Kardiologie - highlighted - Bayerisches Ärzteblatt
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Kardiologie – highlighted Die Kardiologie ist ein innovatives Fach- Fall 1: „Paradoxer Effekt“ - ein Vorhofflimmern eine Therapie mit dem Antiar- gebiet, in welchem durch stetige tech- abwendbarer gefährlicher Verlauf rhythmikum Flecainid durch den behandelnden nische Neuerungen sowohl umfassende Internisten eingeleitet und im Verlauf auf die diagnostische Möglichkeiten als auch zu- Anamnese Maximaldosis (2 x 150 mg) ausdosiert. nehmend hochkomplexe minimalinvasive Eine 74-jährige Patientin stellt sich fußläufig über Eingriffe realisiert werden können. Diese die zentrale Notaufnahme des Rotkreuzklinikums Verlauf München vor. Sie beklagt eine seit drei Tagen Die initial erhobenen Vitalparameter zeigen eine umfassen koronarinterventionelle Maß- bestehende Ruhe- sowie Belastungsdyspnoe, Hypotonie mit einem systolischen Blutdruck bei nahmen, elektrophysiologische Prozeduren Palpitationen und Schwindel. Ferner besteht 70 mmHg, eine Tachykardie bei 100/min, eine einschließlich der Devicetherapie (Herz- eine Ruhe-Angina Pectoris (Ruhe-AP). Klinisch Tachypnoe bei 18/min und eine unauffällige Kör- schrittmachertherapie, implantierbare imponiert die Patientin blass und kaltschweißig. perkerntemperatur. Im 12-Kanal-EKG findet sich Defibrillatoren, Implantation von Event- Aufgrund der Anamnese sowie des klinischen As- eine regelmäßige Breitkomplextachykardie mit ei- rekordern etc.), die minimalinvasive Be- pektes wird sie gemäß Manchester-Triage-System ner Kammerfrequenz bei 100/min (Abbildung 1 a). handlung von Klappenerkrankungen sowie als „rot“ kategorisiert („sofort“, 0 Min. Wartezeit) Die Abbildungen 1 a und 1 b erläutern in diesem das Einbringen von Verschlusssystemen und umgehend ärztlich gesichtet. Zusammenhang Kriterien, die bei einer Breitkom- zur Vermeidung eines Schlaganfalls. Die plextachykardie für das Vorhandensein einer drei nachfolgend dargestellten Fälle re- Die erweiterte Anamnese der im Hause bekannten ventrikulären Tachykardie (VT) sprechen bzw. präsentieren Beispiele eines abwendbaren Patientin beinhaltet ein Asthma bronchiale, ein diese beweisen. Folglich ist im geschilderten Fall paroxysmales Vorhofflimmern mit Zustand nach differenzialdiagnostisch am ehesten von einer VT gefährlichen Verlaufs (Fall 1), einer Not- Ablationsbehandlung vor 18 Monaten sowie eine auszugehen. Die Notfallechokardiografie zeigt fallsituation (Fall 2) sowie einer häufigen Hypothyreose. Eine Koronare Herzkrankheit (KHK) eine global hochgradig reduzierte linksventri- Behandlungssituation (Fall 3), welche eine wurde vor vier Jahren invasiv ausgeschlossen. Die kuläre Pumpfunktion. Mit der Arbeitsdiagnose unerwartete Wendung nimmt. medikamentöse Anamnese umfasst einen Proto- „kardiogener Schock bei anhaltender ventri- nenpumpenhemmer, Candesartan, L-Thyroxin und kulärer Tachykardie (slow VT)“ erfolgt noch in das NOAK Apixaban (neues orales Antikoagulans). der Notaufnahme die externe Kardioversion in Ferner wurde vor Kurzem bei einem Rezidiv von einen stabilen Sinusrhythmus ohne erkennbare 264 Bayerisches Ärzteblatt 6/2020
Titelthema Professor Dr. Christian von Bary Abbildung 1 b demonstriert exemplarisch unterschiedliche Diagnosekriterien, die das Vorliegen einer VT im Rahmen einer Breitkomplextachykardie beweisen: Abschnitt (A) zeigt eine VA-Dissoziation, das heißt Vorhof und Kammer schlagen asynchron zueinander, erkennbar an einer vom QRS-Komplex dissoziierten P-Welle (schwarze Striche). Der Vorhof wird dabei normofrequent vom Sinuskno- ten, die Kammer eher tachykard über die VT erregt. Abschnitt (B) zeigt einen „Capture Beat“. Während laufender Breitkomplextachy- kardie finden sich einzelne schmale QRS-Komplexe (rote Kreise), die der QRS- Morphologie während Sinusrhythmus entsprechen. Dabei erfolgt die Erregung der Abbildung 1 a zeigt die monomorphe Breitkomplextachykardie der Patientin. Für Kammer während laufender VT einmalig über das physiologische Reizleitungssys- das Vorliegen einer ventrikulären Tachykardie (VT) sprechen folgende Faktoren: tem. Der Vorhof „fängt“ die Kammer kurzzeitig ein. 1. Eine negative Konkordanz (das heißt der QRS-Komplex ist in allen Brustwand- Abschnitt (C) zeigt einen „Fusion Beat“ (blauer Kreis). Hier wird der Ventrikel ableitungen negativ). Dies bedeutet, dass der Erregungsvektor unphysiologisch sowohl über das physiologische Reizleitungssystem als auch durch die VT erregt von der Herzspitze zur Herzbasis zeigt. (Fusion = QRS sieht aus wie ein Hybrid aus schmalen und breiten Kammerkom- 2. Eine QRS-Dauer von > 160 ms (rote Linie, hier ca. 200 ms). plexanteilen). 3. Ein R/S-Intervall von > 100 ms (blaue Linie, hier ca. 100 ms). Kriterien die eine VT eindeutig beweisen sind hier nicht erkennbar, werden aber in Abbildung 1 b exemplarisch dargestellt. Bayerisches Ärzteblatt 6/2020 265
Titelthema CHA2DS2-VASC-Score EHRA Symptome Definition C Chronische Herzinsuffizienz oder 1 EHRA I Keine Keine Beschwerden linksventrikuläre Dysfunktion EHRA II Mild Normale tägliche Aktivität möglich H Hypertonie 1 A2 Alter ≥ 75 Jahre 2 EHRA III Schwer Normale tägliche Aktivität ist beeinträchtigt D Diabetes mellitus 1 EHRA IV Stark behindernd Normale tägliche Aktivität ist nicht mehr möglich S2 Schlaganfall/TIA/Thrombembolie 2 Tabelle 1: Die Tabelle zeigt zwei wichtige Scoring-Systeme, die bei Patienten mit Vorhofflimmern Anwendung V Vaskuläre Vorerkrankung* 1 finden. Mit dem CHA2DS2-VASC-Score (links) kann das individuelle Schlaganfallrisiko abgeschätzt werden. Ab einem Punktwert von ≥ 2 bei Männern und ≥ 3 bei Frauen ist die orale Antikoagulation empfohlen (Klasse-I- A Alter 65–74 Jahre 1 Empfehlung). Bereits ab einem Punktwert von 1 bei Männern bzw. 2 bei Frauen kann die orale Antikoagulation Sc Weibliches Geschlecht 1 in Erwägung gezogen werden (Klasse-IIa-Empfehlung). Der EHRA-Score (oben) bemisst den individuellen Leidensdruck während Vorhofflimmern. Patienten mit einem Maximaler Score 9 hohen Leidensdruck (EHRA III oder IV) profitieren oftmals von einem rhythmuskontrollierenden Therapiekon- * Vorausgegangener Herzinfarkt, periphere arteri- zept (zum Beispiel durch eine antiarrhythmische Therapie bzw. Ablationsbehandlung). elle Verschlusskrankheit oder Aortenplaques. ischämietypische Erregungsrückbildungsstörun- tenziellen Risiko eines Schlaganfalls oder einer ler Episoden. Durch die therapeutische Leitungs- gen. Schon nach kurzer Zeit kommt es zu einer tachykardieinduzierten Kardiomyopathie schränkt verlangsamung kann es zu einer Regularisierung Normalisierung der hämodynamischen Situation, diese Herzrhythmusstörung bei vielen Patienten von Vorhofflimmern mit Konversion in Vorhof- die Patientin ist jetzt nahezu beschwerdefrei. die Lebensqualität in erheblichem Maße ein [2]. flattern kommen. Hier besteht bei gleichzeitig Laborchemisch kann eine diskrete Troponin- positiv dromotroper Wirkung die Gefahr einer erhöhung auf 224 ng/l sowie ein Anstieg des Im Rahmen der Therapieplanung ist zunächst die 1 : 1 AV-Überleitung (atrioventrikuläre Überlei- BNP-Wertes auf 682 ng/l (Referenzbereich < Indikation zur Einleitung einer oralen Antikoagula- tung) und damit auch das Risiko lebensbedrohlich 100 ng/l) nachgewiesen werden. tion gemäß dem CHA2DS2-VASC-Score (Tabelle 1) tachykarder Kammerfrequenzen. Daher sollte zu prüfen, unabhängig davon ob ein paroxysma- stets eine begleitende Therapie mit einem Beta- Im weiteren Verlauf wird eine umfassende in- les oder persistierendes Vorhofflimmern vorliegt. blocker erfolgen. Zudem können Antiarrhythmika, vasive und nichtinvasive Diagnostik der jetzt Im nächsten Schritt unterscheidet man zwischen insbesondere aber die Klasse-I-Antiarrhythmika durchwegs stabilen Patientin durchgeführt. Ko- einer rein „frequenzkontrollierenden Therapie“ auch proarrhythmogene Effekte bis hin zu ma- ronarangiografisch kann erneut eine stenosie- bei asymptomatischen Patienten (gegebenenfalls lignen ventrikulären Herzrhythmusstörungen, rende KHK ausgeschlossen werden. Im Verlauf orale Antikoagulantien – OAK – und Kontrolle der einhergehend mit einem plötzlichen Herztod, normalisiert sich die linksventrikuläre Funktion Herzfrequenz, zum Beispiel mittels Betablocker) verursachen. Dies ist insbesondere der Fall bei (LV-Funktion), sodass die zuvor hochgradig ein- versus einer „echten“ Rhythmuskontrolle des Vorliegen einer strukturellen Herzerkrankung [3] geschränkte Pumpfunktion am ehesten im Rah- Vorhofflimmerns bei symptomatischen Patienten, (zum Beispiel LV-Hypertrophie, signifikante koro- men einer Tachymyopathie gewertet wird. In falls diese nach Frequenznormalisierung nicht nare Herzerkrankung bzw. bei Zustand nach Myo- der elektrophysiologischen Untersuchung kön- beschwerdefrei sind. Der individuelle Leidens- kardinfarkt oder eingeschränkter LV-Funktion). nen keine anhaltenden supraventrikulären oder druck wird dabei über einen Score der European Eine Proarrhythmie bei strukturell herzgesunden ventrikulären Tachykardien induziert werden. Heart Rhythm Association (EHRA-Score I – IV) Patienten ist in seltenen Fällen ebenfalls möglich Die kardiale MRT-Untersuchung ist unauffällig. [2] ermittelt (Tabelle 1). Eine Rhythmuskontrol- [4]. Daher sollten bei Einleitung einer Flecainid- le kann medikamentös (durch Antiarrhythmika) Therapie bzw. Dosisänderung wiederholt EKG- Unter Zusammenschau der Gesamtsituation ergibt bzw. interventionell (durch eine Pulmonalvenen- Kontrollen durchgeführt werden. Bei einer Ver- sich das Bild einer ventrikulären Tachykardie, am isolation = PVI) erfolgen. Im vorliegenden Fall längerung der QRS-Dauer um mehr als 25 Prozent ehesten bei Proarrhythmie unter Flecainid-Therapie wurde bereits eine PVI durchgeführt. In manchen oder der PQ-Zeit um mehr als 50 Prozent bzw. bei strukturell herzgesunder Patientin. Bei einem Fällen ist jedoch eine Re-PVI erforderlich, um eine einer QT-Verlängerung auf mehr als 500 ms oder retrospektiven Abgleich der 12-Kanal-EKGs, vor effektive Rezidivprophylaxe sicherzustellen. Bei einer Zunahme schwerwiegender Herzrhythmus- und nach initiierter Flecainid-Therapie, lässt sich dieser Patientin wurde als alternative Option eine störungen sollte eine kritische Überprüfung der eine Zunahme der QRS-Dauer von 100 ms auf antiarrhythmische Therapie mit dem Klasse IC- Therapienotwendigkeit erfolgen. 140 ms (> 25 Prozent) bei unveränderter QTc-Zeit Antiarrhythmikum Flecainid eingeleitet. nachvollziehen. Die QTc-Zeit entspricht dabei der Im vorliegenden Falle wurde eine Ausdosierung frequenzkorrigierten QT-Zeit und wird durch die Flecainid ist ein langsam dissoziierender Na- des Klasse-I-Antiarrhythmikums auf die Maxi- Bazettformel berechnet. Aufgrund dessen wurde trium-Kanalblocker. Nach hepatischer Meta- maldosis mit einer erst post hoc nachgewiesenen Flecainid bereits bei der Aufnahme abgesetzt. Eine bolisierung zu inaktiven Metaboliten wird das Verlängerung der QRS-Dauer um ca. 25 Prozent Pulmonalvenen Re-Isolation bei initial erfolgrei- Medikament zu 95 Prozent renal ausgeschie- vorgenommen. Möglicherweise hätte dieser Ver- cher Ablationstherapie wird in Absprache mit dem den. Die Indikation umfasst supraventrikuläre lauf durch eine engmaschigere EKG-Kontrolle hausärztlichen Internisten geplant. Tachykardien (dabei insbesondere das Vorhof- mit Beurteilung der QRS-Dauer und vorzeitigem flimmern) sowie lebensbedrohliche ventrikuläre Absetzen des Medikaments abgewendet werden Diskussion Tachykardien. Bei Vorhofflimmern erfolgt die können. Alternativ hätte bei initial erfolgreicher Vorhofflimmern stellt die am häufigsten vor- Gabe als Dauertherapie zur Rezidivprophylaxe Ablationsbehandlung zunächst eine Pulmonal- kommende anhaltende Herzrhythmusstörung oder als Einmalgabe im Rahmen eines „pill in the venen Re-Isolation in Erwägung gezogen wer- dar [1]. Neben dem prognostisch relevanten po- pocket“ Prinzips zur Unterbrechung paroxysma- den können. 266 Bayerisches Ärzteblatt 6/2020
Titelthema Fall 2: „Todesursache COVID-19?“ – eine Notfallsituation Anamnese Ein 30-jähriger Patient wird während der COVID-19-Pandemie über den Rettungsdienst im Rahmen einer laufenden kardiopulmonalen Reanimation in den Schockraum unserer Kli- nik eingeliefert. Fremdanamnestisch habe er sich seit drei Tagen krank gefühlt. Die Mutter des Patienten berichtet, er habe die letzten Ta- ge über Husten, Diarrhoen und hohes Fieber (bis 40° C) jedoch nicht über Dyspnoe geklagt. Ca. 30 Minuten nach dem letzten Patientenkontakt wird dieser von der Mutter leblos auf dem Boden liegend vorgefunden. In der erweiterten Anamnese ist in der Familie ein Brugada-Syndrom (primär Abbildung 2 zeigt eine Brugada-EKG Typ I (A) und II (B). Typ I ist definiert durch einen pseudo-rechtschenkel- angeborene Kardiomyopathie) bekannt. Der Vater blockartigen QRS-Komplex mit konvexer ST-Hebung (> 0,2 mV, „coved type“) und T-Negativierung in V1–V2/ des Patienten wurde aufgrund dessen bereits mit V3 (A, Pfeile). Ein Typ II liegt bei einer sattelförmigen („saddleback“) ST-Hebung vor (B, Pfeile). Die Diagnose einem implantierbaren Kardioverter-Defibrillator eines Brugada-Syndroms darf nur bei Nachweis eines Typ I-EKGs gestellt werden. Bei Verdachtsfällen (zum Beispiel einem Typ II-EKG oder positiver Familienanamnese) sollte ein Ajmalintest zur Provokation eines (ICD) versorgt, ein Cousin des Patienten sei im Typ I-EKGs in einem spezialisierten elektrophysiologischen Zentrum durchgeführt werden. Die gezeigten Rahmen eines plötzlichen Herztodes verstorben. EKG-Veränderungen können im Verlauf stark variieren. Verlauf Aufgrund des jungen Alters wird der Patient un- ter fortgesetzten Reanimationsmaßnahmen über den herbeigerufenen Notarzt in den Schockraum ligner Herzrhythmusstörungen bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen im Verlauf bei initial verbracht. Hier zeigt sich nach ausgedehnten einem Brugada-Syndrom begünstigen kann [5]. asymptomatischen Patienten möglich ist. Es Reanimationsbemühungen eine Asystolie. Echo- gilt auch zu beachten, dass die typischen EKG- kardiografisch sind keine relevanten Rechtsherz- Beim Brugada-Syndrom handelt es sich um ei- Veränderungen oft undulierend auftreten und belastungszeichen als indirekter Ausdruck einer ne autosomal-dominant vererbte Ionenkanal- somit verkannt werden können. Fieber, Kokain Lungenembolie erkennbar (was diese nicht sicher erkrankung mit variabler Penetranz. Die Präva- bzw. die Gabe von Klasse-I-Antiarrhythmika ausschließt). Nach Reanimationsbemühungen lenz eines Brugada-typischen EKGs wird zwischen (zum Beispiel Ajmalin) können ein Brugada-EKG über eine Stunde Dauer, einem pH-Wert von 6,5 0,1 und 1 Prozent angegeben, wobei Männer erst als solches erkennbar machen bzw. eine und fehlendem ROSC (Return of spontaneous zwei bis neun Mal häufiger betroffen sind. Das Konversion von einem Brugada-Typ II-EKG zu circulation – Rückkehr eines Spontankreislaufes) Brugada-Syndrom ist eher selten [6]. Bei bis zu einem Brugada-Typ I-EKG bedingen (Abbildung 2). werden die Reanimationsmaßnahmen bei in- 30 Prozent der Patienten liegt ein Defekt des Diesen Effekt macht man sich im Rahmen eines fauster Prognose im Konsens eingestellt. Spä- SCN5A- und/oder SCN10A-Gens vor [7]. Aufgrund „Ajmalin-Tests“ zu Nutze, um die Diagnose zu ter finden sich laborchemisch deutlich erhöhte des hereditären Ionenkanaldefekts werden ins- untermauern. Prädiktoren für eine erhöhte Mor- D-Dimere, ein Kaliumwert bei 8,0 mmol/l, ein besondere die Transporteigenschaften der kar- talität sind vor allem Synkopen sowie der Nach- leicht erhöhtes Troponin sowie deutlich erhöhte dialen Natrium- und Kaliumkanäle beeinflusst, weis anhaltender ventrikulärer Tachykardien bzw. Transaminasen und LDH-Werte. Alle Parameter was die elektrischen Leitungseigenschaften des ein überlebter PHT. Prädiktoren zweiter Ordnung sind vermutlich im Rahmen der lang anhalten- ventrikulären Myokards (Heterogenität der Re- sind Vorhofflimmern, männliches Geschlecht so- den Reanimationsmaßnahmen zu werten. Das fraktärperiode benachbarter Myozyten) verän- wie eine positive Familienanamnese im Hinblick Drogenscreening ist negativ. dert. Dieser Umstand bildet zum Zeitpunkt der auf einen PHT. Die genetische Analyse liefert Repolarisation das Substrat für potenziell ma- zur Risikostratifizierung keine valide Aussage. Diskussion ligne ventrikuläre Herzrhythmusstörungen wie Auch die elektrophysiologische Untersuchung Die Todesursache des Patienten ist letztlich un- zum Beispiel Kammerflimmern. Phänotypisch wird kontrovers diskutiert, wobei die Induktion klar. Bei einem anamnestischen Hinweis auf ein können die ansonsten strukturell herzgesunden von malignen Kammertachykardien bei asymp- akutes Infektgeschehen, differenzialdiagnostisch Patienten entweder nur durch spezifische diag- tomatischen Patienten einen Hinweis auf ein bei COVID-19 (Fieber, Husten, Diarrhoe) erscheint nosebildende EKG-Veränderungen (Abbildung 2) erhöhtes PHT-Risiko geben kann [8]. ein respiratorisches Versagen als unmittelbare oder auch durch maligne ventrikuläre Herzrhyth- Todesursache unwahrscheinlich, da der Verlauf musstörungen einhergehend mit Synkopen und/ Bei Hochrisikopatienten sollte ein ICD implan- eher auf einen plötzlichen Herztod (PHT) hin- oder einem PHT imponieren. Wichtig ist daher tiert werden. Bei asymptomatischen Patienten deutet. Dieser könnte zum Beispiel infolge einer zwischen einem Brugada-typischen EKG ohne mit Brugada-typischen EKG-Veränderungen sind akuten infektassoziierten Myokarditis aufgetre- Klinik („Brugada pattern“) und einem Brugada- Verlaufsbeurteilungen sowie die Vermeidung von ten sein. Bei vorliegender Anamnese ist jedoch Syndrom zu differenzieren. Bei Letzterem kommt zum Beispiel Fieberspitzen im Rahmen eines In- noch eine weitere Differenzialdiagnose zulässig: es neben den typischen EKG-Veränderungen auch fekts durch eine frühzeitige antipyretische The- in der Familie des Patienten ist ein Brugada- zu malignen Kammertachykardien mit entspre- rapie sinnvoll. Ferner ist darauf zu achten, dass Syndrom anamnestizierbar. Dabei ist bekannt, chender Klinik. Der regelhaften Risikostratifi- diverse Medikamente kontraindiziert sind, da dass insbesondere hohes Fieber zum Beispiel im zierung kommt somit eine besondere Bedeu- hierdurch das Auftreten von Kammerflimmern Rahmen eines viralen Infekts das Auftreten ma- tung zu, da das Auftreten maligner ventrikulärer begünstigt werden kann. Daher sollte die Me- Bayerisches Ärzteblatt 6/2020 267
Titelthema dikation dieser Patienten kritisch geprüft wer- den (entsprechende Listen mit kontraindizierten Medikamenten sind ähnlich wie beim Long-QT- Syndrom im Internet verfügbar). Die Gabe von Chinidin hingegen kann die Rezidivhäufigkeit von Kammerflimmern minimieren und wird zum Beispiel bei rezidivierenden Schockabgaben durch einen ICD bei Brugadapatienten eingesetzt. Fa- milienangehörige ersten Grades müssen bei der Diagnose eines Brugada-Syndroms entsprechend evaluiert werden. Im genannten Fall zeigt sich im Nachgang die PCR bezüglich COVID-19 negativ. Dennoch be- steht die differenzialdiagnostische Möglichkeit Abbildung 3 (A) zeigt eine ca. 75-prozentige Stenose (Pfeil) der medialen LAD direkt hinter dem Abgang eines eines durch Fieber getriggerten PHT bei Brugada- kräftigen Diagonalastes. Nach Stentimplantation (B) findet sich ein gutes Primärergebnis (Pfeil). Normalerwei- Syndrom. Der Patient wurde soweit bekannt nicht se sollte bei Stenosen < 90 Prozent intraprozedural eine Druckdrahtmessung (FFR) vorgenommen werden, um als Hochrisikopatient identifiziert und daher nicht die hämodynamische Relevanz der Stenose zu beweisen. Aufgrund der Reanimationssituation und nachgewie- mit einem ICD versorgt. senen Wandbewegungsstörungen der Vorderwand ist hier eine direkte Stentimplantation jedoch gerechtfertigt. Fall 3: „Unerwartete Wendung“ – bei einer häufigen Behandlungs- situation Anamnese Ein 51-jähriger bis dato gesunder Patient stellt sich über den hausärztlichen Kollegen zur weiter- führenden stationären Abklärung am Rotkreuz- klinikum München vor. In den vergangenen zwei Tagen war es zu rezidivierenden Synkopen mit Verdacht auf eine rhythmogene Genese gekom- men. Anderweitige kardiovaskuläre Beschwerden werden verneint. Der Patient beklagt jedoch eine ausgeprägte Fatigue-Symptomatik. Verlauf Bei anamnestisch kurz aufeinanderfolgenden Abbildung 4 zeigt das kardiale MRT mit diffus fleckiger später Kontrastmittelaufnahme (late enhancement = Synkopen mit Verdacht auf rhythmogene Ge- weiße Flecken) als Ausdruck strukturell oder narbig veränderten Myokards insbesondere im Bereich der deut- lich hypertrophierten linksventrikulären Wand. Pfeile = late enhancement (hell, fleckig); * = Perikarderguss (hel- nese wird der Patient zunächst telemetrisch ler Saum); LA = linkes Atrium; RA = rechtes Atrium; LV = linker Ventrikel, RV = rechter Ventrikel. überwacht. Echokardiografisch zeigt sich eine mittelgradig eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion sowie eine deutliche konzentri- sche Hypertrophie mit angedeuteten Wandbewe- gungsstörungen der Vorderwand. Stunden nach förmigen „late enhancement“ zeigt (Abbildung 4). cherungen im Bereich der dorsalen Harnblasen- der Aufnahme kommt es plötzlich zu Kammer- Auch im Verlauf kommt es wiederholt zu poly- wand sowie multiple disseminierte pulmonale flimmern, der Patient wird erfolgreich reanimiert. morphen Kammertachykardien woraufhin ei- und auch subkutane Noduli. Dabei ist das ganze Es erfolgt eine notfallmäßige Herzkatheterun- ne Aufsättigung mit Amiodaron und bei jetzt Integument des Patienten knotig durchsetzt. tersuchung. Hier wird eine höhergradige Stenose rhythmusstabiler Situation eine ICD-Implanta- Histopathologisch wird jeweils ein mesenchyma- der medialen LAD („left anterior descending“; tion erfolgt. Ferner wird eine kathetergestützte les Malignom mit aberranter Keratinexpression, „Ramus interventricularis anterior“) mit einem Myokardbiopsie aus dem linken Ventrikel ent- differenzialdiagnostisch ein epitheloides Sarkom Drug-Eluting-Stent (DES) versorgt (Abbildung 3). nommen. In der initialen immunhistologischen nachgewiesen. In der Nachbefundung der myo- Zunächst könnte somit von einer häufigen Be- Begutachtung zeigen sich Hinweise auf eine fo- kardialen Histologie kann nun auch kardial ein handlungssituation im Sinne einer arrhythmogen kal granulomatöse Entzündung mit aktivierten entsprechender Befund erhoben werden. Nach bedingten Synkope bei Vorderwandischämie aus- Makrophagen und T-Lymphozyten, sodass jetzt kurzem Krankheitsverlauf verstirbt der Patient gegangen werden. Allerdings wird angezweifelt, von einer kardialen Sarkoidose ausgegangen und im Rahmen einer Palliativsituation. ob die gezeigte Stenose tatsächlich für die poly- mit einer Prednisolon-Therapie begonnen wird. morphen Kammertachykardien verantwortlich ist. Diskussion Aufgrund dessen wird eine ergänzende kardiale Innerhalb von vier Wochen verschlechtert sich Zusammenfassend findet sich ein metastasiertes MRT-Diagnostik geplant, welche eine diffuse der Allgemeinzustand des Patienten dramatisch. Malignom mit intramyokardialer Beteiligung. Hypertrophie des Myokards mit früher Kontrast- Neben einer progredienten Herzinsuffizienz fin- Bei Aufnahme dominieren die kardialen Symp- mittelaufnahme und einem ubiquitären punkt- den sich nun polypoide malignomsuspekte Wu- tome. Die eigentliche Ursache wurde anfäng- 268 Bayerisches Ärzteblatt 6/2020
Titelthema Metastasierung nachgewiesen werden. Vor dem Das Wichtigste in Kürze Hintergrund einer malignen Erkrankung mit in dieser Konstellation geringer Lebenserwartung Der erste Fall verdeutlicht, dass die medikamentöse antiarrhythmische Therapie trotz techni- (< 1 Jahr) ist im Nachhinein die ICD-Implantation scher Neuerungen in der Kardiologie weiterhin eine wichtige Rolle mit entsprechender Trag- kritisch zu bewerten. Diese erfolgte allerdings in weite einnimmt. Dies beinhaltet insbesondere auch potenzielle therapieassoziierte Kompli- Unkenntnis der metastasierenden Tumorerkran- kationen. kung und infausten Prognose. Bei der koronaren Eingefäßerkrankung handelt es sich am ehesten Der zweite Fall zeigt, dass eine umfassende Risikostratifizierung gerade bei jungen Patienten um einen nicht relevanten „Bystander“. mit Familienanamnese eines plötzlichen Herztodes von großer Bedeutung ist, diese jedoch nicht immer einen fulminanten Verlauf verhindert. Das Literaturverzeichnis kann im Internet unter www.bayerisches-aerzteblatt.de Der dritte Fall demonstriert, wie sich eine komplexe Systemerkrankung hinter dem Bild einer (Aktuelles Heft) abgerufen werden. häufigen kardiologischen Behandlungssituation verbergen kann. Der Autor erklärt, dass er keine finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten hat, deren Interessen vom Manuskript po- lich verkannt, da eine häufige Behandlungs- Herz-MRT der eigentliche Mechanismus für die sitiv oder negativ betroffen sein könnten. situation „ventrikuläre Herzrhythmusstörung bei malignen Herzrhythmusstörungen aufgezeigt. myokardialer Ischämie“ differenzialdiagnostisch Bei ausgeprägter Hypertrophie sowie einem dif- abbildbar ist. fusen „late enhancement“ kommen neben einem Malignom differenzialdiagnostisch insbesondere Primäre Herztumoren sind insgesamt selten, das die Sarkoidose aber auch Speichererkrankungen Autor gutartige intrakavitär wachsende Myxom stellt wie die kardiale Amyloidose, Hämochromatose hier gefolgt vom papillären Fibroelastom die oder ein Morbus Fabry in Betracht. Ferner stellt Professor Dr. Christian von Bary häufigste Entität dar [9]. Zu den malignen Er- die hypertrophe Kardiomyopathie als hereditäre krankungen des Herzens zählt das Sarkom sowie Erkrankung eine wichtige Differenzialdiagnose bei Chefarzt, Medizinische Klinik I, weit häufiger eine myokardiale Metastasierung, linksventrikulärer Hypertrophie dar. Bei progre- Rotkreuzklinikum München – die bei einem von fünf Patienten, welche an dienter Herzinsuffizienz und malignen Rhythmus- Akademisches Lehrkrankenhaus der einem Krebsleiden versterben, im Rahmen der störungen ist die Myokardbiopsie zur Diagnosesi- Technischen Universität München, Obduktion gefunden wird [10]. Diese kann bei cherung angezeigt. Erst durch den dramatischen Tel. 089 1303-2501, Fax 089 1303-2508, zunächst rein kardialen Symptomen unentdeckt Krankheitsverlauf mit Nachweis eines mesenchy- E-Mail: christian.vonbary@swmbrk.de bleiben. Im vorliegenden Fall wird erst durch das malen Tumors konnte hier auch eine myokardiale Anzeige R E C H N U N G PRIVATAB I N B AY E R N EIN STARKER PARTNER IN SCHWIERIGEN ZEITEN. idität lt es, Ihre Liqu Gerade jetzt gi de r weitergehen zu sichern. Fü uns an! PVS bayern | Arnulfstr. 31 | 80636 München sprechen Sie Informationen Tel. 089 2000 325-10 | Fax 089 2000 325-95 info-bayern@ihre-pvs.de | pvsbayern.de
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