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Thomas Fleischmann ÜBER Christian Hohenstein 1700 FR AGEN Klinische Notfallmedizin Antworten – prägnant und praxisnah
Inhaltsverzeichnis 1 Arbeitsweise in der Notaufnahme 1 T. Fleischmann Erkennen einer Vitalbedrohung 1 Strukturiertes Vorgehen 6 Triage 10 Crowding 13 2 Häufige Notfallsymptome 17 C. Hohenstein, T. Plappert, T. Fleischmann Bewusstseinsstörung 17 Kopfschmerzen 19 Schwindel 22 Brustschmerzen 25 Atemnot 28 Bauchschmerzen 33 Erbrechen 36 Fieber 37 Synkope 40 Rückenschmerzen 44 Beinschmerzen 48 AZ-Verschlechterung 50 3 Reanimation 59 C. Hohenstein Reanimation nach Leitlinien 59 Sondersituationen 68 Besonderheiten klinische Reanimation 72 4 Kardiologische und vaskuläre Notfälle 75 A. Fischbach, D. Kiefl Herzrhythmusstörungen 75 Ischämische Herzerkrankungen 85 Herzinsuffizienz 89 Perikarditis, Myokarditis, Endokarditis 95 Hypertonie und hypertensive Notfälle 102 Aortendissektion 104 Lungenembolie 106 Beinvenenthrombose 112 Armvenenthrombose 117 Beinarterienverschluss 119 Bildgebung 120 15380_Fleischmann_FAQ.indb XV 21.07.2016 07:33:54
XVI Inhaltsverzeichnis 5 Pneumologische Notfälle 125 T. Plappert Pneumonie 125 Asthma und COPD 130 Pleuraerguss 134 Pneumothorax 136 Bildgebungen 138 6 Gastroenterologische Notfälle 141 F. Rockmann Rechtsseitiger Unterbauchschmerz 141 Akute Übelkeit, Erbrechen und Durchfall 143 Pankreatitis 145 Cholezystitis 148 Divertikulitis 150 Ikterus 152 Hohlorganperforation 154 Hepatitis 155 Erhöhte Leberwerte 156 Coma hepaticum 157 Mesenterialinfarkt 158 Gastrointestinalblutung 159 Diarrhö 162 Hernien 163 Fremdkörper 164 Bariatrische Notfälle 165 Analgesie 166 Laborwerte 167 Bildgebungen 168 7 Hämatologische und onkologische Notfälle 175 U. Grebenstein Anämien 175 Thrombozytopenien 180 Heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT) 182 Hämophilien 184 Von-Willebrand-Syndrom (vWS) 186 Sichelzellkrankheit 188 Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) 189 Antikoagulanzien-Überdosierung 191 Idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP), thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP), hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) 193 Tansfusionsreaktionen 197 Neutropenisches Fieber 199 Tumorinduzierte (maligne) Hyperkalzämie 202 Komplikationen von Leukämien 203 Tumorlyse-Syndrom 205 Hyperviskositätssyndrom (HVS) 206 Zytostatika-Nebenwirkungen (ZNW) 207 15380_Fleischmann_FAQ.indb XVI 21.07.2016 07:33:54
Inhaltsverzeichnis XVII 8 Nephrologische und urologische Notfälle 211 M. D. Alscher Hämaturie 211 Nierenkolik 214 Akutes Nierenversagen (ANV) 216 Nephrotisches Syndrom 220 Glomerulonephritis (GN) 222 Urämie 224 Harnverhalt 225 Harnwegsinfekte (HWI) 226 Urosepsis 228 Pyelonephritis 229 Prostatitis 230 Epididymitis, Epididymoorchitis 232 Hodentorsion 233 Dialysepatienten 234 Nierentransplantierte Patienten 235 Sexuell übertragbare Erkrankungen 235 9 Flüssigkeits- und Elektrolytentgleisungen 241 M. D. Alscher Exsikkose und Überwässerung 241 Hyponatriämie und Hypernatriämie 246 Hypo- und Hyperkaliämie 250 Hypo- und Hyperkalzämie 256 Hypo- und Hypermagnesiämie 259 Auswertung BGA 261 Azidose und Alkalose 264 10 Endokrinologische Notfälle 273 L. Kummer Hypoglykämie 273 Ketoazidose 276 Hyperglykämischer-hyperosmolarer Notfall 280 Addison-Krise 282 Hypothyreose und Myxödem-Koma 285 Thyreotoxische Krise 287 11 Infektiologische Notfälle 293 L. Kummer Infektion und Sepsis 293 Erkrankungen mit Reiseanamnese 307 Malaria 316 Dengue 318 Tetanus 319 Tollwut 320 HIV/AIDS 321 15380_Fleischmann_FAQ.indb XVII 21.07.2016 07:33:54
XVIII Inhaltsverzeichnis 12 Neurologische Notfälle 325 C. Klingner Schlaganfall, TIA 325 Intrazerebrale Blutung (ICB) 328 Subarachnoidalblutung (SAB) 329 Sinusvenenthrombose 330 Meningitis 331 Enzephalitis 333 Hirnabszess 335 Hirntumor 336 Periphere Fazialisparese 337 Guillain-Barré Syndrom 338 Kopfschmerzen 339 Arteriitis temporalis 341 Karotisdissektion und Vertebralisdissektion 342 Multiple Sklerose (MS) 343 Parkinson-Syndrom 344 Myasthenia gravis (MG) 346 Transiente globale Amnesie (TGA) 347 Krampfanfälle 348 Status epilepticus 350 Shunt-Komplikationen 351 Cauda-Syndrom 351 Periphere Neuropathien 352 13 Psychiatrische Notfälle 355 C. Klingner Kontaktaufnahme und Distanzbeurteilung 355 Erregungszustände 355 Desorientierung 356 Delir 357 Demenz 359 Gedächtnisstörung 361 Inhaltliche und formale Denkstörungen 363 Schizophrenie 364 Depression 365 Suizidalität 367 Manie 368 Anorexie und Bulimie 369 Borderline-Störung 370 Akute Angstzustände 371 Akute Belastungsreaktion 372 Posttraumatic Stress Disorder 373 Suchterkrankung 374 15380_Fleischmann_FAQ.indb XVIII 21.07.2016 07:33:54
Inhaltsverzeichnis XIX 14 Toxikologische Notfälle 377 S. Herdtle Prinzipien der Toxikologie 377 Giftnotruf 378 Toxidrome 380 Alkohol 381 Para-Alkohole 384 Medikamente 386 Drogen 392 Industrielle Stoffe und Chemikalien 397 Pflanzen und Pilze 401 15 Traumatologische Notfälle 407 S. Herdtle Schädel-Hirn-Trauma 407 Gesichtsschädelverletzungen 410 Wirbelsäulenverletzungen 415 Thoraxtrauma 418 Abdominalverletzungen 421 Beckentrauma 425 Verletzungen der oberen Extremität 428 Handverletzungen 431 Verletzungen der unteren Extremität 434 Gefäßverletzungen 437 Nervenverletzungen 438 Verbrennungen 440 Stromverletzungen 444 Polytrauma 447 Verletzungen bei Kindern, Älteren und Schwangeren 449 16 Pädiatrische Notfälle 455 L. Schrod Fieber 455 Fieberkrampf 460 Krupp 462 Bronchiolitis 464 Asthma bronchiale 466 Schreiendes Baby 468 Kindesmisshandlung 471 17 Geriatrische Notfälle 475 I. Behrendt Symptome im höheren Lebensalter 475 Geriatric Giants 477 ISAR-Score 479 AZ-Verschlechterung 480 Delir und Demenz 483 Stürze 485 Multimorbidität 487 Medikamenteninteraktionen 489 15380_Fleischmann_FAQ.indb XIX 21.07.2016 07:33:54
XX Inhaltsverzeichnis 18 Gynäkologische und geburtshilfliche Notfälle 491 A. Strauss Unterbauchbeschwerden 491 Vaginale Blutungen 494 Sexuelle Gewalt 495 Prä- und peripartale Blutungen 498 Komplikationen in graviditate 502 Präeklampsie/Eklampsie/HELLP-Syndrom 509 Drohende Geburt 513 19 Notfälle durch Umwelteinflüsse 519 T. Plappert, C. Hohenstein, T. Fleischmann Hypothermie und Erfrierung 519 Ertrinkungsunfälle 521 Tauchunfälle 523 Hyperthermie 526 Höhen-Notfälle 529 20 Sonstige Notfälle 533 L. Lomberg Allergie und Anaphylaxie 533 Angioödeme 537 Epistaxis und HNO-Blutungen 538 Halsschmerzen 540 Epiglottitis 543 Konjunktivitis 544 Akuter Sehverlust 545 Augenverletzungen 547 Hautrötungen 550 Akute bullöse Hauterkrankungen 553 Großschadensereignisse 555 Register 559 15380_Fleischmann_FAQ.indb XX 21.07.2016 07:33:54
125 5 Pneumologische Notfälle T. Plappert Pneumonie 125 Pneumothorax 136 Asthma und COPD 130 Bildgebungen 138 Pleuraerguss 134 Pneumonie 5.1 Was ist die Definition einer Pneumonie? 5 Unter einer Pneumonie versteht man eine Entzündung des Lungengewebes. Diese kann Folge einer bakteriellen oder viralen Infektion, eines Autoimmunprozesses oder etwa auch einer Bestrahlung sein. Die pragmatischste Einteilung unterscheidet zwischen der: ■ CAP Community Acquired Pneumonia ■ HAP Hospital Acquired Pneumonia ■ HCAP Healthcare Associated Pneumonia ■ VAP Ventilator Associated Pneumonia Diese Unterscheidung ist deshalb für die klinische Notfallmedizin so relevant, weil sie die empirische Wahl der antibiotischen Therapie vor Erregernachweis beeinflusst. 5.2 Wie ist die Inzidenz von Patienten mit Pneumonie in einer Notaufnahme? Die Inzidenz der Pneumonie ist hoch, ebenso die Krankenhausmortalität: In der Gesamtbevölkerung liegt die Inzidenz um etwa 10/1 000 Einwohner im Jahr, unter Bewohnern von Pflegeheimen gar um 100/1 000 Bewohner im Jahr. Das führt zu etwa 500 000 Fällen pro Jahr in Deutschland, von denen etwa ein Drittel im Krankenhaus behandelt wird. Pneumonien fordern etwa 20 000 Tote pro Jahr in Deutschland. 5.3 Was ist der Unterschied zwischen CAP, VAP und HAP/HCAP? Der wesentliche Unterschied ist neben Zahl und Schwere der Begleiterkrankungen sowie des Immunstatus das wahrscheinliche Keimspektrum: Während ansonsten gesunde Patienten im häuslichen Umfeld in der Regel einen Infekt mit grampositi- ven Erregern oder atypischen (Chlamydien, Legionellen) erleiden, müssen bei hos- pitalisierten Patienten insbesondere gramnegative Erreger in Betracht gezogen und bei der Wahl der antibiotischen Therapie berücksichtigt werden. 5.4 Braucht man bei einer Pneumonie Blutkulturen? Die Entnahme von Blutkulturen stellt eine Standardmaßnahme dar und erfolgt in der Regel bereits bei klinischem Verdacht, um eine rasche antibiotische Therapie nicht zu verzögern. Sie sind im klinischen Alltag das zentrale Instrument, um später von einer Breitspektrum-Therapie deeskalieren zu können. Nicht zuletzt deshalb werden sie von Qualitätssicherungsprogrammen zur Pneumonie verbindlich gefordert. 15380_Fleischmann_FAQ.indb 125 21.07.2016 07:34:02
126 5 Pneumologische Notfälle 5.5 Wie oft findet man einen Keim bei Blutkulturen bei Pneumonie? Der Nachweis von Keimen in der Blutkultur gelingt selbst bei einer gesicherten Pneumonie in weit weniger als der Hälfte der Fälle, bei nosokomialen Pneumonien dabei deutlich seltener. Es gibt Hinweise darauf, dass positive Blutkulturen mit ei- ner schlechteren Prognose assoziiert sind. Eine Änderung des Therapieregimes im Sinne einer Ausweitung der antibiotischen Therapie aufgrund des Antibiogramms ist nur in etwa einem Prozent der Fälle erforderlich. 5.6 Was sind die häufigsten Erreger der CAP? Die häufigsten Erreger sind Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, 5 Chlamydia pneumoniae und Legionellen. 5.7 Womit behandelt man die CAP? Erste Wahl sind Antibiotika, die grampositive Keime und atypische Erreger treffen. Empfohlen wird eine Kombination aus Aminopenicillinen oder Cephalosporinen und Makroliden. 5.8 Welche Patienten müssen stationär aufgenommen werden? Die Entscheidung, ob die Weiterbehandlung stationär oder ambulant durchgeführt wird, erfolgt in der Notaufnahme. Zur Unterstützung der subjektiven Einschätzung des behandelnden Arztes dient der CURB-65-Index, der das Risiko eines fatalen Verlaufs einschätzen hilft: ■ Verwirrtheit, ■ Nierenversagen, ■ Atemfrequenz > 30/min., ■ Blutdruck < 90 mmHg und ■ Lebensalter > 65 Jahre werden jeweils mit einem Punkt bedacht. Eine ambulante Behandlung ist bei 0 Punkten möglich, kann unter Umständen auch bei einem Punkt erwogen werden. Ab zwei, spätestens drei Punkten sollte der Patient einer Intensivüberwachungs- bzw. Intensivtherapie-Einheit zugewiesen werden. 5.9 Was ist der Unterschied zwischen einer typischen und einer atypischen Pneumonie? Der Unterschied ist sowohl der Manifestationsort als auch das Erregerspektrum: ■ Typische Pneumonien äußern sich als Lobärpneumonie, in der Regel durch Pneumokokken oder Staphylokokken. ■ Atypische Pneumonien sind interstitielle Pneumonien, etwa durch Pilze, intra- zelluläre Erreger, Viren, etc. 5.10 Nehmen atypische Pneumonien zu? Atypische Pneumonien nehmen in den letzten Jahren mit der Zunahme multimorbi- der und immunkompromittierter Patienten zu. 15380_Fleischmann_FAQ.indb 126 21.07.2016 07:34:02
Pneumonie 127 5.11 Sind die Symptome bei atypischen Pneumonien anders? Die klinischen Symptome sind oft weniger ausgeprägt, insbesondere kommt es sel- tener zu eitrigem Auswurf. Müdigkeit und Schwäche stehen oft im Vordergrund und sind die Leitsymptome, mit denen sich der Patient in der Notaufnahme vor- stellt. 5.12 Wie ist die Prognose von atypischen Pneumonien? Die Prognose ist stark abhängig von der Komorbidität des Patienten und der respi- ratorischen Beeinträchtigung, insgesamt schlechter als bei einer typischen Pneumo- nie. Eine frühzeitige Diagnosestellung trotz oft unspezifischer Symptome und Ein- leitung einer adäquaten Therapie sind daher wichtig für den weiteren Verlauf. 5.13 Wie erkennt man eine virale Pneumonie? 5 Die Diagnose erfolgt primär klinisch, unterstützend leisten das Röntgenbild und die Laboruntersuchung eine Abgrenzung zur typischen oder bakteriellen Pneumonie. 5.14 Wie behandelt man eine virale Pneumonie? Bei einer viralen Pneumonie steht die symptomatische Behandlung im Zentrum des therapeutischen Konzepts, vorrangig die Sicherung der Oxygenierung und Ventila- tion. 5.15 Wie unterscheidet man zwischen Pneumonie und Bronchitis? Eine Bronchitis ist ein Infekt der unteren Atemwege, während eine Pneumonie das Lungengewebe, insbesondere Alveolen und Interstitium, betrifft. Klinisch gehen Bronchitiden am ehesten mit einer Spastik, Pneumonien unter Umständen mit einer klinisch relevanten Störung des Gasaustauschs einher. 5.16 Was sind Risikofaktoren bei einer Pneumonie? Risikofaktoren beschreiben in diesem Kontext Vorerkrankungen oder äußere Um- stände, die eine Pneumonie mit anderen Erregern als Pneumokokken wahrschein- lich macht. Insbesondere bei diesen Patienten muss die empirische antibiotische Therapie entsprechend gewählt werden, sodass auch atypische Erreger getroffen werden. 5.17 Wie lauten die Risikofaktoren? Risikofaktoren im Sinne einer Pneumonie, die durch andere Erreger als Pneumo- kokken verursacht wird, sind: ■ Strukturelle Lungenerkrankungen ■ Pflegebedürftigkeit, insbesondere auch Pflege im Alten-/Pflegeheim ■ Schwere Begleiterkrankungen (Nieren-, Leber- und Herzinsuffizienz) ■ Behandlung mit Antibiotika in den letzten drei Monaten ■ Neurologische Grunderkrankungen oder andere Vorerkrankungen, die eine As- piration begünstigen 15380_Fleischmann_FAQ.indb 127 21.07.2016 07:34:02
128 5 Pneumologische Notfälle 5.18 Wie unterscheidet sich die Behandlung eines Patienten mit leichter CAP von der eines Patienten mit mittelschwerer oder schwerer CAP? Die Behandlung von Patienten mit einer ambulant erworbenen Pneumonie (CAP) unterscheidet sich je nach Schwere der Erkrankung sowohl in Art, Dosierung und Verabreichung der antibiotischen Therapie als auch in der Intensivität und Invasivi- tät der begleitenden stabilisierenden Maßnahmen. ■ Leichte CAP: In der Regel ambulante Behandlung, Aminopenicillin p. o., ggf. antipyretische Medikation. ■ Mittelschwere CAP: In der Regel stationäre Behandlung, Aminopenicillin und Makrolid i. v., Atemtherapie, ggf. kreislaufunterstützende Maßnahmen, Sauer- stoffgabe etc. nach Situation. 5 ■ Schwere CAP: Stationäre Behandlung, in der Regel auf ITS oder IMC, Amino- penicillin und Makrolid i. v., ggf. kreislaufunterstützende Maßnahmen, Sauer- stoffgabe, nichtinvasive oder invasive Beatmung etc. nach Situation. 5.19 Warum ist Ciprofloxazin bei einer Pneumonie das falsche Medikament? Wenngleich häufig verordnet, ist Ciprofloxazin für die Behandlung der ambulant erworbenen Pneumonie (CAP) ungeeignet, da es ausgerechnet die dort häufig als Erreger ursächlichen Pneumokokken nicht trifft. Die Auswahl des Antibiotikums muss insbesondere die häufigen Erreger Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Chlamydia pneumoniae, Legionellen berücksichtigen. 5.20 Was sind Risikofaktoren für eine Pseudomonas-Pneumonie? Pseudomonaden sind gefürchtet als Erreger schwerer Pneumonien, insbesondere, da die üblicherweise für die empirische Behandlung ambulant erworbener Pneumo- nien eingesetzten Aminopenicilline oder Cephalosporine der ersten oder zweiten Generation wegen natürlicher Resistenzen nicht wirksam sind. Daher sollte bei Vorliegen von Risikofaktoren für eine Infektion mit Pseudomonaden eine antibioti- sche Therapie gewählt werden, die diese trifft (z. B. Gyrasehemmer oder Cephalo- sporine der Generation IIb). Risikofaktoren für eine Pseudomonas-Pneumonie sind: ■ Strukturelle Lungenerkrankungen (z. B. COPD, Emphysem, Bronchiektasen, zystische Fibrose) ■ Pseudomonas-Kolonisation ■ Patient aus Alten-/Pflegeheim ■ PEG oder Tracheostoma ■ Hospitalisation in den letzten vier Wochen ■ Antibiotische Therapie in den letzten vier Wochen ■ Steroidtherapie über > 4 Wochen mit > 10 mg/d ■ Aspiration ■ Malnutrition 15380_Fleischmann_FAQ.indb 128 21.07.2016 07:34:02
Pneumonie 129 5.21 Welches Antibiotikum gibt man bei Verdacht auf Pseudomonas-Pneumonie? Sollte, etwa bei schweren Infekten bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankun- gen, der Verdacht einer Pseudomonas-Pneumonie im Raum stehen, werden Cepha- losporine der Generation IIb oder Gyrasehemmer bereits empirisch eingesetzt. 5.22 Was muss bei immunsupprimierten Patienten im Hinblick auf Erregerspektrum und Therapie beachtet werden? Immunsupprimierte Patienten haben in der Regel schwerer verlaufende Pneumo- nien und ein hohes Risiko eines atypischen Erregers, insbesondere auch einer Pseu- domonas-Pneumonie. Die empirische antibiotische Therapie muss dies bereits zu Beginn berücksichtigen. 5 5.23 Was sind die wichtigsten Komplikationen einer Pneumonie? Die Komplikationen einer Pneumonie können in drei Bereiche geteilt werden: ■ Bei den lokalen Komplikationen stehen Pleuraergüsse und gelegentlich Lungen- abszesse im Vordergrund. ■ Komplikationen, die das gesamte Organ Lunge in seiner Funktion betreffen, sind eine respiratorische Erschöpfung bei Atempumpenversagen oder ein Lun- genversagen mit ARDS. ■ Systemisch kann es komplizierend zu einer Sepsis bis hin zum septischen Schock kommen. In letzter Konsequenz müssen alle Bereiche Beachtung finden und eine adäquate Behandlung erfahren, damit der Patient die Wirkung des Antibiotikums und das Abheilen der Pneumonie nach einigen Tagen und Wochen erlebt. 5.24 Wann kann man einen Patienten nach Hause entlassen? Die Behandlung von leichten ambulant erworbenen Pneumonien (CAP) ist ambu- lant möglich, in der Regel sind es Patienten mit einem CURB-65-Score von 0 oder 1 (▶ 5.8). Eine Aufklärung über Zeichen der Sepsis, der respiratorischen Insuffizienz und lokaler Komplikationen ist erforderlich und die Dokumentation der Befunde muss dem weiterbehandelnden Arzt zu Verfügung stehen. 5.25 Wie ist die Prognose der CAP und der HAP? Die Prognose der ambulant erworbenen Pneumonie (CAP) ist grundsätzlich gut, jedoch von der Schwere der Erkrankung und der Begleiterkrankungen abhängig. Sowohl ein septischer Verlauf als auch Zeichen der respiratorischen Erschöpfung sind schlechte Prädiktoren. Ungleich schlechter ist die Prognose der im Kranken- haus erworbenen Pneumonien: Durch das veränderte Keimspektrum (gramnegative Keime und Problemkeime) und die in der Regel deutlich schlechtere Immunlage und körperliche Verfassung (Vorerkrankungen) ist die Mortalität deutlich höher. 15380_Fleischmann_FAQ.indb 129 21.07.2016 07:34:02
130 5 Pneumologische Notfälle Asthma und COPD 5.26 Was ist die Definition des Asthma bronchiale? Bei einem Asthma bronchiale kommt es aus verschiedenen Ursachen heraus (z. B. allergisch) anfallsartig zu einer Obstruktion der Atemwege im Bereich der Bronchi- en, die durch eine Trias aus Spastik der glatten Muskulatur der Bronchien und klei- nen Atemwege, Schleimhautödem und Hypersekretion eines zähen Schleimes verur- sacht wird. Diese ist durch Behandlung komplett reversibel. 5.27 Was sind die Grundbausteine der akuten Asthmatherapie? Aus der Kenntnis der Pathophysiologie des Asthma bronchiale werden die pharma- 5 kologischen und nicht-pharmakologischen Grundbausteine der Akuttherapie klar: ■ Sicherung der Vitalfunktionen (ABC-Schema), insbesondere der Oxygenierung ■ Spezifische Therapie der pulmonalen Obstruktion mit einem vernebelten kurzwirksamen Beta-Mimetikum (z. B. Salbutamol-Feuchtinhalation) ■ Gabe eines Kortikosteroids (z. B. Prednisolon 100 mg) ■ Ggf. intravenöse Gabe eines Beta-Mimetikums (z. B. Reproterol fraktioniert i. v.) Bei schwerer Oxygenierungsstörung oder bei respiratorischer Erschöpfung muss eine invasive Beatmung kurzfristig in Betracht gezogen werden. 5.28 Was sind Hinweise dafür, dass ein Asthmaanfall schwer ist? Prädiktoren für einen schweren Verlauf ergeben sich aus der aktuellen Anamnese (bereits alle Inhalativa ausgereizt, orale Steroide), aus der persönlichen Anamnese (bereits zuvor intubationspflichtig und beatmet gewesen) und aus den Befunden der Akutbehandlung (muskuläre Erschöpfung, schwere Hypoxie, Hyperkapnie und re- spiratorische Azidose, Rechtsherzbelastung im Echo). 5.29 Die Standardtherapie ist erfolglos – welche Therapie- optionen bleiben? Bleibt die Therapie mit inhalativen Beta-Mimetika und systemischen Steroiden er- folglos, so wird zunächst eine i. v.-Gabe der Substanzen angestrebt, bei ausbleiben- dem Erfolg und schwerem Anfall muss eine invasive Beatmung mit Narkose und Atemwegssicherung in Betracht gezogen werden. Hier eignet sich in besonderer Weise die Verwendung von Ketamin zur Narkoseeinleitung, das ebenfalls Beta-mi- metisch wirkt. Bei persistierender Spastik kann erwogen werden, inhalative Narko- tika (z. B. Sevoran) zu verwenden, die ebenfalls bronchodilatatorisch wirken. 5.30 Welche Rolle hat Magnesium i. v. bei einem schweren Asthmaanfall? Bei einem schweren, therapierefraktären Asthmaanfall (FEV1 < 25 %) trotz ausge- bauter Standardtherapie ist die intravenöse Gabe von 1–2 g Magnesium über 30 min eine Therapieoption. 15380_Fleischmann_FAQ.indb 130 21.07.2016 07:34:02
Asthma und COPD 131 5.31 Welche Bedeutung hat Suprarenin bei einem schweren Asthmaanfall? Suprarenin ist in der Therapie seit der Verbreitung der inhalativen Beta-Mimetika weiter zurückgetreten. Die systemische Gabe ist der Inhalation nicht überlegen. Vorteil gegenüber etwa Salbutamol ist die kürze Halbwertszeit, was vorteilhaft bei grenzwertig tachykarden Patienten sein mag. 5.32 Ein Patient mit einem schweren Asthmaanfall wird intubationspflichtig. Was sind die wichtigsten Dinge, die man vor der Intubation beachten sollte? ■ Präoxygenierung oder Reoxygenierung: Gewinne Zeit für die Atemwegssicherung! ■ Hilfe holen und Team ergänzen! 5 ■ Ausreichende Volumengabe ■ Kurzes Team-Briefing mit Rollenverteilung und Strategieplanung, inkl. der Back-up-Strategie für Atemweg, Oxygenierung und Kreislauf ■ Starte erst, wenn alle bereit sind (Team, Patient und Material)! 5.33 Was sind die wichtigsten Dinge, die man nach der Intubation beachten sollte? Nach erfolgter Narkoseeinleitung und Intubation (Rapid Sequence Induction) er- folgen standardisiert die folgenden Schritte: ■ Intubateur hält den Tubus mit zwei Fingern fest ■ Anschluss Kapnografie ■ Anschluss Beatmungsbeutel, Applikation von zwei Hüben, dabei Auskultutation ■ Tubus fixieren ■ Bei der manuellen oder maschinellen Beatmung eine lange Exspiration zulassen ■ Blutdruck messen, denn ein Blutdruckabfall ist häufig, ggf. Katecholamine ■ Bei therapierefraktärem Schock oder gar Reanimation sofort an Spannungs- pneumothorax denken (▶ 5.57)! 5.34 Wie hängen ASS und Asthma zusammen? Ein Teil der Patienten, die unter einem Asthma bronchiale leidet, reagiert nach Gabe von Acetylsalicylsäure (ASS) mit einem Asthmaanfall. Es handelt sich hierbei nicht um eine allergische Reaktion, sondern um die Folge eines durch die spezifische Wirkung ausgelösten Ungleichgewichts im Haushalt der Prostaglandine und der Leukotriene. Grundsätzlich können auch andere NSAR eine solche Reaktion und damit einen schweren Anfall auslösen. 5.35 Ein Patient mit Asthma bronchiale klagt über schwere Atemnot bei gleichzeitig guter Sauerstoffsättigung. Wie kann das sein? Diese Diskrepanz ist im klinischen Alltag nicht selten und erfahrene Notfallmedizi- ner denken in drei Richtungen: 1. Stimmt die Diagnose Asthma? Oder hat ein Asthmatiker eine Lungenarterien- embolie, ein hypertensives Lungenödem oder eine schwere Pneumonie? 15380_Fleischmann_FAQ.indb 131 21.07.2016 07:34:02
132 5 Pneumologische Notfälle 2. Ist der Patient im schweren Asthmaanfall und aufgrund der schweren Überblä- hung durch ein progredientes Atempumpenversagen kurz vor der respiratori- schen Erschöpfung? In diesem Fall wäre eine Hyperkapnie unter Umständen die erste relevante pathologische Änderung der Blutgase – und eine Hyperkapnie verursacht das Gefühl schwerer Dyspnoe. Dies ist sicherlich die häufigste Ursa- che. 3. Hat der Patient eine Komplikation seiner Lungenerkrankung erlitten, etwa ei- nen Pneumothorax? 5.36 Wie ist die COPD definiert? Bei einer COPD liegt, im Gegensatz zur anfallsartig auftretenden Obstruktion beim Asthma, eine chronische Obstruktion vor, die nicht (voll) reversibel ist. 5 5.37 Wie therapiert man eine akut exazerbierte COPD? Die Akuttherapie unterscheidet sich wenig vom akuten Asthmaanfall: ■ Inhalative Beta-Sympathomimetika (z. B. Salbutamol-Feuchtinhalation) bilden die Basis ■ Systemische Steroide (z. B. Prednisolon 100 mg i. v.) ■ Ggf. ein Beta-Mimetikum i. v. (z. B. Reproterol) Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch die Art und Invasivität der Atemunterstüt- zung: Während Patienten, die im Rahmen eines Asthma bronchiale akut respirato- risch insuffizient werden, umgehend intubiert und invasiv beatmet werden müssen, ist bei Patienten mit einer COPD die nichtinvasive Beatmung die erste Wahl. Auch ist eine respiratorische Erschöpfung meist weniger dramatisch im Verlauf und eine Hyperkapnie allein wird oft relativ lange kompensiert. 5.38 Gilt in der Notaufnahme die Regel, dass nicht mehr als 2 l Sauerstoff/Minute appliziert werden dürfen? Diese Regel ist ein Mythos aus der Pneumologie: Aus Angst vor einer Retention von CO2 wegen eines durch Sauerstoff verminderten Atemantriebes wurde jahrzehnte- lang vor hohen Sauerstoffkonzentrationen gewarnt. Richtig ist, dass eine Hypoxie unter Umständen innerhalb weniger Minuten schwere Gesundheitsschäden bis zum Tod des Patienten verursacht. Richtig ist auch, dass die Atemmuskulatur bei einer exazerbierten COPD in der Regel im anaeroben Bereich arbeitet und dadurch wei- ter geschwächt wird. Nicht zuletzt ist der Effekt der Retention von CO2 besser ver- standen (Euler-Liljestrandt-Reflex). Die aktuelle Lehrmeinung ist, dass eine SpO2 von 88–92 % angestrebt werden soll. Durch die weite Verbreitung von nichtinvasiver Beatmung bereits in den Notauf- nahmen ist jedoch die Sorge vor Retention auch gewichen. 5.39 Welche Bedeutung hat eine Blutgasanalyse bei Asthma und COPD? Bei einer Exazerbation wird bei beiden Krankheitsbildern die Indikation zur Blut- gasanalyse großzügig gestellt. Die Konsequenzen in der Therapie sind geringfügig unterschiedlich: Während Patienten mit einer COPD unter Umständen eine chro- nisch ventilatorische Insuffizienz, sprich eine Hyperkapnie mit ausgeglichenem pH- 15380_Fleischmann_FAQ.indb 132 21.07.2016 07:34:02
Asthma und COPD 133 Wert zeigen (dank metabolischer Kompensation), ist eine Hyperkapnie bei einem akuten Asthmaanfall immer ein Grund, umgehend die Vorbereitungen für eine Be- atmung des Patienten zu treffen. 5.40 Was ist ein Atemversagen Typ 1 und ein Atemversagen Typ 2? Das Atemversagen Typ 1 beschreibt eine Oxygenierungsstörung, oft Folge einer Er- krankung des Lungenparenchyms, während das Atemversagen Typ 2 eine Hyper- kapnie als Folge eines Versagens der muskulären Atempumpe beschreibt. 5.41 Viele Patienten mit COPD sind gleichzeitig Risikopatienten für eine Lungenembolie. Wie schließe ich die Lungenembolie bei akuter Atemnot eines COPD-Patienten aus? 5 Da Patienten mit einer COPD per se, aufgrund weiterer Begleiterkrankungen und auch aufgrund der damit einhergehenden Immobilität ein erhöhtes Risiko für eine Lungenembolie haben, muss diese Differenzialdiagnose immer mit in Betracht gezo- gen werden. Ein wichtiger Hinweis ist eine Diskrepanz zwischen dem Befund, ins- besondere der Auskultation, und dem Maß der Dyspnoe. Auch erfahrene Notfallmediziner tun sich sehr schwer mit dieser Frage – im Zweifel muss man nach der Bestimmung der Vortestwahrscheinlichkeit entweder einen D- Dimer-Test anordnen oder direkt eine CT-Angiografie durchführen. 5.42 Welche diagnostischen Sofortmaßnahmen ergreift man bei akuter Atemnot bei COPD-Patienten? Die ersten diagnostischen Schritte umfassen: ■ Fokussierte Anamnese (aktueller Beschwerdeverlauf, relevante Vorerkrankun- gen, Medikation, Allergien, ggf. Patientenverfügung) ■ Körperliche Untersuchung (Auskultation, Zeichen der chronischen Lungener- krankung, Zeichen der kardialen Dekompensation) ■ Blutgasanalyse ■ Sonografie des Thorax, Röntgen-Thorax 5.43 Was sind die Vor- und die Nachteile einer invasiven Blutdruckmessung bei COPD-Patienten? Die frühzeitige Kanülierung einer Arterie mit Anlage einer invasiven Blutdruckmes- sung erlaubt engmaschige Blutgasanalysen ohne weitere Punktionen. Darüber hin- aus sind neben der Blutdrucküberwachung auch indirekt Rückschlüsse auf den Vo- lumenstatus möglich. Nachteile sind das gering erhöhte Risiko einer Verletzung der A. radialis mit konsekutivem Gefäßverschluss und der initial größere Aufwand. 5.44 Wann ist eine NIV-Therapie indiziert? In der Gruppe der chronisch kranken, oft multimorbiden Patienten, die an einer COPD oder einer Herzinsuffizienz leiden, hat eine nichtinvasive Beatmung im Ver- gleich zur Standard-Therapie ohne Beatmung und im Vergleich zur invasiven Beat- mung eine raschere Beschwerdelinderung und deutlich geringere Mortalität. 15380_Fleischmann_FAQ.indb 133 21.07.2016 07:34:02
134 5 Pneumologische Notfälle ■ Indikationen: akute und chronische respiratorische Insuffizienz (Hypoxie und/ oder Hyperkapnie) bei exazerbierter COPD oder Lungenödem ■ Kontraindikationen: – Schwere Vigilanzminderung – Aspirationsgefahr Bei persistierender respiratorischer Azidose mit pH < 7,35 nach zwei Stunden NIV muss erneut kritisch die Indikation zur invasiven Beatmung geprüft werden. 5.45 Was sind die Kriterien einer Notfallintubation von Patienten mit Atemnot bei COPD? ■ Koma ■ Aspirationsgefahr 5 ■ Persistierende, schwere Hypoxie ■ Intoleranz gegenüber NIV 5.46 Warum versucht man eine Notfallintubation bei einem COPD-Patienten zu vermeiden? Bei Atemversagen Typ 2, gekennzeichnet durch eine Hyperkapnie in der Blutgas- analyse, steht eine nichtinvasive Beatmung in erster Linie. Eine Intubation mag zwar den Gasaustausch optimieren, jedoch ist das Weaning eine große Herausfor- derung: Eine relative Schwäche der Atemmuskulatur, ein veränderter Atemantrieb und eine deutlich größere Gefahr von (stillen) Aspirationen führen zu einer deutlich höheren Mortalität. Pleuraerguss 5.47 Was sind die häufigsten Ursachen für einen Pleuraerguss? ■ Kardiale Dekompensation ■ Neoplasie ■ Pneumonie, Pleuritis ■ Trauma (Hämatothorax) 5.48 Wann ist eine Pleuradrainage indiziert? Eine Drainage ist immer indiziert nach einem Trauma, da es ansonsten zwangsläu- fig zu Vernarbungen kommt. Hier erfolgt die Anlage einer oder mehrerer Thorax- drainagen in der hinteren Axillarlinie. Eine Pleurapunktion mit Ablassen des Ergusses sollte immer erfolgen wenn der Pa- tient starke Luftnot hat. Maligne Ergüsse sind oft durch eine diuretische Behandlung nicht zu mobilisieren und laufen rasch nach, sodass eine Drainage erforderlich sein kann. Nach einer Pneumonie oder Pleuritis muss ein Pleuraempyem durch Punktion aus- geschlossen werden, ansonsten ist die Anlage einer Spüldrainage indiziert. 15380_Fleischmann_FAQ.indb 134 21.07.2016 07:34:02
Pleuraerguss 135 5.49 Was ist das „Triangle of Safety“ bei der Pleurapunktion? Das „Triangle of Safety“ beschreibt den Raum, in dem eine Pleurapunktion am si- chersten ausgeführt werden kann: die Unterseite bildet die Mammilarlinie, den vor- deren Schenkel des Dreiecks die Hinterkante des M. pectoralis, den hinteren Schen- kel die Vorderkante des M. latissimus. 5.50 Wie ist das praktische Vorgehen bei einer Drainageanlage/ Punktion? ■ Prüfung der Indikation, des Einverständnisses und der Gerinnungssituation ■ Auswahl der Instrumente (diagnostische Punktion, therapeutische Punktion, Einlage einer Drainage, Größe der Drainage je nach Beschaffenheit des Ergus- ■ ses) Aufsetzen des Patienten, wenn möglich 5 ■ Sonografisches Aufsuchen des optimalen Punktionsortes (möglichst weit kaudal bei Erguss, möglichst hintere Axillarlinie, bei Pneumothorax eher vordere Axil- larlinie) ■ Gründliche Desinfektion des Punktionsortes und der Umgebung, sterile Kaute- len ■ Lokalanästhesie, Leitungsanästhesie, Analgosedierung ■ Punktion bzw. stumpfe Präparation, ggf. Einlage des Drain, ggf. Fixierung ■ Steriler Pflasterverband ■ Röntgenkontrolle ■ Dokumentation: Indikation, Einverständnis liegt vor/Notfall, Gerinnung. Sono- grafie und Festlegung des Punktionsortes. Sterile Kautelen. Lokalanästhesie, Leitungsanästhesie und ggf. Analgosedierung. Beschreibung von Punktion, ggf. Präparation, Drainageeinlage. Steriler Pflasterverband. Röntgenkontrolle (Er- folg? Pneumothorax?) 5.51 Welche Hinweise gibt die Beschaffenheit des Punktats? Bereits auf den ersten Blick sind grundsätzliche Aussagen möglich: Exsudate oder Transudate sind in der Regel bernsteinfarben und klar. Eine Trübung, bis hin zum Nachweis zähen Eiters, spricht für ein Empyem und erfordert die Einlage einer Spüldrainage, ebenso erfordert der Nachweis von Blut die Einlage einer ausreichend großen Drainage. 5.52 Welche Diagnostik im Punktat ist sinnvoll? ■ Laborchemie (Granulozyten, LDH, Protein) ■ Zytologie ■ Bakteriologie 5.53 Welche Parameter aus dem Punktat werden bestimmt und warum? ■ LDH, Proteine (auch im Serum) zur Unterscheidung von Transudat und Exsu- dat (Light-Kriterien) ■ Leukozyten inkl. Differenzierung (Pleuraempyem?) ■ Hämoglobingehalt, Hämatokrit (Hämatothorax/hämorrhagischer Erguss) 15380_Fleischmann_FAQ.indb 135 21.07.2016 07:34:02
312 11 Infektiologische Notfälle INFO Die Hepatitis E zeigt in den letzten Jahren in Deutschland eine steigende Inzidenz (2014 670 Fälle). Die Übertragung erfolgt über kontaminierte Nahrungsmittel und führt bei ähnlicher Inkubationszeit zur gleichen Symptomatik wie die Hepatitis A. Die Antikörperdiagnostik im Serum, HAV- und HEV-Antigen im Stuhl und PCR (HAV-RNA und HEV-RNA) in Serum und Stuhl führen zur Diagnose. 11.49 Ein 35-jähriger Patient berichtet über rezidivierende, atemabhängige Schmerzen im Bereich des rechten unteren Rippenbogens. Vom Hausarzt erfolgten bereits die Behandlung auf Pneumonie/Pleuritis und der Ausschluss einer Cholezystitis. Nun stellt sich der Patient erneut subfebril mit Schmerzen in diesem Bereich vor. Die Infektwerte sind erhöht. Weiterhin berichtet er von rezidivierenden breiigen Stühlen. Im Gespräch erfahren Sie von einem Tropenaufenthalt vor sechs Monaten. Welche Erkrankung muss ausgeschlossen werden? Nach Ausschluss der Malaria ist die Diagnostik bei Abdominalbeschwerden nach Tropenaufenthalt auf eine Amöbiasis obligat. Entamoebia histolytica wird fäkal- oral übertragen und befällt das Kolon mit typischer Diarrhö (Amöbenruhr). Häufi- ger ist ein asymptomatischer bzw. chronischer Verlauf mit milder oder atypischer Symptomatik. Bei intestinalen Symptomen veranlassen Sie eine Stuhluntersuchung und den Erregernachweis mit PCR. Zusätzlich führen Sie zum Ausschluss eines Le- berabszesses eine Lebersonografie durch, ggf. ergänzend das CT mit KM, und die serologische Diagnostik bei nachgewiesenem Abszess. Die Leitlinien empfehlen eine Therapie des Amöbenleberabszesses mit Metronid- azol 10 mg/kg KG/d 3×/d über 10 d und anschließend Paromomycin 500 mg/d 3×/d über 10 d, um intraluminale Erreger abzutöten. Zum Metronidazol geben Sie initial 11 ein Cephalosporin (z. B. Ceftriaxon), da eine bildmorphologische Differenzialdia- gnose anderer Abszesserreger (z. B. Enterobaceriacae) nicht möglich ist und das Se- rologie-Ergebnis meist aussteht. 11.50 Wie erfolgen die Übertragung und die Therapie einer Giardiasis? Giardia duodenalis wird durch mangelnde Trinkwasser- und Nahrungsmittelhygi- ene übertragen. Der Erreger kommt weltweit vor (auch in Deutschland) und ist oft Ursache einer reiseassoziierten Diarrhö mit Bauchschmerz ca. 1–2 Wochen nach Ingestion. Die Diagnose erfolgt über einen Antigennachweis im Stuhl und die The- rapie mit Metronidazol über 5–7 d. Alternativen sind Mebendazol oder Albendazol. Zu den Differenzialdiagnosen gehören andere Erreger der Reisediarrhoe (E. coli, Cryptosporidiose usw.), Malabsorptionsydrome (tropische Sprue, Laktoseintole- ranz), Reizdarm, M. Crohn, Intoxikation (Pilze) usw. 15380_Fleischmann_FAQ.indb 312 21.07.2016 07:34:12
Erkrankungen mit Reiseanamnese 313 11.51 Ein Patient stellt sich nach einem ausgedehnten Australienurlaub mit Gelenkbeschwerden, weshalb er nachts nicht schlafen kann. Wie gehen Sie vor? Die Kombination Australienurlaub und Gelenkbeschwerden lässt an Ross-River- Virus denken. Oft kommt noch ein Exanthem hinzu. Die Übertragung erfolgt durch Stechmücken. Die Diagnostik beruht auf Antikörpern und PCR. Differenzialdia- gnosen sind Dengue, Lyme-Borreliose, rheumatoide Arthritis, reaktive Arthritiden. Neben dem Ross-River-Virus ist das Barmah-Forest-Virus (gleiche Symptomatik) die häufigste durch Arthropoden übertragene Viruserkrankung in Australien. 11.52 In Ihrer Notaufnahme stellt sich ein Patient aus einem nahegelegenen Flüchtlingslager mit rezidivierenden Fieberschüben vor. Eine Bauchsymptomatik besteht nicht. Welche Differenzialdiagnosen ziehen Sie in Betracht? Nach Ausschluss einer Malaria (Herkunftsland?) sollten Lagerbedingungen mit mangelhafter Hygiene an Rückfallfieber denken lassen. Borrelia recurrentis wird nicht nur durch Zecken, sondern auch durch Läuse übertragen. Darum sollten Sie nach Zeichen von Kleider- und/oder Kopfläusen suchen (Juckreiz, Ekzem, Kratz- spuren ggf. mit Superinfektion). Die Therapie kann mit Permethrin gegen die Läuse erfolgen. Grundsätzlich ist natürlich die Verbesserung der Hygienebedingungen das Hauptziel, um einen rezidivierenden Befall zu vermeiden. Bei kompliziertem Ver- lauf beginnen Sie eine Antibiose gegen die Borrelien mit Doxycyclin. Typhus/Para- typhus sollte bei rezidivierendem Fieber und Exanthem ebenso von Ihnen bedacht werden. 11.53 In Ihrer Notaufnahme stellt sich ein Patient vor, der selbst eine Hantavirusinfektion vermutet. Wie gehen Sie vor? Hantaviren kommen weltweit (auch in Deutschland!) vor und werden durch Nage- 11 tiere übertragen (Bisse der Tiere oder Einatmen von kontaminiertem Kot). Nach ei- ner grippeähnlichen Prodromalphase entwickeln die Patienten als Komplikationen: ■ In Amerika häufig ein pulmonales Syndrom (ARDS) ■ In Asien und Europa eher hämorrhagisches Fieber oder/und ein akutes Nieren- versagen Die Kriterien als Hinweis auf die Diagnose sind unspezifisch: akuter Krankheitsbe- ginn mit Fieber > 38,5 °C, Kopf- und Gliederschmerzen, Bauchschmerzen, Protein- urie/Hämaturie, Kreatininerhöhung, Thrombozytopenie, Oligurie. In Deutschland ist der Verlauf meist asymptomatisch bzw. mit milder grippaler Symptomatik und Nierenbeteiligung. Weist der Patient Diagnosekriterien auf, kann eine Antikörper- diagnostik erfolgen. Bei komplizierten Verläufen initiieren Sie die stationäre Auf- nahme, ggf. auch Intensivtherapie für den Patienten. 11.54 Welche reiseassoziierten Erkrankungen treten bei europäischen Reiserückkehrern am häufigsten auf? Die häufigsten Erkrankungen in einer Studie von EuroTravNet (veröffentlicht 2015) an 32 136 Patienten waren Malaria und Durchfallerkrankungen, gefolgt von Den- 15380_Fleischmann_FAQ.indb 313 21.07.2016 07:34:12
314 11 Infektiologische Notfälle gue und Giardiasis. Die klassische Reisediarrhoe ist nach wenigen Tagen selbstlimi- tierend und wird meist durch ETEC hervorgerufen. Bei Patienten mit Migrationshintergrund stehen vor allem Hepatitis C und B, Tbc und HIV/AIDS im Vordergrund. Die häufigsten Reiseerkrankungen aus dem europäischen Ausland sind Durchfaller- krankungen (hier vor allem Campylobacterenteritiden) und respiratorische Infek- tionen (Influenza, aber auch bakt. Pneumonien). INFO Laut GeoSentinel treten 49 % aller reiseassoziierten Fiebererkrankungen bei Rückkehr aus Sub-Sahara-Afrika auf (davon 42 % Malaria, 10 % Diarrhö; hier auch die an Diffe- renzialdiagnose Fieber bei Rickettsiose denken). 34 % der Fieberfälle waren auf Reise in Südostasien (davon Dengue 18 %, Malaria 7 %, Diarrhö 17 %; hier vor allem an Ty- phus/Paratyphus denken). Der Anteil aus Lateinamerika betrug 25 % (Dengue 9 %, Malaria 8 %, Diarroe 15 %). 11.55 Eine Inderin kam zum Studium vor 3 Tagen nach Deutschland. Heute stellt sie sich in der Notaufnahme mit wässrigen Durchfällen (4–5 ×/d) und wenig Blutauflagerungen vor. Die Nahrungsaufnahme führt zu krampfartigen Bauchschmerzen, gefolgt von Durchfällen. Die Temperatur beträgt 37,4 °C. Das Blutbild ist unauffällig. Die Eigenmedikation mit Loperamid erbrachte keinen Erfolg. Die Patientin ist kreislaufstabil. Klinisch besteht kein Hinweis auf ein akutes Abdomen. Wie ist Ihr Vorgehen? Indien gilt als Hochrisikoland für gastrointestinale Infektionskrankheiten. Ursache sind meist mangelnde hygienische Bedingungen. Die Stuhlkultur zur Erregerbestim- mung ist hier besonders relevant. Darüber hinaus veranlassen Sie eine Oberbauch- sonografie und die Abnahme von Blutkulturen und Laboruntersuchungen (Diffe- 11 renzialblutbild, Entzündungswerte, Elektrolyte, Leber- und Nierenwerte). Eine Blutbeimengung stellt einen Risikofaktor dar und kann bei Schigellen, Salmonellen, Campylobacter, Yersinien, E. coli, Amöben oder Schistosomiasis auftreten. Bei die- ser Patientin sollten Sie auch an eine entzündliche Darmerkrankung oder an eine gastrointestinale Manifestation einer Tbc denken. Eine ambulante Weiterbehand- lung mit Sicherstellung der Flüssigkeitsaufnahme und kalkulierter Antibiose ist eine Therapiemöglichkeit. Eine empirische Therapie mit Azithromycin würde einen Großteil der Erreger erfas- sen. Bei schwerem Verlauf können Sie Ceftriaxon mit Metronidazol in Kombinati- on geben. Das mikrobiologische Ergebnis zeigte in diesem Fall Camplyobacter jeju- ni und Shigella sonnei mit Multiresistenz. MERKE Loperamid besitzt eine Kontraindikation für Diarrhö mit Fieber und blutigem Stuhl so- wie bei bakterieller Enterokolitis. Sie müssen zudem stets an Koinfektionen denken! 46 % aller Shigellosen in Deutschland haben keine ersichtliche Reiseanamnese. Die Reiseländer mit den meisten bekannten reiseassoziierten Infektionen sind Indien, Ägypten und Marokko. 15380_Fleischmann_FAQ.indb 314 21.07.2016 07:34:12
Erkrankungen mit Reiseanamnese 315 11.56 In welchem Zeitraum nach einer Reise treten die meisten reiseassoziierten Krankheiten auf? Obwohl die Inkubationszeiten von wenigen Tagen bis zu mehr als einem Jahr betra- gen können, werden die meisten Reisenden innerhalb von einem Monat nach Reise- rückkehr symptomatisch. Malaria, Schistosomiasis, Leishmaniose, Hepatitis und Amöbiasis werden häufig erst nach über einem Monat klinisch auffällig. 11.57 Wie unterscheiden Sie eine Lebensmittelintoxikation von einer infektiösen Gastroenteritis? Die häufigste Ursache einer Lebensmittelintoxikation ist die orale Aufnahme von Enterotoxinen aus Staphylococcus aureus infolge kontaminierter Speisen bei unzu- reichender Erhitzung bzw. fehlerhafter Lagerung. Die Symptome treten akut nach 3–5 h auf und umfassen Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Bauchschmerzen und Krämpfe. Die Behandlung erfolgt symptomatisch mit Flüssigkeits- und Elektrolyt- ersatz (keine Antibiose, kein Loperamid), woraufhin sich der Patientenzustand meist rasch bessert. Nach 24–48 h geht es dem Patienten wieder gut. Komplikatio- nen treten vor allem bei Kindern und geriatrischen Patienten auf. Lebensmittelinto- xikationen können auch durch andere toxische Substanzen aus Pflanzen, Pilzen oder durch anorganische Substanzen auftreten. Bei der Lebensmittelinfektion werden pathogene Erreger (Viren, z. B. Noroviren, Bakterien, z. B. Campylobacter, Salmonellen oder Parasiten, z. B. Giardia lamblia) aufgenommen, welche zur Infektion der Darmschleimhaut führen. Auch hierbei können die Pathoorganismen zusätzlich Enterotoxine synthetisieren, welche zur be- kannten Symptomatik führen. Im Unterschied zur direkten Aufnahme von toxi- schen Stoffen treten die Symptome meist erst > 6 h bis mehrere Tage nach Aufnah- me der pathogenen Erreger auf. 11.58 Eine Person ist im Wanderurlaub und stellt sich bei Ihnen mit Z. n. Schlangenbiss vor. Was müssen Sie beachten? 11 Sichern Sie die Vitalfunktionen (ABC). Bestehen Schockzeichen? Zeigen sich in der klinischen Untersuchung lokale Reaktionen an den Bissstellen, fokalneurologische Defizite oder Blutungszeichen? Ist eine Typisierung/Identifikation des Tieres mög- lich? Fand der Biss in freier Wildbahn oder durch Terrarienhaltung statt? Folgende Laboruntersuchungen werden beim symptomatischen Schlangenbiss emp- fohlen: Differenzialblutbild, Gerinnung plus Fibrinogen und D-Dimer, Myoglobin, Elektrolyte, Retentionsparameter, ggf. art. BGA. Für eine Triage eignet sich folgende Einteilung: Biss ohne Gift, allergische Reaktion, hämatotoxische Gifte, neurotoxische Gifte. 11.59 Welche Maßnahmen ergreifen Sie nach Sicherung der Vitalfunktionen und Anamneseerhebung? ■ Prinzipiell Desinfektion der Wunde, Ruhigstellung der Extremität in Schiene, Tetanusschutz überprüfen. ■ Stationäre Aufnahme und Beobachtung für 24 h. 15380_Fleischmann_FAQ.indb 315 21.07.2016 07:34:12
316 11 Infektiologische Notfälle ■ Eine Antibiose (z. B. Amoxicillin/Clavulansäure) ist nur bei Infektionszeichen (Phlegmone, Erysipel, Faszitis, Fieber) nach Wundabstrich indiziert. Spezifische Informationen finden Sie unter www.vapaguide.info und über den Gift- notruf. Besonders wichtig ist die Frage, ob ein Antidot/Antivenin indiziert ist. INFO Antivenine sind Mischungen aus Antikörpern gegen verschiedene Schlangengifte. Es gibt unterschiedliche Antivenine, die jeweils andere Schlangenarten abdecken. Anti- venine werden in Deutschland nur in Zentren vorgehalten (www.serumdepot.de/). Eine Antivenindatenbank finden Sie unter www.who.int/.../snakeantivenoms/database. Bei drohender Paralyse durch Neurotoxine kann bei fehlendem Antivenin vorerst ein Neostigminversuch erfolgen (0,5 mg Neostigmin + Atropin 0,5 mg ggf. alle 20 Minuten wiederholen). 11.60 Welche Schlangenbissvergiftung ist in Deutschland am häufigsten zu erwarten und wie erfolgt die Therapie? Die sieben Meter Anakonda oder die Python sind hier selten. Da der gewöhnliche Notfallmediziner über diese Erkenntnis hinaus kein Serpentologe ist, reicht es zu wissen, dass in Deutschland die häufigste Schlangenvergiftung durch Kreuzottern (europ. Viper) hervorgerufen wird. Sie setzt bei ca. 50 % der Bisse nur einen Teil ihres Giftes frei, welches die Blutgerinnung aktiviert und die Skelettmuskulatur lähmt, ohne das Opfer damit sofort zu Tode zu bringen. Es sind anaphylaktische und gastrointestinale Symptome möglich. Falls in den ersten 1–2 h keine Schwellung und kein Ödem an der Bissstelle auftritt, schließt dies eine Giftinjektion nahezu aus. Hier gilt, eine Manipulation zu vermeiden und stattdessen die Extremität ruhigzu- stellen. Ein Tourniquet sollten Sie nicht anlegen. Die symptomatische Therapie von Anaphylaxie und Schock führt meist zur Besserung. Ein Antivenin ist beim Kreuz- otterbiss nur selten nötig. Indikationen sind persistierender Schock (RR < 80 mmHg), systemische Giftwirkung (z. B. Koagulopathie, Hirnnervenausfälle, 11 periphere Muskellähmungen) und erhebliche Ödembildung. Eine Antibiose sollten Sie nur in schweren Fällen mit ausgeprägten Verletzungen beginnen (Ampicillin/ Sulbactam oder Ceftriaxon). Malaria 11.61 Bei Reiserückkehrern mit Fieber sollte stets eine Malaria ausgeschlossen werden. Wie hoch schätzen Sie den Anteil von Malariainfektionen bei erkrankten Reiserückkehrern mit Fieber aus Sub-Sahara Afrika und Südostasien? In einer Studie wurde an 6 957 Reiserückkehrern mit Fieber gezeigt, dass ca. 42 % aus Sub-Sahara-Afrika mit Malaria erkrankt waren, während es bei Reiserückkeh- rern aus Südostasien lediglich 7 % waren. Hier war die häufigste Ursache für Fieber das Dengue-Virus. In Deutschland kamen 2013 95 % aller Malariafälle (637) aus Afrika. Das Wissen um die im Reiseland typisch endemisch vorkommenden Erkran- kungen sowie um die aktuellen Ausbrüche ist relevant für Ihre Diagnostik und The- rapie. 15380_Fleischmann_FAQ.indb 316 21.07.2016 07:34:12
Malaria 317 11.62 Bei welchen Patienten ist ein Malaria-Test indiziert? Bei Fieber und Reiseanamnese aus Risikogebieten sollten Sie immer an Malaria den- ken. Meist stellen sich die Patienten jedoch mit leichter Grippe-Symptomatik oder atypischer Symptomatik wie z. B. einem Magen-Darm-Infekt vor. MERKE Bei allen Patienten aus Malariagebieten (http://www.cdc.gov/malaria/map/) sollte die Malariadiagnostik für Sie eine Pflicht sein (die Inkubationszeit beträgt > 7 d). 11.63 Ab wann spricht man bei der Malaria tropica von einem komplizierten Verlauf? Wenn schon eines der folgenden Kriterien besteht: Parasitenbefall bei > 5 % aller Ery- throzyten, schwere Anämie, akutes Nierenversagen, Azidose oder Laktat > 5 mmol/l, Hypoglykämie, Hyperkaliämie, Transaminasenanstieg > 3-fach der Norm, neurolo- gische Symptome, respiratorische Insuffizienz, Schock, Hämoglobinurie. Die unkomplizierte Malaria tropica hat eine geringere Parasitämie und verläuft meist grippeähnlich mit Kopfschmerz, untypischem Fieber, Schüttelfrost, Bauch- schmerz oder Diarrhö. Bedenken Sie: Nach einer Malariaprophylaxe kann die Sym- ptomatik ebenfalls abweichen. 11.64 Wie erfolgt eine Malaria-Diagnostik? Machen Sie immer einen dicken Tropfen (hohe Sensitivität) und Blutausstrich (für Spe- ziesdiagnostik) mit mikroskopischem Plasmodiennachweis. Bei klinischem Verdacht und negativem dicken Tropfen können Sie die Untersuchungen täglich wiederholen, da ein einmaliger negativer Befund die Malaria nicht ausschließt. Malariaschnelltests kön- nen falsch-negative Ergebnisse liefern und dienen daher vor allem als Bestätigungstest für den dicken Tropfen. Andererseits kann bei positivem Schnelltest bereits mit der The- rapie begonnen werden. Malaria ist häufig latent, gehen Sie daher stets von einer Koin- zidenz mit anderen tropischen Erkrankungen aus. Besondere relevant ist die Differenzie- 11 rung der Plasmodien, da bei ssp. falciparum und knowlesi komplizierte Verläufe häufi- ger sind. Serumantikörper sind in der Akutdiagnostik nicht geeignet. PCR und andere Nachweismethoden haben sich in der Praxis bisher nicht flächendeckend durchgesetzt. Laborchemisch sind Hyperbilirubinämie, eine Thrombozytopenie und Hämolysezei- chen (LDH, Haptoglobin, Retikulozytenindex) hochverdächtig auf eine Malaria. 11.65 Wie erfolgt die Notfallbehandlung der Malaria? Malaria tropica: ■ Kompliziert (> 5 % der Erythrozyten befallen, Organdysfunktion): Verlegung auf Intensivstation/IMC, Beginn (wenn vorrätig) Artesunate® 2,4 mg/kg KG Bo- lus über 5 min und Wiederholung alle 12 h, 24 h, 48 h und 72 h; alternativ und da meist breiter verfügbar wird trotz des hohen Nebenwirkungspotenzials Chi- nin (initial 20 mg/kg KG über 4 h, dann nach Schema) in Kombination mit Doxycyclin oder Clindamycin eingesetzt. ■ Unkompliziert (grippeähnlich): Normalstation, 4 Tabl. Malarone® 250/100 mg einmal täglich an je drei aufeinander folgenden Tagen für Erwachsene, alterna- tive Riamet® (Artemether-Lumefantrin). 15380_Fleischmann_FAQ.indb 317 21.07.2016 07:34:12
318 11 Infektiologische Notfälle Malaria tertiana oder quartana: Ambulant oder Normalstation: Malarone® wie bei Malaria tropica, alternativ bei M. quartana auch Chloroquin möglich (initial 10 mg/kg KG i. v. und 5 mg/kg KG nach 6, 24 und 48 h). INFO Eine Liste über die Verfügbarkeit von Chinin und Artesunate (Artemisinin) in deutschen Krankenhäusern findet sich unter http://www.dtg.org. Bei der Malaria tertiana schließt sich nach einer Chloroquintherapie zur Eradikation von hepatischen Dauerformen eine Primaquintherapie über 14 Tage an. Wegen der Hämolysegefahr sollte vor dem Einsatz ein Glucose-6-phosphat-Dehydrogenaseman- gel (Favismus) ausgeschlossen werden. Dengue 11.66 Was sind die Symptome einer Dengue-Infektion? Die vier Dengue-Virustypen werden durch Stechmücken übertragen und verursa- chen hohes Fieber, schwere Kopfschmerzen (hinter dem Auge), Muskel- und Ge- lenkschmerzen, Exanthem. Die Symptomatik zeigt sich etwa 3–10 d nach Reisen insbesondere in die Karibik, nach Südostasien, Pazifik, Lateinamerika und Afrika. Hält es länger als eine Woche an und kommen schwere Bauchschmerzen hinzu, ist von einem komplizierten Verlauf mit Hämorrhagien (DHF) und Schock (DSS) aus- zugehen. Letztere treten insbesondere nach Zweitinfektionen auf. Die Schweregradeinteilung erfolgt nach der Dengue-Klassifikation von 2009: ■ Dengue-Fieber ohne Warnzeichen: mindestens zwei Symptome (Übelkeit/Erbre- chen, Exanthem, Schmerzen, Leukozytopenie, pos. Rumpel-Leede-Test) nach Aufenthalt im Endemiegebiet ■ Dengue-Fieber mit Warnzeichen: wie oben plus Warnzeichen (Unruhe, Lethar- gie, Bauchschmerz/Abwehrspannung, Lebervergrößerung, Aszites, Pleuraer- 11 guss, Ödeme, persistierendes Erbrechen, Schleimhautblutung, Hämatokritan- stieg, Thrombozytenabfall) ■ Schweres Dengue-Fieber: Schock, ähnlich einer schweren Sepsis mit Lungen- ödem, schwere Hämorrhagien, schwere Organdysfunktion (DHF, DSS) MERKE Bei Dengue-Verdacht müssen Sie dennoch eine Malaria ausschließen und andere vira- le (z. B. Chikungunya, Influenza) und bakterielle Erreger (z. B. Typhus, Rickettsiose, Leptospirose usw.) in die Differenzialdiagnose mit einbeziehen. 11.67 Wie erfolgt die Therapie bei Dengue-Verdacht? Unspezifisch! Leiten Sie eine symptomatische Therapie mit Paracetamol ein. Cave: ASS und andere NSAR könnten laut Literatur die Blutungsneigung verstärken. Der Flüssigkeitsausgleich und die Elektrolytsubstitution haben Priorität. Patienten mit milder Symptomatik ohne Warnzeichen können ambulant behandelt werden, pla- nen Sie anfangs tägliche Verlaufskontrollen. Ein Teil der Patienten entwickelt eine Schocksymptomatik (DSS). Dann ist die konsequente supportive Sepsistherapie in der Klinik die Aufgabe. 15380_Fleischmann_FAQ.indb 318 21.07.2016 07:34:12
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