Kleine und große Sprünge - cloudfront.net
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Biowein WEINMACHER So kann ein Weinberg aussehen: blühende Blumen und Gräser zwischen den Rebzeilen statt Monokultur Wein Kleine und große Sprünge Bio wächst – manchmal mehr und manchmal weniger. Derweil wird auch im konventionellen Anbau der Verzicht auf Herbizide ein Thema. Nur am Kupfer scheiden sich nach wie vor die Geister O hne Bio geht heute hat sie sich in den letzten zehn Jahren Deutschland: stetiger Zuwachs. Auch scheinbar nichts mehr. mehr als verdoppelt. Nach Auskunft von die Bio-Verbände vermelden stetige Zu- Das sieht man an folgen- Beate Fader vom Dienstleistungszent- wächse. Ecovin-Geschäftsführer Ralph den Zahlen. Die deutsche rum Ländlicher Raum in Oppenheim Dejas notierte erstmals zwei Mitglieds- Bio-Rebfläche stieg nach (Rheinhessen) finden die meisten Um- betriebe aus Polen mit zusammen Angaben der AMI (Agrarmarkt-Infor- stellungen in mittleren Familienbetrie- 4 Hektar Rebfläche. Die Zahl der Ecovin- mations-Gesellschaft) im Jahr 2018 auf ben mit etwa 15 bis 25 Hektar statt, die Mitglieder wuchs auf 245 an, die insge- 9.300 Hektar. In Rheinland-Pfalz wur- zumindest teilweise direkt vermarkten. samt 2.606 Hektar bewirtschaften. Von de erstmals die 10-Prozent-Hürde über- Besonders häufig erfolgt eine Umstel- 290 Betrieben und 1.900 Hektar spricht sprungen. Dort stieg die Öko-Rebfläche lung von konventionellem auf ökologi- Veronica Ullrich, Fachberaterin Wein- um 5,3 Prozent auf 6.506 Hektar. Somit schen Anbau beim Generationswechsel. bau, bei dem Verband Bioland. Darun- 14 Weinwirtschaft 3/2020
ter sind erstmals Betriebe aus Sachsen- Italien stagniert. Die italienische Bio- 40 Prozent zu, die Zahl der Betriebe Anhalt und zwei Betriebe im Aufbau in Rebfläche wuchs bis zum Jahr 2016 um 28 Prozent. Etwa jeder achte deut- FOTO: MARK HULS – STOCKADOBE.COM Niedersachsen. sprunghaft. Seitdem gibt es nur noch sche Agrarbetrieb ist derzeit bio-zertifi- kleine Zuwächse. Im Jahr 2018 stieg ziert. Bei den Flächen erreicht die Bio- Europa geht voran. Bislang bleibt die die Bio-Rebfläche um 1 Prozent auf Quote 9,1 Prozent. In dieser Hinsicht dynamische Entwicklung des Bio-Wein- gut 106.000 Hektar. Impulse kommen liegt Deutschland im europäischen Ver- baus auf Europa begrenzt. Südafrika ist neuerdings vom Inlandskonsum. Im gleich zwar nur an 14. Stelle, aber über das einzige Land außerhalb Europas, in ersten Halbjahr des Jahres 2019 stieg Es ist nicht alles dem EU-Durchschnitt von gut 7 Prozent. dem es im Jahr 2018 eine deutliche Stei- der italienische Biowein-Konsum um Gold, was glänzt EU-weit werden knapp 14 Mill. Hekt- gerungsrate gab, wenn auch auf ver- 38,6 Prozent gegenüber dem gleichen ar biologisch bewirtschaftet. Nummer 1 Ein heiß umstritte- gleichsweise niedrigem Niveau. Dem Zeitraum des Vorjahres. Allerdings auf nes Thema im ist Spanien mit 2,25 Mill. Hektar. Knapp stehen Rückgänge in Lateinamerika ge- vergleichsweise niedrigem Niveau. Bio-Weinbau: die dahinter folgen Italien und Frankreich. genüber. Weltweit stieg die Bio-Quote in Ausbringung von Die Dynamik bei unseren Nachbarn jen- den Rebanlagen auf 6,1 Prozent. Frankreich: Dynamisches Wachstum. Kupfer seits des Rheins betrifft also nicht nur Große Sprünge macht die Entwicklung den Wein. Mehr als ein Viertel der Bio- Spanien bleibt Nummer 1. Nummer 1 dagegen in Frankreich. Um 20 Prozent Flächen befindet sich in Umstellung. im weltweiten Bio-Weinbau ist nach wie wuchs dort die Bio-Rebfläche im Jahr Spitzenreiter bei der Bio-Quote ist das vor Spanien. Auch wenn die Zuwächse 2018 auf gut 94.000 Hektar. Somit sind Département Bouches du Rhône (Pro- zuletzt nicht mehr so spektakulär wa- etwa 12 Prozent der französischen Reb- vence) mit 28,8 Prozent. ren wie bis 2016. Im Jahr 2018 nahm fläche bio-zertifiziert. Ein knappes Drit- die Bio-Rebfläche um 6 Prozent zu, auf tel hiervon befindet sich in Umstellung. Trend zum Verzicht auf Herbizide. gut 113.000 Hektar. Davon befinden sich Getragen wird diese Entwicklung vor Die Ökologisierung des Weinbaus reicht 21 Prozent in Umstellung. Mit Abstand allem von starker Nachfrage im Inland. weit über den Bio-Sektor hinaus. Gene- führend ist die Region Castilla La Man- Teilweise führte das zu Engpässen, wes- rell wird der integrierte Weinbau im- cha, auf die alleine gut die Hälfte der wegen im Languedoc im letzten Jahr mer mehr zum Mindest-Standard. So Gesamtfläche entfällt. Besonders dyna- das Logo »CAB« für Weine aus der Um- beschloss der Verwaltungsrat der AOP misch verläuft die Entwicklung derzeit stellphase eingeführt wurde. »Das neue Corbières (10.000 ha im Languedoc) im in Katalonien. Die Region liegt bereits Logo war ein voller Erfolg«, zeigt sich Juni 2019, dass sich alle Erzeuger inner- auf Platz 2 mit knapp 17.000 Hektar, wo- der neue Präsident von »SudVinBio«, halb der nächsten fünf Jahre entweder von sich fast ein Drittel in der Umstel- Nicolas Richarme, erfreut und erklärt: dem Bio-Anbau oder einer Form des in- lungsphase befindet. »Auf diesem Weg konnten 60.000 Hek- tegrierten Anbaus anschließen müssen. toliter Fasswein vermarktet werden – zu Einen bemerkenswerten Schritt haben einem Durchschnittspreis von 1 Euro Piwis vor! auch die 27 Appellationen im Gebiet An- pro Liter.« Dieser Preis liegt zwischen jou-Saumur (Loire) vollzogen. Sie unter- Das Weingut dem des Bioweins und dem des konven- Pizzolato erzeugte sagen ab sofort den Einsatz von Herbizi- tionellen Weins. erstmals 2019 den auf ihren insgesamt 18.000 Hektar Vom Trend zum Bio-Anbau berichtet einen Novello aus umfassenden Flächen. Bemerkenswert auch Pauline Guiset, Brand Managerin der Rebsorte ist diese Entscheidung insofern, als der bei Cellier des Dauphins, dem größten »Merlot Kanthus«. Verzicht auf Herbizide der erste Schritt Weinproduzenten im Rhonetal: »Etwa 10 Es handelt sich bei der Umstellung auf jedwede Form Prozent unserer Anbaufläche ist bio-zer- dabei um eine des umweltfreundlichen Anbaus ist. tifiziert, also etwa 1.200 Hektar. Wir sind italienische Bei der »Sitevi«-Messe im vergange- Kreuzung von damit einer der größten Biowein-Produ- nen November in Montpellier (Frank- einem resistenten zenten Frankreichs. Im Jahr 2020 gehen reich) war das Interesse der Besucher Partner mit Merlot. weitere 100 Hektar in die Umstellung.« an Maschinen zur mechanischen Un- Insgesamt wurden bei Pizzolato krautbekämpfung enorm. Die Herstel- Bio-Trend nicht nur beim Wein. Die 6 Hektar der neuen ler sprachen von Produktionsauswei- Zunahme des Bio-Weinbaus verläuft in Piwi-Sorten tungen und Lieferzeiten. Dennoch ist den meisten Ländern parallel zum all- gepflanzt die Abkehr von den Herbiziden höchst gemeinen Bio-Trend. In Deutschland umstritten und viele Weinproduzen- liegen nach Angaben der AMI die Bio- ten beklagen die Tatsache, dass die EU Der Pilz Peronospora, auch »falscher Wachstumsraten in der Gesamt-Land- den Einsatz von Glyphosat nur noch Mehltau« genannt, kann alle grünen wirtschaft das dritte Jahr in Folge um bis zum Jahr 2022 erlaubt. Sie sprechen Rebteile befallen. Bei einem Befall der Beeren färben sie sich violett und trocknen 10 Prozent (2018: 10,8 Prozent). Gegen- von erheblichen Kostensteigerungen so- ein (Lederbeeren) über 2015 nahmen die Bio-Flächen um wie von personellen Engpässen. »Die Weinwirtschaft 3/2020 15
WEINMacher Biowein 4–5.000 Traktorfahrer, die wir in der Gi- ronde für die mechanische Unkrautbe- kämpfung bräuchten, gibt es weit und breit nicht«, kritisiert Philippe Ducourt, Großwinzer mit 450 Hektar Reben im Entre-Deux-Mers-Gebiet. Am Kupfer scheiden sich die Geister. Nach wie vor die Achillesferse des biolo- gischen Weinbaus – und nicht nur für diesen – ist die Bekämpfung des Pero- nospora-Pilzes. Immer wieder kommt es in feucht-warmen Witterungsphasen zu einem Pilzbefall der Trauben und in der Konsequenz zu Einbußen. Das Mit- tel der Wahl ist im Bio-Anbau nach wie vor Kupfer. Da die Pflanzenschutzmittel auf Kupferbasis aber bei häufigen Re- genfällen schnell wieder abgewaschen FOTO: BMEL werden, sind zahlreiche Spritzungen notwendig, die die Ökobilanz des Bio- Die Projektpartner Weinbaus verschlechtern. Zudem ist die von VitiFit Bio-Winzer können darüber nur lächeln, jekt an. Beteiligt sind unter anderen die zusammen mit ökologische Verträglichkeit der Kupfer- Bundeslandwirt- gibt es doch hierzulande schon seit Jah- Bio-Verbände, die Hochschule Geisen- mittel höchst umstritten. Deshalb hat schaftsministerin ren eine noch strengere Regelung. heim (HGU), der Weincampus Neustadt, die EU die Obergrenze für den Kupfer- Julia Klöckner In den meisten europäischen Wein- die Universität Erlangen-Nürnberg, das einsatz mit Beginn des Jahres 2019 von baugebieten brachte die Witterung im Julius-Kühn-Institut, das Weinbauinsti- 6 auf 4 Kilogramm pro Hektar reduziert. Jahr 2019 keine allzu großen Peronos- tut Freiburg, die Bayerische Landesan- In schwierigen Jahren darf dieses Limit pora-Probleme mit sich. »Die geringen stalt sowie Praxispartner, die im Um- überschritten werden, was aber in an- Niederschläge haben leider unsere Er- welt und Pflanzenschutzbereich tätig deren Jahren durch Mindereinsatz aus- träge reduziert, andererseits gab es we- sind. Das Projekt, das vom Bundesmi- geglichen werden muss. Die deutschen nig Probleme mit Peronospora«, so fasst nisterium mit einem Volumen von über Frédéric Saccoman, der neue Direktor 6,3 Mill. Euro gefördert wird, beschäf- der Cave d’Heracles (Gard, Südfrank- tigt sich einerseits mit Verbesserungen reich), die Lage zusammen. Er gibt aber beim Pflanzenschutz, andererseits aber Bio-Rebfläche weltweit (Stand Dez. 2018) zu bedenken: »Wenn sich ein Jahr wie auch mit Alternativen wie den pilzwi- Die einen gewinnen, die anderen verlieren 2018 wiederholen würde, bekämen wir derstandsfähigen Sorten (Piwi) und ih- Bio-Rebfläche (ha) Anteil (%) Tendenz mit dem neuen Limit Probleme.« rer Markteinführung. Die neuen Sorten werden zunehmend Spanien 113.419 12,1 h Vitifit – Suche nach Alternativen. An auch in Südfrankreich ein Thema, be- Italien 106.447 15,8 n der Bekämpfung des Peronospora-Pil- dingt durch die großen Verluste im Jahr Frankreich 94.020 12,6 hh zes setzt auch das deutsche Vitifit-Pro- 2018. »Wir mussten bei der Sitevi-Messe Deutschland 9.300 9,3 h Österreich 6.001 12,5 h Griechenland China 4.564 19.888 4,5 2,6 h i »Die 4–5.000 Traktorfahrer, die wir in der Gironde für die USA 11.071 2,7 n mechanische Unkrautbe- Australien 5.783 4,2 h kämpfung bräuchten, gibt es Argentinien Chile 3.574 3.360 1,6 1,6 i i weit und breit nicht « Philippe Ducourt, Großwinzer im Gebiet Südafrika 3.651 3,1 hh Entre-Deux-Mers Welt 421.910 6,1 h FOTO: JON WYAND Quellen: Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL, Schweiz), AMI und Recherchen des Autors 16 Weinwirtschaft 3/2020
»Wenn sich ein Jahr wie 2018 wiederholen würde, bekämen wir mit dem neuen Limit Probleme « Frédéric Saccoman, Direktor Cave d’Heracles im vergangenen November viele Bestel- (Württemberg) und die Firmen Peter ler für resistente Reben vertrösten und Riegel und Alnatura einen Wein, der auf Wartelisten setzen«, beschreibt Silke aus einer neuen, resistenten Sorte her- Tourette von Rebzüchter Tourette in der gestellt wird. Sie entstand im Verlauf Ardèche die Lage. Die Akzeptanz für die von 25 Jahren züchterischer Arbeit in neuen Reben in Frankreich ist durchaus der Rebenzüchtung, die dem Staats- erstaunlich. Denn bislang lässt keine weingut seit 1911 angegliedert ist. Das einzige AOP ihre Verwendung zu. Staatsweingut baut diese rote und bis- Dagegen wird in Deutschland bereits her noch namenlose Sorte auf 2,5 Hek- eine ganze Reihe von ihnen vom Bun- tar Fläche nach Bio-Richtlinien an. Im dessortenamt als Vitis Vinifera einge- Frühling dieses Jahres soll ein Rosé in stuft. Voraussetzung hierfür ist eine star- den Regalen von Alnatura die Vermark- ke Dominanz der Vinifera-Gene. Bei der tung einläuten. Im Herbst soll dann ein Sorte Johanniter zum Beispiel liegt de- Rotwein folgen. ren Anteil bei knapp 97 Prozent. Die An- erkennung des Bundessortenamtes ist Bio-Trend bei französischen Spitzen- notwendig, damit eine Sorte für die Er- Crus. Wie zentral die Eindämmung des zeugung von Qualitätswein verwendet Peronospora-Pilzes bei der Entschei- Ein Naturkork, gewaschen werden darf. Besonders populär sind die dung für oder gegen den Bio-Weinbau neuen Rebsorten bei den Bio-Winzern. ist, lässt sich am Beispiel von Château mit Zitronensäure und Aber nicht nur bei diesen. d‘Yquem (Bordeaux, Sauternes) nach- viel frischem Wasser. vollziehen. Dort wurden in den letzten Neue Reben für das Land. Das Bio- Jahren Schritte in Richtung Bio-Anbau Veredelt mit echtem Bienenwachs Weingut Pizzolato (Veneto, Italien) er- unternommen. zeugte erstmals im Jahr 2019 einen No- Am schwersten tat man sich mit der und panzlichen Ölen. vello aus der Rebsorte »Merlot Kanthus«. Kupferfrage. Letztlich fiel aber die Ent- Es handelt sich um eine italienische scheidung für den Bio-Anbau, wie Ber- Kreuzung von einem resistenten Part- nard Arnault, Präsident und Großaktio- Ungebleicht, ungefärbt, frei von ner mit Merlot. Die Sorte zeichnet sich när des Luxusgüter-Konzerns LVMH, zu durch hohe Resistenz gegenüber Perono- dem Château d‘Yquem gehört, im Mai Chemikalien und Füllstoffen. spora aus. In normalen Jahren genügen vergangenen Jahres mitteilte. Die Ab- zwei bis drei Spritzungen. Zwei Hektar wägung zwischen den Risiken des Bio- Rebfläche ergaben etwa 16.000 Flaschen. Anbaus und der Aufwertung der Marke Die Sorte erinnert mit ihrer kirschigen durch selbigen hat zu dem Ergebnis ge- Frucht deutlich an Merlot. Unterstützt führt, dass auch ein Luxusgut der aller- wird der fruchtige Novello-Charakter höchsten Preisklasse durch ein ökologi- durch eine Gärung im Macération Car- sches Image noch an Prestige gewinnen bonique-Verfahren. Auf der bevor stehen- kann. Ähnliche Entwicklungen sind im den ProWein sollen zudem einige Weiß- Gang bei Spitzen-Crus im Médoc, wie weine aus Piwi-Sorten vorgestellt werden. Latour und Palmer. Vorreiter ist Pontet- Insgesamt wurden bei Pizzolato 6 Hektar Canet. Regionen mit kleineren Struk- der neuen Sorten gepflanzt. turen wie Burgund, Rhône, Elsass sind In einer Gemeinschaftsaktion lan- diesem Trend allerdings weit voraus. cieren das Staatsweingut Weinsberg WOLFRAM RÖMMELT Weinwirtschaft 3/2020 17
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