Katastrophenschutz in Nordrhein-Westfalen - Vorschläge für eine Weiterentwicklung
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Inhalt 1. Vorwort 3 2. Einführung 5 3. Rahmenbedingungen 3.1. Landesebene 6 3.2. Kreisebene 8 3.3. Weiterer Änderungsbedarf im Landesrecht 9 4. Ehrenamt 10 5. PSU/PSNV 11 6. Warnung 6.1. Warntaktik 12 6.2. Warntechnik 13 7. Landeskonzepte 14 8. Stabsarbeit 15 9. Technik 9.1. BOS-Digitalfunk und Kommunikationstechnik 16 9.2. Fahrzeugtechnik 17 10. Zusammenfassung der wichtigsten Vorschläge 18 Titelbild: Feuerwehr Bonn Bearbeitungsstand: Oktober 2021 2
1. Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, altbekannter, teils neu erkannter Handlungsbedarfe für geboten halten. Die diesjährige Katastrophenlage hat mit dem vorliegenden Strategiepapier „Katastrophen- uns vor Augen geführt, dass dringende Vorschläge nicht schutz in Nordrhein-Westfalen“ legen der Verband der auf die lange Bank geschoben werden können. Feuerwehren in NRW (VdF NRW), die Arbeitsgemein- schaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in NRW (AGBF Wir danken allen, die an diesem Papier mitgewirkt haben. NRW) und die Arbeitsgemeinschaft der Leiter hauptamt- Allen Feuerwehren und Feuerwehrangehörigen, die licher Feuerwachen in NRW (AGHF NRW) eine kompri- unserem Aufruf zu Vorschlägen für die Weiterentwick- mierte Zusammenfassung erkannter Handlungsbedarfe lung des Katastrophenschutzes gefolgt sind, gebührt im Katastrophenschutz vor. In dieses Aufgabenheft sind unser Dank – sie haben die zeitnahe Erstellung eines zahlreiche Erfahrungen eingeflossen, die insbesondere solchen Strategiepapiers erst ermöglicht. Den Mitglie- in der Hochwasserlage 2021 gewonnen wurden. Ebenso dern der erstellenden Kommission – namentlich Dirk sind bekannte Hinweise auf notwendige Weiterentwick- Engstenberg, Torsten Flemm, Arvid Graeger, Andreas Klos lungen enthalten, die zwar nicht neu sind, sich jedoch in und Rolf-Erich Rehm sowie Thomas Lembeck und Bernd der diesjährigen Hochwasserlage vollumfänglich bestä- Schneider – danken wir für die Mitarbeit bei der Erstel- tigt haben. lung dieses Ergebnisses. Ebenso danken wir Stephan Kleine Niesse, Dr. h. c. Klaus Schneider und Christoph Dieses Strategiepapier ist gedacht als Impulsgeber und Schöneborn für die redaktionelle Zuarbeit. Kompendium für Entscheidungsträger in Landtag und Landesregierung, in Bezirksregierungen, in Kreisen, Mögen unsere umfangreichen Vorschläge einen guten Städten und Gemeinden, in mit Katastrophenschutz- Beitrag leisten für eine zielgerichtete Weiterentwicklung fragen befassten Verbänden und Organisationen sowie des Katastrophenschutzes in Nordrhein-Westfalen. Wir für Journalisten. Gleichermaßen dient es als Aufschlag stehen bereit, uns an den notwendigen Beratungen aktiv für gute und konstruktive Beratungen zur Weiterentwick- zu beteiligen. lung des Katastrophenschutzes, denen wir mit Achtung und Respekt, aber auch erwartungsvoll entgegenblicken. Die aufgezeigten Aufgaben sind dermaßen klar sichtbar, In diesem Sinne sind wir dass wir nunmehr eine zeitnahe Abarbeitung teils Ihre Bernd Schneider Thomas Lembeck Marcus Scheele Stellv. Vorsitzender des VdF NRW Vorsitzender der AGBF NRW Vorsitzender der AGHF NRW 3
2. Einführung Zunächst ist zu betonen, dass die Aufgaben der Feuer- Der auswertenden Arbeitsgruppe gehörten an: wehren in den §§ 1 – 3 BHKG geregelt sind. Insofern l Dipl.-Ing. Dirk Engstenberg besteht keine Allzuständigkeit der Feuerwehren für Kreisbrandmeister des Rhein-Sieg Kreises die gesamte Gefahrenabwehr. Die Zuständigkeiten für l Dipl.- Ing. Arvid Graeger Gefahrenabwehr und Lagebewertungen der jeweiligen stellv. Leiter der Feuerwehr Düsseldorf, Vorsitzender Fachbehörden sind zu beachten. des AK Zivil- und Katastrophenschutz der AGBF NRW l Dipl.-Ing. Andreas Klos Im Rahmen der Einsätze in der Hochwasserlage 2021 Leiter der Feuerwehr Krefeld haben die beteiligten Einsatzkräfte zahlreiche Erfah- l Dipl.-Ing. Thomas Lembeck rungen gewonnen. Im Lichte der Beteiligung von Einsatz- Leiter der Feuerwehr Essen, Vorsitzender der AGBF kräften aus dem gesamten Land Nordrhein-Westfalen NRW und darüber hinaus haben wir alle Feuerwehrangehö- l Dipl.-Ing. Rolf-Erich Rehm rigen in Nordrhein-Westfalen um Stellungnahmen und Kreisbrandmeister und Abteilungsleiter Bevölke- Hinweise gebeten. AGBF NRW, AGHF NRW und VdF NRW rungsschutz des Ennepe-Ruhr-Kreises, Vorsitzender haben vereinbart, alle Feuerwehren in NRW an einem des Fachausschusses Zivil- und Katastrophenschutz Meinungsbildungsverfahren zum Katastrophenschutz des VdF NRW zu beteiligen. Alle Einsendungen wurden durch eine l Torsten Flemm gemeinsame Arbeitsgruppe von AGBF NRW, AGHF NRW Leiter der Feuerwehr Bergheim, stellv. Vorsitzender und VdF NRW ausgewertet und anschließend in diesem der AGHF NRW gemeinsamen Papier als Position der Feuerwehren in l Bernd Schneider Nordrhein-Westfalen zusammengefasst. Kreisbrandmeister des Kreises Siegen-Wittgenstein, stellv. Vorsitzender VdF NRW Die Vorschläge zur Weiterentwicklung des Katastrophen- schutzes in Nordrhein-Westfalen sind in den folgenden Kapiteln zusammengefasst. Foto: Mirko Braunheim 5
Foto: Feuerwehr Bocholt, Kreis Borken 3. Rahmenbedingungen 3.1. Landesebene Die Einsatzlage Hochwasser 2021 hat verdeutlicht, dass ein Kernproblem des Katastrophenschutzes in einem Die Koordinierung jeglicher Ressourcen des Katastro- nicht in ausreichendem Maße vorhandenen Lagebild phenschutzes einschließlich der Beschaffung von Landes- auf Landesebene liegt. Mit dem Projekt ViDaL zur Schaf- vorhaltungen, Einrichtung von Landeskonzepten und fung einer Schnittstelle für die Vernetzung vorhandener Bereitschaften, etc. bedarf in politischer Verantwortung Leitstellen-Informationen auf Ebene der Leitstellen der befindlicher Fokussierung. Ohne die bisherigen, im BHKG Kreise und kreisfreien Städte soll zukünftig eine deut- niedergelegten Zuständigkeiten der Kreise und kreisfreien liche Verbesserung dieses Defizites auf den Weg gebracht Städte in Frage zu stellen, bedarf es daher auf Landes- werden; dies ist sinnvoll, jedoch nur eine Teillösung. ebene eines Landes-Katastrophenschutzbedarfsplans, Zur bestmöglichen Optimierung der Vernetzung des der in jeder Legislaturperiode des Landtags aktualisiert Lagebildes und der Informationslage zwischen Kreisen, werden muss. Mit Hilfe dieses Instrumentes können die kreisfreien Städten, Bezirksregierungen und Landesre- auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte vorgehaltenen gierung schlagen wir dringend vor, eine landeseinheit- Ressourcen und Kompetenzen auf Landesebene um über- liche Leitstellen- und Stabssoftwarelösung seitens des örtliche Ergänzungsmodule erweitert werden. Landes unter vernetzter Anbindung der Kreise, Städte und Gemeinden vorzuhalten. Damit könnten zugleich Darüber hinaus ist eine Stärkung der Koordinierungs- bisher analog erfolgende Prozesse gemäß Meldeer- funktionen im Katastrophenschutz durch das Land erfor- lass automatisiert und vereinheitlicht werden. Ebenso derlich. Bei sich über mehrere Gebietskörperschaften würden alle beteiligen Ebenen von einem jederzeit und erstreckenden Schadenslagen ist eine Aktivierung des sofort verfügbaren landesweiten Lagebild profitieren. Krisenstabes der Landesregierung unverzichtbar. Die Geschäftsordnung des Krisenstabes der Landesregierung Die durch Landes- und Bundesbehörden sowie auf sowie die in § 5 Abs. 2 BHKG normierte Verortung des europäischer Ebene verfügbaren katastrophenschutzre- Krisenstabes der Landesregierung bei dem für Inneres levanten Informationen bedürfen einer ressortunabhän- zuständigen Ministerium sollten dahingehend über- gigen Vernetzung und einer für die Einsatzleitungen aller prüft werden, dass eine ressortübergreifende Akzeptanz Ebenen geeigneten Bewertung (z. B. meteorologische, dieses Führungsinstrumentes nicht in Frage gestellt hydrologische oder geologische Daten – betont nicht wird. Spätestens beim Einsatz von Einheiten, die einen abschließende Aufzählung). landesweiten Koordinierungsbedarf mit sich bringen, ist daneben die Installation einer Einsatzleitung auf Landes- Die vom Land vorgehaltenen technischen Ressourcen des ebene unabdingbar. Diese Einsatzleitung ist analog zu Katastrophenschutzes (u. a. für Logistik, Betreuung, medi- den Regelungen in Kreisen und kreisfreien Städten zinische Versorgung und den Betrieb von Bereitstellungs- unabhängig vom Krisenstab der Landesregierung zu räumen) bedürfen einer Evaluation, bedarfsweisen Ergän- unterhalten. zung und eines landesweiten Ressourcenmanagements. Ferner schlagen wir vor, im Lagezentrum der Landesre- Die Zuständigkeiten und Kompetenzen des Landes im gierung eine lagebeurteilende und zugleich die Landes- Katastrophenschutz bedürfen der organisatorischen regierung beratende Stelle einzurichten, die rund um Bündelung in einer Kompetenz-Zentrale, die im Ministe- die Uhr zusätzlich mit einsatzerfahrenen Beamten des rium des Innern oder in dessen Geschäftsbereich ange- feuerwehrtechnischen Dienstes besetzt werden soll. siedelt sein muss. 6
Die erforderlichen Aufgaben des Landes im Bereich der schutzbehörden für deren sicheren und schnellen Einsatz Warnung der Bevölkerung (siehe Kapitel 6) bedürfen unverzichtbar. einer Regelung in § 5 BHKG. Die Hochwasserlage 2021 hat es zudem erstmalig seit Die Arbeit der Dezernate 22 der Bezirksregierungen Bestehen der Landeskonzepte erforderlich gemacht, hat sich in der Hochwasserlage 2021 als personell in sämtliche Bereitschaften der vorgeplanten überörtlichen extremster Weise unterbesetzt erwiesen. Wir regen an, Hilfe im Landesinnern zu aktivieren. Obwohl dies zuvor lagebedingt die personellen Ressourcen der Bezirksregie- unvorstellbar erschien, reichten diese Ressourcen in der rungen in einem MoFüSt-ähnlichen und zu beübenden „heißen Einsatzphase“ jedoch nicht aus. Weil in vielen System um von kommunaler Ebene entsandte einsatzer- Kreisen und kreisfreien Städten eine über die bisher fahrene Führungskräfte zu ergänzen. Zudem ist es in der vorhandenen Bereitschaften der vorgeplanten überört- Lagebewältigung unerlässlich, dass auch die Bezirks- lichen Hilfe hinausgehende Leistungsfähigkeit gegeben regierungen frühzeitig räumlich in einer Stabstruktur ist, wird vorgeschlagen, die Zahl der vorgeplanten Bereit- zusammenkommen. schaften zu erhöhen; dies ist zum Beispiel möglich, indem in jedem Kreis und vielen kreisfreien Städten zusätzliche Der Einsatz von Virtual Operation Support Teams (VOST) Bereitschaften gebildet werden. ist in Katastrophenlagen unerlässlich. Es sollten perspek- tivisch mehrere unabhängig voneinander arbeitsfähige Die Benelux-Zusammenarbeit in der Gefahrenabwehr VOST in Nordrhein-Westfalen etabliert werden, zum sollte ausgebaut und vor allem operativ weiter verein- Beispiel auf Ebene der Regierungsbezirke. Beim Aufbau facht werden. Die Einbindung technischer Ressourcen solcher VOST kann auf die Expertise bestehender VOST- aus Belgien und den Niederlanden (z. B. Hochleistungs- Einheiten zurückgegriffen werden (z. B. THW Bund, Land pumpen, weitere Hubschrauber) sollte auch in einem Baden-Württemberg). frühen Einsatzstadium ohne bürokratische Hürden oder ministerielle Genehmigungsvorbehalte möglich sein. Die Öffentlichkeitsarbeit der Feuerwehren bei landes- Kostenregelungen sollten klar vereinbart und bekannt sein. weiten Flächenlagen bedarf der Intensivierung. Unab- hängig von kommunalen Zuständigkeiten sollte hier Das Verständnis für Entscheidungen von Einsatzlei- eine landesweiteinheitliche, einsatzbezogene Presse- tungen über Einsatzaufträge aus Bereitstellungsräumen und Öffentlichkeitsarbeit vorgeplant und eingerichtet ist in Katastrophenlagen – so auch in der Hochwasserlage werden. 2021 – häufig in Frage gestellt worden. Dies liegt zum Teil am Fehlen strukturellen Basiswissens über Einsatzgrund- Eine Stärkung der Selbsthilfefähigkeit und des Gefahren- sätze im Katastrophenschutz. Dieses muss insbesondre bewusstseins der Bevölkerung ist dringend erforderlich. Helfern ohne Führungsausbildung vermittelt werden. Hierzu sollte das Land seine eigene Öffentlichkeitsarbeit Daher schlagen wir vor, dass das Ministerium des Innern in diesem Bereich stark intensivieren und den unteren das Medienzentrum des IdF NRW beauftragt, allen im Katastrophenschutzbehörden landesweit einheitliche Katastrophenschutz mitwirkenden Behörden und Orga- Hilfsmittel zur Verfügung stellen. nisationen kurzfristig entsprechende Lehr- und Lernmög- lichkeiten zur Verfügung zu stellen. Die Landeskonzepte des Katastrophenschutzes, die sich nachhaltig und auch in der Hochwasserlage 2021 Das Land sollte auf Basis der §§ 10 ff des FwKatsEG eine grundsätzlich bewährt haben, bedürfen des weiteren Einsatzmedaille zur Würdigung der in der Hochwasser- Ausbaus hinsichtlich spezieller Fähigkeiten (z. B. PSU/ katastrophe 2021 eingesetzten Einsatzkräfte verleihen. PSNV, IuK, Logistik) – siehe Details in Kapitel 7. Darüber Über die bisher im FwKatsEG normierten Vorausset- hinaus ist eine regelmäßige und verpflichtende Beübung zungen hinaus ist es sinnvoll, dabei auch registrierte aller Landeskonzepte und auf Ebene aller Katastrophen- Spontanhelfer zu bedenken. Foto: Land NRW / Marcel Kusch 7
3.2. Kreisebene Die in den §§ 3 Abs. 7, 4 Abs. 2 BHKG normierten Zustän- und kreisfreien Städte, sowie die Beübung der lageab- digkeiten der Kreise und kreisfreien Städte als untere hängig erforderlichen interkommunalen Zusammen- Katastrophenschutzbehörden haben sich bewährt. Nur arbeit von Krisenstäben, Stäben für außergewöhnliche dort sind umfangreiche Kenntnisse und Erfahrungen Ereignisse und Einsatzleitungen ist unabdingbar in den hinsichtlich örtlicher Gefahrenschwerpunkte, struk- Katastrophenschutzbedarfsplänen vorzusehen und als tureller Besonderheiten, Ausstattungen und Kompe- fester Bestandteil der kommunalen Finanzplanung zu tenzen der im Katastrophenschutz beteiligten Akteure etablieren. Gleiches gilt für die notwendige Beübung von vorhanden. Es besteht jedoch die Notwendigkeit, die Bereitschaften. Belange des Katastrophenschutzes aus der derzeitigen öffentlichen Unsichtbarkeit reinen Verwaltungshandelns Die Stärkung von Selbsthilfefähigkeit und Gefahrenbe- zu befreien und in ein flächendeckendes Bewusstsein wusstsein der Bevölkerung (siehe auch 3.1) muss auch sowohl der Öffentlichkeit als auch der in der Kommu- durch die unteren Katastrophenschutzbehörden sicher- nalpolitik handelnden Verantwortlichen zu befördern. gestellt werden. Hierzu empfiehlt sich eine Einbindung Nachdem sich seit 1998 gezeigt hat, dass das Instrument von Schulen und anderen Institutionen. Die entspre- der Bedarfsplanung im Brandschutz zur Schaffung genau chenden Maßnahmen müssen im Katastrophenschutz- dieses öffentlichen Bewusstseins geeignet ist, schlagen bedarfsplan dargestellt und deren Finanzierung auf wir vor, Bedarfsplanung auch für den Katastrophen- Dauer sichergestellt werden. schutz in Kreisen und kreisfreien Städten – in Kreisen unter Berücksichtigung der gemeindlichen Brandschutz- Die Gewinnung, Erfassung, Versorgung und Einsatzmög- bedarfspläne – verbindlich einzuführen. lichkeiten von Spontanhelfern im Bereich der Gefahren- abwehr müssen in die Katastrophenschutzbedarfspla- Eine regelmäßige und verpflichtende Beübung der nung integriert werden. Krisenstäbe und Einsatzleitungen auf Ebene der Kreise 8
3.3. Weiterer Änderungsbedarf im Landesrecht Die Regelung des § 35 Abs. 5 Satz 2 BHKG gibt den kreis- Die in § 50 Abs. 2 BHKG normierte Kostentragungsrege- angehörigen Städten und Gemeinden die Möglichkeit, lung zulasten der Gemeinden bedarf der klarstellenden Stäbe für außerordentliche Ereignisse (SAE) zu bilden. Konkretisierung insbesondere für Einsätze im Rahmen Nicht nur die Hochwasserlage 2021 hat gezeigt, dass der landesweiten Hilfe (z. B. bezüglich Schäden an die Vorhaltung von SAE in kreisangehörigen Städten und Einsatzfahrzeugen). Diesbezüglich ist ein klarstellender Gemeinden völlig unverzichtbar ist. Daher regen wir an, Erlass des Ministeriums des Innern wünschenswert. dass das Ministerium des Innern und die kommunalen Spitzenverbände Lösungen erarbeiten, die die verbind- Die Sicherung der Energieversorgung kritischer Infra- liche Vorhaltung von SAE konnexitätskonform verpflich- strukturen muss unabhängig von Einsatzmitteln des tend machen. Katastrophenschutzes rechtsverbindlich sichergestellt werden, zum Beispiel über das Baurecht. Die in § 38 Abs. 2 BHKG normierte Auskunftsstelle des Landes sollte bei behördenübergreifenden Lagen durch Die Logistik von Sandsäcken sollte landesweit einschließ- die Landesebene auch ohne Anforderung eingesetzt lich der dafür erforderlichen Ausstattung und der werden können. möglichst wetterunabhängigen Abfüllmöglichkeiten in den Katastrophenschutzbedarfsplanungen der Kreise Die Spontanhelfer gewinnen im Bereich des Kata- und kreisfreien Städte berücksichtigt werden. strophenschutzes zunehmend an Bedeutung und Würdigung, so auch in der Hochwasserlage 2021. Die Wir regen an zu prüfen, ob die derzeitigen Rechtsgrund- Rechtsverhältnisse der Spontanhelfer (z. B. Erfassung, lagen für Räumungs- und Evakuierungsanordnungen Versorgung, Schadensersatzansprüche, Haftung) sollte und deren effektive Durchsetzung ausreichen. daher im Landesrecht geregelt werden. Foto: Land NRW / Ralph Sondermann 9
4. Ehrenamt Eine lageunabhängige und ständige Würdigung der Leis- tungen ehrenamtlicher Helfer im Katastrophenschutz ist für eine dauerhafte Sicherung der Einsatzbereit- schaft im Ehrenamt auf allen administrativen Ebenen dringend notwendig. Dabei ist auch die Erhaltung der Freistellungsbereitschaft von privaten Arbeitgebern zu berücksichtigen und die erforderliche Vorbildfunktion öffentlicher Arbeitgeber sicherzustellen. Die öffent- lichen Arbeitgeber müssen entsprechend sensibilisiert werden. 10
5. PSU/PSNV Die Berücksichtigung mentaler und emotionaler Schutz- bedürfnisse sowohl der Einsatzkräfte als auch der Bevölkerung haben sich in der Hochwasserlage 2021 als notwendige Ressource der Gefahrenabwehr erwiesen. Die Vorplanung des koordinierten Einsatzes sowohl im Bereich PSU als auch im Bereich PSNV ist dringend erfor- derlich. Die Zuständigkeiten und Führungsaufgaben im Bereich PSU/PSNV bedürfen der landesweit einheitlichen Regelung. 11
6. Warnung 6.1. Warntaktik Eine effiziente und zielorientierte Warnung der Bevöl- werden. Hierzu ist ein Mix verschiedener Maßnahmen kerung muss allen Gefahrenabwehrbehörden jederzeit (z. B. dezentrale Hinweistafel, Social-Media-Informati- möglich sein. Dazu ist es erforderlich, dass jede Katastro- onen, Berücksichtigung im Bereich BE/BA, usw.) von den phenschutzbehörde ein Warnkonzept als Bestandteil der unteren Katastrophenschutzbehörden in den Katastro- Katastrophenschutzbedarfsplanung erstellt. Die gemäß phenschutzbedarfsplänen vorzusehen. § 4 Abs. 1 Satz 4 BHKG für die Warnung der Bevölkerung gemeinsam mit den Kreisen zuständigen kreisangehö- Jegliche Art der Bevölkerungswarnung sollte stärker als rigen Städte und Gemeinden sollten ihre Maßnahmen bisher auf die Übermittlung konkreter Verhaltenshin- zur Warnung der Bevölkerung in ihren Brandschutzbe- weisen für die Bevölkerung ausgerichtet sein. Auch die darfsplänen vorsehen. öffentlich zugänglichen Medien sollten dabei stärker als bisher einbezogen und in die Pflicht genommen werden. Die Hochwasserlage 2021 hat gezeigt, dass über Die Beachtungsintensität von Bevölkerungswarnung die kommunalen Zuständigkeiten zur Warnung der wird durch zu häufige allgemeine Warnhinweise infrage Bevölkerung hinaus auch Zuarbeiten von Landes- und gestellt. Daher regen wir an, jegliche Warnmittel, insbe- Bundesbehörden im Bereich der Warnung der Bevölke- sondere die Warnapp NINA, ausschließlich für warnrele- rung unabdingbar sind. Es ist dringend erforderlich, die vante Ereignisse einzusetzen. diesbezüglichen Zuständigkeiten des Landes in § 5 BHKG gesetzlich zu regeln. In dem gesamten Prozess ist eine Mit dem Ziel der Akzeptanzsteigerung von Sirenen- enge Kommunikation zwischen Landesbehörden und Warnsignalen in der Bevölkerung regen wir an, zukünftig den betroffenen unteren Katstrophenschutzbehörden einheitlich auf Alarmierungen der Feuerwehren mittels unerlässlich. Zu den notwendigen Beiträgen von Landes- Sirenen – außer bei Ausfall anderer Alarmierungsmittel und Bundesbehörden gehören folgende einheitliche – zu verzichten. Warnhinweise (betont nicht abschließende Aufzählung): l meteorologische Warnhinweise, einschließlich Angaben zu den Auswirkungen l Pegelstandsprognosen auch für kleinere Flüsse, einschließlich Hinweisen zu den Auswirkungen Die oben bereits angeregte Einrichtung eines landes- weiten Kompetenzzentrums für den Katastrophenschutz sollte eine zentrale Schnittstellenfunktion in der Kommu- nikation zwischen diversen Fachbehörden von Land und Bund einerseits und den unteren Katastrophenschutzbe- hörden andererseits einnehmen. Die erforderlichen Grundkenntnisse der Bevölkerung über Warnsignale, Starkregenstufen, etc. müssen deut- lich stärker als bisher über verschiedene Wege vermittelt 12 Foto: Michael Wolters
6.2. Warntechnik Ein effektives Konzept zur Warnung der Bevölkerung setzt Die schnellstmögliche Einführung von Warnmöglich- in der heutigen vielschichtigen Gesellschaft mehr denn keiten via Cell Broadcast wird den Warnmix um eine je einen umfangreichen Warnmix aus diversen Warnmit- effektive Warnmöglichkeit erweitern. Bei der Einführung teln und Warnmedien voraus. Eine Akzeptanz der Bevöl- von Cell Broadcast ist eine so weit wie möglich ausfallre- kerungswarnung setzt ebenso einen Grundkonsens über siliente Ausführung dringend erforderlich. einheitliche Warnmethoden voraus. Bei den Warnmedien sollten alle vor Ort verfügbaren etablierten Medien (z.B. Die Zusammenstellung des Warnmixes bedarf der Social Media, mobile Endgeräte via Cell Broadcast, Anzei- regelmäßigen, mindestens alle drei Jahre erforderli- getafeln in Innenstädten und ÖPNV, etc.) eingebunden chen Überprüfung und Anpassung an die technischen werden. und gesellschaftlichen Entwicklungen. Möglicherweise können schon bald beispielsweise KFZ-Vernetzungen Ein flächendeckendes Sirenensystem bedarf der einheit- stärker eingebunden werden. lichen und ausschließlichen Ausstattung mit Endgeräten mit Sprachausgabe. So könnten auch Sirenen – wie alle anderen Warnmedien auch – neben einer Weckfunktion auch die entscheidende Vermittlung von Warninhalten abdecken. Foto: IM NRW 13
7. Landeskonzepte Die Landeskonzepte des Katastrophenschutzes in Nord- l Regelung der Versorgung (z.B. Unterbringung, Verpfle- rhein-Westfalen haben sich auch in der Hochwasser- gung, Hygiene, Betriebsstoffe, etc.) unter Berücksich- lage 2021 grundsätzlich bewährt und sollten auf dieser tigung von Einsatzdauer und Entfernung zum entsen- guten Grundlage weiterentwickelt werden. Unabhängig denden Standort davon regen wir an, alle Landeskonzepte auf Grund der l O ptimierung der Logistikausstattung der Bereit- umfangreichen Erfahrungen durch die Hochwasserlage schaften (Verbesserungsbedarfe z.B. bei der Mitfüh- 2021 zeitnah zu evaluieren. Dabei sollten unter anderem rung von PSA, Wechselkleidung, Schlafsäcken, etc.) folgende Aspekte zur Konkretisierung von Einsatzgrund- l Informationsaustausch und Kommunikation zwischen sätzen und Ausstattungen der Bereitschaften berücksich- Aufsichtsbehörden und Einsatzleitungen tigt werden: l Kommunikation bezüglich des unerwarteten Nicht- l geschlossener Einsatz der Bereitschaft vs. Aufteilung Einsatzes voralarmierter Einheiten in einzelne Züge l Schaffung einer einheitlichen, digitalen Möglichkeit l Personalaustausch vs. Fahrzeugtausch (z.B. via App) zur erleichterten Erfassung bei der l Personaltausch innerhalb von Bereitschaften kann Zusammenstellung von Bereitschaften und deren die Verlegungen von Großfahrzeugen und Einheiten Anmeldung im Bereitstellungsraum und Schadens- reduzieren gebiet l Personaltauschverfahren (Einsatzdauer, Personal l Ausstattung und Betrieb von Ruheeinrichtungen für transport mit MTF vs. Bus) Einsatzkräfte l Übergabe von Einsatzstellen vor Ort vs. im Bereitstel- l Einbindung von Drohnen in die Landeskonzepte des lungsraum Katastrophenschutzes l S tandardisierung von Vorabinformationen zum Einsatz an alarmierte Bereitschaften Darüber hinaus bedarf es der Prüfung, welche weiteren l Alarmierungs- und Ablösemanagement von Bereit- Landeskonzepte zur Katastrophenbewältigung erfor- schaften unter Berücksichtigung von Vorlauf- und derlich sind (z.B. IuK, PSU/PSNV, VOST, Versorgung inkl. Verlegezeiten Bereitstellungsräume). l Ausstattung, Betrieb und Kommunikation innerhalb von Bereitstellungsräumen l Effiziente Einsatzdauer unter Berücksichtigung von Anfahrzeiten und Arbeitgeberinteressen 14 Foto: Nils Vollmar
8. Stabsarbeit Die Arbeit in Stäben erfordert weiterhin eine regelmäßige Beübung. Die bisherige Übungsmenge ist vielerorts nicht ausreichend. Es muss sichergestellt werden, dass die Führungsstruk- turen für alle Führungsebenen erkennbar sind. Die Zuständigkeiten innerhalb eines Stabes müssen konsequent eingehalten werden. Beim Austausch von Stabspersonal muss die Verhinde- rung von Wissensverlust optimiert werden. Dabei sollte in der Regel kein gleichzeitiger Austausch ganzer Stäbe erfolgen. 15
Fotos: Frank Muhmann 9. Technik Im Rahmen der Hochwasserlage 2021 führten einige betrieben werden können, also eine eigene mobile Erkenntnisse und Erfahrungen zu Anregungen zur Ver- Stromversorgung mitführen. besserung der technischen Ausstattung für den Katast- rophenschutz. Da die Mobilfunkversorgung noch stressanfälliger ist als der BOS-Digitalfunk und der Ausfall jeglicher Standard- kommunikation eine Lageübersicht und Führung und 9.1. BOS-Digitalfunk und Kommunikationstechnik Leitung der Gefahrenabwehrmaßnahmen erschweren und teils unmöglich machen, ist die Vorhaltung von Der BOS-Digitalfunk hat sich als viel zu wenig resilient Satellitentelefonen und Satelliteninternetverbindungen gegen Netzausfälle erwiesen. Ausfälle der Stromversor- für den Katastrophenschutz sinnvoll. Dies sollte sowohl gung oder von Verbindungsleitungen der Basisstationen auf Ebene der unteren Katastrophenschutzbehörden als sowie die Zerstörung einzelner Basisstationen führten zu auch als zentrale Reserve in Landesvorhaltung geschehen. großflächigen Ausfällen des Funksystems. Ebenso haben Bedarfsweise sollte dies durch Vorhaltungen von kreisan- sich die verfügbare Bandbreite und die Antennenleistung gehörigen Städten und Gemeinden ergänzt werden. als für Katastrophenlagen nicht ausreichend gezeigt. In vielen Kreisen, Städten und Gemeinden existieren IuK- Wir regen an zu prüfen, die Notstromversorgung der Einheiten. Die Ausstattungen und Leistungsfähigkeiten Basisstationen für eine längere Netzunabhängigkeit als dieser Einheiten sind jedoch sehr unterschiedlich struk- bisher auszulegen. Ebenso regen wir an, eine geeignete turiert. Daher regen wir an, auf Landesebene eine Über- Anzahl mobiler Ersatz-Basisstationen vorzuhalten, um sicht über Ausstattungen und Leistungsfähigkeiten der ausgefallene Basisstationen kurzfristig übergangsweise IuK-Einheiten zu erstellen und zu pflegen und diese allen ersetzen zu können; diese sollten netzunabhängig Katastrophenschutzbehörden zur Verfügung zu stellen. 16
9.2. Fahrzeugtechnik Die Landes- und Bundesfahrzeuge des Zivil- und Katas- Kradmelder haben sich auch in der Hochwasserlage 2021 trophenschutzes müssen mehr als bisher auf technisch als sehr wertvoll für mobile Erkundungen erwiesen. Eine aktuellem Stand gehalten werden. Beladungsanpas- geeignete Zahl verfügbarer Kradmelder sollte auf Ebene sungen und Ersatzbeschaffungen müssen so rechtzeitig der unteren Katastrophenschutzbehörden vorgehalten geplant und realisiert werden, dass es nicht mehr zu und ggf. angepasst werden. Diese Ressourcen müssen bei Einschränkungen bei der Einsatzbereitschaft kommt. der Katastrophenschutzbedarfsplanung berücksichtigt werden. In überörtlichen Bereitschaften und sonstigen Katastro- phenschutzeinheiten sollten, soweit möglich, nur solche Für den Einsatz auch im Katastrophenschutz vorgese- Einsatzfahrzeuge verwendet werden, die einer gängigen hene Hubschrauber (Rettungshubschrauber, Landes- und Norm für Einsatzfahrzeuge entsprechen und daher über Bundespolizeien, Bundeswehr) sollten sämtlich mit zur eine gleiche und damit kalkulierbare Mindestausstat- Menschenrettung geeigneten Winden ausgestattet tung verfügen. werden. Die Zahl solcher Hubschrauber muss die zeit- nahe Rettung von hochwasserbetroffenen Menschen, Fahrzeuge, die grundsätzlich für die Beteiligung im die nicht anders gerettet werden können, ermöglichen. Katastrophenschutz vorgesehen sind, sollten mit LKW- Navigationsgeräten ausgestattet werden. Die Zahl der Die Zahl der im Katastrophenschutz vorgehaltenen Hoch- watfähigen und der geländegängigen Einsatzfahrzeuge leistungspumpen und Trinkwasseraufbereitungsanlagen war in der Hochwasserlage 2021 deutlich zu niedrig, so sollte überprüft werden; möglicherweise ist eine Kapazi- dass zukünftig mehr Einsatzfahrzeuge watfähig bzw. tätserweiterung sinnvoll. geländegängig beschafft werden sollten. Foto: Jörg Prochnow & Kreis Unna 17
10. Zusammenfassung der wichtigsten Vorschläge l Einführung wiederkehrender Katastrophenschutz- l Qualitativer und quantitativer Ausbau der Landeskon- bedarfsplanungen in Land, Kreisen und kreisfreien zepte im Katastrophenschutz und Bildung weiterer Städten als zentrales Steuerungselement für einen Bereitschaften modernen zukunftsfähigen Katastrophenschutz l Verbindliche Bildung von Stäben für außergewöhn- l Schaffung einer Kompetenz-Zentrale Katastrophen- liche Ereignisse (SAE) in allen kreisangehörigen schutz beim Land Städten und Gemeinden l Bedarfsweise Bildung einer Landeseinsatzleitung l Verbindliche Einführung regelmäßiger Übungen aller unabhängig vom Krisenstab der Landesregierung Akteure im Katastrophenschutz l Vernetzung zahlreicher Behörden, ressortunabhän- l Erweiterung der technischen Ausstattung für den gige Bereitstellung von relevanten Informationen, Katastrophenschutz aufbereitet für Entscheidungsträger in Krisenstäben l Landesweit koordinierte lagebezogene Presse- und und Einsatzleitungen Öffentlichkeitsarbeit in Flächenlagen sowie Bildung l Landesbeschaffung einheitlicher Stabs- und Leitstel- mehrerer Virtual Operation Support Teams (VOST) lensoftware für eine optimale Vernetzung aller Ebenen l Stärkung der Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung und l Erweiterung der Möglichkeiten zur Warnung der der Einbindung von Spontanhelfern durch Bund, Land Bevölkerung (sog. Warnmix) um Cell Broadcast und und Kommunen weitere Elemente Foto: Alexander von den Steinen 18
Foto:Thomas Dreifke / Feuerwehr Bocholt 19
Verband der Feuerwehren in NRW e. V. Windhukstraße 80 42277 Wuppertal Tel.: 0202 317712 - 0 Fax: 0202 317712 - 600 info@vdf.nrw www.vdf.nrw
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