Empfehlung der STIKO zur Impfung gegen COVID-19 von Schwangeren und Stillenden - RKI
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Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 (online vorab) 10 Empfehlung der STIKO zur Impfung gegen COVID-19 von Schwangeren und Stillenden Stand: 16. September 2021 Fetus ist nachgewiesen. Ob dadurch ein klinisch re- Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt allen ungeimpften Personen im gebärfähigen Alter levanter Schutz für das Neugeborene erzielt werden dringend die Impfung gegen Coronavirus Disease kann, ist derzeit nicht klar. 2019 (COVID-19), so dass ein optimaler Schutz vor dieser Erkrankung bereits vor Eintritt einer Bisher sind keine randomisiert kontrollierten Stu Schwangerschaft besteht. dien zur Sicherheit der COVID-19-mRNA-Impfun- Noch ungeimpften Schwangeren wird die Impfung gen in der Schwangerschaft publiziert. Jedoch zei- mit zwei Dosen eines COVID-19 mRNA-Impfstoffs gen die bis dato vorliegenden Ergebnisse von Regis- im Abstand von 3 – 6 (Comirnaty) bzw. 4 – 6 Wochen teranalysen zur Sicherheit dieser Impfungen kein (Spikevax) ab dem 2. Trimenon empfohlen. Wenn gehäuftes Auftreten von schweren schwangerschafts die Schwangerschaft nach bereits erfolgter Erstimp- assoziierten unerwünschten Arzneimittelwirkun- fung festgestellt wurde, sollte die Zweitimpfung erst gen (UAW), insbesondere nicht von Aborten bis zur ab dem 2. Trimenon durchgeführt werden. 19. Schwangerschaftswoche (SSW), Frühgeburten, Darüber hinaus empfiehlt die STIKO ungeimpften Stillenden die Impfung mit zwei Dosen eines Totgeburten oder Malformationen. Darüber hinaus mRNA-Impfstoffs im Abstand von 3 – 6 (Comirnaty) ergaben sich bisher keine Hinweise auf Risiken bzw. 4 – 6 Wochen (Spikevax). durch die COVID-19-Impfung während der Stillzeit für Mutter und Kind. Auch wenn zu diesem Zeit- punkt die Datenlage zur Sicherheit der COVID-19- Schwere Verläufe und Komplikationen einer Severe Impfung in der Schwangerschaft noch begrenzt ist, Acute Respiratory Syndrome Corona Virus 2-(SARS- so spricht sie überwiegend für eine allgemeine CoV-2-)Infektion sind bei Schwangeren insgesamt Impfempfehlung von Schwangeren. Die Darstel- selten. Dennoch stellt COVID-19 in der Schwanger- lung des Nutzens und möglicher Risiken der Imp- schaft eine relevante Krankheitslast in Deutschland fung sind notwendiger Teil einer sorgfältigen ärzt dar. Hierbei ist die Schwangerschaft per se ein rele- lichen Aufklärung. vanter Risikofaktor für schwere COVID-19-Verläufe. Im Falle von Vorerkrankungen (z. B. Adipositas, ar- Bei der COVID-19-Impfempfehlung der STIKO terielle Hypertonie, Diabetes mellitus) wird das Ri- handelt es sich um eine Indikationsimpfempfeh- siko einer schweren Erkrankung nach SARS-CoV-2- lung für Schwangere und Stillende im Rahmen Infektion zusätzlich erhöht. Die Impfung schützt einer Pandemie. Schwangere wie Nicht-Schwangere sehr gut vor symptomatischen SARS-CoV-2-Infektionen und vor Ziel der Impfung von Schwangeren und Stillenden schweren COVID-19-Verläufen (Hospitalisierung); ist die allerdings liegen derzeit noch keine Studien zum (1) Verhinderung schwerer COVID-19-Verläufe Schutz von Schwangeren vor der Delta-Variante vor. und von Todesfällen bei Schwangeren und Stil- Es ist davon auszugehen, dass ungeimpfte Schwan- lenden, gere durch die erhöhte Infektiosität der Delta- (2) Verhinderung von Schwangerschaftskomplika- Variante von SARS-CoV-2 stärker gefährdet sind als tionen durch eine SARS-CoV-2-Infektion und durch die bisher in Deutschland zirkulierenden (3) Verhinderung von fetalen und neonatalen Fol- Virusvarianten. Ein diaplazentarer Transfer von gen einer SARS-CoV-2-Infektion in der Schwan- mütterlichen Anti-SARS-CoV-2-Antikörpern zum gerschaft.
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 (online vorab) 11 Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut Begründung der STIKO zur Impfung gegen COVID-19 von Schwangeren und Stillenden Stand: 16. September 2021 Inhaltsverzeichnis 1. Hintergrund.............................................. 12 2.2.3.3 Teratogenitätsdaten aus tier- experimentellen Studien........................... 27 2. Schwangere............................................... 12 2.2.3.4 Registerdaten aus Deutschland – 2.1 Krankheitsbild und Verlauf von SARS- Embryotox................................................. 27 CoV-2-Infektionen bei Schwangeren........ 12 2.2.4 Fazit zu Wirksamkeit und Sicherheit von 2.1.1. Surveillance- und Registerdaten aus mRNA-Impfstoffen bei Schwangeren...... 27 Deutschland.............................................. 12 2.1.2 Verlauf und Komplikationen einer 3. Stillende..................................................... 28 SARS-CoV-2-Infektion und Risikofaktoren 3.1 Methodik................................................... 28 für einen komplikationsreichen Verlauf 3.2 Antikörpertransfer über die Muttermilch bei Schwangeren: Umbrella Review.......... 14 nach Impfungen in der Stillzeit................ 28 2.1.2.1 Verlauf der SARS-CoV-2-Infektion bzw. 3.3 Sicherheit von Impfungen während der COVID-19-Erkrankung in der Schwanger- Stillzeit für das Kind.................................. 28 schaft......................................................... 14 3.4 Fazit zur Wirksamkeit und Sicherheit von 2.1.2.2 Schwangerschaftskomplikationen bei mRNA-Impfstoffen in der Stillzeit........... 29 SARS-CoV-2-Infektion............................... 15 2.1.2.3 Risikofaktoren für eine schwere 4. Akzeptanz bei Schwangeren.................... 30 COVID-19-Erkrankung bei Schwangeren. 18 2.1.3 Vertikale Transmission............................. 19 5. Fazit........................................................... 30 2.1.4 Verlauf und Outcome bei Neugeborenen 20 2.1.5 Fazit: Risikofaktoren und Komplikationen Literatur..................................................... 31 einer SARS-CoV-2-Infektion bei Schwangeren............................................. 21 2.2 Impfstoffe.................................................. 22 2.2.1 Methodik des durchgeführten systematischen Reviews........................... 22 2.2.2 Wirksamkeit.............................................. 22 2.2.2.1 Immunogenität......................................... 23 2.2.3 Sicherheit.................................................. 24 2.2.3.1 Studien zu lokalen und systemischen Reaktionen................................................ 24 2.2.3.2 Studien zu schweren unerwünschten Wirkungen (UAW) bzw. schwanger- schaftsassoziierten Endpunkten.............. 25
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 (online vorab) 12 1. Hintergrund 5. Aktualisierung im April 202112 weiter präzisiert: Schwangere haben ein erhöhtes Risiko, im Rah- „Schwangeren mit Vorerkrankungen und einem da- men von bestimmten Infektionskrankheiten Kom- raus resultierenden hohen Risiko für eine schwere plikationen zu erleiden. Dies wird unter anderem COVID-19-Erkrankung oder mit einem erhöhten mit physiologischen Veränderungen erklärt, die der Expositionsrisiko aufgrund ihrer Lebensumstände Körper im Verlauf der Schwangerschaft erfährt. So kann in Einzelfällen nach Nutzen-Risiko-Abwägung sind verschiedene Anpassungsprozesse des Im- und nach ausführlicher Aufklärung eine Impfung munsystems notwendig, damit der Fetus durch das ab dem 2. Trimenon mit einem mRNA-Impfstoff an- mütterliche Immunsystem akzeptiert wird. Anzahl geboten werden.“ und Aktivität der CD4+- oder CD8+T-Lymphozyten und der natürlichen Killerzellen werden reduziert Die STIKO hat sich nun erneut mit der Datenlage und die zelluläre Immunität damit geschwächt, die zur Impfung von schwangeren Frauen und Stillen- humorale Immunität dagegen gestärkt. Mit zuneh- den gegen COVID-19 beschäftigt. Zur Aufarbeitung mendem Gestationsalter und steigendem Fundus der wissenschaftlichen Evidenz wurden im Rah- der Gebärmutter sinkt die funktionelle Residual men eines sog. Umbrella-Reviews bereits publizierte kapazität der Lunge. Die Veränderungen können systematische Reviews zum Einfluss einer bei schwangeren Frauen mit pulmonalen Erkran- SARS-CoV-2-Infektion auf Verlauf und Ausgang kungen zu einer niedrigeren Toleranzschwelle ge- der Schwangerschaft analysiert. Diese Daten wur- genüber einer Hypoxie und einer schnelleren den durch weitere aktuelle Studien aus dem Jahr Dekompensation führen.1 – 4 2021 nach einer entsprechenden systematischen Literaturrecherche ergänzt. Es wurde ein systema- Seit Beginn der COVID-19-Pandemie wurde in zahl- tischer Review zur Wirksamkeit, Immunogenität reichen Fallserien, Fall-Kontroll-Studien und Kohor- und Sicherheit der COVID-19-Impfung bei Schwan- tenstudien über den Verlauf einer SARS-CoV-2- geren sowie zum Antikörpertransfer über die Mut- Infektion bei Schwangeren berichtet. Diese Studien termilch und Sicherheit der COVID-19-Impfung legten nahe, dass eine SARS-CoV-2-Infektion in der für das Kind bei Impfung der Mutter in der Stillzeit Schwangerschaft mit einer erhöhten Komplika durchgeführt. Darüber hinaus erfolgte eine orien- tionsrate einhergeht.5 – 9 Hier wurden die gleichen tierende Literaturrecherche zu den Aspekten Risikofaktoren (wie z. B. Adipositas oder Diabetes Krankheitslast, vertikale Transmission, thrombo mellitus) beschrieben, die auch bei nicht-schwange- embolische Ereignisse und zur Präeklampsie. ren Erwachsenen mit einem erhöhten Risiko für ei- nen schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung assoziiert sind.9 2. Schwangere Schwangere Frauen waren von den Zulassungs 2.1 Krankheitsbild und Verlauf von studien der COVID-19-Impfstoffe ausgeschlossen, SARS-CoV-2-Infektionen bei Schwangeren so dass bisher keine Daten aus randomisierten kon- 2.1.1 Surveillance- und Registerdaten aus trollierten Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit Deutschland von COVID-19-Impfungen bei Schwangeren vorlie- Die folgenden Darstellungen beruhen auf Melde gen. Aus diesem Grund wurde durch die STIKO daten des Robert Koch-Institutes (RKI), die gemäß eine generelle Impfung in der Schwangerschaft bis- dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) erhoben und an her nicht empfohlen. Jedoch sah die COVID-19- das RKI übermittelt wurden. Als COVID-19-Fälle Impfempfehlung der STIKO vor, dass Schwangeren werden nach wie vor alle labordiagnostischen Nach- mit Vorerkrankungen und einem daraus resultie- weise von SARS-CoV-2 mittels Nukleinsäurenach- renden hohen Risiko für eine schwere COVID-19- weis oder Erregerisolierung, unabhängig vom Vor- Erkrankung nach Nutzen-Risiko-Abwägung und handensein oder der Ausprägung einer klinischen ausführlicher Aufklärung eine Impfung angeboten Symptomatik, gewertet. Bei den im Meldesystem er- werden kann (1. Aktualisierung der COVID-19-Impf fassten COVID-19-Fällen kann angegeben werden, empfehlung10). Diese Empfehlung wurde in der ob eine Schwangerschaft vorliegt.
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 (online vorab) 13 Schwangere Nicht-Schwangere Symptomen und Behandlungen werden schwan- n (%) n (%) gerschafts- und geburtsspezifische Ereignisse sowie Symptom (Nennungen) N = 7.973 N = 408.981 das Outcome beim Neugeborenen erfasst und pros- Allgemeinsymptome 5.230 (66) 283.705 (69) pektiv bis sechs Wochen nach der Geburt beobach- Fieber 2.111 (26) 117.326 (29) tet. Insgesamt haben sich 157 Kliniken dem Register Halsschmerz 2.730 (34) 141.805 (35) angeschlossen. Eingaben erfolgten bisher aus 115 ge- Husten 4.701 (59) 218.783 (53) burtshilflichen und neonatalen Zentren, die etwa Schnupfen 4.335 (54) 192.598 (23) 25 % aller Geburten in Deutschland abdecken.13 Geruchsverlust 1.945 (24) 94.451 (23) Geschmacksverlust 2.028 (25) 100.893 (25) Dyspnoe 546 (7) 20.542 (5) Mit Stand 21.08.2021 wurden 2.803 SARS-CoV-2 Schwerer Verlauf mit positiv getestete schwangere Frauen im Register er- Pneumonie 56 (0,7) 1.821 (0,4) fasst, von denen sich zum Zeitpunkt des Infektions- Acute Respiratory Distress 81 (1) 2.742 (0,7) nachweises 61,4 % im 3., 25,1 % im 2. und 10,1 % im Syndrome (ARDS) 1. Trimenon befanden; bei 3,4 % fehlte die Angabe. Hospitalisierung 991 (12) 10.397 (2,5) Frauen mit SARS-CoV-2-Infektion im 1. und 2. Tri- Aufnahme auf Intensivstation 40 (0,5) 530 (0,1) menon wurden in der Mehrheit (55 %) wegen einer Verstorben 9 (0,1) 156 (0,04) akuten Symptomatik getestet, 20 % aufgrund eines Tab. 1 | Im Jahr 2021 an das RKI übermittelte labordiagnos- Kontakts zu einer infizierten Person und 10 % auf- tisch bestätigte COVID-19-Fälle unter Frauen im Alter zwischen 15 – 50 Jahre mit (N = 7.973) bzw. ohne Angabe grund eines Screenings z. B. im Rahmen einer sta- „Schwangerschaft“ (N = 578.839) und übermittelte Sympto- tionären Aufnahme im Krankenhaus. Bei den rest- me bzw. Schwere des Verlaufs (Schwangere N = 7.973; lichen 15 % der Frauen fehlte die Angabe oder war Nicht-Schwangere N = 408.981), Meldedaten gemäß IfSG, (Stand 03.09.2021) ungenau. Im 3. Trimenon wurden lediglich 35 % der Frauen aufgrund einer akuten Symptomatik positiv getestet, ebenfalls 35 % erhielten ein positives Test Im Jahr 2021 wurden 9.536 COVID-19-Fälle bei ergebnis im Rahmen eines Screenings; bei weiteren Frauen zwischen 15 und 50 Jahren übermittelt, bei 12 % erfolgte das Testen aufgrund eines Kontakts zu denen angegeben war, dass eine Schwangerschaft einem Infizierten (fehlende oder ungenaue Anga- vorlag (Stand: 3. September 2021). Für 7.973 der ben: 20 %). Da fast alle Geburten in einer medizini- Frauen lag mindestens eine Angabe zur Symptoma- schen Einrichtung stattfinden und hier bei Aufnah- tik vor (s. Tab. 1). Für neun der Frauen wurde über- me ein Screening durchgeführt wird, erklärt sich, mittelt, dass diese verstorben seien: Das Alter der dass im 3. Trimenon unter den SARS-CoV-2-positiv Frauen lag zwischen 25 und 42 Jahren, zwei Frauen getesteten Frauen mehr asymptomatische Fälle waren im 2. Trimenon, sieben Frauen im 3. Trime- (38 %) im Vergleich zu den beiden frühen Trimena non schwanger. Bei sieben der Verstorbenen wurde (12 %) beobachtet wurden. Noch deutlicher wird dies die Virus-Variante B.1.1.7 (Alpha), bei einer die Vari- bei den positiv getesteten Frauen, die eine Klinik ab ante B.1.617.2 (Delta) und bei einer war angegeben 39+0 SSW und somit zumeist zur Geburt und nicht „andere/sonstige“; für zwei Verstorbene war der Ri- wegen anderer medizinischer Probleme aufgesucht sikofaktor Diabetes mellitus, für eine der Risikofak- hatten. Unter diesen 447 SARS-CoV-2-positiven tor Lungenerkrankung angegeben; bei den restli- Frauen waren 293 (66 %) asymptomatisch und fast chen Verstorbenen lagen keine Angaben zu Risiko- ausschließlich über das Klinik-interne Testen er- faktoren vor. kannt worden (fehlende Angaben: 2 %). Während bei Infektion im 3. Trimenon somit der Nachweis Im Rahmen des Projekts „COVID-19 Related Obste- der Infektion überwiegend bei Kontaktaufnahme tric and Neonatal Outcome Study in Germany“ mit einer Klinik erfolgte, betrug bei Infektion im (CRONOS) des Forschungsnetzwerkes der Deut- 2. Trimenon das Intervall zwischen Infektion und schen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) Kontakt mit der Klinik und somit bis zur Eingabe in werden seit dem 3. April 2020 Frauen mit laborbe- das Register im Mittel acht Wochen; für Frauen im stätigter SARS-CoV-2-Infektion in der Schwanger- 1. Trimenon 13 Wochen. schaft untersucht. Neben COVID-19-spezifischen
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 (online vorab) 14 Schwere Verläufe (definiert als „intensivmedizini- Evidenzsynthese mittels einer orientierenden Lite- scher Überwachungsbedarf“) traten bei insgesamt raturrecherche weitere relevante Studien hinzuge- 104 Frauen (3,7 % von allen Frauen) auf, von denen fügt, die im Jahr 2021 veröffentlicht und bisher in sich vier Frauen in der ersten Schwangerschaftshälf- keinem systematischen Review berücksichtigt wor- te (vor 20+0 SSW) und 100 Frauen in der 2. Schwan- den waren. gerschaftshälfte (ab 20+0 SSW) infiziert hatten; 47 (1,6 %) Frauen wurden invasiv beatmet, vier (0,14 %) Der systematische Review von Allotey et al. schloss Frauen verstarben. insgesamt 192 Studien mit schwangeren Frauen ein, die im Zeitraum 01.12.2019 – 06.10.2020 publi- Von den 1.385 Schwangeren, die in der zweiten ziert worden waren und Daten aus 30 Ländern Schwangerschaftshälfte (ab 20+0 SSW) symptoma- enthielten. Hiervon untersuchten 82 Studien die tisch an COVID-19 erkrankten, wurden bisher 1.190 klinische Symptomatik und 92 Studien den mütter- (85,9 %) entbunden; 95 (6,9 %) der Frauen hatten lichen Ausgang einer COVID-19-Erkrankung; einen schweren COVID-19-Verlauf mit intensivme- 95 Studien berichteten über den schwangerschafts- dizinischer Überwachung, 45 (3,1 %) wurden invasiv bezogenen Ausgang bei den Müttern wie auch bei beatmet. Es wurden 15 Totgeburten (nach 22+0 SSW) Feten bzw. Neugeborenen; 109 Studien charakteri- verzeichnet (1,3 % aller Frauen, die nach symptoma- sierten Risikofaktoren für schwere Verläufe. tischer Infektion entbunden wurden). Bei knapp 182 (21 %) Frauen kam es zu einer Frühgeburt (definiert 2.1.2.1 Verlauf der SARS-CoV-2-Infektion bzw. als Geburt > 22+0 und < 37+0 SSW), 19 (1,6 %) der COVID-19-Erkrankung in der Schwangerschaft Kinder wurden positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Bei In dem systematischen Review von Allotey et al.14 17 von 19 Kindern mit positivem Test lag der positive zeigten Schwangere und Frauen im Wochenbett, die Nachweis der Mutter maximal zwei Wochen vor der an COVID-19 erkrankt waren, insbesondere Fieber Geburt. Die Kinder wurden überwiegend bei Wohl- (40 %), Husten (41 %), eine Leukozytose (26 %) und befinden entlassen und zeigten keine auffälligen Lymphopenie (33 %). Im Vergleich zu nicht schwan- Komplikationen der Infektion (unveröffentlichte geren Frauen gleichen Alters mit einer SARS-CoV-2- Daten des CRONOS-Registers mit freundlicher Ge- Infektion wurden bei Schwangeren weniger häufig nehmigung Prof. Dr. Pecks; die Daten sind nicht ab- Symptome festgestellt (gepooltes Odds Ratio (gOR) schließend bewertet und als vorläufig aufzufassen). 0,28; 95 % Konfidenzintervall (KI) 0,13 – 0,62): So wurden seltener Fieber (gOR 0,49; 95 % KI: 0,38 – 2.1.2 Verlauf und Komplikationen einer SARS-CoV-2- 0,63), Dyspnoe (gOR 0,76; 95 % KI: 0,67 – 0,85) oder Infektion und Risikofaktoren für einen komplikations Gliederschmerzen (gOR 0,53; 95 % KI: 0,36 – 0,78) reichen Verlauf bei Schwangeren: Umbrella Review bei SARS-CoV-2-infizierten Schwangeren beobach- Zum Einfluss der SARS-CoV-2-Infektion bzw. tet (Allotey et al.).14 In etwa der Hälfte der einge- COVID-19 auf Schwangerschaftsverlauf und -aus- schlossenen Studien wurden die Schwangeren bei gang sowie zu Risikofaktoren für schwere Verläufe Aufnahme (z. B. zur Entbindung) routinemäßig ge- in der Schwangerschaft wurde durch die Geschäfts- screent, seltener erfolgte eine Testung aufgrund von stelle der STIKO ein sog. Umbrella-Review durchge- Symptomen. Das seltenere Auftreten von Sympto- führt mit dem Ziel, alle publizierten systematischen men wird von den AutorInnen darauf zurückge- Reviews zu diesem Themenkreis zu identifizieren, führt, dass die schwangeren Frauen bei Aufnahme zu bewerten und für eine Evidenzsynthese zu nut- einem anlasslosen (d. h. ohne Vorliegen von Symp- zen (zur Methodik s. Anhang). tomen) Screening unterzogen wurden.14 Mit Stand 28.06.2021 konnten für den Umbrella- Ein schwerer Verlauf der Erkrankung (gemäß Defi- Review 14 systematische Reviews als relevant identi- nition in den einzelnen Studien) wurde von Allotey fiziert werden. Von diesen wurde der Review von et al. bei 10 % (6 % – 15 %) der schwangeren Frauen Allotey et al.14 als der umfassendste eingeschätzt oder Frauen im Wochenbett mit bestätigter Infek und als Grundlage für die nachfolgende Evidenz- tion oder einem Verdacht auf eine Infektion be- synthese verwendet. Darüber hinaus wurden der schrieben (39 Studien, 5.621 Frauen). 4 % (2 % – 7 %)
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 (online vorab) 15 wurden auf eine Intensivstation aufgenommen, verglich.18 Die Studie schloss 3.371 schwangere Frau- 3 % (1 % – 5 %) mussten invasiv beatmet werden en aus dem nationalen geburtshilflichen Surveil (31 Studien, 42.026 Frauen) und 0,2 % (0 % – 0,7 %) lancesystem des Vereinten Königreichs ein, von de- benötigten eine extrakorporale Membranoxygenie- nen insgesamt vier Frauen eine 1. Impfdosis gegen rung (ECMO) (13 Studien, 33.521 Frauen). 339 von COVID-19 erhalten hatten. Verglichen wurden in 41.664 in 59 Studien beschriebenen Frauen verstar- der Studie Daten aus Zeiträumen mit dominanter ben (0,02 %; 95 % KI: 0 % – 0,42 %).14 Bei der Ein- Zirkulation der Alpha-Variante mit solchen, in de- ordnung der Zahlen sollte berücksichtigt werden, nen der Wildtyp bzw. die Delta-Variante zirkulierte. dass unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Im Vergleich zu den Zeiträumen mit reiner Wildtyp- Therapie von COVID-19-PatientInnen je nach der Viruszirkulation war der Anteil der hospitalisierten geografischen Region bestehen.15,16 Frauen mit einem moderaten bis schweren Verlauf signifikant höher im Zeitraum mit Zirkulation der Im Vergleich zu nicht-schwangeren Frauen gleichen Alpha-Variante (aOR 1,75; 95 % KI: 1,48 – 2,06) und Alters wurden schwangere Frauen häufiger auf eine noch einmal höher, wenn die Delta-Variante im Ver- Intensivstation aufgenommen (gOR 2,13; 95 % KI: gleich zur Alpha-Variante zirkulierte (aOR 1,53; 95 % 1,53–2,95).14 Zu dem gleichen Schluss kamen KI: 1,07 – 2,17). Im Vergleich zum Zeitraum mit Zir- AutorInnen eines weiteren, aktuelleren systemati- kulation des Wildvirus wurden während des Zirku- schen Reviews (gOR 4,78; 95 % KI: 2,03 – 11,25).17 Fer- lationszeitraums der Alpha-Variante ein höherer Be- ner hatten schwangere Frauen ein erhöhtes Risiko, darf an Atemunterstützung (aOR 1,39; 95 % KI: 1,13 – invasiv beatmet zu werden (gOR 2,59; 95 % KI: 2,28 – 1,78), vermehrt Pneumonien (aOR 1,65; 95 % KI: 2,94 bzw. gOR 2,58 95 % KI: 1,64 – 4,0614,17). Eine ak- 1,38 – 1,98) und ein höherer Anteil an hospitalisier- tuelle prospektive Kohortenstudie mit positiven ten Frauen festgestellt, die auf eine Intensivstation Schwangeren versus jeweils zwei konsekutiv aufge- aufgenommen werden mussten (aOR 1,61; 95 % KI: nommenen negativen Schwangeren, die Frauen aus 1,24 – 2,10). Schwangere Frauen, die während des 43 Institutionen in 18 Ländern einschloss, errechne- Zeitraums mit Zirkulation der Delta-Variante hospi- te ein relatives Risiko für intensivmedizinischen talisiert wurden, hatten im Vergleich zum Alpha- Behandlungsbedarf von 5,04 (95 % KI: 3,13 – 8,10).9 Zirkulationszeitraum ein nochmal erhöhtes Risiko für eine Pneumonie (aOR 1,64; 95 % KI: 1,14 – 2,35).18 Insgesamt wurden Todesfälle bei schwangeren Frauen mit COVID-19 nur selten beobachtet. Im 2.1.2.2 Schwangerschaftskomplikationen bei Rahmen des systematischen Reviews von Allotey SARS-CoV-2-Infektion et al. wurde eine erhöhte Mortalität (jegliche Todes- Mütterliche Endpunkte: Ein systematischer Review ursache) bei schwangeren Frauen mit COVID-19 im mit Metaanalyse von Daten aus Beobachtungsstu Vergleich zu schwangeren Frauen ohne COVID-19 dien zeigte, dass eine SARS-CoV-2-Infektion bei berechnet (gOR 2,85; 95 % 1,08 – 7,52), allerdings Schwangeren das Risiko für Schwangerschaftskom- waren die Fallzahlen (8 Studien, 4.820 Frauen, 8 To- plikationen wie Präeklampsie erhöht, insbesondere desfälle) und damit das Vertrauen der AutorInnen bei einer schweren Erkrankung (z. B. Dyspnoe, in diese Schätzungen gering.14 Eine internationale Tachypnoe, Diagnose einer Pneumonie).17 Das Risi- Kohortenstudie9 mit insgesamt 2.130 Frauen errech- ko für SARS-CoV-2-positive schwangere Frauen, nete ein deutlich erhöhtes Mortalitätsrisiko von eine Präeklampsie zu erleiden, betrug im Vergleich schwangeren Frauen mit COVID-19, allerdings mit zu SARS-CoV-2-negativen schwangeren Frauen (in einem sehr breiten Konfidenzintervall aufgrund des der präpandemischen Phase oder asymptomatisch insgesamt seltenen Auftretens (RR 22,26, 95 % KI: in der frühen pandemischen Phase) 1,33 (95 % KI: 2,88 – 172,11). 1,03 – 1,73).17 Auch in einer bevölkerungsbasierten Studie mit Krankenhausabrechnungsdaten des Die Literaturrecherche ergab nur eine Studie, die den National Health Service in England wurde bei insge- Verlauf der SARS-CoV-2-Infektion bzw. COVID-19- samt 342.080 schwangeren Frauen ein erhöhtes Ri- Erkrankung in der Schwangerschaft in Abhängig- siko für Präeklampsie/Eklampsie bei SARS-CoV-2- keit von verschiedenen SARS-CoV-2 Virus-Varianten positiven im Vergleich zu SARS-CoV-2-negativen
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 (online vorab) 16 Frauen ermittelt (adjustiertes OR 1,55; 95 % KI: 1,29 – 0,81; 95 % KI: 0,52 – 1,27);9 83 % der Frühgeburten 1,85).19 In einer multinationalen Kohortenstudie wur- waren aus medizinischen Gründen eingeleitet wor- de basierend auf Daten von 2.130 schwangeren Frau- den (RR 1,97; 95 % KI: 1,56 – 2,51), insbesondere auf- en ebenfalls ein höheres relatives Risiko für eine Prä- grund einer Präeklampsie/Eklampsie oder eines eklampsie oder ein HELLP-Syndrom bei positiven HELLP-Syndroms (gekennzeichnet durch Hämolyse versus negativen Schwangeren festgestellt (RR 1,76; (H), Erhöhung der Leberenzyme (EL), Thrombo 95 % KI: 1,27 – 2,43).9,20 In der Studie von Villar et al. zytopenie (LP)) einer intrauterinen Wachstums wurde auch bei einer asymptomatischen SARS- retardierung oder einer fetalen Notlage. Das Risiko CoV-2-Infektion eine Präeklampsie häufiger als bei für eine Frühgeburt stieg bei Frauen mit COVID-19- testnegativen Frauen beobachtet (RR 1,63; 95 % KI, Diagnose ab dem Gestationsalter von 30 Wochen an. 1,01 – 2,63).9 In Regressionsmodellen wurde ermittelt, dass das Schwangerschaftsalter bei Geburt im Vergleich zu Schwangere Frauen mit einer schweren COVID-19- Frauen ohne COVID-19-Diagnose 0,6 Wochen kür- Erkrankung zeigten in einer US-amerikanischen zer war bezogen auf alle Frauen mit COVID-19- Kohortenstudie häufiger tiefe venöse Thrombosen Diagnose (95 % KI: –0,9 bis –0,3) und 0,8 Wochen oder pulmonale Embolien (6 %; 95 % KI: 2 – 11 %) als kürzer bezogen auf Frauen mit symptomatischer schwangere Frauen mit einem moderaten (0,2 %) SARS-CoV-2-Infektion (95% KI: –1,2 bis –0,5). oder asymptomatischen Verlauf (0 %).21 Ferner wurde bei schwangeren Frauen mit einer Ein systematischer Review, der Daten zum Outcome COVID-19-Diagnose seltener ein spontaner Beginn von Schwangeren in der Pandemiephase im Ver- der Wehentätigkeit (RR 0,85; 95 % KI: 0,77 – 0,93) gleich zu präpandemischen Zeiten analysierte, fand beobachtet, die Frauen hatten allerdings ein höheres kein vermehrtes Auftreten eines Gestationsdiabetes Risiko für einen Kaiserschnitt (RR 1,28; 95 % KI: oder einer Hypertonie während der Pandemie im 1,16 – 1,40). Im Hinblick auf die Einleitung einer Ge- Vergleich zu präpandemischen Zeiten (gOR 1,01; burt oder einen vorzeitigen Blasensprung ergaben 95 % KI: 0,86 – 1,19 bzw. gOR 1,16; 95 % KI: 0,75 – 1,79 sich zwischen SARS-CoV-2-positiven und -negati- bei einer Heterogenität von 45 bzw. 81 %).22 ven Schwangeren keine Unterschiede (RR 0,99; 95 % KI: 0,84 – 1,18 bzw. RR 0,87; 95 % KI: 0,71 – Fetale/neonatale Endpunkte: In dem systemati- 1,07).9,22 Auch die AutorInnen einer US-amerikani- schen Review von Allotey et al. wurde bei schwange- schen Kohortenstudie mit Daten von 1.219 Frauen ren Frauen mit COVID-19 ein erhöhtes Risiko für aus 33 Krankenhäusern in 14 Staaten beschrieben Frühgeburten vor der 37. SSW im Vergleich zu Müt- eine signifikant höhere Rate induzierter Frühgebur- tern ohne COVID-19 beschrieben (gOR 1,47; 95 % ten bei Frauen mit schweren Verläufen, wobei bei KI: 1,14 – 1,91; 18 Studien, 8.549 Frauen).14 Zur selben 3 % der Frauen COVID-19 die primäre Indikation Aussage kommt auch der systematische Review von darstellte. Die häufigsten Indikationen für die vor- Wei et al., insbesondere bei schwerem Verlauf der zeitige Schwangerschaftsbeendigung im Zeitraum Erkrankung im Vergleich zu einem leichten Verlauf der Frühgeburtlichkeit waren Schwangerschafts (gOR 1,82; 95 % KI: 1,38 – 2,39 und gOR 4,29; 95 % hypertonie (33 % aller induzierten Frühgeburten), KI: 2,41 – 7,63).9,17 intrauteriner Fruchttod (16 %) und vorzeitiger Bla- sensprung (13 %). Bei Frauen, die mittels eines Kai- Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass es serschnitts entbunden worden waren, war dies bei sich hierbei um einen medizinisch induzierten An- 22 % primär aufgrund einer COVID-19-Erkrankung stieg der Frühgeburtenrate handeln könnte, da laut geschehen.21 Allotey et al. die allgemeinen Raten von spontanen Frühgeburten im Vergleich zu präpandemischen Im Rahmen eines weiteren systematischen Re- Zeiten gleich geblieben seien.14 In einer prospekti- views, der den Schwangerschaftsverlauf bei Frauen ven Kohortenstudie aus 18 Ländern war die spontane mit COVID-19 mit dem Verlauf von Schwanger- Frühgeburtenrate bei Frauen mit COVID-19 im Ver- schaften in einer präpandemischen Phase verglich, gleich zu Frauen ohne COVID-19 nicht erhöht (RR wurde dagegen kein generell höheres Risiko einer
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 (online vorab) 17 Frühgeburt in Pandemiezeiten berechnet (gOR Autoren einer italienischen Fall-Kontroll-Studie mit 0,94; 95 % KI: 0,87 – 1,02). Auch für Frühgeburten 225 Patientinnen im 1. Trimenon schlossen, dass vor der 32. SSW oder der 28. SSW ergab sich kein eine schwere COVID-19-Erkrankung im 1. Trimenon höheres Risiko in der pandemischen versus einer nicht mit einer erhöhten Abortrate in der Früh- präpandemischen Phase (gOR 0,76; 95 % KI: 0,42 – schwangerschaft einherzugehen scheint.23 Im Rah- 1,36 und gOR 1,05; 95 % KI: 0,64 – 1,39 respektive), men einer dänischen Kohortenstudie mit insgesamt auch nicht in Abhängigkeit vom Durchschnitts 1.356, Frauen, darunter allerdings nur 18 SARS- einkommen in den Ländern, in denen die Studien CoV-2 positiv getestete Teilnehmerinnen, wurde im durchgeführt wurden.22 Rahmen des routinemäßig in Dänemark angebote- nen Screenings in der 11. – 14. SSW ebenfalls keine Zwei systematische Reviews errechneten bei schwan- erhöhte Abortrate festgestellt.24 Es ist jedoch nicht geren Frauen mit COVID-19 im Vergleich zu auszuschließen, dass Frauen während der Pandemie Schwangeren ohne COVID-19 kein signifikant er- nicht immer medizinischen Rat einholten und daher höhtes Risiko des Auftretens einer fetalen Notlage ein Abort möglicherweise nicht erfasst wurde.25 (fetal distress) (gOR 2,37; 95% KI: 0,77 – 7,31; zwei Stu- dien, 24 Ereignisse bei 340 Frauen bzw. gOR 1,50, Zusammenfassung von 2.1.2.1 und 2.1.2.2 95% KI: 0,64 – 3,53; drei Studien, 47 Ereignisse bei Der Schwangerschaftsverlauf bei Frauen mit einer 874 Frauen).14,17 Dagegen wurde im Rahmen einer asymptomatischen SARS-CoV-2-Infektion ist ver- aktuelleren Kohortenstudie mit 2.130 schwangeren gleichbar mit jenem bei Frauen ohne SARS-CoV-2- Frauen, davon 706 positiv auf SARS-CoV-2 getestet, Infektion. Laut des deutschen CRONOS-Registers ein gering höheres Risiko einer fetalen Notlage bei weisen mehr als 50 % der infizierten Frauen in den den positiv-getesteten Schwangeren im Vergleich zu ersten beiden Trimena Symptome auf, bei Frauen konsekutiv in die Studie aufgenommenen nega- im 3. Trimenon sind es 43 %. Basierend auf Daten tiv-getesteten Schwangeren (RR 1,70; 95% KI: 1,06 – aus systematischen Reviews wurde ein schwerer 2,75; 207 Ereignisse bei 2.130 Frauen) ermittelt.9 COVID-19-Verlauf bei etwa 10 % der infizierten Schwangeren beobachtet, 4 % wurden auf eine In- Selten wurden Totgeburten bei Schwangeren mit tensivstation aufgenommen und 3 % wurden inva- Verdacht auf COVID-19 bzw. nach einer laborbestä- siv beatmet. Im Vergleich zu nicht-schwangeren tigten SARS-CoV-2-Infektion beschrieben.14,17,22 Wei Frauen gleichen Alters hatten schwangere Frauen et al. ermittelten in ihrem systematischen Review ein ein zwei- bis fünffach erhöhtes Risiko auf eine In- höheres Risiko für Totgeburten bei SARS-CoV-2- tensivstation aufgenommen zu werden und ein positiven im Vergleich zu SARS-CoV-2-negativen zweieinhalbfach erhöhtes Risiko für eine invasive schwangeren Frauen (gOR 2,11; 95 % 1,14 – 3,90; 1.366 Beatmung. Das Mortalitätsrisiko schwangerer Frau- Totgeburten bei 413.122 Frauen in 6 Studien).17 Allo- en mit COVID-19 war im Vergleich zu nicht schwan- tey et al. berichteten insgesamt 35 Totgeburten bei geren Frauen mit COVID-19 nicht erhöht. 5.794 schwangeren Frauen in 9 Studien, wobei das Risiko im Vergleich zu Test-negativen schwangeren Daten zum Verlauf von COVID-19 bei Schwangeren Frauen erhöht war (gOR 2,84; 95 % 1,25 – 6,45).14 mit der aktuell dominanten Delta-Variante liegen Eine bevölkerungsbasierte Kohortenstudie mit Kran- zum jetztigen Zeitpunkt nur in sehr begrenztem kenhausabrechnungsdaten des National Health Ser- Umfang vor. Eine Studie berichtet von einem an- vice in England schloss insgesamt 342.080 schwan- derthalbfach erhöhten Pneumonie-Risiko im Ver- gere Frauen mit 3.527 Frauen mit einer laborbestä- gleich zu einer Infektion mit der Alpha-Variante. tigten SARS-CoV-2-Infektion zum Zeitpunkt der Entbindung ein. Adjustiert auf Bluthochhochdruck Das relative Risiko für COVID-19-positive schwan und Diabetes mellitus wurde bei SARS-CoV-2-posi- gere Frauen, eine Präeklampsie/Eklampsie/ein tiven Frauen ein erhöhtes Risiko für eine Totgeburt HELLP-Syndrom zu entwickeln, wurde in verschie- ab der 24. SSW berechnet (adjustiertes OR 2,21; 95 % denen Studien auf 1,3 – 1,8 geschätzt. KI: 1,58 – 3,11).18
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 (online vorab) 18 Das höhere Risiko einer Frühgeburtlichkeit bei Eine zentrale Fragestellung ist, inwieweit bereits die SARS-CoV-2-positiven schwangeren Frauen ergibt Schwangerschaft an sich einen unabhängigen Risi- sich wahrscheinlich aus einer häufigeren Schwan- kofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf dar- gerschaftsbeendigung aus medizinischen Gründen. stellt. In dem systematischen Review von Allotey In Bezug auf ein möglicherweise erhöhtes Risiko ei- et al. wurden 14 Studien berücksichtigt, die einen ner fetalen Notlage, dem Auftreten von Totgeburten Vergleich des Verlaufs einer COVID-19-Erkrankung oder Aborten ist die Datenlage bisher uneinheitlich. bei Schwangeren im Vergleich zu Nicht-Schwange- ren vorgenommen hatten. Die Studien umfassten ei- 2.1.2.3 Risikofaktoren für eine schwere COVID-19- nen Publikationszeitraum bis Oktober 2020. Einige Erkrankung bei Schwangeren von diesen Studien zeigten dabei, dass sich schwan- Vorbestehende Grunderkrankungen (z. B. chroni- gere gegenüber Nicht-schwangeren COVID-19- sche Hypertonie, Diabetes mellitus) und Schwan- positiven Frauen hinsichtlich verschiedener Risiko- gerschaftserkrankungen (Gestationsdiabetes, Prä faktoren wie z. B. Adipositas oder Diabetes mellitus eklampsie) sowie ein höheres mütterliches Alter voneinander unterscheiden.3,14,29 Die AutorInnen und ein höherer Body-Mass-Index (BMI) werden bei schlossen aus den vorliegenden Daten, dass schwangeren Frauen als Risikofaktoren für einen Schwangere gegenüber Nicht-Schwangeren ein er- schweren COVID-19-Verlauf, die Aufnahme auf höhtes Risiko hatten, auf eine Intensivstation aufge- eine Intensivstation und eine erhöhte Mortalität be- nommen und beatmet zu werden. schrieben.9,14,26,27 So ergab sich für schwangere, SARS-CoV-2-positiv getestete Frauen ein signifikant Die AutorInnen einer prospektiven Kohortenstudie erhöhtes Risiko für eine schwere Erkrankung bei aus Mexiko berechneten mit Daten von 5.183 Vorliegen eines Alters ab 35 Jahren (pOR 1,83; 95 % schwangeren und Nicht-schwangeren Frauen des KI: 1,27 – 2,63), eines BMI ab 30 kg/m² (pOR 2,37; Nationalen Mexikanischen COVID-19-Registers, 95 % KI: 1,83 – 3,07), von Komorbiditäten (pOR 1,81; unter Verwendung eines propensity score matchings, 95 % KI: 1,49 – 2,20), von Bluthochdruck (pOR 2,00; dass die schwangeren Frauen ein höheres Risiko 95 % KI: 1,14 – 3,48), vorbestehendem Diabetes me- hatten, eine Pneumonie zu entwickeln (OR 1,86; litus (pOR 2,12; 95 % KI: 1,62 – 2,78) und Präeklamp- 95 % KI: 1,60 – 2,16), auf eine Intensivstation aufge- sie (pOR 4,21; 95 % KI: 1,27 – 14,00). nommen zu werden (OR 1,86; 95 % KI: 1,41 – 2,45) oder zu versterben (OR 1,84; 95 % KI: 1,26 – 2,69); Risikofaktoren, die mit einer erhöhten mütterlichen ein Unterschied für das Risiko einer Intubation be- Mortalität einhergingen, waren ein hoher BMI stand jedoch nicht (OR 0,93; 95 % KI: 0,70 – 1,25). (pOR 2,27; 95 % KI: 1,20 – 4,31) und eine nicht-weiße Eine Limitation dieser Studie war, dass die Studie Ethnie (pOR 1,61; 95 % KI: 1,05 – 2,47).14 In einem nur symptomatische Frauen einschloss, während systematischen Review wurde ein signifikant erhöh- viele andere Studien auch Daten asymptomatischer tes Risiko, im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung Frauen beinhalteten.28 Eine retrospektive Kohorten- zu versterben, bei Vorliegen von Adipositas (RR studie aus den USA nutzte Daten eines Registers 2,48: 95 % KI: 1,41 – 4,36) und jeglicher Komorbidi- von Krankenhäusern und den Elixhauser Comorbi- tät (RR 2,26: 95 % KI: 1,77 – 2,89) ermittelt.27 Eine dity Score zur Adjustierung auf verschiedene Risi- Studie mit COVID-19-Registerdaten aus Mexiko er- kofaktoren. Von 22.493 Frauen waren 1.609 schwan- mittelte eine erhöhte Mortalität bei Vorliegen eines ger. Die schwangeren Frauen hatten ein höheres Ri- höheren mütterlichen Alters (OR 1,07; 95 % KI: siko hospitalisiert zu werden (60,5 % vs. 17,0 %; 1,06 – 1,07), eines Diabetes mellitus (OR 3,50; 95 % p < 0,001) und moderat beatmet zu werden (1,7 % vs. KI: 3,16 – 3,88), einer Adipositas (OR 1,90; 95 % KI: 0,7 %; p < 0,001).29 Eine US-amerikanische retro 1,74 – 2,07), eines Hypertonus (OR 1,95; 95 % KI: spektive multizentrische Fall-Kontrollstudie unter- 1,76 – 2,17), einer Immunsuppression (OR 2,07; suchte 132 schwangere (n = 38) und nicht-schwange- 95 % KI: 1,77 – 2,41), eines Asthma bronchiales (OR re Frauen (n = 94) mit schwerer oder kritischer 2,44; 95 % KI: 1,93 – 3,10) sowie von chronischen COVID-19-Erkrankung. BMI (Mittelwert 32 vs. 33 Nierenerkrankungen (OR 7,63; 95 % KI: 6,47 – kg/m²) und Alter (Mittelwert 35 vs. 38 Jahre) waren 8,99).28 höher in der Gruppe der Nicht-schwangeren Frau-
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 (online vorab) 19 en. Ebenso wiesen Nicht-schwangere Frauen in der 0,03% der 1.303.170 Nicht-Schwangeren, mit positi- Kohorte häufiger Diabetes mellitus, Hypertonie und vem SARS-CoV-2-Test hospitalisiert worden zu sein. koronare Herzerkrankung auf. Trotzdem wurde bei Getestet worden zu sein gaben 2,7% der schwange- den schwangeren Frauen nach Adjustierung auf ren und 2,4% der nicht-schwangeren Frauen an. Die verschiedene Risikofaktoren ein höheres Risiko für Symptome unterschieden sich nicht bei schwange- eine Aufnahme auf eine Intensivstation (aOR 5,2; ren und nicht-schwangeren Frauen, außer bezogen 95 % KI: 1,5 – 17,5) und ein höherer Morbiditätsindex auf gastrointestinale Symptome (OR 3,3; 95% KI: (bestehend aus moderater Beatmung, Intubation 1,3 – 8,8). Univariate, gewichtete Regressionen erga- und Beatmung, ECMO) (OR 4,2; 95 % KI: 1,2 – 18,2) ben in beiden Kohorten keinen Effekt der Schwan- beobachtet. Limitierend ist hier die geringe Fallzahl gerschaft hinsichtlich der Schwere der Erkrankung, der schweren und kritischen Fälle.30 Eine retrospek- angegeben als Severity Index. Eine vorbestehende tive Beobachtungsstudie mit einer propensity- Lungenerkrankung war signifikant mit einer schwe- matched Kohorte aus dem Vereinten Königreich, reren COVID-19-Erkrankung assoziiert (p < 0,0001), welche 36 schwangere und 36 Nicht-schwangeren ebenso eine präexistente Herzerkrankung, Nieren Frauen, die jeweils aufgrund von COVID-19 hospi- erkrankung und Diabetes mellitus (p < 0,0001). talisiert worden waren, miteinander verglich, konn- Limitationen der Studie sind zunächst in einem te keinen schwereren Verlauf bei den schwangeren Selektionsbias zu sehen. Schwangere Frauen mit ei- Frauen während der 1. Pandemie-Welle feststellen. ner schwereren COVID-19-Erkrankung, die hospita- Die AutorInnen wiesen darauf hin, dass dies mit lisiert werden müssen, haben möglicherweise weni- aktuelleren Varianten von SARS-CoV-2 weiter unter- ger Interesse, app- oder webbasiert an Befragungen sucht werden müsste.31 teilzunehmen. Ferner ist fraglich, ob Menschen, die derartige Tools nutzen, als repräsentativ für die Be- Schließlich wertete eine bevölkerungsbezogene Stu- völkerung angesehen werden können. Selbstanga- die, die im Vereinigten Königreich, in den USA und ben sind schließlich anfällig für eine Fehlklassifika- Schweden durchgeführt wurde, über eine Smartpho- tion. Die AutorInnen schlossen, dass die Schwanger- ne-App (Longitudinalstudie; n = 400.750 Frauen, da- schaft nicht wesentlich zur Morbidität in den Kohor- von 14.049 schwanger und 386.701 nicht- ten beitrug.32 schwanger; Beobachtung im Median über 18 Tage) und über eine Internetplattform (Querschnittsstu- Zusammenfassung die; n = 1.344.966 Frauen; davon 41.796 schwanger) Nach Adjustierung für zugrundeliegende Risikofak- erhobene Selbstangaben zum Symptomprofil und toren oder im Rahmen eines Vergleiches von schwe- der Schwere einer COVID-19-Erkrankung sowie ren COVID-19-Verläufen bei Schwangeren versus Hospitalisierung bei 18 – 44 Jahre alten Frauen aus.32 Nicht-Schwangeren wurde gefolgert, dass eine Von 45% der 14.049 Schwangeren der Longitudinal- Schwangerschaft allein bereits einen Risikofaktor studie, die ein Gestationsalter angaben, waren 14% für einen schwereren COVID-19-Verlauf darstellt. im 1. Trimenon, 43% im 2. Trimenon und 43% im Ferner haben Schwangere und nicht-schwangere 3. Trimenon. In der Longitudinalstudie wurden Frauen ein erhöhtes Risiko einer komplikationsrei- 0,09% von den insgesamt 400.750 Frauen nach ei- cheren Erkrankung, wenn sie vorbestehende Risiko- nem positiven SARS-CoV-2-Test hospitalisiert und faktoren, wie Diabetes melitus, Adipositas, ein hö- 0,16%, bei denen der Verdacht auf COVID-19 be- heres Alter oder eine Hypertonie aufweisen. stand. Schwangere Frauen wurden jedoch häufiger getestet (8,0% versus 6,1% bei Nicht-Schwangeren). 2.1.3 Vertikale Transmission Der Anteil der hospitalisierten Schwangeren mit po- Verschiedene Studien haben gezeigt, dass eine di- sitivem SARS-CoV-2-Test betrug 0,1% (n = 14.049) rekte diaplazentare bzw. vertikale Transmission von versus 0,07% (n = 386.701) unter nicht-schwangeren SARS-CoV-2 von der Mutter auf das Kind möglich Frauen. Es ergaben sich keine Unterschiede in der oder sehr wahrscheinlich ist.33 – 36 Für die fetale Ge- Dauer der Erkrankung zwischen schwangeren und sundheit könnten nach Ansicht einiger AutorInnen nicht-schwangeren Frauen. In der Querschnittsstu- weniger eine vertikale Transmission von Viren, son- die berichteten 0,09% der 41.796 Schwangeren und dern eher entzündliche Veränderungen der Plazen-
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 (online vorab) 20 ta oder ein Zytokinsturm bei der Mutter relevant res Risiko ermittelt, nach der Geburt auf einer neo- sein.4,37 – 39 Die Schwierigkeiten, eine pränatale oder natologischen Intensivstation betreut zu werden perinatale vertikale Transmission zu beweisen, lag (Allotey et al.: gOR 4,89; 95 % KI: 1,87 – 12,81; Wei nach Meinung der AutorInnen in methodischen et al.: gOR 3,69; 95 % KI: 1,39 – 9,82), insbesondere Schwächen der publizierten Beschreibungen, z. B. bei einem schweren Erkrankungsverlauf der Mutter bei der Probengewinnung oder Berechnungen einer (Wei et al.: gOR 3,95; 95 % KI: 1,43 – 10,95).14,17 Eine möglichen Ansteckung unter Berücksichtigung der bevölkerungsbasierte Studie mit Krankenhausab- Inkubationszeiten.40,41 Nach Ansicht der AutorInnen rechnungsdaten des National Health Service in Eng- rechtfertigen die Daten allerdings keine Entbindung land errechnete ebenfalls ein erhöhtes Risiko für die durch einen Kaiserschnitt, um eine Infektion des Neugeborenen, auf einer Neonatologie behandelt Neugeborenen zu verhindern. Auch das Rooming-In werden zu müssen (adjustiertes OR 1,24; 95 % KI: birgt kein erhöhtes Risiko für eine Transmission.41,42 1,02 – 1,51).18 Eine Sensitivitätsanalyse nur mit Frau- en, die nach der 37. SSW von ihrem Kind entbunden Bei einer SARS-CoV-2-Infektion der Mutter im worden waren, ergab in dieser Studie kein höheres 3. Trimenon kommt es zu einer selektiven Beein- Risiko (adjustiertes OR 1,18; 95 % KI: 0,90 – 1,55). trächtigung des diaplazentaren Transfers und zu ei- Entsprechend schlussfolgern die AutorInnen, dass ner fehlenden Anreicherung im Nabelschnurblut die beobachteten negativen Auswirkungen auf die von SARS-CoV-2-spezifischen mütterlichen Anti- Neugeborenen aus der höheren Frühgeburtlichkeit körpern, während der Transfer von Influenza- oder resultierten.18 Auch der systematische Review von Pertussis-spezifischen Antikörpern unverändert Pineles et al. mit einem Vergleich der Versorgung stattfindet. Bei einer SARS-CoV-2-Infektion der während der Pandemie versus präpandemischen Mutter im 2. Trimenon wurde dieser hemmende Ef- Zeiten zeigte kein erhöhtes Risiko für eine Neona- fekt auf den SARS-CoV2-Antikörpertransfer nicht tologie-Aufnahme (gOR 0,90; 95 % KI: 0,80 – 1,01; beobachtet.43 Ob diese Beobachtungen auch für den 7 Studien, 45.629 Schwangerschaften), wobei die- Transfer von mütterlichen Anti-SARS-CoV-2-Anti- ser Review auch kein erhöhtes Risiko einer Frühge- körpern nach COVID-19-mRNA-Impfung im 2. ver- burtlichkeit fand.44 sus 3. Trimenon zutreffen, ist bisher nicht bekannt. In einer prospektiven britischen Kohortenstudie mit 2.1.4 Verlauf und Outcome bei Neugeborenen Daten von 2.130 schwangeren Frauen aus 18 Län- Eine Übertragung einer mütterlichen SARS-CoV-2- dern wurde kein Zusammenhang zwischen einer Infektion auf das Neugeborene erscheint insgesamt SARS-CoV-2-Infektion der Mutter und eines für das selten zu sein und löst beim Neugeborenen auch nur Gestationsalter zu kleinen Kindes (small for gestatio- in seltenen Fällen Symptome aus. Zu diesem Schluss nal age; SGA) gefunden (RR 1,03 (95 % KI: 0,81 – kamen AutorInnen eines systematischen Reviews, 1,31).9 AutorInnen einer US-amerikanischen Studie der 49 Fallbeschreibungen und Fallserien unter- sahen zudem kein erhöhtes Risiko eines SGA bei suchte (655 Frauen, 666 Neugeborene).42 Ein Ver- einem schweren Erkrankungsverlauf der Mutter gleich der Outcomes des 5-Minuten-APGAR-Scores (aRR 1,22; 95 % KI: 0,63 – 2,37).20 ergab bei im Zeitraum der Pandemie geborenen Kindern im Vergleich zu in präpandemischen Zei- Eine schwedische Studie, die Registerdaten von ten geborenen Kindern in „high-income-countries“ 88.159 Kindern auswertete, von denen 2.323 (1,6 %) keinen Unterschied (gOR 1,15 95 % KI: 0,62 – 2,15; von SARS-CoV-2-positiven Müttern entbunden wor- 4 Studien, 14.782 Schwangerschaften).22 Einen ähn- den waren, berechnete nach Adjustierung ein er- lichen Schluss zogen AutorInnen eines systemati- höhtes Risiko eines Atemnotsyndroms (RR 2,40; schen Reviews zum Outcome von Neugeborenen 95 % KI: 1,5 – 3,84).45 SARS-CoV-2-positiver Mütter mit 32 Studien (261 Neugeborenen von 258 Frauen).11 Zur Adressierung der Frage, welche Krankheitslast potenziell bei Neugeborenen verhindert werden Für Neugeborene von Frauen mit COVID-19 wurde könnte, wenn die mütterliche Impfung via diapla- allerdings in zwei systematischen Reviews ein höhe- zentarem Antikörpertransfer zu einem fetalen
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 (online vorab) 21 gemeldet (persönliche Kommunikation Dr. Armann, Früh- ≤ 6 Monate ≤ 28 Tage ≤ 7 Tage Alter n (%) n (%) n (%) geborene Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedi- n (%) zin am Uniklinikum Dresden). Aus den Daten lässt Gesamtzahl 522 127 39 53 sich ableiten, dass eine Hospitalisierung in Zusam- davon menhang mit COVID-19 in dieser Altersgruppe ein Aufnahmeindikati- on COVID-19 164 (31) 37 (29) 5 (13) 15 (28) sehr seltenes Ereignis ist; auch Begleiterkrankungen Begleiterkrankung 48 (9) 13 (10) 6 (15) 14 (26) spielen bei der Krankenhausbedürftigkeit eine un- Notwendigkeit tergeordnete Rolle. 8 – 17% der Kinder benötigten 69 (13) 21 (17) 3 (8) 6 (11) COVID-19-Therapie eine spezifische COVID-19-Therapie; beatmungs- mit pflichtig war nur eines von den 522 hospitalisierten Intensivpflichtigkeit 6 (9) 3 (14) 2 (67) 2 (33) Kindern. Beatmungs- 1 0 0 0 pflichtigkeit 2.1.5 Fazit: Risikofaktoren und Komplikationen ECMO- Bedürftigkeit 0 0 0 0 einer SARS-CoV-2-Infektion bei Schwangeren COVID-19-bedingte ▶▶ Schwere Verläufe und Komplikationen bei 0 0 0 0 Folgeerkrankung Schwangeren mit einer SARS-CoV-2-Infektion Verstorben 1 0 0 0 sind selten. Tab. 2 | An das DGPI-Register gemeldete Fälle von hospita ▶▶ Der Faktor Schwangerschaft stellt einen unab- lisierten Kindern ≤ 6 Monate mit bestätigter COVID-19 oder hängigen Risikofaktor für schwere COVID-19- SARS-CoV-2-Direktnachweis (Stand 18.06.2021) Verläufe dar. SARS-CoV-2-infizierte schwange- re Frauen erleiden häufiger Komplikationen als Nicht-Schwangere, insbesondere, wenn sie Schutz führen würde, wurden Zahlen der DGPI älter sind oder an Adipositas, Hypertonus oder analysiert, die seit Mitte März 2020 ein Register zu einem Diabetes mellitus leiden. COVID-19 bei hospitalisierten Kindern und Jugend- ▶▶ In fast allen Studien wurde ein signifikant häu- lichen in Deutschland führt. Als Fälle werden statio figeres Auftreten von Präeklampsie und Früh- när aufgenommene PatientInnen mit SARS-CoV-2- geburtlichkeit (insbesondere im 3. Trimenon) Direktnachweis (PCR-Test oder Antigenschnelltest) bei infizierten im Vergleich zu nicht-infizierten definiert. Es werden nur Fälle eingeschlossen, für die Schwangeren berichtet, wobei die vermehrte vollständige Angaben sowohl zur Aufnahme als auch Frühgeburtlichkeit wahrscheinlich medizinisch zur Entlassung gemeldet wurden. Der C OVID-19- bedingt ist (Schwangerschaftsbeendigung auf- Survey schließt hospitalisierte Kinder und Jugend- grund einer medizinischen Indikation). liche mit sicherer COVID-19, mit Verdacht auf ▶▶ In einigen Studien wurden ein erhöhtes müt- COVID-19 bei SARS-CoV-2-Direktnachweis sowie terliches Sterberisiko sowie ein erhöhtes Risiko mit asymptomatischen Zufallsbefunden eines für Totgeburten beschrieben. Die Studienlage SARS-CoV-2-Direktnachweises ein. Angaben zum ist hier jedoch nicht eindeutig. Zudem ist die SARS-CoV-2-Serostatus der jeweiligen Mutter lagen Mortalität von SARS-CoV-2-positiven Schwan- nicht vor. Mit Stand 18.06.2021 lagen Daten zu ins- geren im Vergleich zu positiven Nicht-Schwan- gesamt 522 hospitalisierten Kindern im Alter von geren nicht erhöht. einschließlich ≤ 6 Monaten aus 169 von bundesweit ▶▶ SARS-CoV-2-positive Schwangere werden häu- 351 Kliniken vor. Von diesen 522 Kindern waren 127 figer als SARS-CoV-2-negative Schwangere auf ≤ 28 Tage und 39 ≤ 7 Tage alt; 53 Kinder waren Früh- Intensivstationen aufgenommen und häufiger geburten vor der 37. SSW (Median 35. SSW). Der An- invasiv beatmet, und bei ihnen wird häufiger teil der Kinder mit Aufnahmeindikation COVID-19, eine Sectio durchgeführt. Eine häufigere Auf- einer Begleiterkrankung sowie der Notwendigkeit ei- nahme der Neugeborenen auf eine neonatolo- ner COVID-19-Therapie sind in Tabelle 2 dargestellt. gische Station ist wahrscheinlich durch die hö- Das verstorbene Kind litt an multiplen Begleit here Frühgeburtsrate bedingt. erkrankungen, u. a. einem schweren angeborenen ▶▶ Das Risiko für Aborte und die neonatale Morta- Herzfehler, und wurde als an COVID-19 verstorben lität sind nicht erhöht.
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 (online vorab) 22 2.2 Impfstoffe de eine systematische Literaturrecherche durch Schwangere Frauen waren von den Zulassungsstu- geführt (Stand: 22. August 2021; Suchstrategie s. dien der mRNA-Impfstoffe ausgeschlossen, so dass Anhang) und die Evidenzqualität mit Hilfe der zum jetzigen Zeitpunkt keine kontrollierten rando- GRADE-Methodik bewertet. misierten Studien zur Wirksamkeit der mRNA- Impfstoffe bei Schwangeren vorliegen. Zwar wur- 2.2.2 Wirksamkeit den mittlerweile erste größere Studien v. a. in den Die systematische Literaturrecherche ergab insge- USA zur Evaluierung der Sicherheit, Verträglichkeit samt 442 Studien. Von diesen wurden nach und Immunogenität von mRNA-Impfstoffen gegen Abstract- und Volltextscreening zwei Studien in die COVID-19 bei gesunden schwangeren Frauen initi- Evidenzbewertung zur Wirksamkeit (nach Gabe von iert, erste Daten sind jedoch nicht vor 2022 zu er- zwei mRNA-Impfstoffdosen) bei Schwangeren ein- warten (https://clinicaltrials.gov/). Die hier vorge- geschlossen.46,47 Eine weitere Studie berichtete ledig- stellte Evidenzaufarbeitung zur COVID-19-Impfung lich unadjustierte Schätzer,48 auf deren Ergebnisse von Schwangeren beinhaltet daher zu diesem Zeit- wird daher im Folgenden nicht weiter eingegangen. punkt nur erste publizierte Beobachtungsstudien. Details zu den eingeschlossenen Studien und den in den Studien berichteten Wirksamkeiten nach je- 2.2.1 Methodik des durchgeführten weiligem Endpunkt sind in Tabelle 3 dargestellt. Die systematischen Reviews Studien, die zur Bewertung der Wirksamkeit heran- Zur Identifizierung von möglichen Studien zur gezogen wurden, umfassten damit insgesamt etwa Wirksamkeit und Sicherheit bei Schwangeren wur- 23.000 schwangere Teilnehmerinnen. Studie Land Studien Studienpopulation Alter Zirkulierende Impfstoff Analysezeit- Adjustierte design Variante/Zeitraum punkt nach Wirksamkeit 2. Impfung Endpunkt: jegliche Infektion mit SARS-CoV-2 (PCR bestätigt) Dagan;46 Israel Kohorten- Über Clalit Health Services ≥16 Wildtyp; Comirnaty 7 – 56 Tage 96 % 7. September studie versicherte Schwangere Jahre Alpha (B.1.1.7)/ nach 2. Dosis (89 – 100) 2021 (Geimpfte: n = 10.861; 20.12.2020 – Ungeimpfte: n = 10.861 03.06.2021 Butt;47 Katar Test-negative Krankenhaus-basiert ≥15 Alpha (B.1.1.7); Comirnaty, ≥14 Tage nach 67,7 % 22. Juni 2021 Fall-Kontroll- (Fälle: n = 393; Jahre Beta (B.1.351)/ Spikevax 2. Dosis (30,5 – 86,9) Studie Kontrollen: n = 1.074) 20.12.2020 – 30.05.2021 Endpunkt: symptomatische Infektion mit SARS-CoV-2 (PCR bestätigt) Dagan;46 Israel Kohorten- Über Clalit Health Services ≥16 Wildtyp; Comirnaty 7 – 56 Tage 97 % 7. September studie versicherte Schwangere Jahre Alpha (B.1.1.7)/ nach 2. Dosis (91 – 100) 2021 (Geimpfte: n = 10.861; 20.12.2020 – Ungeimpfte: n = 10.861 03.06.2021 Endpunkt: Hospitalisierung aufgrund von COVID-19 Dagan;46 Israel Kohorten- Über Clalit Health Services ≥16 Wildtyp; Comirnaty 7 – 56 Tage 89 % 7. September studie versicherte Schwangere Jahre Alpha (B.1.1.7)/ nach 2. Dosis (43 – 100) 2021 (Geimpfte: n = 10.861; 20.12.2020 – Ungeimpfte: n = 10.861 03.06.2021 Endpunkt: schwerer COVID-19-Verlauf Dagan;46 Israel Kohorten- Über Clalit Health Services ≥16 Wildtyp; Comirnaty 7 – 56 Tage 1 vs. 0 7. September studie versicherte Schwangere Jahre Alpha (B.1.1.7)/ nach 2. Dosis (Wegen zu 2021 (Geimpfte: n = 10.861; 20.12.2020 – kleiner Ungeimpfte: n = 10.861 03.06.2021 Fallzahl Wirksamkeit nicht zu berechnen) Tab. 3 | Charakteristika und Wirksamkeit nach Endpunkt der im systematischen Review eingeschlossenen Studien zur Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 bei Schwangeren (Stand 22.08.2021)
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