Weniger Non-COVID-19-Notfälle - Deutsches Ärzteblatt
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THEMEN DER ZEIT Foto: vm/iStock Notaufnahme während der Coronapandemie Weniger Non-COVID-19-Notfälle Eine Analyse der Daten zweier Notaufnahmen und des Rettungsdienstes in Leipzig zeigt: Die Zahl der Non-COVID-19-Notfallpatienten hat sich in diesem Frühjahr teils deutlich reduziert. Vor allem traumatologische Fälle gingen zurück. Intensivstationäre Aufnahmen stiegen jedoch an. Alexandra Ramshorn-Zimmer, Johannes Fakler, Ralph Schröder, Robert Stöhr, Elisabeth Kohls, André Gries E rstmalig im Dezember 2019 in Entgegen Beobachtungen im der COVID-19-Pandemie systema- Zentrale Notaufnahme/ der Millionenstadt Wuhan der Ausland, zum Beispiel in Italien tisch zu erfassen und zu analysieren. Beobachtungsstation chinesischen Provinz Hubei und den USA (11), wurden aus den Auf regionaler Ebene wurden da- Universitätsklinikum Leipzig: Dr. med. aufgetreten, kam es innerhalb weni- Notaufnahmen deutscher Kliniken für Patientendaten der Zentralen Ramshorn-Zimmer, ger Wochen zu einer weltweiten Aus- allerdings rückläufige Patienten- Notaufnahme des Universitätsklini- Prof. Dr. med. Gries breitung des SARS-CoV-2-Virus zahlen berichtet (12, 13) und medi- kums Leipzig (ZNA UKL), der Zen- Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Unfallchi- (1–3). Mit dem Ausbruch in Italien zinische Fachgesellschaften warn- tralen Notaufnahme des Evange- rurgie und Plastische (4, 5) war die Coronaepidemie in der ten vor möglichen Verzögerungen lisches Diakonissenkrankenhauses Chirurgie, Universitäts- zweiten Februarhälfte in Europa und notwendiger Behandlungen (14, Leipzig (ZNA DIAKO), einem klinikum Leipzig: Priv.- Doz. Dr. med. Fakler damit auch in Deutschland angekom- 15). Gleichzeitig blieb der erwarte- Krankenhaus der Grund- und Regel- Branddirektion Leipzig: men, wo wenige Tage später ein te Zustrom von COVID-19-Patien- versorgung, sowie Einsatzdaten des Dr. med. Schröder sprunghafter Anstieg der Fallzahlen ten in der befürchteten Größenord- städtischen Rettungsdienstes Leip- Evangelisches Diako- (6, 7) zu verzeichnen war. In den nung aus und weitestgehend auf zig (16) retrospektiv, anonymisiert nissenkrankenhaus Leipzig: Dr. med. Stöhr deutschen Krankenhäusern wurden einzelne Regionen beschränkt. und aggregiert untersucht. Im Zeit- Klinik und Poliklinik für umfangreiche Vorbereitungen und Ziel der vorliegenden Studie ist raum des Auftretens erster SARS- Psychiatrie und Psycho- Maßnahmen für ein hohes Aufkom- es, in einem städtischen Bereich die CoV-2-Fälle und des im Rah- therapie, Medizinische Fakultät Universität men an auch schwerkranken Patien- Inanspruchnahme prä- und innerkli- men der Allgemeinverfügung vom Leipzig: Dr. med. Kohls ten mit COVID-19 ergriffen (8–10). nischer Notfallstrukturen während 22. März 2020 (17) erlassenen um- Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 24 | 12. Juni 2020 A 1201
THEMEN DER ZEIT fassenden Kontaktverbots wurden Die Datenerhebung erfolgte nach tientenzahlen kam es in der ZNA vom 15. Februar bis zum 19. April Zustimmung durch den Leiter der DIAKO mit Eintreten der Allge- 2020 die Daten konsekutiv erfasst Stabstelle Datenschutz des Univer- meinverfügung zu einer geringer und mit denen des entsprechenden sitätsklinikums Leipzig. Durch die ausgeprägten Fallzahlreduktion mit Vorjahreszeitraums verglichen. Die- Branddirektion Stadt Leipzig wur- einem Maximum in der KW 16 ser Zeitraum entspricht den Kalen- den für den Untersuchungszeitraum (374 versus 436, –14,2 %) (siehe derwochen (KW) 7 bis 16. die Einsatzzahlen der Gebietskör- Grafik 1). Bei der Erhebung der Daten aus perschaft Leipzig der Notfallret- In der ZNA UKL konnte insbe- den Zentralen Notaufnahmen wur- tung sowie des Krankentransports sondere ein Rückgang traumatolo- den neben den Gesamtpatienten- anonymisiert und ohne Patienten- gischer Patienten beobachtet wer- zahlen die Patientencharakteristika oder Mitarbeiterbezug zur Verfü- den (2 374 versus 3 006, –21,0 %; (Geschlecht, Alter), die Einwei- gung gestellt. Darüber hinaus er- p = 0,017) mit einem maximalen sungsart (Notarzt, Rettungsdienst, folgte die Analyse der Einsatz- und Rückgang in der KW 13 (148 ver- Selbsteinweiser, Facharztzuweisung), Alarmierungsgründe über den Ge- sus 313, –52,7 %), das heißt in un- die Fachrichtung (traumatologisch, samtzeitraum. mittelbarem zeitlichen Zusammen- nicht traumatologisch), die Fallart hang mit der zuvor erlassenen All- (ambulant, stationär, intensivstatio- Reduktion der Patientenzahlen gemeinverfügung. Auch bei den när) sowie die Behandlungsdring- Bei initial vergleichbarem Patien- nicht traumatologischen Patienten lichkeit nach dem Leipziger Triage- tenaufkommen kam es im Untersu- war ein Rückgang der Patientenzah- system (LeiTs) erfasst. Zudem un- chungszeitraum 2020 mit dem Auf- len zu verzeichnen (2 943 versus tersuchten wir die zur Einweisung treten der ersten SARS-CoV-2-In- 3 382, –13,0 %; p = 0,013), jedoch führenden Leitsymptome (18). Die fektionen im Leipziger Stadtgebiet in geringerem Ausmaß und in seiner Daten wurden aus dem jeweili- (KW 10) gegenüber 2019 zu einer maximalen Ausprägung verzögert gen Krankenhausinformationssys- deutlichen Reduktion der Patien- auftretend. So stellten sich im Be- tem sowie aus dem Informations- tenzahlen in der ZNA UKL mit ei- obachtungszeitraum deutlich weni- system der Integrierten Leitstelle nem maximalen Rückgang in der ger Patienten mit neurologischen Leipzig anonymisiert extrahiert, auf KW 14 (445 versus 654, –31,9 %). Leitsymptomen vor (864 versus die einzelnen Kalenderwochen ag- Über den gesamten Untersuchungs- 1 078, –19,9 %). Insgesamt zeigte gregiert und mittels asymptoti- zeitraum konnte in der ZNA UKL sich bei den Akut- und Notfallpa- schem Wilcoxon-Test und χ2-Test ein Rückgang der Patientenzah- tienten während des Untersu- auf statistische Signifikanz über- len (5 846 versus 6 526, –10,4 %; chungszeitraums eine relative Zu- prüft. Abweichungen zum Vorjah- p = 0,017) beobachtet werden. Es nahme des Anteils nicht traumatolo- reszeitraum wurden für die Gesamt- fanden sich keine signifikanten Un- gischer Patienten (p < 0,05). In zahlen sowie einzelne Parameter als terschiede beim Alter der Patienten der ZNA DIAKO ließen sich kei- prozentuale Differenz dargestellt. (53 ± 12 versus 52 ± 13 Jahre) so- ne fachrichtungsspezifischen Unter- Eine Fehlerwahrscheinlichkeit von wie bei der Geschlechterverteilung schiede beobachten. Nach Anstieg p < 0,05 wurde als statistisch signi- (53 % weiblich versus 54 % männ- der Patientenzahlen zu Beginn kam fikant angenommen. lich). Nach zunächst höheren Pa- es zum Ende des Untersuchungs- zeitraums in der KW 16 ebenfalls zu einer deutlichen Abnahme der GRAFIK 1 Häufigkeit traumatologischer Pa- Vergleich der Entwicklung der Patientenzahlen als prozentuale Häufigkeit tienten (–35,3 %). im Vergleich 2019 versus 2020 ZNA Universitätsklinikum versus ZNA Diako- Zwar war die Zahl der stationä- nissenkrankenhaus (absolute Zahlen im Text) ren Aufnahmen aus der ZNA UKL 30 im Untersuchungszeitraum mit –5,6 % weitgehend konstant, aller- 20 dings zeigte sich bei den traumato- 10 logischen Patienten ein Rückgang (825 versus 910, –9,3 %; p = 0,043), 0 Prozent der mit –27,3 % in der KW 13 am –10 höchsten war. Deutlich stärker noch nahm der Anteil der ambulant ver- –20 bliebenen traumatologischen Pa- –30 tienten ab (1 594 versus 2 096, –26,1 %, p = 0,013), wobei es eben- –40 falls ein Maximum in der KW 13 7 8 9 10 1 12 13 14 15 16 gab (–64,5 %) (siehe Grafik 2). Kalenderwoche Bei den stationären Aufnahmen ZNA UKL ZNA DIAKO nicht traumatologischer Patienten zeigten sich Schwankungen mit bis A 1202 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 24 | 12. Juni 2020
THEMEN DER ZEIT zu –20,3 % in der KW 12 und Patienten (–9,7 %) ebenfalls rück- von Kreislaufbeschwerden (1 507 +20,9 % in der KW 16. Über läufig (siehe Tabelle). Bei den nicht versus 1 729, –12,8 %) sowie von den gesamten Untersuchungszeit- durch den Rettungsdienst zugewie- neurologischen (438 versus 519, raum betrachtet blieben die Aufnah- senen Patienten erfolgte die Tria- –15,6 %) und traumatologischen mezahlen allerdings unverändert gierung nach dem LeiTs. In unmit- Einsatzindikationen (2 006 versus (1 477 versus 1 528, –3,3 %; nicht telbarer zeitlicher Folge zum Erlass 2 286, –12,3 %). signifikant). Auch die Zahl der über der Kontaktbeschränkungen konn- die ZNA UKL auf die Intensivsta- ten deutlich niedrigere Patienten- Signifikanter Rückgang tionen aufgenommenen Patienten zahlen der Triagekategorie grün, In der vorliegenden Studie erfolgte erwies sich als rückläufig (623 ver- das heißt der Patienten mit unterge- nach Kenntnisstand der Autoren sus 706, –11,8 %; p = 0,021). In die- ordneter zeitlicher Priorität, beob- erstmalig die Analyse von Patien- sem Zusammenhang hervorzuhe- achtet werden. So zeigte in der KW tenzahlen der Zentralen Notaufnah- ben ist, dass in der Periode mit dem 14 die Zahl der Patienten mit der men zweier Kliniken unterschiedli- geringsten Patientenaufkommen Triagekategorie grün eine Redukti- cher Versorgungsstufen sowie Da- der Anteil intensivstationärer Auf- on von –55,4 % (62 versus 139). ten des Rettungsdienstes in Zusam- nahmen deutlich erhöht war (KW Bei der Analyse der Einsatzdaten menhang mit der aktuellen SARS- 13: +35,4 %; KW 14: +38,6 %). des Rettungsdienstes zeigten sich CoV-2-Pandemie in einem regiona- Die Zahl der stationären Aufnah- signifikant rückläufige Einsatzzah- len Kontext. Limitationen deuten men in der ZNA DIAKO zeigte sich len (12 466 versus 14 534, –14,2 %; sich dabei durch die teilweise nur demgegenüber konstant (977 ver- p = 0,012). Dabei konnte der stärks- kurzzeitig zu beobachtenden Effek- sus 961; nicht signifikant). te Rückgang bei den Einsätzen te sowie durch fehlende Daten aus der Rettungswagen beobachtet wer- dem ambulanten Bereich an. Im Er- Weniger Notarzteinweisungen den (8 528 versus 10 391, –17,9 %; gebnis ließ sich ein signifikanter Die Zahl der Einweisungen durch p = 0,036). Bei der Analyse der Ein- Rückgang der Patientenzahlen ins- den Notarzt nahm im Untersu- satzindikation zeigte sich bei Zu- besondere der ZNA des Maximal- chungszeitraum signifikant ab (583 nahme der Zahl von Notarztnachfor- versorgers im zeitlichen Zusam- versus 832, –29,9 %; p = 0,007), derungen (670 versus 593, +13,0 %) menhang mit dem Auftreten erster wohingegen die Zahl der ohne Not- ein höherer Anteil vor Ort verbliebe- lokaler SARS-CoV-2-Infektionen arzt rettungsdienstlich zugewiese- ner Patienten (2 734 versus 2 398, sowie dem Erlass der Allgemein- nen Patienten weitgehend stabil +14,0 %). Im Rahmen der präklini- verfügung nachweisen. Ähnliche blieb. Ohne statistische Signifikanz schen Notfallversorgung zeigte sich Entwicklungen konnten bereits im zu erreichen, zeigte sich die Zahl bei einem Anstieg der Alarmierun- Rahmen des SARS-Ausbruchs der Selbsteinweiser (–14,3 %) so- gen aufgrund von Atemnot (1 113 2006 in Taiwan beobachtet wer- wie der fachärztlich zugewiesenen versus 971, +14,7 %) ein Rückgang den (19). In der aktuellen Studie zeigte sich zudem ein deutlicher Rück- GRAFIK 2 gang der als Selbsteinweiser vor- Entwicklung der Patientenzahlen in der Zentralen Notaufnahme des Universitätsklinikums Leipzig stellig werdenden Patienten. Insbe- nach Fachrichtung und Fallart im Zeitraum 15.2. bis 19.04.2020 (Kalenderwochen 7 bis 16) im sondere die eindringlichen Appelle Vergleich zum Vorjahreszeitraum seitens der Politik, auf soziale ■ konservativ ambulant ■ konservativ stationär ■ operativ ambulant ■ operativ stationär Kontakte zu verzichten, aber auch Berichte in den Medien über Aus- tigte r a- ron ng n- bruchgeschehen in einzelnen deut- estä t Co nz eßu mei . b 1 in S t a r la Schli len A llge gung Patientenzahl [n] Fall zig bu u ü schen Kliniken könnten hier zu ei- Am Sch Kitas verf Leip und ner Veränderung der öffentlichen 800 Wahrnehmung und einer zuneh- 700 menden Skepsis geführt haben, 600 sich selbst bei akuten gesundheitli- 500 chen Beschwerden in den ZNA vorzustellen beziehungsweise den 400 Rettungsdienst zu rufen (20). Gän- 300 gige Motive gerade von fußläufi- 200 gen, weniger vital bedrohten Pa- 100 tienten, sich direkt in den ZNA vor- zustellen – wie Zeitautonomie, die 0 Substitution schwer verfügbarer 7/2019 8/2019 9/2019 10/2019 11/2019 12/2019 13/2019 14/2019 15/2019 16/2019 7/2020 8/2020 9/2020 10/2020 11/2020 12/2020 13/2020 14/2020 15/2020 16/2020 Facharzttermine sowie die Mög- lichkeit multidisziplinärer Abklä- Kalenderwoche/Jahr rungen und verkürzter Diagnostik- zeiten – wurden von Ängsten vor A 1204 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 24 | 12. Juni 2020
THEMEN DER ZEIT TABELLE on nicht traumatologischer Akut- und Notfälle in unserer Untersu- Analyse der Einweisungsarten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum als chung erklären (27). Dabei könnte Absolut- und prozentualer Wert auch die fehlende Wahrnehmung Einweisungsarten Jahr Jahr typischer Notfallsymptome durch 2019 2020 Dritte eine Rolle spielen. Insbeson- Notarzt, n (%) 832 (12,8) 583 (9,9) dere bei der Versorgung zeitkriti- Facharzt, n (%) 516 (7,9) 466 (8,0) scher Krankheitsbilder, wie dem akuten Koronarsyndrom oder dem Selbsteinweiser, n (%) 2 919 (44,7) 2 503 (42,8) ischämischen Schlaganfall, deuten Rettungsdienst, n (%) 2 259 (34,6) 2 294 (39,2) einzelne Fallberichte auf erhebliche Gesamt, n 6 526 5 846 Kollateralschäden im Rahmen der verzögerten Notfallversorgung hin (28, 29). Ebenfalls in Erwägung zu ziehen ist hierbei, dass einerseits Ansteckung sowie von Befürchtun- klärung im ambulanten Bereich zu bei kardiovaskulären Ereignissen gen, auf unzureichende Behand- erklären ist. Wie bereits im Rahmen auslösende Faktoren wie beispiels- lungskapazitäten zu treffen, über- vergangener Epidemien gefordert, weise Anstrengung und Stress redu- wogen (21–23). In diesem Zusam- ist hier ein optimierter Datenaus- ziert waren (30), andererseits durch menhang scheint auch der ausge- tausch zwischen den ambulanten die Kontaktbeschränkungen auch prägte Rückgang von Patienten mit und klinischen Versorgungsstruktu- das Risiko der Ansteckung mit an- niedriger Behandlungsdringlich- ren notwendig (25). deren Nicht-SARS-CoV-2-Infekti- keit plausibel. Zudem könnten die Das im Rahmen der umfassen- onserregern sank. Die Verkürzung im Rahmen der Etablierung ge- den Kontaktbeschränkungen verän- der Influenzasaison 2019/2020 könn- trennter Versorgungsstrukturen ge- derte Sozial-, Arbeits- und Freizeit- te hierauf hinweisen (31). schaffenen zusätzlichen Einrich- verhalten erscheint durch einen Die in der Periode der gerings- tungen (COVID-/Fieberambulan- Rückgang von Unfällen und Verlet- ten Patientenzahlen angestiegenen zen) sowie der Ausbau telemedizi- zungen ursächlich für den Rück- intensivstationären Aufnahmeraten nischer Versorgungskonzepte be- gang insbesondere traumatologi- legen die Vermutung nahe, dass ziehungsweise telefonischer Infor- scher Krankheitsbilder. Dies wird notfallmedizinisch relevante Krank- mationsstellen (Corona-Hotline) ebenso durch die prä- und innerkli- heitsbilder die notwendigen Versor- einen Beitrag zur Reduktion der nische Patientenzahlreduktion un- gungsstrukturen dennoch erreich- Fallzahlen geleistet haben (18, 24). terstrichen wie durch aktuelle Da- ten. Ob es eine faktische Unterver- Auch die zwischenzeitlich mögli- ten des Statistischen Bundesam- sorgung bei einzelnen Krankheits- che „telefonische Krankschrei- tes, wonach sich die Zahl der in bildern gab, bleibt abzuwarten bung“ ohne Arztvorstellung könnte den vergangenen Wochen im Rah- und bedarf weiterer Untersuchun- diese Vermutung stützen. men von Verkehrsunfällen verletz- gen beziehungsweise der Beobach- In Anbetracht der vergleichsweise ten Personen um 27 % im Vergleich tung von Morbiditäts- und Mortali- stabilen Patientenzahlen des Grund- zum Vorjahresmonat reduzierte. tätsstatistiken. Zudem sind weite- und Regelversorgers scheint auch ei- Damit wurde ein historisch niedri- re prospektive und multizentrische ne Verschiebung und Inanspruch- ges Niveau erreicht (26). Kongru- Analysen unter Einbeziehung der nahme alternativer Notaufnahme- ent zu den innerklinischen Daten Daten ambulanter Versorgungs- strukturen möglich. Da diese Klinik zeigten sich auch in der präklini- strukturen, überregionaler Daten so- im Gegensatz zum Universitätsklini- schen Notfallversorgung rückläufi- wie die Betrachtung längerer Zeitin- kum nicht als COVID-Behandlungs- ge Einsatzzahlen. Der signifikante tervalle erforderlich, um Langzeit- zentrum ausgewiesen wurde, waren Rückgang der Notarzteinweisungen effekte einschätzen und wenn not- hier möglicherweise die Ängste, begründet sich dabei möglicherwei- wendig in Zukunft gegenwirken zu sich innerhalb der dortigen Klinik- se in einer deutlich höheren Rate können. strukturen zu infizieren, geringer des Vor-Ort-Verbleibs. █ Zitierweise dieses Beitrags: ausgeprägt. Dtsch Arztebl 2020; 117 (24): A 1201–5 Darüber hinaus kann nicht beur- Mögliche Kollateralschäden teilt werden, in welchem Umfang Das von anderen Autoren beschrie- Anschrift für die Verfasser sich die Fallzahlen im Bereich der bene Corona Collateral Damage Prof. Dr. med. André Gries Zentrale Notaufnahme/Beobachtungsstation ambulanten Versorgung entwickelt Syndrome, also das Fehlen von Universitätsklinikum Leipzig haben. So kann bei dem deutlichen akut- beziehungsweise notfallme- Liebigstraße 20 Rückgang der durch Vertragsärzte dizinischer Versorgung von Non- 04103 Leipzig andre.gries@medizin.uni-leipzig.de zugewiesenen Patienten nur gemut- COVID-19-Notfällen durch die maßt werden, ob dies vor dem Hin- Aufforderung, während der CO- Literatur im Internet: tergrund geschlossener Praxisbe- VID-19-Pandemie zu Hause zu www.aerzteblatt.de/lit2420 triebe oder durch die häufigere Ab- bleiben, könnte die Fallzahlredukti- oder über QR-Code. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 24 | 12. Juni 2020 A 1205
THEMEN DER ZEIT Zusatzmaterial Heft 24/2020, zu Notaufnahme in der Coronapandemie Weniger Non-COVID-19-Patienten Eine Analyse der Daten zweier Notaufnahmen und des Rettungsdienstes im Leipziger Stadtgebiet zeigt: Die Zahl der Non-COVID-19-Patienten hat sich in diesem Frühjahr teils deutlich reduziert. Vor allem traumatologische Fälle gingen zurück. Intensivstationäre Aufnahmen stiegen jedoch an. Literatur nigernotfallpatienten-mit-schlaganfall-und- 25. Eisele M, Hansen H, Wagner HO, von Leit- 1. Zhou P, Yang XL, Wang XG, Hu B, Zhang L, herzinfarkt-waehrend-pandemie- ner E, Pohontsch N, Scherer M: Epidemien Zhang W, Chen HD: A pneumonia outbreak a-44e44d21–7250–4b39– und Pandemien in der hausärztlichen Pra- associated with a new coronavirus of proba- b26f-df42b5c2403c (last accessed on 2 Ju- xis. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheits- ble bat origin. Nature 2020, 579 (7798), ne 2020). forschung-Gesundheitsschutz 2014; 57 (6), 270–3 14. Korzilius H, Osterloh F: Rückkehr zur Re- 687–93. 2. 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