Karten neu gemischt? - SCHULDENREPORT 2007 - Umbrüche und aktuelle Tendenzen der Nord-Süd- und Süd-Süd-Finanzbeziehungen - weed-online.org
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SCHULDENREPORT 2007 Karten neu gemischt? Umbrüche und aktuelle Tendenzen der Nord-Süd- und Süd-Süd-Finanzbeziehungen Die Krise der etablierten Gläubigergemeinschaft Internationale Schuldenerlassinitiativen auf dem Prüfstand
Impressum Schuldenreport 2007 Karten neu gemischt? Umbrüche und aktuelle Tendenzen der Nord-Süd- und Süd-Süd-Finanzbeziehungen Die Krise der etablierten Gläubigergemeinschaft Internationale Schuldenerlassinitiativen auf dem Prüfstand Diese Publikation wurde mit Mitteln Danksagung: der Europäischen Kommission und Der Schuldenreport wurde unter der C.S. Mott Foundation gefördert. Mitarbeit von Andreas Kügler (Kapitel Für den Inhalt ist ausschließlich der 2, 4 und 5, Co-Autor der Kästen Herausgeber verantwortlich. zu den Länderbeispielen Haiti und Malawi) Thomas Bernhard (Kapitel 4.1), Jörg Riegg (Kapitel 2) und Herausgeber: Olivia Hannemann (Kasten Illegitime Weltwirtschaft Ökologie & Schulden) erstellt. WEED bedankt Entwicklung e.V. (WEED e.V.) sich für ihre Beiträge. Ein besonderer Torstr. 154 Dank gilt auch Florian Butollo, Heike 10115 Berlin Knoop, Juliane Broede und Horst Tel.: +49 – (0)30 – 2758-3163 Setton für ihre Unterstützung bei der Fax: +49 - (0)30 – 2759-6928 Endredaktion des Reports. weed@weed-online.org Titelbild / Fotomontage: www.weed-online.org Alexander Kiehne, Berlin AutorInnen: Layout: Daniela Setton WARENFORM Mitarbeiterin bei WEED kommunizieren & gestalten Peter Wahl Mitarbeiter bei WEED Druck: Jürgen Kaiser PegasusDruck Politischer Koordinator von erlassjahr.de DruckVogt Redaktion: Schutzgebühr: EUR 7,00 Daniela Setton (zzgl. Versandkosten) Andreas Kügler Olivia Hannemann Berlin, Dezember 2006 ISBN-10: 3-937383-49-2 ISBN-13: 978-3-937383-49-1
Inhalt Vorwort ........................................................................................................ 5 1. Die Ruhe vor dem Sturm? ........................................................................ 7 1.1 Wer von Armut redet, kann von Reichtum nicht schweigen ........................... 8 1.2 Dominanz der Finanzmärkte – das neue Paradigma .................................... 11 1.3 Die Verschuldungssituation der Entwicklungsländer ..................................... 11 1.4 Wiederanstieg der privaten Kapitalflüsse ..................................................... 15 1.5 Entwicklungshilfe ........................................................................................ 18 1.6 Süd-Süd Flüsse ............................................................................................ 22 1.7 Die Ruhe vor dem Sturm? ........................................................................... 23 2. Quo Vadis internationales Schuldenmanagement? ............................... 26 2.1 Fünfzig Jahre Pariser Club ........................................................................... 26 2.2 Zehn Jahre HIPC-Initiative: Eine ernüchternde Bilanz ................................ 30 2.3 Big Bang? Der G8 Schuldenerlass ............................................................... 42 2.4 Das Rahmenwerk für Schuldentragfähigkeit ............................................... 46 2.5 Neue Schuldenkrise in Sicht? ...................................................................... 49 3. Deutschlands Rolle als Gläubiger ........................................................... 52 3.1 Kategorien, Größenordnungen und Missstände… ....................................... 52 3.2 Kreative Entschuldung: Die Schuldenumwandlungsfazilität.......................... 53 3.3 Deutsche Forderungen als Belastung für die Haushalte des Südens ............. 54 3.4 Schuldenerlass als Geldwäsche: Die Anrechnung von Erlassen auf die ODA-Quote ...................................... 55 4. Neue globale Konstellationen ............................................................... 58 4.1 Der IWF in der Krise ................................................................................... 58 4.2 Die Neuen Geber ........................................................................................ 65 4.3 Der Machtverlust des traditionellen Gläubigerkartells ................................. 69 5. Ökologische Nachhaltigkeit, MDGs und Schuldentragfähigkeit ............ 74 5.1 Globale Raubbau-Ökonomie und Verschuldung ......................................... 74 5.2 Für eine Umweltreform des internationalen Schuldenmanagements ........... 75 5.3 Ökologische Kriterien einer ‚tragfähigen’ Verschuldung .............................. 81 6. Schuldenbewegung: Stand und Perspektiven ....................................... 85 Annex I: Länderkategorien ......................................................................... 90 Annex II: Der HIPC-MDRI Hürdenlauf....................................................... 91 Annex III: Forderungen des Bundes gegenüber dem Ausland ................... 92 Abkürzungsverzeichnis............................................................................... 94 Literatur ..................................................................................................... 95 Serviceteil: Links zum Thema Verschuldung, IWF und Weltbank ............... 98
Kästen 1: Weltbankforschung: Manipulation und Meinungsmache .................................................. 10 2: Vorzeitige Schuldenrückzahlungen an den Pariser Club .................................................... 26 3: Wie funktioniert der Pariser Club? ................................................................................... 28 4: Umfassende Konditionalitäten der HIPC-Initiative............................................................. 32 5: ‚Heuschrecken’ gegen HIPCs ............................................................................................34 6: Zu geringer Schuldenerlass unter HIPC: Das Beispiel Haiti ................................................36 7: HIPC als Schuldenmotor: Das Beispiel Malawi ................................................................40 8: Schuldenerlass für Öl? ......................................................................................................44 9: Billige IWF-Kredite? ..........................................................................................................60 10: Schuldenerlass à la Argentinien .........................................................................................64 11: Hintergrund: Die EZ ausgewählter Neuer Geber ..............................................................68 12: Die genuine Sparrate: Indikator für Nachhaltigkeit? ........................................................78 13: Was sind illegitime Schulden? ...........................................................................................86 Grafiken 1: Zuwachs der Finanzvermögen der HNWIs und aggregierte ODA 1996-2005 ....................8 2: Die Top Ten bei der Wachstumsrate der HNWI 2004 - 2005 ..............................................9 3: Gesamtschuldenentwicklung der Entwicklungsländer 1980-2005 ..................................... 12 4: Entwicklung der Schuldenquote 1980 - 2004 ausgewählter Ländergruppen ..................... 13 5: Entwicklung der Schuldendienstquote ausgewählter Ländergruppen (in Prozent) .............. 13 6: Schuldendienst (alle Entwicklungsländer) und Entwicklungshilfe 2004 im Vergleich .......... 15 7: Öffentliche und private Ressourcenflüsse in die Entwicklungsländer im Vergleich ............. 16 8: FDI - weltweit (in Mrd. US-$) ........................................................................................... 21 9: Verteilung von FDI 1995 - 2005 nach Regionen ............................................................... 21 10: FDI in Länder mit niedrigem Einkommen 2000 - 2005 .....................................................22 11: Schuldendienst gezahlt von 25 Nach-Entscheidungspunkt HIPC-Ländern (2000 und 2005) ..... 35 12: ODA Quoten ...................................................................................................................56 13: Ausstehende IWF-Kredite, 1996 – 2006 (30. April) ..........................................................59 14: Öffentliche, multilaterale und private Schulden Afrikas (1970 – 2002) .............................. 71 Tabellen 1: Entwicklung der Vermögen von HNWIs und Anzahl der HNWIs 1996-2005.......................7 2: Vermögensentwicklung der HNWIs nach Regionen (in Bil. US-$)........................................9 3: Verhältnis der kurzfristigen Schulden zu den Gesamtschulden in den größten Schuldnerländern, 1996 - 2004 (in Mrd. US-$) ......................................... 14 4: Spitzenreiter bei Netto-Ressourcenflüssen ........................................................................ 16 5: Brutto Devisenreserven der Entwicklungsländer, 1997 – 2005 (Mrd. US-$) ...................... 17 6: Netto ODA, 1990 – 2005 (Mrd. US-$) ........................................................................... 19 7: Anteil von Zuschüssen und öffentlichen Krediten an ODA 2000 - 2005 (in Mrd. US-$) ... 19 8: Netto ODA an die zehn größten Empfängerländer (Mrd. US-$, mehrjährige Durchschnittswerte) ..................................................................20 9: Anteil der Süd-Süd Investitionen an weltweiten FDI – gesamt (in Mrd. US-$) ...................23 10: Stand der HIPC-Initiative (Dezember 2006)...................................................................... 31 11: Der unter HIPC bereit gestellte Schuldenerlass ................................................................. 32 12: Schuldenquote ausgewählter HIPCs nach dem Abschlusspunkt ....................................... 33 13: Hauptmerkmale von HIPC und MDRI .............................................................................. 42 14: Entlastung durch MDRI in Prozenten der gesamten externen Schuldenbelastung ...........43 15: Politikabhängige Indikatoren für Schuldentragfähigkeit im Rahmen des DSF .................... 47 16: Voraussichtliche Einnahmen aus Handels- und Entwicklungshilfeforderungen in Mio. € ...54 17: Rückzahlungen wichtiger Schwellenländer an den IWF ...................................................59 18: Ausstehende und ausgezahlte Schulden von Nicht-DAC und DAC-Gebern in ausgewählten LICs (durchschnittliche Werte 2000-04) ............................66 19: MDG 7 – Sicherstellung ökologischer Nachhaltigkeit .......................................................77
5 Vorwort Es scheint, als sei derzeit vor allem schaftlichen Diskussion und Analyse Sorglosigkeit angesagt. Die Aufregungen der aktuellen globalen Dynamiken aus um die Asienkrise und weitere schwere einer Entwicklungsperspektive liefern. Finanzturbulenzen der vergangenen Jah- In Fortsetzung der Tradition der vorhe- re sind verflogen, die Kapitalflüsse in rigen Schuldenreporte werden im ersten Entwicklungsländer erreichen ungeahn- Kapitel wichtige Statistiken, Fakten und te Rekordhöhen, der Welthandel boomt Trends der Nord-Süd und – als neues und die Weltkonjunktur beschert nicht Element – der Süd-Süd Finanzbeziehun- nur Schwellen-, sondern auch einigen gen im Überblick präsentiert und in den Entwicklungsländern hohe Wachstums- Kontext der strukturellen Entwicklun- raten. Sogar bei der Verschuldungssitu- gen des internationalen Finanzsystems ation der ärmeren Entwicklungsländer gestellt. ist eine gewisse Erleichterung festzustel- len. Doch das Bild trübt sich erheblich, Anlässlich des 50ten Geburtstags des wenn ein Blick auf die Verteilung der Pariser Clubs und des 10ten Geburtstags Wachstums- und Vermögensgewinne der internationalen Schuldenerlassini- geworfen wird. Global wie innerstaatlich tiative HIPC wird im zweiten Kapitel verschärfen sich die sozialen Ungleich- eine gründliche Bestandsaufnahme des heiten: während die Reichen immer rei- internationalen Schuldenmanagements cher werden, nimmt die Armut zu. Die vorgenommen und die großmundig Frage, wem diese Globalisierung eigent- gefeierten Schuldenerlasse der vergan- lich nutzt und wie eine sozial gerechte genen Dekade ausgewertet. Die von Weltwirtschaft aussehen muss, wird also Flickschusterei, westlicher Gläubigerdo- immer drängender. minanz und technokratischen Schach- zügen bestimmten Neujustierungen Zudem vollziehen sich derzeit globale im Umgang mit der Verschuldung von Umbrüche, die erst in den Anfängen er- Entwicklungsländern werden ebenso kennbar sind. Politisch und ökonomisch dargestellt. Im dritten Kapitel folgt dann erstarkte Schwellenländer können in zu- eine kritische Einschätzung der Rolle nehmendem Maße die Muster globaler Deutschlands als Gläubiger. Im vierten Finanz- und Handelsströme mitbestim- Kapitel werden die Verschiebungen in men. Viele ehemalige große Schulden- den internationalen Gläubiger-Schulde- und Krisenländer haben sich in den letz- nerbeziehungen anhand der Krise des ten Jahren erfolgreich aus der Gläubiger- IWF und dem Aufkommen ‚Neuer Ge- zange von IWF und Pariser Club befreit ber’ wie China, Venezuela und Indien, und machen ihre neuen Machtansprü- genauer analysiert. che inzwischen auch über die Vergabe von Krediten und Entwicklungshilfe gel- Angesichts der Dringlichkeit der glo- tend. Es scheint, als beginnt die hegemo- balen Umwelt- und Klimaproblematik niale Position der westlich dominierten wird der Mangel an systematischer Be- Gläubigergemeinschaft damit langsam rücksichtigung ökologischer Fragen bei aber sicher zu bröckeln. der internationalen Schuldendiskussion besonders offensichtlich. WEED möch- Dieser 8. WEED-Schuldenreport soll te deshalb mit dem fünften Kapitel einen einen Beitrag zur kritischen, zivilgesell- Beitrag zu einer stärkeren Verknüpfung
1. Die Ruhe vor dem Sturm? 6 der Umwelt- und Schuldendiskussion leisten. Nach einer Analyse der ökolo- gischen Dimensionen der Verschuldung der aktuellen Entwicklungen und den Perspektiven der internationalen Schul- denbewegung. der Entwicklungsländer wird ein Vor- schlag zur Einbeziehung ökologischer Wir hoffen, dass auch dieser WEED- Nachhaltigkeitsaspekte in Schulden- Schuldenreport wichtige Denk- und tragfähigkeitsanalysen vorgelegt. Abge- Diskussionsanstöße gibt und dabei zivil- schlossen wird der Schuldenreport im gesellschaftliches Engagement motiviert sechsten Kapitel mit einer kurzen Skizze und unterstützt. Daniela Setton, Berlin, im Dezember 2006
1. Die Ruhe vor dem Sturm? 1. Die Ruhe vor dem Sturm? 7 Aktuelle Trends der Finanzbeziehungen zwischen Entwicklungs- und Industrieländern Peter Wahl Einige Nachrichten aus dem Jahre Die dritte Nachricht mit der gewöh- 2006: nungsbedürftigen Abkürzung HNWI Die Anzahl der Hungernden ist • „Die internationalen Kapitalflüsse in steht im Welt-Reichtumsbericht 2006 seit 1990 auf 854 Mio. Men- die Entwicklungsländer erreichten eine (Merrill Lynch 2006). HNWI steht für schen angestiegen ..... Rekordhöhe von 491 Milliarden $.“ High Net Worth Individuals, also „Indi- • „Die Anzahl der Hungernden ist viduen mit hohem Nettowert“. Gemeint nicht gesunken, sondern von damals sind Menschen, die über ein liquides (1995 P. W.) 840 auf heute 854 Mil- Kapitalvermögen (also ohne Immobili- lionen Menschen angestiegen.“ en u.ä. Vermögenswerte) von einer Mio. • „Das Finanzvermögen der HNWI US-$ an aufwärts verfügen. Der Zu- beläuft sich auf 33,3 Billionen $, was wachs dieser Vermögen um 8,5 Prozent ein Zuwachs von 8,5% bedeutet. ... von 2004 auf 2005 belief sich auf 2,6 Südkorea, Indien, Russland und Süd- Bil.1 US-$ (s. Tabelle 1). In dem Jahr- .... die Anzahl der Reichen hat afrika erlebten das stärkste Wachstum zehnt zwischen 1995 und 2005 konnten sich von 1995 bis 2005 auf 8,7 der HNWI-Bevölkerung.“ die HNWIs ihr Vermögen von 16,6 Bil. Mio. Menschen verdoppelt. Die erste Nachricht findet sich im US-$ auf 33,3 Bil. US-$ verdoppeln. Report der Weltbank zur globalen Ent- Auch die Anzahl der HNWIs hat sich in wicklungsfinanzierung (World Bank diesem Zeitraum verdoppelt. 2005 gab 2006), die zweite in einer Untersu- es weltweit 8,7 Mio. solcher HNWIs.2 chung des Forums Umwelt & Ent- Um sich die Dimensionen dieser Reich- wicklung zur Bilanzierung der Ergeb- tumsentwicklung vorstellen zu können: nisse des Welternährungsgipfels in im gleichen Zeitraum (1995-2005) be- Rom 1996, bei dem die Regierungen lief sich die akkumulierte Entwicklungs- sich das Ziel gesetzt hatten, die Anzahl hilfe der OECD Staaten auf 688 Mrd. der Hungernden in der Welt bis 2015 US-$ (OECD 2006). Das sind gerade zu halbieren (Forum Umwelt & Ent- mal 3,5 Prozent des Vermögenszuwach- wicklung 2006). ses der HNWIs. Tabelle 1: Entwicklung der Vermögen von HNWIs und Anzahl der HNWIs 1996 - 2005 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Die akkumulierte Entwick- Vermögenshöhe lungshilfe der OECD-Staaten 16,6 19,1 21,6 25,5 27 26,2 26,7 28,5 30,7 33,3 (in Bio. US-$) machte von 1995-2005 3,5 Anzahl der HNWIs Prozent des Vermögenszu- 4,5 5,2 5,9 7 7,2 7,1 7,3 7,7 8,2 8,7 (in Millionen) wachses der Reichen aus. Quelle: Capgemini/Merill Lynch World Wealth Report 2006 1 Da angesichts der Höhe dieser Zahlen die Vermutung netär hochwertig sondern auch moralisch, denn: „HN- aufkommen könnte, die amerikanische Zählweise sei WIs in aller Welt haben zwei Dinge gemeinsam: die hier wörtlich übersetzt worden, sei darauf hingewiesen, tiefe Sorge um die Bewahrung ihres Reichtums und den dass dies nicht der Fall ist. Im Englischen Original sind beständigen Wunsch nach Wachstum ihres Reichtums die Billionen trillions. zum Nutzen zukünftiger Generationen und Wohltäter.“ 2 Dem Bericht zufolge sind die HNWIs nicht nur mo- (Merill Lynch 2006: 12)
1. Die Ruhe vor dem Sturm? 8 Zuwachs der Finanzvermögen der HNWIs und aggregierte ODA Grafik 1: Zuwachs der1996-2005 Finanzvermögen der HNWIs (in Mrd. US-$) und aggregierte ODA 1996 - 2005 (in Mrd. US-$) Mrd. US-$ 18000 16000 Die Dynamik der Finanzmärkte 14000 hat zu einem erheblichen An- 12000 steigen der privaten Vermögen 16700 10000 geführt, die in wenigen Hän- den konzentriert sind. 8000 6000 4000 2000 688 0 Vermögenszuwachs für HNWIs Aggregierte ODA Quelle: Quelle: Merill Lynch/OECD Merill Lynch/OECD Die Wachstumsrate der großen Ver- Gewinner, an der ungleichen Verteilung mögen ist im wesentlichen Resultat des Wohlstandes ändert sich nichts. Die der Dynamik auf den internationalen weltweit reichsten 500 Personen haben Finanzmärkten. Hier sind in den letz- zusammen ein Einkommen, das größer ten drei Jahrzehnten neue und äußerst ist als das der ärmsten 416 Millionen lukrative Quellen der Reichtumsver- Menschen. 40 Prozent der Weltbevöl- mehrung erschlossen worden. Insofern kerung, das sind 2,5 Mrd. Menschen, ist die These, dass die Globalisierung müssen mit weniger als 2 US-$ am zu hohen Wohlstandsgewinnen führt, Tag überleben. Ihr Anteil am globalen durchaus richtig. Allerdings konzent- Einkommen beträgt 5 Prozent (UNDP rieren sie sich in den Händen weniger 2005a). 1.1 Wer von Armut redet, kann von Reichtum nicht schweigen Wenn über Entwicklungsfinanzierung te allenfalls als Abfallprodukt zu erwar- gesprochen wird, erwartet man, dass die ten, wenn überhaupt. Über die Entwicklungseffekte Kapitalströme in den Süden im Dienst Leider gibt es zu einer verteilungspoli- von Wachstum und Investi- des Kampfes gegen Hunger und Armut tisch differenzierten Betrachtung in den tionen wird erst dann etwas stehen. Sieht man nur auf die aggregier- Statistiken der Weltbank keine verlässli- ausgesagt, wenn auch über die ten Zahlen in den Statistiken von Ka- chen Angaben. Generell sind Angaben Verteilung der Gewinne und pitalströmen, Handel und Wachstum, über Vermögenshöhe auch in den Statis- Vermögenszuwächse gespro- könnte der Eindruck entstehen, dass dies tiken von OECD und der UN-Agentu- chen wird. auch tatsächlich so ist. Seit einigen Jah- ren selten zu finden. Einkommensstatis- ren gibt es hohe Wachstumsraten in der tiken gibt es zwar immer mal wieder, und Weltwirtschaft, die Schuldenindikatoren dabei werden auch die höheren Einkom- signalisieren eine gewisse Erleichterung men einbezogen. Allerdings werden die für die Schuldner, die Investitionen wenigen Reichen und Superreichen da- ebenso wie die Rohstoffpreise steigen. bei nicht gesondert erfasst, weil sie nach Allerdings: solange über die Vertei- Anzahl der Personen eine extrem kleine lung der Gewinne aus diesen Tenden- Gruppe darstellen. Sie verschwinden zen nichts gesagt ist, erfährt man auch dann statistisch im oberen Zehntel oder wenig über Entwicklung. Wenn z.B. die im oberen Quintil der Bevölkerung. Das Zuwächse vor allem in die Taschen der quantitative Gewicht ihrer Einkommen nationalen Eliten fließen und ein Teil und Vermögen ist jedoch so bedeutend, vielleicht auch noch den Mittelschichten dass dieses statistische Verfahren ver- zugute kommt, sind Entwicklungseffek- schleiernd wirkt.
1. Die Ruhe vor dem Sturm? Tabelle 2: Vermögensentwicklung der HNWIs nach Regionen (in Bil. US-$) 9 2003 2004 2005 Zuwachs insg. Afrika 0,6 0,7 0,8 0,2 Mittlerer Osten 0,8 1 1,2 0,4 Asien & Pazifik 6,6 7,1 7,6 1 Lateinamerika 3,4 3,7 4,2 0,8 Nordamerika 8,5 9,3 10,2 1,7 Erfolgsmeldungen über hohe Europa 8,6 8,9 9,4 0,8 Wachstums- oder Wohlstands- SUMME 28,5 30,7 33,4 4,9 zuwächse sind mit Vorsicht zu genießen - die herkömmlichen Quelle: Merill Lynch 2006 Statistiken blenden meist die Verteilungsfrage aus und damit Vor diesem Hintergrund sind hohe senschaftlichen Arbeiten, Reports und die tatsächlichen Zusammen- Wachstumsraten und darauf gegründe- Statistiken der Weltbank kommt gerade hänge zwischen Finanzen und te Erfolgsmeldungen über Wohlstands- bei den Arbeiten zu den Themen Globa- Entwicklung. gewinne mit Vorsicht zu genießen. Der lisierung, Wachstum und Armut zu dem grundlegende Defekt der meisten Statis- Ergebnis, dass „diese Forschung auf mis- tiken und Reports dieser Art ist es, dass sionarische Weise für die Politik der Bank sie die Verteilungsfrage ausblenden und genutzt wurde, ohne eine ausgewogene daher die tatsächlichen Zusammenhän- Sicht auf das empirische Material, und ge zwischen Finanzen und Entwicklung ohne die angemessene Skepsis. Eigenen nicht oder nur sehr undeutlich sichtbar Forschungsarbeiten, die die Positionen werden. Hinzu kommt, dass der Um- der Bank bestätigten, wurde große Auf- gang der Weltbank mit Fakten und Da- merksamkeit zuteil, kritische Arbeiten ten von ihren ideologischen Interessen wurden ignoriert.“ (s. Kasten 1) beeinflusst ist. Eine Evaluierung der wis- Grafik 2: Die Top Ten bei der Wachstumsrate der HNWI 2004 - 2005 Es gibt immer mehr Reiche: Prozent 25 Schwellenländer liegen ganz vorne bei den Wachstumsraten der HNWI. 21,3 20 19,3 17,4 15 15,9 14,7 14,4 13,5 13,8 11,8 11,3 10 5 0 Südkorea Indien Russland Südafrika Indonesien Hong Kong Saudi Singapore Vereinigte Brasilien Arabien Emirate Quelle: Merill Lynch 2006
1. Die Ruhe vor dem Sturm? 10 Kasten 1 Weltbankforschung: Manipulation und Meinungsmache Ergebnisse einer unabhängigen Evaluierung der wissenschaftlichen Arbeit der Weltbank Im Oktober 2006 legte ein internationales Team renommierter Autoren und Auto- rinnen - u.a. vom Massachusetts Institute for Technology (MIT) und der Univer- sitäten Oxford, Harvard und Yale – eine Evaluierung der wissenschaftlichen Arbeit der Weltbank vor (Deaton et al 2006). Geleitet wurde das Team von Angus Deaton (Princeton). Die Frage nach der Qualität der Forschungsarbeiten, Studien, Statistiken und Reports der Bank ist insofern von großer Bedeutung, als die Bank sich über ihre politische Funktion und ihre operative Arbeit hinaus auch weltweit als Meinungsführer im ent- wicklungspolitischen Diskurs etablieren konnte. Ihre Statistiken und Reports, wie der Weltentwicklungsbericht oder Global Development Finance gelten als autoritative Quellen. Auch in der Diskussion über die Rolle der Globalisierung für die Entwick- lungsländer haben die Publikationen der Bank einen großen Einfluss. Die Evaluierung bestätigt, was kritische Stimmen schon lange behaupten: die Welt- bank nutzt Statistiken, Forschungsergebnisse und Reports um ihre politische Linie damit zu rechtfertigen. Dabei wird geschönt, manipuliert, verschwiegen, oder auch einfach nur schlampig gearbeitet. Vor allem bei Themen, die politisch umstritten sind. Dazu gehören Globalisierung, Wachstum und Armut. So heißt es in der Evaluierung, dass „diese Forschung auf missionarische Weise für die Politik der Bank genutzt wur- de, ohne eine ausgewogene Sicht auf das empirische Material, und ohne die ange- messene Skepsis. Forschungsarbeiten, die die Positionen der Bank bestätigten, wurde große Aufmerksamkeit zuteil, kritische Arbeiten wurden ignoriert.“ (ibid. S.6) Auch die Erhebung und die Verbreitung von statistischen Daten wird kritisiert: „Die Daten-Aktivitäten sind wahllos organisiert, sowohl bei der Erhebung, wie bei der Ar- chivierung und Verbreitung.“ (S. 6) Und: „Zu wenig wurde unternommen, um auf den frühen Erfolgen des Living Standards Measurement Surveys aufzubauen und zu international vergleichbaren Daten für zentrale Themen beizutragen, wie Armut und Sterblichkeit.“ (ibid.) Die AutorInnen der Evaluierung vermuten, „dass das Manage- ment das Verständnis und die Vertrautheit der Forscher mit statistischen und öko- nometrischen Methoden nicht immer richtig beurteilte, und dass dies mitunter zum Scheitern einer angemessenen Interpretation und eines entsprechenden Manage- ments von Forschungsergebnissen führte.“ (S. 7) Speziell zum Flaggschiff der Weltbankpublikationen, dem Weltentwicklungsbericht, heißt es in der Studie: „Es fehlt ihnen oft die Trennschärfe und Fokussierung, und sie sind in gewisser Weise inkohärent, insbesondere wenn es sich als unmöglich erweist, die Sichtweisen der verschiedenen Kommentatoren und Autoren miteinander in Ein- klang zu bringen.“ (S. 8) Die Studie analysiert auch einige Einzelpublikationen, die großen Einfluss auf die öf- fentliche Debatte der vergangenen Jahre hatten, wie die Studie „Growth is good for the poor“ von Dollar/Kray, oder „Globalization, growth, and poverty“ von Dollar/ Collier. Sie kommt dabei zu dem Schluss, dass „vieles in der Linie dieser Untersuchun- gen so schwere Fehler zu haben scheint, dass die Resultate heute nicht als ausrei- chend zuverlässig angesehen werden können.“ Dennoch wurden sie in der Politik der Bank zu ultimativen Wahrheiten hochstilisiert: „In wichtigen politischen Reden und Publikationen wurden die neuen Arbeiten mit missionarischem Eifer präsentiert ohne angemessene Vorsicht hinsichtlich deren Zuverlässigkeit.“ (S. 52) Gipfelpunkt des manipulativen Umgangs mit Forschungsergebnissen ist jedoch die Ausgrenzung und das „Beschweigen“ von Arbeiten, die nicht in das herrschende Weltbild passen. So wurden z.B. die Arbeiten des Experten für die Messung sozi- aler Ungleichheit, B. Milanovic, in der offiziellen Außendarstellung unterschlagen. Milanovic hatte u.a. nachgewiesen, dass sich Handelsliberalisierungen und der Abbau von Zöllen negativ auf die unteren 20 Prozent der Einkommenspyramide auswirken.
1. Die Ruhe vor dem Sturm? Die Studie zählt mehrere solchen Beispiele auf, die der politischen Linie der Bank wi- dersprechen, die Globalisierung als Segen für die Menschheit und Erfolgsstory bei der Armutsbekämpfung hochzujubeln. 11 Die Studie gibt es zum Download unter: http://siteresources.worldbank.org/DEC/ Resources/84797-1109362238001/726454-1164121166494/RESEARCH-EVALUA- TION-2006-Main-Report.pdf 1.2 Dominanz der Finanzmärkte – das neue Paradigma Die Finanzbeziehungen zwischen In- • die Institutionalisierung und Profes- dustrie- und Entwicklungsländern kön- sionalisierung der Eigentümerfunkti- nen nicht losgelöst von den tektonischen on in Form der institutionellen Anle- Verschiebungen gesehen werden, die ger und die sich daraus ergebende sich auch gesellschaftspolitisch in den • Orientierung am Shareholder Value letzten zwanzig Jahren auf dem Globus (s. dazu Windolf 2005) und damit durchgesetzt haben. Was gemeinhin als ein Wechsel von der Substanzorien- Globalisierung bezeichnet wird, ist in tierung der Untenehmen hin zu einer seinem ökonomischen Kern Ausdruck Ertragswertorientierung. Der Wie- eines Systemwechsels. Das Nachkriegs- derverkaufswert von Vermögenswer- system mit seiner Orientierung auf die ten (assets) ist wichtiger als der Ertrag Bildung von Sachkapital bzw. materi- geworden. eller Wertschöpfung und auf politische Es ist eine vermögensgetriebene Öko- Lenkung ist durch ein marktzentriertes nomie (Bischoff 2006) entstanden, in System ersetzt worden, in dem die Fi- der die Interessen der institutionellen nanzmärkte eine dominante Rolle über Anleger, Aktionäre und Vermögensbe- Die Finanzbeziehungen zwi- die Realwirtschaft innehaben. Es ist ge- sitzer dominieren. Sie saugen den Net- schen Industrie- und Entwick- kennzeichnet durch: toertrag der gesamtgesellschaftlichen lungsländern müssen vor dem Akkumulation für sich ab. Dies erklärt Hintergrund des in den letzten • die Verselbständigung der Finanz- die im vorherigen Abschnitt skizzierten zwanzig Jahren erfolgten sphäre von der Realökonomie, d.h. horrenden Vermögenszuwächse. Damit globalen Systemwechsels zu die Entstehung eines selbstreferenti- geht eine Umverteilung von unten nach einer vermögensgetriebenen ellen Finanzsektors mit einer eigenen oben einher sowie die Ersetzung solidari- Ökonomie betrachtet werden. Dynamik,3 scher Sozialsysteme durch kapitalmarkt- • systemisch bedingte Instabilität auf finanzierte. Über ihre zunehmende Inte- den Finanzmärkten, die die Voraus- gration in den Weltmarkt übernehmen setzung für neue, spekulative Rendi- Entwicklungsländer zunehmend diese temöglichkeiten bilden, Strukturen. Die Finanzbeziehungen zwi- • die Umstellung der Unternehmens- schen Industrie- und Entwicklungslän- finanzierung vom klassischen Bank- dern sind vor dem Hintergrund dieser kredit auf die Kapitalmarktfinanzie- systemischen Einbettung zu interpretie- rung, ren. 1.3 Die Verschuldungssituation der Entwicklungsländer In den aktuellen Reports der Weltbank gibt es in den vergangenen Jahren eine und anderer multilateraler Institutionen ungebrochene Wachstumsphase, an der In den letzten Jahren gab es stehen die positiven Wachstumsraten, die meisten Entwicklungsländer über- eine ungebrochene Wachs- die Expansion der Kapitalflüsse, der durchschnittlich beteiligt sind. Auch in tumsphase, an der auch die Investitionen und des Exports im Vor- ehemaligen Krisenländern wie Argenti- meisten Entwicklungsländer dergrund, verweisen auf die Erholung beteiligt waren. in ehemaligen Krisenländern und be- 3 Dies bedeutet nicht völlige Abkopplung von der Re- alökonomie, vor allem dann, wenn es zu Finanzkrisen tonen, dass es seit der Argentinienkrise oder Crashs kommt, die dann doch wieder auf die Real- keine neuen Krisen mehr gab. In der Tat ökonomie durchschlagen.
1. Die Ruhe vor dem Sturm? 12 nien und Russland zeigen viele makro- ökonomische Daten wieder eine positive Tendenz auf. Hierbei sind drei Haupt- rung, die durch gezielte Intervention der Zentralbank gewährleistet wird). Im Fall Argentiniens ist es auch die faktoren von Bedeutung: selbstbewusste Art des Schuldenma- a. die insgesamt positive Konjunktur- nagements, die die Interessen der entwicklung weltweit, Gläubiger nicht an die erste Stelle Die von IWF und Weltbank b. der starke Rohstoffhunger von Chi- setzt (s. Kasten 10). Orthodoxie abweichende Wirt- na und einigen anderen asiatischen Im Zuge dieser makroökonomischen schaftspolitik vieler ehemali- Volkswirtschaften, der eine entspre- Aufhellung hat es auch bei einigen wich- ger Krisenländer ist einer der chende Nachfrage zur Folge hat, tigen Schuldenindikatoren eine Verbesse- entscheidenden Faktoren der c. eine unorthodoxe Wirtschaftspolitik, rung gegeben. Zwar ist der Gesamtstock günstigen Wachstumsentwick- die sich zunehmend von den neoli- der Schulden (langfristig) aller Entwick- lung dieser Länder. beralen Dogmen und Vorgaben von lungsländer weiter gewachsen (s. Grafik IWF und Weltbank entfernt. Dazu 3), aber die absolute Schuldenhöhe ist gehört die Orientierung auf Han- nicht sehr aussagekräftig. Sie muss mit delsbilanzüberschüsse als Entwick- anderen Größen, wie dem Brutto-Nati- lungslokomotive (abgesichert durch onaleinkommen und der Exportleistung Unterbewertung der eigenen Wäh- in Relation gesetzt werden. Grafik 3: Gesamtschuldenentwicklung der Entwicklungsländer 1980 - 2005 Bill. US-$ 2,50 Der Gesamtstock der Schulden 2,16 2,19 2,00 2,05 von Entwicklungsländern ist 1,94 1,89 1,91 1,93 1,87 zwar gewachsen ...... 1,66 1,56 1,61 1,50 1,10 1,00 0,76 0,50 0,41 0,00 1980 1985 1990 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Quelle: GDF 2006 Demnach stellt man fest, dass sich der quote (Verhältnis langfristige Schulden Druck der Schuldenlast relativ gesehen zu Brutto-Nationaleinkommen) in allen vermindert hat. So sinkt die Schulden- Länderkategorien4 (s. Grafik 4). 4 Auflistung der einzelnen Länderkategorien siehe An- nex I.
1. Die Ruhe vor dem Sturm? Grafik 4: Entwicklung der Schuldenquote 1980 - 2004 ausgewählter Ländergruppen 13 in Prozent des BIP 70,0 60,0 50,0 40,0 ..... aber Erleichterung signali- siert die Schuldenquote ..... 30,0 20,0 10,0 0,0 1980 1985 1990 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Alle Entwicklungsländer Länder mit niedrigem Einkommen (LICs) Länder im unteren Bereich mittlerer Einkommen (LMICs) Quelle: GDF 2006 Auch bei den Problemgruppen, den Län- schaftliche Konjunktur beigetragen. Auch dern mit niedrigem Einkommen (LICs) die Schuldenerlasse wie die HIPC-Initia- und darunter wiederum der besonderen tive, die Multilateral Debt Relief Initiati- Gruppe der hoch verschuldeten armen ve (MDRI5) und bilaterale Erlasse haben Länder (HIPCs) hat es eine Erleichterung – bei aller Begrenztheit der Maßnahmen gegeben. Dazu hat nicht nur die weltwirt- - dazu beigetragen (s. Kapitel 2). Grafik 5: Entwicklung der Schuldendienstquote ausgewählter Ländergruppen (in Prozent) Prozent 400 ..... und die Schuldendienst- 350 quote. 300 250 200 150 100 50 0 1985 1990 1995 2000 2001 2002 2003 2004 Alle Entwicklungsländer Länder mit niedrigem Einkommen (LICs) Länder im unteren Bereich mittlerer Einkommen (LMICs) Quelle: GDF 2006 5 Die MDRI wurde 2005 von den G8-Finanzministern Afrikanischer Entwicklungsbank und IDA gestrichen beschlossen und sieht vor, dass jene Länder, die HIPC bekommen, unter der Voraussetzung, dass sie bestimm- durchlaufen haben, zusätzlich ihre Schulden bei IWF, te Strukturanpassungsmaßnahmen durchführen.
1. Die Ruhe vor dem Sturm? 14 Darüber hinaus hat es qualitative Ver- besserungen in der Zusammensetzung der Schulden gegeben. So ist der Anteil bilität und systemischen Risiken im in- ternationalen Finanzsystem erhöht. Die kurzfristigen Kapitalflüsse wurden auch der kurzfristigen Schulden zurückge- vom finanzpolitischen Mainstream, gangen. Kurzfristig bedeutet eine Lauf- wie z.B. vom Forum für Finanzstabili- zeit von bis zu maximal einem Jahr. Ihr tät (FSF) schon nach der Asienkrise als Das massive Ansteigen der Anteil an den gesamten Transfers hatte Risikofaktor angesehen. Kurzfristiges kurzfristigen Kapitalflüsse in sich in der ersten Hälfte der neunziger Kapital wirkt nämlich pro-zyklisch, das Entwicklungsländer in den Jahre mehr als verdreifacht, nämlich heißt in Phasen eines Aufschwungs stei- 1990er Jahren hat die Instabi- von 176 Mrd. US-$ 1990 auf 454 Mrd. gen die Zuflüsse überproportional an, lität und systemischen Risiken US-$ (World Bank 2000). Sie wurden in der Abschwungphase oder gar Krise des internationalen Finanzsys- in der zweiten Hälfte der neunziger wird das Kapital aber dann rasch abge- tems erhöht. Jahre häufig zur Zwischenfinanzierung zogen. Die Aufhebung von Kapitalver- genutzt. Ihre Zinsen sind niedriger, weil kehrs- und Devisenkontrollen hat die das Risiko bei kurzen Zeiträumen des Lenkungsmöglichkeiten des Zustroms Investors niedriger ist. Die Aufblähung und Abflusses von Kapital faktisch auf- dieses Schuldentyps hat aber die Insta- gehoben. Tabelle 3: Verhältnis der kurzfristigen Schulden zu den Gesamtschulden in den größten Schuldnerländern, 1996 - 2004 (in Mrd. US-$) Die Zusammensetzung der Land 1996 2004 Veränderung Schulden von Entwicklungslän- China 19,7 47,2 27,5 dern hat sich verbessert: der Anteil der kurzfristigen Schul- Russische Föderation 9,5 17,8 8,4 den an den Gesamtschulden ist Venezuela 7,9 12,2 4,3 zurückgegangen. Ägypten 7,4 9,7 2,3 Algerien 1,0 2,0 1,0 Indien 7,2 6,1 −1,1 Türkei 21,7 19,7 −2,0 Argentinien 21,2 16,2 −4,9 Nigeria 18,1 12,8 −5,3 Pakistan 9,4 3,5 −6,0 Malaysia 27,9 21,9 −6,0 Kolumbien 20,4 14,2 −6,2 Indonesien 25,0 17,4 −7,6 Chile 25,7 17,5 −8,2 Brasilien 19,8 11,4 −8,4 Philippinen 18,1 8,3 −9,8 Mexiko 19,1 6,6 −12,5 Südafrika 41,6 27,8 −13,8 Peru 22,2 8,0 −14,2 Thailand 42,3 22,4 −19,9 Durchschnitt 18,8 16,4 −2,4 Quelle: GDF 2006
1. Die Ruhe vor dem Sturm? All diese Verbesserungen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch jetzt die Schuldenlast für die armen Länder als zugangsberechtigt angesehenen Län- der der Gruppe den Punkt erreicht, bei dem sie in den vollen Genuss des ver- 15 nach wie vor erdrückend ist. Wenn im sprochenen Schuldenerlasses kommen. Mainstream immer wieder auf die kri- Der Ressourcenabfluss durch Schul- senfreie Entwicklung der letzten Jahre dendienst absorbiert nach wie vor erheb- hingewiesen wird, so verkennt dies, dass liche Entwicklungskapazitäten. Um sich die Verschuldungskrise vor allem für die die Größenordnungen verdeutlichen zu armen Länder seit nun einem Viertel- können: er betrug 2004 immer noch jahrhundert Dauerzustand ist. Auch zehn fünfeinhalb Mal so viel wie die gesamte Jahre nach dem Start von HIPC haben Entwicklungshilfe der OECD-Länder Trotz einiger Verbesserun- immer noch erst 21 der ursprünglich 42 zusammen genommen. gen ist der Schuldenstand der Entwicklungsländer noch immer erdrückend und der Grafik 6: Schuldendienst (alle Entwicklungsländer) Schuldendienst verschlingt und Entwicklungshilfe 2004 im Vergleich erhebliche Entwicklungskapa- zitäten. Die Verschuldungskrise der Entwicklungsländer ist nun seit einem Vierteljahrhundert Mrd. US-$ Dauerzustand. 500 450 450,25 400 350 300 250 200 150 100 79,6 50 0 ODA Schuldendienst Quelle: GDF 2006 1.4 Wiederanstieg der privaten Kapitalflüsse In den neunziger Jahren wurden die rie abgesetzt hatten, wurden die anderen damals rapide ansteigenden Privatflüsse in den Strudel der Krise gezogen. Brasi- in die Entwicklungsländer als das ideale lien, Russland und Argentinien folgten Instrument für Entwicklung angesehen. kurz danach. Es war deutlich geworden, Mit der Asienkrise ist die Vor- Nachdem die keynesianisch-staatszen- dass hohe Kapitalflüsse unter Bedingun- stellung, private Kapitalflüsse trierten Modernisierungsstrategien an gen weit gehender Liberalisierung nicht seinen das beste Instrument ihre Grenzen gestoßen waren, wurde per se gut sein müssen, sondern auch für Entwicklung, eindeutig ent- die Vorstellung dominant, die Privaten enorme Risiken bergen. Das Verspre- zaubert worden. könnten alles besser. Zwar war auch chen, die Flut der privaten Kapitalströ- schon damals deutlich, dass nur eine me würde alle Boote emporheben – die kleine Gruppe von etwa einem Dutzend großen Dampfer wie auch die kleinen Länder in den Genuss des Geldsegens Kähne – hatte sich nicht bewahrheitet. kam, aber es musste erst der Crash in Asi- Das ist nicht verwunderlich. Denn en 1997/98 kommen, um die Privatflüs- das Ziel privater Investoren ist es nicht, se zu entzaubern. Mit Ausnahme jener Entwicklung zu ermöglichen, sondern Länder, die sich wie China und Indien Renditen für die Kapitalgeber zu erwirt- durch Kapitalverkehrskontrollen von der schaften – und zwar größtmögliche. Ef- damals allfälligen Liberalisierungseupho- fizienz heißt in diesem Zusammenhang
1. Die Ruhe vor dem Sturm? 16 Maximalprofit. Der ist aber nicht iden- tisch mit entwicklungspolitischer Wirk- samkeit. Die trickle down-These – schon les Handeln, das Entwicklung als Priori- tät definiert und Kapazitäten und Res- sourcen entsprechend konzentriert. Der von Keynes als Pferdeäpfel-Theorie ver- Markt versagt an dieser Aufgabe. spottet (man muss den großen Pferden Daran dürfte sich auch zukünftig Maximalprofit für private nur ordentlich zu fressen zu ergeben, nichts ändern. Denn die immer stärker Investoren ist nicht identisch dann fällt hinten auch was für die klei- werdende Orientierung an der größt- mit entwicklungspolitischer nen Spatzen ab) - ist in den neunziger möglichen Rendite ist Ausdruck des o. g. Wirksamkeit. Jahren einmal mehr empirisch widerlegt Paradigmenwechsels im Wirtschaftssys- worden. Entwicklung erfordert planvol- tem überhaupt. Grafik 7: Öffentliche und private Ressourcenflüsse in die Entwicklungsländer im Vergleich Mrd. US-$ 450 400 350 300 privat 250 Die Schere zwischen privaten 200 und öffentlichen Kapitalflüssen in Entwicklungsländer geht 150 immer weiter auf. 100 öffentlich 50 0 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Quelle: GDF 2006 Mit der Krisenserie 1997 bis 2001 den Löwenanteil ab. Unter den Schwer- ging der private Kapitalfluss in den Sü- punktregionen ragen wiederum China Seit 2003 steigen die privaten den vorübergehend wieder zurück. Ab in Asien und Russland und die Türkei Kapitalflüsse in Entwicklungs- 2003 gehen die Zahlen wieder steil nach in Europa heraus. China, Russland und länder wieder rapide an, wo- oben. An der regionalen Konzentration Türkei erhielten damit 2004 zusammen durch die systemischen Risiken hat sich dabei wenig geändert. Wie in etwa ein Drittel aller privaten Ressour- wieder ansteigen. den 1990er Jahren bekommt die Grup- cenflüsse in Entwicklungsländer (109,65 pe der aufstrebenden Emerging Markets Mrd. US-$ = 33,53 Prozent). Tabelle 4: Spitzenreiter bei Netto-Ressourcenflüssen Land 2000 2001 2002 2003 2004 Privater Netto-Ressourcenfluss China 40,64 41,07 47,11 59,75 73,83 (Mrd. US-$) Privater Netto-Ressourcenfluss Russland 1,41 1,71 8,45 15,78 23,72 (Mrd. US-$) Privater Netto-Ressourcenfluss Türkei 9,82 0,89 7,45 2,59 12,1 (Mrd. US-$) Quelle GDF 2006
1. Die Ruhe vor dem Sturm? Mit der rapiden Zunahme der priva- ten Kapitalflüsse steigen auch wieder die systemischen Risiken. Zum einen die Entwicklungsländer ihre Wechsel- kurse dadurch zu stabilisieren, dass sie mit Hilfe von Devisenreserven auf den 17 würde im Fall einer abrupten Umkehr Devisenmärkten intervenieren. Dar- der Flüsse ein Crash umso größer, zum über hinaus wollen sie sich gegen spe- anderen kommen die Wechselkurse der kulative Attacken und Währungskrisen Mit dem Aufbau hoher Währungen der Entwicklungsländer schützen. In der Asienkrise hatten die Devisenreserven wollen sich unter Aufwertungsdruck. Eine Auf- Reserven nicht ausgereicht, den Crash Schwellen- und Entwicklungs- wertung verteuert aber wiederum die abzuwenden. Deshalb haben fast alle länder vor dem nächsten Crash Exporte und beeinträchtigt damit die Entwicklungsländer in den letzten Jah- schützen. Wettbewerbsfähigkeit auf dem Welt- ren hohe Devisenreserven angehäuft (s. markt. Aus diesem Grund versuchen Tabelle 5). Tabelle 5: Brutto Devisenreserven der Entwicklungsländer, 1997 - 2005 (Mrd. US-$) 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005* Alle EL 571,6 588,0 621,2 666,6 748,3 920,1 1,211,8 1,616,6 2,009,5 Europa und Zentralasien 90,8 95,9 102,3 118,9 130,0 173,8 234,6 313,9 408,7 Russ. Föderation 12,8 7,8 8,5 24,3 32,5 44,1 73,2 120,8 175,7 Türkei 18,6 19,4 23,2 22,3 18,7 26,9 33,8 35,5 50,4 Lateinamerika 166,5 157,3 149,7 152,7 155,5 156,4 189,5 214,4 246,5 und die Karibik Argentinien 22,2 24,5 26,1 24,4 14,5 10,4 13,1 18,0 22,7 Brasilien 50,8 42,6 34,8 32,5 35,7 37,4 49,1 52,7 53,5 Chile 17,3 15,3 14,2 14,7 14,0 14,8 15,2 15,5 16,7 Mexiko 28,1 31,5 31,0 35,1 44,4 49,9 57,7 62,8 73,0 Venezuela 14,0 11,6 11,7 12,6 8,8 8,0 15,5 17,9 23,5 Nahost und Nordafrika 43,7 42,0 40,8 45,6 55,1 67,1 89,1 103,3 124,6 Algerien 8,0 6,8 4,4 11,9 18,0 23,1 32,9 43,1 56,2 Ägypten 18,5 17,9 14,3 12,9 12,9 13,2 13,4 14,1 20,5 Libanon 5,9 6,5 7,7 5,9 5,0 7,2 12,5 11,7 11,8 Ostasien und Pazifik 212,5 233,2 262,5 272,7 320,4 408,4 545,0 782,0 999,9 China 139,9 145,0 154,7 165,6 212,2 286,4 403,3 609,9 818,9 Indonesien 16,1 22,4 26,2 28,3 27,0 30,8 34,7 34,7 32,8 Malaysia 20,0 24,7 29,7 28,6 29,6 33,3 43,5 65,4 69,7 Philippinen 7,2 9,1 13,1 13,0 13,4 13,2 13,5 13,0 15,8 Thailand 25,7 28,4 33,8 31,9 32,3 38,0 41,0 48,5 50,5 Sub-Sahara Afrika 28,1 26,6 27,9 34,1 34,4 34,7 38,6 60,9 81,6 Angola 0,4 0,2 0,5 1,2 0,7 0,4 0,6 1,4 3,2 Nigeria 7,6 7,1 5,5 9,9 10,5 7,3 7,1 17,0 28,3 Südafrika 4,8 4,2 6,1 5,8 5,8 5,6 6,2 12,8 18,3 Südasien 30,0 32,9 37,9 42,6 52,8 79,8 114,8 142,0 148,3 Indien 24,3 27,0 32,0 37,3 45,3 67,0 97,6 125,2 131,0 Pakistan 1,2 1,0 1,5 1,5 3,6 8,1 10,7 9,6 9,8 * geschätzt Quelle: GDF 2006
1. Die Ruhe vor dem Sturm? 18 Dem Nutzen der Reserven als Instru- ment zur Wechselkurstabilisierung und zur Abwehr von Währungskrisen steht ausgegeben, die den Gesamtstand die- ser Anleihen auf 1,033 Bil. Yuan erhöh- ten (entspricht 103 Mrd. US-$; GDF aber als Problem gegenüber, dass dieses 06). Hinzu kommt das Risiko, dass eine Instrument gewaltige Mittel absorbiert, Abwertung der Währungen, in der die die dann nicht mehr für Entwicklung Reserven gehalten werden, zu entspre- und Armutsbekämpfung zur Verfügung chenden Verlusten führt und hohe Re- Devisenreserven sind als In- stehen. Finanziert werden müssen die serven Zinserhöhungsdruck erzeugen. strument zur Wechselkurssta- Reserven durch inländische Staatsver- Diese Form der Absicherung des Wech- bilisierung und Krisenabwehr schuldung – oder mit Hilfe der Noten- selkursrisikos ist also in hohem Maße auf Dauer ineffizient und ein presse. So hat die chinesische Staatsbank ineffizient und auf Dauer ein Entwick- Entwicklungshemmnis. 2004 und 2005 Inlandsanleihen jeweils lungshindernis. in Höhe von 805 und 922 Mrd. Yuan 1.5 Entwicklungshilfe Neben dem Umfang der privaten Fi- 2005 ins Auge. Dies ist eine historisch nanzströme fällt die öffentliche Entwick- einmalige Steigerungsrate sowie ein abso- lungshilfe der OECD-Länder (Official luter Höchststand in absoluten Zahlen. Development Aid – ODA) bescheiden Sieht man sich das Kleingedruckte an, aus. 421 Mrd. US-$ privater Flüsse 2005 dann erweist sich dieser Zuwachs rasch Der hohe Zuwachs der offiziel- stehen 106,5 Mrd. US-$ - also einem als Seifenblase. Denn von den 26,9 Mrd. len ODA erweist sich bei nähe- Viertel davon - gegenüber. Es gibt viel an US-$ Zuwachs entfallen allein auf einen rem Hinsehen als Seifenblase. der Entwicklungshilfe auszusetzen. Ihre Schuldenerlass für den Irak 14 Mrd. Qualität, die geringe Höhe, der politische US-$6 und weitere 5 Mrd. auf Nigeria. Missbrauch für strategische Zwecke oder Abgesehen davon, dass es problematisch als Türöffner für den Privatsektor etc. ist, Schuldnerlasse, die in der Regel auf Der Großteil der Kritik ist zutreffend, Geld verzichten, das ohnehin nicht mehr und die Anstrengungen um eine Reform einzutreiben ist, auf die ODA anzurech- und eine substantielle Steigerung dürfen nen7, kommt beim Irak hinzu, dass der nicht eingestellt werden. Dennoch: auch Erlass ausschließlich politisch motiviert mit all ihren Mängeln ist die ODA den ist. Die Hilfe wird hier missbraucht zur privaten Kapitalströmen entwicklungs- Ko-Finanzierung der Fehlentwicklun- politisch noch weit überlegen. Vor allem gen, zu denen die imperiale Großmacht- erreicht sie Länder und Sektoren, die politik der USA in der Region geführt von den Privaten links liegen gelassen hat. Während US-Unternehmen bei der werden. Die Zivilgesellschaft sollte sich Ölförderung und beim Wiederaufbau daher nicht an einem undifferenzierten große Profite in private Kassen lenken, ODA-Bashing beteiligen, sondern sich übernehmen die öffentlichen Hände die konstruktiv für Verbesserung einsetzen. Schulden. Schaut man sich die Entwicklung der Weitere 2,2 Mrd. des Zuwachses ent- ODA nun im Detail an, dann springt als fallen auf die Soforthilfe beim Tsunami, erstes der exorbitante Sprung von 79,6 also eine vorübergehende Maßnahme. Mrd. US-$ 2004 auf 106,5 Mrd. US-$ 6 Der Gesamterlass beläuft sich auf 30 Mrd. US-$. 7 Bei der UN-Konferenz Financing for Development in Monterrey 2002, versprachen die Geber selbst, dass Schuldenerlasse andere Komponenten der ODA nicht ersetzen würden.
1. Die Ruhe vor dem Sturm? Tabelle 6: Netto ODA, 1990 - 2005 (Mrd. US-$) DAC Mitgliedsländer 1990 54,3 1995 58,8 2000 53,7 2001 52,4 2002 58,3 2003 69,1 2004 79,6 2005* 106,5 19 G7 Länder 42,4 44,7 40,2 38,2 42,6 50,0 57,6 80,1 USA 11,4 7,4 10,0 11,4 13,3 16,3 19,7 27,5 Japan 9,1 14,5 13,5 9,8 9,3 8,9 8,9 13,1 Großbritannien 2,6 3,2 4,5 4,6 4,9 6,3 7,9 10,8 Frankreich 7,2 8,4 4,1 4,2 5,5 7,3 8,5 10,1 Deutschland 6,3 7,5 5,0 5,0 5,3 6,8 7,5 9,9 Kanada 2,5 2,1 1,7 1,5 2,0 2,0 2,6 3,7 Italien 3,4 1,6 1,4 1,6 2,3 2,4 2,5 5,1 zum Vergleich: EU-Länder 28,3 31,2 25,3 26,4 30,0 37,1 42,9 55,7 * vorläufig Quelle: OECD 2006 Hinzu kommt, dass ähnlich wie bei von 0,34 Prozent zu Beginn der 1990er der absoluten Schuldenhöhe die absolu- Jahre. Bereits ab 2006 prognostiziert ten Zahlen der ODA wenig aussagekräf- die OECD sogar wieder ein Sinken der tig sind. Würde man diese als Kriterium Quote, das sich wohl bis zum Abschluss Mit einem Anteil von 0,33 nehmen, wären die USA der größte Ge- des Schuldenerlasses für den Irak 2008 Prozent am BIP liegt die ODA- ber. Entscheidend ist aber der Anteil am fortsetzen wird. Quote weit unter der Zielmar- Brutto-Nationaleinkommen der Geber- Positiv dagegen ist, dass die Vergabe ke von 0,7 Prozent. länder, und nach diesem Maßstab bilden konzessionärer Kredite der öffentlichen die USA das Schlusslicht. Geber zugunsten von Zuschüssen weit- Für den Anteil am Brutto-Nationalein- gehend zurückgefahren wurde (s. Tabelle kommen gilt seit 1970 die Zielmarke 0,7 7). Denn trotz der nicht marktförmigen Prozent. Gemessen daran besteht kein Bedingungen (geringere Zinsen, längere Anlass für Optimismus. Zwar ist die- Laufzeiten etc.) waren die konzessionä- se Kennziffer von ihrem Tiefpunkt von ren Kredite immer wieder eine Quelle 0,22 Prozent im Jahr 2001 inzwischen von Neuverschuldung. Der Übergang zu auf 0,33 Prozent gestiegen. Damit liegt reinen Zuschüssen ist daher eine lange sie immer noch unter der Höchstmarke Forderung der Zivilgesellschaft gewesen. Tabelle 7: Anteil von Zuschüssen und öffentlichen Krediten an ODA 2000 - 2005 (in Mrd. US-$) 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Zuschüsse 33.039,60 33.522,10 39.813,40 50.908,30 57.222,50 83.109,30 Ein Großteil des Wachstums Öff. Kredite 3.288,20 2.679,10 1.583,50 757,07 389,10 1.790,40 der ODA geht auf die Erhö- Quelle: OECD 2006 hung von Zuschüssen zurück. Gleichzeitig hat eine stärkere Kon- der ODA auf sog. „Post-Konflikt Län- zentration der ODA auf die Gruppe der“ zu verteilen. So entfällt der dras- der ärmsten Länder stattgefunden. Sie tische Anstieg der ODA für den Mitt- erhalten heute 45 Prozent der Gesamt- leren Osten von 4,5 Prozent 2002 auf ODA im Vergleich zu 30 Prozent 1999. 11,6 Prozent 2004 fast ausschließlich Damit geht auch eine regionale Ver- auf den Irak, Afghanistan und Jorda- schiebung einher. So stieg der Anteil nien. Die Hilfe für den Irak stieg von der ODA für Subsahara Afrika von 25 im Schnitt 90 Mio. US-$ 2000-2002 Prozent 1999 auf 40 Prozent 2004. auf 3,2 Mrd. US-$ 2003-2004. Damit Höchst zweischneidig dagegen ist die wurde der Irak zum größten Empfän- Tendenz, einen zunehmenden Anteil gerland.
1. Die Ruhe vor dem Sturm? 20 Die ODA wird hier zu einem Repa- raturinstrument für die Schäden, die durch die Kriege der USA und ihrer scher wenn man bedenkt wie problem- los riesige Summen für die Kriegführung selbst ausgegeben werden. Die direkten Verbündeten erst hervorgerufen wurden. Kosten der US-Operationen im Irak be- Die Gebergemeinschaft wird dazu he- liefen sich 2006 auf 100,4 Mrd. US-$.8 rangezogen, die desaströsen Folgen der Dazu kommen die indirekten Kosten Die ODA ist zu einem Repara- US-Kriege kollektiv zu finanzieren, und in den USA wie Versorgungsbezüge für turinstrument für durch Kriege damit die Krieg führenden Mächte zu Militärangehörige, Hinterbliebenenren- und Konflikte hervorgerufene einem Großteil aus der Verantwortung ten etc. sowie die volkswirtschaftlichen Schäden geworden, die von zu entlassen. Dies ist umso problemati- Schäden am Kriegsschauplatz. den Gebern - vor allem den USA - erst hervorgerufen Tabelle 8: Netto ODA an die zehn größten Empfängerländer wurden. (Mrd. US-$, mehrjährige Durchschnittswerte) 1990–1999 2000–2002 2003–2004 Ägypten 2,23 Indonesien 1,35 Irak 3,24 Demokrati- China 1,82 China 1,18 sche Republik 3,09 Kongo Indonesien 1,47 Ägypten 1,12 Afghanistan 1,45 Serbien & Polen 1,33 1,05 China 1,36 Montenegro Indien 1,07 Mosambik 1,00 Vietnam 1,07 Philippinen 0,90 Vietnam 0,94 Äthiopien 1,03 Bangladesch 0,75 Tansania 0,88 Tansania 1,00 Mosambik 0,72 Indien 0,78 Ägypten 0,98 Thailand 0,70 Pakistan 0,76 Indonesien 0,85 Tansania 0,68 Bangladesch 0,57 Jordanien 0,76 Quelle: GDF 2006 Investitionen fen realwirtschaftliche Werte, Wachs- tum und Beschäftigung und sorgen für Während bei Portfolioinvestitionen9 Technologietransfer. Da es seit 2003 ei- auch der ökonomische Mainstream nen starken Anstieg der FDI gibt – von durchaus Risiken für Entwicklungslän- 161 auf 237 Mrd. US-$ = +47 Prozent der sieht, gelten ausländische Direk- (Grafik 8) – wäre dies eigentlich Anlass, tinvestitionen (FDI) als in besonderem auch dementsprechend positive Ent- Maße entwicklungsfördernd. Sie schaf- wicklungseffekte zu vermuten. 8 US Department of State: congressional research service: 9 Portfolioinvestition = Investition in ein Finanzgeschäft http://fpc.state.gov/documents/organization/73948.pdf
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