13/21 Schwerpunkt: Baumarten im Klimawandel - zueriwald
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Inhalt ZÜRCHER WALD 3/2021 2 Baumarten im 4 Eine Walbaustrategie für den Kanton Zürich Stefan Rech- Stark geschä- Klimawandel berger und Koni Noetzli digte Buchen 6 Auswirkungen der Trockenheit seit dem Sommer 2018 infolge auf den Flächen der Interkantonalen Walddauerbeobach- Trockenheit tung Sabine Braun, Lucienne C. de Witte, Sven-E. Hopf, Simon Tresch 11 Veränderungen bei der Höhenverbreitung von Pflanzen 6 und Tieren Claudio de Sassi und Christoph Dürr im Interview 14 Eine App für die Baumartenwahl im Klimawandel Peter Brang, Elke Erhardt, Monika Frehner, Urs Rutishauser 18 Testpflanzungen im Kanton Zürich Peter Brang, Matthias Wüthrich, Kathrin Streit 20 Ermittlung von sensitiven Standorten und Beständen Monika Frehner, Barbara Huber, Gianna Könz, Andreas Zischg 25 Der Boden weist uns den Weg… Franz Borer, Marianne Knecht, Baumarten- Teresa Steinert empfehlungen 30 Die Küstentanne am Wellenberg Ruedi Weilenmann per Handy Weiterbildung 32 Finanzierung von Kursen zu eidgenössischen Prüfungen 14 34 Aktuelles Verein OdA Wald Zürich-Schaffhausen Waldschutz 35 Pflanzen des Schreckens Urs Kamm Leserbrief 38 Wir stehen hinter Fagus Suisse ... Biodiversität 39 BAFU-Kampagne: Unser Wald. Überraschend vielfältig. Waldlabor 41 Arboretum: Eine Sammlung aller Mitteleuropäischen Arboretum im Gehölzpflanzen Waldlabor Saison 43 20 Holzmarkt 45 Schadholzumfrage Ostschweiz Anfangs Mai 46 Holzmarkt-Information Marco Gubser VZF 51 WaldZürich 51 Zeckenstiche Abteilung Wald 53 behandeln Kurzmitteilungen 55 43 Agenda/Vorschau 59 Agenda Titelbild (l) Vor allem im Norden des Kantons Zürich findet verbreitet gerade ein markanter Baumar- tenwechsel statt; Foto: ur (r) Baumartenempfehlungen auf dem Handy mit der Tree App; Foto: ur
ZÜRCHER WALD 3/2021 Editorial Editorial 3 Beständigkeit und Veränderung tiger Generationen. Die heutigen Mass- nahmen dürfen sich deshalb nicht nur auf Bei meinem Antritt als Kantonsforstingeni- Veränderung ausrichten, sondern auch eur vor 10 Jahren sprach ich mich für Kon- auf Beständigkeit. tinuität im Wald aus. Vieles im Zürcher Vorliegendes Heft befasst sich mit Wald hat sich seither kontinuierlich und Baumarten im Klimawandel. Auch hier gut entwickelt. Allerdings gibt es regional ist Bekanntes umsichtig mit Neuem zu – gerade in den letzten Jahren – auch mar- verknüpfen. Vielfalt und das Denken in kante Veränderungen. Stürme, Trockenheit Szenarien verringern das Risiko, grobe und Borkenkäfer brachten schmerzhafte Umstellungen – in welche Richtung auch Einschnitte, für Waldbesitzer/innen und immer – sind oft nicht angebracht. Gut, Forstleute, finanziell und emotional. Vieles dass sich Forschung und Praxis intensiv hat mit dem Klimawandel zu tun. Hier mit dem Thema auseinandersetzen und so fehlt die Kontinuität, leider… künftige Entscheidungen erleichtern! Andererseits dies: Könnten solche Ereig- nisse nicht auch die Gelegenheit sein, den Bald verlasse ich den Zürcher Forstdienst Wald und unseren Umgang mit ihm völlig und darf eine neue Stelle in der Privat- neu zu gestalten? wirtschaft antreten. Die vergangenen Ja und nein. Natürlich müssen sich Pflege 19 Jahre waren für mich sehr spannend und Bewirtschaftung des Waldes an und bereichernd. Dafür danke ich euch, veränderte Bedingungen anpassen, um die geschätzte Waldbesitzer/innen, liebe Waldleistungen zu erhalten. Ich bezweifle Kolleg/innen im Forstdienst und in der aber, ob wir einen «völlig neuen» Wald Verwaltung, ganz herzlich! Ich freue mich brauchen. Der Nachhaltigkeitsgedanke auf meine persönliche Neuausrichtung im verpflichtet uns, unseren Nachkommen Sinne einer «kontinuierlichen Verände- die Möglichkeiten zu hinterlassen, welche rung». Und natürlich darauf, euch auch wir heute haben. Um was es auch geht, Zukunft wieder einmal anzutreffen – sei um Holzproduktion, Biodiversität, Schutz es beruflich oder privat! oder Erholung: Unsere Vorstellungen der Alles Gute und auf Wiedersehen! Zukunft sind nicht zwingend jene künf- Koni Noetzli, Kantonsforstingenieur Impressum Zürcher Wald 3/21 (Juni 2021) Redaktor 53. Jahrgang, erscheint jeden zweiten Monat Urs Rutishauser (ur), Forsting. ETH, IWA Stellvertretung: Felix Keller, Forsting. ETH, IWA Herausgeber / Verbandsorgan Herausgeber ist der Verband Zürcher Forstpersonal Gestaltung und Satz VZF; die Zeitschrift ist zugleich Verbandsorgan von IWA – Wald und Landschaft AG WaldZürich Verband der Waldeigentümer Adressänderungen und Abonnemente Trägerschaft an die Redaktionsadresse oder VERBAND ZÜRCHER VZF und WaldZürich sowie Abteilung Wald des Amtes www.zueriwald.ch FORSTPERSONAL für Landschaft und Natur, Baudirektion Kanton Zürich Inserate Redaktionskommission Fabio Gass, Hegnauerstrasse 10, 8604 Volketswil Fabio Gass, Präsident, Förster, Vertreter VZF Tel. 044 910 23 43, fabio.gass@volketswil.ch Markus Schertenleib, Vertreter WaldZürich Papier Hanspeter Isler, Forstwartvorarbeiter, Vertreter VZF Refutura FSC und Recycling Nathalie Barengo, Forsting., Vertreterin Abt. Wald Ruedi Weilenmann, Förster, Vertreter VZF Auflage Urs Rutishauser, Forsting., Redaktor Auflage 1‘300 Redaktionsadresse Druck IWA – Wald und Landschaft AG Mattenbach AG, 8411 Winterthur Hintergasse 19, Postfach 159, 8353 Elgg Online Tel. 052 364 02 22 E-Mail: redaktion@zueriwald.ch www.zueriwald.ch/zeitschrift
ZÜRCHER WALD 3/2021 4 Eine Walbaustrategie für den Kanton Zürich von Stefan Rechberger, Kreisforstmeister Forstkreis 6 und Koni Noetzli, Kantonsforstingenieur, Abt. Wald Kanton Zürich Im Zürcher Wald ist in den letzten Jahren grosse Herausforderungen. Tiefe Holzerlöse bei wichtigen, bestandesbildenden Baumar- erschweren zudem die nötigen Investitionen ten eine erhöhte Mortalität festzustellen. in die Pflege zukunftsfähiger Wälder. Das Bei Esche oder Ulme verursachen einge- Schalenwild bevorzugt oft die klimatole- schleppte Krankheiten grössere Ausfälle. ranten und seltenen Baumarten, was die Die Abteilung Der Buchdrucker setzt – als Folge warmer, Vielfalt und die Anpassung der zukünftigen Wald ent- trockener Sommer – der häufigsten Baumart Baumgeneration gefährden kann. wickelt eine Fichte stark zu. Die Buche leidet nach dem Waldbaustra- tegie als Be- extrem trockenen Sommer 2018 noch im- Krisen bedeuten auch Chancen ratungsgrund- mer unter Vitalitätseinbussen. Auch wenn Nach einem Schadereignis oder bei Ausfall lage für den i.d.R. Witterungsextreme solche Prozesse der Hauptbaumart stellen sich grundle- Forstdienst im auslösen oder beschleunigen, stehen sie gende waldbauliche Fragen, wie beispiels- Kanton Zürich. doch im Zusammenhang mit einer Verän- weise jene nach der künftigen Baumarten- derung des Klimas. Die rasche Veränderung wahl. Die Konsequenzen unserer waldbau- des Waldbildes in kurzen Zeiträumen stellt lichen Entscheidungen von heute betreffen Waldeigentümer*innen und Forstdienst vor unsere Urenkel. Wir tragen eine grosse
ZÜRCHER WALD 3/2021 Baumarten im Klimawandel 5 Verantwortung, wenn wir den Wald der Gesetzlicher Auftrag Zukunft gestalten. Die Abteilung Wald entwickelt deshalb eine Waldbaustrategie Der Wald hat für unsere Gesellschaft eine als Beratungsgrundlage für den Forstdienst herausragende Bedeutung. Das Bundesge- im Kanton Zürich. Dabei entsteht kein setz über den Wald verlangt, dass er als neues Rezeptbuch für den Waldbau, son- naturnaher Lebensraum erhalten bleibt dern vielmehr ein Orientierungsrahmen mit (Biodiversität), Erholungsraum bietet, vor dem Ziel, unseren Nachfolgern dieselben Naturgefahren schützt und der Holznut- Möglichkeiten zu erhalten, wie wir sie zung dient. Dabei sind standortgerechte heute haben. Baumarten Voraussetzung für gesunde und anpassungsfähige Wälder. Die Idee der Waldbaustrategien Die Waldbaustrategie fokussiert auf Wald- wird erhalten und gestärkt. Bei Eingriffen leistungen 1) (Holzproduktion, Schutz vor werden die Vielfalt die Struktur und die Naturgefahren, Biodiversität, Erholung), Stabilität gefördert. Bestände mit einem welche die Waldeigentümer*innen und hohen Risiko werden durch waldbauliche die Gesellschaft vom Wald erwarten und Eingriffe verringert. nutzen. In der Strategie formulierte Hand- lungsgrundsätze sollen den Forstdienst 3. Gleichzeitige Förderung von mehreren bei seiner waldbaulichen Tätigkeit unter- Waldleistungen stützten, damit er Waldeigentümer*innen Waldbauliche Eingriffe haben in der Regel fundiert beraten kann. Folgende Ziele für ein bestimmtes Ziel bzw. eine gewünschte den Waldbau sind angedacht: Waldleistung – z.B. Wertholzproduktion Es werden dabei drei wesentliche Grund- – im Fokus. Oft können gleichzeitig und sätze postuliert, die im Zürcher Wald ein- ohne grossen Zusatzaufwand weitere gehalten werden sollen. Waldleistungen gefördert werden. Bisher wurde dies mit dem Begriff Multifunkti- Die nach 1. Die «natürlichen Grundlagen» im Wald onalität umschrieben. den Rück- meldungen bleiben erhalten. konsolidierte Die Basis dazu bildet ein fruchtbarer Stand der Vernehmlassung Strategie wird Boden und ein artenreicher, genetisch Der Entwurf der Waldbaustrategie wurde durch das Amt vielfältiger Baumbestand. internen und externen Stakeholdern zur für Landschaft und Natur ver- Stellungnahme zugestellt. Die nach den abschiedet. 2. Heutige und zukünftige Risiken werden Rückmeldungen konsolidierte Strategie reduziert wird durch das Amt für Landschaft und Na- Die Widerstands-, Regenerations- und tur verabschiedet. Sie soll auch in den zu re- Anpassungsfähigkeit des Zürcher Waldes vidierenden Waldentwicklungsplan einflies- sen. Die Anwendung der Waldbaustrategie 1) Es wurde bewusst auf den Begriff der Wald- im forstlichen Alltag wird in den nächsten funktionen verzichtet. Waldfunktionen sind Jahren Gegenstand von Schulungen oder Zusammenhänge zwischen natürlichen Gegeben- Kursen z.B. im Rahmen von Försterrappor- heiten oder Prozessen und deren Wirkung. So können Bäume beispielsweise Steinschlag verhin- ten sein. Die Umsetzung bleibt natürlich – dern, was als «Schutzfunktion» bezeichnet wird. gemäss dem kantonalen Waldgesetz –Sache Die Waldleistung «Schutz von Menschenleben der Waldeigentümer*innen. und Sachwerten» beruht auf dieser Schutzfunkti- on. Wenn eine entsprechende Nachfrage für eine bestimmte Waldfunktion vorhanden ist, sprechen Kontakt: wir von einer Waldleistung, beispielsweise wenn Stefan Rechberger, Kreisforstmeister, eine Bahnlinie unterhalb des Waldes liegt. stefan.rechberger@bd.zh.ch
Baumarten im Klimawandel ZÜRCHER WALD 3/2021 6 Auswirkungen der Trockenheit seit dem Sommer 2018 auf den Flächen der Interkantonalen Walddauerbeobachtung von Sabine Braun, Lucienne C. de Witte, Sven-E. Hopf & Simon Tresch, Institut für Angewandte Pflanzen- biologie AG, Witterswil Ergebnisse aus der Walddauerbeo- Aktuell hilft dieses Monitoring, die Reakti- bachtung onen der Bäume auf den Trockensommer Die Interkantonale Walddauerbeobachtung 2018 zu beobachten und Unterschiede untersucht seit 1984 die Waldgesundheit zwischen Baumarten und zwischen Re- an Buchen und Fichten, seit 2008 auch an gionen in der Schweiz festzustellen. Die Eichen, in heute 185 Beobachtungsflächen Trockenheitsindikatoren wie die minimale Die Folgeschä- in der Schweiz. Der Kanton Zürich ist seit Standortwasserbilanz zeigten im Jahr 2018 den des Tro- Beginn an diesem Projekt (mit 23 Flächen im Vergleich zu 2003 nicht unbedingt eine ckensommers und 1473 Bäumen) aktiv beteiligt. Es hat stärkere Trockenheit an. 2018 setzte die 2018, die 2019 zu Tage traten, sich gezeigt, dass die Walddauerbeobachtung Trockenheit jedoch früher im Jahr ein als überstiegen alle ein geeignetes Instrument ist, um schlei- 2003. Zudem folgte 2018 auf eine Reihe bisherigen Beo- chende Veränderungen durch die Deposition bereits trockener Jahre wie 2015. Die Fol- bachtungen auf dem Messnetz. von versauernden und eutrophierenden geschäden, die 2019 zu Tage traten, über- Luftschadstoffeinträgen oder Einflüsse des stiegen alle bisherigen Beobachtungen auf Klimawandels in den Wäldern aufzuzeigen. dem Messnetz. Der Anteil von Buchen mit Institut für Angewandte Pflanzenbiologie Abb. 1: Stark geschädigte Buchen in Coeuve (JU) mit einer Kronenverlichtung von 90% (>Schadstufe 2)
ZÜRCHER WALD 3/2021 Baumarten im Klimawandel 7 einer Kronenverlichtung von über 60% war sechsmal höher als im Mittel der gesamten Beobachtungszeit. In einigen Flächen der Nordwestschweiz war fast ein Drittel der Buchen zu mehr als 60% verlichtet, was der zweiten Schadstufe entspricht. Die Bu- 2 Kronenverlichtung >60% (%) chenmortalität war 2018 und 2019 um das Anteil Buchen mit Vier- bis Fünffache erhöht (vgl. Abb. 2). Auf Flächen mit mangelhafter Phosphorversor- gung und mangelhafter Kaliumversorgung war die Erhöhung deutlich stärker. Bei den Fichten stieg die Mortalität durch Buchdru- 1 ckerbefall in den Jahren 2019 und 2020 auf einen Rekordwert von in der Summe 9.3% und lag damit um ein Vielfaches höher als nach dem Hitzesommer 2003 (vgl. Abb. 3). Hohe Stickstoffeinträge und schlechte Ka- liumversorgung verstärkten den Trocken- heitseffekt auf den Borkenkäferbefall. Einige 1990 2000 2010 2020 Jahr Fichtenflächen, darunter Winterthur und Diessenhofen, mussten komplett aufgegeben Abb. 2: Anteil Buchen mit einer Kronenverlichtung von >60% werden. Interessanterweise zeigten Stiel- und (Schadstufe 2) von 1984 bis 2020. Anzahl Baumbeobachtungen Flaumeichen nur wenige, Traubeneichen seit 1984 = 183‘815. keine Vitalitätseinbussen. Die Flaumeiche war im Vergleich zur Traubeneiche stärker verlichtet. Färbungsversuche der Leitgefäs- 5 se und Messungen des Wassergehalts an Buchen- und Eichenästen zeigten, dass bei der Buche die Trockenheit im Vorjahr die 4 Aktivität der Leitgefässe vermindert und somit den Wassergehalt negativ beeinflusst. Fichtenmortalität (%) Das ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass 3 die aktuell auftretenden Schäden das Ergeb- nis mehrerer vorangegangener Trockenjahre waren. Bei den Eichen wurde keine Korrela- tion zwischen der Trockenheit des Vorjahrs 2 und der Aktivität der Leitgefässe gefunden, was bedeutet dass diese Baumart weniger anfällig auf Trockenheitseinflüsse reagiert, 1 weil sie ihre wichtigen Leitgefässe jährlich neu bildet. Für detaillierte Ergebnisse und Literatur sei auf einen Artikel in der Schwei- 0 zerischen Zeitschrift für Forstwesen (Nr. 1990 2000 2010 2020 171, S. 280-280) sowie auf die Webseite des Jahr Instituts für Angewandte Pflanzenbiologie (www.iap.ch) verwiesen. Abb. 3: Mortalität der Fichten in Prozent gemittelt pro Beobach- Die Kombination von Beobachtungen tungsjahr. Anzahl Fichtenflächen im Jahr 2020 = 76. Anzahl und Messungen an Bäumen auf dem ein- Baumbeobachtungen seit 1985 = 131‘819.
Baumarten im Klimawandel ZÜRCHER WALD 3/2021 8 Mittlere Fichtenmortalität durch Borkenkäfer 2017−2020 (N=81) Interkantonale Walddauerbeobachtung IAP 2020 0% 0−5% 47.5°N 5−10% >10% 47°N 46.5°N 46°N Map CC−BY−SA; Code modified after: github.com/grssnbchr/bivariate−maps−ggplot2−sf Geometries: Swisstopo 2015 6°E 7°E 8°E 9°E 10°E Abb. 4: Räumliche Verteilung der Abgänge durch Borkenkäfer in den Jahren 2017-2020. zigartigen Messnetz der Interkantonalen von trockenheitstoleranteren Baumarten Walddauerbeobachtung erlaubt es wichtige und kürzeren Umtriebszeiten den Wald für Dass bei Wald- Aussagen über das Ausmass der extremen die Zukunft vorzubereiten. bäumen das Trockenheit und den Gesundheitszustand hydraulische System teilwei- der Bäume im Schweizer Wald machen Verdursten oder Verhungern se oder gar völ- zu können. Die beobachteten Baumarten Dass bei Waldbäumen das hydraulische lig zusammen- zeigten unterschiedliche Einbussen an System teilweise oder gar völlig zusammen- brechen kann, Vitalität und Zunahmen der Mortalität. brechen kann, wie dies im Sommer 2018 ist in diesem Das ist auf ihre unterschiedlichen physi- mit dem plötzlichen Absterben grosser Ausmass in der Schweiz eine ologischen Reaktionen zurückzuführen. Kronenbereiche und ganzer Buchen oder neue Erfah- Diese wichtigen Ergebnisse helfen regional z.T. auch Eichen beobachtet wurde, ist in rung. angepasste Lösungen für den Schweizer diesem Ausmass in der Schweiz eine neue Forst zu finden und mit geeigneten wald- Erfahrung. Die Ergebnisse der Färbung der baulichen Massnahmen wie der Förderung aktiven Leitgefässe bei Buchen belegen, dass dies tatsächlich vorgekommen ist. Überein- stimmende Beobachtungen wurden auch in einer Experimentierfläche der Universität Basel in Hölstein (BL) gemacht. Das un- Inst. für Angewandte Pflanzenbiologie terschiedliche Resultat beim Wassergehalt von Buchen- und Eichenästen lässt sich mit bekannten morphologischen Unterschieden zwischen den Artengruppen interpretieren. Bei den Buchen tragen mehrere Jahrgänge (Jahrringe) zur aktiven Wasserleitung bei, während es bei den Eichen nur der jüngste Jahrgang ist, welcher jedes Jahr neu gebil- det wird. Abb. 5: Färbung aktiver Gefässe im Ast einer Buche mit einer In der Ökophysiologie werden zwei ver- Kronenverlichtung von 20% (links) und 70% (rechts). schiedene Prozesse beschrieben, die zu
ZÜRCHER WALD 3/2021 Baumarten im Klimawandel 9 Trockenheitsschäden an Bäumen führen: das «Verdursten» und das «Verhungern». Beim «Verdursten» reissen die Wasserfäden Inst. für Angewandte Pflanzenbiologie in den Leitgefässen bei extremer Saugspan- nung. Die Wasserleitung wird dabei unter- brochen, und periphere Äste und Zweige können nicht mehr mit Wasser versorgt werden (Abb. 5). Dieser als Kavitation oder Embolie bezeichnete Prozess spielt in der Trockenempfindlichkeit von Bäumen eine essenzielle Rolle. Der Tod tritt ein, wenn ein bestimmter Prozentsatz der Gefässe ihre Aktivität verloren hat. Ob bereits kavitierte Abb. 6: Vergilbung von Buchenblätter (Photobleaching) auf- Gefässe wieder aktiv mit Wasser gefüllt genommen in der Walddauerbeobachtungsfläche Höri (ZH). werden können, ist Gegenstand von Dis- Die grünere untere Blatthälfte war durch ein benachbartes Blatt kussionen unter Fachleuten. Unserer Ergeb- beschattet und damit vor Ausbleichung geschützt. nisse unterstützen eher die Hypothese, dass luftgefüllte Gefässe nicht mehr repariert werden und liefern eine Indiz dafür, dass Buchenästen sind alle bei Kalimangel erhöht. aufeinanderfolgende Trockenjahre stärkere Etwas überraschender ist die starke Bezie- Auswirkungen haben als vereinzelte. hung, die zwischen der Buchenmortalität und der Phosphor-Versorgung der Buchen Beim «Verhungern» schliessen die Bäume gefunden wurde. Da zwischen 2003 und Beim «Verdur- ihre Spaltöffnungen so stark, dass sie keine 2015 die P-Versorgung um 9.9% abgenom- sten» reissen die Wasser- Fotosynthese mehr betreiben können. Ist men hat und heute im akuten Mangelbereich fäden in den infolge Spaltenschluss zu wenig Energie liegt, könnte diese Beziehung bei der starken Leitgefässen vorhanden, kann die Oxidation von Chlo- Reaktion auf die Trockenheit 2018 eine bei extremer rophyll durch das Sonnenlicht, das ein nor- wichtige Rolle gespielt haben. P-Ernährung Saugspannung. Die Wasser- maler Begleitprozess der Fotosynthese ist, ist nur in wenigen Studien zusammen mit leitung wird nicht mehr genügend repariert werden und Trockenheitsresistenz ein Thema. Zum Bei- dabei unter- es kommt zu Fotooxidation. Vergilbungen spiel fand eine holländische Studie einen Zu- brochen. aufgrund von Hitze, wie sie im Wald bei sammenhang zwischen P-Ernährung und der der Feldaufnahme beobachtet und an ge- Kavitationsresistenz von Hybridpappeln. ernteten Ästen in Form von Photobleaching aufgenommen werden konnten, sind ein Sekundäre Schädlinge Hinweis darauf, dass auch dieser Prozess Sekundäre Schädlinge spielen beim Ab- und damit das «Verhungern» 2018 und sterbeprozess der Bäume oft eine wichtige 2019 eine Rolle gespielt hat. Rolle. Vor 2018 waren die Sekundärschäd- linge in den Dauerbeobachtungsflächen Einfluss der Nährstoffversorgung praktisch ausschliesslich die Ursache für Dass Kalium eine wichtige Rolle bei der abgestorbene Bäume. Der Buchdrucker ist Trockenheitsresistenz spielt, ist aus der das klassische Beispiel in dieser Kategorie. Pflanzenphysiologie bekannt. Dies kann Bei den beobachteten Fichten können die auch im Wald bei den Folgeschäden der durch Trockenheit verursachten Schäden Trockenheit beobachtet werden: der Anteil und die Zunahme der Mortalität auf den Buchen mit starker Kronenverlichtung Befall geschwächter Bäume mit diesem (Verlichtung >60%), die Buchenmortalität, Schwächeparasiten zurückgeführt werden. die Fichtenmortalität und die Kavitation in Die Trockenheit hemmt die Harzbildung
Baumarten im Klimawandel ZÜRCHER WALD 3/2021 10 in den Bohrlöchern des Käfers und erleich- Gebieten oder durch genetische Selektion tert damit seine Ausbreitung. Wie unsere verbessert werden kann. Der Umbau von Auswertungen zeigen, wird der Befall mit Waldbeständen durch Auswahl trocken- dem Buchdrucker durch unausgeglichene heitstoleranterer Baumarten, basierend auf Ernährung stark begünstigt. der aktuellen Vegetationszusammenset- Auch der Hallimasch ist ein wichtiger zung, ist im Gang. Dieser sieht für Fichten Schwächeparasit, der viele Baumarten, in Tieflagen keine Zukunft mehr. Dass darunter die Buche, zum Absterben brin- Eichen trockentoleranter sind als Buchen, gen kann. Bei der Buche wird auch die ist bekannt. Über den Befall von Eichen Buchenrindennekrose als Trockenheitsfolge mit Schwächeparasiten können wegen der genannt. Auch wenn die starken Kronen- kürzeren Beobachtungsdauer noch wenig schäden bei den von uns beobachteten Aussagen gemacht werden, doch scheint Buchen eher auf einen Unterbruch der Was- es, dass bei Flaumeichen möglicherweise serleitung und weniger auf das Vorkommen ein Problem besteht. von sekundären Parasiten zurückzuführen sind, tritt die Buchenrindennekrose häufig Schlussfolgerungen auch an stark geschädigten Buchen auf. Eine Während die Trockenheitsempfindlichkeit Untersuchung an entwurzelten Buchen in und der starke Buchdruckerbefall der einem Mischwald bei Muttenz (BL) zeigte Fichten in Tieflagen den Erwartungen ent- Die Trocken- Schleimflussflecken der Buchenrindenne- spricht, sind die Buchenschäden in ihrem heit wirkt sich krose mit Fruchtkörpern von Neonectria Ausmass überraschend. Die hier vorgestell- nicht nur im coccinea an allen betroffenen Bäumen. Des ten Auswertungen haben gezeigt, dass sich laufenden Jahr, sondern bis zu Weiteren wurden grosse Ansammlungen die Trockenheit nicht nur im laufenden Jahr, drei Jahre nach von Wurzelfäulepilzen (Riesenporling, Me- sondern bis zu drei Jahre nach dem Ereignis dem Ereignis ripilus giganteus), Hallimasch (Armillaria auf die Vitalität der Buchen auswirkt. Das auf die Vitalität der Buchen sp.) und Goldfell-Schüppling (Pholiota au- deutet darauf hin, dass die beobachteten aus. rivella) gefunden, welche die Standfestigkeit Schäden in den Jahren 2018-2020 wahr- der Buchen verminderten. scheinlich auf eine Abfolge von mehreren Die beobachteten Schäden an den sonst extrem trockenen Sommermonaten zurück- trockenheitsresistenten Flaumeichen sind zuführen sind. Die Beobachtungen zeigen möglicherweise auch auf einen Schwä- auch regionale Unterschiede auf, welche cheparasitenbefall zurückzuführen. In La klimatisch erklärt werden können. So wa- Sarraz wurde der Pilz Gymnopus fusipes ren in der Nordwestschweiz die Schäden an (V. Queloz, persönliche Mitteilung) isoliert. Buchen deutlich erhöht. Die Trockenheit Flaumeichen werden an sechs Standorten in besser überstanden haben die Eichen. Bei der Interkantonalen Walddauerbeobach- diesen findet die Wasserleitung hauptsäch- tung in den Kantonen Neuchâtel, Schaff- lich im jüngsten Jahrring statt. Mit Luft ge- hausen, Waadt und Tessin beobachtet. füllte Leitgefässe werden damit im nächsten Jahr ersetzt. Das ist möglicherweise einer Möglichkeiten der Bewirtschaftung der Gründe, weshalb bei den Eichen keine Bei den Buchen waren in der Nordwest- verzögerten Trockenheitseffekte beobachtet schweiz vor allem die älteren, bestandes- wurden. Der Befall mit sekundären Schwä- bildenden Bäume betroffen. Daher könnten cheparasiten sollte bei den Eichen aber im waldbauliche Massnahmen, zum Beispiel Auge behalten werden. eine Verkürzung der Umtriebszeit, die Kontakt: Bestände stärken. Zurzeit wird geprüft, ob Dr. Sabine Braun, Institut für Angewandte Pflan- die Trockenheitsresistenz von Buchen durch zenbiologie AG, 4108 Witterswil, www.iap.ch, Auswahl von Herkünften aus trockeneren sabine.braun@iap.ch
ZÜRCHER WALD 3/2021 Baumarten im Klimawandel 11 Veränderungen bei der Höhenverbreitung von Pflanzen und Tieren In welchem Mass in der Schweiz Veränderungen der natürlichen Lebensräume stattfinden zeigt unter anderem das Biodiversitäts-Monitoring. Claudio de Sassi von der Abteilung Bio- diversität und Landschaft, BAFU, und Christoph Dürr von der Abteilung Wald, BAFU, geben darüber Auskunft, was aus aktuellen Resultaten solcher Erhebungen zu erkennen ist. (ur) Claudio de Sassi, Abteilung Biodiversität und Landschaft, BAFU & Christoph Dürr, Abteilung Wald, BAFU, im Interview Vor 7 Jahren wurden Forschungsresultate dieser drei Artengruppen tendenziell ho- über die veränderte Höhenverteilung von mogener werden. Diese Änderungen sind Pflanzen und Tieren in der Schweiz veröf- nicht unbedingt eine gute Nachricht: Der fentlicht. Die Ergebnisse beruhen auf Daten Reichtum der Biodiversität in den Schweizer des Schweizer Biodiversitäts-Monitoring Wäldern ergibt sich aus der Vielfalt der Öko- (BDM) in dem auf landesweit verteilten systeme, vom Auenwald bis zum alpinen Flächen Pflanzen und Tiere bis in eine Höhe Bestand. Eine Homogenisierung stellt daher von etwa 3000 Metern gezählt werden. einen Verlust an Biodiversität dar. Eine Publikation 1) zeigte, dass zwischen Betreffend Waldgesellschaften wurden 2003 und 2010 sich die Schweizer Pflanzen, die Erkenntnisse aus dem langjährigen Schmetterlinge und Vögel in der Höhenlage Forschungsprogramm des BAFU und der Eine Homoge- verschoben – im Mittelland sind die Pflanze- WSL (2009-2018) in einem Bericht zusam- nisierung stellt einen Verlust narten im Durchschnitt 8 Meter nach oben mengefasst (www.tree-app.ch, vgl. Artikel an Biodiversität gewandert, Schmetterlinge 38 Meter und S. 14). Zu den Erkenntnissen aus dem dar. Vögel 42 Meter. Forschungsprogramm gehört, dass sich die Die BDM Erhebungen werden seit 2001 Vegetationshöhenstufen bis Ende des 21. jährlich durchgeführt. Jeder Erhebungszy- Jahrhunderts um etwa 500-700m nach oben klus dauert 5 Jahre, wir befinden uns derzeit verschieben werden. Je nach regionalen und im 5. Zyklus, der im Jahr 2025 enden wird. lokalen Standortsbedingungen wird dies in Der nächste Bericht wird Ende 2021 veröf- unterschiedlichem Mass geschehen. fentlicht und Ergebnisse bis 2020 umfassen. Der Temperaturanstieg verändert die Arten- zusammensetzung der Wälder, insbesondere Welche Veränderungen der Artenver- der Nadelbaumbestände, ist aber nicht der breitung stellt das BDM aktuell fest? einzige Faktor. Die Überdüngung durch Die mittlere Anzahl Arten gemäss BDM im Stickstoffdeposition, die zu zwei Dritteln Schweizer Wald hat zugenommen, nament- aus Ammoniakemissionen aus der Land- lich bei den Moosen und Mollusken. Bei wirtschaft und zu einem Drittel aus Stick- den Gefässpflanzen gibt es dagegen keinen oxiden aus Verbrennungsprozessen stammt, wesentlichen Trend. beeinträchtigt viele Waldökosysteme. Es ist zu beachten, dass in niedrigeren Hö- henlagen (colline Stufe) die Gemeinschaften Wie verlaufen die Veränderungen im Wald und im Offenland im Vergleich? 1) Roth T., Plattner M. & Amrhein V., 2014 : Der grundlegende Prozess ist im Wald der- Plants, birds and butterflies: short-term responses selbe wie im Offenland. Der Klimawandel of species communities to climate warming vary by taxon and with altitude. Plos One (2014), doi: verursacht Veränderung über das ganze 10.1371/journal.pone.0082490 Ökosystem: Arten verschieben sich, einige
Baumarten im Klimawandel ZÜRCHER WALD 3/2021 12 Hier verschiebt sich die Waldgrenze schon in wenigen Jahren nach oben, woran das Klima nur einen geringen Anteil hat. Die Studie 2014 sagte, dass die Trends oberhalb der Waldgrenze anders verlaufen. Wird das bestätigt; sind die Entwicklungen in den verschiedenen Höhenstufen unterschiedlich? Viele mikroklimatische Prozesse sowie Wechselwirkungen mit anderen Bela- stungen wie der Landnutzung beeinflussen diese Veränderungen. Dennoch ist zu beo- bachten, dass die Hochlandgemeinschaften generell empfindlicher auf den Klimawandel Bugwood.org reagieren. Aufgrund der dreieckigen Form der Berge wird die Fläche immer kleiner, je höher man kommt. Arten, die in höhere Er scheint von der Klimaerwärmung zu pro- Lagen ziehen, um zu überleben, sehen ihre fitieren – der Mehlbeerbaum (Sorbus aria). Territorien von Jahr zu Jahr schrumpfen. werden seltener oder sterben aus, andere Erkennt man Unterschiede in Bezug werden häufiger. Dadurch verändern sich auf die verschiedenen Landesregi- auch die Ökosystemleistungen. Dies gilt onen? im Wald genauso wie im Offenland. Im Obwohl lokale Unterschiede bestehen, sind Allgemeinen ist der Klimawandel aber die BDM-Ergebnisse für alle Regionen gül- «nur» eine der vielen Belastungen, die tig. Die Alpen sind aber allgemein gesehen die Biodiversität beeinflussen. Diese Bela- stark vom Klimawandel betroffen. stungen können für alle Lebensräume gleich Das im Forschungsprogramm gestartete sein, wie z. B. Stickstoffdeposition, andere langjährige Projekt von WSL und BAFU Pflanzenarten wie Landnutzung und die Belastung durch «Testpflanzungen zukunftsfähiger Baumar- warmer Lagen, verschiedene Verunreinigungen (Pestizide ten» wird weitere Erkenntnisse über ge- die nährstoff- usw.) sind zwischen Wäldern und Offenland eignete Baumarten in der ganzen Schweiz reiche Stand- orte bevorzu- unterschiedlich. Ein direkter Vergleich ist unter geänderten klimatischen Bedingungen gen, sind unter daher nicht möglich. bringen (www.testpflanzungen.ch). den Arten mit starken Zunahmen be- Kann man eine Verschiebung der obe- Welche Entwicklung wird in den sonders häufig ren Waldgrenze feststellen? tiefsten Lagen festgestellt? Wie stark vertreten Die Ergebnisse des Forschungsprogramms ist die Zuwanderung wärmeliebender von BAFU und WSL zu Wald und Klima- neuer Pflanzen – in den Südtälern und wandel sprechen von einer künftigen Ver- bei uns auf der Alpennordseite? schiebung der Vegetationshöhenstufen von In den Landschaften der Tieflagen der 500-700m, d.h. dies geschieht auch an der Schweiz ist als allgemeines Phänomen eine Waldgrenze, vermutlich aber langsamer. An Zunahme der mittleren Artenzahl zu beo- vielen Orten ist die Verschiebung der Wald- bachten. Im Mittelland und im Jura ist die grenze aber auch mit dem Einwachsen des Zunahme deutlich stärker ausgeprägt als Waldes auf ehemaligen Weiden verbunden, in Tieflagen innerhalb der Alpentäler. Die weil die Alpwirtschaft aufgegeben wird. Südschweiz sticht dabei aber nicht hervor.
ZÜRCHER WALD 3/2021 Baumarten im Klimawandel 13 Pflanzenarten warmer Lagen, die zudem sich gut mit veränderten Klimabedingungen unempfindlich gegenüber Störung sind und erklären lässt, ist der Efeu, ein immergrünes gleichzeitig nährstoffreiche Standorte be- Gehölz der von erhöhtem CO2-Angebot vorzugen, sind unter den Arten mit starken profitiert. Zunahmen besonders häufig vertreten (also Im ähnlichen Mass wie für die beiden Wärmezeiger, Nährstoffzeiger, Störungszei- genannten Arten aber sehen wir auf den ger). Viele davon sind weltweit verbreitete BDM-Waldmessflächen auch eine Zunahme Unkräuter. Einige sind zwar Neophyten, mit anderen Arten, z.B. dem Bergahorn. Beispiele für gelten aber mit Ausnahme vom Einjährigen Hier ist es dagegen viel schwieriger, plausi- im Wald sich ausbreitende Berufkraut (Erigeron annuus s.l.) nicht als ble Gründe zu erkennen. Damit sei lediglich Neophyten sind invasive Neophyten. Wiederum ist eine gewarnt, aufgrund einzelner Arten auf der Kirschlor- Zunahme von kosmopoliten Arten, die generelle Phänomene zu schliessen. beer (gilt als empfindliche einheimische Arten auch ver- Typische wärmeliebende Arten wie die invasiv), die Mahonie und drängen können, keine gute Nachricht für Traubeneiche erwartet demnach für 2070– verschiedene die Biodiversität. 2099 in einem grossen Teil der modellierten Cotoneaster-Ar- collinen Stufe. ten (gelten nicht Gibt es auffällige Beispiele für «ein- Nicht zuletzt sei erwähnt, dass auch im Wald als invasiv). wandernde» Arten in den Wald der Neophyten heute deutlich häufiger anzutref- submontanen und collinen Stufe? fen sind als noch vor 20 Jahren. Beispiele für Unter den Arten, bei denen wir eine Zunah- im Wald sich ausbreitende Neophyten sind me auf den Messflächen im Wald feststellen, der Kirschlorbeer (gilt als invasiv), die Ma- ist beispielsweise der Mehlbeerbaum (Sor- honie und verschiedene Cotoneaster-Arten bus aria). Diese Art ist typisch für Wälder (gelten nicht als invasiv). In der Südschweiz in warmen Lagen. Dies entspricht der ist stellenweise eine starke Verbreitung von Veränderung der Wälder, wie sie die Mo- nicht-einheimischen invasiven Baumarten delle im Forschungsprogramm Wald und zu beobachten (z.B. Robinie, Götterbaum), Klimawandel von BAFU/WSL voraussagen. die mit der Klimaerwärmung eher noch Eine weitere Pflanzenart, deren Zunahme zunehmen wird und eine Bedrohung der einheimischen Flora bedeutet. Literatur Frehner, M.; Brang, P.; Kaufmann, G.; Küchli, C., 2018: Standortkundliche Grundlagen für die Waldbewirtschaftung im Klimawandel. WSL Ber. 66: 43 S. Huber, B., Gubelmann, P., Zischg, A., Au- gustin, S., Frehner, M. 2019. Modellierung der Vegetationshöhenstufen und der Are- ale von Buche und Tanne für die Schweiz. Schweiz Z Forstwes 170: 326–337. www.neophyt.ch Kontakt: Claudio de Sassi, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Bundesamt für Umwelt, Abteilung Biodiversität und Landschaft, Sektion Biodiversitätspolitik, claudio.de-sassi@bafu.admin.ch Kirschlorbeere (Prunus laurocerasus): Heute Christoph Dürr, Bundesamt für Umwelt, Abt. deutlich häufiger im Wald anzutreffen als vor Wald, Sektionschef Waldleistungen und Waldpflege, 20 Jahren. christoph.duerr@bafu.admin.ch
Baumarten im Klimawandel ZÜRCHER WALD 3/2021 14 Eine App für die Baumartenwahl im Klimawandel Welche Baumart eignet sich in Zukunft auf einem Standort, wenn sich das Klima verän- dert? Diese Frage stellen sich viele Bewirtschafter zum Beispiel bei der Jungwaldpflege und bei Pflanzungen. Hier hilft die Tree App. Sie bringt Baumartenempfehlungen aufs Handy. von Peter Brang, WSL, Elke Erhardt, geOps AG, Monika Frehner, Forstingenieurbüro Sargans, Barbara Huber, Forstingenieurbüro Thusis & Urs Rutishauser, IWA – Wald und Landschaft AG Die Wahl der Baumart ist einer der wich- Kanton Zürich rund 70. In einem bestimm- tigsten Bewirtschaftungsentscheide, denn ten Standorttyp gedeihen einige Baumarten, sie beeinflusst das Waldwachstum und die andere nicht. Dargestellt ist das in kanto- Gefährdung der Bestände über viele Jahr- nalen Beschreibungen der Waldstandorte zehnte. Jede Baumart hat ihre ökologische (Zürich: Schmider et al. 1993 1)) und in den Nische: Sie gedeiht bei bestimmten Stand- Grundlagen zur Schutzwaldpflege (Frehner orteigenschaften, d.h. Eigenschaften von et al. 2005/09 2)). Zum Beispiel dominiert Klima und Boden. im «Seggen-Buchenwald mit Weisssegge» die Buche, während die Waldföhre beige- Standorttypen als Grundlage von mischt vorkommt. Baumartenempfehlungen 1) Schmider, P., Küper, M., Tschander, B., Käser, B. Zur Beurteilung der Standorteigenschaften 1993. Die Waldstandorte im Kanton Zürich. 2., dienen «Waldgesellschaften» (Standort- durchgesehene Aufl. Zürich, vdf, Oberforstamt typen), also idealisierte Vorstellungen von und Amt für Raumplanung des Kantons Zürich. 2) Frehner, M., Wasser, B., Schwitter, R. 2005/09. typischen Waldstandorten mit dem darauf Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald. stockenden Wald. In der Schweiz werden Wegleitung für Pflegemassnahmen in Wäldern mit rund 300 Standorttypen unterschieden, im Schutzfunktion. Bern, Bundesamt für Umwelt. ur Abb. 1: Fallbeispiel des Seggen-Buchenwalds mit Weisssegge am Irchel.
ZÜRCHER WALD 3/2021 Baumarten im Klimawandel 15 Der Klimawandel bringt nun die Stand- Wie finde und starte ich die Tree App? orttypen und Baumartenempfehlungen durcheinander. Da es bis Ende des 21. Jahr- Die Tree App ist eine «Webapp». Man lädt sie nicht als App hunderts deutlich wärmer und im Sommer herunter, sondern öffnet die Webseite www.tree-app.ch in trockener wird, ändert sich die Eignung der einem gängigen Browser (Chrome, Edge, Firefox, Safari). Baumarten an ihren jetzigen Wuchsorten. Das geht auf allen internetfähigen Geräten (Handy, Tablet, Wer Wald bewirtschaftet, steht daher vor PC). Die aktuelle Version (in der App unter «Infos» «Über der Aufgabe, Baumarten zu fördern, die sich die Anwendung») ist 2.2.0. Falls diese nicht angezeigt wird, an ihrem Wuchsort heute und in Zukunft müssen Sie den Cache manuell leeren. eignen. Die Tree App beruht auf Analogien. Sie übersetzt die Ände- rung von Temperatur und Niederschlag in eine Änderung der Klimaannahmen Höhenstufen. Grundsätzlich wechseln die Waldstandorte im Da niemand weiss, wie stark sich das Klima Laufe der nächsten Jahrzehnte in wärmere Höhenstufen; ein ändert, muss man Annahmen treffen. Für Buchenwald kann zum Beispiel zu einem Eichenwald werden. die App wurde von einem «mässigen» und Details in: Frehner, M., Brang, P., Kaufmann, G., Küchli, C. einem «starken» Klimawandel ausgegan- 2018. Standortkundliche Grundlagen für die Waldbewirt- gen. Beim mässigen (starken) Klimawandel schaftung im Klimawandel. WSL Berichte 66. nimmt die mittlere Temperatur von April bis September bis zum Ende des 21. Jahr- Schweiz oder ein Luftbild wählen (2). Man hunderts um 3,1 °C (4,3 °C) zu und die kann auch die Höhenstufen bei den drei Niederschlagssumme um 2% (19%) ab Klimaannahmen einblenden (3). (Allgaier Leuch et al. 2017, WSL-Merk- blatt). Keine der beiden Klimaannahmen ist «richtig». Das Klima dürfte sich kaum weniger stark ändern als beim «mässigen» Klimawandel angenommen; die tatsächliche Änderung liegt eher zwischen dem «mäs- 3 sigen» und dem «starken» Klimawandel oder gar über dem starken. Bedienung der App: wichtigste 1 Funktionen Am Beispiel des Waldes am Irchel zeigen wir, was die App leistet. Mit einem Dop- pelklick wählt man den Ort aus (1) (auf dem Handy auch möglich: Klick auf das Symbol für die Verwendung des GPS). Als Hintergrund kann man die Landeskarte der Wer hat die App entwickelt? 2 Die Grundlagenarbeiten zur Tree App leistete ein Team rund um Monika Frehner (Sargans) und Barbara Huber (ehem. Abenis AG, Chur) im Projekt «Adaptierte Ökogramme». Die App entwickelte die Firma geOps AG (Olten) Abb. 2: Screenshot der App, Fallbeispiel Ir- im Rahmen des Forschungsprogramms Wald chel mit der Ansicht «Karte». Die Nummern und Klimawandel von BAFU &WSL. verweisen auf Erläuterungen im Text.
Baumarten im Klimawandel ZÜRCHER WALD 3/2021 16 Standorttyp. Dieser lässt sich im Modus «Standortbestimmung» (5) herleiten, indem 8 man Informationen zu verschiedenen Kri- terien eingibt (8). Einfacher ist es aber, den 10 Standorttyp dem kantonalen GIS-Browser zu entnehmen (maps.zh.ch, Karte «Vege- tationskundliche Kartierung der Wälder 9 im Kanton Zürich»). Es ist geplant, dass 11 12 13 die Tree App den Standorttyp direkt der auf dem GIS-Browser hinterlegten Karte entnimmt. Der Beispielwald am Irchel liegt heute im 14 «Seggen-Buchenwald mit Weisssegge» (Nr. 14) (10) in der untermontanen Stufe (Abb. 3). Bei Annahme eines mässigen Kli- mawandels rutscht der Wald in die submon- tane Stufe (weiterhin «Seggen-Buchenwald mit Weisssegge», Nr. 14), und bei Annahme des starken Klimawandels in die colline Stu- fe (colline Variante von Nr. 14). Colline Va- rianten kommen heute in der Schweiz noch kaum vor und sind daher standortkundlich nicht beschrieben; in der App sind nur die passenden Baumarten dargestellt. Wie werden die Empfehlungen für drei Klimaannahmen zusammenge- fasst? Die App liefert vier Baumartenempfeh- lungen (Abb. 3): eine für den gewählten Standorttyp im heutigen Klima (11) und je eine für mässigen (12) und starken (13) Kli- mawandel, sowie eine Zusammenfassung (14). Für die drei Klimaannahmen (Klick auf die Reiter bei 11 bis 13) listet die App die «dominanten Naturwaldbaumarten», 4 5 6 7 die «wichtigen beigemischten Naturwald- baumarten» und «weitere Baumarten» auf. Abb. 3: Screenshots der App, Fallbeispiel Irchel. Links oben Teils fallen die Klimaannahmen zusammen; «Standortbestimmung im Ökogramm», rechts «Baumartenemp- ein Ort kann zum Beispiel heute in der fehlung». Die Nummern verweisen auf Erläuterungen im Text. submontanen Stufe liegen, beim mässigen Klimawandel dort verbleiben und erst bei Auf dem Hauptschirm kann man wech- starkem Klimawandel in die colline Stufe seln zwischen der Kartenansicht (4), der fallen. Baumartenlisten für drei Klimaan- Standortbestimmung (5), der Ausgabe nahmen zu vergleichen, ist umständlich. von Baumartenempfehlungen (6) und Daher wurden sie in einer einzigen Liste Informationen zur App (7). Die Baumar- zusammengefasst, die als Standard ange- tenempfehlung beruht auf dem heutigen zeigt wird (14).
ZÜRCHER WALD 3/2021 Baumarten im Klimawandel 17 In der Zusammenfassung zeigt die App vier Sie erlaubt zu beurteilen, welche Baumarten Kategorien von Baumarten an: in Zukunft in einem Wald gedeihen dürften. Diese Frage stellt sich bei der Einleitung «Empfohlene» Baumarten gedeihen der Waldverjüngung, bei der Beurteilung im heutigen Klima und bei beiden zu- einer Naturverjüngung, bei Ergänzungs- künftigen Klimaannahmen, bei denen pflanzungen und in der Jungwaldpflege und sie zumindest wichtige beigemischte Durchforstung. Naturwaldbaumarten sind. Die App ist aber kein Rezeptbuch, und es «Bedingt empfohlene» Arten gedeihen gibt keine Erfolgsgarantie. Sie ersetzt weder zwar heute, aber entweder bei einer das beobachtende Auge noch den Sachver- zukünftigen Klimaannahme nicht stand der Bewirtschaftenden. Im Kanton mehr oder fallen bei beiden Klimazu- Zürich ist zu beachten, dass südlich einer künften nur in die Kategorie «weitere» Linie Schlieren-Kloten-Winterthur grosse Baumart. Gebiete in der heutigen submontanen Stufe Der Standort- «Gefährdete» Arten sind nur heute auch bei starkem Klimawandel in dieser Stu- typ wird erst im Kanton Luzern «empfohlen», in Zukunft sind sie bei fe bleiben. Hier ändern sich der Standorttyp automatisch höchstens einer Klimaannahme «wei- und damit die Baumartenempfehlung nicht; aus der Stand- tere» Baumarten. unter den empfohlenen Arten sollen aber die ortkartierung ! Als Spezialfall wird der invasive Göt- trockenheitstoleranten bevorzugt werden. übernommen; diese Weiter- terbaum erwähnt. entwicklung ist Weiterentwicklung der App auch für den Baumarten in weisser Schrift sind schon Die Tree App ist nicht fertig entwickelt. Der Kanton Zürich im heutigen Klima geeignet, solche in Gelb Standorttyp wird erst im Kanton Luzern geplant. erst in Zukunft (wobei sie manchmal schon automatisch aus der Standortkartierung heute vorkommen). Besondere Symbole übernommen; diese Weiterentwicklung ist kennzeichnen krankheitsgefährdete (†) und auch für den Kanton Zürich geplant. Seien Pionierbaumarten (*). Sie auch nicht erstaunt, wenn die Baumar- Die Regeln für erst in Zukunft empfoh- tenempfehlungen für gewisse Standorttypen lene Baumarten (gelb) gelten sinngemäss. von den in Ihrem Kanton üblichen etwas Einige gebietsfremde Arten wie Douglasie, abweichen, denn kantonale Besonderheiten Roteiche und Robinie sind in den Empfeh- berücksichtigt die App nicht. Weiter ist lungen aufgeführt, aber jeweils erst nach die Modellierung der Höhenstufen nicht den heimischen Baumarten. Bei der Robinie überall ganz plausibel, stellenweise gibt es ist besondere Vorsicht geboten, weil sie sich unscharfe Grenzen. Einige Höhenstufen teils invasiv verhält. erstrecken sich über grosse Höhenbänder; Im Fallbeispiel am Irchel sind Feldahorn, hier bleibt ein Waldort zuweilen in dersel- Schneeballblättriger Ahorn und Traubenei- ben Höhenstufe, und die Baumartenemp- che empfohlen. In die gleiche Kategorie fällt fehlung bleibt entsprechend dieselbe. So auch die Esche, die aber krankheitsgefähr- gibt es zahlreiche Verbesserungswünsche. det ist. Waldföhre, Flaumeiche, Mehlbeere, Vor Anpassungen soll aber zuerst Erfahrung Speierling, Winterlinde, Sommerlinde und mit der jetzigen Version gesammelt werden. Robinie sind ebenfalls (weniger klar) emp- Ihr Feedback ist erwünscht! fohlen. Viele Baumarten sind «bedingt emp- fohlen», und u.a. die Lärche ist «gefährdet». Der Artikel ist in ähnlicher Form erschienen in Wald und Holz 10/20 Wofür kann man die Tree App ver- Kontakt: wenden? Dr. Peter Brang, Eidg. Forschungsanstalt WSL, Die Tree App hilft bei der Baumartenwahl. Birmensdorf, peter.brang@wsl.ch
Baumarten im Klimawandel ZÜRCHER WALD 3/2021 18 Testpflanzungen im Kanton Zürich von Peter Brang, Matthias Wüthrich und Kathrin Streit, Eidg. Forschungsanstalt WSL Infolge des Klimawandels wird auf vielen zungen in allen Regionen der Schweiz, von Waldstandorten in den kommenden Jahr- der kollinen bis in die subalpine Stufe. Jede zehnten ein Baumartenwechsel stattfinden. Pflanzung verfügt über eine Klimastation. Während ein Teil der Baumarten bereits Über 55‘000 Bäumchen werden gepflanzt heute dort vorkommt, wo ihnen das Klima und über 30 bis 50 Jahre beobachtet. Es wurden in Zukunft wahrscheinlich zusagt, fehlen Insgesamt werden 18 Baumarten mit meist Baumarten andere noch. Könnte man sie bereits heute sieben Samenherkünften getestet. Darunter ausgewählt, dort pflanzen? Wo liegen die klimatischen sind viele altbekannte Arten, aber auch von denen erwartet wird, Grenzen der Baumarten und wie gross sind einige neue. Es wurden Baumarten ausge- dass sie in der dabei die Unterschiede zwischen Herkünf- wählt, von denen erwartet wird, dass sie Schweiz in ten? Fragen dieser Art stellen sich zurzeit in der Schweiz in Zukunft wesentlich zu Zukunft we- sentlich zu den im Zusammenhang mit dem Klimawandel. den Waldleistungen beitragen, wenn auch Waldleistungen Um sie beantworten zu können, wurde das teilweise an anderen Orten als heute. beitragen. Langzeit-Forschungsprojekt «Testpflan- Drei der 59 Testpflanzungen liegen im Kan- zungen zukunftsfähiger Baumarten» gestar- ton Zürich, nämlich in Aesch, Oberrieden tet. Seit Herbst 2020 entsteht in drei Jahren und im Waldlabor in Zürich (Tabelle 1). ein Netzwerk von 59 gezäunten Testpflan- Das Pflanzschema soll aussagekräftige Er- Signaturen Rückegasse Waldstrasse Zaun Randstreifen Wetterstation Abb. 1: Pflanzschema im Waldlabor. In jedem Quadrat wurden vier Herkünfte gepflanzt. Die Farben bezeichnen die drei Wiederholungen.
ZÜRCHER WALD 3/2021 Baumarten im Klimawandel 19 Versuchsfläche Aesch Oberrieden Zürich Höhenlage 615 m ü.M. 575 m ü.M. 550 m ü.M. Standortstyp Typischer und Feuchter Typischer Waldmeister-Bu- Aronstab-Buchenwald Waldmeister-Buchenwald, chenwald Übergang zum Lungenkraut- Buchenwald Baumarten Tanne, Atlaszeder, Baumha- Tanne, Föhre, Lärche, Berga- Tanne, Douglasie, Fichte, sel, Winterlinde horn, Buche, Nussbaum Lärche, Elsbeere, Stieleiche, Traubeneiche, Zerreiche Tab. 1: Testpflanzungen im Kanton Zürich. gebnissen ermöglichen (Beispiel Waldlabor: wissenschaftlich beobachtet. Dabei werden Abbildung 1). In anderen Flächen werden Wachstum, Mortalität und Schäden erfasst. zusätzlich zu den Baumarten in Tabelle 1 der Die Konkurrenzvegetation wird durch Kul- Erste vorläu- Schneeballblättrige Ahorn, der Spitzahorn turpflegeeingriffe kurzgehalten. fige Ergebnisse sind in fünf und der Kirschbaum gepflanzt. Das Projekt soll Grundlagen für standorts- Jahren zu Im Waldlabor führten Forstwartlernende spezifische Baumartenempfehlungen liefern. erwarten. des Staatforstbetriebes die Pflanzung an- So kann die Wanderung der Baumarten lässlich eines Prüfungsvorbereitungstages gezielt unterstützt werden. Erste vorläufige im April durch, in Oberrieden ein Team Ergebnisse sind in fünf Jahren zu erwarten. des Forstreviers Thalwil. Die Fläche in Webseite: www.testpflanzungen.ch Aesch wird im November bepflanzt. Diesen Sommer wird das Überleben jeder Pflanze Kontakt: zum ersten Mal überprüft. Je nach Ausfall Dr. Peter Brang, Eidg. Forschungsanstalt WSL, wird 2022 nachgepflanzt. In den kom- Zürcherstrasse 111, 8903 Birmensdorf, menden Jahren werden die Pflanzungen peter.brang@wsl.ch Kathrin Streit, WSL Abb. 2: Matthias Wüthrich gibt den Forstwartlehrlingen Instruktionen zum Wurzelschnitt auf der Versuchsfläche im Waldlabor
Baumarten im Klimawandel ZÜRCHER WALD 3/2021 20 Ermittlung von sensitiven Standorten und Beständen Der Klimawandel kann die Standortbedingungen so schnell verändern, dass die natürliche Waldverjüngung von standortangepassten Baumarten kaum möglich ist. Ein Forschungs- projekt geht der Frage nach, wo und mit welchen Folgen diese Situation eintreffen kann. von Monika Frehner, Forstingenieurbüro Sargans, Barbara Huber, Forstingenieurbüro Thusis, Gianna Könz, Abenis AG Chur & Andreas Zischg, Universität Bern Im Rahmen vom Projekt «Adaptierte Öko- Tree App wie auch für die Ermittlung von gramme» wurden Baumartenempfehlungen sensitiven Standorten und Beständen sind unter Berücksichtigung des Klimawandels die Höhenstufen. Sie werden modelliert entwickelt. Diese wurden bei sogenannten für die Klimaperiode 1961 – 1990 sowie «Waldtests» schweizweit an etwa 30 ver- für 2070 – 2099 für einen mässigen und schiedenen Beständen zusammen mit der für einen starken Klimawandel. Die Karten Praxis diskutiert (Frehner et al 2018). Der der aktuellsten Modelle zeigt Abbildung 1 «Zürcher Wald» hatte an einem Waldtest im am Beispiel des Kantons Zürich (Zischg et Kanton Thurgau teilgenommen und 2017 al 2021). 1) darüber berichtet (Rutishauser 2017). In- zwischen wurden diese Baumartenempfeh- 1) Die neuen Höhenstufenkarten CH2018 lösen jene von CH2011 ab und werden im Herbst 2021 lungen mit der Tree App (Brang et al 2021, auch auf map.geo.admin.ch aufgeschaltet. Die S. ... in dieser Ausgabe) benutzerfreundlich Tree App greift direkt auf die Höhenstufenkarten aufbereitet. in map.geo.admin.ch zu und wird ab dann mit Von grundliegender Bedeutung für die den neuen Höhenstufenkarten arbeiten. Höhenstufe Definition (ohne Extremstandorte) collin Sommergrüner Laubwald. Wärmeliebende Baumarten wie Traubeneiche, Stielei- che, Linden, Kirschbaum, Spitzahorn und auf der Alpensüdseite Kastanie dominie- ren. submontan Buchenmischwald auf der Alpennordseite. Die Buche dominiert, aber auch wärmeliebende Baumarten wie Traubeneiche, Stieleiche, Linden, Kirschbaum und Spitzahorn sind im Bestand vorhanden. untermontan Buchenwald. Die Buche dominiert stark, beigemischt sind Tanne, Bergahorn, Esche etc. Der Unterschied bei der Oberhöhe von Tanne und Buche ist gering. obermontan Tannen-Buchenwald. Tanne und Buche dominieren, Fichte, Bergahorn etc. sind beigemischt. Tanne und Fichte erreichen deutlich höhere Oberhöhen als die Buche. hochmontan Tannen-Fichten- oder Fichtenwald. Tanne und Fichte oder im kontinentalen Be- reich Fichte sowie, als Pioniere, Lärche und Waldföhre dominieren. Geschlossene Bestände mit relativ vollholzigen Bäumen und starker Konkurrenz zwischen den Bäumen. subalpin Fichtenwald, im kontinentalen Bereich als Pionier Lärche, südlich der Alpen auch Lärchen-Tannenwald. Lückige Bestände, bei der Fichte mit Rotten. Die Bäume sind abholzig und weisen schmale, lange Kronen auf. obersubalpin Lärchen-Arvenwald. Lückige bis aufgelöste Bestände. Die Bäume sind stark ab- holzig und weisen lange Kronen auf. Für die Fichte ist es zu kalt, sie überlebt nur südlich der Alpen auf warmen, felsigen Kleinstandorten. Tab. 1: Definition der auf der Alpennordseite vorkommenden Höhenstufen gemäss NaiS, ARGE Frehner et al. (2020).
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