Kampf gegen SARS-Cov-2: Braunschweig Spiegel

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                                     Kampf gegen SARS-Cov-2:
Gezielte Prävention für Risikogruppen oder Einschränkung der Grundrechte für alle?

Augenblicklich sind für alle Bürger zahlreiche Grundrechte massiv eingeschränkt. Bundes- und
Landesregierungen regieren mit Verordnungen wie zuletzt vor über 80 Jahren und belegen Verstöße mit
hohen Strafen. Statt gezielt Risikogruppen zu schützen, werden alle Menschen massiv eingeschränkt.

Grundlage für das Handeln der Bundesregierung ist ein Strategiepapier vom Bundesministerium des
Inneren (BMI): „Wie wir Covid-19 unter Kontrolle bekommen“ (fragdenstaat.de). Laut FAZ wurde es vom
19. bis 22. März erstellt. Dieses Papier beschreibt für Deutschland einen Worst Case und vier Szenarien aus
der Perspektive von Virologen. Das Handeln der Regierung basiert offensichtlich genau auf diesem Papier
und entbehrt einer Abschätzung aller Maßnahmen durch Sozialwissenschaftler, Psychologen und
Mediziner. Das Strategiepapier benennt als allererste Aufgabe für die Regierung: „Der Worst Case [des im
Papier entwickelten Szenarios] ist als zentrales politisches und gesellschaftliches Ziel zu definieren.“ Das
heißt, Zweifel an dem beschriebenen Szenario sind nicht zuzulassen.

Wie beschreibt das Strategiepapier des BMI den Worst Case?

Zunächst wird für die Ausbreitung des Virus ein exponentielles Wachstum alle 3 Tage behauptet. Mit
entsprechenden Maßnahmen ließe sich die Verdoppelungszeit bis zum 6. April auf 6 Tage dehnen, bis Ende
April auf 9 Tage. Aus diesem exponentiellen Wachstum der gemeldeten Infizierten leitet die Studie einen
Zusammenbruch des Gesundheitssystems ab. So müssten über 80% der intensivpflichtigen Patienten von
den Krankenhäusern mangels Kapazitäten abgewiesen werden, dabei sei schon berücksichtigt, dass
zusätzliche Intensivbetten und Beatmungsgeräte zur Verfügung gestellt werden. „In diesem Szenario wäre
mit 1 Million Todesfällen zu rechnen“. (S.3)

Man könne dieses Szenario vermeiden, wenn die Reduktion physischer Kontakte „viel weitreichender“
werde. Damit nur noch 15% intensivpflichtiger Patienten abgelehnt werden müssten, müsse Anfang April
die Zeitspanne der Verdoppelung 6 Tage sein, ab Mitte April 9 Tage. In diesem Fall wären aber nur 20% der
Bevölkerung mit dem Virus infiziert, es würde 220.000 Todesfälle geben.

Inwieweit entspricht dieses Modell der Realität?

Laut RKI waren am 8. April 46.300 Infizierte gesundet (45%), von etwas über 103 000 Infizierten sind somit
nur noch 57.000 (55%) active cases vorhanden. Nach Gesundheitsminister Spahn sind sogar schon über
50.000 Infizierte gesundet (Welt v. 9.4.2020). Zur Abschätzung einer zukünftigen Belastung der
Krankenhäuser kann logischerweise nicht die Zahl aller Infizierten (total cases) sondern nur die Zahl der
Erkrankten (active cases) relevant sein.

Beide Zahlen zeigt das folgende Schaubild. Nach Aussagen von Experten nimmt im Verlauf einer Pandemie
die Zahl der Gesundeten (und der Toten) immer mehr zu im Verhältnis zur Zahl aller Infizierten. Am Ende
einer Pandemie wird je nach Letalitätsrate die Zahl der Gesundeten immer sehr nahe an der Zahl aller Fälle
liegen. Bei Covid-19 sicher über 97%.
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                                                                                          total
                                   total cases versus active cases
                                                                                          active
 120000

 100000

  80000

  60000

  40000

  20000

                  0
                      14 16 18 20 22 24 26 28 30   1   3   5       7       9     11 13 15 17 19
                                  März                                         April

Zahlen: worldometer.com

Während in der Statistik von der worldometer.com schon immer die Zahl der Gesundeten täglich gemeldet
wird, hat das RKI, eine staatliche Behörde deren Vorgesetzter Gesundheitsminister Spahn ist, diese Zahlen
bis zum 8. April niemals gemeldet. Erstmals werden von allen Infizierten 45% als gesundet gemeldet. Das
Verhältnis der Gesundeten zu Infizierten verbessert sich kontinuierlich wie das obige Schaubild zeigt.

                                         active cases kumuliert
                  80000
                  70000
                  60000
   active cases

                  50000
                  40000
                  30000
                  20000
                  10000
                      0
                          14 16 18 20 22 24 26 28 30 1     3   5       7        9 11 13 15 17 19
                                     März                                        April
                                                   Datum

Zahlen: worldometer.com

Die Zahl de Erkrankten ist inzwischen rückläufig.
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                                                      daily new cases                                 new cases
   8000

   7000

   6000

   5000
new cases

   4000

   3000

   2000

   1000

            0
                14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
                                      März                                                April
                                                                 Tage

Zahlen: worldometer.com

Welche Aussagekraft haben absolute Zahlen?

Wenn jemand mit einem dreifach großen Schleppnetz fischt und die Zahl der gefangenen Fische sich
verdreifacht, sind dann dreimal soviel Fische im See?

Das RKI meldet täglich neue absolute Fallzahlen, die Medien melden täglich wie beängstigend die Zahl der
Infizierten wächst, z.Zt. sind in Deutschland schon über 100.000 Menschen positiv getestet. Wieviel davon
gesundet sind, erfuhr man in den Nachrichten selten bis nie. Die Situation erscheint für die Bevölkerung
immer gefährlicher zu werden.

Warum erklären das RKI und der Gesundheitsminister uns nicht alle Fallzahlen? Nur wer im
Kleingedruckten nachliest, erfährt im Tagesbericht des RKI vom 24.3. wie das Institut wirklich zählt. Ab
diesem Datum müssen Gesundheitsämter auch Personen als infiziert gemeldet werden, die selbst nicht
getestet wurden sondern nur Kontakt zu Infizierten hatten und danach typische Symptome aufweisen. Das
bedeutet, ab diesem Datum werden mehr Infizierte gemeldet, als es durch Tests bestätigte Infizierte gibt.

Im Tagesbericht des RKI vom 26.3. kann man lesen, dass die Zahl der durchgeführten Tests sich in der KW
12 gegenüber der KW 11 fast verdreifacht hat. Von 127.457 Tests mit 7.582 positiven Befunden (5,9%) auf
348.619 Tests mit 23.820 positiven Befunden (6,8%).

Im Tagesbericht des RKI vom 2.4. folgt der Hinweis, dass in KW 13 354.521 Tests, davon 30.741 positiv
(8,7%), durchgeführt worden seien.

Im Tagesbericht vom 8.4. wird gemeldet, in der KW 14 seien 392.984 Tests mit 35.389 (9%) positiven
Befunden durchgeführt worden.
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Anteil positiver Tests an jeweiligen Gesamttests SARS-Cov_2 in %

                              positive Tests in %
       20
       18
       16
       14
       12
                               8,7     9
       10
   %

        8               6,8
                 5,9
        6
          3,1
        4
        2
        0
          10     11     12      13     14        15   16    17      18     19
                                            KW

Zahlen aus Tagesbericht vom 8.4.2020: RKI. de

Alle diese Betrachtungen lassen bis heute keine exponentielle Ausbreitung des Virus erkennen. Die
Entwicklungen deuten vielmehr auf eine Verlangsamung hin.

Der Worst Case im Strategiepapier des BMI ist also eine theoretische Annahme ohne jede reale Grundlage.
Trotzdem werden auf Basis dieses Papiers die Freiheitsrechte aller 82 Mio. Bundesbürger massiv
eingeschränkt!

Aber was ist mit den Entwicklungen in Italien, USA, Spanien?

Als mögliche Erklärungen für die unterschiedliche Entwicklung in den Ländern können u.a. folgende
Einflussfaktoren genannt werden:

        Medizinische Versorgungsqualität (Deutschland hat 34 Intensivbetten je 100 000 Einwohner, Italien
         knapp 7, USA 2,5)
        Geographische Faktoren
        Klimatische Faktoren
        Austauschquote mit anderen Ländern
        Altersstruktur
        Luftqualität
        Mutation des Virus
        Migration
        Bevölkerungsdichte/Kontaktrate
        Gesundheitsstandards/Hygiene
        Stärken/Schwäche des Immunsystems der Menschen
        Infektionsgrad zum Zeitpunkt des Erkennens der Pandemie ist in den Ländern unterschiedlich
        und weitere …

Angesichts der Intensivbettenausstattung in Deutschland um ein 15fach höheres Niveau im Vergleich zu
den USA, sollte von Medizinern (und nicht von Virologen!) die Kapazität für eine Behandlung in
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Deutschland abgeschätzt werden. Eine Beantwortung der Frage, wieviel Covid-19 Patienten in Deutschland
in einem definierten Zeitraum gleichzeitig heute schon behandelt werden könnten, würde uns helfen, das
Risiko für Deutschland realistisch zu beurteilen. Bisher gibt es unerklärlicherweise dazu keine Antwort aus
der Politik. Hilfsweise versuche ich deshalb unter Verwendung bekannter Parameter eine Hochrechnung.

Intensivbettenkapazität in Deutschland

In Deutschland gab es zu Beginn der Pandemie 28.000 Intensivbetten, davon 20% nicht belegt (5.600), die
Zahl der Intensivbetten wurde angeblich inzwischen verdoppelt. Folglich könnte man mit 33.600 (28.000 +
5.600) Betten für Covid-19 Fälle kalkulieren. Laut Strategiepapier Seite 3 kalkuliert das RKI mit 4,5%
Hospitalisierungsrate - wovon ein Viertel intensivpflichtig werden (also 1,125%). Die Liegedauer je Bett
betrage 10 Tage, d.h. in einem Bett könnten also 3 Patienten jeden Monat behandelt werden.

Die monatliche Behandlungskapazität aller Intensivbetten in Deutschland beträgt somit 3 x 33.600, also
etwa 100.000 behandelbare Covid-19 Patienten. Wenn 100.000 Patienten also 1,125% aller infizierten Fälle
entsprechen, dann müsste es also 8.9 Mio. Erkrankte (active cases) in einem Monat geben, bevor die
gegenwärtige monatliche Intensivbettenkapazität der deutschen Krankenhäuser überschritten würde.

Zur Erinnerung: Zur Zeit gibt es 65.000 Erkrankte (wovon 1,125% laut RKI Intensivbetten benötigen) und
diese Zahl ist rückläufig!

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Sorge von Bürgern in Deutschland im Fall der Fälle kein
Intensivbett zu bekommen, begründet ist.

„Aber es sterben doch sogar schon Ärzte“

Ja, weil Masken, Schutzanzüge und Desinfektionsmittel fehlen! Wenn Verantwortliche in Politik und
Verwaltung jetzt so tun, als könne jeder einzelne Bürger für das Gesundheitssystem Verantwortung
übernehmen, indem er der Aufhebung seiner Freiheitsrechte zustimmt, so wird das nicht helfen. Bis dato
ist das Gesundheitswesen in Deutschland durch Erkrankte noch nicht überlastet. Todesfälle gibt es auch
durch Corona, und jeder Einzelfall ist tragisch und beklagenswert.

Deshalb sind zielgerechte präventive Maßnahmen für Risikogruppen richtig und von allen Bürgern zu
unterstützen, in begründeten Fällen gehören dazu auch Quarantäne und Mundschutz! Es ist aber falsch,
auf Grundlage eines durch keinerlei Fakten gestütztes Worst Case Szenarios allen Bürgern ihre
Freiheitsrechte massiv einzuschränken.

Wir müssen akzeptieren, dass das Virus sich verbreitet und in Zukunft Teil unseres Lebens wird. Ein
Abbruch aller sozialen Kontakte wird die Verbreitung des Virus nicht mehr rückgängig machen. Es ist
gefährlich und bildet ein weiteres Lebensrisiko. Unsere Großeltern haben viel Leid hingenommen bis zur
Erfindung des Penicillins, unsere Eltern haben um uns gebangt wegen Kinderlähmung, Masern und Pocken.
Wir werden Leid erfahren wegen Covid-19, solange bis sich in der Gesellschaft eine Immunabwehr
aufgebaut hat und vielleicht ein Impfstoff gefunden wird – aber bei HIV und Denguefieber gibt es bis heute
keine Impfung.
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Staatliches Handeln muss immer verhältnismäßig sein!

Bei allen staatlichen Maßnahmen muss eine Nutzen- / Folgenabwägung vorgenommen werden. Im
Strategiepapiere des BMI ist das an keiner Stelle der Fall! Inzwischen gibt es zunehmend Stimmen, die auf
die Kollateralfolgen der massiven Freiheitseinschränkungen für unsere Gesellschaft hinweisen. Möglich ist,
dass diese Folgen in Kürze größer sein werden, als die Folgen von Covid-19. Hierzu verweise ich auf das
„Thesenpapier zur Pandemie durch SARS-Cov-2/Covid-19“ vom 5. April 2020, hier insbesondere auf die
Seiten 19ff – siehe matthias.schrappe.com (ehemals Stellv. Vorsitzender des Sachverständigenrates
Gesundheit). Wenn es nach der Erklärung der Bundeskanzlerin vom 9. April geht, müssen wir alle mit den
Beschränkungen leben bis ein Impfstoff gefunden ist. Demnach werden wir wohl vor die Alternative
gestellt werden für die Rückgewinnung eines Teils unserer Grundrechte eine Zwangsimpfung zu
akzeptieren.

Joachim Kleppe

9.4.2020
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