Kapitel: Erbrecht des Ehepartners

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2. Kapitel: Erbrecht des Ehepartners
     I. Einführung

70   Das gesetzliche Erbrecht des Ehepartners37 ist in § 1931 geregelt (lesen
     Sie die Vorschrift zur ersten Information ganz durch). Da Ehepartner
     nicht nach § 1589 miteinander verwandt sind38, musste das Erbrecht des
     Ehepartners gesondert geregelt werden. Das BGB reiht den überlebenden
     Ehepartner nicht in eine der für die gesetzliche Erbfolge bestehenden
     Ordnungen ein, sondern sieht die Erbberechtigung aufgrund Blutsver-
     wandtschaft und aufgrund Ehe als gleichwertig an und lässt daher den
     Ehepartner und nähere Verwandte nebeneinander zum Zuge kommen.
     Im Verhältnis zu entfernteren Verwandten wird der Ehepartner eindeutig
     bevorzugt (§ 1931 Abs. 1 S. 1) oder sogar allein berechtigt (§ 1931
     Abs. 2)39 – Vorrang des Ehepartnererbrechts.
     Das gesetzliche Erbrecht des Ehepartners dient einerseits dem Zweck,
     den »Ehegewinn« auszugleichen40 und soll andererseits die wirtschaftli-
     che Existenz des Ehepartners entsprechend dem bisherigen Lebenszu-
     schnitt der Eheleute sichern41.

     II. Voraussetzungen des Ehepartnererbrechts

     1. Bestehen der Ehe
71   Zum Zeitpunkt des Erbfalls, also des Todes des Erblassers, muss eine
     wirksame Ehe bestanden haben. Diese besteht nicht:
     a) Bei einer sog. »Nichtehe«. Diese »liegt vor«, wenn
        – die »Eheschließenden« gleichen Geschlechts sind (in diesem Fall
          gilt nicht das BGB, sondern das LPartG42),
        – die willentliche Eheschließungserklärung eines Partners oder
        – die erforderliche Mitwirkung des Standesbeamten fehlt (§ 1310
          Abs. 1 S. 1).

     37 Ein Begriff, den ich dem des »Ehegatten« vorziehe, da er nicht so biologisch, sondern
        menschlicher klingt.
     38 Vgl. Wörlen, FamR, Rdnr. 321.
     39 MüKo/Leipold, § 1931, Rdnr. 2.
     40 Schlüter, Rdnr. 96.
     41 Palandt/Edenhofer, § 1931, Rdnr. 1.
     42 Dazu etwas mehr unten Rdnrn. 89 ff. Näheres zur eingetragenen Lebenspartnerschaft, vgl.
        Wörlen, FamR, Rdnrn. 452 – 479.

     68
2. Kapitel: Erbrecht des Ehepartners

b) Nach Aufhebung einer Ehe durch rechtskräftiges Urteil nach § 1313.
   Die Aufhebungsgründe sind in § 1314 aufgezählt.
c) Wenn die Ehe vor dem Erbfall nach § 1564 rechtskräftig geschieden
   worden ist.

2. Kein Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge trotz Bestehens
   der Ehe
a) Trotz Bestehens der Ehe kann das Ehepartnererbrecht ausnahmsweise                         72
   gem. § 1933 ausgeschlossen sein. Das ist der Fall, wenn zur Zeit des
   Todes des Erblassers die (materiellen) Voraussetzungen für die Schei-
   dung (§ 1933 S. 1) der Ehe gegeben waren und der Erblasser die
   Scheidung beantragt oder dem Antrag des Ehepartners zugestimmt
   hatte. Das Gleiche gilt nach § 1933 S. 2, wenn der Erblasser berechtigt
   war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen und den Antrag gestellt
   hatte.
   Dabei ist bezüglich der formellen Voraussetzungen strittig, ob der je-
   weilige Antrag bereits rechtshängig sein muss (so die ganz h. M.43)
   oder ob die Anhängigkeit des Antrags ausreicht44.
!   Zur Wiederholung45 (und zum besseren Verständnis des Meinungs-
    streits): Worin besteht der Unterschied zwischen Rechtshängigkeit
    und Anhängigkeit?
€   Siehe §§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO: Anhängigkeit liegt bereits vor,
    wenn eine Klage bzw. ein Antrag bei Gericht eingereicht ist, Rechts-
    hängigkeit setzt erst dann ein, wenn die Zustellung an den Klage-/
    Antragsgegner erfolgt ist.
Sind die Voraussetzungen von § 1933 S. 1 und S. 2 erfüllt, hat der über-
lebende Ehepartner sein Erbrecht aus § 1931 ebenso verloren wie den in
§ 1933 S. 1 genannten Voraus aus § 193246.

b) Wie das gesetzliche Verwandtenerbrecht ist selbstverständlich auch                        73
   das gesetzliche Ehepartnererbrecht ausgeschlossen, wenn der Ehe-
   partner durch testamentarische Verfügung des Erblassers enterbt
   (§ 1938) oder für erbunwürdig erklärt (§§ 2339 ff.) wurde oder nach
   §§ 2346 ff. einen Erbverzicht ausgesprochen hat47.

43 Vgl. z. B. Schlüter, Rdnr. 99; BGHZ 111, 329; Palandt/Edenhofer, § 1933, Rdnr. 2; MüKo/
   Leipold, § 1933, Rdnr. 5.
44 So Brox/Walker, Rdnr. 66, mit guter Begründung, die aber raten, sich der h. M. anzu-
   schließen.
45 Vgl. etwa Wörlen, FamR, Rdnr. 249, Fn. 388.
46 Mehr zum »Voraus« unten, Rdnr. 87.
47 Näheres zu Enterbung, Erbunwürdigkeit und Erbverzicht finden Sie im Dritten Teil
   (Rdnrn. 299 ff.) des Buchs.

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Erster Teil

     Ist ein Erbberechtigter des Erblassers, hier der Ehepartner, durch Verfü-
     gung von Todes wegen von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, hat
     er grundsätzlich ein Pflichtteilsrecht i. S. d. §§ 2303 ff. (die Vorschriften
     brauchen Sie jetzt noch nicht lesen48).
     Da der Ehepartner, dessen Erbrecht sowie dessen Voraus bereits unter
     den Voraussetzungen des § 1933 ausgeschlossen ist, nicht mehr durch
     Verfügung von Todes wegen von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlos-
     sen werden konnte, kann ihm auch kein Pflichtteilsrecht zustehen49.

     III. Umfang des Ehepartnererbrechts

74   Der Umfang des gesetzlichen Erbrechts des Ehepartners richtet sich zu-
     nächst gem. § 1931 Abs. 1 danach, welche Verwandten (§ 1589) des Erb-
     lassers aus welcher Ordnung noch leben. Daneben sind güterrechtliche
     Vorschriften für den Umfang maßgebend. Gem. § 1931 Abs. 3 bleibt
     § 1371, der den Zugewinnausgleich beim gesetzlichen Güterstand im
     Todesfall regelt, »unberührt«, d. h. er ist anzuwenden. Außerdem ergibt
     sich aus § 1931 Abs. 4 eine Besonderheit für die Gütertrennung.

     1. Erbrechtliche Grundregeln
75   !    Welche Erbquote entfällt nach § 1931 (lesen) auf den überlebenden
          Ehepartner neben Abkömmlingen des Erblassers?
     €    Abkömmlinge sind Verwandte bzw. gesetzliche Erben der ersten Ord-
          nung (§ 1924 Abs. 1), neben denen der Ehepartner gem. § 1931 Abs. 1
          S. 1, 1. Var. zu ¼ als Erbe berufen ist, unabhängig davon, wieviele
          Abkömmlinge überlebt haben.
     Neben den Verwandten der zweiten Ordnung (§ 1925) oder neben Groß-
     eltern ist der überlebende Ehepartner gem. § 1931 Abs. 1 S. 1, 2 Var. zu
     ½ der Erbschaft als Erbe berufen.
     !    Welche Erbquoten entfallen z. B. auf die Überlebenden, wenn dies nur
          noch die Ehefrau des Erblassers und dessen Eltern sind?
     €    Nach § 1931 Abs. 1 S. 1, 1. Var. entfallen auf die Ehefrau ½ der Erb-
          schaft und auf die beiden Elternteile (§ 1925 Abs. 2) je ¼.
     Leben außer der Ehefrau nur noch die Großeltern des Erblassers, erbt die
     Ehefrau nach § 1931 Abs. 1 S. 1, 2. Var. ebenfalls ½ und die beiden
     Großelternteile als gesetzliche Erben dritter Ordnung (§ 1926 Abs. 2) je
     ¼.

     48 Damit befassen wir uns noch ausführlicher: Vgl. Fünfter Teil (Rdnrn. 429 ff.).
     49 Vgl. Palandt/Edenhofer, § 1933, Rdnr. 10.

     70
2. Kapitel: Erbrecht des Ehepartners

Treffen mit Großeltern Abkömmlinge von Großeltern zusammen, erhält                   76
der überlebende Ehepartner (neben der Hälfte nach § 1931 Abs. 1 S. 1)
gem. § 1931 Abs. 1 S. 2 auch von der anderen Hälfte den Anteil, der
nach § 1926 Abs. 3 S. 1 den Abkömmlingen des vorverstorbenen Großel-
ternteils zukommen würde.
!   Wenn Sie diese nicht ganz einfache Regelung verstanden haben, soll-
    ten Sie den folgenden Fall lösen können.

 Übungsfall 5                                                                        77
 Der Erblasser E hinterlässt neben seiner Ehefrau F eine Großmutter väterli-
 cherseits (GMV), während sowohl alle anderen Großeltern als auch seine
 Eltern verstorben sind. Außer GMV lebt noch ein Sohn (Onkel O des Erb-
 lassers) der Großeltern mütterlicherseits. Berechnen Sie die Erbquoten der
 Überlebenden!

Decken Sie das folgende Diagramm zunächst wieder ab und erstellen Sie
selbst eines, anhand dessen Sie unter der Berücksichtigung der §§ 1930, 1931
und 1926 die Erbquoten ermitteln, bevor Sie weiterlesen.
€   Lösung:

          †                                         †                      †

       GVV                      GMV              GVM                   GMM

                       †                                           †

                     V                                         M               O

                                          †
                                      E                        F

Gehört ein Ehepartner zu den gesetzlichen Erben, empfiehlt sich folgen-
de Prüfungsreihenfolge50:
(1) Welche Verwandten sind neben dem Ehepartner zur Erbfolge beru-
    fen? Hierbei § 1930 nicht vergessen! Da keine Verwandten erster und
    zweiter Ordnung mehr vorhanden sind, erben neben der F die Ver-
    wandten der dritten Ordnung, also die GMV und der O (§ 1926
    Abs. 1).
(2) Hat man festgestellt, wer neben dem Ehepartner Erbe geworden ist,
    muss man nach § 1931 die Erbquote des Ehepartners ermitteln.
    Nach § 1931 Abs. 1 S. 1, 2. Var. erhält F somit ½ der Erbschaft.

50 Vgl. Frank, § 2, Rdnr. 29.

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Erster Teil

     (3) Der Rest der Erbschaft ist dann nach den Regeln über die Verwand-
          tenerbfolge unter den verbleibenden Erben (hier GMV und O) zu ver-
          teilen.
          Würden alle Großeltern noch leben, würden GVV und GMV sowie
          GVM und GMM jeweils zusammen je ¼ bekommen (§ 1926 Abs. 2).
          Da mit der Großmutter GMV mit O ein Abkömmling der verstorbe-
          nen Großeltern GVM und GMM zusammentrifft, erhält F gem. § 1931
          Abs. 2 auch von der anderen Hälfte den Anteil, der (rechnerisch)
          nach § 1926 Abs. 3 S. 1 dem O zufallen würde. Dieser Anteil beträgt
          demnach ¼, da O nach dieser Vorschrift an die Stelle seiner Eltern
          (GVM und GMM) getreten ist. Somit erhält F ½ plus ¼ = ¾ der Erb-
          schaft. Der Anteil des (vor)verstorbenen Großvaters väterlicherseits
          (GVV) fällt nach § 1926 Abs. 3 S. 2 der GMV zu. Das bedeutet, dass
          sie das ¼, welches ihr über § 1926 Abs. 2 zusammen mit GVV zuge-
          standen hätte, alleine bekommt.
          Endergebnis also: F erhält nach der erbrechtlichen Grundregel ¾,
          GMV erhält ¼ und O geht leer aus.
     Sind weder Verwandte der ersten oder zweiten Ordnung und aus der
     dritten Ordnung keine Großeltern vorhanden, erhält der Ehepartner gem.
     § 1931 Abs. 2 die ganze Erbschaft!

     2. Güterrechtliche Besonderheiten
78   Wie Sie bereits (Rdnr. 74) gelesen haben, bestimmt § 1931 Abs. 3, dass
     § 1371 zusätzlich anzuwenden ist. Daraus ergeben sich einige güterrecht-
     liche Korrekturen der soeben dargestellten erbrechtlichen Grundregeln,
     wobei jene davon abhängen, in welchem Güterstand der Erblasser und
     sein Ehepartner gelebt haben.

     a) Zugewinngemeinschaft
79   Leben die Ehepartner im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemein-
     schaft, wird der Zugewinn, den sie während der Ehe erzielt haben, gem.
     § 1363 Abs. 2 S. 2 ausgeglichen51, wenn die Zugewinngemeinschaft en-
     det.
     Wird der Güterstand durch den Tod eines Ehepartners beendet, wird der
     Zugewinnausgleich dadurch verwirklicht, dass sich der aus § 1931
     Abs. 1 S. 1 errechnete gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehepartners
     gem. § 1371 Abs. 1 um ¼ der Erbschaft erhöht (»erbrechtliche Lösung52«
     = großer Pflichtteil), und zwar unabhängig davon, ob die Ehepartner

     51 Näheres dazu in Wörlen, FamR, Rdnrn, 235 ff.
     52 Vgl. statt aller nur MüKo/Leipold, § 1931 Rdnr. 27.

     72
2. Kapitel: Erbrecht des Ehepartners

überhaupt einen Zugewinn erzielt haben (sog. pauschalierter Zugewinn-
ausgleich).
Nach § 1931 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 i. V. m. § 1371 Abs. 1 erbt der über-
lebende Ehepartner neben den Abkömmlingen (= Verwandte erster Ord-
nung) demnach ½ (= ¼ + ¼) des Nachlasses und neben Großeltern ½ +
¼, also insgesamt ¾ der Erbschaft.
Wird der überlebende Ehepartner (im Gegensatz zur erbrechtlichen Lö-                            80
sung) weder Erbe noch Vermächtnisnehmer, kann er gem. § 1371 Abs. 2
HS. 1 den Ausgleich des (tatsächlichen) Zugewinns nach den Vorschrif-
ten der §§ 1373–1383 (die Sie jetzt nicht lesen müssen) und den Pflicht-
teil (§ 2303 Abs. 2 S. 1) verlangen (»güterrechtliche Lösung53«). Dieser
sog. kleine Pflichtteil berechnet sich gem. § 1371 Abs. 2 HS. 2 nach dem
nicht (§ 1371 Abs. 1) erhöhten gesetzlichen Erbteil des Ehepartners. Da
der gesetzliche Erbteil des Ehepartners neben dem der Abkömmlinge
gem. § 1931 Abs. 1 S. 1, 1. Var. ¼ beträgt, umfasst der kleine Pflichtteil
nach § 2303 Abs. 2 i. V. m. § 1371 Abs. 2 HS. 2 somit ⅛ (= Hälfte des
Wertes von einem Nachlassviertel: §§ 2303 Abs. 2 S. 2, 1931 Abs. 1 S. 1).
Diesen kleinen Pflichtteil kann der überlebende Ehepartner gem. § 1371                          81
Abs. 3 auch dann verlangen, wenn er die Erbschaft ausgeschlagen54
(§§ 1942 ff.) hat.
Schlägt der Ehepartner die Erbschaft aus, ist er nicht (mehr) »Erbe«, so-
dass § 1931 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 1371 Abs. 1, der ja voraussetzt, dass der
Ehepartner – noch – Erbe ist, keine Anwendung findet. Ein pauschalier-
ter Zugewinnausgleich nach der erbrechtlichen Lösung findet also nicht
statt, sondern der Zugewinnausgleich richtet sich nach dem tatsächli-
chen Zugewinn.
Da der Ehepartner nach der erbrechtlichen Lösung gem. §§ 1931 Abs. 1,
1371 Abs. 1 neben anderen Verwandten zumindest ½ der Erbschaft er-
hält, wird er von der Möglichkeit der Ausschlagung nur Gebrauch ma-
chen, wenn der Nachlass im Wesentlichen aus ausgleichspflichtigem
Zugewinn i. S. v. § 1373 besteht55. Dies wird dann der Fall sein, wenn
der Erblasser ein niedriges Anfangsvermögen (§ 1374) hatte und ein ho-
hes Endvermögen (§ 1375) hinterlässt.
Verdeutlichen wir uns diese Regelungen wieder an einem Fallbeispiel.

53 Palandt/Brudermüller, § 1371, Rdnr. 12.
54 Bei der Anwendung von § 1371 Abs. 2 ist strittig, ob der ausschlagende Ehepartner neben
   dem Zugewinnausgleich nur den nach dem nicht erhöhten Erbteil berechneten (kleinen)
   Pflichtteil fordern kann oder ob er statt beider Ansprüche auch den Pflichtteilsanspruch,
   der sich nach dem erhöhten Erbteil ergibt, wählen kann [vgl. Brox/Walker, Rdnr. 75 a. E. –
   wie dort – Rdnrn. 550 ff. – wird auf diese Streitfrage auch hier im Teil über das Pflicht-
   teilsrecht (Fünfter Teil, Rdnrn. 429 ff.) etwas näher eingegangen].
55 Ebenda.

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Erster Teil

82    Übungsfall 6
      Beim Tod des E leben noch seine Ehefrau F und seine beiden Kinder,
      Tochter T und Sohn S, ein Bruder (B) des E sowie sein Vater (V) und seine
      Mutter (M). E und F lebten im gesetzlichen Güterstand und haben kein
      Testament errichtet. Wer erbt welchen Anteil am Vermögen des E?
      Abwandlung:
      Das Anfangsvermögen von E und F betrug bei der Heirat »Null«. Beim Tod
      des E beträgt sein Endvermögen 100.000 Euro, das »Vermögen« von F steht
      immer noch bei »Null«.
      Welche Summe bekommt F nach der »erbrechtlichen« und welche nach
      der »güterrechtlichen« Lösung, wenn sie die Erbschaft ausschlägt?

     !    Zur Lösung des Ausgangsfalls erstellen Sie bitte das obligatorische Dia-
          gramm, um die Erbquoten der Überlebenden zu bestimmen. Decken Sie
          dazu das folgende Diagramm wieder zu (»do it yourself«, bevor Sie weiter-
          lesen!).
     €    Lösung:

                      V                   M

                                               †

                      B                   E                      F

                                           T                     S
     !    Welche Vorschrift muss zunächst berücksichtigt werden, um die Erb-
          anteile bestimmen zu können?
     €    Antwort: Fußnote56!
          Da mit den Abkömmlingen T und S gesetzliche Erben der ersten Ord-
          nung (§ 1924 Abs. 1) vorhanden sind, scheiden Erben der zweiten
          Ordnung (§ 1925 Abs. 1), also V, M und B gem. § 1930 aus.
     !    Für das gesetzliche Erbrecht der F gilt § 1931. Welcher Erbanteil ent-
          fällt danach auf F und die Kinder S und T?
     €    Gem. § 1931 Abs. 1, 1. Var. ist F neben S und T zu ¼ der Erbschaft be-
          rufen, sodass S und T gem. § 1924 Abs. 4 je ⅜ bekommen würden.
83   Das wäre richtig, wenn es § 1931 Abs. 3 nicht gäbe, der auf die Anwen-
     dung von § 1371 verweist. Nach § 1371 Abs. 1 wird, wie Sie wissen (vgl.
     Rdnr. 78), der Zugewinn des E – unabhängig davon, wie hoch er ist oder
     ob überhaupt ein Zugewinn erzielt wurde – pauschal dadurch ausgegli-

     56 § 1930!

     74
2. Kapitel: Erbrecht des Ehepartners

chen, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehepartners um
ein Viertel erhöht.
!   Was bedeutet das für unseren Fall?
€   Antwort: Fußnote57!
Damit können wir auch gleich die erste Frage zur Abwandlung des Aus-
gangsfalls beantworten.
!   Welche Summe steht der F nach dieser erbrechtlichen Lösung zu?
€   ½ von 100.000 € macht nach Adam Riese 50.000 €, sodass S und T je
    25.000 € erben.
!   Welche Summe bekommt F nach der güterrechtlichen Lösung, wenn
    Sie die Erbschaft ausschlägt?
€   Wird die Erbschaft ausgeschlagen, ist der Ausschlagende nicht Erbe
    geworden (vgl. § 1953 Abs. 1). Das bedeutet für die Ehefrau F, dass ihr
    kein gesetzlicher Erbteil zusteht, sodass § 1371 Abs. 1, der den gesetz-
    lichen Erbteil pauschal erhöht, nicht anwendbar ist. Der Zugewinn-
    ausgleich muss daher nach den §§ 1373–1390 erfolgen (diese Vor-
    schriften brauchen Sie jetzt nicht alle lesen), von denen Sie die
    meisten kennen sollten, wenn Sie sich mit dem Familienrecht be-
    schäftigt haben58.
!   Notieren Sie sich nun bitte folgende Vorschriften auf einem Blatt Pa-
    pier und stellen Sie fest, welchen Ausgleichsanspruch F danach hat:
    §§ 1373, 1374 Abs. 1, 1375 Abs. 1 S. 1 und 1378 Abs. 1 (Vorschriften
    lesen!).
€   Gem. § 1373 ist der Zugewinn eines Ehepartners der Betrag, um den
    sein Endvermögen sein Anfangsvermögen übersteigt.
    Das Anfangsvermögen (§ 1374 Abs. 1) des E betrug »0«, sein Endver-
    mögen (§ 1375 Abs. 1 S. 1) 100.000 €. F hat »mit 0 angefangen« und
    ist dabei geblieben. Sie hat somit keinen Zugewinn.
    Sie hat aber gem. § 1378 Abs. 1 gegen E eine Ausgleichsforderung in
    Höhe der Hälfte des Überschusses, um den der Zugewinn des E
    (100.000) den Zugewinn der F (0) übersteigt. Ihre Ausgleichsforderung
    nach § 1378 Abs. 1, die als Erblasserschuld vom Nachlass abzuziehen
    ist, beträgt somit 50.000 € und richtet sich als schuldrechtlicher An-
    spruch gegen die Erben.
!   Somit ergibt sich rechnerisch kein Unterschied zur erbrechtlichen Lö-
    sung? Oder haben wir etwas vergessen? Ja; welche Vorschrift müssen
    wir nach der Ausschlagung der Erbschaft durch F noch berücksichti-
    gen?

57 F bekommt ¼ des Nachlasses gem. § 1931 Abs. 1, 1. Var. und ¼ nach § 1371 Abs. 1, also
   ½. S und T teilen sich gem. § 1924 Abs. 4 die andere Hälfte, bekommen somit je ¼.
58 Z. B. in Wörlen, FamR, Rdnrn. 244–253.

                                                                                     75
Erster Teil

     €    Antwort: Fußnote59!
84        Schlägt der überlebende Ehepartner die Erbschaft aus, so kann er (wie
          der überlebende Ehegatte, der aufgrund einer letztwilligen Verfügung
          von der Erbschaft ausgeschlossen wurde, dies gem. § 1371 Abs. 2
          kann) gem. § 1371 Abs. 3 außer dem Zugewinnausgleich den sog.
          kleinen Pflichtteil verlangen, der sich auf ⅛ (vgl. Rdnrn. 80 f.) des
          Nachlasses beläuft. Der Nachlass des E beträgt nach Abzug der Aus-
          gleichsforderung der F aus § 1378 Abs. 1 50.000 €. Davon ⅛ sind
          6.250 €. Somit kann F nach der güterrechtlichen Lösung 56.250 € ver-
          langen, während für S und T nicht je 25.000 €, sondern nur 21.875 €
          verbleiben.

     b) Gütertrennung
85   Falls die Eheleute durch Ehevertrag (§ 1408) Gütertrennung (§ 1414) ver-
     einbart haben, gilt die Sonderregelung des § 1931 Abs. 4. Danach wird
     der Erbteil des Ehepartners ausschließlich nach erbrechtlichen Regeln
     bestimmt, unter der Voraussetzung, dass der Erblasser neben seinem
     Ehepartner nicht mehr als ein oder zwei Kinder hinterlässt. Bei einem
     Kind erben der Ehepartner und das Kind nach § 1931 Abs. 4 jeweils ½,
     bei zwei Kindern erben er und die Kinder je ⅓. Neben drei und mehr
     Kindern verteilt sich das Erbe unter diesen und dem Ehepartner nach
     § 1931 Abs. 1, d. h. der Ehepartner erbt ¼ und die Kinder die restlichen
     ¾ zu gleichen Teilen (§ 1924 Abs. 4). Sinn und Zweck der Sonderrege-
     lung von § 1931 Abs. 4 ist es, die Stellung des überlebenden Ehepartners
     als gesetzlichen Erben insofern zu verbessern, als sein Erbteil nie gerin-
     ger ist als der eines Kindes. Der Ehepartner soll dadurch besser gestellt
     sein als er dies nach § 1931 Abs. 1 wäre, um ihn für seine Mitarbeit beim
     Vermögenserwerb zu entschädigen60.
     Außerdem sollte durch die Regelung des § 1931 Abs. 4 für den Ehepartner
     auch ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass nach § 2057a nur den Ab-
     kömmlingen ein Ausgleichsanspruch für besondere Leistungen (insbesondere
     Pflegeleistungen) zusteht61.

     c) Gütergemeinschaft
86   Für die Gütergemeinschaft (§§ 1415–1518), die Sie jetzt nicht lesen brau-
     chen, gibt es keine Sonderregelung. Für den Erbteil des überlebenden
     Ehepartners als gesetzlichem Erben gelten nur die Absätze 1 und 2 von

     59 § 1371 Abs. 3!
     60 Palandt/Edenhofer, § 1931, Rdnr. 10; Schlüter, Rdnr. 109; Brox/Walker, Rdnr. 73 u. a.; kri-
        tisch dazu z. B. Frank, Rdnr. 37.
     61 PWW/Tschichoflos, § 1931, Rdnr. 24.

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2. Kapitel: Erbrecht des Ehepartners

§ 193162. Es bleibt hier also bei den allgemeinen erbrechtlichen Grund-
sätzen.
Da der überlebende Ehepartner bei der Gütergemeinschaft ohnehin
schon über seine güterrechtliche Beteiligung am Gesamtgut (vgl. § 1416 –
lesen Sie davon nur Abs. 1 und Abs. 2) hinreichend geschützt ist, bedarf
es hier keines besonderen erbrechtlichen Schutzes63.
Lesen Sie nun die Zusammenfassung auf der folgenden Übersicht 5.

62 MüKo/Leipold, § 1931, Rdnr. 38; vgl. auch Schlüter, Rdnr. 110; Frank, Rdnr. 38, die beide
   auf die »ausschließliche« und »uneingeschränkte« Regelung des »§ 1931« verweisen.
   »Uneingeschränkt« gilt § 1931 nicht: Abs. 4 gilt nur für die Gütertrennung. Und Abs. 3 gilt
   nur für den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft!
63 Hk-BGB/Hoeren, § 1931, Rdnr. 9.

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