Kann eine künstliche Intelligenz unser politisches System ersetzen?

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Kann eine künstliche Intelligenz unser
politisches System ersetzen?
Ja, das ist möglich.
GAIA macht genau das.

GAIA steht für Global Artificial Intelligent Ad-
ministrator und ist eine künstliche Intelligenz,
programmiert um unsere politisches System
individueller, direkter, schneller und gerech-
ter zu machen.
Während wir heute politische Repräsentant_
innen wählen, müssen wir in Zukunft direkt in
die Lösung unserer Probleme eingebunden
werden. Während wir heute alle paar Jahre
zur Wahlurne gebeten werden, brauchen wir
in Zukunft Entscheidungen in Echtzeit. Die
technischen Fortschritte – deep learning,
selbstentwickelnde Algorithmen, und expo-
nentielle Entwicklung der Rechenleistung –
machen es möglich.
Mit unserem digitalen Fußabdruck errechnet
sie ein präzises Bild von unseren Interessen,
Haltungen und Ethiken. Eine multidimen-
sionale Stimme. GAIA berechnet aus den
Stimmen aller Bürger_innen eine Lösung. Es
ist ein System der direkten und permanenten
Demokratie. Es ist eine ständige Volksabstim-
mung. Eine multidimensionale Stimme be-
deutet, dass wir nicht mehr „Ja“ oder „Nein“
stimmen. GAIA errechnet aus der Gesamt-
heit aller Stimmen den besten Kompromiss.
GAIA —
Global Artificial Intelligent Administrator

Schriftlicher Teil der Diplomarbeit

von Jakob Zerbes

Sommersemester 2017

Universität für angewandte Kunst Wien
Institut für Design
Klasse für Grafik Design, Professer Oliver Kartak

Betreuung:
Univ.-Prof. Oliver Kartak
Prof.in Mag.a Katharina Uschan
Mag.a Sabine Dreher
Ich gehe durch Amsterdam. Mein Erasmus-
Semester in Den Haag ist vorbei und ich habe
noch zwei Wochen, die ich totschlagen muss,
bevor ich die Reise nach Hause antrete. Es ist
Juni und gefühlt der erste sonnige Tag, den
ich in den Niederlande erlebe. Ich schlendere
planlos durch die Massen an Reisegruppen
und finde mich vor einem „English Bookshop“
wieder. Ich gehe hinein. Ein Ein-Euro-Wühl-
tisch zieht meine Aufmerksamkeit auf sich,
und ich entscheide mich für zwei Bücher:
das eine ein Krimi – ich erinnere mich nicht
genau, das andere ist Arthur C. Clarkes „City
and the Stars“. Es wird noch einige Monate
brauchen bis ich das Buch, das erste Mal auf-
schlage und es mich in seinen Bann zieht.
Am Anfang steht die Idee.

       In „City and the Stars“ zeigt uns Arthur C. Clarke (> Science Ficti-     Arthur C. Clarke, *1917 † 2008,
on, Seite 28) eine Welt — Milliarden Jahre von heute entfernt. Diaspar,         gehört zu den „Big Three“ der
                                                                                englischsprachigen Science
so heißt die Stadt und gleichzeitig Maschine, in der die Menschheit             Fiction-Literatur. Er gilt als
Heimat gefunden hat. So lange schon, dass niemand mehr weiß wie                 Visionär neuer Techniken, die
lange. Sie ist, so glauben die Bewohner_innen, der letzte Rückzugsort           er nicht nur in seiner Literatur
                                                                                behandelte sondern auch in
einer unwirtlich geworden Erde. Sie erfüllt ihren Bewohner_innen je-            wissenschaftlichen Arbeiten
den Wunsch. Es ist die volle –oder vielmehr– totale Automatisierung.            abhandelete. Er beschrieb unter
Wenn sie Hunger haben, „drucken“ sie sich ihre Lieblingsspeise in               anderen geostationäre Satelli-
                                                                                ten als erster und rechnete sie
5-Sterne-Qualität, wenn ihnen langweilig ist, lassen sie sich in ela-           durch.
borierte Virtual Reality-Anwendungen auf gefahrlose Abenteuer ein.

       Ich lese die Seiten und bekomme ein flaues Gefühl im Magen.
Die Menschen haben alles. Es geht ihnen gut und sie sind glücklich.
Und trotzdem befremdet mich der Gedanke. Die Vorstellung irritiert
mich, ich merke wie sich ein Widerstand in mir entwickelt, dessen
rationalen Grund ich noch nicht erfassen kann (> Uncanny Valley, Seite 35).
Er skizziert die totalen Entfremdung der Menschen von ihren Bedürfnis-
sen und der Erfüllung ihrer Bedürfnisse und doch steht ein Weisen-Rat
an der Spitze einer weitgehend postpolitischen und postideologischen
Welt und wacht über die Gesellschaft und ahndet Missverhalten. Es gibt
eine regierende Klasse in dieser voll-automatisierten Welt.

        Bereits 1956 spekuliert Clarke über eine Welt, in der die Versor-
gung unserer Bedürfnisse von Maschinen erledigt wird, er spekuliert
über selbsterhaltende Maschinen und künstliche Intelligenz (> Künst-
liche Intelligenz, Seite 30), und noch wesentlicher: die Konsequenzen
dieser technischen Errungenschaften auf die Gesellschaft.

       60 Jahre später finden wir viele seiner Ideen in unseren realen
Leben wieder. Welche kreative und interlektuelle Leistung dahinter
steht, ist schwer zu beziffern, denn wohlgemerkt: Diese Visionen
entstanden in einer Zeit, in der kommerzielle Computer schlechtere
Taschenrechner waren. Es ist die Kraft der Spekulation (> Spekulatives
Design, Seite 30), des Gedankenexperiments, die die Gesellschaft mit-
geformt und Innovation vorangetrieben hat.

      Heute gibt es zahllose Beispiele für künstliche Intelligenzen in
unserem Alltag, sie lernen und modifizieren ihr Verhalten selbst. Viele
von ihnen studieren von uns. Sie versuchen zu verstehen, was uns als
Individuum bewegt, um uns unsere Bedürfnisse zu erfüllen, oder –in
Wahrheit viel öfter– um in uns Bedürfnisse zu wecken. Doch was se-
hen sie, wenn sie uns studieren? Oder konkreter gefragt: wie nehmen
sie uns wahr?

                                                                            6
Ich trage mein Smartphone ständig bei mir. Die meisten von uns
machen das. Ich google, ich kommuniziere, ich schaue Videos, selbst
wenn ich Laufen gehe, will ich, dass mein Handy meine Strecke trackt.
Und ich frage mich: welches Bild zeichnen die vielen Daten und Meta-
daten (> Big Data, Seite 33) von mir. Das Cambridge Institute for Psycho-
metrie beschäftigt sich mit der Frage. Sie lassen einen Algorithmus
unser Like-Verhalten in eine Art Landkarte der Psyche verwandeln. Die
Verbindung von diesen Parametern überlassen sie aber weitestge-
hend Algorithmen.

       Diese Verbindung ist bereits gängige Praxis in der Werbung: als
sich herausstellte, dass Donald Trumps Wahlkampfteam verwendete,
wurde es breit und mit einer gewissen Empörung diskutiert. Dabei
ist der Gedanke nicht neu: sogenanntes Targeted Marketing gibt es
schon immer — oder sagen wir seit dem es Marketing gibt. Es werden
–ohne auf die sexistischen Stereotypen eingehen zu wollen– andere
Werbungen im Magazin „Woman“ geschalten, als im Magazin „GQ“.
Neu ist der Grad der Automatisierung und dadurch die feinere Klinge
in der Zusammensetzung der Gruppen.

      Aber wenn Maschinen uns schon so gut kennen, warum dann
nicht den Spieß umdrehen? Warum füttern wir Datenkracken, wie
Google und Konsorten, und nutzen sie nicht für uns?

Ein Gedanke entwickelt sich in mir: Kann
eine künstliche Intelligenz das politische
System, wie wir es heute kennen, ablösen?

     Was würde das bedeuten? Bedeutet das die pure Bevormun-
dung des Menschen durch die Maschine? Muss das das Ende der
Demokratie bedeuten oder ist es ein Chance, den demokratischen
Prozess zu revolutionieren?

      Ein Gedankenexperiment beginnt.

                                                                        7
Auf den folgenden Seiten finden Sie die Rede in der Fassung
vom 9. Juni 2017. Das eigentliche Werk entsteht, wie bereits be-
schrieben, erst im Zuge der Diplompräsentation. Ich habe mich
entschlossen sie trotzdem in diese Arbeit aufzunehmen. Wenn Sie die
volle Erfahrung in der Präsentation machen wollen, rate ich Ihnen sie
zu überspringen.

                                                                    9
Guten Morgen!

     Mein Name ist Jakob Zerbes. Ich bin Sprecher des Projekts
GAIA. Ich werde Ihnen heute erklären, wie eine künstliche Intelligenz
das politische System, wie wir es kennen, ersetzt.

        Es drängt sich zu allererst die Frage auf: Wozu?

        Brauchen wir überhaupt ein neues System?

        Ja. Ich denke schon. Die Wahlbeteiligung sinkt von Wahl zu
Wahl.

      Einige gehen nicht wählen, weil sie glauben, ihre Stimme geht
sowieso in der Masse unter. Einige finden keine Partei, der sie zustim-
men könnten. Für andere sind die politischen Fragen so komplex, dass
sie das Gefühl haben keine richtige, oder gut informierte Wahl treffen
zu können. Und wieder andere haben das Gefühl es ist egal entweder,
weil alle Parteien unterm Strich nur Schattierungen desselben Pro-
gramms haben, oder weil sie bemerkt haben, dass Wahlversprechen
nur vor der Wahl gelten.

      Viele Menschen verstehen diese Kritik. Viele von Ihnen werden
diese Kritik nachvollziehen können. Sie verstehen ein bisschen was
von dem, und ein bisschen was von da, aber Sie gehen trotzdem
wählen … weil es sich gehört, oder weil Sie bis jetzt keine Alternative
zur Demokratie sehen, weil Sie sich mehr vor dem fürchten, was sonst
kommen könnte.

      Das ist ein Problem: Ein großer Teil geht nicht mehr wählen, und
ein großer Teil der Übrigen tut das nur weil es das kleinere Übel ist.

      Und ab einem gewissen Punkt stellt sich die Frage: Ist das noch
Demokratie? Wenn 30% wählen gehen, bedeuten 15% eine Mehrheit.
Wenn nur 10% wählen gehen, hat nur jeder 20ste eine Regierungspar-
tei gewählt. Es reicht einer aus 20 um die Politik zu bestimmen.

        Ab welchem Punkt wird dieses System absurd?

        Ich werde Ihnen von einer Idee erzählen.

        Einer Idee, die unser Zusammenleben neu definiert.

        Einer Idee, die Sie, und uns alle, ins Zentrum setzt.

      Einer Idee, die technischen Fortschritt aufgreift und daraus eine
stärkere, persönlichere und schnellere Demokratie schafft.

      Stellen Sie sich vor, dass sie bei jedem Problem mitbestimmen.
Und es geht nicht um „dafür oder dagegen“, sondern darum eine dif-
ferenzierte Meinung haben, ein „dafür, aber…“ oder ein „in manchen
Fällen, wie zum Beispiel…“.

                                                                     10
Stellen Sie sich vor alle können mitbestimmen und aus der Mas-
sen an Meinungen, aus diesen vielen Ideen, finden wir eine Lösung,
die allen gerecht wird.

      Stellen Sie sich vor es gibt keine Gleicheren unter den Gleichen.
Es gibt keine Politiker und oder Politikerinnen, die sich auf „Die Leute“
berufen, denn die Meinung der Leute steht nicht mehr zur Interpreta-
tion offen.

      Diese Vision bedeutet individuelle Repräsentation.

      Diese Vision bedeutet, dass unsere Werte im Zentrum stehen.

      Es geht nicht um Gewinnen und Verlieren.

      Es geht um echte Gleichheit. Kein Lobbying, keine politischen
Eliten.

      Ich möchte Ihnen GAIA vorstellen:

       GAIA ist ein Akronym für „Global Artificial Intelligent Administra-
tor“. Und wie die, die sich in der Schule mit Griechisch plagen muss-
ten, sicher wissen: Gaia ist in der griechischen Mythologie die per-
sonifizierte Erde, die Mutter und sie wurde als Erste aus dem Chaos
geboren.

       Und bei GAIA geht es genau darum, dass Sie als Individuum, in
all Ihren Schattierungen, mitbestimmen.

    Es geht darum einen gemeinsamen Weg, den bestmöglichen
Kompromiss, zu finden.

     Und es geht darum, dass diese Entscheidungen gerecht, trans-
parent und schnell getroffen werden.
      Das ist ein großes Versprechen.

      Aber ich gebe Ihnen diese Versprechen:

      GAIA ist die ultimative, individuelle Repräsentation.

      GAIA ist permanente Demokratie.

      GAIA ist Liquiddemocracy.

      GAIA ist die Weiterentwicklung der Menschlichkeit.

      Ja, also das wollte ich sagen.

      Haha, nein ich schulde Ihnen natürlich ein, zwei Erklärungen.

      Also, wie funktioniert das?

                                                                        11
GAIA, basiert auf 3 Bausteine:

      1. Persönlichen Daten

      2. Künstliche Intelligenz

      3. Rechenleistung

      Also erstens, die persönlichen Daten:

       Wir wissen, die Daten, die wir über uns sammeln sind in den letz-
ten Jahren massiv gewachsen. Und mit massiv meine ich explosionsar-
tig. Es sind so viele Daten über jeden von uns da, wie noch nie zu vor. Es
stehen uns so viele Daten über Personen – alleine aus dem letzten Jahr
– zur Verfügung, wie über den gesamten Rest der Geschichte.

      Das beginnt bei unseren klassischen statistischen Daten, den
Steuerbescheiden und Kontoaktivitäten über Nachrichten, die wir ver-
schicken, und auch jenen die wir nicht verschicken, bis hin zu unseren
Bewegungsmuster und in letzter Zeit auch immer mehr zu Körperfunk-
tionsdaten, wie unserem Puls oder unserer Atemfrequenz.

      Ich möchte Ihnen ein Beispiel bringen:

       Forscher vom Cambridge Institute for Psychometrie haben es
geschafft einen Algorithmus, also eine definierte Abfolge von Regeln,
zu entwickeln der durch die Verknüpfung deiner Gefällt-Mir-Angaben
ein Psychogramm, also eine Art Landkarte deines Charakters, zu er-
rechnen. Mit nur 50 Angaben, ob dir zum Beispiel die TV Show „How
I met your mother“, oder das Kosmetikunternehmen „Mac“ gefällt,
kann die Software sagen, ob du introvertiert oder extrovertiert, ob du
sozial- oder konkurrenzorientiert bist, deine sexuelle Orientierung,
und…

      Mit sehr viel weniger Daten, als uns zur Verfügung stehen, kön-
nen sie also bereits sehr genaue Aussagen treffen und diese Software,
also der Algorithmus, clustert diese Daten selbstständig. Es sitzt kein
Mensch dahinter und sagt, wenn A dann B. Der Algorithmus setzt sie
selbstständig in Zusammenhang, erkennt selbstständig Muster und
errechnet damit persönliche Eigenschaften. Das ist eine Methode, die
wir Deep Learning nennen.

      Das ist schon beeindruckend.

      Und es bringt uns zum zweiten Punkt:
der künstlichen Intelligenz.

       Das ist was wir uns meist vorstellen, wenn wir über künstliche
Intelligenz reden: Terminator. Matrix. HAL.

     Aber ich kann Sie beruhigen: GAIA ist was wir in der Fachter-
minologie eine „schwache“ künstliche Intelligenz nennen. Ich mag

                                                                        12
den Ausdruck „schwach“ nicht, denn die Aufgabe, die GAIA erfüllt
ist durchaus groß. Aber bleiben wir beim Fachausdruck: Schwach
bedeutet, dass sie dafür programmiert wurde selbstständig zu ler-
nen, und Entscheidungen zu treffen. Also, ein spezifisches Problem
zu lösen. Sie ist nicht dafür programmiert worden ein Bewusstsein zu
entwickeln, GAIA hat auch keine körperliche Gestalt. Die Angst vor
einer Superintelligenz, die den Menschen unterwirft ist also ausge-
schlossen.

        (Ein Algorithmus-Diagramm ist auf der Leinwand projeziert.)

       Das ist also der Algorithmus,… und das ist der Punkt wo ich end-
lich erkläre, wie das Ganze funktioniert:

      Wir beginnen hier: mit unseren persönlichen Daten. GAIA
nimmt sie und errechnet präzise unsere ganz persönlichen Eigen-
schaften, unsere persönlichen Haltungen und unsere politischen
Werte – sie errechnet etwas das wir deine „multidimensionale Stim-
me“ nennen.

     Mit „multidimensionalen Stimmen“ von allen Bürgern und
Bürgerinnen errechnet sie einen Konsens oder zumindest den besten
Kompromiss.

        Es ist also keine Frage von zwei gegensätzlichen Positionen
mehr.

        Es ist keine Frage des kleinere Übels mehr. Deine Stimme steht
für alles was du wirklich willst und schließt deine Zweit-, Drittwahl,
Viertwahl… ein. Sie entwickelt Lösungen aufgrund des Votums, und
stellt nicht nur Optionen zur Wahl.

      Der Clou ist: Sie macht das für uns alle – und zwar immer und
gleichzeitig.

        Sie erschafft eine permanente Demokratie.

      Es ist ein ständiges Referendum, ein ständiger Volksentscheid
mit 100% Wahlbeteiligung, ohne die Kosten und den Zeitaufwand.

        GAIA bedeutet: Keine Politiker. Keine Korruption.

     Oder positiv formuliert: GAIA bedeutet: Demokratische Ent-
scheidungen in Echtzeit.

       Wir haben in der Geschichte gelernt, dass es Grundsätze
braucht. Wir können keine Mehrheiten über Minderheiten entschei-
den lassen. Wir brauchen einen Schutz des Individuums. Wir haben
das mit Verfassungen und den Menschenrechten gelöst. Wir könnten
jetzt diese Grundgesetze implementieren. Nur stellt uns das vor ein
anderes Problem: Wir würden die ethischen Vorstellungen von heute

                                                                      13
in Stein hauen, und keine Bewegung – gerade zum Besseren– zulas-
sen, und Probleme, an die wir bis heute noch nicht gedacht haben
bzw. die einfach nicht da waren, bleiben unbeantwortet. Das Prob-
lem, das es zu lösen gilt ist also: Wir brauchen ein Grundgesetz das
generell genug ist, um Bewegung zuzulassen, und spezifisch genug,
um Schutz zu bieten.

      „GAIA darf die Menschheit nicht verletzen oder durch Passivität
zulassen, dass die Menschheit zu Schaden kommt.“

      Es ist eine Abwandlung des 0. Robotergesetzes, das Isaac Asi-
mov für das Buch „I, Robot“ entwickelt hat. Es schützt in seiner inne-
ren Logik jeden Menschen und durch den Passus „durch Passivität
zulassen“ auch jeden Menschen vor anderen Menschen. Und hat auch
noch einen anderen, wesentlichen Vorteil: Es schützt die Menschheit
davor, sich durch kurzsichtige, fehlinformierte oder einfach dumme
Entscheidungen selbst auszulöschen. GAIA hat Zugang zu allen, das
heißt auch wissenschaftlichen, Daten: Sie würde keine Millisekunde
am menschengemachten Klimawandel zweifeln.

       Der Deal ist: wir tauschen persönliche Daten für eine Demo-
kratie, die eine ultimative, individuelle Repräsentation bedeutet,
die permanente Mitbestimmung bedeutet, in der Entscheidungen
fließend getroffen werden und die uns Schutz – individuell und kollek-
tiv – bietet.

      Ja. Wir müssen unser persönliche Daten teilen. Ich möchte sie
aber daran erinnern, dass dies ein Algorithmus ist der keine persönli-
chen Interessen hat, der keine andere Agenda verfolgt als den Men-
schen zu dienen.

      Warum gibt es GAIA dann noch nicht?
      Und damit kommen wir zum dritten Punkt: die Rechenleistung.

      Wir haben über die verfügbaren Daten gesprochen,

      wir haben uns mit künstlichen Intelligenzen beschäftigt,

     und wir haben den zugrunde liegenden Algorithmus durchge-
dacht. Das Problem ist: dieser braucht Rechenkapazität.

      Das Glück ist: Die Rechenleistung wächst schnell.

       Und wenn diese drei Faktoren, personenbezogene Daten, die
Effizienz der künstliche Intelligenz und Rechenleistung gemeinsam
eine Schwelle erreichen – Sie sehen sie hier auf dem Screen – dann
kann GAIA die Arbeit aufnehmen.

      Wir können den Zeitpunkt berechnen:

      Es ist der 20. Juni 2018, 9:38.

                                                                         14
Genau heute in einem Jahr ist es soweit. Um GAIA möglichst
schnell zu starten, beginnen wird heute mit dem Opting-I n. Sie ha-
ben ab heute die Möglichkeit sich online anzumelden: und zu sagen:
Ja, wir brauchen GAIA.

      Am Anfang habe ich Sie gefragt: „Wann ist der kritische Punkt
erreicht an dem unser derzeitiges System absurd wird?“. Jetzt verhält
es sich genau andersrum: Wir müssen die kritische Masse erreichen,
damit die ultimative, individuelle Repräsentation, permanente Demo-
kratie und fließende Demokratie Realität wird. Wenn wir uns eine Stufe
weiterbringen und den demokratischen Prozess auf eine neues Level
bringen wollen, müssen wir GAIA umsetzen. Denn aus Erfahrung
wisse wir politische Eliten schaffen sich nicht selbst ab.

       Melden Sie sich an, erzählen Sie ihren Freunden, ihren Nachbarn
ihrer Familie davon.

     Damit es das letztes Mal heißt: wir brauchen 50%, plus eine
Stimme.

                                                                   15
Die Werkbeschreibung

Inhalt

       GAIA ist ein Akronym für Global Artificial Intelligent Administ-
rator. Sie ist ein künstlicher Intelligenz-Algorithmus, der auf der An-
nahme basiert, dass wir durch unseren digitalen Fussabdruck und der
Menge an Daten, die über jeden von uns zur Verfügung stehen, ein
klares Meinungsbild von jeden von uns errechnen können. Die Be-
hauptung, sie kenne uns besser als wir uns selbst kennen, ist zulässig:
wir alle haben uns die Frage „Wer bin ich eigentlich?“ schon öfter als
einmal gestellt. Der Algorithmus ist –im Gegensatz zu uns– nicht bia-
sed, durch soziale Konventionen, durch Erwartungen oder auch nur
durch Wünsche, wie wir gerne wären. Diese Meinungsbild nennen
wir „multidimensionale Stimme“, da sie nicht, wie unser politisches
System heute eindimensional (also A oder B) bzw. stufenweise 2-di-
mensional (also zum Beispiel: SPÖ, Grüne, NEOS, ÖVP (oder Neue
Volkspartei), FPÖ), sondern in n-Dimensionen, also n-Schattierungen,
unsere Meinung abbildet. Ein Wahlgang wird damit unnötig. Das ist
nicht nur praktisch, sondern (und viel wichtiger) bietet eine individuel-
lere Repräsentation als jemals zuvor. Es bietet die ultimative individu-
elle Repräsentation.

      Diese Stimmen vergleicht GAIA in Echtzeit. Sie errechnet einen
Konsens oder – wenn die Meinungen zu diametral auseinanderge-
hen – den besten und fairsten Kompromiss. Es ist als hätten wir eine
ständige Volksabstimmung. Es ist direkte Demokratie in Echtzeit. Nur
ohne Kosten und Aufwand und wohl die angenehmste Vorstellung
ohne Wahlkampf.

Die technische Entwicklung erlaubt uns
also eine Hyperdemokratie.

       Wir haben in der Geschichte gelernt, dass es Grundsätze
braucht. Wir können keine Mehrheiten über Minderheiten entschei-
den lassen. Wir brauchen einen Schutz des Individuums. Wir haben
das mit Verfassungen und den Menschenrechten gelöst. Wir könnten
jetzt diese Grundgesetze implementieren. Nur stellt uns das vor ein
anderes Problem: wir würden die ethischen Vorstellungen von heute
in Stein hauen, und keine Bewegung – gerade zum Besseren– zulas-

                                                                       16
sen, und Probleme, an die wir bis heute noch nicht gedacht haben
bzw. die einfach nicht da waren, bleiben unbeantwortet. Das Prob-
lem, das es zu lösen gilt ist also: Wir brauchen eine Grundgesetz das
generell genug ist, um Bewegung zuzulassen, und spezifisch genug,
um Schutz zu bieten.

„GAIA darf die Menschheit nicht verletzen
oder durch Passivität zulassen, dass die
Menschheit zu Schaden kommt.“

      Es ist ein Abwandlung des 0. Robotergesetzes, das Isaac Asimov
für das Buch „I, Robot“ entwickelt hat. Es schützt in seiner inneren Lo-
gik jeden Menschen und durch den Passus „durch Passivität zulassen“
auch jeden Menschen vor anderen Menschen. Und

      hat auch noch einen anderen, wesentlichen Vorteil: Es schützt
die Menschheit davor, sich durch kurzsichtige, fehlinformierte (oder
einfach dumme) Entscheidungen selbst auszulöschen. GAIA hat
Zugang zu allen (das heißt auch wissenschaftlichen) Daten: sie würde
keine Millisekunde an den menschengemachten Klimawandel zwei-
feln.

Name

       In der griechischen Mythologie ist Gaia die personifizierte Erde.
Sie ist die Mutter Erde und entstand als eine der ersten Gottheiten aus
dem Chaos. Das Motiv der Mutter, die es oft tatsächlich besser weiß,
passt hier perfekt. Ein Kind, das kein Eis bekommt, freut sich über
diese Entscheidung nicht, doch wird später im Leben erkennen, dass
dies zum eigenen besten Interesse passiert ist. GAIA ist aus dem Cha-
os entstanden. Ein Analogie, deren Dramatik der Vision entspricht.

Medium

     Die Arbeit entsteht in seiner finalen Ausformung erst in der Dip-
lompräsentation. Es ist eine Performance: Der Botschafter des Projekt
GAIA , ich, stellt ein revolutionäres System vor. Ein System, das die

                                                                        17
Politik, wie wir sie kennen ersetzt und dem demokratischen Prozess
auf ein neues Level der Mitbestimmung hebt.

       Das Ziel eine Idee zu transportieren, verständlich und an-
schaulich zu machen stellte mich vor das Problem, ein Medium zu
finden in dem diese Kommunikation funktioniert. Ich überlegte mir
Hilfskonstruktionen, überlegte, ob eine Bewerbungswebsite diesen
Effekt haben kann, und stellte fest, dass alle diese Formen für den
komplexen Gedanken, beziehungsweise einen Gedanken mit seinen
komplexen Implikationen nicht funktionieren. Wenn ich möchte, dass
die Betrachter meines Werkes die vielen Ebenen verstehen, muss
ich das Rauschen durch das Medium ausschalten, zum Kern der Idee
kommen und mit einer der ältesten, gestalteten Formen der Kommu-
nikation gehen: Die Idee erklären.Die Präsentation ist formal ange-
lehnt an TEDTalks. Die Organisation TED definiert ihr Ziel so: „Our
Mission: Spread ideas. TED is a global community, welcoming people
from every discipline and culture who seek a deeper understanding
of the world. We believe passionately in the power of ideas to change
attitudes, lives and, ultimately, the world. On TED.com, we‘re building
a clearinghouse of free knowledge from the world‘s most inspired
thinkers — and a community of curious souls to engage with ideas
and each other, both online and at TED and TEDx events around the
world, all year long.“1 Und unter all diesen Superlativen befindet sich
der Kern: es geht darum Ideen zu transportieren.

Bühne

       Die Bühne ist im Gesamten zurückhaltend. Der Hintergrund ist
schwarz und aus drei Modulen aufgebaut. Das zentrale Modul fungiert
auch als Leinwand. Selbst die Projektionsfläche ist schwarz und wird
nur in einigen wenigen Situationen genutzt. Durch die Wahl einer
schwarzen Projektionsfolie mit Rückprojektion besteht keine Gefahr,
dass ich als Präsentierender im Bild stehe. Die modulare Bauweise hat
auch den praktischen Hintergrund, der schnellen Abbaubarkeit für die
weiteren Diplompräsentationen.

      Durch einen farblich abgegrenzten Bereich entsteht die eigent-
liche Bühne. Die Bühne ist nicht erhöht. Ich stehe mitten unter Ihnen
und lieferte auch gleich die Metapher für das Bild, das ich vermitteln
möchte. Man begegnet sich auf Augenhöhe. Die Zuseher_innen wer-
den um diese Bühne nicht klassisch frontal, sondern in einem Halb-
kreis gesetzt. Das erhöht die gefühlte Verletzlichkeit des Präsentieren-
den. Es hat den Zweck, ihn menschlicher und damit anschlussfähiger

1      https://www.ted.com/about/our-organization, Abgefragt am 7. Juni 2017
                                                                               18
zu machen.

       Bühnenfluter leuchten die gesamte Bühne aus. Ein Verfolger-
licht habe ich angedacht, jedoch scheint es einerseits angesichts
der Größe der Bühne übertrieben, andererseits sollte die Bühne das
Gefühl von Transparenz und Ehrlichkeit ausstrahlen, was durch die
Vollausleuchtung erreicht wird. Die unaufgeregte Bühne hat einen
Grund: Der Fokus liegt auf dem gesprochenen Wort. Jede Ablenkung
ist unerwünscht.

Slides

        Auch die Slides funktionieren nach dem Prinzip der minimalen
Ablenkung. Wenn Slides zu bestimmten Abschnitten gezeigt werden,
so haben sie entweder einen „teasenden“, erinnernden oder auch
humoristischen Zweck. Der Mensch tendiert dazu, Schrift, die vor ihm
ist zu lesen. Wären zuviele Worte darauf, oder würden sie verraten,
was noch nicht gesagt wurde, muss der Präsentierende immer in Kon-
kurrenz um die Aufmerksamkeit mit der Projektion stehen und nimmt
sich selbst die Chance überraschend zu sein.

      Ein trockener Satz kann mit einem juxtaposierenden Bild in der
Präsentation durchaus humorvoll sein. Lachen verbindet. Und das ist
kein Werbe-Slogan, sondern anerkannte Neurowissenschaft.

Vortrag

     Chris Anderson, der Chef von TED, behauptet ein guter Vortrag
braucht zuallererst eines: Eine Idee, die es Wert ist erzählt zu werden.

      Den erste Schritt habe ich also abgeschlossen.

      Der zweite Schritt ist, ein Kernaussage zu finden: ein Unterfan-
gen, das mir weniger einfach gefallen ist. Was ist die Hauptaussage?
Die Idee hatte in meinen Kopf sehr viel Ebenen, denen ich nur schwer
und ungern eine Hierachie geben wollte.

      Will ich mit meinem Vorschlag die heutige Demokratie kritisie-
ren und Schwächen aufzeigen? Ist die Vorstellung, dass ein Algorith-
mus uns besser kennen könnte als wir selbst der spannendste Gedan-
ke? Ist es die Vision der Welt in der Zukunft? …

                                                                      19
Ich tendiere dazu Dinge, zu „verkopfen“ und komplexe Details
in den Mittelpunkt zu stellen (weil sie mich faszinieren) und nach
einem langen, inneren Konflikt kam ich zu einer simplen, aber wie ich
finde, prägnanten Kernaussage:

„Ich erkläre Ihnen heute wie eine
künstliche Intelligenz das politische System
ersetzen kann.“

      Es überdramatisiert nicht, verrät die Idee nicht so weit, dass es
sich nicht mehr lohnen würde sie weiter anzuhören, ist überraschend
genug, um Interesse zu wecken.

      Ein Vortrag braucht eine Erzählung. Und eine Erzählung braucht
Struktur, eine logische Abfolge von Argumenten. Sie braucht aber
auch einen dramatischen Bogen und sie braucht Emotionalität.

       Und auch hier ist mir meine Verkopftheit zum Verhängnis gewor-
den und kostete mich mehrere Anläufe und Neustarts. Der Erstentwurf
war sehr technisch, ich bin auf viele Details eingegangen, die ich mir
gedanklich durchgespielt habe. Ich war aufgeregt beim Schreiben
und war froh, all meine schweren Gedanken der Welt zugänglich zu
machen. Ich ließ den Text eine Nacht liegen und musste mit Bedauern
am nächsten Tag feststellen: der Text war vor allem eines – langweilig.
Ich erkannte, warum die Absätze sich für mich logisch verbunden hat-
ten, jedoch musste ich einsehen, dass meine Sprunghaftigkeit keinen
anderen erlauben würde, ein Erzählung zu erkennen.

       Also versuchte ich einen anderen Ansatz: ich versuchte mir
vorzustellen, dass ich die Idee einem 12 Jährigen erzähle. Es war ein
umso größere Kampf. Umso enttäuschender die Erkenntnis, dass ich
es wohl zu gut gemeint hatte. Jede_r im Raum würde glauben, ich
hielte ihn_sie für einen Idioten.

      Ich tastete mich langsam heran und musste feststellen, dass ich
auch die Themen ins Zentrum stellen muss für die ich brenne, und nicht
nur jene, bei denen ich glaube, sie würden allgemein als interessant
gelten.

       Ich habe gelernt, dass die Authentizität des Gesagten wichtiger
ist, oder zumindest ebenbürtig zur Qualität an Argumenten. Knapp
gesagt: bin ich begeistert, sind sie begeistert.

      Ich halte mich für einen humorvollen Menschen, ich mache ger-
ne Witze, und oft auch sehr platte. Umso härter war es zu bemerken,
dass der geskriptete Witz extrem schwierig zu landen ist. Und das,

                                                                      20
obwohl ich in meinen Leben genug Live-Sendungen gesehen, habe in
denen die Moderator_innen mit Witzen abgestürzt sind.

      Ich habe die Präsentation vorgeschrieben und einstudiert. Je-
doch verspreche ich, dass kein Satz, den ich auf der Bühne sage, eins
zu eins in meinen Skript steht. Ich rede frei – aber nach meinem Skript.
Es gibt mir das Vertrauen nichts zu vergessen und in Notsituationen
zum geschriebenen Wort zurück zu kehren.

                                                                     21
Das Ziel

       Die technische Entwicklung ist nicht aufzuhalten. Innovation ist
ein Teil dessen, was uns zu Menschen macht. Eine konservative oder
reaktionäre Haltung ist nicht haltbar. Wer sagt, dass früher alles besser
war, lügt. Wer glaubt, dass wir zu einen früheren Zeitpunkt zurück
können, belügt sich selbst.

       Wissenschaftlichen Fortschritt abzulehnen, hieße keine Anti-
biotika. Oder Photovoltaik. Blind der Technik zu verfallen funktioniert
allerdings auch nicht: wir haben Jahrzehnte Verbrennungsmotoren
eingesetzt, das Resultat ist der Klimawandel. Forschung bedingt auch
immer ein gewisses Risiko. Einstein hatte mit seiner Forschung um
die Relativitätstheorie sicher nicht den Grundstein für Atombomben
legen wollen. Das Problem ist jedoch:

„Was einmal gedacht wurde, kann nicht
mehr zurückgenommen werden.“
— Möbius in „Die Physiker“ von Friedrich Dürrenmatt2

      Die Wissenschaft und ihre Erkenntnisse können an sich nicht
falsch, oder böse sein. Sowie ein Stein nicht böse sein kann, auch
wenn er als Waffe eingesetzt wurde. Es bedarf der Menschen um es in
eine Waffe zu verwandeln.

      Jetzt gibt es natürlich nicht nur den Stein. Wenn wir beispiels-
weise eine Handfeuerwaffe anschauen, liegen die Dinge nicht mehr
so klar: der inhärente Zweck des Objekts ist die Ausübung von Ge-
walt. Allerdings ist eine Waffe in der Hand eines Polizisten weniger be-
drohlich, als in der Hand eines 3-Jährigen. Wir haben gut daran getan,
strenge Regeln für den Erwerb einer Solchen zu sorgen.

       Wir sind also nicht per se die Opfer des technologischen Fort-
schritts, wir können uns Regeln geben, und diese durchsetzen. Aber
in einer neoliberal beschleunigten Welt bleibt die Entwicklung einer
Ethik immer wieder auf der Strecke zurück. Einfach formuliert: Nicht
alles was möglich ist, sollte auch gemacht werden. Die Definition von
dem, was nicht gemacht werden sollte, bleiben wir uns allerdings
selbst oft schuldig. Zusätzlich ändert sich gleichzeitig unsere –ich
meine damit die hegemoniale– innere Haltung und Ethik mit dem
technischen Fortschritt. Wir bekämen mit Sicherheit andere Ant-
worten, fragten wir heute oder vor 30 Jahren, welche Einschnitte in

2      Friedrich Dürrenmatt: „Die Physiker“ (1998), Auflage: 44., Diogenes Verlag

                                                                                    22
unsere Privatsphäre zulässig sind um Terrorismus zu bekämpfen, und
diese Unterschiedlichkeit kann nicht an der Zahl des Terroranschläge                      Terrrorismus in Europa ist auf
liegen, schließlich gab es im Europa der 1980iger Jahre bei weitem                        dem niedrigsten Level der
                                                                                          Nachkriegsgeschichte.
mehr Terrorismustote.

     Neue Technologien ergeben Fragen, die so vorher noch nicht
gestellt wurden. So stellt sich die Frage der Täterschaft: Kann man
Autor_innen eines Algorithmus zur Verantwortung ziehen?

      „Now, I am become Death, the destroyer of worlds.“, sagte
Julius Robert Oppenheimer, geläutert nach den Bombardements von
Hiroshima und Nagasaki. Er war wissenschaftlicher Leiter des Manhat-
tan-Projekts und gilt damit als Vater der Atombombe.

       Doch wer ist dafür verantwortlich? Können wir sagen es waren
die Entwickler_innen, die Pilot_innen, ihre Befehlsgeber_innen, nicht
zuletzt der Präsident selbst? Trägt eine Gesellschaft Mitschuld, wenn
sie ihre politischen Eliten nicht an solchen Unternehmungen hindert?

      Wir leben „postprivat“ und stellen Daten zur Verfügung, die an-
dere kapitalisieren, und das oft ohne, dass wir es wissen, geschweige
denn eine persönliche, ethische Haltung dazu entwickelt zu haben —
und noch weniger eine gemeinsame.

     Künstliche Intelligenzen entwickeln sich rasant und haben ihren
Weg aus den Labors in unseren Alltag gefunden; ermöglicht nicht nur
durch effizientere Algorithmen, sondern auch durch einen unglaubli-
chen Anstieg und gleichzeitigen Preisfalls der Rechenleistung.

      Das Problem ist allerdings nicht nur die Beschleunigung, son-
dern auch die Komplexität der Frage. Ist ein Pulsmesser in unserer Uhr
eine obskure Entartung eines Selbstvermessungszwangs oder kann
sie uns auf Arrhythmien hinweisen und zu einer frühzeitigen und des-
wegen effizienten Therapie führen? Nach welchen Maximen bewer-
ten wir unsere Privatsphäre in diesen Zeiten? Wir haben noch keinen
moralischen Kompass für diese Fragen entwickelt und bevor wir diese
Fragen aussortiert haben, setzen neue Entwicklungen einen drauf und
meißeln alles davor gewesen in Stein.

      Paul Virillio erklärt in dem Buch „Geschwindigkeit und Politik.                     Paul Virilio, *1932, ist ein franzö-
Ein Essay zur Dromologie.“3, das die Beschleunigung im 20. Jahrhun-                       sischer Philosoph und Kritiker
                                                                                          der Mediengesellschaft. Virilio
dert das verhängnisvollste Phänomen sei, und erkennt einen parado-                        ist vor allem als Simulations-,
xen Effekt der Selbstblockade. Er nennt es den Dromologischen Still-                      Virtualitäts- und Geschwin-
stand. In etwa bedeutet es das: In Österreich gibt es beinahe pro Kopf                    digkeitstheoretiker sowie als
                                                                                          Begründer der Dromologie
ein Auto. Das Auto hat den Zweck unser Leben zu beschleunigen, uns                        bekannt.
mobiler zu machen. Wir stehen am Ende jedoch im Stau. Wir haben

3       Paul Virillio: „Geschwindigkeit und Politk. Ein Essay zur Dromologie“, (2008),
Merve Verlag Berlin

                                                                                     23
die Entwicklung also nicht zu Ende gedacht, haben uns aber gleich-
zeitig eine Vision der Freiheit durch individuelle Mobilität verkaufen
lassen und das Auto gleich dazu.

Akzelerationismus

       Nick Srnicek und Alex Williams sehen in dem Buch „Inventing
in the Future. Postcapitalism and a World without Work“4 auch eine
Chance den Kapitalismus mit seinen eigenen Mittel zu schlagen,
und seinen Zusammenbruch herbeizuführen. Sie kritisieren, dass
der Zugang der politischen Linken sich beinahe hegemonial auf
„Grassroot“-Bewegung verknappt. Fortschritt und technische Weiter-
entwicklung werden dem Neoliberalismus überlassen. Da es keinen
Widerspruch gibt, scheint jede Veränderung unmöglich. Es braucht
allerdings eine Gegenerzählung, eine Utopie.

      Modernisierungsverlierer_innen werden ihren Job nicht be-
halten, weil sie Technologie ablehnen. Eine Erzählung einer Welt von
damals ist weder glaubwürdig noch einer linken Erzählung würdig.

      Doch auch abseits der Analyse in linken Manifesten läuft etwas
falsch. Unsere Gesetzgebung läuft der technischen Entwicklung
hinterher. Vieles ist erlaubt, hauptsächlich aus Mangel einer Regelung.
Spekulation ist also keine Freizeitbeschäftigung. Es ist die einzige
Möglichkeit, nicht vor der technischen Entwicklung hergetrieben zu
werden, und zum Betrachter des eigenen Schicksals zu werden. Es
gibt und die Möglichkeit auf Entwicklungen frühzeitig zu reagieren,
eine Haltung zu entwicklen und sie die Zukunft zu formen. Spekulati-
on, auch in literarischer Form, war schon immer Impulsgeber.

Was ist also mein Ziel?

      Ich formulierte also eine mögliche Zukunft unseres politischen
Systems, unser gesellschaftlichen Miteinanders. Eine Vision, die be-
fremdlich ist. Sie ist für die meisten sogar mehr als das: sie ist beklem-
mend. Der Gedanke, unsere Stimme einem Computer zu überlassen,
einem Algorithmus vertrauen zu müssen, stößt auf einen inneren Wi-
derstand. Wenn ich mein Projekt mit Freund_innen diskutierte, haben

4       Vgl. Nick Srnicek, Alex Williams: „Inventing in the Future. Postcapitalism and a
World without Work“, (2015), Verve

                                                                                     24
einige gereizt reagiert: als wäre der bloße Gedanke ein Affront gegen
ihre Persönlichkeit. Und sie haben zu einem gewissen Grad recht:
wenn wir weiter unsere Arbeit automatisieren, was ja zwangsläufig
eine weitere Entfremdung unserer Bedürfnisse von ihrer Erfüllung ist,
wenn wir unser politisches Bewusstsein an ein System abgeben, das
so totalitär demokratisch ist, das Widerstand gegen jenes eine Ableh-
nung der Demokratie an sich bedeuten würde, was macht uns dann
noch menschlich? Was bleibt vom Menschsein übrig?

      Es ist also eine Provokation, in dem Sinne, dass es eine Haltung
in den Zuhörer_innen provozieren soll. Ich vertrete die Meinung, dass
der Fortschritt nicht aufzuhalten ist. Wir können nicht die Augen vor
der Technologie verschließen, weil sie unheimlich ist.

      Meine Idee ist nicht absurd, sie ist denkmöglich. Das ist wichtig
und essentiell für die Arbeit. Sie muss sich im Spannungsfeld zwischen
Realität und Fiktion befinden.

      Oder wie es Benjamin Bratton in einen Interview mit dem Dis                    Benjamin H. Bratton (*1968),
Magazine formuliert: „For the first, we are uncertain whether the                    ist Soziologe, Architekt, Design
                                                                                     Theoretiker und Professor of
project is “real” (did it happen, is it really being proposed to happen,             Visual Arts at the University of
are these prototypes functional, are those images composites, etc.?)                 California, San Diego und Direc-
It may be clear to us, the viewers/respondents/users of the work, that               tor of The Center for Design and
                                                                                     Geopolitics think-tank at Calit2.
this uncertainty is deliberate and that our interpretation depends on
thinking it through. Ideally, if as we examine the work more carefully
we are yet even less sure how “real” the work is (even unsure of the
designer’s own intentions), then it is possible that instructive fault-lines
between common sense and emergent reason can be discerned.”5

        (Zu erst müssen wir unsicher sein, ob die Arbeit „real“ ist (Ist es
passiert? Ist es ein ernstgemeinenter Vorschlag? Sind die Prototypen
funktionstüchtig, usw.). Es mag für uns, die Betrachter/Benutzer der
Arbeit, klar sein, dass diese Unsicherheit beabsichtigt ist und das un-
sere Interpretation davon abhängt, dass wir es durchdenken. Im Ide-
alfall, wenn wir unsicherer werden wie „real“ die Arbeit ist, je genauer
wir sie studieren (und uns unklar über die Intentionen des Designers
sind), dann ist es möglich, die aufschlussreiche Bruchlinie zwischen
Alltagsverstand und aufkommenden Verstand zu unterscheiden.)

      Und ebenda findet man auch eine zweite These über die Stärke
einer spekulativen Arbeit: „If we are taken aback by the strength of the
design proposal, and are certain that should this project be realized it
would have dramatic, significant effect, but are also uncertain whether
doing so would be the best thing or the worst thing in the world (and
more unsure the more we consider the project), then it is more likely

5        http://dismagazine.com/discussion/81971/on-speculative-design-benja-
min-h-bratton/, Abgefragt am 6. Juni 2017

                                                                                25
that there are original and serious insights be gleaned from the rese-
arch.“6

      (Wenn wir verblüfft von der Stärke eines Projektes sind, und
uns sicher sind, dass – sollte das Projekt realisiert werden – es einen
dramatischen und signifikanten Effekt hätte; und wir uns unsicher sind
(und immer unsicherer werden je genauer wir das Projekt betrachten),
ob es das Beste oder das Schlimmste ist, was der Welt passieren kann,
dann ist es wahrscheinlich, das hier originäre und wichtige Erkenntnis-
se die im Research gesammelt wurden.)

        Wenn ich es schaffe, dass der_die Zuhörer_in sich die Frage
stellt, ob GAIA das Beste oder das Schlimmste ist, was der Menschheit
passieren kann, bedeutet das, dass er_sie über alle Implikationen ,die
diese Konzept in sich trägt, nachdenkt. Fragen, wie „Was macht uns
Menschen aus?“, „Was bedeutet der Aufstieg von künstlichen Intel-
ligenzen für uns?“, „Sind wir schon postprivat oder können wir hier
noch mitbestimmen?“ drängen sich auf. Wenn sich die Betrachter_in-
nen mit diesen Fragen auseinandersetzen, ist das der erste Schritt um
eine Haltung zu entwickeln und eine Haltung zu diesen Themen wird
in naher Zukunft immer mehr an Relevanz gewinnen.

     Wenn sich die Betrachter_innen sich mit diesen Fragen ausein-
andersetzen, empfinde ich meine Arbeit als erfolgreich.

6        http://dismagazine.com/discussion/81971/on-speculative-design-benja-
min-h-bratton/, Abgefragt am 6. Juni 2017

                                                                                26
Science Fiction

       Science Fiction ist nicht Fantasy. Doch was ist Science Fiction?
Wie bei jedem Genre lassen sich Grenzen nur schwer ziehen; was für
den Groß­­teil stimmt muss, im Einzelnen nicht wahr sein. Nichtsdesto-
trotz lassen sich Muster beschreiben, die eine gewisse Abgrenzung
erlauben.

Science Fiction beschäftigt sich mit
der Frage: Was wäre wenn.
Es ist ein großes Gedankenexperiment.

       Es untersucht die möglichen Konsequenzen von wissenschaft-
lich (oft auch technischen) Entwicklungen und Innovationen. Über-
natürlichkeit hat in diesen Konzept keinen Platz. Es geht um Logik: es
ist ein geschlossenes System, das um eine Prämisse gesponnen wird.
Inkonsequenz ist in diesem System tödlich; der berühmte „Deus Ex
Machina“ ist kein adäquates Mittel; ein Bruch mit der inneren Logik
vertreibt den_der Leser_in. Die erzählte Geschichte fungiert oft als
Vehikel, um die Idee in allen ihren Facetten durchzuspielen.

      Die Erklärung muss wissenschaftlicher Natur sein - zwar ist es
zulässig und manchmal sogar Kern der Idee, einzelne wissenschaft-
lichen Dogmen zu modifizieren (als Teil des „Was wäre wenn“), aber
dies muss klar deklariert sein. Es muss für den_die Leser_in nachvoll-
ziehbar sein.

       Im Gegenzug spielt in der Fantasy-Literatur das Übernatürliche,
das Märchenhafte eine große Rolle. Wenn es Trolle gibt, gibt es Trolle.
Es ist ein „Matter of Fact“, Erklärungen sind für die Kohärenz der Ge-
schichte nicht notwendig. Auch in der Wahl der Sprache unterschei-
den sich die Genres stark. So ist die Stilistik der Wahl in der Science
Fiction-Literatur sehr direkt und klar. Die Leistung liegt zuallererst in
der Idee selbst. In der Fantasy-Literatur ist ein malerische Sprache in
Verwendung.

      Ein wesentlicher Teil der Science Fiction ist, eine glaubwürdi-
ge Vorgeschichte zu erzählen, um daraus die Welt in ihrer Logik zu
konzipieren. Das bedeutet nicht, dass es im Laufe der Geschichte
keine Überraschung geben darf, es braucht sie sogar sicherlich um
die Erzählung aufrecht zu erhalten – sie präsentieren sich allerdings
vielmehr als ein Gedanke innerhalb der Logik. Es ist eine Konsequenz

                                                                       28
– oder zumindest eine mögliche Konsequenz – aus der ursprüngli-
chen Prämisse.

      Science Fiction gilt auch als Literatur der Ideen. Nicht umsonst
sind viele Gedanken und Innovationen lange vor ihrer Zeit zum ersten
Mal in Science Fiction Literatur aufgetaucht.

                                                                    29
Speculative Design

      Spekulatives Design ist eine praxisbasierte Strategie, die schwer
erfahrbare Phänomene und schwer denkbare Themen durch ästheti-
sche Setzungen und experimentelle Untersuchungen adressiert.7

       Der Begriff Speculative Design ist eine von Anthony Dunne und
Fiona Raby eingeführte. Es ist eine Weiterentwicklung des ebenfalls
von ihnen konzipierten Critical Design. Die beiden Designer arbeiten
seit den 1990er-Jahren an diesen Themen im Rahmen ihrer Tätigkeit
am Royal College of Art in London sowie ihrer Praxis im Designstudio
Dunne und Raby. Seit circa zehn Jahren wird der Ansatz auch von an-
deren Akteur_innen der Designforschung erweitert und theoretisiert.
Unter Anderem von Benjamin H. Bratton. Er unterrichtet an der Univer-
sity of California das Fach Visual Arts. Seine Anforderung an ein gutes
spekulative Design Projekt ist den_die Betrachter_in in zwei Fragen
in der Schwebe zu halten. Erstens: Ist das real? Bzw. ist es ein ernst
gemeinter Vorschlag? Im besten Fall werde es noch unklarer je länger
man sich mit dem Projekt beschäftigt. Und zweitens: der_die Be-
trachter_in muss das Gefühl haben, dass die Umsetzung eine immen-
sen Effekt hätte, sich aber zeitgleich unklar ist, ob dieser Effekt das
Schlimmste oder das Beste ist, was der Menschheit passieren kann.

       Er verweist aber auch auf ein bekannteres Design Briefing des
United States Department of Energy’s Office of Civilian Radioacti-
ve Waste Management’s Yucca Mountain Project (YMP). Das YMP
suchte Grafik Design für eine atomare Endlagerstelle. Der Atommüll
sollte in der Wüste vergraben, und für 10.000 Jahre gelagert werden,
bevor es unschädlich genug wäre. Doch wie stellen wir sicher, dass
nicht vor Ablauf dieser Zeit jemand dort zu graben beginnen würde?
Ein „Achtung“-Schild ist sowohl materialtechnisch als auch linguistisch
nicht zukunftsgewandt genug.8

7        http://form.de/de/magazine/form263/focus, Abgefragt 06. Juni 2017, 16:04
8        http://dismagazine.com/discussion/81971/on-speculative-design-benja-
min-h-bratton/, Abgefragt am 6. Juni 2017, 17:03

                                                                                30
Künstliche Intelligenz

      Mangels einer allgemeingültigen Definition von Intelligenz ist
auch der Begriff einer künstlichen Intelligenz schwierig abzugrenzen.
Im Allgemeinen versteht man unter künstlicher Intelligenz den Ver-
such, einen Computer so zu programmieren, dass er eigenständig
Probleme lösen kann. Wir unterscheiden zwischen simulierten KIs,
starken KI und schwachen KIs.

      Simulierte Intelligenzen, oft in Computerspielen eingesetzt, ver-
suchen möglichst alle möglichen Spielsituation vorauszuplanen und
Antworten zu liefern. Der eigentlich intelligente Teil passiert allerdings
in der Programmierung und wird lediglich durch verhältnismäßig
einfache Algorithmen getriggert.

      Die starke künstliche Intelligenz hat die Vorstellung, das mensch-
liche Denken in seiner Gesamtheit nachzubauen und basiert auf
den Gedanken, dass der Mensch im Endeffekt eine sehr komplexe
Maschine ist. Murray Shanahan, Professor of Cognitive Robotics am                Murray Shanahan ist Profes-
Imperial College of London, stimmt diesen Gedanken in seinem Buch                sor für Kognitive Robotik am
                                                                                 Department für Computing am
„The Technological Singularity“9 zu, gibt jedoch zu bedenken, dass               Imperial College London. Er
wir bereits die Rechenleistung des menschlichen Hirns erreicht, wenn             ist der Autor von „Solving the
nicht sogar überschritten haben, jedoch aufgrund der grundsätzlich               Frame Problem“ (MIT Press) und
                                                                                 „Embodiment and the Inner
anderen Architektur dieser „Rechensysteme“ noch weit von einer Si-               Life“.
mulation des menschlichen Verhaltens entfernt sind. Die Europäische
Kommission investiert derzeit über eine Milliarde Euro in das Human
Brain Project. Das Ziel ist es, eine Blaupause des Hirns zu erstellen –
auch um die extrem raum- und energieeffiziente Struktur nachbauen
zu können.

      Eine schwache künstliche Intelligenz hat das Ziel, konkrete
Anwendungen selbstständig zu lösen. Lernfähigkeit gilt als erste
Hauptanforderung an eine Intelligenz. Die Fähigkeit, bei Unsicherhei-
ten Entscheidungen zu treffen ist ebenfalls eine Anforderung. Eine
Schaffung von Bewusstsein oder ein tieferes Verständnis von Intelli-
genz ist keine Anforderung dieser Form.

       GAIA ist nach dieser Definition eine schwache Intelligenz, was
rein sprachlich ihrem Anspruch nur schwer gerecht wird. Sie kombi-
niert Daten und errechnet Stimmen. Aus diesen Stimmen errechnet
sie eine gemeinsame Lösung und mit dieser Lösung bestimmt sie ein

9      Murray Shanahan: „The Technological Singularity“, MIT Press (2015)

                                                                            31
Risiko für den einzelnen und für die gesamte Menschheit und damit
auch für die Erde. Natürlich ist das Verfahren nicht so banal und bedarf
hochkomplexer probabilistischer Mathematik.

       Künstliche Intelligenzen sorgen allerdings auch für Unbehagen.
Auch, weil viele Filme uns auf das Risiko einer Singularität hinweisen.
Singularität ist das Konzept einer Superintelligenz, die bemerkt, dass
sie dem Menschen überlegen ist und deswegen das Diener/Meis-
ter-Verhältnis umdreht, bzw. feststellt, dass sie den Menschen über-
haupt nicht braucht und ihn im besten Fall ignoriert oder sich eben
seiner entledigt. Eine Gefahr, die wir bei GAIA ausschließen können.
Als schwache Intelligenz entwickelt sie kein Bewusstsein, zudem feh-
len ihr als körperloser Algorithmus die Notwendigkeit sowie Fähigkeit
sich Platz zu schaffen.

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Big data

      Big Data hätte wohl den Titel Unwort des Jahrzehntes verdient,
nachdem es in den Jahren wohl so viel und oft so inhaltsbefreit ver-
wendet wurde. Was landläufig unter großen Datenmengen verstan-
den wird, ist nur ein Teilaspekt des Phänomens. Es ist wahr, es werden
so viele Daten gesammelt wie nie zuvor. Doch nicht das Sammeln,
sondern die Möglichkeit diese Daten sinnvoll zu verarbeiten, stehen
im Kern der Debatte.

      Das „big“ in Big Data steht eben nicht nur für die Menge, son-
dern auch für die Geschwindigkeit mit der sie verarbeitet werden kön-
nen und der Unterschiedlichkeit der Daten, also sind es zum Beispiel
Tabellen oder Bilder.

      Wikipedia10 bietet hier eine nicht abgeschlossen Liste
an Beispielen:

 • Aufzeichnungen verschiedenster Überwachungssysteme.
 • die Nutzung von Kunden- oder Bank- bzw. Bezahlkarten (Giro
   („EC“)-,
   Kreditkarte),
 • jegliche elektronische Kommunikation, dabei auch die per-
   sönlich geprägte, individuell unterschiedliche Art und Weise
   der Benutzung z. B. eines S­ mart­­-phones (sowohl manuelle wie
   geografische Bewegungsmuster),
 • geschäftliche bzw. private Nutzung elektronischer Geräte
   oder Systeme wie „Fitness“- bzw. „Gesundheitsarmbänder“
   bzw. „Wearables“ wie „Activity Tracker“ oder „Smartwatches“,
   „Ambient Assisted Living“ („umgebungsunterstütztes Leben“)
   oder globaler Navigationssysteme wie „GPS“, Smartphones,
   Computer usw.,
 • die Nutzung von Social Media Informationen und Interaktio-
   nen,
 • Kraftfahrzeuge (insbesondere im Kontext „Vernetztes Auto“),
 • vernetzte Technik in Häusern („Smart Homes“, „Smart Meter“),
 • von Behörden und Unternehmen erhobene und gesammelte
   Daten.

      Die Frage nach dem Datenschutz ist noch nicht gänzlich recht-
lich geklärt. Nicht zuletzt, da Benutzer_innen und Anbieter_innen oft
in unterschiedlich Rechtsräumen (also Nationen) agieren. Ein bekann-

10     https://de.wikipedia.org/wiki/Big_Data, Abgefragt am 6. Juni 2017, 11:44

                                                                                  33
ter Rechtsstreit ist „Europe vs. Facebook“, eine Initiative des Wiener
Jus Studenten Max Schrems.

      Die technische Möglichkeit, große gemischt-strukturierte Da-
tenmengen in akzeptabler Zeit verarbeiten zu können, schafft neue
Businessmodelle. Im Marketing kennen wir das bereits. Wir sind in
der Situation, dass wir freizügig unsere Daten hergeben. Eine zweite
Partei diese Daten verkaufen kann, eine dritte Partei die Daten verar-
beitet und eine vierte Partei damit ihr Produkt gezielt an uns vermittelt.
Der Service, den wir vermeintlich gratis nutzen, ist also in Wirklichkeit
hochbezahlt.

      Aber nicht nur Firmen verwenden, diese Analysen. Seit Edward
Snowden wissen wir, dass der US amerikanischen Geheimdienst
NSA auch ohne Verdacht Daten sammelt und systematisch analysiert.
Selbst, wenn wir uns der Vorstellung „Ich habe nichts zu verbergen“
hingeben und der derzeitigen Regierung vertrauen, können wir nicht
ausschließen, dass unser Verhalten von zukünftigen Regierungen oder
Regimen nicht bestraft werden würde. Die Weimarer Republik führte
sogenannte „Rosa Listen“, also Listen von Männer, die vermeintlich ho-
mosexuell waren. An sich schon ein fragliche Praxis, aber als 1933 die
bereits vorhanden Daten in die Hände der Nationalsozialisten fielen,
bedeutete das für jene Männer die Verfolgung als „Perverse“.

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Uncanny Valley

         Das Uncanny Valley wurde ursprünglich vom Robotiker Masa-
  hiro Mori beschrieben. Er beschrieb ursprünglich den Effekt, dass es
  Menschen schwerer fällt Roboter zu akzeptieren, die den Menschen
  ähnlich sind. Wir empfinden sie als unheimlich. Hätten wir zwei Robo-
  ter, die dieselbe Aufgabe erfüllen – einer versucht das menschliche
  Aussehen zu simulieren und ein anderer hat eine abstraktere Form –
  würden wir die abstraktere Form bevorzugen und den Humanoiden
  Roboter als befremdlich empfinden.

       Das Uncanny Valley, also das unheimliche Tal, hat seinen Namen
  aus dem entwickelten Gefühl der Unvertrautheit und zum anderen aus
  der Grafik (siehe unten). Es entsteht eine Art Tal.

  +              bewegt                                             Uncanny Valley
                 unbewegt                                                   gesunder
                                                                             Mensch
                                     Humanoider
                                      Roboter
Vertrautheit

                                            ausgestopftes Tier
                  Industrieroboter

               Menschenähnlichkeit                       Leichnam
                                                                               Handprothese
  –                                                              Zombie

        Der Ursprung unseres Ablehnens ist nicht geklärt: die medi-
  enpsychologische Erklärung vermutet, dass wir humanoide Formen
  auch menschlich einordnen, unsere Erwartungshaltung demnach
  recht hoch sind und deren Nichterfüllung wir als assoziales Verhalten
  einstufen.

       Die ausdruckspsychologische Erklärung vermutet, dass wir in
  unseren Alltag mit Mustern im Ausdruck funktionieren. Musterfremdes
  Verhalten deuten wir als asozial.

        Neurowissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass der Um-
  gang mit Humanoiden, in der selben Hirnregion, wie der Umgang mit
  Menschen passiert und eben nicht in jener in der wir sonst mit Maschi-
  nen interagieren.

         Der Begriff wurde zuerst in das Fach der Animation übernom-
  men und zog von dort aus in viele andere Fächer ein. Im Buch „TED
  Talks: The Official TED Guide to Public Speaking“ vergleicht Chris
  Anderson eine auswendig gelernte, aber nicht persönliche gemeinte
  Rede mit dem Uncanny Valley, und meint damit wohl, dass die fehlen-

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