Empfehlung der STIKO zur Impfung gegen COVID-19 von Schwangeren und Stillenden - RKI

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Epidemiologisches Bulletin       38 | 2021       23. September 2021 (online vorab)                          10

  Empfehlung der STIKO zur Impfung gegen COVID-19
  von Schwangeren und Stillenden

  Stand: 16. September 2021

                                                              Fetus ist nachgewiesen. Ob dadurch ein klinisch re-
   Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt
   allen ungeimpften Personen im gebärfähigen Alter           levanter Schutz für das Neugeborene erzielt werden
   dringend die Impfung gegen Coronavirus Disease             kann, ist derzeit nicht klar.
   2019 (COVID-19), so dass ein optimaler Schutz vor
   dieser Erkrankung bereits vor Eintritt einer               Bisher sind keine randomisiert kontrollierten Stu­
   Schwangerschaft besteht.                                   dien zur Sicherheit der COVID-19-mRNA-Impfun-
   Noch ungeimpften Schwangeren wird die Impfung              gen in der Schwangerschaft publiziert. Jedoch zei-
   mit zwei Dosen eines COVID-19 mRNA-Impfstoffs              gen die bis dato vorliegenden Ergebnisse von Regis-
   im Abstand von 3 – 6 (Comirnaty) bzw. 4 – 6 Wochen         teranalysen zur Sicherheit dieser Impfungen kein
   (Spikevax) ab dem 2. Trimenon empfohlen. Wenn              gehäuftes Auftreten von schweren schwangerschafts­
   die Schwangerschaft nach bereits erfolgter Erstimp-
                                                              assoziierten unerwünschten Arzneimittelwirkun-
   fung festgestellt wurde, sollte die Zweitimpfung erst
                                                              gen (UAW), insbesondere nicht von Aborten bis zur
   ab dem 2. Trimenon durchgeführt werden.
                                                              19. Schwangerschaftswoche (SSW), Frühgeburten,
   Darüber hinaus empfiehlt die STIKO ungeimpften
   Stillenden die Impfung mit zwei Dosen eines
                                                              Totgeburten oder Malformationen. Darüber hinaus
   ­mRNA-Impfstoffs im Abstand von 3 – 6 (Comirnaty)          ergaben sich bisher keine Hinweise auf Risiken
    bzw. 4 – 6 Wochen (Spikevax).                             durch die ­COVID-19-Impfung während der Stillzeit
                                                              für Mutter und Kind. Auch wenn zu diesem Zeit-
                                                              punkt die Datenlage zur Sicherheit der COVID-19-
  Schwere Verläufe und Komplikationen einer Severe            Impfung in der Schwangerschaft noch begrenzt ist,
  Acute Respiratory Syndrome Corona Virus 2-(SARS-            so spricht sie überwiegend für eine allgemeine
  CoV-2-)Infektion sind bei Schwangeren insgesamt             Impf­empfehlung von Schwangeren. Die Darstel-
  selten. Dennoch stellt COVID-19 in der Schwanger-           lung des Nutzens und möglicher Risiken der Imp-
  schaft eine relevante Krankheitslast in Deutschland         fung sind notwendiger Teil einer sorgfältigen ärzt­
  dar. Hierbei ist die Schwangerschaft per se ein rele-       lichen Aufklärung.
  vanter Risikofaktor für schwere COVID-19-Verläufe.
  Im Falle von Vorerkrankungen (z. B. Adipositas, ar-         Bei der COVID-19-Impfempfehlung der STIKO
  terielle Hypertonie, Diabetes mellitus) wird das Ri-        handelt es sich um eine Indikationsimpfempfeh-
  siko einer schweren Erkrankung nach SARS-CoV-2-             lung für Schwangere und Stillende im Rahmen
  Infektion zusätzlich erhöht. Die Impfung schützt            ­einer Pandemie.
  Schwangere wie Nicht-Schwangere sehr gut vor
  symptomatischen SARS-CoV-2-Infektionen und vor              Ziel der Impfung von Schwangeren und Stillenden
  schweren COVID-19-Verläufen (Hospitalisierung);             ist die
  allerdings liegen derzeit noch keine Studien zum            (1) Verhinderung schwerer COVID-19-Verläufe
  Schutz von Schwangeren vor der Delta-Variante vor.               und von Todesfällen bei Schwangeren und Stil-
  Es ist davon auszugehen, dass ungeimpfte Schwan-                 lenden,
  gere durch die erhöhte Infektiosität der Delta-­            (2) Verhinderung von Schwangerschaftskomplika-
  Variante von SARS-CoV-2 stärker gefährdet sind als               tionen durch eine SARS-CoV-2-Infektion und
  durch die bisher in Deutschland zirkulierenden              (3) Verhinderung von fetalen und neonatalen Fol-
  ­Virusvarianten. Ein diaplazentarer Transfer von                 gen einer SARS-CoV-2-Infektion in der Schwan-
   mütterlichen Anti-SARS-CoV-2-Antikörpern zum                    gerschaft.
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  Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut
  Begründung der STIKO zur Impfung gegen COVID-19
  von Schwangeren und Stillenden

  Stand: 16. September 2021

  Inhaltsverzeichnis

  1.		Hintergrund..............................................              12   2.2.3.3 Teratogenitätsdaten aus tier­-
                                                                                          experimentellen Studien...........................                  27
  2.		Schwangere...............................................              12   2.2.3.4 Registerdaten aus Deutschland –
  2.1		 Krankheitsbild und Verlauf von SARS-                                              Embryotox.................................................          27
           CoV-2-Infektionen bei Schwangeren........                         12   2.2.4		 Fazit zu Wirksamkeit und Sicherheit von
  2.1.1.		 Surveillance- und Registerdaten aus                                            mRNA-Impfstoffen bei Schwangeren......                              27
           Deutschland..............................................         12
  2.1.2		 Verlauf und Komplikationen einer                                        3.		Stillende.....................................................          28
           SARS-CoV-2-Infektion und Risikofaktoren                                3.1 		 Methodik...................................................          28
           für einen komplikationsreichen Verlauf                                 3.2 		 Antikörpertransfer über die Muttermilch
           bei Schwangeren: Umbrella Review..........                        14          nach Impfungen in der Stillzeit................                      28
  2.1.2.1 Verlauf der SARS-CoV-2-Infektion bzw.                                   3.3 		 Sicherheit von Impfungen während der
           COVID-19-Erkrankung in der Schwanger-                                         Stillzeit für das Kind..................................             28
           schaft.........................................................   14   3.4 		 Fazit zur Wirksamkeit und Sicherheit von
  2.1.2.2 Schwangerschaftskomplikationen bei                                             mRNA-Impfstoffen in der Stillzeit...........                         29
           SARS-CoV-2-Infektion...............................               15
  2.1.2.3 Risikofaktoren für eine schwere                                         4.		 Akzeptanz bei Schwangeren....................                          30
           COVID-19-Erkrankung bei Schwangeren.                              18
  2.1.3 		 Vertikale Transmission.............................               19   5.		Fazit...........................................................        30
  2.1.4		 Verlauf und Outcome bei Neugeborenen                               20
  2.1.5		 Fazit: Risikofaktoren und Komplikationen                                		Literatur.....................................................            31
           einer SARS-CoV-2-Infektion bei
           Schwangeren.............................................          21
  2.2		Impfstoffe..................................................          22
  2.2.1		 Methodik des durchgeführten
           systematischen Reviews...........................                 22
  2.2.2 		 Wirksamkeit..............................................         22
  2.2.2.1 Immunogenität.........................................             23
  2.2.3		 Sicherheit..................................................       24
  2.2.3.1 Studien zu lokalen und systemischen
           Reaktionen................................................        24
  2.2.3.2 Studien zu schweren unerwünschten
           Wirkungen (UAW) bzw. schwanger-
           schaftsassoziierten Endpunkten..............                      25
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  1. Hintergrund                                          5. Aktualisierung im April 202112 weiter präzisiert:
   Schwangere haben ein erhöhtes Risiko, im Rah-          „Schwangeren mit Vorerkrankungen und einem da-
   men von bestimmten Infektionskrankheiten Kom-          raus resultierenden hohen Risiko für eine schwere
   plikationen zu erleiden. Dies wird unter anderem       COVID-19-Erkrankung oder mit einem erhöhten
   mit physiologischen Veränderungen erklärt, die der     Expositionsrisiko aufgrund ihrer Lebensumstände
   Körper im Verlauf der Schwangerschaft erfährt. So      kann in Einzelfällen nach Nutzen-Risiko-Abwägung
   sind verschiedene Anpassungsprozesse des Im-           und nach ausführlicher Aufklärung eine Impfung
   munsystems notwendig, damit der Fetus durch das        ab dem 2. Trimenon mit einem mRNA-Impfstoff an-
   mütterliche Immunsystem akzeptiert wird. Anzahl        geboten werden.“
   und Aktivität der CD4+- oder CD8+T-Lymphozyten
   und der natürlichen Killerzellen werden reduziert      Die STIKO hat sich nun erneut mit der Datenlage
   und die zelluläre Immunität damit geschwächt, die      zur Impfung von schwangeren Frauen und Stillen-
   humorale Immunität dagegen gestärkt. Mit zuneh-        den gegen COVID-19 beschäftigt. Zur Aufarbeitung
   mendem Gestationsalter und steigendem Fundus           der wissenschaftlichen Evidenz wurden im Rah-
   der Gebärmutter sinkt die funktionelle Residual­       men eines sog. Umbrella-Reviews bereits publizierte
   kapazität der Lunge. Die Veränderungen können          systematische Reviews zum Einfluss einer
   bei schwangeren Frauen mit pulmonalen Erkran-          SARS-CoV-2-Infektion auf Verlauf und Ausgang
   kungen zu einer niedrigeren Toleranzschwelle ge-       der Schwangerschaft analysiert. Diese Daten wur-
   genüber einer Hypoxie und einer schnelleren            den durch weitere aktuelle Studien aus dem Jahr
  ­Dekompensation führen.1 – 4                            2021 nach einer entsprechenden systematischen
                                                          ­Literaturrecherche ergänzt. Es wurde ein systema-
  Seit Beginn der COVID-19-Pandemie wurde in zahl-         tischer Review zur Wirksamkeit, Immunogenität
  reichen Fallserien, Fall-Kontroll-Studien und Kohor-     und Sicherheit der COVID-19-Impfung bei Schwan-
  tenstudien über den Verlauf einer SARS-CoV-2-­           geren sowie zum Antikörpertransfer über die Mut-
  Infektion bei Schwangeren berichtet. Diese Studien       termilch und Sicherheit der COVID-19-Impfung
  legten nahe, dass eine SARS-CoV-2-Infektion in der       für das Kind bei Impfung der Mutter in der Stillzeit
  Schwangerschaft mit einer erhöhten Komplika­             durchgeführt. Darüber hinaus erfolgte eine orien-
  tionsrate einhergeht.5 – 9 Hier wurden die gleichen      tierende Literaturrecherche zu den Aspekten
  Risikofaktoren (wie z. B. Adipositas oder Diabetes       Krankheitslast, vertikale Transmission, thrombo­
  mellitus) beschrieben, die auch bei nicht-schwange-      embolische Ereignisse und zur Präeklampsie.
  ren Erwachsenen mit einem erhöhten Risiko für ei-
  nen schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung
  assoziiert sind.9                                       2. Schwangere

  Schwangere Frauen waren von den Zulassungs­             2.1 Krankheitsbild und Verlauf von
  studien der COVID-19-Impfstoffe ausgeschlossen,         SARS-CoV-2-Infektionen bei Schwangeren
  so dass bisher keine Daten aus randomisierten kon-      2.1.1 Surveillance- und Registerdaten aus
  trollierten Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit      Deutschland
  von COVID-19-Impfungen bei Schwangeren vorlie-          Die folgenden Darstellungen beruhen auf Melde­
  gen. Aus diesem Grund wurde durch die STIKO             daten des Robert Koch-Institutes (RKI), die gemäß
  eine generelle Impfung in der Schwangerschaft bis-      dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) erhoben und an
  her nicht empfohlen. Jedoch sah die COVID-19-           das RKI übermittelt wurden. Als COVID-19-Fälle
  Impf­empfehlung der STIKO vor, dass Schwangeren         werden nach wie vor alle labordiagnostischen Nach-
  mit Vorerkrankungen und einem daraus resultie-          weise von SARS-CoV-2 mittels Nukleinsäurenach-
  renden hohen Risiko für eine schwere COVID-19-­         weis oder Erregerisolierung, unabhängig vom Vor-
  Erkrankung nach Nutzen-Risiko-Abwägung und              handensein oder der Ausprägung einer klinischen
  ausführlicher Aufklärung eine Impfung angeboten         Symptomatik, gewertet. Bei den im Meldesystem er-
  werden kann (1. Aktualisierung der COVID-19-Impf­       fassten COVID-19-Fällen kann angegeben werden,
  empfehlung10). Diese Empfehlung wurde in der            ob eine Schwangerschaft vorliegt.
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                                  Schwangere   Nicht-Schwangere
                                                                       Symptomen und Behandlungen werden schwan-
                                     n (%)           n (%)             gerschafts- und geburtsspezifische Ereignisse sowie
   Symptom (Nennungen)             N = 7.973       N = 408.981         das Outcome beim Neugeborenen erfasst und pros-
   Allgemeinsymptome              5.230 (66)       283.705 (69)        pektiv bis sechs Wochen nach der Geburt beobach-
   Fieber                         2.111 (26)       117.326 (29)
                                                                       tet. Insgesamt haben sich 157 Kliniken dem Register
   Halsschmerz                    2.730 (34)       141.805 (35)
                                                                       angeschlossen. Eingaben erfolgten bisher aus 115 ge-
   Husten                         4.701 (59)       218.783 (53)
                                                                       burtshilflichen und neonatalen Zentren, die etwa
   Schnupfen                      4.335 (54)       192.598 (23)
                                                                       25 % aller Geburten in Deutschland abdecken.13
   Geruchsverlust                 1.945 (24)       94.451 (23)
   Geschmacksverlust              2.028 (25)       100.893 (25)
   Dyspnoe                          546 (7)         20.542 (5)         Mit Stand 21.08.2021 wurden 2.803 SARS-CoV-2
   Schwerer Verlauf mit                                                ­positiv getestete schwangere Frauen im Register er-
   Pneumonie                       56 (0,7)        1.821 (0,4)          fasst, von denen sich zum Zeitpunkt des Infektions-
   Acute Respiratory Distress
                                    81 (1)         2.742 (0,7)
                                                                        nachweises 61,4 % im 3., 25,1 % im 2. und 10,1 % im
   Syndrome (ARDS)
                                                                        1. Trimenon befanden; bei 3,4 % fehlte die Angabe.
   Hospitalisierung                991 (12)        10.397 (2,5)
                                                                        Frauen mit SARS-CoV-2-Infektion im 1. und 2. Tri-
   Aufnahme auf Intensivstation    40 (0,5)         530 (0,1)
                                                                        menon wurden in der Mehrheit (55 %) wegen einer
   Verstorben                       9 (0,1)         156 (0,04)
                                                                        akuten Symptomatik getestet, 20 % aufgrund eines
  Tab. 1 | Im Jahr 2021 an das RKI übermittelte labordiagnos-
                                                                        Kontakts zu einer infizierten Person und 10 % auf-
  tisch bestätigte COVID-19-Fälle unter Frauen im Alter
  zwischen 15 – 50 Jahre mit (N = 7.973) bzw. ohne Angabe               grund eines Screenings z. B. im Rahmen einer sta-
  „Schwangerschaft“ (N = 578.839) und übermittelte Sympto-              tionären Aufnahme im Krankenhaus. Bei den rest-
  me bzw. Schwere des Verlaufs (Schwangere N = 7.973;
                                                                        lichen 15 % der Frauen fehlte die Angabe oder war
  Nicht-Schwangere N = 408.981), Meldedaten gemäß IfSG,
  (Stand 03.09.2021)                                                    ungenau. Im 3. Trimenon wurden lediglich 35 % der
                                                                        Frauen aufgrund einer akuten Symptomatik positiv
                                                                        getestet, ebenfalls 35 % erhielten ein positives Test­
  Im Jahr 2021 wurden 9.536 COVID-19-Fälle bei                          ergebnis im Rahmen eines Screenings; bei weiteren
  Frauen zwischen 15 und 50 Jahren übermittelt, bei                     12 % erfolgte das Testen aufgrund eines Kontakts zu
  denen angegeben war, dass eine Schwangerschaft                        einem Infizierten (fehlende oder ungenaue Anga-
  vorlag (Stand: 3. September 2021). Für 7.973 der                      ben: 20 %). Da fast alle Geburten in einer medizini-
  Frauen lag mindestens eine Angabe zur Symptoma-                       schen Einrichtung stattfinden und hier bei Aufnah-
  tik vor (s. Tab. 1). Für neun der Frauen wurde über-                  me ein Screening durchgeführt wird, erklärt sich,
  mittelt, dass diese verstorben seien: Das Alter der                   dass im 3. Trimenon unter den SARS-CoV-2-positiv
  Frauen lag zwischen 25 und 42 Jahren, zwei Frauen                     getesteten Frauen mehr asymptomatische Fälle
  waren im 2. Trimenon, sieben Frauen im 3. Trime-                      (38 %) im Vergleich zu den beiden frühen Trimena
  non schwanger. Bei sieben der Verstorbenen wurde                      (12 %) beobachtet wurden. Noch deutlicher wird dies
  die Virus-Variante B.1.1.7 (Alpha), bei einer die Vari-               bei den positiv getesteten Frauen, die eine Klinik ab
  ante B.1.617.2 (Delta) und bei einer war angegeben                    39+0  SSW und somit zumeist zur Geburt und nicht
  „andere/sonstige“; für zwei Verstorbene war der Ri-                   wegen anderer medizinischer Probleme aufgesucht
  sikofaktor Diabetes mellitus, für eine der Risikofak-                 hatten. Unter diesen 447 SARS-CoV-2-positiven
  tor Lungenerkrankung angegeben; bei den restli-                       Frauen waren 293 (66 %) asymptomatisch und fast
  chen Verstorbenen lagen keine Angaben zu Risiko-                      ausschließlich über das Klinik-interne Testen er-
  faktoren vor.                                                         kannt worden (fehlende Angaben: 2 %). Während
                                                                        bei Infektion im 3. Trimenon somit der Nachweis
  Im Rahmen des Projekts „COVID-19 Related Obste-                       der Infektion überwiegend bei Kontaktaufnahme
  tric and Neonatal Outcome Study in Germany“                           mit einer Klinik erfolgte, betrug bei Infektion im
  (CRONOS) des Forschungsnetzwerkes der Deut-                           2. Trimenon das Intervall zwischen Infektion und
  schen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM)                      Kontakt mit der Klinik und somit bis zur Eingabe in
  werden seit dem 3. April 2020 Frauen mit laborbe-                     das Register im Mittel acht Wochen; für Frauen im
  stätigter SARS-CoV-2-Infektion in der Schwanger-                      1. Trimenon 13  Wochen.
  schaft untersucht. Neben COVID-19-spezifischen
Epidemiologisches Bulletin      38 | 2021       23. September 2021 (online vorab)                            14

  Schwere Verläufe (definiert als „intensivmedizini-         Evidenzsynthese mittels einer orientierenden Lite-
  scher Überwachungsbedarf“) traten bei insgesamt            raturrecherche weitere relevante Studien hinzuge-
  104 Frauen (3,7 % von allen Frauen) auf, von denen         fügt, die im Jahr 2021 veröffentlicht und bisher in
  sich vier Frauen in der ersten Schwangerschaftshälf-       keinem systematischen Review berücksichtigt wor-
  te (vor 20+0  SSW) und 100 Frauen in der 2. Schwan-        den waren.
  gerschaftshälfte (ab 20+0  SSW) infiziert hatten; 47
  (1,6 %) Frauen wurden invasiv beatmet, vier (0,14 %)       Der systematische Review von Allotey et al. schloss
  Frauen verstarben.                                         insgesamt 192 Studien mit schwangeren Frauen
                                                             ein, die im Zeitraum 01.12.2019 – 06.10.2020 publi-
  Von den 1.385 Schwangeren, die in der zweiten              ziert worden waren und Daten aus 30 Ländern
  Schwangerschaftshälfte (ab 20+0  SSW) symptoma-            enthielten. Hiervon untersuchten 82 Studien die
  tisch an COVID-19 erkrankten, wurden bisher 1.190          klinische Symptomatik und 92 Studien den mütter-
  (85,9 %) entbunden; 95 (6,9 %) der Frauen hatten           lichen Ausgang einer COVID-19-Erkrankung;
  einen schweren COVID-19-Verlauf mit intensivme-            95  Studien berichteten über den schwangerschafts-
  dizinischer Überwachung, 45 (3,1 %) wurden invasiv         bezogenen Ausgang bei den Müttern wie auch bei
  beatmet. Es wurden 15 Totgeburten (nach 22+0  SSW)         Feten bzw. Neugeborenen; 109 Studien charakteri-
  verzeichnet (1,3 % aller Frauen, die nach symptoma-        sierten Risikofaktoren für schwere Verläufe.
  tischer Infektion entbunden wurden). Bei knapp 182
  (21 %) Frauen kam es zu einer Frühgeburt (definiert        2.1.2.1 Verlauf der SARS-CoV-2-Infektion bzw.
  als Geburt > 22+0 und < 37+0  SSW), 19 (1,6 %) der         COVID-19-Erkrankung in der Schwangerschaft
  Kinder wurden positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Bei         In dem systematischen Review von Allotey et al.14
  17 von 19 Kindern mit positivem Test lag der positive      zeigten Schwangere und Frauen im Wochenbett, die
  Nachweis der Mutter maximal zwei Wochen vor der            an COVID-19 erkrankt waren, insbesondere Fieber
  Geburt. Die Kinder wurden überwiegend bei Wohl-            (40 %), Husten (41 %), eine Leukozytose (26 %) und
  befinden entlassen und zeigten keine auffälligen           Lymphopenie (33 %). Im Vergleich zu nicht schwan-
  Komplikationen der Infektion (unveröffentlichte            geren Frauen gleichen Alters mit einer SARS-CoV-2-
  Daten des CRONOS-Registers mit freundlicher Ge-            Infektion wurden bei Schwangeren weniger häufig
  nehmigung Prof. Dr. Pecks; die Daten sind nicht ab-        Symptome festgestellt (gepooltes Odds Ratio (gOR)
  schließend bewertet und als vorläufig aufzufassen).        0,28; 95 % Konfidenzintervall (KI) 0,13 – 0,62): So
                                                             wurden seltener Fieber (gOR 0,49; 95 % KI: 0,38 –
  2.1.2 Verlauf und Komplikationen einer SARS-CoV-2-         0,63), Dyspnoe (gOR 0,76; 95 % KI: 0,67 – 0,85) oder
  Infektion und Risikofaktoren für einen komplikations­      Gliederschmerzen (gOR 0,53; 95 % KI: 0,36 – 0,78)
  reichen Verlauf bei Schwangeren: Umbrella Review           bei SARS-CoV-2-infizierten Schwangeren beobach-
  Zum Einfluss der SARS-CoV-2-Infektion bzw.                 tet (Allotey et al.).14 In etwa der Hälfte der einge-
  ­COVID-19 auf Schwangerschaftsverlauf und -aus-            schlossenen Studien wurden die Schwangeren bei
   gang sowie zu Risikofaktoren für schwere Verläufe         Aufnahme (z. B. zur Entbindung) routinemäßig ge-
   in der Schwangerschaft wurde durch die Geschäfts-         screent, seltener erfolgte eine Testung aufgrund von
   stelle der STIKO ein sog. Umbrella-Review durchge-        Symptomen. Das seltenere Auftreten von Sympto-
   führt mit dem Ziel, alle publi­zierten systematischen     men wird von den AutorInnen darauf zurückge-
   Reviews zu diesem Themenkreis zu identifizieren,          führt, dass die schwangeren Frauen bei Aufnahme
   zu bewerten und für eine Evidenzsynthese zu nut-          einem anlasslosen (d. h. ohne Vorliegen von Symp-
   zen (zur Methodik s. Anhang).                             tomen) Screening unterzogen wurden.14

  Mit Stand 28.06.2021 konnten für den Umbrella-             Ein schwerer Verlauf der Erkrankung (gemäß Defi-
  Review 14 systematische Reviews als relevant identi-       nition in den einzelnen Studien) wurde von Allotey
  fiziert werden. Von diesen wurde der Review von            et al. bei 10 % (6 % – 15 %) der schwangeren Frauen
  Allotey et al.14 als der umfassendste eingeschätzt         oder Frauen im Wochenbett mit bestätigter Infek­
  und als Grundlage für die nachfolgende Evidenz-            tion oder einem Verdacht auf eine Infektion be-
  synthese verwendet. Darüber hinaus wurden der              schrieben (39 Studien, 5.621 Frauen). 4 % (2 % – 7 %)
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  wurden auf eine Intensivstation aufgenommen,                verglich.18 Die Studie schloss 3.371 schwangere Frau-
  3 % (1 % – 5 %) mussten invasiv beatmet werden              en aus dem nationalen geburtshilflichen Surveil­
  (31  Studien, 42.026 Frauen) und 0,2 % (0 % – 0,7 %)        lancesystem des Vereinten Königreichs ein, von de-
  benötigten eine extrakorporale Membranoxygenie-             nen insgesamt vier Frauen eine 1. Impfdosis gegen
  rung (ECMO) (13 Studien, 33.521 Frauen). 339 von            COVID-19 erhalten hatten. Verglichen wurden in
  41.664 in 59 Studien beschriebenen Frauen verstar-          der Studie Daten aus Zeiträumen mit dominanter
  ben (0,02 %; 95 % KI: 0 % – 0,42 %).14 Bei der Ein-         Zirkulation der Alpha-Variante mit solchen, in de-
  ordnung der Zahlen sollte berücksichtigt werden,            nen der Wildtyp bzw. die Delta-Variante zirkulierte.
  dass unterschiedliche Vorgehensweisen bei der               Im Vergleich zu den Zeiträumen mit reiner Wildtyp-
  Therapie von COVID-19-PatientInnen je nach der              Viruszirkulation war der Anteil der hospitalisierten
  geografischen Region bestehen.15,16                         Frauen mit einem moderaten bis schweren Verlauf
                                                              signifikant höher im Zeitraum mit Zirkulation der
  Im Vergleich zu nicht-schwangeren Frauen gleichen           Alpha-Variante (aOR 1,75; 95 % KI: 1,48 – 2,06) und
  Alters wurden schwangere Frauen häufiger auf eine           noch einmal höher, wenn die Delta-Variante im Ver-
  Intensivstation aufgenommen (gOR 2,13; 95 % KI:             gleich zur Alpha-Variante zirkulierte (aOR 1,53; 95 %
  1,53–2,95).14 Zu dem gleichen Schluss kamen                 KI: 1,07 – 2,17). Im Vergleich zum Zeitraum mit Zir-
  AutorIn­nen eines weiteren, aktuelleren systemati-          kulation des Wildvirus wurden während des Zirku-
  schen Reviews (gOR 4,78; 95 % KI: 2,03 – 11,25).17 Fer-     lationszeitraums der Alpha-Variante ein höherer Be-
  ner hatten schwangere Frauen ein erhöhtes Risiko,           darf an Atemunterstützung (aOR 1,39; 95 % KI: 1,13 –
  invasiv beatmet zu werden (gOR 2,59; 95 % KI: 2,28 –        1,78), vermehrt Pneumonien (aOR 1,65; 95 % KI:
  2,94 bzw. gOR 2,58 95 % KI: 1,64 – 4,0614,17). Eine ak-     1,38 – 1,98) und ein höherer Anteil an hospitalisier-
  tuelle prospektive Kohortenstudie mit positiven             ten Frauen festgestellt, die auf eine Intensivstation
  Schwangeren versus jeweils zwei konsekutiv aufge-           aufgenommen werden mussten (aOR 1,61; 95 % KI:
  nommenen negativen Schwangeren, die Frauen aus              1,24 – 2,10). Schwangere Frauen, die während des
  43 Institutionen in 18 Ländern einschloss, errechne-        Zeitraums mit Zirkulation der Delta-Variante hospi-
  te ein relatives Risiko für intensivmedizinischen           talisiert wurden, hatten im Vergleich zum Alpha-
  ­Behandlungsbedarf von 5,04 (95 % KI: 3,13 – 8,10).9        Zirkulationszeitraum ein nochmal erhöhtes Risiko
                                                              für eine Pneumonie (aOR 1,64; 95 % KI: 1,14 – 2,35).18
  Insgesamt wurden Todesfälle bei schwangeren
  Frauen mit COVID-19 nur selten beobachtet. Im               2.1.2.2 Schwangerschaftskomplikationen bei
  Rahmen des systematischen Reviews von Allotey               SARS-CoV-2-Infektion
  et  al. wurde eine erhöhte Mortalität (jegliche Todes-      Mütterliche Endpunkte: Ein systematischer Review
  ursache) bei schwangeren Frauen mit COVID-19 im             mit Metaanalyse von Daten aus Beobachtungsstu­
  Vergleich zu schwangeren Frauen ohne COVID-19               dien zeigte, dass eine SARS-CoV-2-Infektion bei
  berechnet (gOR 2,85; 95 % 1,08 – 7,52), allerdings          Schwangeren das Risiko für Schwangerschaftskom-
  waren die Fallzahlen (8 Studien, 4.820 Frauen, 8 To-        plikationen wie Präeklampsie erhöht, insbesondere
  desfälle) und damit das Vertrauen der AutorInnen            bei einer schweren Erkrankung (z. B. Dyspnoe,
  in diese Schätzungen gering.14 Eine internationale          Tachypnoe, Diagnose einer Pneumonie).17 Das Risi-
  Kohortenstudie9 mit insgesamt 2.130 Frauen errech-          ko für SARS-CoV-2-positive schwangere Frauen,
  nete ein deutlich erhöhtes Mortalitätsrisiko von            eine Präeklampsie zu erleiden, betrug im Vergleich
  schwangeren Frauen mit COVID-19, ­allerdings mit            zu SARS-CoV-2-negativen schwangeren Frauen (in
  einem sehr breiten Konfidenzinter­vall aufgrund des         der präpandemischen Phase oder asymptomatisch
  insgesamt seltenen Auftretens (RR 22,26, 95 % KI:           in der frühen pandemischen Phase) 1,33 (95 % KI:
  2,88 – 172,11).                                             1,03 – 1,73).17 Auch in einer bevölkerungsbasierten
                                                              Studie mit Krankenhausabrechnungsdaten des
  Die Literaturrecherche ergab nur eine Studie, die den       ­National Health Service in England wurde bei insge-
  Verlauf der SARS-CoV-2-Infektion bzw. COVID-19-              samt 342.080 schwangeren Frauen ein erhöhtes Ri-
  Erkrankung in der Schwangerschaft in Abhängig-               siko für Präeklampsie/Eklampsie bei SARS-CoV-2-
  keit von verschiedenen SARS-CoV-2 Virus-Varianten            positiven im Vergleich zu SARS-CoV-2-negativen
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  Frauen ermittelt (adjustiertes OR 1,55; 95 % KI: 1,29 –       0,81; 95 % KI: 0,52 – 1,27);9 83 % der Frühgeburten
  1,85).19 In einer multinationalen Kohortenstudie wur-         waren aus medizinischen Gründen eingeleitet wor-
  de basierend auf Daten von 2.130 schwangeren Frau-            den (RR 1,97; 95 % KI: 1,56 – 2,51), insbesondere auf-
  en ebenfalls ein höheres relatives Risiko für eine Prä-       grund einer Präeklampsie/Eklampsie oder eines
  eklampsie oder ein HELLP-Syndrom bei positiven                HELLP-Syndroms (gekennzeichnet durch Hämolyse
  versus negativen Schwangeren festgestellt (RR 1,76;           (H), Erhöhung der Leberenzyme (EL), Thrombo­
  95 % KI: 1,27 – 2,43).9,20 In der Studie von Villar et al.    zytopenie (LP)) einer intrauterinen Wachstums­
  wurde auch bei einer asymptomatischen SARS-                   retardierung oder einer fetalen Notlage. Das Risiko
  CoV-2-Infektion eine Präeklampsie häufiger als bei            für eine Frühgeburt stieg bei Frauen mit COVID-19-
  testnegativen Frauen beobachtet (RR 1,63; 95 % KI,            Diagnose ab dem Gestationsalter von 30 Wochen an.
  1,01 – 2,63).9                                                In Regressionsmodellen wurde ermittelt, dass das
                                                                Schwangerschaftsalter bei Geburt im Vergleich zu
  Schwangere Frauen mit einer schweren COVID-19-                Frauen ohne COVID-19-Diagnose 0,6 Wochen kür-
  Erkrankung zeigten in einer US-amerikanischen                 zer war bezogen auf alle Frauen mit COVID-19-
  Kohortenstudie häufiger tiefe venöse Thrombosen               Diagnose (95 % KI: –0,9 bis –0,3) und 0,8 Wochen
  oder pulmonale Embolien (6 %; 95 % KI: 2 – 11 %) als          kürzer bezogen auf Frauen mit symptomatischer
  schwangere Frauen mit einem moderaten (0,2 %)                 SARS-CoV-2-Infektion (95% KI: –1,2 bis –0,5).
  oder asymptomatischen Verlauf (0 %).21
                                                                Ferner wurde bei schwangeren Frauen mit einer
  Ein systematischer Review, der Daten zum Outcome              COVID-19-Diagnose seltener ein spontaner Beginn
  von Schwangeren in der Pandemiephase im Ver-                  der Wehentätigkeit (RR 0,85; 95 % KI: 0,77 – 0,93)
  gleich zu präpandemischen Zeiten analysierte, fand            beobachtet, die Frauen hatten allerdings ein höheres
  kein vermehrtes Auftreten eines Gestationsdiabetes            Risiko für einen Kaiserschnitt (RR 1,28; 95 % KI:
  oder einer Hypertonie während der Pandemie im                 1,16 – 1,40). Im Hinblick auf die Einleitung einer Ge-
  Vergleich zu präpandemischen Zeiten (gOR 1,01;                burt oder einen vorzeitigen Blasensprung ergaben
  95 % KI: 0,86 – 1,19 bzw. gOR 1,16; 95 % KI: 0,75 – 1,79      sich zwischen SARS-CoV-2-positiven und -negati-
  bei einer Heterogenität von 45 bzw. 81 %).22                  ven Schwangeren keine Unterschiede (RR 0,99;
                                                                95 % KI: 0,84 – 1,18 bzw. RR 0,87; 95 % KI: 0,71 –
  Fetale/neonatale Endpunkte: In dem systemati-                 1,07).9,22 Auch die AutorInnen einer US-amerikani-
  schen Review von Allotey et al. wurde bei schwange-           schen Kohortenstudie mit Daten von 1.219 Frauen
  ren Frauen mit COVID-19 ein erhöhtes Risiko für               aus 33 Krankenhäusern in 14 Staaten beschrieben
  Frühgeburten vor der 37.  SSW im Vergleich zu Müt-            eine signifikant höhere Rate induzierter Frühgebur-
  tern ohne COVID-19 beschrieben (gOR 1,47; 95 %                ten bei Frauen mit schweren Verläufen, wobei bei
  KI: 1,14 – 1,91; 18 Studien, 8.549 Frauen).14 Zur selben      3 % der Frauen COVID-19 die primäre Indikation
  Aussage kommt auch der systematische Review von               darstellte. Die häufigsten Indika­tionen für die vor-
  Wei et al., insbesondere bei schwerem Verlauf der             zeitige Schwangerschaftsbeendigung im Zeitraum
  Erkrankung im Vergleich zu einem leichten Verlauf             der Frühgeburtlichkeit waren Schwangerschafts­
  (gOR 1,82; 95 % KI: 1,38 – 2,39 und gOR 4,29; 95 %            hypertonie (33 % aller induzierten Frühgeburten),
  KI: 2,41 – 7,63).9,17                                         intrauteriner Fruchttod (16 %) und vorzeitiger Bla-
                                                                sensprung (13 %). Bei Frauen, die mittels eines Kai-
  Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass es            serschnitts entbunden worden waren, war dies bei
  sich hierbei um einen medizinisch induzierten An-             22 % primär aufgrund einer COVID-19-Erkrankung
  stieg der Frühgeburtenrate handeln könnte, da laut            geschehen.21
  Allotey et al. die allgemeinen Raten von spontanen
  Frühgeburten im Vergleich zu präpandemischen                  Im Rahmen eines weiteren systematischen Re-
  Zeiten gleich geblieben seien.14 In einer prospekti-          views, der den Schwangerschaftsverlauf bei Frauen
  ven Kohortenstudie aus 18 Ländern war die spontane            mit COVID-19 mit dem Verlauf von Schwanger-
  Frühgeburtenrate bei Frauen mit ­COVID-19 im Ver-             schaften in einer präpandemischen Phase verglich,
  gleich zu Frauen ohne COVID-19 nicht erhöht (RR               wurde dagegen kein generell höheres Risiko einer
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  Frühgeburt in Pandemiezeiten berechnet (gOR                   Autoren einer italienischen Fall-Kontroll-Studie mit
  0,94; 95 % KI: 0,87 – 1,02). Auch für Frühgeburten            225 Patientinnen im 1. Trimenon schlossen, dass
  vor der 32. SSW oder der 28. SSW ergab sich kein              eine schwere COVID-19-Erkrankung im 1. Trimenon
  höheres Risiko in der pandemischen versus einer               nicht mit einer erhöhten Abortrate in der Früh-
  präpandemischen Phase (gOR 0,76; 95 % KI: 0,42 –              schwangerschaft einherzugehen scheint.23 Im Rah-
  1,36 und gOR 1,05; 95 % KI: 0,64 – 1,39 respektive),          men einer dänischen Kohortenstudie mit insgesamt
  auch nicht in Abhängigkeit vom Durchschnitts­                 1.356, Frauen, darunter allerdings nur 18 SARS-
  einkommen in den Ländern, in denen die Studien                CoV-2 positiv getestete Teilnehmerinnen, wurde im
  durchgeführt wurden.22                                        Rahmen des routinemäßig in Dänemark angebote-
                                                                nen Screenings in der 11. – 14. SSW ebenfalls keine
  Zwei systematische Reviews errechneten bei schwan-            erhöhte Abortrate festgestellt.24 Es ist jedoch nicht
  geren Frauen mit COVID-19 im Vergleich zu                     auszuschließen, dass Frauen während der Pandemie
  Schwangeren ohne COVID-19 kein signifikant er-                nicht immer medizinischen Rat einholten und daher
  höhtes Risiko des Auftretens einer fetalen Notlage            ein Abort möglicherweise nicht erfasst wurde.25
  (fetal distress) (gOR 2,37; 95% KI: 0,77 – 7,31; zwei Stu-
  dien, 24 Ereignisse bei 340 Frauen bzw. gOR 1,50,             Zusammenfassung von 2.1.2.1 und 2.1.2.2
  95% KI: 0,64 – 3,53; drei Studien, 47 Ereignisse bei          Der Schwangerschaftsverlauf bei Frauen mit einer
  874 Frauen).14,17 Dagegen wurde im Rahmen einer               asymptomatischen SARS-CoV-2-Infektion ist ver-
  aktuelleren Kohortenstudie mit 2.130 schwangeren              gleichbar mit jenem bei Frauen ohne SARS-CoV-2-
  Frauen, davon 706 positiv auf SARS-CoV-2 getestet,            Infektion. Laut des deutschen CRONOS-Registers
  ein gering höheres Risiko einer fetalen Notlage bei           weisen mehr als 50 % der infizierten Frauen in den
  den positiv-getesteten Schwangeren im Vergleich zu            ersten beiden Trimena Symptome auf, bei Frauen
  konsekutiv in die Studie aufgenommenen nega-                  im 3. Trimenon sind es 43 %. Basierend auf Daten
  tiv-getesteten Schwangeren (RR 1,70; 95% KI: 1,06 –           aus systematischen Reviews wurde ein schwerer
  2,75; 207 Ereignisse bei 2.130 Frauen) ermittelt.9            COVID-19-Verlauf bei etwa 10 % der infizierten
                                                                Schwangeren beobachtet, 4 % wurden auf eine In-
  Selten wurden Totgeburten bei Schwangeren mit                 tensivstation aufgenommen und 3 % wurden inva-
  Verdacht auf COVID-19 bzw. nach einer laborbestä-             siv beatmet. Im Vergleich zu nicht-schwangeren
  tigten SARS-CoV-2-Infektion beschrieben.14,17,22 Wei          Frauen gleichen Alters hatten schwangere Frauen
  et al. ermittelten in ihrem systematischen Review ein         ein zwei- bis fünffach erhöhtes Risiko auf eine In-
  höheres Risiko für Totgeburten bei SARS-CoV-2-                tensivstation aufgenommen zu werden und ein
  positiven im Vergleich zu SARS-CoV-2-negativen                zweieinhalbfach erhöhtes Risiko für eine invasive
  schwangeren Frauen (gOR 2,11; 95 % 1,14 – 3,90; 1.366         Beatmung. Das Mortalitätsrisiko schwangerer Frau-
  Totgeburten bei 413.122 Frauen in 6 Studien).17 Allo-         en mit COVID-19 war im Vergleich zu nicht schwan-
  tey et al. berichteten insgesamt 35 Totgeburten bei           geren Frauen mit COVID-19 nicht erhöht.
  5.794 schwangeren Frauen in 9 Studien, wobei das
  Risiko im Vergleich zu Test-negativen schwangeren             Daten zum Verlauf von COVID-19 bei Schwangeren
  Frauen erhöht war (gOR 2,84; 95 % 1,25 – 6,45).14             mit der aktuell dominanten Delta-Variante liegen
  Eine bevölkerungsbasierte Kohortenstudie mit Kran-            zum jetztigen Zeitpunkt nur in sehr begrenztem
  kenhausabrechnungsdaten des Natio­nal Health Ser-             Umfang vor. Eine Studie berichtet von einem an-
  vice in England schloss insgesamt 342.080 schwan-             derthalbfach erhöhten Pneumonie-Risiko im Ver-
  gere Frauen mit 3.527 Frauen mit einer laborbestä-            gleich zu einer Infektion mit der Alpha-Variante.
  tigten SARS-CoV-2-Infektion zum Zeitpunkt der
  Entbindung ein. Adjustiert auf Bluthochhochdruck              Das relative Risiko für COVID-19-positive schwan­
  und Diabetes mellitus wurde bei SARS-CoV-2-posi-              gere Frauen, eine Präeklampsie/Eklampsie/ein
  tiven Frauen ein erhöhtes Risiko für eine Totgeburt           HELLP-Syndrom zu entwickeln, wurde in verschie-
  ab der 24. SSW berechnet (adjustiertes OR 2,21; 95 %          denen Studien auf 1,3 – 1,8 geschätzt.
  KI: 1,58 – 3,11).18
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  Das höhere Risiko einer Frühgeburtlichkeit bei            Eine zentrale Fragestellung ist, inwieweit bereits die
  SARS-CoV-2-positiven schwangeren Frauen ergibt            Schwangerschaft an sich einen unabhängigen Risi-
  sich wahrscheinlich aus einer häufigeren Schwan-          kofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf dar-
  gerschaftsbeendigung aus medizinischen Gründen.           stellt. In dem systematischen Review von Allotey
  In Bezug auf ein möglicherweise erhöhtes Risiko ei-       et  al. wurden 14 Studien berücksichtigt, die einen
  ner fetalen Notlage, dem Auftreten von Totgeburten        Vergleich des Verlaufs einer COVID-19-Erkrankung
  oder Aborten ist die Datenlage bisher uneinheitlich.      bei Schwangeren im Vergleich zu Nicht-Schwange-
                                                            ren vorgenommen hatten. Die Studien umfassten ei-
  2.1.2.3 Risikofaktoren für eine schwere COVID-19-         nen Publikationszeitraum bis Oktober 2020. Einige
  Erkrankung bei Schwangeren                                von diesen Studien zeigten dabei, dass sich schwan-
  Vorbestehende Grunderkrankungen (z. B. chroni-            gere gegenüber Nicht-schwangeren COVID-19-
  sche Hypertonie, Diabetes mellitus) und Schwan-           positiven Frauen hinsichtlich verschiedener Risiko-
  gerschaftserkrankungen (Gestationsdiabetes, Prä­          faktoren wie z. B. Adipositas oder Diabetes mellitus
  eklampsie) sowie ein höheres mütterliches Alter           voneinander unterscheiden.3,14,29 Die AutorInnen
  und ein höherer Body-Mass-Index (BMI) werden bei          schlossen aus den vorliegenden Daten, dass
  schwangeren Frauen als Risikofaktoren für einen           Schwangere gegenüber Nicht-Schwangeren ein er-
  schweren COVID-19-Verlauf, die Aufnahme auf               höhtes Risiko hatten, auf eine Intensivstation aufge-
  eine Intensivstation und eine erhöhte Mortalität be-      nommen und beatmet zu werden.
  schrieben.9,14,26,27 So ergab sich für schwangere,
  SARS-CoV-2-positiv getestete Frauen ein signifikant       Die AutorInnen einer prospektiven Kohortenstudie
  erhöhtes Risiko für eine schwere Erkrankung bei           aus Mexiko berechneten mit Daten von 5.183
  Vorliegen eines Alters ab 35 Jahren (pOR 1,83; 95 %       schwangeren und Nicht-schwangeren Frauen des
  KI: 1,27 – 2,63), eines BMI ab 30 kg/m² (pOR 2,37;        Nationalen Mexikanischen COVID-19-Registers,
  95 % KI: 1,83 – 3,07), von Komorbiditäten (pOR 1,81;      unter Verwendung eines propensity score matchings,
  95 % KI: 1,49 – 2,20), von Bluthochdruck (pOR 2,00;       dass die schwangeren Frauen ein höheres Risiko
  95 % KI: 1,14 – 3,48), vorbestehendem Diabetes me-        hatten, eine Pneumonie zu entwickeln (OR 1,86;
  litus (pOR 2,12; 95 % KI: 1,62 – 2,78) und Präeklamp-     95 % KI: 1,60 – 2,16), auf eine Intensivstation aufge-
  sie (pOR 4,21; 95 % KI: 1,27 – 14,00).                    nommen zu werden (OR 1,86; 95 % KI: 1,41 – 2,45)
                                                            oder zu versterben (OR 1,84; 95 % KI: 1,26 – 2,69);
  Risikofaktoren, die mit einer erhöhten mütterlichen       ein Unterschied für das Risiko einer Intubation be-
  Mortalität einhergingen, waren ein hoher BMI              stand jedoch nicht (OR 0,93; 95 % KI: 0,70 – 1,25).
  (pOR 2,27; 95 % KI: 1,20 – 4,31) und eine nicht-weiße     Eine Limitation dieser Studie war, dass die Studie
  Ethnie (pOR 1,61; 95 % KI: 1,05 – 2,47).14 In einem       nur symptomatische Frauen einschloss, während
  systematischen Review wurde ein signifikant erhöh-        viele andere Studien auch Daten asymptomatischer
  tes Risiko, im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung           Frauen beinhalteten.28 Eine retrospektive Kohorten-
  zu versterben, bei Vorliegen von Adipositas (RR           studie aus den USA nutzte Daten eines Registers
  2,48: 95 % KI: 1,41 – 4,36) und jeglicher Komorbidi-      von Krankenhäusern und den Elixhauser Comorbi-
  tät (RR 2,26: 95 % KI: 1,77 – 2,89) ermittelt.27 Eine     dity Score zur Adjustierung auf verschiedene Risi-
  Studie mit COVID-19-Registerdaten aus Mexiko er-          kofaktoren. Von 22.493 Frauen waren 1.609 schwan-
  mittelte eine erhöhte Mortalität bei Vorliegen eines      ger. Die schwangeren Frauen hatten ein höheres Ri-
  höheren mütterlichen Alters (OR 1,07; 95 % KI:            siko hospitalisiert zu werden (60,5 % vs. 17,0 %;
  1,06 – 1,07), eines Diabetes mellitus (OR 3,50; 95 %      p < 0,001) und moderat beatmet zu werden (1,7 % vs.
  KI: 3,16 – 3,88), einer Adipositas (OR 1,90; 95 % KI:     0,7 %; p < 0,001).29 Eine US-amerikanische retro­
  1,74 – 2,07), eines Hypertonus (OR 1,95; 95 % KI:         spektive multizentrische Fall-Kontrollstudie unter-
  1,76 – 2,17), einer Immunsuppression (OR 2,07;            suchte 132 schwangere (n = 38) und nicht-schwange-
  95 % KI: 1,77 – 2,41), eines Asthma bronchiales (OR       re Frauen (n = 94) mit schwerer oder kritischer
  2,44; 95 % KI: 1,93 – 3,10) sowie von chronischen         ­COVID-19-Erkrankung. BMI (Mittelwert 32 vs. 33
  Nierenerkrankungen (OR 7,63; 95 % KI: 6,47 –               kg/m²) und Alter (Mittelwert 35 vs. 38 Jahre) waren
  8,99).28                                                   höher in der Gruppe der Nicht-schwangeren Frau-
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  en. Ebenso wiesen Nicht-schwangere Frauen in der           0,03% der 1.303.170 Nicht-Schwangeren, mit positi-
  Kohorte häufiger Diabetes mellitus, Hypertonie und         vem SARS-CoV-2-Test hospitalisiert worden zu sein.
  koronare Herzerkrankung auf. Trotzdem wurde bei            Getestet worden zu sein gaben 2,7% der schwange-
  den schwangeren Frauen nach Adjustierung auf               ren und 2,4% der nicht-schwangeren Frauen an. Die
  verschiedene Risikofaktoren ein höheres Risiko für         Symp­tome unterschieden sich nicht bei schwange-
  eine Aufnahme auf eine Intensivstation (aOR 5,2;           ren und nicht-schwangeren Frauen, außer bezogen
  95 % KI: 1,5 – 17,5) und ein höherer Morbiditätsindex      auf gastrointestinale Symptome (OR 3,3; 95% KI:
  (bestehend aus moderater Beatmung, Intubation              1,3 – 8,8). Univariate, gewichtete Regressionen erga-
  und Beatmung, ECMO) (OR 4,2; 95 % KI: 1,2 – 18,2)          ben in beiden Kohorten keinen Effekt der Schwan-
  beobachtet. Limitierend ist hier die geringe Fallzahl      gerschaft hinsichtlich der Schwere der Erkrankung,
  der schweren und kritischen Fälle.30 Eine retrospek-       angegeben als Severity Index. Eine vorbestehende
  tive Beobachtungsstudie mit einer propensity-              Lungenerkrankung war signifikant mit einer schwe-
  matched Kohorte aus dem Vereinten Königreich,              reren COVID-19-Erkrankung assoziiert (p < 0,0001),
  welche 36 schwangere und 36 Nicht-schwangeren              ebenso eine präexistente Herzerkrankung, Nieren­
  Frauen, die jeweils aufgrund von COVID-19 hospi-           erkrankung und Diabetes mellitus (p < 0,0001).
  talisiert worden waren, miteinander verglich, konn-        ­Limitationen der Studie sind zunächst in einem
  te keinen schwereren Verlauf bei den schwangeren            Selektionsbias zu sehen. Schwangere Frauen mit ei-
  Frauen während der 1. Pandemie-Welle feststellen.           ner schwereren COVID-19-Erkrankung, die hospita-
  Die AutorInnen wiesen darauf hin, dass dies mit             lisiert werden müssen, haben möglicherweise weni-
  ­aktuelleren Varianten von SARS-CoV-2 weiter unter-         ger Interesse, app- oder webbasiert an Befragungen
   sucht werden müsste.31                                     teilzunehmen. Ferner ist fraglich, ob Menschen, die
                                                              derartige Tools nutzen, als repräsentativ für die Be-
  Schließlich wertete eine bevölkerungsbezogene Stu-          völkerung angesehen werden können. Selbstanga-
  die, die im Vereinigten Königreich, in den USA und          ben sind schließlich anfällig für eine Fehlklassifika-
  Schweden durchgeführt wurde, über eine Smartpho-            tion. Die AutorInnen schlossen, dass die Schwanger-
  ne-App (Longitudinalstudie; n = 400.750 Frauen, da-         schaft nicht wesentlich zur Morbidität in den Kohor-
  von 14.049 schwanger und 386.701 nicht-                     ten beitrug.32
  schwanger; Beobachtung im Median über 18 Tage)
  und über eine Internetplattform (Querschnittsstu-          Zusammenfassung
  die; n = 1.344.966 Frauen; davon 41.796 schwanger)         Nach Adjustierung für zugrundeliegende Risikofak-
  erhobene Selbstangaben zum Symptomprofil und               toren oder im Rahmen eines Vergleiches von schwe-
  der Schwere einer COVID-19-Erkrankung sowie                ren COVID-19-Verläufen bei Schwangeren versus
  Hospitalisierung bei 18 – 44 Jahre alten Frauen aus.32     Nicht-Schwangeren wurde gefolgert, dass eine
  Von 45% der 14.049 Schwangeren der Longitudinal-           Schwangerschaft allein bereits einen Risikofaktor
  studie, die ein Gestationsalter angaben, waren 14%         für einen schwereren COVID-19-Verlauf darstellt.
  im 1. Trimenon, 43% im 2. Trimenon und 43% im              Ferner haben Schwangere und nicht-schwangere
  3. Trimenon. In der Longitudinalstudie wurden              Frauen ein erhöhtes Risiko einer komplikationsrei-
  0,09% von den insgesamt 400.750 Frauen nach ei-            cheren Erkrankung, wenn sie vorbestehende Risiko-
  nem positiven SARS-CoV-2-Test hospitalisiert und           faktoren, wie Diabetes melitus, Adipositas, ein hö-
  0,16%, bei denen der Verdacht auf COVID-19 be-             heres Alter oder eine Hypertonie aufweisen.
  stand. Schwangere Frauen wurden jedoch häufiger
  getestet (8,0% versus 6,1% bei Nicht-Schwan­geren).        2.1.3 Vertikale Transmission
  Der Anteil der hospitalisierten Schwangeren mit po-        Verschiedene Studien haben gezeigt, dass eine di-
  sitivem SARS-CoV-2-Test betrug 0,1% (n = 14.049)           rekte diaplazentare bzw. vertikale Transmission von
  versus 0,07% (n = 386.701) unter nicht-schwangeren         SARS-CoV-2 von der Mutter auf das Kind möglich
  Frauen. Es ergaben sich keine Unterschiede in der          oder sehr wahrscheinlich ist.33 – 36 Für die fetale Ge-
  Dauer der Erkrankung zwischen schwangeren und              sundheit könnten nach Ansicht einiger AutorInnen
  nicht-schwangeren Frauen. In der Querschnittsstu-          weniger eine vertikale Transmission von Viren, son-
  die berichteten 0,09% der 41.796 Schwangeren und           dern eher entzündliche Veränderungen der Plazen-
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  ta oder ein Zytokinsturm bei der Mutter relevant            res Risiko ermittelt, nach der Geburt auf einer neo-
  sein.4,37 – 39 Die Schwierigkeiten, eine pränatale oder     natologischen Intensivstation betreut zu werden
  perinatale vertikale Transmission zu beweisen, lag          (Allotey et al.: gOR 4,89; 95 % KI: 1,87 – 12,81; Wei
  nach Meinung der AutorInnen in methodischen                 et al.: gOR 3,69; 95 % KI: 1,39 – 9,82), insbesondere
  Schwächen der publizierten Beschreibungen, z. B.            bei einem schweren Erkrankungsverlauf der Mutter
  bei der Probengewinnung oder Berechnungen einer             (Wei et al.: gOR 3,95; 95 % KI: 1,43 – 10,95).14,17 Eine
  möglichen Ansteckung unter Berücksichtigung der             bevölkerungsbasierte Studie mit Krankenhausab-
  Inkubationszeiten.40,41 Nach Ansicht der AutorInnen         rechnungsdaten des National Health Service in Eng-
  rechtfertigen die Daten allerdings keine Entbindung         land errechnete ebenfalls ein erhöhtes Risiko für die
  durch einen Kaiserschnitt, um eine Infektion des            Neugeborenen, auf einer Neonatologie behandelt
  Neugeborenen zu verhindern. Auch das Rooming-In             werden zu müssen (adjustiertes OR 1,24; 95 % KI:
  birgt kein erhöhtes Risiko für eine Transmission.41,42      1,02 – 1,51).18 Eine Sensitivitätsanalyse nur mit Frau-
                                                              en, die nach der 37. SSW von ihrem Kind entbunden
  Bei einer SARS-CoV-2-Infektion der Mutter im                worden waren, ergab in dieser Studie kein höheres
  3. Trimenon kommt es zu einer selektiven Beein-             Risiko (adjustiertes OR 1,18; 95 % KI: 0,90 – 1,55).
  trächtigung des diaplazentaren Transfers und zu ei-         Entsprechend schlussfolgern die AutorInnen, dass
  ner fehlenden Anreicherung im Nabelschnurblut               die beobachteten negativen Auswirkungen auf die
  von SARS-CoV-2-spezifischen mütterlichen Anti-              Neugeborenen aus der höheren Frühgeburtlichkeit
  körpern, während der Transfer von Influenza- oder           resultierten.18 Auch der systematische Review von
  Pertussis-spezifischen Antikörpern unverändert              Pineles et al. mit einem Vergleich der Versorgung
  stattfindet. Bei einer SARS-CoV-2-Infektion der             während der Pandemie versus präpandemischen
  Mutter im 2. Trimenon wurde dieser hemmende Ef-             Zeiten zeigte kein erhöhtes Risiko für eine Neona-
  fekt auf den SARS-CoV2-Antikörpertransfer nicht             tologie-Aufnahme (gOR 0,90; 95 % KI: 0,80 – 1,01;
  beobachtet.43 Ob diese Beobachtungen auch für den           7 Studien, 45.629 Schwangerschaften), wobei die-
  Transfer von mütterlichen Anti-SARS-CoV-2-Anti-             ser Review auch kein erhöhtes Risiko einer Frühge-
  körpern nach COVID-19-mRNA-Impfung im 2. ver-               burtlichkeit fand.44
  sus 3. Trimenon zutreffen, ist bisher nicht bekannt.
                                                              In einer prospektiven britischen Kohortenstudie mit
  2.1.4 Verlauf und Outcome bei Neugeborenen                  Daten von 2.130 schwangeren Frauen aus 18 Län-
  Eine Übertragung einer mütterlichen SARS-CoV-2-             dern wurde kein Zusammenhang zwischen einer
  Infektion auf das Neugeborene erscheint insgesamt           SARS-CoV-2-Infektion der Mutter und eines für das
  selten zu sein und löst beim Neugeborenen auch nur          Gestationsalter zu kleinen Kindes (small for gestatio-
  in seltenen Fällen Symptome aus. Zu diesem Schluss          nal age; SGA) gefunden (RR 1,03 (95 % KI: 0,81 –
  kamen AutorInnen eines systematischen Reviews,              1,31).9 AutorInnen einer US-amerikanischen Studie
  der 49 Fallbeschreibungen und Fallserien unter-             sahen zudem kein erhöhtes Risiko eines SGA bei
  suchte (655 Frauen, 666 Neugeborene).42 Ein Ver-            einem schweren Erkrankungsverlauf der Mutter
  gleich der Outcomes des 5-Minuten-APGAR-Scores              (aRR 1,22; 95 % KI: 0,63 – 2,37).20
  ergab bei im Zeitraum der Pandemie geborenen
  Kindern im Vergleich zu in präpandemischen Zei-             Eine schwedische Studie, die Registerdaten von
  ten geborenen Kindern in „high-income-countries“            88.159 Kindern auswertete, von denen 2.323 (1,6 %)
  keinen Unterschied (gOR 1,15 95 % KI: 0,62 – 2,15;          von SARS-CoV-2-positiven Müttern entbunden wor-
  4  Studien, 14.782 Schwangerschaften).22 Einen ähn-         den waren, berechnete nach Adjustierung ein er-
  lichen Schluss zogen AutorInnen eines systemati-            höhtes Risiko eines Atemnotsyndroms (RR 2,40;
  schen Reviews zum Outcome von Neugeborenen                  95 % KI: 1,5 – 3,84).45
  SARS-CoV-2-positiver Mütter mit 32 Studien (261
  Neugeborenen von 258 Frauen).11                             Zur Adressierung der Frage, welche Krankheitslast
                                                              potenziell bei Neugeborenen verhindert werden
  Für Neugeborene von Frauen mit COVID-19 wurde               könnte, wenn die mütterliche Impfung via diapla-
  allerdings in zwei systematischen Reviews ein höhe-         zentarem Antikörpertransfer zu einem fetalen
Epidemiologisches Bulletin               38 | 2021           23. September 2021 (online vorab)                             21

                                                                          gemeldet (persönliche Kommunikation Dr. Armann,
                                                               Früh-
                           ≤ 6 Monate ≤ 28 Tage ≤ 7 Tage
   Alter
                              n (%)     n (%)    n (%)
                                                             geborene     Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedi-
                                                               n (%)
                                                                          zin am Uniklinikum Dresden). Aus den Daten lässt
   Gesamtzahl                 522        127          39       53
                                                                          sich ableiten, dass eine Hospitalisierung in Zusam-
   davon
                                                                          menhang mit COVID-19 in dieser Altersgruppe ein
   Aufnahmeindikati-
   on COVID-19
                            164 (31)   37 (29)   5 (13)      15 (28)      sehr seltenes Ereignis ist; auch Begleiterkrankungen
   Begleiterkrankung         48 (9)    13 (10)   6 (15)      14 (26)
                                                                          spielen bei der Krankenhausbedürftigkeit eine un-
   Notwendigkeit
                                                                          tergeordnete Rolle. 8 – 17% der Kinder benötigten
                            69 (13)    21 (17)       3 (8)    6 (11)
   COVID-19-Therapie                                                      eine spezifische COVID-19-Therapie; beatmungs-
   mit                                                                    pflichtig war nur eines von den 522 hospitalisierten
   Intensivpflichtigkeit     6 (9)      3 (14)   2 (67)       2 (33)      Kindern.
   Beatmungs-
                               1          0           0         0
   pflichtigkeit
                                                                          2.1.5 Fazit: Risikofaktoren und Komplikationen
   ECMO-
   Bedürftigkeit
                               0          0           0         0         einer SARS-CoV-2-Infektion bei Schwangeren
   COVID-19-bedingte                                                      ▶▶ Schwere Verläufe und Komplikationen bei
                               0          0           0         0
   Folgeerkrankung                                                             Schwangeren mit einer SARS-CoV-2-Infektion
   Verstorben                  1          0           0         0              sind selten.
  Tab. 2 | An das DGPI-Register gemeldete Fälle von hospita­              ▶▶ Der Faktor Schwangerschaft stellt einen unab-
  lisierten Kindern ≤ 6 Monate mit bestätigter COVID-19 oder                   hängigen Risikofaktor für schwere COVID-19-
  SARS-CoV-2-Direktnachweis (Stand 18.06.2021)
                                                                               Verläufe dar. SARS-CoV-2-infizierte schwange-
                                                                               re Frauen erleiden häufiger Komplikationen als
                                                                               Nicht-Schwangere, insbesondere, wenn sie
  Schutz führen würde, wurden Zahlen der DGPI                                  ­älter sind oder an Adipositas, Hypertonus oder
  analysiert, die seit Mitte März 2020 ein Register zu                          einem Diabetes mellitus leiden.
  COVID-19 bei hospitalisierten Kindern und Jugend-                       ▶▶ In fast allen Studien wurde ein signifikant häu-
  lichen in Deutschland führt. Als Fälle werden statio­                         figeres Auftreten von Präeklampsie und Früh-
  när aufgenommene PatientInnen mit SARS-CoV-2-                                 geburtlichkeit (insbesondere im 3. Trimenon)
  Direktnachweis (PCR-Test oder Antigenschnelltest)                             bei infizierten im Vergleich zu nicht-infizierten
  definiert. Es werden nur Fälle eingeschlossen, für die                        Schwangeren berichtet, wobei die vermehrte
  vollständige Angaben sowohl zur Aufnahme als auch                             Frühgeburtlichkeit wahrscheinlich medizinisch
  zur Entlassung gemeldet wurden. Der C      ­ OVID-19-                         bedingt ist (Schwangerschaftsbeendigung auf-
  Survey schließt hospitalisierte Kinder und Jugend-                            grund einer medizinischen Indikation).
  liche mit sicherer ­COVID-19, mit Verdacht auf                          ▶▶ In einigen Studien wurden ein erhöhtes müt-
  ­COVID-19 bei SARS-CoV-2-Direktnachweis sowie                                 terliches Sterberisiko sowie ein erhöhtes Risiko
   mit asymptomatischen Zufallsbefunden eines                                   für Totgeburten beschrieben. Die Studienlage
   SARS-CoV-2-Direktnachweises ein. Angaben zum                                 ist hier jedoch nicht eindeutig. Zudem ist die
   SARS-CoV-2-Serostatus der jeweiligen Mutter lagen                            Mortalität von SARS-CoV-2-positiven Schwan-
   nicht vor. Mit Stand 18.06.2021 lagen Daten zu ins-                          geren im Vergleich zu positiven Nicht-Schwan-
   gesamt 522 hospitalisierten Kindern im Alter von                             geren nicht erhöht.
   einschließlich ≤ 6 Monaten aus 169 von bundesweit                      ▶▶ SARS-CoV-2-positive Schwangere werden häu-
   351 Kliniken vor. Von diesen 522 Kindern waren 127                           figer als SARS-CoV-2-negative Schwangere auf
   ≤ 28 Tage und 39 ≤ 7 Tage alt; 53 Kinder waren Früh-                         Intensivstationen aufgenommen und häufiger
   geburten vor der 37. SSW (Median 35. SSW). Der An-                           invasiv beatmet, und bei ihnen wird häufiger
   teil der Kinder mit Aufnahmeindikation COVID-19,                             eine Sectio durchgeführt. Eine häufigere Auf-
   einer Begleiterkrankung sowie der Notwendigkeit ei-                          nahme der Neugeborenen auf eine neonatolo-
   ner COVID-19-Therapie sind in Tabelle 2 dargestellt.                         gische Station ist wahrscheinlich durch die hö-
   Das verstorbene Kind litt an multiplen Begleit­                              here Frühgeburtsrate bedingt.
   erkrankungen, u. a. einem schweren angeborenen                         ▶▶ Das Risiko für Aborte und die neonatale Morta-
   Herzfehler, und wurde als an COVID-19 verstorben                             lität sind nicht erhöht.
Epidemiologisches Bulletin                   38 | 2021          23. September 2021 (online vorab)                                            22

  2.2 Impfstoffe                                                                  de eine systematische Literaturrecherche durch­
  Schwangere Frauen waren von den Zulassungsstu-                                  geführt (Stand: 22. August 2021; Suchstrategie s.
  dien der mRNA-Impfstoffe ausgeschlossen, so dass                                Anhang) und die Evidenzqualität mit Hilfe der
  zum jetzigen Zeitpunkt keine kontrollierten rando-                              GRADE-Methodik bewertet.
  misierten Studien zur Wirksamkeit der mRNA-
  Impfstoffe bei Schwangeren vorliegen. Zwar wur-                                 2.2.2 Wirksamkeit
  den mittlerweile erste größere Studien v. a. in den                             Die systematische Literaturrecherche ergab insge-
  USA zur Evaluierung der Sicherheit, Verträglichkeit                             samt 442 Studien. Von diesen wurden nach
  und Immunogenität von mRNA-Impfstoffen gegen                                    ­Abstract- und Volltextscreening zwei Studien in die
  COVID-19 bei gesunden schwangeren Frauen initi-                                  Evidenzbewertung zur Wirksamkeit (nach Gabe von
  iert, erste Daten sind jedoch nicht vor 2022 zu er-                              zwei mRNA-Impfstoffdosen) bei Schwangeren ein-
  warten (https://clinicaltrials.gov/). Die hier vorge-                            geschlossen.46,47 Eine weitere Studie berichtete ledig-
  stellte Evidenzaufarbeitung zur COVID-19-Impfung                                 lich unadjustierte Schätzer,48 auf deren Ergebnisse
  von Schwangeren beinhaltet daher zu diesem Zeit-                                 wird daher im Folgenden nicht weiter eingegangen.
  punkt nur erste publizierte Beobachtungsstudien.                                 Details zu den eingeschlossenen Studien und den
                                                                                   in den Studien berichteten Wirksamkeiten nach je-
  2.2.1 Methodik des durchgeführten                                                weiligem Endpunkt sind in Tabelle 3 dargestellt. Die
  systematischen Reviews                                                           Studien, die zur Bewertung der Wirksamkeit heran-
  Zur Identifizierung von möglichen Studien zur                                    gezogen wurden, umfassten damit insgesamt etwa
  Wirksamkeit und Sicherheit bei Schwangeren wur-                                  23.000 schwangere Teilnehmerinnen.

   Studie          Land     Studien­          Studienpopulation           Alter    Zirkulierende       Impfstoff    Analysezeit-    Adjustierte
                            design                                                 Variante/Zeitraum                punkt nach      Wirksamkeit
                                                                                                                    2. Impfung
   Endpunkt: jegliche Infektion mit SARS-CoV-2 (PCR bestätigt)
   Dagan;46        Israel   Kohorten-         Über Clalit Health Services ≥16      Wildtyp;            Comirnaty    7 – 56 Tage     96 %
   7. September             studie            versicherte Schwangere      Jahre    Alpha (B.1.1.7)/                 nach 2. Dosis   (89 – 100)
   2021                                       (Geimpfte: n = 10.861;               20.12.2020 –
                                              Ungeimpfte: n = 10.861               03.06.2021
   Butt;47         Katar    Test-negative     Krankenhaus-basiert         ≥15      Alpha (B.1.1.7);    Comirnaty,   ≥14 Tage nach   67,7 %
   22. Juni 2021            Fall-Kontroll-    (Fälle: n = 393;            Jahre    Beta (B.1.351)/     Spikevax     2. Dosis        (30,5 – 86,9)
                            Studie            Kontrollen: n = 1.074)               20.12.2020 –
                                                                                   30.05.2021

   Endpunkt: symptomatische Infektion mit SARS-CoV-2 (PCR bestätigt)
   Dagan;46        Israel   Kohorten-         Über Clalit Health Services ≥16      Wildtyp;            Comirnaty    7 – 56 Tage     97 %
   7. September             studie            versicherte Schwangere      Jahre    Alpha (B.1.1.7)/                 nach 2. Dosis   (91 – 100)
   2021                                       (Geimpfte: n = 10.861;               20.12.2020 –
                                              Ungeimpfte: n = 10.861               03.06.2021
   Endpunkt: Hospitalisierung aufgrund von COVID-19
   Dagan;46        Israel   Kohorten-         Über Clalit Health Services ≥16      Wildtyp;            Comirnaty    7 – 56 Tage     89 %
   7. September             studie            versicherte Schwangere      Jahre    Alpha (B.1.1.7)/                 nach 2. Dosis   (43 – 100)
   2021                                       (Geimpfte: n = 10.861;               20.12.2020 –
                                              Ungeimpfte: n = 10.861               03.06.2021
   Endpunkt: schwerer COVID-19-Verlauf
   Dagan;46        Israel   Kohorten-         Über Clalit Health Services ≥16      Wildtyp;            Comirnaty    7 – 56 Tage     1 vs. 0
   7. September             studie            versicherte Schwangere      Jahre    Alpha (B.1.1.7)/                 nach 2. Dosis   (Wegen zu
   2021                                       (Geimpfte: n = 10.861;               20.12.2020 –                                     kleiner
                                              Ungeimpfte: n = 10.861               03.06.2021                                       Fallzahl
                                                                                                                                    Wirksamkeit
                                                                                                                                    nicht zu
                                                                                                                                    berechnen)

  Tab. 3 | Charakteristika und Wirksamkeit nach Endpunkt der im systematischen Review eingeschlossenen Studien zur
  Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 bei Schwangeren (Stand 22.08.2021)
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