(K)ein Kraut gegen Alzheimer?
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Henriettenstiftung Altenhilfe gGmbH
Unternehmensgruppe
(K)ein Kraut
gegen Alzheimer?
Leben mit Demenz
Diagnosik
Beratung und Selbsthilfe
Kunsttherapie
Musikalische Gruppenarbeit
Interaktives Musizieren
2010_03_15_Alzheimer_Broschuere.indd 1 15.03.2010 11:00:50 UhrPastor Volker Milkowski
Vorsteher der Henriettenstiftung
Vorwort
(K)ein Kraut gegen Alzheimer? – So lautete der Titel einer (K)ein Kraut gegen Alzheimer? – Die Henriettenstiftung
Veranstaltungsreihe zum Thema Demenz, zu der die Hen- Altenhilfe und das Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung
riettenstiftung Altenhilfe im September 2009 in Hannover haben in den letzten Jahrzehnten ein engmaschiges De-
eingeladen hatte. In Vorträgen und Workshops wurden menz-Versorgungsnetz aufgebaut: Dazu gehören neben
neue Forschungsergebnisse vorgestellt, Fragen zur Krank- der „Gedächtnisambulanz“, die sich mit der Diagnostik
heitsentstehung, zur Diagnostik und zur Krankheitsentwick- und Behandlung von Gedächtnisstörungen befasst, teil-
lung beantwortet und praktische Beispiele im Kampf gegen stationäre und stationäre Pflegeeinrichtungen, die speziell
das Vergessen und Vergessenwerden vorgestellt. Diese auf die Betreuung demenzkranker Menschen ausgerichtet
Broschüre fasst einige Beiträge daraus zusammen. sind. In einem Beratungszentrum können sich Angehörige
über Unterstützungsmöglichkeiten informieren. Einen
(K)ein Kraut gegen Alzheimer? – Die Antwort auf diese weiteren wichtigen „Netzknoten“ bildet die Selbsthilfe-
Frage hängt wesentlich von den Erwartungen ab, die wir gruppe „AlBe“ für Alzheimerbetroffene und Angehörige.
mit ihr verknüpfen. Auch wenn trotz intensiver medizinischer
Forschung und der Entwicklung therapeutischer Konzepte Die Broschüre will einen Einblick in die Arbeit dieses
gegenwärtig die Heilung der Alzheimerkrankheit nicht mög- Netzwerks geben. Und sie möchte Mut machen und ein-
lich ist, so kann doch durch ärztliche Behandlung und so- laden, mit dem wichtigsten Schlüssel zu experimentieren,
ziale Beratung, fachkundige Pflege und manches andere den es gibt, um die Lebensqualität Demenzkranker zu
die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen verbessern: Dieser Schlüssel heißt „Beziehung“.
in vieler Hinsicht nachhatig verbessert werden. So behalten
Demenzkranke auch im fortgeschrittenen Stadium ihre Ein eher unspektakuläres Kraut – aber eines, das schon
Fähigkeit, sich mitzuteilen, sich als Persönlichkeit zu erle- in kleinen Dosen viele segensreiche Nebenwirkungen
ben, Freude zu empfinden und zu genießen. Wie diese entfalten kann.
Fähigkeiten aktiviert und gefördert werden können, zeigen
beispielhaft die Beiträge zur Musik und Kunst(-therapie).
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Gelegentliches Vergessen ist noch keine Demenz
Nicht jede Vergesslichkeit ist schon eine Demenz, sondern
oft nur ein normaler geringer Rückgang der Merkfähigkeit
im Alter oder eine Konzentrationsstörung. Im Gegensatz
dazu findet bei einer demenziellen Erkrankung ein starker
Abfall der Merkfähigkeit und anderer Elemente der geisti-
gen Leistungsfähigkeit statt. Dies geschieht meist schlei-
chend über mehrere Monate oder über ein bis zwei Jahre
und ist so ausgeprägt, dass die Betroffenen ihren Alltag
nicht mehr wie früher meistern können. Ein gelegentliches
Vergessen von Dingen und Namen oder ein etwas lang-
sameres Erinnern alleine ist noch keine Demenz, vor allem
Professor Klaus Hager dann, wenn ein solches Vergessen schon lange besteht,
Chefarzt der Klinik für medizinische Rehabilitation und sich nicht rasch verändert und den Alltag nicht störend
Geriatrie des Diakoniekrankenhauses Henriettenstiftung. beeinflusst. Wenn Betroffene oder ihre Angehörigen unsi-
apl. Prof. für das Fach „Medizin des Alterns und des alten cher sind, können Hirnleistungstests zur Klärung beitragen.
Menschen“ an der Medizinischen Hochschule Hannover. Manchmal muss man auch einige Monate beobachten,
ob sich die Störungen spürbar verschlechtern.
Ursachen von demenziellen Erkrankungen
Hinter einer Demenz können sich viele verschiedene
Ursachen verbergen, zum Beispiel körperliche Erkrankun-
(K)ein Kraut gen wie Hirntumore, Hirnentzündungen oder Schilddrüsen-
unterfunktionen (ca. 5 Prozent), Durchblutungsstörungen
gegen Alzheimer? (ca.15 bis 20 Prozent), ein krankheitsbedingter Untergang
von Hirngewebe (ca. 70 Prozent) oder eine Kombination
daraus. Um die genaue Ursache herauszufinden, wird der
Arzt in den meisten Fällen ein Computer- oder ein Kern-
Jeder fünfte Deutsche über 80 Jahren erkrankt an einer spintomogramm des Schädels veranlassen und einige
Demenz. Die Krankheit, deren Hauptmerkmal ein starker Blutwerte untersuchen. Bei weiterer Unklarheit können
Abfall der geistigen Leistungsfähigkeit ist, kann zurzeit Messungen der Durchblutung oder des Zuckerstoffwech-
nicht geheilt oder gestoppt werden. Die momentan zur sels im Gehirn zusätzlich Aufschluss geben. Eine Punk-
Verfügung stehenden Medikamente können nur eine Ver- tion des Rückenmarkswassers kann andere Ursachen
zögerung des Krankheitsverlaufs für etwa ein Jahr bewir- wie Entzündungen ausschließen und gegebenenfalls
ken. Deshalb stehen im Umgang mit den Erkrankten vor „Demenzeiweiße“ im Hirnwasser nachweisen.
allem die Verbesserung der individuellen Lebensqualität
durch verschiedene nicht-medikamentöse Maßnahmen
wie Angehörigenschulungen, Gedächtnistraining und an- Sonderform: Alzheimer-Krankheit
regende Betreuungsangebote im Blickpunkt.
Die Alzheimer-Krankheit zählt zu der Krankheitsgruppe,
Nahezu jede Familie hat mittlerweile aus eigener Anschau- bei der es zu einer Zerstörung von Hirngewebe kommt.
ung Erfahrungen mit dem Krankheitsbild. Die Häufigkeit Sie ist eine Unterform der Demenz und mit Abstand deren
einer Demenz nimmt ab dem 75. Lebensjahr stark zu, von häufigste Ursache (ca. 60 Prozent der Demenzerkrankun-
den über 80-jährigen leidet etwa jeder fünfte an einer de- gen). Viele Bausteine und Gene, die zu den Veränderungen
menziellen Erkrankung wie etwa der Alzheimer-Krankheit. im Gehirn bei Alzheimerpatienten führen, sind bereits
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wissenschaftlich erforscht worden; trotzdem konnte die Gesunde Menschen können durch regelmäßige geistige
Entstehung der Erkrankung noch nicht in allen Einzelheiten und körperliche Tätigkeit, wenig Alkohol und eine insge-
geklärt werden. samt gesunde Ernährung ihre geistige Leistungskraft er-
halten oder verbessern.
Krankheitsverlauf Fragen an Prof. Dr. Klaus Hager
Der Verlauf einer Demenz erstreckt sich etwa über 5 bis
10 Jahre, auch kürzere oder längere Verläufe kommen Ist Alzheimer/Demenz vererbbar?
vor. Die Anfangssymptome sind oft mit Traurigkeit bezie-
hungsweise Depressionen verbunden, später zeigt sich Die Anlage zu den fehlerhaften Prozessen im Gehirn bei
ein stetiger Abfall der Hirnleistung. Schließlich kann sich der Alzheimer-Krankheit kann vererbt werden. Bei etwa der
das Verhalten des Betroffenen ändern, er wird unter Um- Hälfte der Alzheimer-Patienten gab es bereits Demenz-
ständen unruhiger oder aggressiver und erkennt Mitglieder erkrankungen in der Familie.
der eigenen Familie nicht mehr. Am Ende lassen auch die
körperlichen Funktionen nach, der Betroffene kann sein
Ausscheidungen nicht mehr kontrollieren, er kann nicht Wie unterscheidet man „normale“ Vergesslichkeit
mehr laufen, er ist nicht mehr wie früher, wird bettlägerig von einer ernsthaften Demenzerkrankung?
und muss schließich gepflegt werden.
Bei der normalen Vergesslichkeit im Alter ist diese meist
über einen langen Zeitraum hinweg (Jahre) aufgetreten,
Behandlungsmöglichkeiten und Prävention bei einer Alzheimer-Demenz hingegen innerhalb von 1 bis
2 Jahren. Nicht selten sind bei einer normalen Vergess-
Die Behandlung der Demenz beziehungsweise der Alz- lichkeit die Defizite früher auch schon vorhanden gewesen,
heimer-Krankheit mit Medikamenten kann eine kleine wenn auch in leichterer Form. Die Störungen sind nicht so
Verbesserung der Hirnleistung und eine Verzögerung stark ausgeprägt, ändern sich im weiteren Verlauf über die
des Krankheitsverlaufs um etwa ein Jahr bewirken. Das Jahre kaum merkbar, der Alltag ist noch gut zu bewältigen.
scheint nicht sehr lang, ist aber im Einzelfall trotzdem
eine große Hilfe. Medikamente, die den Prozess der Bei einer Demenz kommen zur Vergesslichkeit noch an-
nachlassenden Hirnleistung tatsächlich aufhalten, gibt dere Faktoren hinzu. Die Fähigkeit zur Selbstkritik nimmt
es noch nicht. Allerdings sind einige Präparate in der ab. Die Fähigkeit zum abstrakten Denken nimmt ab. Der
Erprobung (zum Beispiel Sekretasehemmer, „passive Betroffene hat mitunter Wortfindungsschwierigkeiten und
Impfung“), die es in Zukunft vielleicht ermöglichen, den umschreibt Begriffe. Frühere komplexe praktische Fähig-
Krankheitsverlauf bei Alzheimer zu stoppen. Diese Medi- keiten gelingen nicht mehr (Kochen, Auto fahren).
kamente werden aber frühestens in einigen Jahren ver-
fügbar sein, falls die in sie gesetzten Hoffnungen nicht Wie soll man sich gegenüber Demenzkranken
wieder enttäuscht werden, wie es schon oft in der Ver- verhalten?
gangenheit mit anderen Präparaten der Fall war.
• Nicht tadeln. Wenn der Betroffene logischen Argumen-
Bis dahin steht die Verbesserung der Lebensqualität der ten gegenüber nicht mehr zugänglich ist, muss man
Betroffenen und ihrer Angehörigen im Vordergrund der das akzeptieren und andere Wege finden, zum Beispiel
Maßnahmen, wie etwa die Schulung und Entlastung der geduldig etwas mehrfach versuchen, nicht diskutieren
Angehörigen sowie Hilfen für den Alltag der Betroffenen. oder widersprechen.
In jedem Fall sollte der Demenzpatient sich nicht zurück- • Eine einfache, klare Sprache verwenden.
ziehen, sondern so aktiv wie möglich bleiben und seine • Ruhig und höflich bleiben.
Fähigkeiten so gut es geht nutzen. Mittlerweile gibt es • Dem Betroffenen das Gefühl vermitteln,
viele Hilfen (Tagesbetreuungsangebote, Wohngruppen, angenommen zu werden.
spezielle Heime, Beratungsdienste, Alltagsbegleiter, Selbst-
hilfegruppen usw.), die die Betroffenen und ihre Angehöri-
gen unterstützen.
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2010_03_15_Alzheimer_Broschuere.indd 5 15.03.2010 11:00:56 UhrFrau Kenklies, was unterscheidet eine Demenz von
normaler Altersvergesslichkeit?
Marlies Kenklies:
Als „normal“ bezeichnet man es, wenn die Denkgeschwin-
digkeit im höheren Alter geringfügig verlangsamt ist.
Alarmzeichen einer krankhaften Veränderung sind zum
Beispiel, wenn immer wieder Dinge verlegt werden, der
Betroffene sehr oft etwas sucht, wenn jemand oft Wort-
findungsstörungen hat oder in immer wiederkehrenden
Redewendungen spricht. Auch wenn jemand seine
Bankgeschäfte nicht mehr erledigt, beim Autofahren
Marlies Kenklies
zunehmend langsamer reagiert oder im Urlaub Orientie-
Dipl. Pädagogin, Neuro-Psychologin, Leiterin der rungsschwierigkeiten zeigt, kann dies ein Hinweis auf
Gedächtnisambulanz der Klinik für Medizinische eine Hirnleistungsstörung sein. Das sollte man dann vom
Rehabilitation und Geriatrie im Diakoniekrankenhaus Facharzt untersuchen lassen. Wenn sich aus diesen Be-
Henriettenstiftung funden kein klares Bild ergibt, können sich die Betroffenen
anschließend in unsere Sprechstunde überweisen lassen.
Es heißt ja immer, dass es bislang keine Heilung bei
einer Demenz gibt. Warum empfehlen Sie dann eine
Vergesslichkeit fachärztliche Untersuchung und gegebenenfalls die
Vorstellung in der Gedächtnissprechstunde?
oder Demenz? Marlies Kenklies:
Medikamente, die eine Demenz vom Typ Alzheimer heilen,
Ambulante Gedächtnissprechstunde testet und gibt es zurzeit wirklich noch nicht. Einige Präparate bewir-
berät Menschen mit Gedächtnisstörungen ken dennoch bei einem Teil der Patienten eine leichte Ver-
besserung beziehungsweise Stabilisierung. Ein weiterer
Das Geriatriezentrum im Diakoniekrankenhaus Henrietten- wichtiger Grund für eine fachärztliche Klärung besteht
stiftung wurde 1972 als eine der bundesweit ersten Einrich- darin, dass es sich bei etwa 40 Prozent der Fälle nicht um
tungen dieser Art eröffnet und gehört zu den mittlerweile Demenzen des Alzheimer-Typs handelt, sondern dass der
16 geriatrischen Kliniken in Niedersachsen. Zum Angebot eingeschränkten Gedächtnisleistung verschiedene andere
der Klinik gehört seit 1995 auch eine ambulante Gedächt- Ursachen oder Krankheiten zugrunde liegen, die in vielen
nissprechstunde, in der eine Testung verschiedener kog- Fällen behandelbar sind. Bei etwa 30 Prozent der Patienten,
nitiver Funktionen (zum Beispiel logisches Denken, räum- die sich bei uns in der Gedächtnissprechstunde vorstellen,
liche Vorstellungsfähigkeit, Kurzzeitgedächtnis) durchgeführt wird zum Beispiel eine depressive Erkrankung festgestellt,
werden kann. Patienten, die unter Gedächtnisstörungen die oft mit diversen Lebensproblemen verbunden ist und zu
leiden, deren Ursachen nicht oder nicht abschließend massiven Konzentrationsstörungen führen kann. Diese Men-
geklärt sind oder bei denen eine Demenz vermutet wird, schen brauchen dann natürlich ganz andere medizinische
können dort nach einer fachärztlichen Überweisung an und therapeutische Hilfen als die von einer demenziellen
einer neuropsychologischen Testung teilnehmen und sich Erkrankung Betroffenen.
beraten lassen. Im Gespräch erläutert Marlies Kenklies
das Test- und Diagnoseverfahren und berichtet von Be-
handlungsmöglichkeiten bei demenziellen Erkrankungen.
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Was passiert in der Gedächtnissprechstunde und
welche Untersuchungen führen Sie durch?
Marlies Kenklies:
Wir klären zunächst im Gespräch mit den Betroffenen und,
wenn möglich, auch mit Angehörigen oder nahestehenden
Personen, welche Beeinträchtigungen empfunden werden
beziehungsweise von anderen wahrgenommen werden.
Dieser Anamnese und Fremdanamnese folgen dann, so- Darstellung einer Uhr in der Gedächtnissprechstunde
weit noch nicht geschehen, körperliche Untersuchungen,
wie beispielsweise eine Blutuntersuchung, um zu klären, ähnlich denen in Intelligenztests, also mit Zahlenreihen
ob der Gedächtnisstörung andere Krankheiten zugrunde oder Wortreihen, die gemerkt oder ergänzt werden sollen.
liegen. Und wir führen standardisierte neuropsychologische Zudem wird festgestellt, ob die Patienten über eine ange-
Tests durch. In wenigen Fällen ist eine stationäre weitere messene zeitliche und räumliche Orientierung verfügen.
Diagnostik erforderlich. Wir fragen beispielsweise danach, ob sie das Datum des
Untersuchungstages kennen und wissen, wo sie sich be-
finden. Ein besonders aufschlussreicher Test ist für uns in
Wie hat man sich die Tests vorzustellen? Zweifelsfällen der so genannte Uhrentest. Der Patient soll
dabei in einen vorgedruckten Kreis eine analoge Uhr zeich-
Marlies Kenklies: nen. Wem das nicht oder nicht richtig gelingt, leidet mit
großer Wahrscheinlichkeit an einer degenerativen Demenz,
Das sind wissenschaftlich entwickelte Testungen zur Kon- also einer Alzheimer-Erkrankung. Entscheidend ist aber
zentration, zur Merkfähigkeit, zum logischen und abstrak- die Gesamtauswertung aller Untersuchungen und Tests.
ten Denken und zur Orientierung. Einige der Fragen sind
Und welche Hilfen können die Betroffenen
bei Ihnen erwarten?
Marlies Kenklies:
Wenn die Diagnostik abgeschlossen ist, führen wir mit den
Betroffenen und ihren Angehörigen ein Gespräch über die
Ergebnisse der Untersuchungen und Tests und beraten
sie hinsichtlich der Behandlungsmöglichkeiten. Die weitere
Behandlung und gegebenenfalls Medikation führt dann
wieder der Haus- oder Facharzt durch, der von uns einen
Bericht erhält. In einigen Fällen empfehlen wir eine Wieder-
holung der Tests in einem halben oder dreiviertel Jahr.
Außerdem bieten wir den Patienten, bei denen eine be-
ginnende oder bestehende demenzielle Erkrankung fest-
gestellt wird, an, sich an einen Selbsthilfeverein von Patien-
ten und Angehörigen zu wenden, mit dem wir kooperieren.
Dort werden für die Betroffenen, ergänzend zur ärztlichen
Behandlung, verschiedene unterstützende Gruppenange-
bote wie Hirnleistungstrainings, spezielle Bewegungspro-
gramme und kunsttherapeutische Angebote gemacht und
Gesprächskreise für Angehörige angeboten.
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2010_03_15_Alzheimer_Broschuere.indd 7 15.03.2010 11:00:59 UhrTheorie eines personenzentrierten Ansatzes als Reaktion
auf eine einseitig von der Medizin geprägte Sozialpsycho-
logie und Pflegekultur.
Angesichts des irreversiblen kognitiven Abbaus, den
Menschen mit demenziellen Erkrankungen erleben, dürfen
die noch vorhandenen Kompetenzen nicht aus dem Blick
verloren werden. Betroffene leiden an kognitiven Einbußen,
nehmen aber Stimmungen und die Atmosphäre, die in
einer Gruppe herrscht, sehr gut wahr. Im Alltag erleben
sie oft, dass sie nicht verstanden werden. Musik hören
und erleben und das Musizieren selbst ermöglicht ihnen
(nonverbales) Kommunizieren und Verstehen. Musizieren
Prof. Dr. Theo Hartogh und Musikerleben sind „Leiberleben“ und zeigen, dass
der Mensch mehr ist als seine Hirnfunktion. Durch Musik,
Hochschule Vechta, Lehrgebiet Musikpädagogik und insbesondere durch Singen, durch Bewegungen und
historische Musikwissenschaft Gesten sowie körperlichen Kontakt können sich Demenz-
kranke ausdrücken. Der Blick auf die Ressourcen der
Erkrankten ergänzt die rein medizinische Diagnose, die
den Verlust an Hirnleistung fokussiert, zu einem Blick
auf den ganzen Menschen.
Nichtmedikamentöse Behandlungs- und
Betreuungsformen
Der Klang der Erinnerung Musikhören und Musizieren gehört zu den nichtmedika-
mentösen Behandlungsformen bei demenziellen Erkran-
kungen, wie die geistige Aktivierung, der Umgang mit
Tieren, Gymnastik und Bewegung, Tanzen und künstle-
Die Bedeutung von Musik für demenziell risches Gestalten. Singen, Musik hören und Musizieren
erkrankte Menschen fördern Lebensfreude und Wohlbefinden und ermöglichen
soziale Kontakte, Erinnerungen und Ich-Erleben.
Bei der Auseinandersetzung mit der Krankheit Demenz,
von der zurzeit ca. 1,2 Millionen Menschen in Deutsch-
land betroffen sind, wird oft übersehen, dass das Binnen- und Außenperspektive in der Betreuung
kognitive Leistungsvermögen der Betroffenen zwar Demenzkranker
nachlässt, sie aber weiterhin auch über Ressourcen
verfügen. Dazu gehören insbesondere meist die Hör- Der Verlust von Gedächtnis und Erinnerung „bedeutet
fähigkeit und das Wahrnehmen von Stimmungen und nicht nur den Verlust an Fähigkeiten, das alltägliche Leben
Gefühlen. Musik kann deshalb eine wichtige Rolle zu bewältigen, sondern auch den Verlust der Person-
spielen bei der Pflege und Betreuung demenziell er- orientierung, das heißt, sich als Individuum an sich selbst
krankter Menschen und ermöglicht bis zum letzten erinnern zu können. Demenzkranken geht nicht nur ihre
Stadium der Krankheit positive Erlebnisse und Umwelt verloren, sie kommen auch sich selbst abhanden.“
Kommunikationsmöglichkeiten für die Betroffenen. (R. Schwerdt & S. Tschainer, 2002)
„Die Hauptaufgabe der Demenzpflege (…) besteht im Demenzkranke können sich in ihrer eigenen Welt nur wohl
Erhalt des Personseins angesichts versagender Geistes- fühlen, wenn sie von außen nicht zerstört wird. Deshalb
kräfte“, formulierte der Psychogerontologe Tom Kitwood sollten im Zentrum der Betreuung Demenzkranker der
(1937–1998). Er entwickelte in den 1990er Jahren die verstehende Zugang, die Einfühlung in die Befindlichkeiten
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und Interessen sowie der Identitätserhalt stehen. Pflege- ale, Lieder und Musikfarben sind hier vorteilhaft. So kann
und Betreuungskräfte sollten die Binnenperspektive des zum Aufwachen fröhliche Musik erklingen und nach dem
Demenzkranken einnehmen und verstehen wollen, Nähe Frühstück ein gemeinsames Singen stattfinden. Zum
zulassen können und personen- und situationsbezogen Mittagessen gibt es etwa Barockmusik, und beim Kaffee-
reagieren. Musik und insbesondere das Singen können trinken erklingt stets Walzermusik. Mit umgetexteten
dabei sehr behilflich sein und Kommunikation ermöglichen, Liedern können Aktivitäten vorbereitet werden, auf die
wo man mit Sprache nicht weiterkommt. Nachtruhe weist ein Schlaflied hin.
Auch in den neuen Konzepten der Betreuung von Demenz-
Rahmenbedingungen für die musikalische Gruppen- kranken (z.B. Sensorische Kurzaktivierung, Basale Stimu-
arbeit mit Demenzkranken lation, Therapeutischer Tischbesuch, Snoezelen) können
musikalische Elemente integriert werden: Ein kurzes Lied
• Angenehme und entspannte Atmosphäre schaffen oder musikalisches Bewegungsspiel, Singen oder Musik
• Starre Sitzordnungen möglichst vermeiden, eine hören. Nicht nur ausgebildete Musiker können musikali-
Mitte im Raum gestalten sche Angebote machen. Mittlerweile gibt es eine Fülle
• Einzelbedürfnisse berücksichtigen: Akzeptieren, von gut geeigneten Materialien, die auch musikalischen
dass einige nur dabeisitzen, Einzelansprache Laien den Einsatz von Musik ermöglichen (Beispiel: Bewe-
• Entscheidungssituationen für die Mitwirkenden gungsspiel/Sitztanz zur Musik von einer CD).
einplanen
• Versagenssituationen und Überstimulation vermeiden
• Vormachen (singen, klatschen, bewegen, musizieren) Ausblick
und wiederholen
• Bewegungen in einfache Bilder verpacken (Haare Ein wichtiges Thema in der Zukunft, das auch die musika-
kämmen, Baby wiegen, Wäsche bügeln) lische Arbeit mit Demenzkranken beeinflussen wird, ist die
• Auf Langzeitgedächtnis statt Kurzzeitgedächtnis „Kultursensible Pflege“. Ca. 12.500 Migranten sind zur-
bauen zeit in Deutschland von Demenz betroffen. Dazu kommen
• „Störungen“ wenn möglich integrieren, sonst ablenken die weitere Individualisierung von Lebensstilen und ver-
oder ignorieren änderte Biographien mit ganz anderen – auch musikali-
• Angehörige und Mitarbeiter einbinden schen - Lebenserfahrungen (Rock&n Roll, Hip Hop). Eine
Vernetzung von Pflegeeinrichtungen, ambulanten Versor-
gern, Angehörigen, örtlichen Vereinen, kommunalen Insti-
Indikatoren für die Wirkung der Musik im Umgang tutionen (Musikschulen) und anderen Institutionen im
mit Demenzkranken Seniorenbereich sollte ausgebaut werden.
Musik aktiviert, regt an, trägt zur Entspannung bei, er- Literatur und weitere Informationen:
möglicht Kommunikation und Genussempfinden. Manche
ältere Menschen reagieren mit Lächeln und Aufmerksam- • Hartogh, Theo & Wickel, Hans Hermann (2008).
keit oder kommen in Bewegung und klatschen in die Musizieren im Alter. Arbeitsfelder und Methoden in
Hände. Bei anderen verändern sich Gestik und Mimik, der Seniorenarbeit. Mainz: Schott
sie entwickeln ein verstärktes Mitteilungsbedürfnis oder • Kitwood, Tom (2008). Demenz. Der personzentrierte
ihre Unruhe nimmt ab. Ansatz im Umgang mit verwirrten Menschen.
(5., ergänzte Auflage). Bern: Huber
• Schwerdt, R. & Tschainer, S. (2002). Spezifische Anfor-
Musik integrieren im Pflege- und Betreuungsalltag derungen an die Pflege demenziell erkrankter Men-
schen. In: Deutsches Zentrum für Altersfragen (Hrsg.),
Neben der musikalischen Einzel- und Gruppenarbeit gibt Expertisen zum Vierten Altenbericht der Bundesregie-
es vielfältige Möglichkeiten, Musik in den Betreuungsalltag rung, Bd. 3: Hochaltrigkeit und Demenz als Herausfor-
einzubauen. Sie kann zur Unterstützung der Tagesstruktur, derungen an die Gesundheits- und Pflegeversorgung
zum Entspannen und Aktivieren und zur Begleitung von (S. 181–287). Hannover: Vincentz
Alltagshandlungen genutzt werden. Wiederkehrende Ritu- • www.musikgeragogik.de
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Sich von Musik die jetzige Generation der älteren Menschen über 70 Jahre
habe eine weitgehend homogene musikalische Prägung,
erklärt Hartogh, „sie kennen das gleiche Repertoire, denn
verführen lassen Liedersingen war in Schule und Freizeit weit verbreitet.“
Singen ermögliche, so Hartogh weiter, das Erleben
„normaler“ sozialer Situationen, in denen man gemeinsam
Niedrigschwellige musikalische Gruppen- etwas mache. Lieder seien häufig „Erinnerungsinseln“ der
Demenzkranken, die sie für einige Zeit mobilisieren und
angebote für Menschen mit Demenz aktivieren.
Workshop mit Prof. Dr. Hartogh
Bewegen, Tanzen, Musik erfinden und Spielen mit Musik und Bewegung belebt
Musik. Dies alles erlebten Teilnehmerinnen und Teil-
nehmer eines Workshops für Mitarbeiter in Pflege- Zur Aktivierung trägt auch bei, dass in musikalischen
einrichtungen und Multiplikatoren, den Prof. Dr. Theo Gruppenstunden viel mit Bewegung und Gesten gear-
Hartogh von der Hochschule Vechta im Rahmen der beitetwird. „Hast du Freude, klatsche in die Hand ...“
Alzheimer-Woche der Henriettenstiftung anbot. Neben singen die Workshopteilnehmer. In jeder Strophe, die
dem Ausprobieren verschiedener Instrumente, Tech- mehrmals wiederholt wird, kommt eine andere Bewegung
niken und Methoden gab es zahlreiche filmische Bei- an die Reihe: Auf die Knie klopfen, mit den Füßen stam-
spiele aus der Praxis – und es wurde viel gesungen. pfen oder auch mit dem Nachbarn schunkeln – die Gruppe
kommt in Schwung und hat viel Spaß. „Aber ist das nicht
Am Ende stand die Überzeugung: Musik eignet sich sehr vielleicht zu schwer?“, fragt eine Teilnehmerin und ver-
gut für die Betreuung demenzkranker älterer Menschen weist auf eigene Erfahrungen mit Demenkranken im
und ist auch von musikalischen Laien einsetzbar. Pflegealltag.
Schon nach weniger als fünf Minuten herrscht ausgelassene Prof. Hartogh gibt Tipps: „Wählen Sie bekannte oder
Stimmung im Altenzentrum in Kirchrode: „Guten Morgen, einfache Melodien, singen Sie nicht in einer hohen Lage
Frau Schmidt, guten Morgen“ tönt es durch die Räume. und passen Sie das Tempo an“, rät er, „und wenn nicht
Prof. Dr. Hartogh, Musikpädagoge und Musikwissenschaft- alle alles mitmachen, ist das nicht schlimm. Entscheidend
ler an der Hochschule Vechta, wechselt rasch von der kur- ist, dass alle Spaß an der Sache haben!“ Empfehlenswert
zen theoretischen Einleitung in den „Praxis-Modus“ und sind Strophenlieder mit Texten, die bereits Bewegungs-
die 25 Teilnehmer machen gerne mit. elemente enthalten, sowie Sitztänze und Singspiele.
Manche Lieder oder umgetextete Melodien können auch
Am Beispiel eines Begrüßungsliedes macht Hartogh deut- zu ganzen Geschichten verbunden werden („Seereise“,
lich, worauf es bei der Gruppenarbeit mit Demenzkranken „Spaziergang“).
ankommt: „Sprechen Sie die Menschen an, singen Sie sie
an und berühren Sie sie dabei ruhig“, meint Hartogh, „Sie Ein Film zeigt die Musikstunde in einer Pflegeeinrichtung.
werden erleben, wie sich auch in sich gekehrte, verschlos- Zwischen den älteren Menschen in der Gruppe sitzen
sene Menschen nach und nach öffnen und, so gut es geht, auch einige Angehörige und sogar Kinder. „Versuchen
am Geschehen beteiligen.“ Das Begrüßungslied sei auch Sie, in die Angebote Ehepartner, Enkelkinder oder andere
ein Beispiel für die Struktur einer musikalischen Gruppen- Mitarbeiter einzubeziehen“, rät Hartogh, der die Filmbilder
stunde, erläutert der Experte. Wichtig seien klare Einteilun- kommentiert, „damit haben Sie mehr Möglichkeiten,
gen, wiederkehrende Elemente sowie Signale für den An- beispielsweise auch einmal einen Kanon zu singen. Eine
fang und das Ende einer Aktivität. solche gemischte Gruppe bringe auch noch weitere
Effekte: „Angehörige haben ja auch oft Probleme in der
Kommunikation mit ihren demenzkranken Familienmitglie-
Gemeinschaftserlebnis: Volkslied dern“, weiß Hartogh, „und in einer Musikstunde können
sie dann einmal wieder etwas gemeinsam erleben und
Ob „Von den blauen Bergen kommen wir“, „Das Wandern gestalten.“
ist des Müllers Lust“ oder „Wenn alle Brünnlein fließen“,
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2010_03_15_Alzheimer_Broschuere.indd 11 15.03.2010 11:01:05 UhrMusikstunden bieten Anlässe zur Kommunikation Tipps des Experten: „Verwenden Sie höchstens zwei bis
drei Klangfarben, wiederholen Sie die Strophen und zeigen
Auch Musikhören schafft Anlässe zur Kommunikation. Prof. Sie mit deutlichen Gesten, welche Gruppe die Instrumente
Hartogh spielt bekannte Operettenmelodien und Schlager einsetzen soll.“ Als Instrument in Gruppenangeboten eigne
vor und lässt die Runde die Titel erraten. Eine der älteren sich insbesondere das Orff-Instrumentarium.
Teilnehmerinnen ist mit Abstand die Schnellste. „Kein
Wunder“, konstatiert Hartogh mit Blick auf die Runde, in Demenzkranke könnten auch Instrumente erlernen,
der sich überwiegend 30- bis 50-Jährige befinden, „Sie berichtet der Workshopleiter der staunenden Gruppe
kennen die Titel oft nicht, aber Sie werden staunen, was und zeigt filmische Beispiele einer älteren Dame, die ein-
die meist hochaltrigen Demenzkranken noch wissen.“ faches Klavierspiel und Improvisationen erlernt mithilfe
Erinnerungen, Gefühle und Assoziationen werden erinnert farbig gekennzeichneter Tasten und einer besonderen
und mitunter verbalisiert. Auch Natur- und Alltagsgeräu- Notation. Mit der „Veeh-Harfe“ stellt Hartogh schließlich
sche, von einer CD vorgespielt (Vogelstimmen, Hähne- ein spezielles Instrument vor, daß mit seiner besonderen
krähen, Motoren), schaffen Anlässe zur Kommunikation. Ausstattung und Stimmung eine assoziative Handhabung
und aktives Musizieren von Demenzkranken ermöglicht.
Musik ist so oft auch ein Einstieg in die Sprache, die vielen
im fortgeschrittenen Stadium abhanden kommt. „Nutzen
Sie die geweckten Erinnerungen und sprechen Sie in der Musik zur Entspannung und zum Wohlbefinden
Gruppe darüber“, ermuntert Hartogh, „oft fangen die
Gruppenteilnehmer an, aus der Zeit zu erzählen, in der Musik kann Schwerkranke auch bis in ihre letzten
sie ein Lied, einen Tanz oder ein Musicalstück kennen. Lebenstage begleiten und ihnen positive Erlebnisse
Nehmen Sie das auf, es hebt das Selbstwertgefühl der ermöglichen. Die Workshopteilnehmer sind bewegt, als
Demenzkranken, die sich sonst oft als inkompetent und zuletzt ein Filmausschnitt gezeigt wird, in dem eine
hilflos erleben.“ Der Musikprofessor berichtet von Praxis- bettlägerige hochaltrige Frau von einer Musikpädagogin
erlebnissen, wo die Beteiligten auch eigene Bewegungs- am Bett „besungen“ und „angespielt“ wird.
ideen zu Liedern einbringen. „Wenn Teilnehmer in der
Musikstunde kleine Gesten zu bestimmten Texten oder Durch Singen und Summen eines bekannten Volksliedes
Melodien einbringen, greifen Sie das auf und bauen Sie gelingt auch hier, die Aufmerksamkeit der ansonsten
es in das Lied ein“, rät er. apathisch wirkenden Seniorin zu gewinnen. Mit kleinen
Gesten, dem Wenden der Kopfes, dem Öffnen der Augen,
zeigt sie ihre Anteilnahme an der Musik und der
Instrumentalspiel mit demenzkranken Menschen Kontaktaufnahme.
„Es regnet, es regnet, es regnet den ganzen Tag ...“ singen Musik in Verbindung mit Licht, Gerüchen, Geräuschen zur
die Workshopmitglieder. Zuvor wurden einige Instrumente sensorischen Wahrnehmungsstimulation („Snoezelen“)
verteilt: Klangstäbe und Trommeln, Rasseln und Xylo- und Hintergrundmusik in Pflegeeinrichtungen (Walzer
phone. In der zweiten Strophe des Liedes werden dann die zum Mittagessen, Operettenmusik am Nachmittag und
Rasseln eingesetzt, die den Regen symbolisieren. Die Schlaflieder zur Nachtruhe) sind weitere Beispiele, wie
Trommeln kommen später zum Einsatz, wenn etwa ein Musik außerhalb von Gruppen- oder Einzelangeboten in
„Donner“ ertönt, und das Becken wird angeschlagen, wenn der Arbeit mit Demenzkranken eingesetzt werden kann.
es „blitzt“. Ein weiterer Film dokumentiert, dass auch der
Einsatz von Instrumenten in der musikalischen Arbeit mit
Demenzkranken gut gelingen kann.
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2010_03_15_Alzheimer_Broschuere.indd 13 15.03.2010 11:01:09 UhrIn der klientenzentrierten Kunsttherapie wird der
Zugang zu Menschen über Emotionen gesucht. Das
aktuelle Erleben und die damit zusammenhängenden
Gefühle stehen in der Therapiestunde im Vordergrund,
nicht die nachträgliche Analyse eines Bildes. Das
unterscheidet diese Therapierichtung von anderen
Ansätzen. Im Fokus dieser besonderen Form der
Psychotherapie steht der Wunsch, Menschen in Krisen
zu begleiten und ihnen therapeutisch beizustehen.
Im Förderverein für Alzheimer Betroffene und Angehörige
(AlBe) arbeiten wir mit kleinen Gruppen von maximal
sechs Teilnehmenden. Auf dem Programm stehen zum
Nicole Jürgens Beispiel Hirnleistungstraining und körperliche Aktivierung
Diplom Kulturpädagogin und Kunsttherapeutin, – und eben auch Kunsttherapie. Manchmal nehmen
Hannover auch Angehörige, insbesondere Ehepartner der Betrof-
fenen, teil. In der Regel treffen sich die Angehörigen je-
doch separat, während die Betroffenen an den verschie-
denen Gruppen teilnehmen.
Was macht Kunsttherapie für Demenzkranke wertvoll?
Man kann sich in der Bildenden Kunst ausdrücken, ohne
Worte benutzen zu müssen. Es ist wichtig, Ausdrucks-
möglichkeiten für emotionale Spannungen zu haben. Das
Spuren der Erinnerung: ist die Voraussetzung dafür, sie zu lindern und so Stress
reduzieren zu können. Klientinnen und Klienten erleben in
der Kunsttherapiestunde, dass sie keine Leistungen erbrin-
Bilder gegen das gen müssen. Sie dürfen das tun, was sie möchten. Auch
wird nichts für sie getan, sondern sie werden selbst aktiv.
Vergessen(werden)
„Malen – das kann ich nicht!“ Das ist häufig der erste Satz,
den ich von neuen Teilnehmerinnen und Teilnehmern höre.
Manche denken, sie müssten Kunstwerke produzieren oder
Kunsttherapie mit demenziell das, was sie selbst und andere dafür halten. Ich stelle dann
erkrankten Menschen klar, dass sie hier jede Freiheit haben. Nicht das Endergeb-
nis entscheidet über den Erfolg des entstandenen Werks –
Potenzial ist immer da. Ich sehe das Potenzial der es geht um das Tun. Die Menschen genießen diese Freiheit.
Menschen, ihre Stärken, ihre Individualität. Mich interes-
sieren nicht die Mängel. Ich frage danach, wie jemand
etwas Neues, Positives erleben kann – trotz vorhande- Was passiert in der Kunsttherapiestunde?
ner Einschränkungen. Das ist mir auch in meiner Arbeit
mit demenziell erkrankten Menschen wichtig. Es geht Wir beginnen meist mit Gesprächen, manchmal entwickeln
mir darum, meinen Klientinnen und Klienten Möglichkei- sich daraus Themen oder Bilder, manchmal gebe ich auch
ten aufzuzeigen, wie sie ihr Leben auch mit der Krankheit ein Thema vor. Es gibt Tage, da stehen heftige Gefühle,
positiv gestalten können. Ich möchte das Potenzial, das Ärger zum Beispiel, im Raum, und es macht sich Unruhe in
da ist, fördern. Und Potenzial ist immer da. der Gruppe breit. Wenn man dann ein Angebot macht, das
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2010_03_15_Alzheimer_Broschuere.indd 15 15.03.2010 11:01:15 Uhrden Betroffenen Gelegenheit gibt, etwas Sinnvolles zu tun, sie können entscheidend sein. Als Therapeutin muss
werden sie meist ruhiger. Häufig ist es so, dass alle ganz man herausfinden und ausprobieren, welche Hand-
versunken in ihr Tun sind. Mit der Zeit wächst die Lust am reichungen als Unterstützung nötig sind.
Experimentieren und damit das Selbstvertrauen. Wenn die
Schwellenängste überwunden sind und Vertrauen in die
Gruppe und zur Therapeutin entstanden sind, wagt man Vergesst mich nicht – ich bin noch da!
mehr. Als Therapeutin muss man lernen, sich zurückzu-
nehmen und nicht zu schnell Hilfe anzubieten. Man muss Die Erinnerung an das eigene Bild bleibt den Betroffenen
Geduld haben und viel Zeit lassen, damit die Teilnehmer oft über Wochen im Gedächtnis. Malen hinterlässt Spuren,
eigene Lösungen finden können. Kreativität entwickeln innen und außen, für den Malenden selbst und für andere.
heißt: Aus dem Vorhandenen das Beste machen. Was ich gemalt habe, bleibt. Das ist besonders für
Menschen, die an Demenz erkrankt sind, ganz wichtig.
Außenstehende sehen immer nur das Endergebnis beim Mit Worten können sie oft nicht mehr über sich Auskunft
Malen. Manchmal gibt es, was die Bewertung der Bilder geben und dadurch ein Stück Persönlichkeit zeigen; aber
durch die Angehörigen angeht (oder vielmehr: den Drang sie können mit ihren Bildern etwas über sich mitteilen.
zur Bewertung), einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten. Mit ihren Bildern geben die Betroffenen auch uns etwas.
Dass es für die Teilnehmenden nicht darum geht, fremden Sie zeigen uns, wie es in ihnen aussieht, und schenken
Ansprüchen und Maßstäben zu genügen, sondern Freude uns dadurch Trost. Und sie setzen ein Signal: Vergesst
am Tun zu entwickeln. In einem sind sich allerdings alle mich nicht – ich bin noch da! Malen gegen das Vergessen
Angehörigen einig: Das therapeutische Malen macht die (werden).
Betroffenen insgesamt aktiver und entspannter. Man merkt
nach einer Stunde: Da ist Glanz in den Augen und es be- Nicole Jürgens
wegt sich etwas im Inneren. Diplom Kulturpädagogin
Freiberufliche Kunsttherapeutin
Die Gruppe wirkt in vielerlei Hinsicht inspirierend und ver-
mittelt starke Gemeinschaftserlebnisse. Man lacht und Studienschwerpunkte: Kunsttherapie, Psychologie
weint zusammen, ist stolz auf das, was man geschafft Weiterbildung in Klientenzentrierter Kunsttherapie
und geschaffen hat. Man kann dort sein, wie man ist –
was ja nicht überall der Fall ist. Zu Hause fehlt vielen der Arbeitsschwerpunkt: Kunsttherapie bei Menschen
Anreiz zum Malen. Manchmal sind auch einfach kleine • mit leichten bis mittelschweren Demenzen,
Hilfestellungen nötig: Dass jemand beispielsweise den • mit depressiven Störungen
Pinsel anfeuchtet oder abwäscht, sind Kleinigkeiten, aber • in Krisensituationen
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Kontakt:
Nicole Jürgens
Bernwardstraße 12
30519 Hannover
Telefon: (0178) 402 35 50
E-Mail: n.juergens@gmx.net
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2010_03_15_Alzheimer_Broschuere.indd 17 15.03.2010 11:01:21 Uhrder das Medium Musik genutzt wird, nämlich nicht im Sinne
eines Konzerts, das man sich anhört oder an dem man
selbst mitwirkt. Interaktives Musizieren ist eine aufsuchen-
de Arbeit, bei der die Musikerinnen oder Musiker spontan
Kontakt aufnehmen zu Menschen, denen sie in der Klinik
oder im Heim begegnen. Sie bleiben zum Beispiel auf dem
Flur stehen und nutzen die Gelegenheit zur Kommunikati-
on, oder sie begeben sich ans Krankenbett und sprechen
die Patienten statt mit Worten mit den Mitteln der Musik,
mit Klang, Rhythmus und Melodie, an, und „verführen“ sie
so zu einem Gespräch, zu zwischenmenschlicher Kommu-
nikation. Wichtig ist dabei: Die Kontaktaufnahme ist ein
Angebot, die Angesprochenen müssen nicht darauf ein-
Prof. Dr. Thomas Grosse gehen, sondern können auch ablehnen.
Fachhochschule Hannover, Fakultät für Soziale Arbeit,
Lehrgebiet Ästhetische Kommunikation Musik berührt
Arbeitsgebiete: Musik in der Sozialen Arbeit, Entwicklung Musik ist die Sprache der Gefühle, sie transportiert Stim-
von Jugendmusikkultur, Interaktives Musizieren in mungen und ist deshalb wie kein anderes Medium geeig-
Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, Neue Medien net, Menschen emotional zu berühren. Wie und womit ich
mich musikalisch ausdrücke, ist dabei gar nicht so wichtig.
Alles kann zum Klangmacher werden oder zur Erzeugung
von Musik genutzt werden „auch ein Schlüsselbund oder
ein mit Reis gefülltes Überraschungsei eignen sich durch-
aus als Rhythmusinstrument und dazu, sich musikalisch
Beim interaktiven Musizieren miteinander „zu unterhalten“.
Doch die größte Bedeutung kommt dem Singen zu. Bei
… handelt es sich im Kern um eine Beziehungsarbeit, bei alten Menschen ist es vor allem das meist breite (Volks)-
der sich speziell ausgebildete Musiker in der Regel einer Liedrepertoire, über das viele noch verfügen, das sich
einzelnen Person zuwenden und das Medium Musik zu anbietet und mit dem man auf Resonanz trifft. An Kinder-
einer intensiven zwischenmenschlichen Kommunikation lieder können sich die meisten ebenfalls gut erinnern. Dazu
nutzen. Praktiziert wird die Methode zum Beispiel im kann es hilfreich sein, wenn die Musizierenden vorab Infor-
Krankenhaus mit Kindern oder in Pflegeheimen mit mationen zur Lebensgeschichte derjenigen einholen, die
älteren Menschen. Beides sind Orte, die eher klangarm sie ansprechen möchten. Die Lieder fungieren sowohl als
sind. Was dort vor allem fehlt, sind Naturgeräusche, wie Brücke zwischen den beteiligten Menschen wie als Brücke
das Summen des Windes, Vogelgezwitscher oder das zwischen den Zeiten und lassen Erinnerungen an früher
Plätschern eines Baches, die selten aus der Außenwelt aufleben.
in die Institution hereindringen. Natürlich gibt es auch
Musik im Stations- und Wohnbereichsalltag: Radio,
DVD-Player oder Fernseher sorgen für Musik, Töne und Interaktives Musizieren lädt den Einzelnen ein
Beschallung. Sie sind jedoch kein Ersatz für ein leben-
diges musikalisches Geschehen. Wenn normalerweise in Pflegeheimen musikalische Ange-
bote gemacht werden, heißt es: Heute zu einer festgelegten
Zeit machen wir Musik. Und es wird erwartet, dass alle
Musik ermöglicht Kommunikation dann auch mitmachen mögen. Beim Interaktiven Musizie-
ren ist das anders. Die Musizierenden laden Einzelne spon-
Ungewöhnlich sind weniger die Orte, an denen Interaktives tan ein, sprechen sie direkt an, kommen ihnen entgegen
Musizieren zum Einsatz kommt, als die Art und Weise, in mit einem auf sie ganz individuell gemünzten Lied, einer
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2010_03_15_Alzheimer_Broschuere.indd 19 15.03.2010 11:01:27 UhrMelodie oder einem Klang, der sie motivieren will, sich sind Ausdruck lebendigen Mensch-Seins und als solche
auf ein „Gespräch“ einzulassen. Großer Wert wird beim wünschenswert: Sie alle gehören zu unserem Leben und
Interaktiven Musizieren darauf gelegt, niemanden in sollen deshalb durch das Interaktive Musizieren in der
seiner Freiheit einzuschränken und die Menschen dort eingeschränkten Lebenswelt der Angesprochenen einen
abzuholen, wo sie gerade sind, geistig und seelisch. An Platz bekommen dürfen. In solchen Fällen ist die Sensibi-
einem konkreten Ort, in einer momentanen Verfassung, lität der Musiker besonders gefragt und es bleibt immer
mit einer sich vielleicht gerade durch Haltung und Ge- eine Herausforderung, die Betroffenen in solchen Situati-
sichtsausdruck abzeichnenden Stimmung. onen zu begleiten. Deshalb wird bei der Ausbildung zum
Interaktiven Musizieren neben dem musikalischen Können
auch besonderer Wert auf die sozialen Aspekte der Kom-
Wertschätzende Kommunikation munikation gelegt.
Diese Impulse nehmen die Musiker beim Interaktiven
Musizieren auf und antworten musikalisch auf das, was Interaktives Musizieren …
sie wahrnehmen. Ob dieser „Ball“ positiv aufgenommen
und zurückgespielt wird, ist ungewiss. Auf jeden Fall … ist eine Form der musikalischen Praxis, die darauf
aber wird die angesprochene Person zu einer Reaktion angelegt ist, die elementare, berührende und beleben-
„verführt“, und sei es zu einem ablehnenden Signal. de Wirkung von Musik in therapeutischen Kontexten
Dass ein solches Signal ohne Missbilligung respektiert und in der Sozialen Arbeit zu nutzen, um miteinander
wird, gehört als Zeichen einer wertschätzenden Kom- in Kontakt zu treten, Beziehung aufzubauen, Gefühle
munikation zum methodischen Handwerkszeug. Ebenso zu stimulieren. Eingesetzt wird das Interaktive Musi-
wie das Sich-Begegnen auf „Augenhöhe“. Berührung zieren beispielsweise in der Arbeit mit Kindern und
kann die Intensität der Kommunikation fördern und das älteren Menschen.
emotionale Geschehen vertiefen. Wichtig ist es dabei
jedoch, dominante Gesten zu vermeiden. Erprobt wurde die Methode im Rahmen eines Modell-
projekts unter anderem auch mit älteren Menschen.
Kooperationspartner waren die Klinik für Medizinische
Brücken bauen zur Persönlichkeit Rehabilitation und Geriatrie des Diakoniekranken-
hauses Henriettenstiftung und die Henriettenstiftung
Beim Interaktiven Musizieren geht es nicht darum, Men- Altenhilfe. Am Zentrum für Weiterbildung und Tech-
schen mit und durch Musik glücklich zu machen. Und es nologietransfer der Fachhochschule Hannover wird
verfolgt auch keine therapeutischen Ziele und will der „Interaktives Musizieren im Gesundheitswesen“ als
Musiktherapie deshalb keine Konkurrenz machen. Was zertifizierter Weiterbildungsstudiengang angeboten.
zählt, ist allein der Augenblick des Geschehens. Wenn
es zum Beispiel gelingt, mit einem Lied bei einer demenz- Kontakt und Informationen:
kranken Bewohnerin Erinnerungen und Gefühle auszulö- Prof. Dr. Thomas Grosse
sen, gewinnt sie für diesen Augenblick ein Stück Identität Fachhochschule Hannover
zurück, erfährt, wer sie ist, wo sie herkommt. Gerade für Fakultät für Soziale Arbeit
Menschen mit Demenz ist deshalb Musik ein Medium,
das wenigstens für Momente eine Brücke bauen kann zu Telefon: (0511) 92 96 3104, 3143
der Persönlichkeit, die sie einmal waren und zu der sie oft thomas.grosse@fh-hannover.de
durch die Krankheit den Zugang verloren haben. Wenn
es gelingt, die durch Demenz oder durch Depression ver-
ursachte Einkapselung aufzubrechen, wurde viel erreicht.
Nicht immer sind es schöne Erinnerungen und freudige
Gefühle, an die die Musik rührt, auch Trauer oder Wut
können zum Vorschein kommen. Doch alle Emotionen
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Sich von Musik 40 Bewohnerinnen und Bewohner mit der Diagnose De-
menz leben in der Einrichtung in vier sogenannten Haus-
gemeinschaften, die räumlich miteinander verbunden sind.
verführen lassen Zwischen den gemeinschaftlich genutzten Wohnzimmern,
den Privatzimmern und dem Wintergarten herrscht reges
Treiben auf den Fluren, viele Bewohner sind unterwegs,
Interaktives Musizieren schauen mal hier, mal dort herein, gehen ein Stück mit
Praxisdemonstration mit den Musikerinnen dem Pflegepersonal und Besuchern mit oder folgen den
Katja Arff und Angelika Nikolaus Stimmen und Geräuschen, die sie aus dem Wintergarten
wahrnehmen.
Der Wintergarten des gerontopsychiatrischen Pflege-
bereichs Buchholz füllt sich an einem Mittwochmorgen, Denn dass sich dort etwas tut, ist nicht zu überhören:
Besucher treffen nach und nach ein und mischen sich Mit Gesang und Akkordeonbegleitung machen zwei Mu-
unter die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses. Es sikerinnen auf sich aufmerksam. Der Rhythmus, den sie
gibt weder Stuhlreihen noch ein Podium noch eine klare mit ihren Liedern vorgeben, ist auf ungezwungene Weise
Trennung zwischen Publikum, Angehörigen, Mitarbeiten- ansteckend und wird unwillkürlich körperlich von den An-
den und Bewohnern des Hauses. Aber konventionell wesenden aufgenommen. Er geht in die Beine, regt zum
ist hier sowieso nichts. Wirklichkeit darf hier ganz aus- Mitschwingen und Mitsummen oder -singen an. Noch
drücklich viele Gesichter haben. haben wir es mit einer für das Interaktive Musizieren
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(K)ein Kraut gegen Alzheimer?
eigentlich untypischen Gruppensituation zu tun. Nach Im gerontopsychiatrischen Pflegebereich Buchholz ist
und nach nehmen die Musikerinnen aus dieser Situation Interaktives Musizieren Teil des regelmäßigen Betreu-
heraus jedoch Kontakt zu einzelnen Bewohnern auf. Sie ungsangebots für Bewohnerinnen und Bewohner.
richten sich zum Beispiel mit einem spanischen Lied an
eine ältere Dame, die nur spanisch spricht und sich darin Informationen:
als persönlich gemeint erkennt. Einem nach innen gekehrt Patricia Gorski-Schmidt, Pflegedienstleitung
wirkenden Herren legt Angelika Nikolaus behutsam einen Gerontopsychiatrischer Pflegebereich Buchholz
kleinen Klangkörper in die Hand und animiert ihn, darüber Henriettenweg 5
zu streichen und auf das Geräusch, das sie erzeugt hat, 30665 Hannover
zu antworten. Das Akkordeon stimmt einige Augenblicke Tel. (0511) 289-4646
später ein Lied an, dessen Rhythmus die Bewegungen
einer Bewohnerin aufgreift, die daraufhin nach und nach www.henriettenstiftung-altenhilfe.de
in Tanzschritte übergeht. Jemand fasst sie bei den Hän-
den und die beiden tanzen als Paar weiter.
Für die Dauer der nächsten halben Stunde ist die Alltags-
routine ausgesetzt und auf den Gesichtern spiegelt sich
die Berührung durch die Musik. Eine Erfahrung, die, wie
die anschließenden Gespräche zeigen, bei allen Besuche-
rinnen und Besuchern tiefen Eindruck hinterlassen hat.
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2010_03_15_Alzheimer_Broschuere.indd 23 15.03.2010 11:01:36 UhrHenriettenstiftung Altenhilfe gGmbH
Unternehmensgruppe
(K)ein Kraut gegen Alzheimer
Leben mit Demenz
Diagnostik
Beratung und Selbsthilfe
Kunsttherapie
Musikalische Gruppenarbeit
Interaktives Musizieren
Impressum:
Unternehmensgruppe Diakonische Dienste Hannover gGmbH
Redaktion:
Ines Goetsch
Thomas Klein
Anne-Elisabeth Ballhausen
Grafik und Fotografie:
www.marceldomeier.de
Foto Pastor Volker Milkowski: Henriettenstiftung
Foto Prof. Dr. Theo Hartogh: privat
Quelle Titelbild: Selbsthilfegruppe „AlBe“
Druck:
Druckerei Biewald GmbH
Auflage:
1000
Hannover 2010
2010_03_15_Alzheimer_Broschuere.indd 24 15.03.2010 11:01:37 UhrSie können auch lesen