Beitrag: Neuer Kurs bei Airbus - Deutsche Arbeitsplätze in Gefahr?
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Manuskript Beitrag: Neuer Kurs bei Airbus – Deutsche Arbeitsplätze in Gefahr? Sendung vom 3. März 2015 von Alexander Poel Anmoderation: Rekordgewinne. Volle Auftragsbücher. Steigende Aktienkurse. Airbus ist im Höhenflug. Vergangene Woche veröffentlichte das deutsch-französische Konsortium seine Erfolgsbilanz. Doch am Wirtschaftsstandort Deutschland kommt wenig Freude auf. Denn während Frankreich mit Airbus über den Wolken schwebt, droht Deutschland mit Airbus der Absturz. Tausende Arbeitsplätze – gestrichen. Hunderte Zulieferer – auftragslos. Dabei hatte die Politik Airbus jahrzehntelang Milliarden Subventionen gewährt, für Arbeitsplätze und zwecks Wirtschaftsförderung. Aber trotzdem, so berichtet Alexander Poel, wird für die deutsche Flugzeugindustrie die Luft immer dünner. Text: 27. April 2005, Jungfernflug eines Riesen. Der A380. Das größte Flugzeug der Welt kommt aus Europa. Ein Erfolg für Airbus und für hunderte Zulieferer, tausende sichere Arbeitsplätze für Deutschland. Damals waren die Auftragsbücher voll. Heute, zehn Jahre später, ist alles anders. Wir treffen einen Luftfahrtunternehmer, der den A380 mit entwickelt hat. Er will nicht erkannt werden und übt heftige Kritik: Immer mehr Airbus-Aufträge gingen an französische Unternehmen. O-Ton deutscher Unternehmer: Die holen sich dann einen deutschen Mittelständler wie uns als Partner ins Boot. Dann verlangen sie oft eine so genannte Managementgebühr. Sobald das Geschäft mit Airbus dann läuft, werden unsere Ingenieure schrittweise durch andere, meist französische ersetzt. Uns wird eine vertrauliche Liste zugespielt, die die Vorwürfe des deutschen Unternehmers untermauern. Von den 16 Top- Entwicklern von Airbus kommen zehn aus Frankreich und nur
zwei aus Deutschland. Bis 2008 arbeiteten knapp 2000 Firmen für Airbus – darunter hunderte Deutsche. Heute zählt Deutschland zu den Verlierern. Denn Unternehmen, die nicht auf der Liste stehen, dürfen nicht für einen Airbus-Auftrag bieten. Wer es dennoch versuchen will, spielt mit seiner unternehmerischen Unabhängigkeit. Viele haben das erlebt, offen reden will niemand darüber. So groß ist die Angst vor dem Platzhirsch Airbus, dass sich Auftragnehmer nur noch anonym äußern wollen. O-Ton deutscher Unternehmer: Ich bekam Besuch von einem großen Airbus-Zulieferer aus Frankreich und man sagte mir: Ihre Firma ist zu klein, um für Airbus zu arbeiten. Aber sie können Ihr Unternehmen an uns verkaufen. Wenn man sich weigert, wird der Preis gedrückt. Immer weiter. Bis man aufgibt. In ihrer Not wenden sich einige Unternehmer an Sigmar Gabriel. Sie verweisen darauf, dass bei Airbus mittlerweile Frankreich alleine den Ton angebe. Die Antwort aus dem Wirtschaftsministerium liest sich wie eine Kapitulationserklärung: „Uns ist bekannt, dass die Airbus Group zunehmend Arbeitsanteile auslagert. Frankreich hat viele große Zulieferer, Deutschland nur wenige. Wir betrachten diese Entwicklungen mit Sorge, haben auf unternehmerische Entscheidungen aber keinen Einfluss.“ Wir wollen mit Airbus-Chef Tom Enders zu dem Thema ein Interview führen – doch Airbus lehnt ab. Wir fragen auf der Bilanzpressekonferenz nach: O-Ton Tom Enders, Vorstandsvorsitzender Airbus Group: Ich höre den Vorwurf seit 20 Jahren, dass wir mittelständische Unternehmen ausquetschen oder aus dem Geschäft drängen. Das ist unser Job. Wir müssen sehen, ob wir die Dienstleistung nicht auch billiger bekommen. Es geht ja nicht darum, bestimmte Beschäftigungsquoten für bestimmte Länder einzuhalten, wie mancher vielleicht meint. Es geht um Wettbewerbsfähigkeit. Airbus, gegründet Anfang der 70er Jahre als staaten- übergreifendes, europäisches Vorzeigeprojekt und als Konkurrenzprodukt zur übermächtigen amerikanischen Boeing und ihrer 747 – dem Jumbo. O-Ton Franz-Josef Strauß, ehemaliger Bayerischer Ministerpräsident, 1985: Das Airbus-Unternehmen wird am Markt bleiben, die nächsten 5, 10, 15, 20 Jahre. Der Durchbruch ist erzielt und
wir schauen hoffnungsvoll in den Himmel und in die Zukunft. Um das Prestige-Projekt Airbus zu unterstützen, zahlen Europas Regierungen Milliarden-Subventionen und Kredite bis heute. Allein für den A380 gab die Bundesregierung ein Darlehn in Höhe von 1,1 Milliarden Euro. Das zahlte sich aus - mit vielen tausend Arbeitsplätzen. Doch inzwischen macht das Unternehmen Schlagzeilen mit Stellenabbau. 3000 Arbeitsplätze sollen in Deutschland bis 2017 wegfallen. Obwohl Deutschland und Frankreich heute mit jeweils zwölf Prozent an Airbus beteiligt sind, gibt es nur einen Gewinner: Frankreich. Im Dezember 2014 waren von den 139.000 Airbus-Mitarbeitern rund 52.000 in Frankreich beschäftigt, nur 48.000 in Deutschland. Deutlicher wird der Unterschied, wenn man sich einzelne Sparten genauer ansieht - zum Beispiel Airbus Helikopter: Bei der ehemaligen Eurocopter arbeiten in Frankreich 10.000 Angestellte, in Deutschland ein wenig mehr als die Hälfte Ottobrunn bei München. Viele Jahre Hauptquartier des Airbus- Vorläufers EADS. In der Ära Franz-Josef Strauß musste ein fester Prozentsatz der Aufträge an deutsche Firmen gehen. Heute ist das nicht mehr so. Als Horst Seehofer Bayerischer Ministerpräsident ist, plant Airbus, sein Hauptquartier von Deutschland nach Frankreich zu verlegen. Seehofer verlangt zunächst Kompensation. Der Airbus-Chef besteht auf einem Vier-Augen-Gespräch, und setzt sich durch: Airbus geht nach Toulouse. Der damalige Bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil von der FDP kann sich bis heute nicht erklären, wie es dazu kam. O-Ton Martin Zeil, FDP, ehemaliger Bayerischer Wirtschaftsminister: Danach, das war das Auffällige, schien also alles gut. Dann wurde nur noch, auch im Kabinett teilweise, schlecht geredet über die Bundesregierung. Und man müsse doch dem Herrn Enders mehr oder weniger freie Hand geben. Das war dann das Fatale, dass hier dann auch aus der eigenen bayerischen Regierung heraus dieses Vertreten der bayerischen, deutschen Interessen erschwert worden ist. Wir wollen mit Horst Seehofer über die Abwanderung von Airbus sprechen. Doch der lehnt ab und verweist an das Bayerische Wirtschaftsministerium. Und Ilse Aigner zeigt sich hilflos. O-Ton Ilse Aigner, CSU, Bayerische Wirtschaftsministerin:
Natürlich kämpft man dann immer. Aber das sind letztendlich auch Unternehmensentscheidungen. Da wird oft auch, gerade zwischen den Staaten, mit kräftigen Einsätzen auch gefightet, das ist keine Frage. Aber es ist wichtig, dass wir haben auch Standorte gerade auch in der Luft- und Raumfahrt auch hier sehr stark haben, die wir auch unterstützen von bayerischer Seite. Experten aber sind sich einig: In der Standortfrage hat es Horst Seehofer Airbus und Tom Enders viel zu leicht gemacht. O-Ton Prof. Christoph Kaserer, Unternehmensexperte, TU München: Die großen Entscheidungen über Investitionsprojekte werden in der Zentrale getroffen. Das kann mir niemand erzählen, dass Entscheidungen, die in Toulouse getroffen werden, auch bei einem solchen internationalen Konzern wie Airbus, sozusagen völlig unabhängig davon sind, was eben die regionalen Interessen in Toulouse sind oder eben die staatlichen Interessen in Frankreich. Das lässt sich eben leichter durchsetzen, wenn man die Zentrale im Land hat. Airbus gelingt es immer wieder politisch relevante Entscheidungen im Sinne des Unternehmens zu beeinflussen – etwa die Luftfahrtstrategie der Bundesregierung. Eine Quote, wie viele Aufträge an deutsche Zuliefer- und Entwicklungsfirmen gehen müssen, wurde zwar diskutiert, ließ sich aber gegen den Airbus-Widerstand nicht durchsetzen. Von derartiger Einflussnahme will Klaus-Peter Willsch nichts hören. Der Vorsitzende der Parlamentsgruppe Luft- und Raumfahrt steht in engem Kontakt zu Airbus. Die Sorgen der mittelständischen Luftfahrtbranche hält er für übertrieben. O-Ton Klaus-Peter Willsch, CDU, MdB: Es ist nicht immer ganz leicht zu unterscheiden, was ist Kaufmanns Wehklagen, sagen wir mal, und was ist wirklich eine Veränderung. Dass wir hier eine Situation hätten, dass systematisch Deutsche rausgedrängt werden, kann ich so nicht nachvollziehen. Wie weit die großen Konzerne bei Ihrer Kontaktpflege gehen, zeigt ein Vorgang aus dem Jahr 2007. In einem Lokalblatt, für das Willsch als Herausgeber fungiert, halbseitige Anzeigen vom Airbus-Vorläufer EADS. Ein paar Ausgaben später inseriert der britische Lenkwaffenhersteller MBDA, eine Airbus-Beteiligung. Alles ganz normal, findet Klaus-Peter Willsch. O-Ton Klaus-Peter Willsch, CDU, MdB: Da ist eigentlich alles zu gesagt. Das sind Kunden, die Anzeigen schalten. Die schalten die im „Vorwärts“, die
schalten die in anderen Parteizeitungen und so dann auch bei mir. O-Ton Frontal21: Aber das ist ja nun eine Gegend – der Rheingau – wo man nicht vermuten würde, dass ein britischer Raketenhersteller Anzeigen schaltet. O-Ton Klaus-Peter Willsch, CDU, MdB: Was glauben Sie, wie viele SPIEGEL-Leser Raketen kaufen. Da finden Sie ja auch solche Anzeigen - oder eben „Vorwärts“. Der gute Kontakt der Luftfahrtindustrie zur Politik zahlt sich für Airbus aus. Zu den Verlierern gehören viele Mittelständler, die mit ihren hochqualifizierten Arbeitsplätzen einst das Rückgrat einer ganzen Branche bildeten. O-Ton Prof. Christoph Kaserer, Unternehmensexperte, TU München: Die Wertschöpfung wird dann eben zu bestimmten Teilen nach Frankreich abwandern. Im Übrigen geht es dabei nicht nur um Arbeitsplätze, sondern es geht natürlich auch um Know-how. Noch mal: Wir reden hier von einem Hochtechnologiebereich, von einer Schlüsseltechnologien. Unternehmer zeichnen ein düsteres Bild. O-Ton deutscher Unternehmer: Uns laufen ja auch die Mitarbeiter davon, weil sie kaum noch eine Zukunft sehen. Für mich existiert der Luftfahrt-Standort Deutschland eigentlich nicht mehr. Und so geraten weitere Arbeitsplätze in Gefahr, weil die deutsche Politik den Kampf um Einfluss bei Airbus verloren gibt. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.
Sie können auch lesen