Was ist ein "guter Arzt"?
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ZWISCHEN SAMARITERTUM UND ÖKONOMIE Was ist ein „guter Arzt“? Fachexperte oder Menschenfreund, Unternehmer oder Altruist? Auf die Frage, was einen guten Arzt ausmacht, gibt es keine eindeutige Antwort. Trotzdem stellt sie sich jeder Arzt irgendwann. er Mann ist übel zugerichtet. eine Praxis hat, ist außerdem noch sehen oder die Verdienstmöglich- D Hilflos liegt er am Boden, kann sich nicht mehr bewegen. Unternehmer und Arbeitgeber. Was ist ein guter Arzt? Wenn keiten seien sekundär. „Viele stu- dieren Medizin, weil sie später gute Zwei Leute sind an ihm vorbeige- man diese Frage stellt, „setzt man Ärzte werden wollen“, sagt er. Als gangen, ohne ihn zu beachten. „Das sich der Lächerlichkeit aus“. Das Eigenschaften eines guten Arztes ist mein Ende“, denkt er. Aber da schreibt der Psychiater Prof. Dr. werden genannt: empathisch sein, kommt nun doch noch einer, der med. Dr. phil. Klaus Dörner in sei- zuhören, kompetent sein. ihm hilft. Der Fremde nimmt ihn nem Buch „Der gute Arzt“. Dabei Nach Jurkats Einschätzung spie- auf seinem Esel mit in eine Herber- ist er sich sicher: Jeder Arzt denkt len auch negative Vorerfahrungen ge und versorgt die Wunden. Weil darüber nach. „Das wissen wir alle mit Ärzten bei den Studierenden ei- er am nächsten Tag weiterreisen voneinander.“ Doch das geschehe ne Rolle. Daraus resultiere der muss, hinterlässt „der barmherzige im Stillen. Dörner glaubt nicht, dass Wunsch, es einmal besser machen Samariter“ sogar noch Geld, damit man je eine abschließende Defini- zu wollen. „Dadurch bringt man der Wirt die Pflege übernimmt. tion des guten Arztes finden wird. sich natürlich ganz schön unter Nächstenliebe und Humanität: Doch er ermutigt dazu, die Frage Druck“, betont Jurkat. Studien bele- Solche Begriffe passen zu Ge- danach zu stellen. Die Frage nach gen: Die Depressionsrate bei Ärz- schichten, die ans Herz gehen. Für der eigenen Einstellung, Haltung ten am Beginn des Berufslebens ist das Gesundheitswesen scheinen sie und den daraus entstehenden Hand- höher als bei der gleichaltrigen All- keine Rolle zu spielen. In einem lungen. Und nach der Motivation. gemeinbevölkerung. „Das liegt si- System, in dem sich Wörter wie Ef- cher auch an dem überdurchschnitt- fizienz und Wirtschaftlichkeit einen Medizinstudenten haben lichen Idealismus, den Ärzte im festen Platz erobert haben, wirken meistens idealistische Motive Vergleich zu anderen Berufsgruppen sie wie Fremdkörper. Nie zuvor Warum studieren Sie Medizin? Das haben“, ist Jurkat überzeugt. Natür- konnte die Medizin so viel Gutes fragt Priv.-Doz. Dr. biol. hom. Ha- lich spielen aber auch der Zeitdruck bewirken. Nie zuvor wurde sie aber rald Jurkat die Studierenden in Gie- und die mangelnde Wertschätzung auch von Patienten so hinterfragt. ßen. Der Psychologe leitet am durch Vorgesetzte eine Rolle. Vielen Menschen erscheint sie Fachbereich Medizin der dortigen Das Bild vom idealen Arzt ver- sachlich, kühl und technisch. Die Universität die Berufsfelderkun- ändert sich im Laufe der Berufs- Ärzte stehen irgendwo dazwischen. dung und ist in der Klinik für Psy- tätigkeit. Für Berufseinsteiger steht Sie sollen Fachexperten, zugleich chosomatik und Psychotherapie tä- zunächst einmal die Kompetenz Menschenfreunde sein und dabei tig. Seine Erfahrung: Die Studenten in Diagnostik und Therapie im möglichst sparsam mit dem Geld haben in erster Linie idealistische Vordergrund. Je länger die Ärzte der Krankenkassen umgehen. Wer Motive. Das gesellschaftliche An- tätig sind, desto häufiger werden A 2758 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2011
THEMEN DER ZEIT neuesten Stand ist. Befragt wurden für die Studie Patienten in Hausarzt- praxen. Die Ergebnisse seien aber auch auf Facharztpraxen und Kran- kenhäuser übertragbar, erläutert Prof. Dr. med. Dipl.-Soz. Joachim Szecsenyi vom AQUA-Institut. Patienten wollen die Aufmerk- samkeit ihres Arztes. Sie wollen ihm vertrauen können – besonders wenn sie sich in einer Situation aus- geliefert und hilflos fühlen. Ärzte Illustrationen: Kees de Kort werden immer einen Wissensvor- sprung haben. Zugleich findet ihre Arbeit aber unter Zeitdruck statt. Dörner will dies als Ausrede jedoch nicht gelten lassen. Man solle dem menschliche Zuwendung und kom- „Primum non nocere“ vereinbar – Patienten die volle Aufmerksamkeit munikatives Geschick genannt. Das dem Patienten zunächst einmal schenken, auch wenn man nur fünf hat der Psychologe Jurkat in mehre- nicht schaden. Minuten Zeit habe. Er warnt vor der ren empirischen Untersuchungen Und was sagen die Patienten? Ih- Trennung „sprechender“ und „han- herausgefunden. Den Anspruch der nen ist vor allem eins wichtig: Zeit. delnder“ Medizin. Eine Gefahr Patienten empfinden die Ärzte als Sie wünschen sich einen Arzt, der sieht er darin, den Patienten einfach hoch, besonders die Erwartung, Zeit hat, zuzuhören und zu erklären. auszufragen. „Dann erfahre ich „allzeit bereit“ zu sein. Ärzte mit Das ist das Ergebnis einer europä- nicht seine, sondern meine Wahr- längerer Berufserfahrung gaben ischen Studie, an der vor einigen heit“, so Dörner. Der Frankfurter häufiger als jüngere Kollegen an, es Jahren das Institut für angewandte Chirurg Dr. med. Bernd Hontschik sei wichtig, Grenzen zu setzen. Qualitätsförderung und Forschung gibt jedoch in seinem Buch „Kör- Wenn Berufseinsteiger die Arbeit im Gesundheitswesen (AQUA-In- per, Seele, Mensch“ zu bedenken: in der Klinik beginnen, fehlt es stitut) beteiligt war. Weitere Krite- „Nachdem aber die Ärzte zu Tech- nicht an guten Vorsätzen. Trotzdem rien: Die Patienten möchten mög- nikern erzogen wurden, wie können werden manchmal aus motivierten lichst schnell einen Termin bekom- sie nun als Ärzte handeln?“ Absolventen in wenigen Jahren men – insbesondere, wenn es sich ausgebrannte Zyniker. Viele Ärzte um etwas handelt, das aus ihrer Patienten wollen heutzutage gewöhnen sich Dinge wieder ab, Sicht dringlich ist. Sie legen außer- mitentscheiden die sie einmal richtig fanden – zum dem Wert darauf, dass die Vertrau- Wenn es einen annähernd objekti- Beispiel die ausführliche Anamne- lichkeit gewahrt bleibt. Die Patien- ven Maßstab für den guten Arzt se. Der US-amerikanische Kardio- ten wollen, dass der Arzt ihnen gibt, dann sicher die Fachkompe- loge und Friedensnobelpreisträger verständlich sagt, was ihnen fehlt. tenz. Die meisten anderen Kriterien Prof. Dr. Bernard Lown findet das Und selbstverständlich erwarten sie, beziehen sich auf das Arzt-Patien- fatal. In seinem Buch „Die verlore- dass der Arzt fachlich auf dem ten-Verhältnis. Das kann man in ne Kunst des Heilens“ schreibt er: drei Modelle einteilen*: Etwa 75 Prozent der Diagnosen ● paternalistisches Verhältnis: kann man durch eine gute Anamne- väterlich-fürsorglich; der Arzt ist se stellen, weitere zehn Prozent THESEN ZUM GUTEN ARZT der überlegene Experte. Er ent- nach einer körperlichen Untersu- scheidet für den Patienten zu dessen chung. „Die Anamneseerhebung ist ● Es ist relativ leicht, Arzt zu werden, aber schwer, ein (vermeintlichem) Besten. der wichtigste Aspekt des Arzt- guter Arzt zu sein. ● Partnerschaftsmodell: Der Arzt seins“, meint er. Doch in der tägli- ● Es ist nicht leicht zu bestimmen, was einen guten Arzt begleitet und berät den Patienten chen Arbeit wird sie zunehmend ne- ausmacht – es ist nicht nur das Wissen und Können, und hilft ihm, zu einer eigenen Be- bensächlich. Hier regieren die Tech- sondern die Haltung. wertung zu kommen. Bei anhalten- nik und das Spezialwissen. „Da es ● Die Haltung eines guten Arztes lässt sich am besten dem Dissens respektiert er die Pa- unökonomisch ist, viel Zeit mit mit der Orientierung am Wohl des Patienten charakteri- tientenentscheidung. dem Patienten zuzubringen, wird sieren (salus aegroti suprema lex). ● Konsumentenmodell: sachlich; die Diagnose mittels Ausschlusskri- ● Die Kunst, ein guter Arzt zu werden, besteht in dem der Arzt ist in erster Linie der tech- terien gestellt“, bemängelt Lown. permanenten Bemühen, dieses Ideal zu verwirklichen. nische Experte. Entscheidungen lie- Mit diesem Vorgehen wollen sich ● Jeder, der ein guter Arzt sein will, muss seinen eigenen gen allein beim Patienten. ► die Ärzte auch juristisch absichern. Stil finden. Gute Ärzte sind Unikate. Allerdings ist eine solche Medizin nach von Troschke: „Die Kunst, ein guter Arzt zu werden“ * in Anlehnung an: Schöne-Seifert, nicht immer mit dem Grundsatz Skript Einführung in die Medizinethik Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2011 A 2759
THEMEN DER ZEIT „Jedes dieser Modelle hat in be- ist der Arztberuf etwas Besonderes. stimmten Situationen seine Berech- Zumindest ist in der Bevölkerung tigung“, sagt Prof. Dr. med. Bettina die Annahme verbreitet, dass Ärzte Schöne-Seifert, Institut für Ethik, den hippokratischen Eid schwören. Geschichte und Theorie der Medi- Vermutlich hat das weniger mit zin, Universität Münster. Zum Bei- dem Eid selbst zu tun, dessen Inhalt spiel könne in Notfallsituationen kaum bekannt sein dürfte. Darin das paternalistische Verhältnis drückt sich eher der Wunsch aus, durchaus erforderlich sein. In ande- dass es ein ärztliches Ethos gibt. ren Fällen habe auch das Konsu- „Und ich halte es auch für berech- mentenmodell seine Berechtigung, tigt, wenn die Öffentlichkeit sich etwa wenn nur eine kleine Warze das Bekenntnis zu einer bestimmten am Nasenflügel entfernt werden ärztlichen Grundhaltung wünscht“, soll. Bei dem Begriff Konsumen- betont Schöne-Seifert. tenmodell geht es im Übrigen nicht Eine Art Eid ist das Genfer Gelöb- in erster Linie darum, dass der Pa- nis des Weltärztebundes von 1948, tient Behandlungen bezahlt. Ent- das bereits mehrfach überarbeitet scheidend ist, dass der Arzt als rei- wurde. In einer modifizierten Form ner Fachexperte aufgesucht wird. wurde es in die (Muster-)Berufsord- Das kann auch bei bestimmten nung aufgenommen (siehe Kasten). Konsiliaruntersuchungen gelten. Der barmherzige rück. Doch das Bild verändert sich Persönlich leisten muss man es „Dann wünscht und erwartet nie- Samariter ist zwar auch mit dem Zeitgeist. Ein Bei- nicht, doch es enthält zentrale ärztli- mand, dass der Arzt ein enger Ver- kein Arzt, aber sein spiel: Die Gesellschaft geht heute che Grundsätze. Gleiches gilt für die Handeln steht für trauter wird“, meint Schöne-Seifert. anders mit Kindern um als noch vor Berufsordnung. Verankert ist hier die Mitmenschlichkeit. In vielen Situationen stehen die 100 Jahren. Entsprechend erwartet Pflicht zu Verschwiegenheit, Aufklä- drei Modelle zur Auswahl. „Wenn es man von Ärzten, dass sie Kinder rung und Fortbildung. Ärzte sollen um tiefgreifende Entscheidungen, respektvoll behandeln. Die Vorstel- ihr Handeln am Wohl des Patienten schwerwiegende Diagnosen und ei- lung von gutem ärztlichen Handeln ausrichten. Sie dürfen bei ärztlichen ne langfristige Behandlung geht“, hängt also vom Menschenbild einer Entscheidungen keine Weisungen sagt Schöne-Seifert. Dann wird heu- Gesellschaft ab. „Die Frage nach von nichtärztlichen Dritten anneh- te mehrheitlich das partnerschaftli- dem guten Arzt hat im Endeffekt men. Schließlich geht es in der Be- che Modell als Ideal gesehen. Der auch mit der Frage danach zu tun, rufsordnung um Integrität: „Der Arzt soll den Patienten ernst neh- was man generell als guten und res- ärztliche Beruf ist kein Gewerbe.“ men. Dieser hat das Recht, den Sach- pektvollen Umgang miteinander verhalt so gut wie möglich zu verste- ansieht“, erläutert Schöne-Seifert. Ärztliche Haltung: Kein Thema hen und ohne Druck zu entscheiden. Die Gesellschaft debattiert nicht für die Medizinethik? Gesellschaftliche Grundvorstel- regelmäßig darüber, was ein guter Im Alltag spielt die Frage nach dem lungen bestimmen das Arztideal. Mensch ist. Analog findet im Ge- ärztlichen Ethos kaum eine Rolle. Hierzulande gehen sie auf christli- sundheitswesen keine Diskussion Die Medizinethik beschäftigt sich che und humanistische Werte zu- über den guten Arzt statt. Trotzdem meist mit den „großen“ Themen wie Sterbehilfe, Hirntod oder Gendia- gnostik. Darauf weist der Psychiater Dörner hin. „Es stimmt, dass man GELÖBNIS AUS DER BERUFSORDNUNG das Thema ärztliche Grundhaltung manchmal aus dem Auge verliert“, Bei meiner Aufnahme in den ärztlichen Berufs- ner ärztlichen Pflichten keinen Unterschied ma- räumt Schöne-Seifert ein. Das liege stand gelobe ich, mein Leben in den Dienst der chen, weder aufgrund einer etwaigen Behinde- vermutlich daran, dass die anderen Menschlichkeit zu stellen. rung noch nach Religion, Nationalität, Rasse „großen“ Fragen besonders strittig Ich werde meinen Beruf mit Gewissenhaftig- noch nach Parteizugehörigkeit oder sozialer Stel- seien. Als Hochschullehrerin weiß keit und Würde ausüben. lung. sie aber auch: „Es ist nicht einfach, Die Erhaltung und Wiederherstellung der Ge- Ich werde jedem Menschenleben von der Tugenden an der Universität zu leh- sundheit meiner Patientinnen und Patienten Empfängnis an Ehrfurcht entgegenbringen und ren.“ Problematisch findet sie es, soll oberstes Gebot meines Handelns sein. selbst unter Bedrohung meine ärztliche Kunst wenn Dozenten Studierende unter Ich werde alle mir anvertrauten Geheimnis- nicht in Widerspruch zu den Geboten der dem Deckmantel der Tugendver- se auch über den Tod der Patientin oder des Pa- Menschlichkeit anwenden. mittlung zu bestimmten ethischen tienten hinaus wahren. Ich werde meinen Lehrerinnen und Lehrern Positionen in kontroversen Fragen Ich werde mit allen meinen Kräften die Ehre sowie Kolleginnen und Kollegen die schuldige lenken. Tatsächlich kann man über und die edle Überlieferung des ärztlichen Beru- Achtung erweisen. Dies alles verspreche ich auf Tugenden eher auf einer theoreti- fes aufrechterhalten und bei der Ausübung mei- meine Ehre. schen Ebene sprechen, vielleicht ei- nen Reflexionsprozess in Gang brin- A 2760 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2011
THEMEN DER ZEIT gen. „Am Ende lernt man Tugend aber durch eigenes Tätigsein“, meint DAS SAGEN DIE ÄRZTE Schöne-Seifert. Entscheidend dabei seien vor allem positive Vorbilder. Gute Ärzte und Ärztinnen verfügen über sehr gute Kennt- Aber wie sieht ein solches Vor- nisse und Wissen. Sie sind belastbar, bereit Verantwortung bild aus? Steht am Ende doch der zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen, sich dabei „Halbgott in Weiß“? Fachlich her- aber ihrer Grenzen wohl bewusst. Vor allem sind sie em- vorragend, immer den richtigen Ton pathisch und stellen den Patienten in den Mittelpunkt. Sie treffend, stets kollegial, freundlich zeichnen sich durch hohe Lernbereitschaft aus und haben und empathisch. Man kann von Spaß an dem, was sie tun. Ärzten nicht erwarten, Übermen- Katharina Kulike (27), Assistenzärztin Chirurgie, Berlin schen zu sein. Auch sie machen Fehler. Häufiger als andere Berufs- gruppen sind sie in fachlich oder Ein Arzt soll sein Handwerk beherrschen, also den gesunden emotional schwierigen Situationen. und kranken Körper genau kennen. Als kritischer Diagnosti- Die Medizinethikerin Schöne-Sei- ker und optimistischer Therapeut begegnet er dem Kranken fert gibt zu bedenken: „Der Scha- mit Empathie und Offenheit, um ihn als individuellen Men- den, den Ärzte anrichten können, schen zu verstehen. Wünschenswert zudem: über den eige- wenn sie Charakterschwächen ha- nen fachlichen und geografischen Tellerrand hinaussehen ben, ist tendenziell größer als bei und sich für das fremde Leid engagieren. vielen anderen Berufen.“ Darüber Dr. med. Tankred Stöbe (42), Ärzte ohne Grenzen, Berlin müssten sich Ärzte bei der Wahl ih- res Berufes und Arbeitsfeldes klar sein. Verfüge ein Arzt über wenig Ärzte haben heutzutage einen enorm hohen Verwal- Empathiefähigkeit, habe das andere tungsaufwand. Dies macht es oft schwer, ethische Folgen als bei einem Informatiker. Grundsätze mit betriebswirtschaftlicher Rentabilität in Der Psychologe Jurkat spricht Einklang zu bringen. Für mich ist ein Arzt deshalb dann mit seinen Studenten über ihr Bild ein guter Arzt, wenn bei ihm – trotz aller Widrigkeiten – vom Arztberuf – auch über den Heilung und Fürsorge sowie Menschlichkeit im Mittel- „Halbgott in Weiß“ und die Proble- punkt stehen. Als Schönheitschirurg heißt dies für mich, me, die er mit sich bringt. Er will dass man einen Patientenwunsch auch einmal nicht er- vermitteln: Man muss nicht perfekt füllt, wenn dieser mit den eigenen ethischen Vorstellun- und unfehlbar sein. Vielmehr ermu- gen nicht übereinstimmt. tigt er dazu, eigene Grenzen zu ken- Dr. med. Karsten Sawatzki (48), plastisch-ästhetischer Chirurg, nen – fachlich, körperlich und psy- München chisch. Man solle sich und dem Pa- tienten gegenüber achtsam sein. Das sei eine Voraussetzung dafür, Ein „guter“ Arzt besitzt nicht nur eine hohe fachliche Kom- ein guter Arzt zu sein. petenz und Talent zur intensiven Kommunikation, sondern, Am Ende bleiben alle Definitio- dies vor allem, Menschenliebe. Er wird in einem Kranken nen dehnbar. „Aber wir wollen ja niemals den „Kunden“ sehen, sondern den leidenden auch kein einheitliches Arztbild. Menschen, dessen Vertrauen er sich – auch unter den Ärzte sind verschieden – wie die schwierigen Bedingungen des Gesundheitssystems – Menschen“, sagt Schöne-Seifert. würdig erweisen muss. Doch für die Medizinethikerin gibt Dr. med. Marianne Koch (80), Internistin und Medizinjournalistin, es einen Kern, eine Haltung – ein Tutzing Bewusstsein darüber, wie viel Ver- antwortung für andere man in die- sem Beruf trägt. Diese „Tugend- Ein guter Arzt ist fähig und bereit, sich als Person auf eine haftigkeit“ ist für sie beileibe kein zugewandte, vertrauensvolle Beziehung mit dem Patienten verstaubter Begriff. Die Forderung einzulassen, sich selbst dabei aber ständig zu beobachten danach sollten die Ärzte nicht als und zu hinterfragen. Belastung, sondern Herausforde- Prof. Dr. med. Stefan Wilm (52), Allgemeinarzt, Köln rung und Bereicherung sehen. „Das zu entwickeln, ist es ja gerade, was den guten und richtigen Umgang mit Menschen ausmacht.“ ▄ video.aerzteblatt.de Dr. med. Birgit Hibbeler Was denken die Patienten? Wir haben Passanten in Berlin befragt: www.aerzteblatt.de/video48432 @ Literatur im Internet: www.aerzteblatt.de/lit5111 A 2762 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2011
THEMEN DER ZEIT LITERATURVERZEICHNISS HEFT 51–52/2011, ZU: ZWISCHEN SAMARITERTUM UND ÖKONOMIE Was ist ein „guter Arzt“? Fachexperte oder Menschenfreund, Unternehmer oder Altruist? Auf die Frage, was einen guten Arzt ausmacht, gibt es keine eindeutige Antwort. Trotzdem stellt sie sich jeder Arzt irgendwann. LITERATUR 1. Dörner K: Der gute Arzt. Stuttgart: Schat- tauer 2001. 2. Lown B: Die verlorene Kunst des Heilens – Anleitung zum Umdenken. Berlin: Suhr- kamp 2004. 3. Simon S (Hrsg): Der gute Arzt im Alltag – Anleitung zur ärztlichen Grundhaltung in Klinik und Praxis. Köln: Deutscher Ärzte- Verlag 2005. 4. von Troschke J: Die Kunst, ein guter Arzt zu werden. Bern: Verlag Hans Huber 2004. 5. Hontschik B: Körper, Seele, Mensch – Ver- such über die Kunst des Heilens, Berlin: Suhrkamp 2006.
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