Kirche in Corona-Zeiten: Ein Streifzug von A bis Z

Die Seite wird erstellt Barbara Ullrich
 
WEITER LESEN
Kirche in Corona-Zeiten: Ein Streifzug von A bis Z
Kirche in Corona-Zeiten:
     Ein Streifzug von A bis Z
                                            Seit Mitte März 2020 standen die Gemeinden und Einrichtungen der hanno-
                                            verschen Landeskirche vor der Aufgabe, das kirchliche Leben angesichts der
                                            Gefährdungen durch das Coronavirus zu gestalten. Dies hat zu einer bisher
                                            nicht gekannten und grundlegenden Veränderung des kirchlichen Angebots
                                            geführt – wie dieses ABC eines besonderen Jahresrückblicks zeigt.

14

                                                      B wie Bläser

                                            Auf einer 30 Meter hohen Drehleiter
                                                                                                 C
                                            musizierten Kantorin Meike Davids
          A wie Anmelde-APP                 (Trompete) und Kreiskantor Benja-        C wie Campingseelsorge
                                            min Dippel (Posaune) gut gesichert
     Die Lockerung der Regeln ermög-        am Ostersonntag über den Dächern       Rund 1.000 orangefarbene Ruck-
     lichte ab Mai 2020 kleinere Gottes-    von Northeim. Unterstützt wurde        säcke mit Kreativideen, Andachten
     dienstformen. Die Anzahl der Be-       der ungewöhnliche Ostereinsatz auf     und Reisesegen haben Helferinnen
     sucherinnen und Besucher richtete      dem Marktplatz vom Technischen         und Helfer der „Kirche Unterwegs“
     sich nach der Abstandsregel und der    Hilfswerk, den Johannitern, dem        in den Sommerferien auf ostfriesi-
     Größe der Kirche. Zur Planung der      DRK und der Polizei. Mit der Aktion    schen Campingplätzen über die Re-
     Gottesdienste in der Advents- und      endete der Osterweg, der aufgrund      zeptionen und vom „Kirche Unter-
     Weihnachtszeit bot die Landeskir-      der Absage aller Präsenzgottesdiens-   wegs-Mobil“ aus verteilt. „Gerne
     che Hannovers ab Anfang Novem-         te digital stattfand und 7.000-mal     wären wir mit den Kirchenzelten und
     ber unter der Adresse gottesdienst-    geklickt wurde.                        den Teams vor Ort gewesen, aber die
     besuchen.de eine Web-App zur                                                  Sicherheit vor dem Coronavirus ging
     Gottesdienstanmeldung unter Coro-                                             vor“, sagte Urlauberpastorin Antje
     na-Bedingungen an. Gemeinden und                                              Wachtmann aus Aurich. Jede Woche
     Institutionen konnten sich in dem                                             habe es für die Kleinen eine neue
     Tool registrieren, um ihre Gottes-                                            Bastelidee im Rucksack gegeben:
     dienste einzutragen. Angemeldete                                              eine Arche Noah, Clowns, Engel
     Besucherinnen und Besucher erhiel-                                            oder Mobiles. Für die Größeren gab
     ten ein Einlassticket. Dieses Ticket                                          es Reisesegen mit Segensbändchen
     sollte beim Gottesdienstzugang di-                                            und Andachten.
     gital auf dem Smartphone oder aus-
     gedruckt vorgezeigt werden.

     GEMEINDELEBEN
Kirche in Corona-Zeiten: Ein Streifzug von A bis Z
Corona-Alphabet: A–F

                                                                                                F
                                                                                                                         15

    D wie Digitalisierung                                                                 F wie Frisuren

Nicht nur Veranstaltungen und Sit-                                               Manche, die zu Beginn des Locken-
zungen fanden „digital“ statt, auch                                              downs noch im gewohnten Look
Büroarbeit wurde weitgehend ins                                                  in die Konferenzkamera blickten,
Netz verlegt. Mitte März wurden das            E wie Einsamkeit                  überraschten im Verlauf der Mona-
Landeskirchenamt und die landes-                                                 te mit Extravaganz und Modemut.
kirchlichen Einrichtungen geschlos-     „Der Mensch ist auf Beziehung an-        Der Trend zu längerer Haarpracht –
sen. Fast alle Mitarbeitenden gingen    gelegt. Bei allem Streben nach           sofern in der Grundausstattung vor-
ins Homeoffice. Manche nahmen           Selbstbestimmung und Autonomie           handen – war unübersehbar. Wo frü-
den Rechner sowie Kisten mit Ak-        gewinnt der Mensch seine Würde           her „old-fashioned“ ein Haarreif das
ten mit, einige sogar den Bürostuhl.    auch durch die Abhängigkeit von an-      Kopfrund zierte, entwickelte sich das
Dienstreisen und Besprechungen          deren.“ So hieß es in einem Magazin      Headset als ungemein dekoratives
wurden eingeschränkt oder durch         der Besuchsdienstarbeit im Coro-         Accessoire zur Bändigung wider-
Videokonferenzen ersetzt. Die Di-       na-Jahr. Leider kam die „klassische“     spenstiger Kringel. Ganz Verwegene
gitalisierung und die Einführung        Besuchsdienstarbeit in den Häusern       trauten sich entgegen der Strömung
des Homeoffice sollte zugleich die      durch die Kontaktbeschränkungen          an die Trendfarbe Kirchenmausgrau.
Arbeitsfähigkeit des Landeskirchen-     fast völlig zum Erliegen, da auch        Eine Renaissance erfuhren auch die
amtes sicherstellen. In der zweiten     viele Besuchende zur Risikogruppe        Zopf- und Duttfrisuren: Einfach die
Jahreshälfte wurden wechselnde          gehören. So machten die Kontakt-         Wasserwellen mit einem Gummi am
Anwesenheiten im Landeskirchen-         beschränkungen einsame Menschen          Hinterkopf festgezurrt gab es hier
amt verabredet. Heimarbeitsplätze       noch einsamer und verstärkten die        auch noch den überaus praktischen
und flexible Arbeitsgestaltungen        bereits erlebte Isolation. Viele Ge-     Nebeneffekt eines sanften Liftings.
haben dazu geführt, dass in nahezu      meinden suchten nach Alternativen        Fazit der landeskirchlichen Mode-
allen Fällen Lösungen für ein gefähr-   und schrieben Briefe, riefen per Tele-   redaktion: Nix muss, alles geht, und
dungsminderndes Arbeiten bei Auf-       fon an oder führten Tür-und-Angel-       ein Rest Haare auf den Zähnen darf
rechterhaltung der Dienstleistung       Gespräche mit älteren Gemeinde-          durchaus verbleiben.
gefunden werden konnten.                gliedern.  Siehe Seite 64

                                                                                              ... weiter auf Seite 23
Kirche in Corona-Zeiten: Ein Streifzug von A bis Z
Corona-Alphabet: G–I

                                                                                                  I
               G                                                                                                        23

                                                                                       I wie Innehalten

                                                                                In einem ökumenischen Gottesdienst
                                                                                im November haben die evangelische
   G wie Glühwürmchen-                       H wie Handlungs-                   und katholische Kirche der Men-
          konzerte                            empfehlungen                      schen gedacht, die durch das Coro-
                                                                                navirus gestorben sind. Im Hildes-
„Glühwürmchenkonzerte“ mit Ta-         Seit Mitte März stand die Landeskir-     heimer Dom dankten Landesbischof
schenlampen oder „Open Air mit         che vor der Aufgabe, das kirchliche      Ralf Meister und Bischof Heiner
Abstand“: Viele Chöre und Kan-         Leben zu gestalten angesichts der        Wilmer (Bistum Hildesheim) zudem
toreien suchten nach neuen Mög-        Gefährdungen durch das Coronavi-         Menschen aus Berufsgruppen, die
lichkeiten für Chorproben und zo-      rus. Sehr bald und zeitweilig mit ho-    während der Corona-Pandemie be-
gen an die frische Luft. Gegen die     her Schlagzahl wurden „Handlungs-        sondere Herausforderungen bewälti-
Dunkelheit half die Stirnlampe und     empfehlungen“ an die Gemeinden           gen mussten. Meister ermunterte die
gegen die Abendkühle die Strickja-     und Einrichtungen versandt, mit dem      Menschen, angesichts der vielen Op-
cke. Als der Gesang auch im Freien     Ziel, einerseits die kirchliche Arbeit   fer der Corona-Pandemie einander
nicht mehr möglich war, zogen ei-      weiterhin zu ermöglichen, anderer-       Trost zu spenden. Viele Angehörige
nige Chöre ins „Netz“. Inzwischen      seits das Infektionsrisiko so weit wie   und Freunde hätten sich „weder im
funktioniert die Onlineprobenarbeit    möglich zu minimieren – immer auf        Sterben noch bei Trauerfeiern in der
mancherorts recht gut, da nun viele    der Basis der geltenden Verordnun-       Weise verabschieden können, wie
Sängerinnen und Sänger technisch       gen des Landes Niedersachsen. Bis        wir es kannten“. Niedersachsens Mi-
entsprechend ausgestattet sind. Auf    zum Ende des Jahres wurden mehr          nisterpräsident Stephan Weil sagte in
diese Weise sind zumindest Stimm-      als 30 verschiedene Handlungs-           einem Grußwort: „Wir trauern, wir
proben möglich. Nur eines fehlt: Der   empfehlungen und etliche weitere         sind dankbar, und wir haben Grund
„Chorklang“, besonders zu Kon-         Informationen und Mustervorlagen         zur Zuversicht.“ Um alle Abstände
zerten und Gottesdiensten mit viel     für die verschiedenen Bereiche kirch-    einhalten zu können, durften nur
Nachhall im Kirchraum.                 lichen Lebens erstellt. Diese wurden     wenige geladene Gäste an dem Got-
                                       fortgeschrieben, wenn Veränderun-        tesdienst teilnehmen. Der Gottes-
                                       gen der Niedersächsischen Verord-        dienst wurde im Internet übertragen.
                                       nung dies erforderlich machten.

                                                                                             ... weiter auf Seite 29
Kirche in Corona-Zeiten: Ein Streifzug von A bis Z
Corona-Alphabet: J–L

                                  K

                                            K wie Konfirmation

                                        Anfang März fuhren manche
                                        noch auf Freizeit. Die Konfir-
                                        mationssprüche hatten sich die
                                        Mädchen und Jungen bereits
                                        ausgesucht. Natürlich waren
                                        auch die Feiern längst geplant.
                                        Manche hatten einen Caterer
                                        bestellt oder Gaststätten ge-

               J                                                                             L
                                        bucht.
                                        Dann ging alles sehr schnell.
                                        Nach den ersten dramatischen
                                        Nachrichten aus Italien rief die
                                        Bundeskanzlerin am 11. März
      J wie Jugendcamp                  dazu auf, alle Großveranstal-             L wie Landessynode                  29
                                        tungen ab 1.000 Personen ab-
„Können wir nicht auf die Wiese,        zusagen. Schließlich gab das         20 Scheinwerfer, sechs Kameras, di-
holen wir die Wiese eben zu uns!“,      Land Niedersachsen bekannt,          verse Monitore und Dutzende Meter
kommentierte jemand auf Face-           dass ab dem 16. März alle Schu-      Kabel haben ihre Plätze im Landes-
book die Meldung zum Landesju-          len und Kindertagesstätten ge-       kirchenamt gefunden. Grund war
gendcamp 2020. Diese lautete: Das       schlossen bleiben. So blieb den      die erste digitale Landessynode im
Camp findet statt – virtuell. Eigent-   Kirchenvorständen keine ande-        November. „Ein Livestream hat na-
lich hatte die Evangelische Jugend      re Wahl, als die Konfirmationen      türlich seinen eigenen Charme – was
in der Evangelisch-lutherischen Lan-    zu verschieben. Viele entschie-      gesendet ist, ist gesendet“, sagte der
deskirche Hannovers für Ende Juni       den sich für spätere Konfirma-       Leiter des Mediendienstes der Evan-
ihr größtes Open-Air-Event geplant,     tionen in kleinen Gruppen oder       gelischen Jugend Bramsche Kai-Fabi-
das Landesjugendcamp. Aber bereits      verschoben gleich um ein Jahr.       an Rolf, der für die Technik zuständig
im März mussten die Veranstalter        So oder so: Wenn sich (v.l.) Tara,   war.
aus Corona-Gründen absagen. Doch        Christina, Tarja und Leana und       Und diese Synodentagung hatte es
die Jugendlichen wollen nicht so        all die anderen im Jahr 2045         in sich: Dutzende Synodale wurden
einfach verzichten. „Meine Gemein-      (oder 2046) zu ihrer silbernen       per Zoom-Konferenz zusammenge-
de hat eine digitale Konfirmanden-      Konfirmation treffen, werden         schaltet, den Mittelpunkt bildete der
freizeit organisiert – da dachte ich,   sie sich an ein außergewöhnli-       Kollegsaal mit dem federführenden
dass sich das auch in Groß für das      ches Jahr erinnern. Eine Familie     Präsidenten. Einbringungen konn-
Lajucamp umsetzen lässt“, erklärt       dankte mit den Worten: „Unter        ten über einen separaten Raum ein
Tim aus Pattensen. Der 16-Jährige       solch widrigen Bedingungen           Stockwerk höher vorgetragen wer-
hatte die Idee des virtuellen Camps.    den Konfirmandenunterricht           den. Dort hatte der Mediendienst
Dieses wurde in erster Linie von Ju-    zu organisieren und einen wun-       auch die Andacht aufgezeichnet, mit
gendlichen gestaltet. Dazu gehörten     derschönen und individuellen         der die Tagung eröffnet wurde.
Videogrüße, ein Wohnzimmerkon-          Gottesdienst stattfinden zu las-     Die Landessynode besteht aus 80
zert und Rückblickbilder. Das Lan-      sen ist eine enorme Leistung.        Mitgliedern und ist eines der fünf
desjugendcamp ist mit rund 2.000        Wir gucken trotz Corona auf          Verfassungsorgane der Evangelisch-
jungen Menschen aus der gesamten        eine andere, aber tolle Konfir-      lutherischen Landeskirche Hanno-
Landeskirche eine der größten nicht     mationszeit zurück und freuen        vers. Sie beschließt über sämtliche
kommerziellen Veranstaltungen in        uns auf ein Wiedersehen, wenn        Kirchengesetze und verabschiedet
Niedersachsen.                          die Zeit dafür gekommen ist.“        den landeskirchlichen Haushaltsplan.

                                                                                          ... weiter auf Seite 53
Kirche in Corona-Zeiten: Ein Streifzug von A bis Z
Corona-Alphabet: M–O

              M                                                                      O wie Osterbotschaft

                                                                                 Als alle Ostergottesdienste abgesagt
                                                                                 werden mussten, haben die Kirchen-
                                                                                 gemeinden Bodenfelde und Wahm-
                                                                                 beck zu einer ungewöhnlichen
      M wie „Making of“                                                          Aktion aufgerufen: „Bitte schreibt      53
                                                                                 in der Osternacht oder am Oster-
„Das ist ja wie ein halbes Fernsehstu-                                           morgen mit Kreide: DER HERR IST
dio“, sagt Pastorin Franziska Baden                                              AUFERSTANDEN! vor eure Häuser.“
bei der Aufzeichnung der neuen Vi-                                               Die Nachricht wurde per WhatsApp
deogottesdienste der Landeskirche.                                               verschickt. Über 50 Menschen betei-
Vier um sie herum verteilte Strahler             N wie Netzwerk                  ligten sich an der Aktion und schick-
sorgen für Licht im Seitenschiff der                                             ten ihre Bilder. Daraus entstand ein
St.-Marien-Kirche in Celle. Drei Mit-    Das Gemeindeportal „Wir sind evan-      Film für YouTube. Außerdem haben
arbeiter des Evangelischen Kirchen-      gelisch“ ist im Corona-Jahr 2020        unterschiedliche Gruppen und Men-
funks Niedersachsen-Bremen (ekn)         aufgrund des hohen digitalen Enga-      schen ihren Beitrag zum digitalen
huschen um die Kameras herum,            gements vieler Kirchengemeinden         Ostergottesdienst geschickt.
prüfen Bildausschnitte, -schärfe und     und kirchlichen Institutionen stark
den Ton. Mit einem Mal legt sich         angewachsen. Knapp 1.000 Einzel-
Stille über die Szenerie – und eine      auftritte werden bis zur Jahresmitte
gewisse Spannung. Später folgen          von rund 2.500 Redakteurinnen und
Nahaufnahme des Altars, die Ker-         Redakteure in der Landeskirche Han-
zen, eine „Totale“ der Kirche. Nach      novers bestückt. Ebenso wurden im
etwa drei Stunden stehen alle wie-       Vergleich zum Vorjahr viermal so vie-
der draußen, im warmen Sonnen-           le Präsenzen neu gestartet. Im Mai
schein. Die Ausrüstung ist wieder im     2020 waren täglich bis zu 20.000
Auto verstaut, alle Beteiligten sind     Besucherinnen und Besucher auf den
zufrieden. In den folgenden Tagen        Seiten des Netzwerks, im gesam-
wird das gedrehte Material beim          ten Monat etwa 300.000. Dies sind
ekn gesichtet und geschnitten – und      selbst bei einer nach Medienberich-
am Sonntag um acht Uhr auf Face-         ten in der Corona-Krise gesteiger-
book, YouTube, Instagram und auf         ten Internetnutzung um 70 Prozent
der Website der Landeskirche frei-       imposante Zahlen. Sie sind ein Indiz
geschaltet. Diesen Videogottesdienst     dafür, wie schnell und sicher viele
können Gemeinden als Ersatz für          Gemeinden Verkündigung und In-
Präsenzgottesdienste auf ihren Inter-    formation in digitale Kanäle verlegt
netseiten anbieten.                      hatten.

                                                                                              ... weiter auf Seite 57
Kirche in Corona-Zeiten: Ein Streifzug von A bis Z
Corona-Alphabet: P–R

         P wie Pilgern
                                                                                             R                       57

Die Corona-Pandemie hat im Som-
mer 2020 zu einem Anstieg von                                                           R wie Regeln
Pilgern auf einigen Wegen in Nord-
deutschland geführt. So kamen ver-                                             Wer einen Gottesdienst besuchte,
mehrt Menschen aus anderen Re-                                                 lernte in vielen Gemeinden neue
gionen wie Süddeutschland oder                                                 Regeln kennen. Der Zugang zu den
Brandenburg, aber auch aus der Re-                                             Gottesdiensten wurde zahlenmäßig
gion selbst, um den norddeutschen                                              begrenzt, je nach Größe des Rau-
Jakobswegen zu folgen. Zur frühzei-                                            mes. Bei großen Festgottesdiensten
tigen Suche nach Unterkünften rie-                                             waren Anmeldungen nötig. Man-
ten auch die Verantwortlichen vom                                              cherorts wurde der Gottesdienstbe-
ökumenischen Pilgerweg zwischen                                                sucher persönlich begrüßt und nach
dem niedersächsischen Loccum und                                               dem Namen gefragt. Dann folgte
dem thüringischen Volkenroda. Nicht                                            der Weg zu einem Platz (mit 1,5 Me-
jede Kirchengemeinde konnte an-                                                tern Abstand in alle Richtungen) im
gesichts der geltenden Vorschriften              Q wie Quadrat                 Kirchenschiff. Dass im Gottesdienst
eine Unterkunft wie gewohnt anbie-                                             Maske getragen wird, verwunderte
ten. Auf dem 67 Kilometer langen        Bei „Klappstuhl- und Stehplatzver-     bald niemanden mehr. Auch nicht,
Harzer Klosterwanderweg wurden          anstaltungen“ im Freien stellte sich   dass die Gemeinde zu den Liedern
zunächst alle Touren abgesagt. Seit     die Frage, wie die Abstandsregel       schweigt. Die Öffnung der Gottes-
Anfang Juli gab es bis zum Herbst       eingehalten werden könne, damit        häuser geschah mit großer Vorsicht
wieder Angebote. Während des            die Besucherinnen und Besucher         und Umsicht. Gottesdienstbesuch
Lockdowns haben sich die Initiato-      sich nicht zu nahe kommen. Neben       unter Corona-Bedingungen bedeu-
ren der hannoverschen Landeskirche      Stühlen, die auf Abstand gestellt      tete weniger Glanz, aber vielleicht
mit einer Broschüre an die Pilger ge-   wurden, kamen manche Gemeinden         auch mehr Konzentration. Man-
wandt und zum „inneren Pilgern“         auf eine andere Idee: Sie malten mit   che sagen auch: Der Kirchraum, die
aufgerufen: „Ohne sich auf den Weg      Kreide große Quadrate auf die Plät-    Kunst, die Instrumentalmusik und
zu machen, wird dabei die innere        ze und markierten so die Stell- bzw.   das gesprochene Wort entfalteten
Haltung angesprochen.“                  Sitzplätze.                            eine stärkere Wirkung.

                                                                                           ... weiter auf Seite 69
Kirche in Corona-Zeiten: Ein Streifzug von A bis Z
Corona-Alphabet: S–U

                                                                                                U
                                                                                                                          69

      S wie Sinnfluencer                       T wie Trauerfeiern                     U wie Unterstützung

Influencer sind für junge Menschen       Ab März waren Trauerfeiern nur          Ein neu eingerichteter Fonds für
in den sozialen Medien „Kult“. In-       noch im engsten Familienkreis mög-      Kunst, Kultur und Kirche im länd-
fluencer nutzen ihre Präsenz und ihr     lich. Bis 10 Personen durften teil-     lichen Raum förderte Projekte von
Ansehen, um in den sozialen Medien       nehmen. Viele Gemeinden haben           Künstlern und Kulturschaffenden. Er
zu werben, zum Beispiel für einen Le-    dennoch überlegt, wie sie Angehö-       war auf Initiative des Arbeitsfeldes
bensstil, eine Musikrichtung oder ein    rige und Freunde einbinden konn-        Kunst und Kultur im Haus kirchlicher
Produkt. Längst ist auch die Kirche in   ten. Einige Pastorinnen und Pasto-      Dienste (HkD) und der Hanns-Lilje-
den sozialen Medien angekommen.          ren druckten die Ansprache aus und      Stiftung entstanden und sollte in der
Bei Instagram, Facebook und TikTok       übergaben diese den engsten An-         Corona-Zeit schnelle und unkompli-
posten sie Fotos, Gedanken, Gebete       gehörigen oder versendeten die An-      zierte Hilfe leisten. Im ersten Durch-
und erreichen ihre digitale Gemeinde     sprache per Mail an die Familie. Auch   lauf standen 30.000 Euro zur Verfü-
per Smartphone – und nennen sich         am Ewigkeitssonntag, dem letzten        gung. Zum einen sollen Menschen,
„Sinnfluencer“.                          Sonntag vor dem ersten Advent, war      die von ihrer Kunst leben, durch
                                         die Erinnerung an die Verstorbenen      Honorare und Vergabe von Aufträ-
                                         nur begrenzt möglich. Zum 8. Juni       gen unterstützt werden, und zum
                                         bereitete Niedersachsen eine neue       anderen wird das kirchliche Leben
                                         Verordnung vor: Hochzeiten, Taufen      im ländlichen Raum durch zeitgenös-
                                         und Beerdigungen konnten statt mit      sische Kunst und Kultur bereichert.
                                         20 mit bis zu 50 Teilnehmern statt-     Antragsberechtigt waren Kirchenge-
                                         finden, wenn Abstand und Platz dies     meinden und andere kirchliche Ein-
                                         erlaubten. Später wurde die Begren-     richtungen im ländlichen Raum.
                                         zung auf 50 Personen beim Gang
                                         zum Grab aufgehoben – solange die
                                         Abstandsregel eingehalten wurde.

                                                                                              ... weiter auf Seite 73
Kirche in Corona-Zeiten: Ein Streifzug von A bis Z
Corona-Alphabet: V–X

               V                                      W
                                                                                                                        73

  V wie Videokonferenzen                W wie Weihnachtsvielfalt

Noch vor Beginn der Pandemie wur-      Obwohl Gottesdienste in den Weih-
de von der Digitalen Agentur der       nachtstagen – mit Abstand und Hy-
Evangelischen Medienarbeit (EMA)       gieneregeln – möglich waren, blie-
das kirchliche Videokonferenzange-     ben die Möglichkeiten für die großen
bot „konferenz-e“ vorgestellt. Nach    Weihnachtsgottesdienste einge-
anfänglichen Startschwierigkeiten      schränkt. Es wurde ein „Weihnachts-               X wie „fresh X“
erwies sich die kostenlose und öf-     fest in Vielfalt“, für das es keine
fentliche Nutzung durch Ehren- und     Vorbilder gab. Die Landeskirche ver-      Fast wie bei der „fresh X“-Bewe-
Hauptamtliche als hilfreicher Ersatz   zichtete darauf, eine generelle Rege-     gung entstanden während der Co-
für Präsenzsitzungen. Mit der neuen    lung vorzuschlagen. Die Kirchenvor-       rona-Pandemie überraschende und
konferenz-e-App sowie den Anlei-       stände und Pfarrämter entwickelten        neue Formen von Kirche. Bereits in
tungen waren die Ehren- und Haupt-     verschiedene Angebote: Manche Ge-         den Vorjahren hatte die anglikani-
amtlichen in der Lage, zu Videokon-    meinden feierten Heiligabend drau-        sche Kirche in England aufgrund
ferenzen einzuladen oder an ihnen      ßen wie „die Hirten auf dem Felde“,       von Mitgliederschwund, Spardruck,
teilzunehmen. Heute ist die Ausbil-    andere ließen den Engel die Weih-         Nachwuchsmangel und Gemeinde-
dung und Nutzung von Videokon-         nachtsbotschaft „digital“ verkün-         schließungen neue Ideen entwickelt,
ferenzen ein Stück Gemeindepäda-       den. Neben den Gottesdiensten in          die als „fresh X“ auch in Deutsch-
gogik. Für größere Konferenzen wie     der Kirche, meist mit Anmeldungen,        land bekannt wurden. „Fresh“ meint
Kirchenkreissynoden sowie für die      entschieden sich viele für Freiluftgot-   „frisch“ im Sinne von kreativ und
Außenkommunikation (Elternaben-        tesdienste. Andere versandten Weih-       innovativ, X ist die Abkürzung von
de, Konfirmandenunterricht) wurde      nachtspost, luden zu digitalen Feiern     eXpressions („Ausdrucksform“). Mit
mancherorts ergänzend ein kommer-      ein oder öffneten ganztags die Kir-       der Einschränkung des kirchlichen
zielles Videoangebot angeschafft.      che mit verschiedenen Stationen. Da       Lebens entwickelten viele Gemein-
                                       Gesang nicht erlaubt war, war dies        den kreative Ideen und probierten
                                       für viele ein Weihnachten ohne „Oh        neue Formen aus. Schon jetzt ist die
                                       du fröhliche“ – das gab es bei Kirche     Frage: Was bleibt, wenn die Pande-
                                       noch nie.                                 mie vorüber ist?

                                                                                             ... weiter auf Seite 87
Kirche in Corona-Zeiten: Ein Streifzug von A bis Z
Corona-Alphabet: Y–Z

                                                                                                         87
     Y wie „Yes, we can“                        Z wie Zollstock

Was können wir tun, wenn wegen          Neben Bibel und Gesangbuch gehör-
Corona nichts mehr geht? Wäh-           ten auch Mundschutz und Zollstock
rend die gesamte Veranstaltungs-        zum kirchlichen Alltag. Der Zollstock
branche seit dem Frühjahr 2020 zur      half bei der Einhaltung der Abstände
Untätigkeit gezwungen war, kam          auf Kirchenbänken und bei der Be-
das landeskirchliche Veranstaltungs-    stuhlung. Auch ein Hygienekonzept
management in der Evangelischen         und die Anzeige von Gottesdiensten
Medienarbeit nicht zur Ruhe. Die        beim Gesundheitsamt wurden ein-
zwei Experten für Veranstaltungs-       geführt. Besonders bedrückend er-
organisation und -sicherheit, Stefan    lebten viele Gottesdienstbesucherin-
Riepe und Simone Ernst, erkannten       nen und Gottesdienstbesucher das
im letzten Frühjahr schnell, dass ihr   Verbot von Gemeinde- und Chorge-
Fachwissen gerade jetzt gebraucht       sang. So bleibt das Jahr 2020 auch
wird, und ließen sich zusätzlich zu     als „Jahr der verordneten Stille“ in
Hygienebeauftragten für Events aus-     Erinnerung.
bilden. „Wer hätte bis Anfang letz-
ten Jahres gedacht, dass es so etwas
geben könnte? Wir müssen davon
ausgehen, dass Hygienekonzepte
auch in den nächsten Jahren eine                      Zeit der Bewährung
größere Rolle bei kirchlichen Veran-
staltungen spielen. Darauf sind wir        Kirchen sind geschlossen, Trauungen müs-
vorbereitet“, so Stefan Riepe zur          sen verschoben werden, Beerdigungen
Lage. Für Gemeinden und Kirchen-           können nur im engsten Familienkreis statt-
kreise ist das Veranstaltungsmanage-       finden. „Es ist zum Heulen. Es ist eine Zeit
ment erste Adresse bei Fragen rund         der Bewährung, sagt Landesbischof Ralf
um Hygienekonzepte, Gesetzestexte          Meister. „Was wir brauchen, sind Geduld
und Anträge sowie Informationen zu         und eine feste Hoffnung.“
aktuellen Verordnungen.
Kirche in Corona-Zeiten: Ein Streifzug von A bis Z
Sie können auch lesen