Kleine Paradiese schaffen - Schweizerische Vogelwarte ...

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Kleine Paradiese schaffen - Schweizerische Vogelwarte ...
UMWELT

         Der Zaunkönig baut sein Nest in die Wurzelstöcke von umgefallenen Bäumen.
         Auch im Garten schätzt er Nischen in Asthaufen oder Holzbeigen. Foto: Marcel Burkhardt

         Kleine Paradiese schaffen
         Der Zaunkönig ist im Unterholz zu Hause. Der muntere Vogel steht
         stellvertretend für ein ganzes Gefolge von Tieren und Pflanzen,

                                                                                                                                      Gärtenel
         die sich in seinem Reich aus heimischen Pflanzen, strukturreichen

                                                                                                                                     für Vög
         ­Grünflächen und insbesondere «unordentlichen Ecken» zu Hause
          fühlen. Letztere erweisen sich oft als kleine Paradiese für die Arten-
          vielfalt. Text: Petra Horch*

         Sand-, Stein- und Asthaufen, aufgeschich-            50 Zentimeter ins Erdreich eingegraben,         bienen hier ihre Brutzellen graben. Aus
         tetes Holz, aufgetürmte Wurzelstöcke, Bret-          können Reptilien und Amphibien in den           diesem Grund sollten auch solche Haufen
         terbeigen oder gestapelte Ziegel bieten einer        Bodennischen überwintern und der Haufen         mindestens zwei Jahre möglichst unverän-
         Vielfalt von Kleintieren Nahrungs-, Ver-             wird zum vollwertigen Lebensraum.               dert belassen werden. Sogar Holz- und Bret-
         steck- und Brutmöglichkeiten. Nicht nur                                                              terbeigen können als Unterschlupf dienen,
         manche Vogelarten, sondern auch diver-               Haufenweise Unterschlupf                        beispielsweise als Neststandort für die Amsel
         se Käfer- und Spinnentiere, Kleinsäuger,             Das Material kann getrennt (beispielswei-       oder auch als Winterquartier für die Rau-
         Reptilien und Amphibien nutzen solche                se als reiner Ast-, Stein- oder Sandhaufen)     hautfledermaus. Wird neben einem Haufen
         Haufen und Stapel. Entscheidend ist, dass            oder auch miteinander vermischt werden.         oder Stapel ein Strauch, zum Beispiel eine
         das Material so aufgeschichtet wird, dass            Alle diese Varianten sind attraktiv für Rep-    Heckenrose (Rosa canina) oder eine Ech-
         Hohlräume von unterschiedlicher Grösse               tilien wie die Zauneidechse. Da Holz mit        te Brombeere (Rubus fruticosus) gepflanzt,
         entstehen. Daher sollte sowohl feineres wie          der Zeit zerfällt und abgebaut wird, sind       sind die Kleintiere darin etwas besser vor zu
         gröberes Baumaterial eingesetzt werden. Be-          Wurzelstock-Sandhaufen langfristig nicht        hoher Sonneneinstrahlung und vor Katzen
         findet sich ein Haufen in schattiger Lage,           sehr stabil, lassen dann allerdings auch neue   geschützt. Damit der Strauch die Struktur
         so profitieren insbesondere Amphibien wie            Hohlräume entstehen. Wenn diese gross           nicht überwuchert, sollte er immer mal wie-
         die Erdkröte. Mauer- und Zauneidechsen               genug sind, bieten sie eventuell auch für       der zurückgeschnitten werden.
         sowie Blindschleichen hingegen bevorzugen            Igel oder in ländlicheren Gegenden sogar
         sonnige Standorte, damit sie ihre Körper             für das Hermelin Unterschlupf.                  Auf der Mauer, auf der Lauer
         mithilfe der Sonne aufwärmen können, so-                Werden Haufen gänzlich aus feinem, un-       Wo Geländekanten vorhanden sind, bie-
         dass Stoffwechselprozesse optimal ablau-             gewaschenem, leicht lehmhaltigem Sand           tet sich eine Trockensteinmauer an. Damit
         fen. Wird das Material teilweise mindestens          angelegt, so können bodennistende Wild-         schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe,

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                                                                                      1. Trockensteinmauern können aus allerlei Materialien
                                                                                      errichtet werden. Wichtig ist, Hohlräume anzubieten
                                                                                      und überwachsende Vegetation etwas im Zaum zu halten,
                                                                                      wenngleich ein teilweiser Bewuchs durchaus erwünscht ist.
                                                                                      Foto: Reinhard Witt

                                                                                      2. Locker geflochtene lebende Weidezäune ergeben einen
                                                                                      schmalen grünen Sichtschutz und sind für Kleintiere
                                                                                      durchlässig. Foto: Petra Horch
                                                                                      3. Holzbeigen sollten mindestens 50 Zentimeter hoch und
                                                                                      30 Zentimeter tief sein. Werden sie unter einem Strauch
                                                                                      aufgeschichtet wie hier der Kornelkirsche, so liegen sie zur
                                                                                      heissen Jahreszeit im Schatten des Blätterdachs.
                                                                                  2   Foto: Schweizerische Vogelwarte

denn die verschiedenen Kleintiere finden hier    (Asplenium trichomanes), auch Mauerraute             willkommen. Ganzjährig wasserführende
nicht nur Unterschlupf, sondern die Mauer        genannt, gedeihen in Nischen und bewach-             Teiche sollten allerdings nur dann in Gär-
sichert auch den Hang. Damit die Stabili-        sen das Mauerwerk, ohne es zu überwuchern            ten angelegt werden, wenn Frösche, Kröten
tät gewährleistet ist, sollten für die Mau-      oder die Stabilität zu gefährden. Auch ergibt        und Molche für ihre Wanderungen zu den
er hauptsächlich Steine verwendet werden.        dies unterschiedlich besonnte Stellen an der         Laichgewässern und zurück in ihren Som-
Trotzdem können von Anfang an Hohlräu-           Trockensteinmauer.                                   mer- und Winterlebensraum keine stark
me eingeplant werden. In Weinbaugebieten                                                              befahrenen Strassen überqueren müssen.
werden beispielsweise spezielle Nistkästen       Wasser ist Leben                                     Der perfekte Standort wird fünf bis sechs
für den Wiedehopf in Trockensteinmau-            Temporäre Wasserstellen, Gräben, Weiher              Stunden pro Tag besonnt und liegt nicht
ern eingebaut. Feuersalamander, Mauerei-         und Teiche sind insbesondere für Amphibi-            unter Bäumen. Es sollten unterschiedlich
dechsen und verschiedene Wildbienenarten         en und viele Insekten wichtige Lebensräu-            tiefe Wasserbereiche geschaffen werden,
nutzen aber schon natürliche Hohlräume.          me. Denn deren Entwicklung von der Larve             von sehr flachen Uferzonen bis zu einem
Das Zimbelkraut (Cymbalaria muralis), der        zum ausgewachsenen Tier verläuft teilwei-            Meter tiefen Stellen.
Rundblättrige Steinbrech (Saxifraga rotun-       se im Wasser. Als Tränke sind Wasserstel-               Eignet sich ein Garten nicht für die Anla-
difolia) und der Braunstielige Streifenfarn      len zudem auch für Säugetiere und Vögel              ge eines Tümpels, kann der Natur mit sehr

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Kleine Paradiese schaffen - Schweizerische Vogelwarte ...
flachen und auch temporären Feuchtstellen      ling aktiven Wildbienenarten eine wichtige         Serie «Gärten für Vögel»
 auf lehmigem Untergrund geholfen werden.       Nahrungsquelle. Da die Weide an den Ästen          (ur) Die Grüne Branche kann viel un-
 Sie sollten mindestens einen Quadratme-        blüht, die im Vorjahr gewachsen sind, soll-        ternehmen, damit sich Vögel in unseren
 ter gross sein. Hier können Mehlschwalben      ten allfällige Rückschnitte nur abschnitts-        Gärten wohlfühlen. Vor allem benötigen
 Baumaterial für ihre Nester sammeln. Auch      weise und über mehrere Jahre verteilt oder         sie Nahrung sowie geschützte Nist- und
 Bienen brauchen im Sommer Wasser zum           erst nach der Blüte durchgeführt werden.           Schlafplätze. Eine Serie von Artikeln in lo-
 Überleben, wenn kaum Tau liegt und auch           Auch Zäune aus naturbelassenem Holz             ser Reihenfolge setzt sich mit verschiede-
 weniger Nektar zur Verfügung steht. Tem-       bieten der Natur einen ökologischen                nen Aspekten rund um den vogelfreund-
 poräre Feuchtstellen sollten zwischen März     Mehrwert und sind wesentlich wertvoller            lichen Garten auseinander. Gärtner und
 und Juli Wasser führen. Dazu kann in eine      als Abgrenzungen aus Beton und Metall,             Gartenbauer finden darin nützliche Tipps
 verdichtete Bodenstelle Regenwasser über       insbesondere wenn sie bodennah Durch-              zur Gestaltung und Bepflanzung von
 das Abflussrohr vom Hausdach eingeführt        schlupfmöglichkeiten bieten. So können             Grünanlagen. Diese können sie auch in
 werden. Ebenfalls mit Dachwasser können        Igel und Feuersalamander ihre nächtliche           die Beratung von Hausbesitzern und Ver-
 wechselfeuchte Gräben versorgt werden. Als     Nahrungssuche ungehindert fortsetzen.              antwortlichen für öffentliche Grünräume
 Sumpfbeet gestaltet, können sie mit Gelber     Naturbelassene Zäune aus wetterbestän-             einbringen.
 Schwertlilie (Iris pseudacorus), Blutweide-    digem Holz wie Eiche oder Lärche eignen               Der Artikel in der nächsten Ausgabe
                                                                                                   von g’plus thematisiert, wie das Brutge-
 rich (Lythrum salicaria), Sumpf-Ziest (Sta-    sich zudem als Gerüst für Kletterpflanzen
                                                                                                   schäft der Vögel mit passenden Pflege-
 chys palustris) und Wasserdost (Eupatorium     wie das Windende Geissblatt (Lonicera peric-
                                                                                                   massnahmen unterstützt werden kann.
 cannabinum) bepflanzt werden, alles Nek-       lymenum), Hopfen (Humulus lupulus) oder
                                                                                                   Die Beiträge zur Artikelserie sind im Web
 tar- und Pollenpflanzen für Wildbienen und     Feld-Wildrose (Rosa arvensis). Für Zäune bis
                                                                                                   gesammelt unter:
 weitere Bestäuber.                             0,8 Meter muss keine Baubewilligung ein-
                                                                                                   www.gplus.ch → Dossiers → Gärten für
    Auch die Vögel mögen das kühlende Nass.     geholt werden, doch ist der gleiche Grenz-
                                                                                                   Vögel
 Ein ideales Vogelbad für Haussperlinge, Am-    abstand wie für Hecken zu beachten. In
 seln und Kohlmeisen verfügt über mehrere       kleinen Gärten, in denen es keinen Platz
 ein- bis zwei Zentimeter hohe Stufen, die      für eine Hecke aus Wildsträuchern gibt,
 ins Erdreich gegraben werden, und liegt an     sind von Kletterpflanzen bewachsene Zäu-
 einer besonnten, für die Vögel übersichtli-    ne deshalb ein wichtiges Element. Solche          ermöglicht es, Erfahrungen und Sicherheit
 chen Stelle: Das Vogelbad ist also möglichst   Strukturen gefallen dem Zaunkönig und             zu gewinnen, um schliesslich einen grösse-
 vegetationsfrei.                               auch der Mönchsgrasmücke.                         ren Teil des Gartens naturnah zu gestalten.
                                                                                                  So eröffnen sich wiederum neue Einblicke
 Lebende Gartenzäune                            Herantasten und Erfahrungen sammeln               in dieses faszinierende Universum vor der
 Aus toten Ästen von Weiden (Salix sp.) oder    Untersuchungen zeigen: Je vielfältiger das        Haustür.
 Haselstrauch (Corylus avellana) sowie aus      Angebot an Kleinstrukturen ist, desto hö-
 lebendem Material der Purpurweide (Salix       her wird die Artenvielfalt in einem Garten.
 purpurea) geflochtene Zäune bieten den un-     Klein­strukturen sind aber auch Türöffner         * Petra Horch ist Landschaftsarchitektin und arbei-
 terschiedlichsten Kleintieren Unterschlupf     für erste Erfahrungen mit einem naturna-          tet als Projektleiterin in der Abteilung «Förderung
 und Nahrung. Insbesondere Zäune aus le-        hen Garten: Eine «wilde Ecke», wo die Gärt-       der Vogelwelt» bei der Schweizerischen Vogelwarte.
 benden Weiden sind für die ersten im Früh-     nerin nur beobachtet, was sich entwickelt,        Im Signet: Ein Stieglitz / Foto: Stefan Rieben

                                                                 Links: Dachwasser kann genutzt werden, um ein wechselfeuchtes Sumpfbeet zu
                                                                 speisen und beispielsweise mit Blutweiderich zu bepflanzen. Foto: Reinhard Witt
                                                                 Oben: Es gibt kaum noch ungeteerte Flächen im Siedlungsraum. Deshalb fehlt
                                                                 den Mehlschwalben Zugang zum Baumaterial. Mit temporären Tümpeln kann das
                                                                 Nistmaterial wieder angeboten werden. Foto: Marcel Burkhardt

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