neue Büros für die Sozial und Integrations-
abteilung. Die Gemeindebibliothek erhielt einen Raum und alle Räume wurden hell und freundlich
renoviert.
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IV. Die Jüdische Kultus-Gemeinde Essen ab Beginn der Zuwanderung

1. Bedeutung der Zuwanderung
Die Jüdische KultusGemeinde Essen hatte Anfang 1990 nur noch ca. 150 Mitglieder. Seit Beginn
der großen Einwanderungswelle aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, die im Jahre 1990
einsetzte, konnte ein Anstieg der Mietgliederzahlen verzeichnet werden. Die ersten Einwanderer
erhielten durch die offene Politik der Landesregierung von NordrheinWestfalen durch den
damaligen Innenminister Herbert Schnoor spontan die Aufnahmeerlaubnis. Die russisch-
sprachigen Neuzuwanderer wurden mit offenen Armen empfangen. Jeder, der nachweislich zur
jüdischen Gemeinschaft gehört und sich bei seiner zuständigen Gemeinde angemeldet hatte,
wurde aufgenommen. Das hat die Struktur der Gemeinden von Grund auf verändert. Zählte die
Jüdische KultusGemeinde Essen Anfang 1990 nur noch 150 Mitglieder und war stark überaltert,
so verzeichnet sie im im Sommer des Jahres 2004 einen Mitgliederstand von 734 Personen mit
der Aussicht, weiter steigende Mitgliederzahlen zu verzeichnen. Wenn man die nichtjüdischen
Angehörigen unserer Mitglieder, die wir bei unseren Integrationsaufgaben mitbetreuen, so
kommen wir insgesamt auf 1.500 Personen. Heute bilden in allen jüdischen Gemeinden Nordrhein
Westfalens und der übrigen Bundesrepublik die sogenannten Neuzuwanderer aus der ehemaligen
Sowjetunion die Mehrheit, was natürlich eine großartige Bereicherung bedeutet. Aber zugleich
stellt es die jüdischen Gemeinden auch vor schwerwiegende Probleme.

2. Integration

Die Integration der neuen Gemeindemitglieder erfolgt auf vielen Ebenen und reicht von
Sprachkursen und Maßnahmen zur Beschaffung von Arbeitsplätzen und Wohnungen über
Religionsunterricht und Freizeitgestaltung für Jugendliche bis hin zu geselligen Treffen für ältere
Neuzuwanderer, die sich meist besonders schwer an die deutsche Sprache gewöhnen.

Ab 2002 gibt es eine Gemeindebibliothek (deutsch/russisch), einen Chor, ein Orchester, eine
Kindergruppe für die Kleinen im Alter von 3 - 6 Jahren, eine Jugendgruppe, eine Tanzgruppe, eine
Gemeindezeitung, eine Sozial/ Integrationsabteilung (Erstbetreuung Begleitung zu den Ämtern und
Instituti-onen, Antragstellungen, Lösungen bei Alltagsproblemen etc.)

3. Neue Aufgaben der jüdischen Gemeinde in ganz Deutschland

Das alles muß mit einem Mitarbeiterstab bewältigt werden, der nur wenig größer ist als vor dieser
Masseneinwanderung. Das liegt daran, dass die Gemeinden trotz des rapiden Mitgliederzu-
wachses kaum über mehr Einnahmen verfügen. Denn vorläufig sind noch etwa 75 Prozent der
neuen Gemeindemitglieder Sozialhilfeempfänger und müssen daher auch keine Kultussteuer an
ihre jüdische Gemeinde zahlen. Das ändert sich erst, wenn sie in den Arbeitsprozess eingegliedert
sind. Aber die Neuzuwanderer werden nur dann zu aktiven Mitgliedern werden, wenn es gelingt,
unsere Gemeinden strukturell und inhaltlich so zu gestalten, dass diese Menschen sich hier zu
Hause fühlen. Die Tatsache, dass in einigen jüdischen Gemeinden bereits Einwanderer aus der
ehemaligen Sowjetunion in den Gemeindevorstand gewählt wurden, ist ein positives Zeichen. Es
wird allen Gemeinden gut tun, wenn in ihren Verantwortungsgremien Leute sitzen, die die Pro-
bleme der Emigranten am eigenen Leibe erfahren haben und daher auch am besten wissen,
welche Maßnahmen am wichtigsten sind für eine erfolgreiche Integration. Die ist natürlich am
leichtesten zu erreichen bei den Kindern und Jugendlichen.

4. Vermittlung jüdischer Religion, Kultur und Geschichte
Die Vermittlung jüdischer Religion, Kultur und Geschichte ist neben dem Erlernen der deutschen
Sprache besonders wichtig. Unsere neuen Gemeindemitglieder sind in ihrem jüdischen
Selbstverständnis längst nicht so ausgebildet, wie die Alteingesessenen. In der Sowjetunion war
70 Jahre lang jede Religionsausübung bei Strafe verboten. So fehlen auch den Juden, die dort
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aufgewachsen sind, in der Regel die einfachsten Grundkenntnisse jüdichen Glaubens. Ein
Mangel, der bei den Älteren meist nicht mehr zu beheben ist. Um so erfreulicher ist das große
Interesse, das viele Jugendliche unserer Religion entgegenbringen. Sie erhalten dabei seitens der
Gemeinden jede nur mögliche Unterstützung. So ist eines der positiven Ergebnisse, dass viele
Jugendliche bereits Jüdische Religion als Abiturach wählen.

5. Vorstände der Jüdischen KultusGemeinde Essen ab 1959
1959 – 1963 es wurde keine Vorstand gewählt
1963 – 1966 Herr Jacobi / Herr Neugarten
1966 – 1969 Herr Neugarten / Herr Jolles
1970 – 1972 Herr Landau / Herr Jolles
1972 – 1975 Herr Schiffer / Herr Sperling
1975 1988 Herr Sperling/ Herr Reicher
1988 – 1998 Herr Reicher / Herr Colman
1998 – 2002 Herr Klein / Herr Budnizkij
2002 - 2004 Herr Budnizkij / Herr Wilner
2004 - 2005 Herr Budnizkij / Frau Ada Gröper-Sajber
2006 - 2007 Herr Budnizkij / HerrHans-Harmann Byron
2006 - 2007 Herr Budnizkij / HerrHans-Harmann Byron

6. Sicherheitsmaßnahmen
In den letzten Jahren sind die Jüdischen Gemeinden in Deutschland mehr und mehr dazu
übergangen, ihre Einrichtungen zu schützen. Dies ist aufgrund der vorhandenen Bedrohnungen –
die auch jüdische Einrichtungen betrifft – immer mehr unumgänglich geworden. In Zusammen-
arbeit mit der Polizei Essen – Kommissariat Vorbeugung, die eine Schwachstellenanalyse für
Synagoge und Gemeindetrakt erarbeitete, wurden die Sicherheitsmaßnahmen schrittweise ab
2003 umgesetzt und im Sommer 2004 zum Abschluss gebracht.

7. Daten (Anschrift, Tel./Fax/E-Mail, Bankverbindungen)
Anschrift:          Jüdische Kultus-Gemeinde Essen, Sedanstraße 46, 45138 Essen
Telefon:            0201/95996-0
Fax:                0201/95996-29
Email:              info@jg-essen.de
Bankverbindungen:   Postbank Essen, Konto-Nr. 51587-439, BLZ 360 100 43
                    HSBC Trinkaus & Burkhardt, Düsseldorf, Konto-Nr. 301 502 001, BLZ 300 308 80
                    (Auf die vorgenannten Konten können auch Spendengelder überwiesen werden.)

8. Öffnungszeiten des Gemeindebüros:
Montag:             8.30 – 12.00 und 13.00 – 17.00 Uhr
Dienstag:           8.30 – 12.30 ab 13.00 Uhr geschlossen *)
Mittwoch:           8.30-12.00 und 13.00 – 17.00 Uhr
Donnerstag:         8.30 – 12.00 und 13.00 – 18.00 Uhr
Freitag:            geschlossen*)
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8. Sprechzeiten des Gemeindevorstands
 Montag:             10.00 – 14.00 Uhr
 Donnerstag:         14.00 – 16.00 Uhr

 9. Einrichtungen In Vorbereitung:
 In nächster Zeit ist die Gründung von Bikkur Cholim- (für Kranke und Trauernde) und Chewra
 Kadischa-Gesellschaft (Tahara / Beerdigungen) vorgesehen.

 V. Makkabi Essen e. V.
 Sei dem Jahre 2000 gibt es in Essen wieder einen jüdischen Turnverein. Dieser Verein arbeiter
 völlig selbständig mit eigenem Vorstand und einer Satzung. Er bietet vor allem unseren
 Mitgliedern aber auch den nichtjüdischen Angehörigen Möglichkeiten Sport auszuüben.
 Es werden Turniere mit anderen Gemeinden veranstaltet und viele Sportarten je nach Bedarf
 angeboten. Hierzu gibt es immer Information im Foyer an einem „Schwarzen Brett“ wo nur
 MakkabiInformationen bekannt gemacht werden.

 VI. Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein, Düsseldorf

 Für die Gemeinden ist es bei ihren vielfältigen Aufgaben eine große Hilfe, dass sie in einer
 Dachorganisation zusammengefasst sind, dem Landesverband. 1922 wurde er als Preußischer
 Landesverband jüdischer Gemeinden erstmals gegründet, mit dem Ziel, alle gemeinsamen
 Angelegenheiten nach außen zu vertreten und bei der Vorbereitung von Gesetzen und
 allgemeinen Verwaltungsanordungen mitzuwirken. Zusätzlich sollte der Verband für die
 Ausbildung und Finanzierung von Rabbinern, Religionslehrern, Kantoren und Gemeindebeamten
 sorgen und die leistungsschwachen kleineren Gemeinden unterstützen. 1938 wurde auch diese
 Institution durch die nationalsozialistischen Machthaber gewaltsam aufgelöst.

 Erst 1953 konnten in den einzelnen Bundesländern erneut Landesverbände gegründet werden.
 Dem Landesverband von Nordrhein, der zahlenmäßig immer der größte der drei Landesverbände
 von NordrheinWestfalen war, gehören die acht Gemeinden Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen,
 Krefeld, Mönchengladbach, Duisburg und Wuppertal an. Gemeinsam zählen sie heute über
 15.000 Mitglieder, von denen die Hälfte in Düsseldorf lebt.
 Vor allem aber versucht der Landesverband seit 1990 die Integrationsarbeit für die Neuzu-
 wanderer aus der ehemaligen Sowjetunion nach Kräften zu unterstützen.

VII. Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland

 Das geschieht zum Beispiel in Zusamenarbeit mit der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in
 Deutschland. Hier werden für die Neuzuwanderer laufende Kurse mit sehr konkreten Hilfsange-
 boten für die unterschiedlichsten Berufsgruppen durchgeführt, seien es nun Ingenieure, Musiker,
 Schauspieler oder Menschen, die in der freien Wirtschaft arbeiten. Ebenso gibt es für die Mitar-
 beiter der Gemeinden, wie Jugendleiter, Kindergärtnerinnen, Sozialarbeiter oder Verwaltungsan-
 gestellte, regelmäßige Kurse, in denen diese Anregungen bekommen für ihre stark veränderten
 Arbeitsbereiche. Für die Kinder werden schließlich über die Zentralwohlfahrtsstelle jährlich diverse
 Ferienseminare angeboten, die ebenfalls wichtiger Teil unserer Integrationsarbeit sind. Für alle
 diese Maßnahmen gibt der Landesverband Zuschüsse.

VIII. Friedhof und Trauerhalle

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Neben den 4 geschlossenen Friedhöfen in Essen, ist der Jüdische Friedhof an der Schulzstraße
der für die heutige Jüdische KultusGemeinde Essen zuständige Friedhof auf dem Beerdigungen
stattfinden und nennt sich daher auch der neue Friedhof.
1. Entstehung und Geschichte
Die Anlage eines neuen jüdischen Friedhofs in direkter Nachbarschaft zum kommunalen
Parkfriedhof folgte der gesamtstädtischen Zielsetzung, das Bestattungswesen auf modernen
Großfriedhöfen zu zentralisieren. Der Grundstückskauf erfolgte 1929, die ersten Bestattungen
konnten 1931 nach Fertigstellung der Trauerhalle erfolgen. Die Lokalpresse würdigte das Projekt
wie folgt: „....Die Leichenhalle, deren Planbearbeitung und Bauleitung in der Hand des Architekten
B.D.A. Hermann Finger (Essen) liegt, wird in ihrer äußeren Formgebung den großen
Schwesternbauten auf dem Parkfriedhof in sinngemäßer Weise angepasst. Sie erhält eine Länge
von etwa 18 Meter und eine Breite von 13,50 Meter. Um den Zentralraum für die Grabfeier
gruppieren sich die Räume für Rabbiner und Leidtragende sowie die Aufbahrungshalle nebst den
dazu angeordneten Nebenräumen. Auch ist eine kleine Empore für die Sänger bei der Trauerfeier
vorgesehen. Mit den Fundamentierungs und Betonarbeiten ist bereits begonnen worden.....“

Hermann Finger (1891?) der „Planbearbeitung und Bauleitung“ übernommen hatte, war ein in
Essen ansässiger jüdischer Architekt. Finger emigrierte mit seiner Familie 1938 in die USA, da er
in Deutschland seinen Beruf nicht mehr ausüben durfte. Dort war er ab 1942 beim National Board
of the Young Men’s Christian Association (YMCA), Building and Furnishing Service, beschäftigt.
Neueren Untersuchungen zu Folge stammte der eigentliche Entwurf der Halle von Ernst Bode
(1878-1944). Als Baudezernent der Stadt Essen und Leiter des Hochbauamtes trug er zwischen
1920 und 1934 entscheidend zum modernen Stadtbild Essens bei. Die gelang ihm als Verfasser
eigener Entwürfe und durch enge Zu sammenarbeit mit renommierten Architekten des Modernen
Bauens wie Alfred Fischer, Edmund Körner, Josef Rings und Georg Metzendorf. Von Bode selbst
stammen in Essen u. a. die Neugestaltung des Burgplatzes mit Lichtburg, Blum (heute Peek &
Cloppenburg) und BaedekerGebäude, das Bürohaus Glückauf, die Badeanstalt Altenessen sowie
die Trauerhallen von Südwest und städtischem Parkfriedhof.

Die Trauerhalle der Essener Synagogengemeinde war zugleich Bodes letzter in Essen realisierte
Entwurf, da er sich ab 1933 in künstlerischer Isolation befand und daraufhin 1934 seine Stellung
kündigte.

Kurz nach Fertigstellung der Trauerhalle begann mit der Ernennung der Regierung Hitler und der
Wahl eines nationalsozialistischen Stadtrates die Entrechtung und Verfolgung der Juden auch in
Essen. Für diese Zeit ist über die Geschichte des Jüdischen Friedhofs und der Trauerhalle wenig
überliefert. Während des Pogroms am 9./10. November 1938 wurden die Synagogen in Essen
und Steele sowie das Jüdische Jugendheim (Sedanstraße – heute Sitz der Jüdischen KultusGemeinde
Essen) demoliert und in Brand gesetzt, die Trauerhalle hingegen wurde nicht zerstört.

In den Jahren 1941/42 wurde die Essener Synagogengemeinde gezwungen, den innerstädtischen
Friedhof Lazarettstraße aufzugeben, da die Stadtverwaltung dort einen „Luftschutzneubau“ plante.
Die Stadt zeigte sich bereit, einige von der Gemeinde auszuwählende Gräber von Kriegsteil-
nehmern zum neuen Jüdischen Friedhof zu verlegen. Umgesetzt wurden offensichtlich 38
Grabstellen. Zwischen dem 6. und 8. Juni 1942 wurden 16 der Grabsteine umgeworfen und auf
Kosten des städtischen Hochbauamtes wieder aufgestellt. Belegt ist damit, dass der neue
Jüdische Friedhof und mit ihm die Trauerhalle genutzt wurden, bis das rituelle Gemeindeleben in
Folge der Deportationen 1942/43 endgültig zum Erliegen kam.

Im Mai 1945 gründete sich in Essen die jüdische Gemeinde neu. Im august 1945 beantragte die
Gemeinde den Umbau von Nebenräumen der Trauerhalle zu einer Wohnung für den Friedhofs-
gärtner und seine Familie. 1947 wurde der Wohntrakt durch die Familien von drei Gemeinde-
angestellten (Friedhofsgärtner und Aufseher) bewohnt, die Kriegsschäden waren „zum größten Teil“
beseitigt worden.

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Blieb die strenge Kubatur des Baukörper zunächst unverändert, so stellte der 1961 nach Plänen
von Eberhard Haakshorst errichtete Wohntrakt an der nordwestlichen Hallenecke einen Eingriff in
das Erscheinungsbild dar. Allerdings orientierte Haakshorst sich an der vorhandenen Formen-
sprache, so dass die Trauerhalle sich auch heute noch als bauliche Einheit darstellt. Dies war
zugleich bis zur Sanierung 2000/2001 der letzte größte bauliche Eingriff.

2. Renovierung / Sanierung 2000/2001

Neben der Beseitigung baulicher Schäden standen bei der Sanierung von Beginn an konser-
vatorische Belange im Mittelpunkt. Für die Denkmalpflege bestanden durch die kooperative Ar-
beitsweise der Projektträger hervorragende Arbeitsbedingungen. Es beteiligten sich finanziell an
diesem Projekt in erster Linie die Krupp von Bohlen und HalbachStiftung, das Arbeitsamt Essen
mit der Vermittlung von Arbeitskräften über Träger in der Jugendarbeit.

Bereits 1987 hatten eine Untersuchung durch die Restaurierungswerkstatt des Rheinischen
Amtes für Denkmalpflege Rückschlüsse auf das historische Farbkonzept ergeben. Demnach wa-
ren im Inneren die Decke der Halle sowie die Seitenflächen der Unterzüge graublau, die
Unterflächen der Unterzüge hingegen in einem dunkleren, graugrünlichen Blau gehalten. An den
Wandflächen fand sich ein grau eingefärbter, gleichmäßig aufgebrachter Spritzputz. Es war davon
auszugehen, dass die Wandflächen ursprünglich ungestrichen gestanden hatten. Dieses Farb-
konzept setzte sich außen fort, indem auch hier die Wandflächen in einem grau eingefärbten
Spritzputz ausgeführt worden waren, diese Schicht war vermutlich im Zuge des Anbaus 1961 –
noch einmal dünn überputzt worden.

Eine weitere Aufgabe bestand in der Sanierung des mit einem deckenden Anstrich „versiegelten“
Sandsteinbodens in Eingangsbereich und Halle.
Der Fliesenbelag in den Nebenräumen wurde angesichts des schlechten Erhaltungszustandes in
Anlehnung an den Bestand komplett erneuert.
Die farbige Verglasung der Halle befand sich in einem guten Zustand. Die erhaltenen Türen –
darunter zahlreiche Schiebtüren – konnten überwiegend aufgearbeitet werden.
Das Beleuchtungskonzept wurde mit modernen Leuchtkörpern in angemessener Weise neu
entwickelt. Gleiches gilt für die Bestuhlung.
Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten befindet sich die Trauerhalle auf dem Jüdischen Friedhof
in einem konservatorisch wie technisch hervorragenden Zustand. Daneben setzt die Kooperation
der Projektträger aus KultusGemeinde, Verbänden, Wirtschaft und Behörden ein Zeichen für die
Kontinuität jüdischer Kultur in der Region, ganz im Sinne der Erbauer.
Umso mehr ist nun die Charakterisierung der Gesamtanlage durch Michael Brocke, Professor für
Jüdische Studien an der GerhardMercatorUniversität/GH Duisburg, nachvollziehbar „auf diesem
so jungen Friedhof zeigen sich sowohl die Kontinuität als die Diskontinuität, ja der tiefe Einschnitt,
der die moderne jüdische Geschichte zerreißt – ein Ort der Weiterführung und des Endes, der
völligen Zerstörung und auch der erhofften Rettung und eines ganz anderen Neuanfangs, wie nur
wenige andere Friedhöfe dies zeigen vermögen.“

4. Öffnungszeiten des Jüdischen Friedhofs an der Schulzstraße

montags – donnerstags:                von 9.00 – 19.00 Uhr
freitags:                             von 9.00 – 16.00 Uhr
Samstags und an jüdischen Feiertagen geschlossen
an Sonn und gesetzlichen Feiertagen: von 9.00 – 14.00 Uhr
Unbefugten ist der Zutritt untersagt.

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