Klimawandel und Baumarten-Verwendung für Waldökosysteme
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Forschungsstudie Klimawandel und Baumarten-Verwendung für Waldökosysteme Auftraggeber: Stiftung Wald in Not Projektleiter: Prof. Dr. Andreas Rolo Bearbeiter: Dipl.-Forstwirtin Britt Grundmann Technische Universität Dresden Institut für Forstbotanik und Forstzoologie, Professur für Forstbotanik Pienner Str. 7 01737 Tharandt rolo@forst.tu-dresden.de www.forst.tu-dresden.de/Botanik 08t.08.2008
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 4 2 Methode 5 2.1 Frostresistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.2 Hitze- und Trockenheitsresistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 3 Ergebnisse und Diskussion 14 3.1 Betrachtung der Hauptbaumarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3.1.1 Rot-Buche (Fagus sylvatica L.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3.1.2 Stiel-, Trauben-Eiche (Quercus robur L. / Quercus petraea [Matt.] Liebl. bzw. Quercus robur L. subsp. robur / Quercus robur L. subsp. sessiliora (Salisb.) A. DC.) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3.1.3 Gemeine Fichte (Picea abies [L.] Karst.) . . . . . . . . . . . . . . 16 3.1.4 Wald-Kiefer (Pinus sylvestris L.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3.2 Andere Baumarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3.2.1 Neben- und Mischbaumarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3.2.2 Baumarten südländischer Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3.2.3 Baumarten fremdländischer Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.3 Herausforderungen für den Waldbau im Klimawandel . . . . . . . . . . . 20 3.4 Bewertung der Baumarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3.4.1 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3.4.2 Gesamtbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3.5 Physiologische Anpassungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 4 Schlussfolgerungen und KLAM-Wald (KLimaArtenMatrix für Waldbaumarten) 28 Literatur 38 2
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung Zusammenfassung In der vorgelegten Studie werden 47 Waldbaumarten hinsicht- lich ihrer Verwendbarkeit für Waldökosysteme unter Bedingungen des Klimawandels bewertet. Diese Zusammenstellung beruht auf der integrativen Auswertung und Beurteilung bereits publizierter Analysen und Daten zu den physiologischen und ökologischen Po- tentialen der Arten. Hierbei liegt das wesentliche Augenmerk auf der Toleranz gegen- über andauernden Trockenphasen, aber auch auf der Frostresis- tenz. Um eine allgemeine Frosthärte jeder Art zu ermitteln, wur- de die Toleranz gegenüber Winterfrösten, ebenso wie gegenüber Spätfrostereignissen herangezogen. Im Ergebnis können 47 Baumarten mittels Benotung (1-4) für vier Standorte unterschiedlicher Wasserversorgung bewertet werden. Dies wird anschaulich zusammengefasst in der KLAM-Wald, der KLimaArtenMatrix für Waldbaumarten. Danach zeigt sich, dass die meisten der heimischen Arten auf geeigneten Standorten ein hohes Potential haben, um auch in Zukunft stabile Wälder zu bil- den. Bei Entscheidungen der Baumartenwahl sind selbstverständ- lich auch weitere Faktoren wie z.B. Nährstoangebot, Höhenstufe und bei einzelnen Baumarten auch mögliche Pathogenrisiken mit einzubeziehen. Eine Bewertung der Waldbaumarten unter dem Aspekt des Kli- mawandels wie in dieser Studie wurde bisher noch nicht vorgenom- men, so dass es sich um einen neuen Ansatz handelt, der hiermit zur Diskussion gestellt werden soll. 3
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung 1 Einleitung Die Prognosen zum Klimawandel fallen je nach angewendetem Szenario unterschiedlich dramatisch aus [35]. Im Zeitraum von 1906-2005 stieg die globale Jahresmitteltempera- tur um 0,74◦ C an. Sie soll sich relativ zu 1980-1999 nochmals um 2-4◦ C bis zum Jahr 2100 erhöhen. Mit einer erhöhten Temperatur geht eine Veränderung der Niederschläge einher. Während in Europa die Niederschläge in den Wintermonaten zunehmen werden, kommt es zu einem Rückgang der Niederschläge in der Vegetationsperiode um 10-25 % (SRES Bezugsszenario A1B). Allerdings bestehen bei regionalen Niederschlagsprojek- tionen noch erhebliche Unsicherheiten. Die Zunahme von Extremereignissen, wie lange Trockenperioden, Orkane, Starkregen und Überutungen, ist bereits spürbar. Die Zu- nahme von Sturmereignissen deutet sich für Europa ebenfalls an [21, 48, 49]. Klimatisch bedingte Veränderungen unserer Waldökosysteme sind nur eingeschränkt vor- hersagbar, da groÿräumige Klimafaktoren durch regionale und lokale Dierenzierungen wie z.B. Wasserspeicherfähigkeit der Böden modiziert werden [2]. Die Wälder stehen vor einem bisher noch nie da gewesenem Anpassungsdruck [10]. In der vergangenen Erd- geschichte gab es immer wieder einen Wechsel zwischen Warm- und Kaltzeiten, doch vollzog sich dieser niemals in einer Geschwindigkeit, wie sie jetzt prognostiziert wird [68]. Auf besonderen Extremstandorten, wie im Kanton Wallis in der Schweiz, einem der extremsten inneralpinen Trockengebiete, lassen sich bereits heute Veränderungen in der Artenzusammensetzung beobachten [69]. Veränderungen im Konkurrenzgeschehen der Baumarten in den verschiedenen Entwicklungsstufen (Blüte, Regeneration, Wachstum) werden in Zukunft sehr wahrscheinlich unterschiedlich verlaufen [2, 54]. Die Arealgren- zen der Baumarten werden sich in Zukunft verschieben, nicht nur horizontal, sondern auch vertikal [19, 96, 101]. Welche Baumarten sind nun für die deutschen Wälder in Zukunft geeignet? Welche Bäume reagieren besonders tolerant oder auch intolerant auf Witterungsextreme wie z.B. Trockenperioden oder Spätfröste und sind dennoch an tiefe Wintertemperaturen angepasst? Diese individuelle Toleranz ist nicht nur artabhängig, sondern auch die Her- künfte einer Art unterliegen dem Einuss unterschiedlicher Lokaladaption [13, 81, 90]. Der zukünftige Waldbau muss daher Baumarten mit bestmöglicher Anpassungsfähigkeit auswählen. Die zunehmende Hitze in der Vegetationsperiode und das Verschieben der gröÿten Niederschlagsmengen in das Winterhalbjahr [2, 36] stellen zusätzliche Stresssi- tuationen für die Bäume dar. Im bestmöglichen Fall führt dies zu Resistenzen der Pan- zen, doch kann es auch zu Zuwachsverlusten, sichtbaren Schäden, sogar bis hin zum 4
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung Absterben und zum gänzlichen Ausfall einer Art kommen. Künftig werden auf einigen Standorten Baumarten nicht mehr geeignet sein und auf andere Standorte ausweichen, oder es werden andere Arten hinzukommen [94, 95, 100]. Zudem ist davon auszugehen, dass andere Nutzungsaspekte neben der Holznutzung an Bedeutung gewinnen werden, z.B. ökologische und ästhetische Funktionen. 2 Methode Eine sinnvolle Herangehensweise an eine objektive Bewertung wichtiger Baumarten hin- sichtlich der Verwendungsmöglichkeiten für Waldökosysteme in naher Zukunft ist die Analyse von Verbreitungsgebieten und Klimadiagrammen, sowie das Einschätzen des physiologischen und ökologischen Potentials einer Art. Hierbei wurde besonderes Au- genmerk auf die Toleranz gegenüber andauernden Trockenphasen gelegt. Hierzu wurden verschiedene Literaturquellen herangezogen [11, 17, 41, 42, 70, 75, 77, 78, 82, 97, 98]. Ein weiterer Aspekt für nützliche Hinweise auf die Fähigkeiten einer Baumart, Trocken- phasen zu überstehen, ist ihre Eignung als Stadtbaum [22, 7074, 76]. Die klimatischen Bedingungen innerhalb der Städte wirken um ein Vielfaches verstärkt und unmittelbar auf den Einzelbaum. Daher wurde diese Eignung ebenfalls in die allgemeine Bewertung mit einbezogen. Der ökologische Waldbau hingegen musste sich schon immer an den gegebenen Standortsverhältnissen orientieren. Daher ieÿt das potenzielle Vorkommen jeder einzelnen Baumart in natürlichen Waldgesellschaften, wohinter sich die Eignung für frische oder trockene Standorte verbirgt, in die Bewertung mit ein [17, 80, 82]. Es werden folgende vier Standortsbereiche unterschieden: nass bis sehr frisch, ziemlich frisch bis frisch, mäÿig frisch bis mäÿig trocken und trocken bis sehr trocken. In der vorliegenden Studie wurde ebenfalls der Ansatz der Klimahüllen berücksichtigt [5, 37]. Doch aufgrund der kritisch zu sehenden Eingangsdaten fallen die Einschätzungen des Potentials einzelner Baumarten unterschiedlich zu unseren Untersuchungen aus (Kap. 3.1.4). Aus diesem Grund fanden diese Bewertungen keinen Eingang in die vorliegenden Ergebnisse. Um zusätzlich eine Einschätzung der Frosthärte jeder einzelnen Baumart zu gewinnen, wurde mittels obiger Literatur die Toleranz gegenüber Winterfrösten, aber auch Spät- frostereignissen ermittelt. Diese beiden Eigenschaften wurden gemittelt und zu einer allgemeinen Frosthärte zusammengefasst. Wird die Frosthärte einer Baumart als sehr gut oder gut eingeschätzt, hat sie auf die abschlieÿende Gesamtbewertung keinen wei- teren Einuss. Ist eine Baumart jedoch in ihrer allgemeinen Winterfrostresistenz einge- 5
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung schränkt, oder ist sie spätfrostempndlich, so hat das eine wichtige Auswirkung auf die Gesamteinschätzung: In solch einem Falle wurde die Bewertung um eine Stufe herabge- setzt. Im Folgenden sollen die wesentlichen Eigenschaften Frostresistenz sowie Hitze- und Tro- ckenheitsresistenz, die zu einer Bewertung der Baumarten führen, erläutert werden. 2.1 Frostresistenz Frostresistenz kann allgemein deniert werden als die Fähigkeit einer Panze, Tempera- turen unter 0◦ C ungeschädigt zu überleben [46]. Sie ist in erster Linie genetisch bedingt und weist Unterschiede zwischen Arten, Sorten und sogar Klonen auf. Weiterhin un- terliegt sie einer typischen Jahresrhythmik, ist abhängig vom Abhärtungsvermögen und verändert sich im Laufe des Lebensalters der Panze. Auch exogene Faktoren wie Nähr- stoangebot, Licht, Wasser und Immissionen beeinussen die Frosthärte. Der Photo- und Thermoperiodismus einer Baumart bestimmt in der Regel deren Frosthärte. Durch hormonale Steuerung tritt der Baum im Herbst in das Stadium der Vorruhe, welche bei vielen Arten durch Dauerbelichtung noch reversibel ist. Unter dem Einuss von weiteren Hemmstoen beginnt anschlieÿend die Vollruhe. Diese Phase des Übergangs bestimmt die Frosthärte, die durch komplexe Veränderungen in der plasmatischen Struktur der Zellen gekennzeichnet ist. So kann durch eine künstliche Verkürzung der Tageslängen eine Panze früher ausreifen und dadurch einen höheren Frosthärtegrad erreichen. Dies konnte bei Robinia pseudoacacia durch Moschkow bereits 1935 nachgewiesen werden. Andererseits kann eine kurze Tageslänge und die damit eintretende Ruheperiode bei Picea glauca die Dürreresistenz fördern [91]. Der Kältetod ist, wie auch der Hitzetod, die Folge von Biomembranläsionen und des Zusammenbruchs der Energieversorgung der Zelle. Eine Schädigung durch Frost tritt ein, wenn es zur Eisbildung in den Zellen kommt (intrazelluläre Eisbildung). Auch die extrazelluläre Eisbildung in den Interzellularen (Kondenswasser) und Zellwänden kann schädigen (Abb. 1), doch ist es artspezisch unterschiedlich, wie lange eine Panze dies ertragen kann. Der Gefrierimpuls breitet sich über Leitbündel und homogene Gewebe schnell aus, Dis- kontinuitäten (Lufträume, dichte verholzte oder cutinisierte Sekundärwände) behindern die Eisausbreitung dagegen. Die physiologischen Folgen dieser Eisbildung sind die De- hydration, die Veränderung der Permeabilität von Biomembranen und die Anreicherung 6
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung Abbildung 1: Intrazelluläres (links) und extrazelluläres Gefrieren (rechts) von Hefezellen. Durch intrazellulär entstandenes Eis werden die protoplasmatischen Struk- turen zerstört. Die extrazellulär gefrorene Zelle ist durch den Wasserentzug geschrumpft und von Eiskristallnadeln umgeben, die den ursprünglichen Umfang der Zelle erkennen lassen. (Längenmaÿ = 1 µm) Quelle: LAR- CHER 2001 von kryotoxischen Substanzen. Dies kann im Zusammenhang mit der Inaktivierung mem- brangebundener Enzymsysteme zum Zusammenbruch des Energieumsatzes sowie zu wei- teren Schädigungen von Membranen führen. Panzen haben in ihrer Anpassung an frostgefährdete Standorte eine Vielzahl von Mög- lichkeiten entwickelt, um Frostereignisse und Frostperioden zu überstehen. Dazu gehören Maÿnahmen gegen den Gefrierstress, aber auch gegen Begleiterscheinungen winterli- cher Kälte wie Photoinhibition, Frosttrocknis und Schneebelastung. Zur Fähigkeit einer Panze, Winterschäden vorzubeugen, gehört ebenso, sich der Frosteinwirkung so gut wie möglich zu entziehen, räumlich wie auch zeitlich [89]. Hierzu gehört z.B. das Abwerfen der frostempndlichen Blätter. Eine Frostresistenz kann auf zwei verschiedene Wege erreicht werden: 1. durch die Fähigkeit, Eisbildung in Zellen und Geweben (intrazelluläre Eisbildung) zeitlich zu verzögern oder gegen tiefere Temperaturen zu verschieben (Gefrierver- zögerung); 7
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung 2. durch die Fähigkeit, extrazelluläre Eisbildung zu tolerieren (Gefrierbeständigkeit). Die meisten Bäume der gemäÿigten Breiten besitzen die Eigenschaft, dass einzelne ihrer Gewebe und Organe oder auch zeitweilig die gesamte Panze extrazelluläre Eisbildung ertragen. Dies erreichen sie hauptsächlich durch die Stabilisierung der Membransysteme. Folgende biochemisch-physiologischen Vorgänge lassen sich dabei beobachten [47, 89]: 1. Bildung von Kryoprotektoren (Substanzen, die das osmotische Potential der Zellen beeinussen und somit zur Gefrierpunktsenkung beitragen); 2. Veränderung und Stabilisierung der Membranen selbst (durch Anreicherung pola- rer Lipide, Desaturation von Membranlipiden, um die Membranuidität bei nied- rigen Temperaturen aufrechtzuerhalten und durch Anreicherung von Proteinen); 3. Vermehrung und Vergröÿerung von Biomembranächen (Schutzfunktion bei Struk- turveränderungen durch extrazelluläre Gefrierprozesse); 4. Persistente Unterkühlung in Geweben mit Nukleationsbarrieren (dicke und dichte Zellwände ermöglichen eine anhaltende Gefrierverzögerung bis zur Unterschreitung einer Temperaturschwelle. Bei manchen Blättern bis auf -10◦ C und -12◦ C, bei Knospen und Holz verschiedener Wald- und Obstbäume der gemäÿigten Zone bis auf -30◦ C bis -70◦ C). Die Fähigkeit der Frostresistenz der untersuchten Baumarten ist Tabelle 1 zu entnehmen. Hierbei wurden Noten von 1 - 4 vergeben, wobei gilt • 1 = extrem frostresistent • 2 = gut frostresistent • 3 = bedingt frostresistent • 4 = frostempndlich. Diese Bewertung wurde getrennt vorgenommen für die Spätfrostresistenz und die all- gemeine Winterfrostresistenz. In der letzten Spalte wurde der Mittelwert aus beiden Eigenschaften gebildet, um eine Gesamteinschätzung für jede Art zu gewinnen. Diejeni- gen Baumarten, bei denen entweder die allgemeine Frosthärte oder die Spätfrostresistenz mit 3 oder 4 bewertet wurde, sind fett hervorgehoben und sind somit als frostgefährdet gekennzeichnet. 8
Tabelle 1: Bewertung der Frostresistenz, Baumarten mit eingeschränkter Winterhärte oder Spätfrostresistenz sind fett her- vorgehoben (Erläuterungen der Ziern oben im Text) Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung Lateinischer Name Deutscher Name Spätfrost Winterfrost Mittelwert Abies alba Mill. Weiss-Tanne 4 2 3 Abies grandis (Dougl. ex D.Don) Lindl. Küsten-Tanne 3 2 2,5 Acer campestre L. Feld-Ahorn 2 2 2 Acer platanoides L. Spitz-Ahorn 2 1 1,5 Acer pseudoplatanus L. Berg-Ahorn 2 1 1,5 Alnus glutinosa (L.) Gaertn. Schwarz-Erle 2 2 2 Alnus incana (L.) Moench Grau-Erle 1 1 1 Betula pendula Roth Sand-Birke 1 1 1 Betula pubescens Ehrh. Moor-Birke 1 1 1 Buxus sempervirens L. Buchsbaum 2 1 1,5 9 Carpinus betulus L. Hainbuche 2 1 1,5 Castanea sativa Mill. Edel-Kastanie 3 2 2,5 Fagus sylvatica L. Rot-Buche 3 2 2,5 Fraxinus excelsior L. Gemeine Esche 3 2 2,5 Fraxinus ornus L. Blumen-Esche 3 3 3 Ilex aquifolium L. Stechpalme 4 2 3 Juglans regia L. Gemeine Walnuss 4 2 3 Larix decidua Mill. Europäische Lärche 2 1 1,5 Malus sylvestris (L.) Mill. Wild-Apfel 3 2 2,5 Picea abies (L.) Karst. Gemeine Fichte 2 2 2 Fortsetzung ...
Lateinischer Name Deutscher Name Spätfrost Winterfrost Mittelwert Pinus cembra L. Zirbel-Kiefer 1 1 1 Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung Pinus nigra Arnold Schwarz-Pappel 1 2 1,5 Pinus strobus L. Weymouths-Kiefer 1 1 1 Pinus sylvestris L. Wald-Kiefer 1 1 1 Populus nigra L. Schwarz-Pappel 2 2 2 Populus tremula L. Zitter-Pappel 1 1 1 Prunus avium L. Vogel-Kirsche 2 2 2 Prunus padus L. Trauben-Kirsche 2 1 1,5 Pseudotsuga menziesii (Mirb.) Franco Douglasie 2 1 1,5 Pyrus pyraster (L.) Burgsdorf Wild-Birne 3 2 2,5 Quercus cerris L. Zerr-Eiche 3 2 2,5 Quercus petraea (Matt.) Liebl. Trauben-Eiche 2 2 2 10 Quercus pubescens Willd. Flaum-Eiche 2 3 2,5 Quercus robur L. Stiel-Eiche 2 1 1,5 Quercus rubra L. Rot-Eiche 2 2 2 Robinia pseudoacacia L. Robinie 2 2 2 Salix alba L. Silber-Weide 2 1 1,5 Sorbus aria (L.) Crantz Mehlbeere 2 1 1,5 Sorbus aucuparia L. Eberesche 1 1 1 Sorbus domestica L. Speierling 2 2 2 Sorbus torminalis (L.) Crantz Elsbeere 2 2 2 Taxus baccata L. Gemeine Eibe 2 2 2 Tilia cordata Mill. Winter-Linde 2 1 1,5 Fortsetzung ...
Lateinischer Name Deutscher Name Spätfrost Winterfrost Mittelwert Tilia platyphyllos Scop. Sommer-Linde 2 2 2 Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung Ulmus glabra Huds. emend. Moss. Berg-Ulme 2 1 1,5 Ulmus laevis Pall. Flatter-Ulme 2 2 2 Ulmus minor Mill. emend. Richens Feld-Ulme 2 2 2 11
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung 2.2 Hitze- und Trockenheitsresistenz Im Allgemeinen wird unter Hitzeresistenz die Fähigkeit verstanden, hohe Temperaturen ohne irreversible Schäden zu überstehen. Die maximalen Temperaturen, die Gehölze in den gemäÿigten Breiten ertragen können, liegen bei 45◦ C bis 55◦ C [89]. Unter Dürre versteht man dagegen eine niederschlagsarme Zeit, während der der Wassergehalt des Bodens so stark absinkt, dass die Panzen unter Wassermangel leiden. Häug ist Bo- dentrockenheit mit Lufttrockenheit und starker Einstrahlung gekoppelt, wodurch eine hohe Verdunstungsbelastung entsteht. Groÿräumig ist Trockenheit das Ergebnis des Zusammenwirkens von Niederschlagsmangel und hoher Verdunstung. In Trockengebie- ten herrscht Dürre mit solcher Regelmäÿigkeit und von solcher Dauer, dass die jährliche Verdunstung die Jahressumme der Niederschläge übersteigt [47]. Der Schädigungsverlauf durch Trockenheit beginnt mit einer Volumenverminderung der Zelle durch Wassermangel. Es folgt eine Erhöhung der Zellsaftkonzentration und eine Entquellung des Protoplasmas. Der Turgor der Zelle geht somit zurück und es kommt zu einer Verlangsamung der Wachstumsvorgänge. Trockenschäden sind unvermeidbar, sobald das Wurzelwachstum aufgrund Wassermangels eingestellt wird. Wie schon zuvor genannt ist der Hitzetod die Folge von Biomembranläsionen und des Zusammenbruchs der Energieversorgung der Zelle. Trockenheitsvermeidung können Panzen durch Einziehen oder Abwerfen austrocknungs- empndlicher Organe (alle vegetativen Organe, Sprosssysteme, Blätter) erreichen. An- dererseits können Überdauerungsorgane mit spezischen Mechanismen der Trockenre- sistenz ausgestattet werden. Zur Aufrechterhaltung des lebensnotwendigen Wassergehalts dienen folgende funktionel- le und strukturelle Eigenschaften [89]: 1. Schutzeinrichtungen gegen unkontrollierbare Wasserverluste • Kutikula und Wachsauage auf den Blättern • Behaarung von Blättern, vorrangig tote Haare • Blattstellung • Kork und Borke an Stämmen • Endodermis und Exodermis an Wurzeln • Reduktion transpirierender Flächen 12
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung 2. Einschränkung der Wasserabgabe durch Regulation der Stomata 3. Sicherung der Wasseraufnahme 4. Verbesserung des Wassertransports 5. Wasserspeicherung Fähigkeiten der Panzen, die der Austrocknung auf zellulärer und subzellulärer Ebene entgegenwirken können, sind folgende: 1. Aufrechterhaltung des Turgordrucks von Zellen durch Akkumulation gelöster, häu- g osmotisch wirksamer Substanzen; 2. Elastizität von Geweben; 3. Fähigkeit des Protoplasmas zur nahezu vollständigen Austrocknung bei Aufrecht- erhaltung der Aktivität löslicher Enzyme für Photosynthese und Respiration. Die Befähigung der begutachteten Bäume, Hitze- und Trockenstress zu ertragen, ist in deren Eignung, auf unterschiedlich frischen Standorten vorkommen zu können, enthal- ten. Diese generelle Eignung wurde nach umfangreichem Literaturstudium und eigenen Erhebungen für folgende Standorte eingeschätzt: • nass bis sehr frisch • ziemlich frisch bis frisch • mäÿig frisch bis mäÿig trocken • trocken bis sehr trocken Die Benotung wurde in gleicher Form von 1 bis 4 vorgenommen, wobei gilt: • 1 = sehr gut geeignet • 2 = gut geeignet • 3 = bedingt geeignet • 4 = ungeeignet 13
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung 3 Ergebnisse und Diskussion Zu den Möglichkeiten der Vorbereitung von bestehenden Waldbeständen unter Beibe- haltung der Baumartenzusammensetzung auf zukünftige Bedingungen gehören Anpas- sungen der waldbaulichen Behandlung wie das Absenken der Umtriebszeiten oder Weit- bestandeskonzepte. Daneben ist eine Strategie zur Risikominimierung durch ökologisch ausgerichteten Waldumbau eine der wichtigsten Optionen [50]. Dies erfordert ein Min- destmaÿ an Mischung sowie den Anbau von Baumarten, die bei aller Unsicherheit des Kommenden am ehesten in der Lage zu sein scheinen, sowohl mit den Veränderungen in der Zeit des Übergangs, als auch mit den später eventuell konstanteren aber veränderten Klimabedingungen zurecht zu kommen, und natürlich eine standortgerechte, klimaange- passte Baumartenwahl. Eine weitere Option des Waldbaus stellt das Naturverjüngungs- potential dar. So wird die natürliche Selektion auf Individuen begünstigt, die gegenüber den veränderten Bedingungen die gröÿte Toleranz besitzen [2]. Grundsätzlich wird die Klimaveränderung keinen bis wenig Einuss auf das Baumwachstum haben, wenn sich eine Baumart an einem Standort in ihrem Optimum bendet. Lediglich an Standorten, wo Bäume an ihre physiologischen Grenzen geraten, muss die Forstwirtschaft eingreifen [15]. 3.1 Betrachtung der Hauptbaumarten Die Bewertung des Verwendungspotentials der Baumarten für Waldökosysteme soll an- hand einer Benotung in Tabellenform erfolgen. Doch zunächst werden die vier ökono- misch wichtigsten Baumarten Rot-Buche (Fagus sylvatica L.), Stiel- und Trauben-Eiche (Quercus robur L. / Quercus petraea [Matt.] Liebl.), Gemeine Fichte (Picea abies [L.] Karst.) und Wald-Kiefer (Pinus sylvestris L.) näher betrachtet. 3.1.1 Rot-Buche (Fagus sylvatica L.) Eine der wichtigsten Laubbaumarten Deutschlands und Mitteleuropas war bisher die Rot-Buche, und sie wird ihre Stellung voraussichtlich auch in naher Zukunft behaup- ten können [1, 19]. Die Buche wächst auch heute schon auÿerhalb ihres physiologischen Optimums in bestandsbildender Funktion, und es wird ein weiteres Vordringen auf tro- ckenwarme Kalkstandorte verzeichnet. Auch das Verschieben der Arealgrenze kann beob- achtet werden. Dies zeigten u.a. Peñuelas und Boada (2003) für die Buche im Montseny Gebirgszug in Nordspanien. Hier hat sich die Verbreitung um 70 Höhenmeter erweitert. 14
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung Die Buche besitzt eine erstaunlich hohe Trockenstresstoleranz und kann nicht zu lang an- haltende trockene Phasen gut tolerieren [9, 13, 14]. Gegenüber Kiefer und Eiche zeichnet sie sich durch eine hohe Konkurrenzkraft aus, welche sie nur bei langen und häugen Tro- ckenperioden verliert. Doch gibt es auch konträre Ansichten zur zukünftigen Verbreitung der Buche. So soll die Konkurrenzfähigkeit in zunehmend kontinentalerem Klima und weiterhin bestehender Spätfrostgefährdung gegenüber Eiche, Linde und Gemeine Hain- buche abnehmen [52]. Jedoch wird das Anpassungspotential der Buche an Trockenstress oft unterschätzt. So kann es zu reversiblen Veränderungen von Gestaltsmerkmalen in Form von Verengung des Spross-Wurzel-Verhältnisses, aber auch zu Wachstumsreduk- tionen kommen [9]. Diese Möglichkeit zu evolutionären Anpassungsprozessen besteht aufgrund der sehr hohen genetischen Variabilität der Buche und durch Änderung gene- tischer Strukturen. Auf extremen Trockenstandorten wird jedoch sehr wahrscheinlich der Anteil der Buchenwaldgesellschaften gegenüber den Eichen-Trockenwäldern zurückgehen [3]. 3.1.2 Stiel-, Trauben-Eiche (Quercus robur L. / Quercus petraea [Matt.] Liebl. bzw. Quercus robur L. subsp. robur / Quercus robur L. subsp. sessiliora (Salisb.) A. DC.) Die Eiche (Stiel- und Trauben-Eiche) wird oftmals als die Baumart angesehen, die an- gesichts des Klimawandels und des zukünftig erhöhten Anteils an Trockenstandorten protieren wird [58]. Sie ist mit ihrer tiefreichenden Pfahlwurzel prädestiniert für die Trockenstandorte im Nordostdeutschen Tieand, wo sie gemeinsam mit der heute dort vorherrschenden Kiefer stabile Mischwälder bilden könnte. Ebenso im Süden Branden- burgs und im Norden Sachsens wird es zukünftig teilweise für die Buche zu trocken werden. Auch hier wäre die Eiche eine sehr gut geeignete Baumart. Dennoch verblei- ben auch oene Fragen, wie die der möglichen Veratmung von gespeicherter Stärke in warmen Wintern, oder auch die Wirkung von Kiefern-Eichen-Mischwäldern auf das Bo- densubstrat. Doch hier zeichnen sich bereits einige wertvolle Vorteile dieser Baumarten- mischung ab. Die oberen Bodenschichten in solchen Mischwäldern neigen weniger stark zu Versauerung als bei fehlender Laubstreu, und das organische Material wird deutlich besser in den Mineralboden eingetragen. Weiterhin verbessert die Laubstreu die Benetz- barkeit des Bodens, denn ein Boden, der über einen bestimmten Schwellenwert hinweg ausgetrocknet ist, nimmt nicht so leicht wieder Wasser an. Zimmermann et al. (2006) modellierten für verschiedene Klimaszenarien das Vorkom- men und die Ausbreitung verschiedener Gehölze in der Schweiz. Generell wird es zu einer 15
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung Verschiebung vieler Areale in höhere Lagen kommen, und aufgrund der abnehmenden Sommerniederschläge werden nicht trockenheitstolerante Laubbaumarten benachteiligt werden. Bei einer mittleren Temperaturerhöhung um 2,3 bis 2,8◦ C erwarten sie eine Ausdehnung der wärmetoleranten Eichen- und Eichen-Buchenwälder im Schweizer Mit- telland. Desweiteren stellen sie fest, dass das Hauptverbreitungsgebiet der Trauben-Eiche in der Schweiz eine massive Verschiebung in Richtung der Voralpen erfahren wird. In vielen Gebieten in der mittleren Schweiz wird es nach dem SRES Szenario A1FI (+6,0◦ C ± 0,29◦ C) [35] jedoch vermutlich sogar für die Trauben-Eiche zu trocken werden. 3.1.3 Gemeine Fichte (Picea abies [L.] Karst.) Die Baumart, die für Deutschland wohl das schlechteste Anpassungspotential mit sich bringt, ist die Gemeine Fichte. Als eine unserer ökonomisch bisher wichtigsten Baumar- ten wird sie viele Standorte nicht mehr ohne Probleme besiedeln können, was jedoch hauptsächlich im Anbau auf ungeeigneten Standorten begründet ist [85]. Ein weiteres Problem stellt ebenso die hohe Kalamitätsanfälligkeit der Fichte dar [51]. Dennoch wird verzeichnet, dass die Fichte vom zunehmenden CO2 -Gehalt protiert [30], doch führen warme und trockene Perioden zu einem Rückgang in Oberhöhe und Gesamtzuwachs. Die Fichte ist eine der Baumarten, die besonders empndlich auf heiÿ-trockene Sommer reagiert [16]. Im Rekordsommer 2003 zeigte sie auf den langfristigen Level II-Flächen von ICP Forests in Zentraleuropa im Vergleich zu Buche und Tanne die stärksten Rück- gänge im Zuwachs [20]. Aber genau wie die Weiÿ-Tanne oder auch der Berg-Ahorn ist die Fichte weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Bergmischwälder [23, 38, 62, 67]. Nach Döbbeler und Spellmann (2002) sowie Prot et al. (2006) wird im Tertiären Hügelland, im Sauerland, im Niedersächsische Harz und im Thüringer Wald die Fichte auch in Zukunft die Hauptbaumart bleiben. 3.1.4 Wald-Kiefer (Pinus sylvestris L.) In einem groÿen Teil Deutschlands, im Nordostdeutschen Tieand, ist die Wald-Kiefer die dominierende Waldbaumart. Daher wird ihre zukünftige Stellung viel diskutiert. Hofmann und Jenssen (2007) schreiben, dass mit zunehmender Bodennährkraft (Stick- stoeinträge), Bodenfrische und Ozeanität des Klimas der relative Anbauwert der Kiefer in selbstorganisierten Waldbeständen aufgrund der wachsenden Konkurrenzkraft hoch- wüchsiger und ausdunkelnder Laubbaumarten sinkt. Walentowski et al. (2007) sehen das Hauptverbreitungsgebiet der Kiefer im borealen Nadelwaldgürtel und bestätigen ihr 16
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung ein hohes Anpassungspotential an Fröste, Trockenheit und Waldbrand. Dennoch soll im westlichen und zentralen Europa die Kiefer unter dem Einuss der Erwärmung und der Eutrophierung weiter zurückgehen. Weiterhin kann es dazu kommen, dass im süd- lichen Teil Mitteleuropas ihre Konkurrenzkraft gegenüber Laubbäumen abnimmt und die Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern zunimmt. Auch beobachten Rigling et al. (2006) im Wallis in der Schweiz ein Zurückdrängen der Kiefer durch die Flaum-Eiche. Der erhöhte Druck durch Trockenheit, Bestandeskonkurrenz, Misteln, Insekten, Phyto- pathogene und Nematoden lässt die Kiefer auf diesem Extremstandort sogar absterben [29], wobei die Mortalität der Kiefern im Wallis mit der Trockenheit korreliert. Dennoch bestätigen wir der Wald-Kiefer ein besonders hohes Anpassungspotential und bewerten ihre zukünftige Stellung in Mischwäldern als weiterhin sehr stark. Nach Döb- beler und Spellmann (2002) wird sie im Ostniedersächsischen Tieand, im Nordbran- denburger Jungmoränenland und im Mittelbrandenburger Talsand- und Moränenland auch zukünftig die Hauptbaumart bleiben. Durch die Klimahülle der Wald-Kiefer von Kölling (2007) wird ihr keine besondere Stellung in unseren Wäldern mehr zuteil. Ein wesentlicher Kritikpunkt an dieser Art der Herangehensweise liegt jedoch in der verwen- deten Datengrundlage. Zur Einschätzung der Areale der Baumarten wurde die Karte der natürlichen Vegetation Europas von Bohn und Neuhäusl (2000/2003) herangezo- gen. Doch in dieser wird die ökologische Amplitude der Arten dargestellt und nicht die physiologische. Die ökologische Amplitude stellt jedoch das Vorkommen einer Art unter Konkurrenzdruck anderer Arten dar, wodurch die meisten Baumarten auf Nischenstand- orte verdrängt werden. Somit wird das tatsächliche Potential vieler, vor allem seltener Arten unterschätzt. Weitere Faktoren, die bisher keinen Eingang in die Klimahüllen ge- funden haben, sind die jahreszeitliche Verteilung von Temperatur und Niederschlag und Bodeneigenschaften, wie vor allen Dingen die Wasserspeicherkapazität. 3.2 Andere Baumarten 3.2.1 Neben- und Mischbaumarten Auf besondere Weise wird die Rolle von Neben- und Mischbaumarten, wie z.B. Spitz- Ahorn, Winter-Linde, Gemeine Walnuss, Vogel-Kirsche, Speierling oder Elsbeere, deren klimatische Eignung als besonders hoch eingeschätzt werden, an Bedeutung gewinnen [11, 12, 31, 39, 43, 60, 63, 8386, 88]. In der Regel benötigen diese Baumarten jedoch Böden mit besserer Nährstoversorgung, so dass deren Auswahl wie auch die sämtlicher 17
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung anderer Arten standortsgemäÿ erfolgen sollte. In Laubmischwäldern mit der Buche kön- nen einige dieser Arten erheblich unter Konkurrenzdruck durch die dominante Buche leiden. Arten wie die Echte Mehlbeere oder Elsbeere können sich dennoch gut in der Mittel- und auch Unterschicht etablieren [83]. Die Förderung jeglicher Naturverjüngung wird besonders empfohlen, da diese die natürliche Selektion auf Individuen begünstigt, die gegenüber den veränderten Bedingungen die gröÿte Toleranz besitzen. Auch das aktive Einbringen von Neben- und Mischbaumarten an Waldrändern führt durch nach- folgende selbstständige Ausbreitung mittel- bis langfristig zu einem erhöhten Anteil von diesen. Durch die Wahl geeigneter Herkünfte dieser Arten können hervorragende ver- wertungsrelevante Eigenschaften erreicht werden. 3.2.2 Baumarten südländischer Herkunft Bereits seit mehreren Jahrzehnten wird vermehrt eine Zunahme der Konkurrenzkraft von Baumarten aus südlichen Gebieten Mitteleuropas beobachtet, wie Flaum-Eiche, Edel- Kastanie, Gemeine Stechpalme oder Zerr-Eiche [45, 95, 96]. Doch es existiert auch die Befürchtung, dass der Klimawandel schneller voranschreitet als diese Baumarten sich bei uns ausbreiten und bestandsbildend auftreten werden [53]. Waldökosysteme sind grundsätzlich relativ träge. Es können also weit schneller einzelne Arten ausfallen, als dass andere hinzukommen [92]. Auÿerdem ist auch bei südländischen Baumarten die Trockenheitsresistenz stark provenienzabhängig. Dies berichten Barthold et al. (2004) von der Edel-Kastanie, die im Juli 2003 auf der Alpensüdseite eine Braunfärbung der Blätter zeigte, doch diese Erscheinung trat vorwiegend auf Extremstandorten auf. Sehr wahrscheinlich kann sie, je nach Herkunft, auf achgründigen Standorten oder Böden mit schlechter Wasserspeicherkapazität für Sommerdürre anfällig sein. Diese Anfälligkeit für Dürrestress hat nicht nur eine Wachstumsreduktion zur Folge, sondern ruft auch ei- ne Prädisposition gegenüber dem Erreger des Kastanienrindenkrebses hervor, der auch schon auf der Alpennordseite beobachtet wurde [28], oder der Tintenkrankheit. Daher sei auch hier bei der Baumartenwahl auf den besonderen Einuss der Herkunft hinge- wiesen. Die weit verbreitete Vermutung, dass sich das Klima nördlich der Alpen längerfristig dem südländischen Mittelmeerklima angleichen würde, ist mit Vorsicht zu betrachten. Mit groÿer Wahrscheinlichkeit werden viele Standorte ähnliche Witterungsbedingungen erreichen, doch werden besonders die winterlichen Bedingungen noch länger ein Hin- dernis für die Etablierung südländischer Baumarten darstellen. Die in Zukunft auch 18
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung weiterhin auftretenden Spätfröste können Blüte, Fruchtreife und somit eine Naturver- jüngung immens beeinträchtigen. Das zukünftige Klima in Deutschland, und besonders dasjenige der Übergangsphase, wird eines sein, dass in der Form derzeit in Europa nicht groÿräumig zu nden ist. Es wird noch am ehesten mit Regionen Südosteuropas wie z.B. Ungarn, dessen Klima von heiÿ-trockenen Sommern und gleichzeitig nass-kalten Wintern geprägt ist, zu vergleichen sein. Auch wird sich das bereits heute sehr dieren- zierte Klima innerhalb Deutschlands regional sehr unterschiedlich entwickeln. Die süd- und westlichen Gebiete Deutschlands können auch dem Klima des Zentralmassivs in Süd-Frankreich ähnlich werden, mit heiÿ-trockenen Sommern und nicht ganz so kalten Wintern wie in Ungarn. 3.2.3 Baumarten fremdländischer Herkunft Bisher wurden in Deutschland gute Erfahrungen mit einigen fremdländischen Baumar- ten, wie Douglasie, Küsten-Tanne oder Rot-Eiche [4, 2426, 59, 99], gemacht. Das bereits hohe klimatische Anpassungspotential dieser Baumarten und die wirtschaftliche Bedeu- tung lieÿen sich durch Einführen noch besser geeigneter Herkünfte weiter steigern. Be- reits etablierte Baumarten fremdländischer Herkunft wie diese bereits genannten oder neue, trockenheitstolerante Arten aus Europa können sich als sinnvolle Ergänzung un- seres Baumartenpools erweisen. Doch sollte der Anbau nicht heimischer, trockenheits- toleranter Arten nach Ammer und Kölling (2007) nur versuchsweise erfolgen, da in der klimatischen Übergangszeit noch ausschlieÿende Faktoren wie Spätfröste, Leistungsfä- higkeit und die Auswirkungen der neuen Baumarten auf den Boden und die belebte Umwelt zu untersuchen sind. Ein gutes bzw. schlechtes Beispiel für das invasive Potential einer mehr oder weniger unbekannten Spezies in einem fremden Ökosystem liefert die Nordamerikanische Dreh- Kiefer (Pinus contorta Dougl. ex Loud.), die in den 1920er Jahren in Schweden eingeführt wurde [18]. An diesem Versuch konnte beobachtet werden, dass sich eine neue Art un- kontrolliert ausbreiten, heimische Arten verdrängen und für die Einfuhr fremdländischer Insektenarten, die zu Schädlingen werden können, verantwortlich sein kann. Eine neue Baumart kann ein bisher ausgewogenes Verhältnis zwischen heimischer Fauna und Flora stören. Aufgrund mangelnder Erfahrung mit Baumarten aus Amerika und Asien, wel- che bisher nicht dem Konkurrenzgefüge unserer heimischen Waldökosysteme ausgesetzt waren, sollte auf die Einfuhr neuer Arten aus diesen Teilen der Erde weitgehend ver- zichtet werden. Weiterhin sollten neue fremdländische Baumarten grundsätzlich, wenn 19
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung überhaupt nötig, dann nur auf Extremstandorten eingesetzt werden, die von heimischen Arten nicht mehr ohne Schwierigkeiten besiedelt werden können. 3.3 Herausforderungen für den Waldbau im Klimawandel Als unverzichtbar wird sich ebenso in Zukunft die Kontrolle der Wilddichte erweisen, denn nur so lassen sich die erwünschten Bestockungsziele erreichen. Das Wild ist oftmals ein Verhinderer von Biodiversität, aber genauso ein Förderer dieser, je nach Selektions- druck. Daher muss der Mensch diese Selektion in die gewünschte Richtung leiten. Dagegen stellt die Problematik der Schadinsekten ein nahezu unkalkulierbares Risi- ko dar, so dass deren zukünftige Entwicklung sich nicht einschätzen lässt. Aufgrund steigender Temperaturen kann es bei einigen Arten zu Veränderungen in den Entwick- lungszyklen kommen [87]. Da viele Arten in ihrer Entwicklung jedoch hauptsächlich von der Photoperiode abhängig sind, kann die Situation auch konstant bleiben oder sich so- gar zu Ungunsten der Insekten verändern. Ebenso können neue, fremdländische Arten bei uns heimisch werden [7, 34, 40, 65]. Somit kann auch nicht ermessen werden, welche Baumarten in Zukunft welchen pathogenen Risiken ausgesetzt sein werden. Bei Wild- panzen mit natürlicher Verbreitung existiert ein Gleichgewicht zwischen Schaderregern und Wirtspanzen, gelangen Krankheitserreger jedoch in neue Gebiete mit potenziellen neuen Wirtspanzen, sind Epidemien nicht ausgeschlossen [27]. Die Klimaerwärmung kann also wärmeliebende Pathogene begünstigen, und Umweltstress wie Trockenstress, Staunässe und Bodenversauerung können die Abwehr der Bäume reduzieren. Lediglich durch gut strukturierte, horizontal wie auch vertikal, und artenreiche Mischwälder so- wie der Wahl geeigneter Herkünfte kann dem Risiko von Insekten- und Pilzkalamitäten entgegengewirkt werden. 3.4 Bewertung der Baumarten 3.4.1 Beispiele Als Ergebnis dieser Studie wurde jede einzelne Baumart auf der Basis umfassender Li- teraturstudien hinsichtlich ihrer Frostresistenz beurteilt (Kap. 2.1) und anhand ihres natürlichen Verbreitungsgebietes und ihres physiologischen Potentials, Standorte unter- schiedlicher Wasserversorgung zu besiedeln, bewertet. Diese Wertung wurde durch Noten von 1 = sehr gut geeignet bis 4 = ungeeignet (Kap. 2.2) vorgenommen. Baumarten, die 20
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung eine eingeschränkte Frostresistenz aufweisen, wurden in die nächst tiefere Wertung abge- stuft. Zum besseren Verständnis sollen hier zwei Beispiele aufgeführt werden, Schwarz- Erle und Weiÿ-Tanne, um zu erläutern, wie sich die Gesamtbewertung ergibt. Wie in Kapitel 2.1 beschrieben, wurde zunächst die allgemeine Frostresistenz ermittelt (Tab. 2, Spalte 3). Anschlieÿend wurde durch die Analyse der natürlichen Vorkommen und des ökophysiologischen Potentials die Eignung für vier verschiedene Standortstypen bewertet (Spalte 2). Die Frostresistenz der Schwarz-Erle wurde mit 2 bewertet, so dass die Standortseignung nicht eingeschränkt wird und so eine Gesamtbewertung für jeden Standort entsteht. Die Schwarz-Erle ist demnach sehr gut bis gut geeignet für nasse bis frische Standorte, doch für mäÿig frische bis sehr trockene Standorte ist sie ungeeignet. Tabelle 2: Bewertung des Potentials von Schwarz-Erle (Alnus glutinosa ) für vier Stand- orte unterschiedlicher Wasserversorgung, die Gesamtbewertung ergibt sich aus der Standortseignung und der Frostresistenz Standort Potential für Mittelwert Gesamtbewertung Standort Frostresistenz nass bis 1 2 1 sehr frisch ziemlich frisch bis 2 2 2 frisch mäÿig frisch bis 4 2 4 mäÿig trocken trocken bis 4 2 4 sehr trocken 21
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung Die Weiÿ-Tanne ist relativ winterhart, doch sie ist besonders spätfrostempndlich. Dem- nach ist ihre Frostresistenz eingeschränkt. Daher wird ihre Standortseignung herabge- stuft. Sie ist nach dieser Bewertung eine Baumart, die für nasse wie auch für trockene Standorte nicht geeignet ist. Doch die für sie geeigneten Standorte sind ziemlich frische bis hin zu mäÿig trockenen, vorrangig der Mittelgebirge. (Tab. 3). Tabelle 3: Bewertung des Potentials von Weiÿ-Tanne (Abies alba ) für vier Standorte unterschiedlicher Wasserversorgung, die Gesamtbewertung ergibt sich aus der Standortseignung und der Frostresistenz Standort Potential für Mittelwert Gesamtbewertung Standort Frostresistenz nass bis 4 3 4 sehr frisch ziemlich frisch bis 1 3 2 frisch mäÿig frisch bis 1 3 2 mäÿig trocken trocken bis 4 3 4 sehr trocken 3.4.2 Gesamtbewertung Anhand von Spätfrostresistenz und Winterhärte wurde eine allgemeine Frostresistenz eingeschätzt (Kap. 2.1), die mit Noten von 1 bis 4 bewertet wurden, wobei eine Abstu- fung von 1 = extrem frostresistent bis zu 4 = frostempndlich vorgenommen wurde. Die Benotungen 1 und 2 bezeugen der Baumart also eine ausreichend gute Frostresistenz, die in der abschlieÿenden Gesamtbewertung nicht berücksichtigt werden muss. Bei einzelnen Baumarten, bei welchen entweder die Spätfrostresistenz oder die allgemeine Winterhärte mit der Benotung 3 oder 4 eingeschätzt wird, ist diese Frostempndlichkeit zu beach- ten und führt demzufolge in der Gesamtbewertung zu einer um eine Stufe schlechteren Benotung. In der folgenden Tabelle 4 sind die Ergebnisse dieser Studie in Form der Benotung von 47 Baumarten zusammengefasst, die im zukünftigen Waldbau in Deutschland wesentliche Rollen spielen könnten. 22
Tabelle 4: Gesamtbewertung der Baumarten für ihre Verwendung auf nassen bis sehr trockenen Standorten unter dem Aspekt des Klimawandels. Die Noten entstehen zunächst aus der grundsätzlichen Eignung für Standorte unterschiedlicher Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung Wasserversorgung, hinter welcher sich die Trockenresistenz verbirgt. Hierbei gilt: 1 = sehr gut geeignet, 2 = gut geeignet, 3 = bedingt geeignet, 4 = ungeeignet. Bei Baumarten, die in ihrer Frostresistenz eingeschränkt sind, wurde die Gesamtbewertung dementsprechend eine Stufe schlechter eingeschätzt (*). Art nass bis ziemlich frisch mäÿig frisch trocken bis sehr frisch bis frisch bis m. trocken sehr trocken Abies alba Weiÿ-Tanne * 4 2 2 4 Abies grandis Küsten-Tanne * 4 2 2 2 Acer campestre Feld-Ahorn 4 2 1 1 Acer platanoides Spitz-Ahorn 4 2 1 1 Acer pseudoplatanus Berg-Ahorn 3 1 1 2 23 Alnus glutinosa Schwarz-Erle 1 2 4 4 Alnus incana Grau-Erle 1 2 2 3 Betula pendula Sand-Birke 3 1 1 1 Betula pubescens Moor-Birke 1 2 2 3 Buxus sempervirens Gem. Eibe 4 3 2 2 Carpinus betulus Hainbuche 4 2 1 1 Castanea sativa Edel-Kastanie * 4 4 2 2 Fagus sylvatica Rot-Buche * 4 2 2 3 Fraxinus excelsior Gem. Esche * 2 2 2 3 Fraxinus ornus Blumen-Esche * 4 3 2 2 Ilex aquifolium Stechpalme * 4 3 2 3 Fortsetzung ...
Art nass bis ziemlich frisch mäÿig frisch trocken bis Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung sehr frisch bis frisch bis m. trocken sehr trocken Juglans regia Gemeine Walnuss * 4 2 2 2 Larix decidua Europ. Lärche 4 2 1 2 Malus sylvestris Wild-Apfel * 4 3 2 2 Picea abies Gem. Fichte 4 2 3 4 Pinus cembra Zirbel-Kiefer 4 2 1 3 Pinus nigra Schwarz-Kiefer 4 3 1 1 Pinus strobus Weymouths-Kiefer 4 2 2 1 Pinus sylvestris Wald-Kiefer 3 2 1 1 Populus nigra Schwarz-Pappel 1 1 2 4 Populus tremula Zitter-Pappel 3 1 1 1 Prunus avium Vogel-Kirsche 4 3 2 1 24 Prunus padus Trauben-Kirsche 1 1 1 3 Pseudotsuga menziesii Douglasie 4 2 2 3 Pyrus pyraster Wild-Birne * 4 3 2 2 Quercus cerris Zerr-Eiche * 4 4 2 2 Quercus petraea Trauben-Eiche 3 1 1 1 Quercus pubescens Flaum-Eiche * 4 3 2 2 Quercus robur Stiel-Eiche 2 1 2 2 Quercus rubra Rot-Eiche 4 1 1 2 Robinia pseudoacacia Robinie 4 2 1 1 Salix alba Silber-Weide 1 1 3 4 Sorbus aria Mehlbeere 4 3 1 1 Fortsetzung ...
Art nass bis ziemlich frisch mäÿig frisch trocken bis Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung sehr frisch bis frisch bis m. trocken sehr trocken Sorbus aucuparia Eberesche 1 1 1 2 Sorbus domestica Speierling 4 2 1 1 Sorbus torminalis Elsbeere 4 2 1 1 Taxus baccata Gem. Eibe 4 3 1 2 Tilia cordata Winter-Linde 3 1 1 1 Tilia platyphyllos Sommer-Linde 3 1 1 2 Ulmus glabra Berg-Ulme 4 1 2 2 Ulmus laevis Flatter-Ulme 2 2 2 3 Ulmus minor Feld-Ulme 2 2 2 3 25
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung 3.5 Physiologische Anpassungsfähigkeit Das Ziel dieser Studie, bestmögliche Hinweise zur Verwendungsmöglichkeit der Baumar- ten für zukünftig weiterhin stabile Waldökosysteme zu liefern, kann nicht mit einer ausschlieÿlichen Bewertung der Potentiale der Arten enden. Die alleinige Einschätzung der Anfälligkeit jeder einzelnen Baumart gegenüber panzenphysiologischen Stressfakto- ren wie Temperaturextremen, Trockenheit oder Sturm, führt nicht zu einer Aussage, ob der gesamte Waldbestand den zukünftigen Bedingungen gewachsen sein wird oder nicht. Wie das Wort bereits besagt, handelt es sich bei Waldökosystemen um Systeme, die auch als Ganzes bewertet werden müssen. Faktoren wie Baumartenzusammensetzung, Konkurrenzbeziehungen, Standortgerechtigkeit und Wilddruck bestimmen die Rahmen- bedingungen und somit die Sensitivität und Anfälligkeit des Waldes [44]. Die Anpassungsfähigkeit von Baumpopulationen beschreibt das Potential, auf bekannte oder unbekannte Umweltbedingungen reagieren zu können. Diese physiologische Leis- tung ist genetisch determiniert, und jener Toleranzbereich, in dem Individuen unter gegebenen Bedingungen überleben können, wird durch die artspezische, genetische Re- aktionsnorm bestimmt. Die Grundlage einer hohen Anpassungsfähigkeit ist also eine breite physiologische (genetische) Reaktionsnorm. Bei sich ändernden Umweltbedingun- gen muss sich diese Norm demzufolge ändern bzw. erweitern. Dies kann auf der Ebene der Individuen und Populationen nur durch eine genetische Neukombination und Muta- tionen erfolgen. Doch Savolainen et al. (2007) fürchten angesichts des Klimawandels, dass diese genetischen Anpassungsprozesse nicht schnell genug sein könnten. Bisher konnten solche positiv wirkenden Mutationen bei Waldbaumarten nicht entdeckt werden. Doch im Allgemeinen deuten die Freiland-Untersuchungen zur physiologischen Angepasstheit von Baumarten auf eine hohe Variabilität der Anpassungsreaktionen hin, welche auf eine hohe genetische Vielfalt auf Populationsebene zurückzuführen ist. Grundsätzlich schei- nen Baumarten, die zu den Pionierbaumarten gezählt werden können, Vorteile durch die frühere und häugere Fruktikation zu haben. Denn durch diese Vermehrungsstrategie entstehen immer wieder neue Genotypen, aus denen durch den klimatisch bedingten Selektionsdruck die bestgeeigneten Individuen ausgewählt werden [44]. In dieser Studie, wie auch den meisten bekannten Veröentlichungen, wurde zur Ein- schätzung des Potentials der Bäume ein statischer Bewertungsansatz verwendet. Dies bedeutet, dass der derzeitige Anpassungsstatus der Gehölze an wesentliche Klimafakto- ren bewertet wird. Doch bleibt hierbei unberücksichtigt, wie sich die genetischen Reak- tionsnormen in Raum und Zeit verändern können. Wesentliche Faktoren wie Mutations- raten, Neurekombinationen und besonders die Verbreitung und erfolgreiche Verjüngung 26
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung nden Eingang in dynamische (evolutive) Ansätze, die jedoch bisher noch zu unkonkret bleiben, um in eine konkrete Bewertung Eingang nden zu können. Klimaplastische Wälder Der Begri der Klimaplastischen Wälder wird von Jenssen et al. (2007) verwendet, um die erwünschte Eigenschaft der Wälder, exibel auf Klima- änderungen zu reagieren, zu umschreiben. Doch was genau steckt da hinter? Dazu muss zunächst der Begri ökologischen Plastizität erläutert werden. Es ist die [...] Eigen- schaft von Ökosystemen, sich ohne längere Sukzessionen und bei gleichzeitigem Erhalt ihrer Lebensfunktionen (C-Speicherung, Produktivität, Mikroklima etc.) unter verän- derlichen Umweltbedingungen strukturell selbst zu organisieren. (Jenssen et al., 2007). Mit anderen Worten: das Ökosystems passt sich an sich verändernde Umweltbedingun- gen an. Dagegen steht der Begri der ökologischen Resilienz [33], welcher die Fähigkeit von Waldökosystemen beschreibt, nach einer kurzfristigen Störung in den Ausgangszu- stand zurückzukehren. Doch es ist davon auszugehen, dass sich in Zukunft kein Gleich- gewichtszustand des Klimas einstellen wird, sondern eine neue, fortlaufende Entwicklung stattnden wird [92]. Die Plastizität eines einzelnen Baumes wird durch seine physiologische Angepasstheit bestimmt und ist daher relativ eingeschränkt. Betrachtet man jedoch eine gesamte Po- pulation, so ist die Plastizität durch deren Anpassungsfähigkeit bereits wesentlich höher, in Abhängigkeit von der genetischen Diversität und der Breite der ökologischen Amplitu- de der wesentlichen Baumarten. Ein klimaplastischer Wald sollte nun zusammengesetzt sein aus Baumarten, [...] die eine gröÿere Amplitude von Umweltbedingungen in un- terschiedlicher Richtung abpuern können und die sich einem dauerhaft ausbildenden Trend aus sich heraus, weitgehend in Selbstorganisation oder zumindest mit einem ge- ringen Aufwand an forstlicher Begleitung, anpassen können. (Jenssen et al., 2007). Die klimatische Amplitude, beschreibt daneben ausschlieÿlich die klimatischen Be- dingungen, unter denen eine Art vorkommen kann (sie ist nicht zu verwechseln mit der ökologischen Amplitude, in welcher auch Faktoren wie Konkurrenz zwischen den Baumarten integriert sind). Die meisten heimischen Baumarten decken aufgrund ihrer bemerkenswert vielgestaltigen Herkunftsgebiete eine breite Amplitude von klimatischen Verhältnissen ab [5557, 64]. Diese Eigenschaft ist die grundlegende Voraussetzung, um mit den heimischen Baumarten klimaplastische Wälder aufzubauen. 27
Forschungsstudie TU-Dresden: Klimawandel und Waldbaumartenverwendung 4 Schlussfolgerungen und KLAM-Wald (KLimaArtenMatrix für Waldbaumarten) Grundsätzlich zeigt sich, dass das physiologische Anpassungspotential von Bäumen an diese Witterungsextreme deutlich höher ist als üblicherweise an- genommen. Entscheidend ist, dass die physiologische Vielfalt der Reaktions- muster hoch ist, so dass immer ausreichend Baumindividuen vorhanden sind, die den Stress tolerieren. (Kätzel, 2008) Die heimischen Waldökosysteme werden also auch in Zukunft Bestand haben und ihre vielfältigen Funktionen erfüllen können, wenn auch ihre Artenzusammensetzung und ihre Struktur teilweise anders gestaltet sein können oder auch müssen. Besonders die Bedeu- tung der heute noch seltenen Neben- und Mischbaumarten wie Spitz- und Feld-Ahorn, Vogel-Kirsche, Wild-Apfel, Elsbeere oder Speierling wird zunehmen, denn dies sind zum gröÿten Teil Baumarten, welche die erwünschten Eigenschaften mit sich bringen. Um den Anteil dieser Arten zu erhöhen, bietet sich an, jegliche aufkommende Naturverjüngung zu erhalten, wie auch ein aktives Einbringen dieser Arten zunächst an den Waldrän- dern, von wo aus sie sich selbstständig ausbreiten werden. Beide Vorgehensweisen haben gegenüber der Saat oder Panzung einen kosteneinsparenden Aspekt und zudem den Vorteil des klimatisch bedingten Selektionsdruckes, der die bestgeeigneten Individuen fördert. Eine der Baumartenwahl gleichgewichtige Entscheidung bei der Bestockung eines Stand- ortes ist die richtige Wahl der Herkunft. Dies wird u.a. deutlich bei der Betrachtung der bisherigen Erfahrungen mit Baumarten südlicher Herkunft. Auch bei vermeintlich besonders trockenheitsresistenten Arten wie Edel-Kastanie oder Flaum-Eiche ist diese Eigenschaft stark provenienzabhängig. Bei fremdländischen Baumarten, die schon seit Jahrzehnten bei uns etabliert sind, wie der Douglasie oder der Rot-Eiche, lieÿe sich durch eine verbesserte Herkunftswahl eine weitere Steigerung der Wertigkeit erreichen. Bei der Einfuhr neuer fremdländischer Arten ist jedoch sehr vorsichtig vorzugehen, da Gehölze aus Amerika oder Asien bisher nicht dem Konkurrenzgefüge unserer heimischen Arten ausgesetzt waren. Es fehlen z.T. Erfahrungen bezüglich der Auswirkungen einer fremden Art auf bestehende Ökosysteme hinsichtlich deren invasiven Potentials, der Beeinträch- tigung des Bodens oder der potenziell gleichzeitigen Einfuhr neuartiger Pathogene, die das Gleichgewicht zwischen heimischer Flora und Fauna stören könnten. Auch sollten fremd- und südländische Baumarten nur auf extremen Standorten eingesetzt werden, die von den heimischen Arten nicht mehr ohne Probleme besiedelt werden können. 28
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