Kindesunterhalt Festsetzung von Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder - Einführung - Kinder- und Jugendhilfe OÖ

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Kindesunterhalt Festsetzung von Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder - Einführung - Kinder- und Jugendhilfe OÖ
Einführung                             www.kinder-jugendhilfe-ooe.at

Kindesunterhalt
Festsetzung von Unterhaltsansprüchen
minderjähriger Kinder
Kindesunterhalt Festsetzung von Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder - Einführung - Kinder- und Jugendhilfe OÖ
Amt der Oö. Landesregierung
Direktion Soziales und Gesundheit
Abteilung Kinder- und Jugendhilfe
Bahnhofplatz 1
4021 Linz
Tel.: (+43 732) 7720-15200
Fax: (+43 732) 77 20-215328
E-Mail: kjh.post@ooe.gv.at          Inhalt: Mag. Peter Wienerroither
www.kinder-jugendhilfe-ooe.at               Stand: September 2015
Kindesunterhalt Festsetzung von Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder - Einführung - Kinder- und Jugendhilfe OÖ
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  I.      Rechtsgrundlagen, Unterhaltsbegriff und Allgemeines zum Unterhalt                                  6

  II.     Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage                                                       9

  III. Prozentmethode samt Korrekturen; Sonderprobleme                                                      13

  IV.     Sonderbedarf                                                                                      18

  V.      Umstandsklausel                                                                                   20

  VI.     Eigene Einkünfte des Kindes, Selbsterhaltungsfähigkeit                                            21

  VII. Unterhaltspflicht der Großeltern                                                                     24

  VIII. Schaffung eines Unterhaltstitels                                                                    25

  IX.     Vertretung durch den Kinder- und Jugendhilfeträger                                                29

  X.      Vererblichkeit der Unterhaltspflicht                                                              33

I. Rechtsgrundlagen, Unterhaltsbegriff und Allgemeines zum Unterhalt                                   6
A. Gesetzliche Grundlagen; Unterhaltspflichtige                                                         6

B. Begriff des Kindesunterhalts                                                                         6

C. Natural- und Geldunterhalt                                                                           6
   1. Naturalunterhalt                                                                                  6
   2. Geldunterhalt                                                                                     6

D. Unterhaltsbedarf des Kindes                                                                          7
   1. Angemessenheit                                                                                    7
   2. Allgemeinbedarf                                                                                   7
   3. Sonderbedarf                                                                                      7

E. Beginn und Ende der Unterhaltspflicht; Fälligkeit und Verjährung; Unterhalt für die Vergangenheit    8

II. Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage                                                       9
A. Allgemeines                                                                                          9

B. Unselbstständig Erwerbstätige                                                                        9

C. Selbstständig Erwerbstätige                                                                         10

D. Abzüge                                                                                              10

E. Insolvenz des Unterhaltspflichtigen                                                                 11

F. Anspannungsgrundsatz                                                                                11
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III. Prozentmethode samt Korrekturen; Sonderprobleme                                       13
A. Prozentmethode                                                                          13
   1. Allgemeines                                                                          13
   2. Prozentsätze                                                                         13

B. Korrekturen der Prozentmethode                                                          13
   1. „Unterhaltsstopp“ (Luxusgrenze)                                                      14
   2. Belastungsgrenze                                                                     14
   3. Sonderbedarf                                                                         14
   4. Eigene Einkünfte des Kindes                                                          14

C. Sonderprobleme                                                                          15
   1. Anrechnung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag                               15
   2. Anrechnung von Naturalleistungen und überdurchschnittlichen persönlichen Kontakten   15
      a. Anrechenbare Naturalleistungen                                                    15
      b. Überdurchschnittliche persönliche Kontakte                                        16
   3. Drittpflege und Eigenpflege                                                          17

IV. Sonderbedarf                                                                           18
A. Allgemeines                                                                             18

B. Sonderbedarfsgruppen                                                                    18
   1. Besondere Ausbildungskosten                                                          18
   2. Medizinische Sonderkosten                                                            18
   3. Kosten der außerhäuslichen Betreuung                                                 18
   4. Prozess- und Anwaltskosten                                                           18

C. Deckungspflicht                                                                         19
   1. Allgemeines                                                                          19
   2. Aufteilung des Sonderbedarfs                                                         19

V. Umstandsklausel                                                                         20
A. Allgemeines                                                                             20

B. Wesentliche Änderungen                                                                  20

C. Mitteilungspflichten                                                                    20

D. Rückwirkung                                                                             20

VI. Eigene Einkünfte des Kindes, Selbsterhaltungsfähigkeit                                 21
A. Eigene Einkünfte des Kindes                                                             21
   1. Allgemeines; anrechenbare Einkünfte                                                  21
   2. Konkrete Anrechnung des Eigeneinkommens (Formeln)                                    21

B. Selbsterhaltungsfähigkeit                                                               22
   1. Allgemeines                                                                          22
   2. Erforderliche Einkommenshöhe                                                         22
   3. Ausbildung                                                                           22
   4. Abschluss der Berufsausbildung; Weiterbildung                                        23
   5. Wiederaufleben der Unterhaltspflicht                                                 23
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VII. Unterhaltspflicht der Großeltern                                                                 24
A. Gesetzliche Grundlage und Voraussetzungen                                                           24

B. Umfang der Unterhaltspflicht und Aufteilung                                                         24

VIII. Schaffung eines Unterhaltstitels                                                                25
A. Unterhaltsvereinbarungen                                                                            25
   1. Allgemeine Grundsätze                                                                            25
   2. Unterhaltsvereinbarungen zwischen den Eltern                                                     25
   3. Unterhaltsvereinbarungen der Eltern/eines Elternteils mit dem Kind                               26

B. Festsetzung des Unterhalts durch gerichtlichen Beschluss                                            26
   1. Unterhaltsverfahren; Vertretung des Kindes, Zuständigkeit                                        26
   2. Grundsätze des außerstreitigen Unterhaltsverfahrens                                              26
      a. Einleitung nur auf Antrag (Antragsprinzip)                                                    26
      b. Anwaltspflicht; Kostenersatz                                                                  27
      c. Untersuchungsgrundsatz; Mitwirkungspflichten der Parteien                                     28
      d. Rechtsmittel                                                                                  28

IX. Vertretung durch den Kinder- und Jugendhilfeträger                                                29
A. Allgemeines                                                                                         29

B. Amtsobsorge des Kinder- und Jugendhilfeträgers                                                      29
   1. Anwendungsfälle und Beginn der Vertretung                                                        29
   2. Inhalt der Vertretung                                                                            30
   3. Ende der Vertretung                                                                              30

C. Rechtsgeschäftliche Bestellung des Kinder- und Jugendhilfeträgers                                   30
   1. Beginn der Vertretung                                                                            30
   2. Inhalt der Vertretung                                                                            31
   3. Rechtsstellung des sonstigen gesetzlichen Vertreters                                             31
   4. Ende der Vertretung                                                                              31

D. Unterhaltsvertretung durch den Kinder- und Jugendhilfeträger bei Gewährung von Unterhaltsvorschüssen 31
   1. Beginn der Vertretung                                                                             31
   2. Inhalt der Vertretung                                                                             32
   3. Rechtsstellung des sonstigen gesetzlichen Vertreters                                              32
   4. Ende der Vertretung                                                                               32

E. Bestellung des Kinder- und Jugendhilfeträgers zum Unterhaltsvertreter durch das Gericht             32
   1. Beginn der Vertretung                                                                            32
   2. Inhalt der Vertretung                                                                            32
   3. Rechtsstellung des sonstigen gesetzlichen Vertreters                                             33
   4. Ende der Vertretung                                                                              33

X. Vererblichkeit der Unterhaltspflicht (§ 233 ABGB)                                                  33
   1. Umfang des Übergangs der Unterhaltspflicht                                                       33
   2. Übergang und Haftungsobergrenze                                                                  33
I. Rechtsgrundlagen, Unterhaltsbegriff
6
       und Allgemeines zum Unterhalt
    A. Gesetzliche Grundlagen; Unterhaltspflichtige
    Die gesetzliche Grundlage für die Pflicht der Eltern zur    (3) Der Anspruch auf Unterhalt mindert sich insoweit, als
    Leistung des Kindesunterhalts findet sich in § 231 Abs.         das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksich-
    1 bis 3 ABGB, der wie folgt lautet:                             tigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungs-
                                                                    fähig ist.
    (1) Die Eltern haben zur Deckung der ihren Lebensver-
        hältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes          Soweit die Eltern nach ihren Kräften zur Leistung des Un-
        unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten,     terhalts nicht imstande sind, schulden ihn nach § 232
        Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ih-        ABGB subsidiär (und eingeschränkt) die Großeltern. Auf
        ren Kräften anteilig beizutragen.                       die Unterhaltspflicht der Großeltern wird unter VII. geson-
    (2) Der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das   dert eingegangen.
        Kind betreut, leistet dadurch seinen Beitrag. Darüber
        hinaus hat er zum Unterhalt des Kindes beizutragen,     Uneheliche Kinder sind unterhaltsrechtlich den ehelichen
        soweit der andere Elternteil zur vollen Deckung der     Kindern gleichgestellt.
        Bedürfnisse des Kindes nicht imstande ist oder mehr
        leisten müsste, als es seinen eigenen Lebensverhält-
        nissen angemessen wäre.

    B. Begriff des Kindesunterhalts
    Der Unterhalt dient nach herrschender Auffassung und        wie Religionsausübung, Kultur, Erholung, Urlaub, Sport,
    Judikatur zur Befriedigung des gesamten Lebensauf-          soziale Bedürfnisse und Freizeitgestaltung, Benützung
    wands des Kindes. Dazu gehören Nahrung, Kleidung und        von Kommunikations- und Unterhaltungsmitteln (Post,
    Wohnung samt allen damit verbundenen Aufwendungen           Telefon, Internet, Computer, Radio, Fernsehen etc.) so-
    (Miete, Heizung, Strom und sonstige Betriebskosten,         wie ein angemessenes Taschengeld zur individuellen Be-
    Reinigung etc.), Hygiene und medizinische Versorgung,       friedigung höchstpersönlicher Bedürfnisse. Ferner um-
    bei Kindern und Jugendlichen auch Personenbetreuung,        fasst der Unterhalt auch die notwendigen Prozess- und
    Erziehung und Ausbildung. Ferner „sonstige Bedürfnisse“     Anwaltskosten („Sonderbedarf“; vgl. Näheres unter IV.).

    C. Natural- und Geldunterhalt
    1. Naturalunterhalt

    Solange das unterhaltsberechtigte Kind mit dem Un-          rende Person (z.B. Ehegatte, Lebensgefährte, der das
    terhaltsberechtigten im gemeinsamen Haushalt lebt,          Kind betreut) geleistet. Zum Naturalunterhalt gehört auch
    ist nach ständiger Rechtsprechung Naturalunterhalt zu       ein angemessenes Taschengeld für das Kind. In der Leh-
    leisten, also die unmittelbare Befriedigung der ange-       re (Gitschthaler) wird vorgeschlagen, das Taschengeld in
    messenen Kindesbedürfnisse durch Sach- oder Dienst-         Prozentsätzen des (tatsächlichen oder fiktiven) Geldun-
    leistungen, die der Unterhaltspflichtige entweder selbst    terhaltsanspruchs des Kindes gegenüber seinen Eltern
    erbringt oder deren Erbringung durch Dritte er bezahlt.     (vgl. Näheres unter III.) zu bemessen, und zwar für Kinder
    Naturalunterhalt für das Kind wird (teilweise) auch durch   bis 7 Jahre 1 %, für Kinder von 7 bis 10 Jahren 5 %, von
    die Übergabe von Wirtschaftsgeld an die haushaltsfüh-       10 bis 14 Jahren 8 % und von 14 bis 19 Jahren 10 %.

    2. Geldunterhalt

    Bei Haushaltstrennung (wenn also der Unterhaltspflich-      Altersgruppen gestaffelte Prozentsätze vom Nettoein-
    tige mit dem Kind nicht im gemeinsamen Haushalt lebt)       kommen [Unterhaltsbemessungsgrundlage] des Un-
    oder bei Verletzung der Unterhaltspflicht (wobei die        terhaltspflichtigen) – vgl. dazu Näheres unter III. Unter
    Gefahr einer zukünftigen Unterhaltsverletzung reicht) ist   bestimmten Voraussetzungen können Naturalleistungen
    vom getrennt lebenden Unterhaltspflichtigen zur Gänze       auf den Geldunterhalt angerechnet werden (vgl. Näheres
    Geldunterhalt an das Kind zu leisten, der grundsätzlich     unter III.C.2.).
    nach der sog. „Prozentmethode“ bemessen wird (nach          Der Elternteil, der das Kind in seinem Haushalt betreut,
leistet grundsätzlich dadurch seinen gesamten Unter-          Erbringt kein Elternteil relevante Betreuungsleistungen,
haltsbeitrag (§ 231 Abs. 2 ABGB).                             weil das Kind entweder keine Betreuung mehr benötigt
Im Hinblick auf die Geldunterhaltspflicht ist nicht rele-     (Eigenpflege) oder sich zur Gänze in Pflege bei Dritten
vant, ob etwa die Haushaltstrennung gegen den Willen          befindet (Drittpflege), sind beide Elternteile geldunter-       7
des Unterhaltspflichtigen erfolgte (Beispiel: Mutter ver-     haltspflichtig, und zwar im Verhältnis ihrer jeweiligen Leis-
lässt bei aufrechter Ehe eigenmächtig mit dem Kind die        tungsfähigkeit (vgl. Näheres unter III.C.3.).
Ehewohnung und zieht in eine eigene Wohnung). Auch
wenn etwa ein minderjähriges Kind gegen den Willen der        Unterhaltsverletzung liegt vor, wenn der Unterhaltspflich-
Eltern von zuhause auszieht, hat es (grundsätzlich) einen     tige den Unterhalt gar nicht, nicht in vollem Umfang oder
Geldunterhaltsanspruch gegen die Eltern (vgl. z.B. 2 Ob       verspätet leistet.
196/02s).

D. Unterhaltsbedarf des Kindes
1. Angemessenheit
Das Kind hat Anspruch auf Deckung seines gesamten             Gesundheitszustand, Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen
Unterhaltsbedarfs, allerdings nur im Rahmen der Ange-         und Entwicklungsmöglichkeiten), andererseits aber auch
messenheit. Die Angemessenheit orientiert sich einer-         an den Lebensverhältnissen der Eltern (Einkommen,
seits an den konkreten Bedürfnissen des Kindes (Alter,        Vermögen, sonstige Sorgepflichten).

2. Allgemeinbedarf
Der Allgemeinbedarf umfasst den bei jedem Kind einer          nach der Judikatur gesetzwidrig (vgl. III.A.1.). Der Re-
bestimmten Altersgruppe und bei bestimmten Lebens-            gelbedarf ist auch nicht ein Mindestbedarf, der etwa je-
verhältnissen der Eltern (besonders deren Einkommen)          dem Kind in Österreich zustehen müsste. Näheres zur
regelmäßig neben der Betreuung durch den haushalts-           praktischen Bedeutung der Regelbedarfssätze siehe
führenden Elternteil bestehenden Bedarf.                      unter III.B.1., IV.C.1. und VI.A.2.
Eine ungefähre faktische Orientierungs- und Kontrollgröße
für den (in Geld bemessenen) Bedarf in Durchschnittsfällen    Die Rechtsprechung ermittelt den Allgemeinbedarf, den
für alle Kinder einer bestimmten Altersstufe in Österreich    ein Kind neben der Betreuung durch den haushaltsfüh-
ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensumstände bietet        renden Elternteil zusätzlich (in Geld bemessen) noch hat,
der sogenannte Regelbedarf bzw. Durchschnittsbedarf.          nach Prozentsätzen von der Unterhaltsbemessungs-
Die Regelbedarfssätze werden jährlich vom LGZ Wien (je-       grundlage des Unterhaltspflichtigen („Prozentmetho-
weils für 1.7. bis 30.6.) veröffentlich.                      de“). Die Prozentmethode sichert unter Beachtung der
Seit 1.7.2015 gelten folgende Sätze: 0-3 Jahre 199 €,         Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zumindest
3-6 Jahre 255 €, 6-10 Jahre 329 €, 10-15 Jahre 376            für Durchschnittsfälle den Anspruch des Kindes, an den
€, 15-19 Jahre 443 €, 19-28 Jahre 555 €. Eine Zu-             Lebensverhältnissen des verpflichteten Elternteils ange-
erkennung des Regelbedarfs ohne Berücksichtigung              messen teilzuhaben. Näheres zur Prozentmethode siehe
der konkreten Lebensverhältnisse der Eltern wäre aber         unter III.

3. Sonderbedarf

Über den Allgemeinbedarf hinaus kann das Kind im Ein-         nicht weitgehend regelmäßig bei der Mehrzahl der unter-
zelfall ausnahmsweise aus gerechtfertigten Gründen            haltsberechtigten Kinder anfällt. Inhaltlich fallen darunter
einen Sonderbedarf haben. Das ist jener Bedarf, der sich      hauptsächlich Sonderaufwendungen für Gesundheit und
aus den vom Allgemeinbedarf nicht berücksichtigten            Persönlichkeitsentwicklung (Ausbildung, Talentförderung,
Umständen des Einzelfalls ergibt und vom Allgemeinbe-         Erziehung). Deckungspflichtig ist er nur, wenn er weder
darf nicht gedeckt ist. Sonderbedarf ist nur deckungs-        aus dem konkret bemessenen Unterhalt bestritten wer-
pflichtig, wenn er aus gerechtfertigten, in der Person des    den kann, noch durch Sozialleistungen von dritter Seite
Kindes liegenden Gründen entstanden ist und den Kri-          (z.B. Krankenkassenleistungen, Pflegegeld etc.) gedeckt
terien „Individualität“, „Außergewöhnlichkeit“ und „Dring-    ist. Näheres zum Sonderbedarf siehe unter IV.
lichkeit“ entspricht. Sonderbedarf ist also ein Bedarf, der
E. Beginn und Ende der Unterhaltspflicht; Fälligkeit und Verjährung;
       Unterhalt für die Vergangenheit
8   Die Unterhaltspflicht des Unterhaltspflichtigen beginnt,      durch Banküberweisung erfüllt, hat er den Überweisungs-
    unabhängig von der Kenntnis darüber, immer mit der Ge-        auftrag so rechtzeitig zu erteilen, dass der geschuldete
    burt des Kindes. Die Unterhaltspflicht endet mit dem Tod      Betrag spätestens am Fälligkeitstag (am Ersten des Mo-
    des Kindes sowie mit dessen Selbsterhaltungsfähigkeit         nats) am Konto des Gläubigers gutgeschrieben (wertge-
    (Näheres dazu unter VI.B.). Wenn das Kind bereits eige-       stellt) ist (§ 907a ABGB). Innerhalb der Verjährungsfrist
    ne Einkünfte hat ohne dadurch bereits (gänzlich) selbst-      kann Geldunterhalt auch rückwirkend geltend gemacht
    erhaltungsfähig zu sein, muss es dennoch bereits einen        werden. Die Verjährung von Unterhaltsansprüchen eines
    Teil seiner Unterhaltsbedürfnisse selbst tragen (teilweise    Minderjährigen gegen einen mit der Obsorge betrauten
    Selbsterhaltungsfähigkeit). Zur Vererblichkeit der Unter-     Elternteil kann aber weder anfangen noch fortgesetzt wer-
    haltspflicht siehe unter X.                                   den, solange die Obsorge andauert (Fortlaufshemmung, §
    Geldunterhalt wird (mangels anderer Vereinbarung) für je-     1495 ABGB). Die Hemmung der Verjährung entfällt erst,
    den Monat am Ersten im Vorhinein fällig (§ 1418 ABGB).        wenn dem verpflichteten Elternteil die Obsorge zur Gänze
    Fällige Unterhaltsraten verjähren innerhalb von 3 Jahren (§   fehlt, wobei nach der Judikatur eine vorläufige Entziehung
    1480 ABGB). Soweit der Schuldner die Unterhaltsschuld         der Obsorge nach § 107 Abs. 2 AußStrG ausreichend ist.
II. Ermittlung der Unterhalts-
    bemessungsgrundlage                                                                                                   9

A. Allgemeines
Die Unterhaltsbemessungsgrundlage, von der der kon-          haltspflichtigen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage.
krete Unterhalt bemessen wird, drückt die Leistungs-         Dies gilt zumindest für Geldunterhaltsansprüche, etwa
fähigkeit des Unterhaltsschuldners aus. Als Bemes-           gegen einen Elternteil oder den geschiedenen oder nicht
sungsgrundlage dient in der Regel (Ausnahme: sog.            mehr im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten, in
„Anspannungsfälle“; vgl. Näheres unter II.F.) das tatsäch-   jüngster Zeit aber auch im Hinblick auf Naturalunterhalts-
liche Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen nach          ansprüche (die in Geld zu bewerten sind).
Abzug der Zahlungspflichten für einkommensgebunde-
ne Steuern und öffentliche Abgaben. Auch weitere, an         Auch Vermögenserträge (z.B. Zinsen, Dividenden, Miet-
bestimmte Zwecke gebundene Aufwendungen können               einnahmen) fallen als Einkommen in die Unterhaltsbe-
nach der Rechtsprechung von der Bemessungsgrundla-           messungsgrundlage, unabhängig davon, auf welchem
ge abzugsfähig sein (vgl. Näheres unter II.D.). Das steu-    Weg das Vermögen erworben wurde. Von den Erträgen
erpflichtige Einkommen ist mit dem unterhaltsrelevanten      können erforderliche Aufwendungen (z.B. Bankspesen,
Einkommen nicht identisch. Auch die Unpfändbarkeit von       Steuern) angemessen abgezogen werden. Den Vermö-
Einkommen hindert seine Einbeziehung in die Unterhalts-      gensstamm muss der Unterhaltspflichtige grundsätzlich
bemessungsgrundlage nicht.                                   nicht heranziehen, ausnahmsweise nur dann, wenn das
                                                             laufende Einkommen nicht zur Deckung des notwendigen
Einkommen im unterhaltsrechtlichen Sinn ist nach der         bzw. angemessenen Unterhalts ausreicht (aber nur bei
Judikatur die Summe aller tatsächlich erzielten Ein-         wirtschaftlicher Tunlichkeit der Vermögensverwertung).
nahmen des Unterhaltspflichtigen in Geld oder geld-
werten Leistungen, über die er frei verfügen kann oder       Grundsätzlich ist zur Ermittlung der Unterhaltsbemes-
die zumindest seine Bedürfnisse verringern (etwa auch        sungsgrundlage ein längerer Ermittlungs- bzw. Beob-
Sach- bzw. Naturalbezüge mit Einkommensersatzfunkti-         achtungszeitraum heranzuziehen, um unter Ausgleich
on, z.B. ein Firmenwagen, der für Privatfahrten benützt      von Schwankungen ein durchschnittliches Einkommen
wird, verbilligter Essens- oder Strombezug, vergünstigte     zu ermitteln.
Dienstwohnung etc.). Unerheblich ist auch, ob das Ein-
kommen des Unterhaltspflichtigen etwa aus einer ge-          Die Unterhaltsbemessung für vergangene Zeiträume er-
gen das Gewerberecht verstoßenden Tätigkeit stammt           folgt nach dem tatsächlichen Einkommen des Unterhalts-
(„Pfusch“) oder sonst rechtswidrig erzielt wurde (vgl. 7     schuldners im relevanten Zeitraum. Bei der Bemessung
Ob 16/14z [Zuhälterei]). Oft bestehen insoweit aber Be-      des laufenden (künftigen) Unterhalts ist grundsätzlich auf
weisprobleme. Nach der neueren Judikatur fallen auch         das im unmittelbar vorangehenden Bezugszeitraum er-
eigene gesetzliche Unterhaltsansprüche des Unter-            zielte durchschnittliche Einkommen abzustellen.

B. Unselbstständig Erwerbstätige
Das Einkommen unselbstständig Erwerbstätiger besteht         kommen. Ferner auch Naturalbezüge mit Einkommens-
aus dem Arbeitsentgelt („Lohn“ bzw. „Gehalt“; das, was       ersatzfunktion.
der Arbeitnehmer für das Zurverfügungstellen der Arbeits-    Reine Aufwandsentschädigungen ohne Entgeltcharak-
kraft vom Arbeitgeber erhält) einschließlich Nebengebüh-     ter, mit denen also ausschließlich ein tatsächlich anfal-
ren, Sonderzahlungen und Zulagen mit Entgeltcharakter        lender beruflicher Mehraufwand abgedeckt wird, fallen
sowie allfälligen öffentlich-rechtlichen Leistungen.         hingegen nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage.
Zum Einkommen gehören daher etwa auch Überstun-              Der Beweis dafür, dass es sich um reine Aufwandsent-
denentgelt, Trinkgeld, Abfertigung, Steuerrückzahlung,       schädigungen handelt, obliegt dem Unterhaltspflichtigen.
Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag (für das unter-      Im Zweifel werden sie von der Rechtsprechung zu 50 %
haltsfordernde Kind), Arbeitslosengeld, Notstandshilfe       in die Bemessungsgrundlage einbezogen.
samt Familienzuschlägen (sofern für den Unterhaltsbe-        Eine detaillierte Übersicht über die Einkommensbestand-
rechtigten bezogen), Erwerbsunfähigkeitspension, Kran-       teile findet sich in Schwimann/Kolmasch, Unterhalts-
kengeld, Versehrten- und Unfallrenten, Wochengeld,           recht, 7. Aufl., S. 24 ff.
Sozialhilfe, Ausgleichszulage. Entgegen § 42 Kinderbe-
treuungsgeldgesetz zählt nach neuerer Judikatur auch         Hinsichtlich des Beobachtungszeitraums zur Ermittlung
das von einem Unterhaltspflichtigen bezogene Kinderbe-       des Durchschnittseinkommens des Unterhaltspflichtigen
treuungsgeld (so wie das frühere Karenzgeld) zum Ein-        genügt bei stabiler Einkommenshöhe (z.B. Beamte)
ausnahmsweise eine Gehaltsauskunft über drei Monate,         regelmäßig (saisonbedingt) kurzfristig arbeitslos ist, wird
     ansonsten je nach Schwankungsstärke zwischen sechs           sein Jahresnettoeinkommen als Unterhaltsbemessungs-
     Monaten und einem Jahr. Wenn der Unterhaltspflichtige        grundlage herangezogen.
10
     C. Selbstständig Erwerbstätige
     Das Einkommen selbstständig erwerbstätiger Unterhalts-       Hinsichtlich des Beobachtungszeitraums ist bei selbst-
     pflichtiger ergibt sich nicht aus dem steuerlichen Rein-     ständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen (sowohl bei
     gewinn laut Einkommensteuerbescheid, maßgebend ist           Einnahmen-Ausgaben-Rechnung als auch bei doppel-
     vielmehr der tatsächlich verbleibende Reingewinn,            ter Buchführung) auf das Durchschnittseinkommen der
     d.h. reale Einnahmen abzüglich realer Betriebsausgaben       letzten drei Wirtschaftsjahre vor dem Entscheidungszeit-
     sowie der Zahlungspflicht für einkommens- und betriebs-      punkt abzustellen, wobei auf konkrete Indikatoren für die
     gebundene Steuern und öffentliche Abgaben.                   Unternehmensaussichten in der Zukunft Bedacht ge-
     Übersteigen allerdings die Privatentnahmen den Reinge-       nommen werden muss.
     winn, werden anstelle des Betriebsergebnisses die Privat-    Vielfach kann die Einkommensermittlung bei Selbststän-
     entnahmen der Unterhaltsbemessung zugrunde gelegt.           digen nur unter Beiziehung eines Sachverständigen er-
     Dasselbe gilt, wenn die Betriebsbilanz einen Verlust aus-    folgen.
     weist. Privatentnahmen sind alle nichtbetrieblichen Bar-
     und Naturalentnahmen, z.B. für Unterhaltszahlungen,          Bei Unterhaltsschuldnern, die Landwirte sind, kommt es
     eigene Verpflegung, Prämienzahlungen für Privatversi-        zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage nicht auf steu-
     cherungen, Verwendung des Firmen-PKW für private             errechtliche Pauschalierungen, sondern auf den tatsäch-
     Zwecke etc.                                                  lichen Nettoertrag der Landwirtschaft an.

     D. Abzüge
     Wie bereits ausgeführt, sind zur Ermittlung der Unter-       - Ausgaben, die (auch) dem Unterhaltsberechtigten
     haltsbemessungsgrundlage vom Bruttoeinkommen des               zugute kommen, soweit angemessen (z.B. Prämien-
     Unterhaltspflichtigen die laufenden einkommensgebunde-         leistungen für eine den Unterhaltsberechtigten begün-
     nen Steuern sowie die öffentlichen Abgaben (Beiträge zur       stigende Lebens- oder Krankenzusatzversicherung,
     gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung)       Kreditraten für die Eigentumswohnung oder das Haus,
     abzuziehen. Davon abgesehen können nach der Recht-             in dem der Unterhaltsberechtigte wohnt).
     sprechung nur wenige berücksichtigungswürdige Ausga-
     ben des Unterhaltspflichtigen von der Bemessungsgrund-       Nicht abzugsfähig sind insbesondere Ausgaben des
     lage abgezogen werden. Ganz grundsätzlich gilt in diesem     täglichen Lebens, z.B. private Fahrtkosten, Lebensmit-
     Zusammenhang, dass dann, wenn ein ausreichender              telkosten, eigene Wohnkosten. Auch Kosten zur Aus-
     Kindesunterhalt gefährdet erscheint, nur jene Ausgaben       übung des Kontaktrechts (insbes. Fahrtkosten) sind nach
     abzugsfähig sind, die auch ein pflichtbewusster Elternteil   der Judikatur nur ausnahmsweise (teilweise) abzugsfä-
     in der gleichen Situation aufwenden würde (sog. „Anspan-     hig, wenn der Unterhaltsspflichtige durch die Kosten
     nungsschranke“). Abzugsfähig sind grundsätzlich folgen-      seinen eigenen Lebensunterhalt gefährden würde. Auch
     de Ausgaben des Unterhaltspflichtigen:                       Zahlungen des Unterhaltspflichtigen für seine private Al-
                                                                  tersvorsorge können nach der Rechtsprechung nicht von
     - berufsbedingte Aufwendungen, soweit notwen-                der Bemessungsgrundlage abgezogen werden, ebenso
       dig und angemessen (z.B. Betriebsausgaben eines            wenig private Unfall- oder Krankenzusatzversicherungs-
       Selbstständigen,    existenznotwendige      Weiterbil-     prämien.
       dungskosten; Kosten für Fahrten mit dem Privat-
       PKW zum und vom Arbeitsplatz nur, soweit sie über-         Auch Zins- und Tilgungszahlungen für Kredite und sons-
       durchschnittlich hoch sind und die Erreichung des          tige Schulden des Unterhaltspflichtigen werden bei der
       Arbeitsplatzes mit öff. Verkehrsmitteln nicht möglich      Unterhaltsbemessung grundsätzlich nicht berücksichtigt.
       oder zumutbar ist);                                        Ausnahmsweise gilt anderes nur im Fall von Schulden
                                                                  wegen unvermeidbarer Anschaffungen für Beruf und
     - lebens- und existenznotwendige Ausgaben, die der           existenznotwendige Lebensführung, zur Erhaltung der
       Sicherung des Lebens und der Arbeitskraft oder der         Arbeitskraft und der wirtschaftlichen Existenz des Unter-
       wirtschaftlichen Existenzgrundlage dienen, soweit sie      haltspflichtigen oder zur Deckung von unabwendbaren
       über den normalen Lebensaufwand hinausgehen;               außergewöhnlichen Belastungen.

     - krankheits- oder behinderungsbedingter Mehrauf-            Eine detaillierte Übersicht über die Abzugsposten findet
       wand, soweit dieser nicht durch Sozial- oder Sozialver-    sich in Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht, 7. Aufl.,
       sicherungsleistungen gedeckt ist;                          S. 45 ff.
E. Insolvenz des Unterhaltspflichtigen
In der Vergangenheit wurde die Frage, wie der laufende             stenzminimum gemäß § 291a EO und dem Unter-
Unterhalt während eines Insovenzverfahrens (Konkurs-               haltsexistenzminimum gemäß § 291b EO kommt es                  11
bzw. Schuldenregulierungsverfahrens) des Unterhalts-               nicht an. Die Belastbarkeit des Unterhaltspflichtigen
pflichtigen und nach dessen Aufhebung zu bemessen ist,             richtet sich nach dem Unterhaltsexistenzminimum
von der Judikatur widersprüchlich beantwortet.                     gemäß § 291b EO, das ausnahmsweise in den Gren-
Zuletzt überwogen die Entscheidungen, wonach schon                 zen des § 292b EO unterschritten werden kann.
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens Auswirkungen auf
die Unterhaltsbemessungsgrundlage habe und eine Til-            Im Ergebnis kommt der verstärkte Senat des OGH
gung von Unterhaltsschulden nur aus der Differenz der           somit zum Ergebnis, dass auch die Konkurseröffnung
Existenzminima nach §§ 291a und 291b EO möglich sei             nicht generell die Leistungsfähigkeit und damit die Un-
(„Differenzmethode“).                                           terhaltsbemessungsgrundlage beeinflusst. Auch nach
                                                                Konkurseröffnung können daher nur ausnahmsweise
Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens seien Zah-               aus berücksichtigungswürdigen Gründen ganz bestimm-
lungsplanraten oder Belastungen aus einem Abschöp-              te (laufende) Verbindlichkeiten von der Unterhaltsbemes-
fungsverfahren grundsätzlich von der Unterhaltsbe-              sungsgrundlage abgezogen werden (vgl. unter II.D.).
messungsgrundlage abzuziehen (als „außergewöhnliche
Belastungen“), dem/den Unterhaltsberechtigten stehe             Die Ansprüche der Unterhaltsberechtigten werden daher
aber jedenfalls zur Befriedigung der Unterhaltsansprüche        auch nicht auf den Betrag beschränkt, der sich aus ver-
die Differenz der angeführten Existenzminima zur Verfü-         schiedenen Existenzminima des Lohnpfändungsrechts
gung.                                                           ergibt (die „Differenzmethode“ verliert damit weitgehend
                                                                an Bedeutung).
Nachdem diese (überwiegende) Judikaturlinie von Teilen
der Lehre massiv kritisiert worden war – es sei nicht ein-      Das (einkommensabhängige) Unterhaltsexistenzmini-
zusehen, wieso Schulden aus einem Zahlungsplan an-              mum nach § 291b EO ist aber (als „Belastungsgrenze“)
ders zu behandeln seien als andere Schulden (die ja nur         grundsätzlich zu beachten (konkret nach der Existenzmi-
ausnahmsweise abzugsfähig sind; vgl. unter II.D.) – und         nimums-Tabelle 2bm, erste Spalte [ohne Berücksichtigung
auch verschiedene Senate des Obersten Gerichtshofs              von Sorgepflichten]). Wenn es dem Unterhaltspflichtigen
(OGH) diese Bedenken teilten, hat der OGH durch                 bei Erfüllung aller Unterhaltspflichten verbleibt, bleibt es
Entscheidung eines verstärkten Senats im April 2010             auch bei der Unterhaltsfestsetzung nach der Prozentme-
(1 Ob 160/09z) Folgendes klargestellt:                          thode. Andernfalls ist der Betrag, der dem Unterhalts-
                                                                pflichtigen zu verbleiben hat, nach § 292b Z. 1 EO an-
-   Der Umstand, dass dem Unterhaltspflichtigen sein            gemessen herabzusetzen, der Unterhaltspflichtige darf
    Erwerbseinkommen aufgrund der Eröffnung des Kon-            aber nicht in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet
    kurses über sein Vermögen oder daran anschließender         werden. Nur in besonderen Ausnahmefällen, etwa bei
    insolvenzrechtlicher Konsequenzen (Abschöpfungs-            ganz geringem Einkommen und zahlreichen Unterhalts-
    verfahren, Zahlungsplan, Zwangsausgleich) nicht zur         berechtigten kann auch das – vielfach als „absolute Be-
    Gänze zur Verfügung steht, führt für sich allein nicht      lastungsgrenze“ bezeichnete – niedrigste Unterhaltsexis-
    zu einer Verminderung seiner Unterhaltspflicht.             tenzminimum von 75 % des allgemeinen Grundbetrags
                                                                (§ 291b Abs. 2 iVm. § 291a Abs. 1 EO) unterschritten
-   Bei der Unterhaltsbemessung ist in allen Insolvenz-         werden (vgl. den Wert in der Existenzminimums-Tabelle
    fällen regelmäßig von der im Einzelfall ermittelten         2bm in der ersten Spalte der ersten Zeile, der im Jahr
    Unterhaltsbemessungsgrundlage         auszugehen.           2015 763 € beträgt).
    Auf die Deckung in der Differenz zwischen dem Exi-

F. Anspannungsgrundsatz
Wenn der Unterhaltspflichtige schuldhaft weniger Einkommen      haltspflichtigen aus, für die Erfüllung seiner gesetzlichen Un-
erzielt als seiner Leistungsfähigkeit entsprechen würde, muss   terhaltspflichten im zumutbaren Rahmen alle seine „Kräfte
er sich unter bestimmten Voraussetzungen jenes Einkommen        anzuspannen“, alle seinen persönlichen und finanziellen Mit-
zurechnen lassen, das er bei zumutbarer Ausschöpfung seiner     tel und Möglichkeiten so gut wie möglich zur Erzielung von
Möglichkeiten realistischerweise erzielen könnte. Der prakti-   Einkommen zu nutzen. Maßstab ist dabei das Verhalten eines
sche Wert einer Unterhaltsbemessung auf Basis eines solchen     pflichtbewussten, rechtschaffenen Unterhaltspflichtigen.
potenziellen Einkommens liegt in der Möglichkeit, bei Unein-    Die Erwerbsbemühungen müssen daher umso größer sein,
bringlichkeit einen Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhalts-    je umfangreicher die Unterhaltspflichten des Schuldners sind.
vorschussgesetz 1985 (UVG) zu erlangen.
Der in § 231 Abs. 1 ABGB („nach ihren Kräften“) grundgelegte    Die Anspannungsobliegenheit gilt gleichermaßen für
Anspannungsgrundsatz geht von der Obliegenheit des Unter-       unselbstständigen wie selbstständigen Erwerb ein-
schließlich der Kapitalerträge. Die Anspannungsoblie-         Wichtige Anwendungsfälle, in denen eine Anspannung
     genheit verlangt vom Unterhaltspflichtigen auch, ihm          des Unterhaltspflichtigen in Frage kommt, sind etwa
     zustehende Leistungen in Anspruch zu nehmen, z.B.
12   die Beantragung öffentlich-rechtlicher Versorgungsleis-       -   Arbeitslosigkeit (ein arbeitsloser Unterhaltsschuldner
     tungen, Geltendmachung von betrieblichen Schaden-                 muss sich ernsthaft und intensiv bemühen, einen [zu-
     ersatzansprüchen, Beantragung der höchstmöglichen                 mutbaren] Arbeitsplatz zu finden; gelingt dies aber trotz
     Lohnsteuererträge etc.                                            ausreichender Bemühungen nicht, ist der Unterhalt
                                                                       nach dem tatsächlichen Einkommen, z.B. Arbeitslo-
     Bei schuldhafter, also vorsätzlicher oder fahrlässiger            sengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe zu bemessen),
     Verletzung dieser Obliegenheit wird der Unterhaltsbemes-
     sung jenes Einkommen zugrunde gelegt, das der Unter-          -   Frühpensionierung (wenn dem Unterhaltspflichtigen
     haltspflichtige bei zumutbarer Erwerbstätigkeit nach den          weiterhin eine Erwerbsarbeit zumutbar ist und die
     konkreten Umständen des Einzelfalls tatsächlich erzielen          Pensionierung zu einer erheblichen Unterhaltsminde-
     könnte. Wer hingegen objektiv (aus welchen Gründen                rung führen würde),
     immer, z.B. Krankheit, Behinderung, Haft, Schwanger-
     schaft, Alter) nicht zu einer Erwerbstätigkeit in der Lage    -   Teilzeitbeschäftigung (ohne überzeugende Gründe,
     ist, ist nicht leistungsfähig und kann daher auch nicht auf       z.B. Alter, Krankheit, Kinderbetreuung),
     ein potenzielles Einkommen angespannt werden.
                                                                   -   Berufswechsel, z.B. in die Selbstständigkeit (außer
     Maßgebend für die Unterhaltsbemessung nach Anspan-                durch triftige Gründe, z.B. Gesundheit, Kündigung,
     nungskriterien ist die nach den konkreten Umständen               wirtschaftliche Gründe erzwungen; grundsätzlich
     (konkrete Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen            wägt die Rechtsprechung hier zwischen Freiheit der
     nach seinen individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten           Berufswahl und Interessen des Unterhaltsberech-
     [nach Alter, Gesundheit, Ausbildung, Talent etc.] bei ge-         tigten ab – Anspannung etwa, wenn einschneidende
     gebener Markt- und Arbeitsmarktlage) in zumutbarem                Einkommensminderungen, ersatzlose Aufgabe über-
     Rahmen vorhandene reale Erwerbsmöglichkeit (keine                 durchschnittlich entlohnter Beschäftigung, lang dau-
     reinen Fiktionen). Das bei realistischer Schätzung erziel-        ernde Berufsausbildung mit ungewisser Aussicht),
     bare Einkommen ist dabei, allenfalls mit Hilfe von Sach-
     verständigen, betragsmäßig anzugeben.                         -   Beschäftigungsaufgabe zu Studienzecken (außer
                                                                       wenn es die Erwerbschancen erhöht und zielstrebig
     Die Prüfung der Möglichkeit einer Anspannung des Un-              und erfolgreich betrieben wird),
     terhaltspflichtigen setzt erst bei Verletzung des ange-
     messenen Unterhalts ein. Kinder müssen sich aber              -   Betreuung von Kindern (Müttern wird von der
     keinesfalls immer mit der Deckung des Regelbedarfs                Rechtsprechung in der Regel ab der Vollendung des
     oder der Erreichung eines Durchschnittseinkommens                 3. Lebensjahrs des zu betreuenden Kindes eine Teil-
     zufrieden geben, wenn etwa dem Unterhaltspflichtigen              zeitbeschäftigung zugemutet, sofern eine Betreuung
     höhere Anstrengungen möglich und zumutbar sind.                   des Kindes durch Dritte (Kindergarten, Tagesmutter/-
     Leistet andererseits der Unterhaltspflichtige bereits er-         vater) möglich und zumutbar ist; für die Väterkarenz
     heblich über dem Regelbedarf liegenden Unterhalt,                 verlangt die Rechtsprechung einen besonders be-
     kann im Einzelfall der Verzicht auf zusätzliches Einkom-          rücksichtigungswürdigen Grund, z.B. wenn sonstige
     men gerechtfertigt sein.                                          Betreuungseinrichtungen oder –personen fehlen und
                                                                       die Mutter zumindest nicht wesentlich weniger als der
     Ein unterhaltspflichtiger Vater kann erst ab jenem Zeit-          Vater verdient).
     punkt auf das ihm zumutbare Einkommen angespannt
     werden, in dem er von seiner Unterhaltspflicht (d.h. von      -   Unterlassung der Nutzbarmachung des Vermögens
     seiner Vaterschaft zum Kind) sichere Kenntnis erlangte.           (z.B. sorgfaltswidrige Verwendung des Vermögens-
     Dafür reicht die Kenntnis von einem DNA-Gutachten, das            stamms, etwa für Luxuszwecke; unterlassene Reali-
     die Vaterschaft als praktisch erwiesen ansieht.                   sierung erzielbarer Vermögenserträge).
III.Prozentmethode samt Korrekturen;
    Sonderprobleme                                                                                                         13

A. Prozentmethode
1. Allgemeines

Das Gesetz selbst kennt kein konkretes Berechnungssys-      gewährleistet die angemessene Teilhabe des Unterhalts-
tem für die Unterhaltsbemessung. Die ständige Recht-        berechtigten an den Lebensverhältnissen des Unterhalts-
sprechung bemisst den Kindesunterhalt grundsätzlich         pflichtigen (vgl. z.B. 4 Ob 2285/96z, 7 Ob 167/02p). Bei
nach der sog. „Prozentmethode“ (auch als „Prozent-          atypischer Sachlage ist aber eine Anpassung an die tat-
satzmethode“ oder „Prozentwertmethode“ bezeichnet),         sächlichen Verhältnisse erforderlich.
wonach Kindern innerhalb bestimmter Altersstufen be-        Die Prozentmethode sorgt in Durchschnittsfällen für
stimmte Prozentsätze von der Bemessungsgrundlage            brauchbare Angaben über die Leistungsfähigkeit des
(durchschnittliches Nettoeinkommen) des Unterhalts-         Unterhaltspflichtigen. Sie stellt nur auf die finanziellen
pflichtigen zustehen. Der Zuspruch des bloßen Regelbe-      Verhältnisse des geldunterhaltspflichtigen Elternteils
darfs ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensverhältnis-    ab, das Einkommen des anderen (das Kind betreuenden)
se der Eltern widerspricht nach der Judikatur hingegen      Elternteils spielt nach der Judikatur grundsätzlich keine
dem Gesetz (vgl. z.B. 9 Ob 34/01t, 4 Ob 237/97z).           Rolle. Insbesondere führt eine erhöhte Leistungsfähigkeit
Die Prozentmethode bietet nach der Judikatur für durch-     des betreuenden Elternteils grundsätzlich nicht zu einer
schnittliche Fälle eine brauchbare Orientierungshilfe und   Reduktion des vom anderen Elternteil zu leistenden Geld-
dient der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle. Sie      unterhalts.

2. Prozentsätze

Nach ständiger Rechtsprechung stehen Kindern folgen-        -   für gesetzlich unterhaltsberechtigte (Ex-)Partner
der Altersstufen folgende Prozentsätze von der Unter-           (Ehegatten, eingetragene Partner, nach auslän-
haltsbemessungsgrundlage (durchschnittliches Nettoein-          dischem Recht unterhaltsberechtigte Lebensge-
kommen) des Unterhaltspflichtigen zu:                           fährten): Abzug zwischen 0 und 3 %, je nach dem Ein-
                                                                kommen des (Ex-)Partners (für den einkommenslosen
                                                                (Ex-)Partner 3 %; Anm.: das Kinderbetreuungsgeld
       -   0 bis 6 Jahre: ___________ 16   %                    gilt nach § 42 KBGG in seinen Pauschalvarianten aus-
       -   6 bis 10 Jahre: __________ 18   %                    drücklich nicht als Einkommen des beziehenden Eltern-
       -   10 bis 15 Jahre: _________ 20   %                    teils [anders bei der einkommensabhängigen Variante;
       -   über 15 Jahre: __________ 22    %                    vgl. § 24d KBGG], er gilt daher als einkommenslos [dies
                                                                gilt nach der Rechtsprechung aber nicht hinsichtlich der
                                                                Unterhaltspflicht des beziehenden Elternteils für ande-
Weitere Sorgepflichten des Unterhaltspflichtigen wer-           re Kinder; insoweit gilt das Kinderbetreuungsgeld also
den nach der Rechtsprechung durch folgende Abzüge               sehr wohl als Einkommen; vgl. unter II.B.]).
von diesen Prozentsätzen berücksichtigt:
                                                            Beispiel: Ein Mann ist für seine Kinder im Alter von 11 und
-   für jedes weitere Kind unter 10 Jahren:                 5 Jahren sowie für seine nicht berufstätige geschiedene
    Abzug von (je) 1 %,                                     Frau unterhaltspflichtig. Das 11-jährige Kind hat einen An-
                                                            spruch auf 16 % (20 % - 1 % - 3 %), das 5-jährige Kind
-   für jedes weitere Kind über 10 Jahren:                  auf 11 % (16 % - 2 % - 3 %) seines Nettoeinkommens.
    Abzug von (je) 2 %,

B. Korrekturen der Prozentmethode
Da die Prozentmethode wie ausgeführt nur für Durch-         Einkommensverhältnisse notwendig. Die wichtigsten
schnittsfälle eine brauchbare Basis für die Unterhalts-     Fälle dieser erforderlichen Korrekturen werden im Fol-
bemessung bietet, sind Korrekturen für atypische            genden dargestellt.
1. „Unterhaltsstopp“ (Luxusgrenze)

     Bei überdurchschnittlichem Einkommen des Unter-              das Zwei- bis Zweieinhalbfache des nach dem Alter
14   haltspflichtigen ist die Prozentkomponente nicht voll aus-   des Kindes anzuwendenden Regelbedarfs (vgl. I.D.2.,
     zuschöpfen. Zur Vermeidung einer pädagogisch schäd-          Regelbedarfssätze). Eine Unterschreitung ist zulässig (bei
     lichen Überalimentierung ist nach der Rechtsprechung         Kindern bis zum Volksschulalter wird oft nur der doppel-
     vielmehr eine Angemessenheitsgrenze („Luxusgrenze“)          te Regelbedarf herangezogen) aber jedenfalls begrün-
     zu setzen. Der OGH lehnt zwar eine starre Begrenzung         dungsbedürftig.
     ab, akzeptiert aber in den meisten Fällen als Richtwert

     2. Belastungsgrenze

     Bei unterdurchschnittlichem Einkommen des Unter-             Die „absolute Belastbarkeitsgrenze“ bildet für Normal-
     haltspflichtigen bleibt es grundsätzlich zur Unterhaltsbe-   fälle das niedrigste Unterhaltsexistenzminimum (Exis-
     messung bei der üblichen Prozentkomponente, die nicht        tenzminimum-Tabelle 2bm erste Spalte; für 2015: [gerun-
     (etwa bis zur Regelbedarfshöhe) überschritten werden         det] 763 €; bei Haushaltsgemeinschaft: 572 €), welches
     darf. Dabei kann es aber vorkommen (etwa bei weiteren        nach der Entscheidung des verstärkten OGH-Senats
     Unterhaltspflichten oder hohem Sonderbedarf), dass die       gemäß § 292b EO nur „in besonderen Ausnahmefällen“
     ermittelten Unterhaltsleistungen den Unterhaltspflichti-     unterschritten werden darf (z.B. bei ganz geringem Ein-
     gen über Gebühr belasten würden. Für solche Fälle zieht      kommen oder zahlreichen Sorgepflichten).
     die Judikatur eine Belastungsgrenze, die sicherstellen       Unterschreitet die Differenz zwischen der Unterhaltsbe-
     soll, dass dem Unterhaltspflichtigen ein ausreichender       messungsgrundlage und der Summe aller Unterhalts-
     Teil seines Einkommens zur Deckung seines eigenen Le-        pflichten das einkommensabhängige Existenzminimum
     bensunterhalts verbleibt.                                    oder zumindest die „absolute Belastbarkeitsgrenze“
                                                                  nicht, ändert sich an den nach der Prozentmethode er-
     Nach einer im Mai 2010 ergangenen Entscheidung eines         mittelten Beträgen nichts, sie sind voll zu erfüllen. Wird
     verstärkten Senats des OGH (1 Ob 160/09z; vgl. auch          hingegen die absolute Belastbarkeitsgrenze unterschrit-
     unter II E) wird als Belastungsgrenze (Belastbarkeits-       ten (und liegt kein Fall vor, in dem dies ausnahmsweise
     grenze) für den Normalfall das einkommensabhängi-            zulässig ist; vgl. oben), sind die Ansprüche anteilsmäßig
     ge Unterhaltsexistenzminimum (ausgehend von der              zu kürzen. Steht etwa der Summe der Unterhaltsansprü-
     konkreten Unterhaltsbemessungsgrundlage) nach den            che von 1.200 € nur ein verfügbarer Einkommensteil von
     Bestimmungen der Exekutionsordnung festgelegt (kon-          800 € gegenüber, ist jeder Unterhaltsanspruch um ein
     kret: das Unterhaltsexistenzminimum nach § 291b iVm.         Drittel zu mindern. Für den nicht gedeckten Teil sind sub-
     § 291a Abs. 1 und 3 Z. 1 EO). Zur Ermittlung ist kon-        sidiäre Unterhaltsquellen heranzuziehen, nämlich primär
     kret die vom Bundesministerium für Justiz veröffentlichte    ein allfälliges Kindesvermögen, subsidiär die Großeltern
     Existenzminimum-Tabelle 2bm heranzuziehen.                   (§ 232 ABGB; vgl. Näheres unter VII.).

     3. Sonderbedarf

     Über den Allgemeinbedarf hinaus, bemessen nach               darf nicht gedeckt ist. Da es also auch hier um atypische,
     der Prozentmethode, kann das Kind im Einzelfall aus-         individuelle Fälle geht, ist die aus der Prozentmethode
     nahmsweise aus gerechtfertigten Gründen zusätzlich ei-       abgeleitete Pauschalierung unter bestimmten Umstän-
     nen Sonderbedarf haben. Das ist jener Bedarf, der sich       den zu korrigieren und der Unterhaltspflichtige allenfalls
     aus Gründen des Einzelfalls, die vom Allgemeinbedarf         auch zur Deckung dieses Sonderbedarfs zu verpflichten.
     nicht berücksichtigt sind, ergibt und vom Allgemeinbe-       Näheres dazu siehe unter IV.

     4. Eigene Einkünfte des Kindes

     Eigene Einkünfte des Kindes mindern seinen Bedarf,           terliche Unterhaltspflicht zur Gänze weg. Davon geht
     weshalb sich daraus eine Verringerung seines Unterhalts-     die Rechtsprechung bei entsprechend hohen Einkünften
     anspruchs ergeben kann (vgl. § 231 Abs. 3 ABGB). Man         des Kindes aus, u.a. grundsätzlich aber auch während
     spricht hier von „teilweiser Selbsterhaltungsfähigkeit“,     des Grundwehr- bzw. Zivildienstes des Kindes (vgl. zur
     wobei die Errechnung des Restgeldunterhaltsanspruchs         Selbsterhaltungsfähigkeit Näheres unter VI.B.). Während
     des Kindes nach der Rechtsprechung über besondere            dieser Zeit ruht auch die Unterhaltspflicht des sonst ein-
     Berechnungsformeln erfolgt (vgl. dazu Näheres unter          kommenslosen Grundwehr- oder Zivildieners, er kann
     VI.A.2.).                                                    gegenüber dem Bund aber Familienunterhalt geltend
     Mit Erreichung der Selbsterhaltungsfähigkeit fällt die el-   machen.
C. Sonderprobleme
1. Anrechnung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag
für UH-Bemessungen ab 01.01.2019 nicht mehr anzuwenden (4 Ob 150/19s)                                                            15
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat sich seit 1991 in mehre-       -   Grundvoraussetzung der Anrechnung ist immer, dass
ren Entscheidungen mit der Familienbesteuerung befasst und               der Geldunterhaltspflichtige mit dem Kind nicht im
dabei festgehalten, dass der Steuerpflichtige im Ergebnis so             gemeinsamen Haushalt lebt (Haushaltstrennung)
gestellt werden muss, als könne er die Hälfte des Unterhalts             und der betreuenden Person (bzw. dem Kind selbst)
von der Einkommensteuerbemessungsgrundlage abziehen.                     die Familienbeihilfe ausgezahlt wird.

Da bei Haushaltstrennung den Anspruch auf Familienbeihilfe           -   Die Anrechnung ist ausgeschlossen, wenn der
und Kinderabsetzbetrag primär der betreuende Elternteil hat,             Unterhaltspflichtige gar nicht mit Steuern belastet
kann der getrennt lebende, geldunterhaltspflichtige Elternteil           ist (z.B. wenn Bemessungsgrundlage des Unter-
grundsätzlich nur den Unterhaltsabsetzbetrag geltend ma-                 haltspflichtigen der Arbeitslosenbezug oder andere
chen. Dieser Absetzbetrag reicht aber bei höheren Einkommen              steuerfreie Bezüge [z.B. Notstandshilfe, Kinder-
nicht aus, um die vom VfGH geforderte Entlastung zu bewirken.            betreuungsgeld] bilden). Der OGH lehnt eine An-
Der VfGH hielt fest, dass jener Teil der Familienbeihilfe, der zur       rechnung ferner ab, wenn der Unterhaltsschuldner
Steuerentlastung bestimmt sei, bei der Unterhaltsbemessung               nicht in Österreich, sondern in einem anderen Land
von den Zivilgerichten auf den Unterhaltsanspruch anzurech-              steuerpflichtig ist.
nen sei, unter Berücksichtigung des Unterhaltsabsetzbetrags.
Konkret fordert der VfGH, dass der Unterhalt um jenen Teil zu        -   Der Familienbeihilfe vergleichbare, nach den Rechts-
kürzen ist, der sich aus der Multiplikation des halben Unterhalts        vorschriften eines anderen EU-Mitgliedstaats zuste-
mit dem um ein Fünftel abgesenkten Grenzsteuersatz abzüg-                hende Familienleistungen werden nicht angerechnet.
lich des Unterhaltsabsetzbetrags ergibt.                                 Diese Rechtsprechung kann aber ab Veranlagungs-
                                                                         jahr 2011 nicht aufrechterhalten werden (§ 34 Abs. 7
Im Anschluss daran hat der OGH eine penibel genaue                       EStG geht von der Anrechenbarkeit aus).
Berechnungsmethode zur Anrechnung von Familienbeihilfe
und Kinderabsetzbetrag (Transferleistungen) auf den Unter-           -   Die Transferleistungen sind auch dann auf den Unter-
haltsanspruch entwickelt (vgl. 3 Ob 141/02k).                            halt anzurechnen, wenn die volle Leistungsfähigkeit
                                                                         des Unterhaltsschuldners (nach der Prozentmethode)
Die konkrete Berechnung der Unterhaltskürzung schließt an                durch den Unterhaltsstopp (Luxusgrenze) nicht voll
die Bemessung des Geldunterhalts an. Zunächst ist also der               ausgeschöpft wird.
Unterhaltsanspruch nach zivilrechtlichen Kriterien zu bemes-
sen (Prozentmethode). Anschließend wird in einem zweiten             -   Die Anrechnung der Transferleistungen muss von
Schritt nach steuerlichen Kriterien und den Vorgaben des VfGH            Amts wegen (also ohne besonderes Vorbringen)
geprüft, ob und in welchem Ausmaß die Transferleistungen auf             berücksichtigt werden, wenn in einem Unterhalts-
den Unterhalt angerechnet werden müssen. Für die Anrech-                 verfahren, in dem der Unterhaltspflichtige An-
nung ist grundsätzlich der auf den höchsten Einkommens-                  tragsgegner ist, die Voraussetzungen (insbes. der
bereich des Unterhaltspflichtigen angewendete Steuersatz                 Familienbeihilfenbezug des betreuenden Elternteils)
(Grenzsteuersatz) entscheidend.                                          aktenkundig und unstrittig sind. Ist der Unterhalts-
Konkret hat der OGH (vgl. z.B. 6 Ob 44/07z) die Berechnung in            pflichtige hingegen Antragsteller und begehrt eine
folgender Formel zusammengefasst, wobei (nach Schwimann/                 Herabsetzung des Unterhalts, erfolgt eine Anrech-
Kolmasch) seit 2009 zusätzlich auch der Kinderfreibetrag zu              nung nur auf ausdrückliches Vorbringen des Un-
berücksichtigen ist:                                                     terhaltspflichtigen. Jüngere OGH-Entscheidungen
                                                                         verlangen davon abweichend die amtswegige An-
Unterhalt gekürzt = Unterhalt – (Unterhalt x Grenzsteuersatz x           rechnung jedoch auch dann, wenn die Transfer-
0,004) + Unterhaltsabsetzbetrag + Steuerersparnis durch Kin-             leistungen bereits im bestehenden Unterhaltstitel,
derfreibetrag                                                            gegen den sich der Herabsetzungsantrag richtet,
                                                                         berücksichtigt worden sind. Nach § 14 AußStrG ist
In der Praxis findet für die Anrechnung der Transferleistungen           das Gericht in jedem Fall zur Belehrung und Anlei-
auf den Unterhalt ein EDV-Programm Verwendung, das die                   tung eines nicht qualifiziert vertretenen Unterhalts-
Vorgaben des OGH in seiner Berechnungsmethode berück-                    pflichtigen verpflichtet.
sichtigt, und grundsätzlich auf den Jugendämtern und den
Pflegschaftsgerichten (Bezirksgerichten) zur Verfügung steht.        -   Auch wenn der vom Kind beantragte Unterhalt nach
Zur Befüllung der EDV-Maske werden verschiedene zusätzli-                Säumnis des Unterhaltspflichtigen gemäß § 17
che Daten aus dem Einkommensteuerbescheid des Unter-                     AußStrG ohne Anrechnung der Transferleistungen
haltspflichtigen benötigt (z.B. die Steuerbemessungsgrundla-             festgesetzt wurde, kann der Unterhaltspflichtige bei
ge, um den Grenzsteuersatz ermitteln zu können), den dieser              künftigen Unterhaltsbemessungen die Anrechnung
also vorzulegen hat. Im Lauf der Zeit hat der OGH im gege-               verlangen.
benen Zusammenhang verschiedene Klarstellungen getroffen:
2. Anrechnung von Naturalleistungen und überdurchschnittlichen persönlichen Kontakten

     a. Anrechenbare Naturalleistungen
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     Die gerichtliche Unterhaltsbemessung erfolgt aus exekutions-      Folgende Naturalleistungen mit Unterhaltscharakter, sind
     rechtlichen Gründen immer in Geld. Der Zuspruch von „ge-          nach der Rechtsprechung anrechenbar:
     mischtem“ Unterhalt (Geldleistung und Sachleistungen) wird
     als unzulässig abgelehnt, weil Naturalleistungen nicht (wirk-     -   Wohnversorgung des Kindes (Miete, Kreditraten; die
     sam) durchgesetzt werden können.                                      anrechenbare Bedarfsdeckung ist grundsätzlich – unab-
                                                                           hängig davon, ob eine Mietwohnung, eine kreditfinanzierte
     Zulässig ist hingegen eine ausnahmsweise Verminderung                 Wohnung oder eine ausbezahlte Eigentumswohnung zur
     des Geldunterhaltsanspruchs um bestimmte anrechenba-                  Verfügung gestellt wird – mit dem marktüblichen Miet-
     re Naturalleistungen unter bestimmten Voraussetzungen. Zu             zins anzusetzen) bzw. Übernahme von Wohnungsbenüt-
     berücksichtigen sind nur Naturalleistungen mit Unterhalts-            zungskosten (z.B. Betriebskosten, Beiträge zu den Lie-
     charakter, wenn sie also angemessene Kindesbedürfnisse re-            genschaftsaufwendungen und zur Rücklage, Grundsteuer,
     gelmäßig oder für längere Zeit befriedigen. Die Anrechnung ist        Versicherungsprämien, Rundfunkgebühren, Telefon- und
     aber immer auf ein angemessenes Ausmaß zu beschränken,                Internetkosten),
     weil dem Kind ein ausreichender Restunterhalt zur Deckung
     der übrigen Bedürfnisse verbleiben muss. Unerheblich ist, ob      -   anteilige Sozialversicherungsbeiträge,
     die Naturalversorgung durch direkte Erbringung von Leistun-
     gen bzw. Zurverfügungstellung von Sachen erfolgt oder durch       -   Arzt- und Medikamentenkosten,
     Übernahme der dafür nötigen Kosten. Aufwendungen, die
     mehreren unterhaltsberechtigten Personen zugute kommen            -   Schulgeld und Internatskosten,
     (z.B. im Rahmen der Wohnversorgung), sind im Zweifel nach
     Köpfen der Begünstigten aufzuteilen.                              -   sonstige Ausbildungskosten sowie ein
     Bei der Bemessung des laufenden Geldunterhalts muss es                angemessenes Taschengeld,
     sich um regelmäßige bzw. dauernde, längerfristig erwartbare
     Leistungen mit Unterhaltscharakter handeln, wobei jedenfalls      -   Prämien für Krankenzusatzversicherung
     immer die Zustimmung des unterhaltsberechtigten Kindes                (bei überdurchschnittlichen Lebensverhältnissen),
     bzw. (bei Minderjährigen) seines gesetzlichen Vertreters erfor-
     derlich ist, die aber auch schlüssig erteilt werden kann (z.B.    -   Grundsätzlich keinen Unterhaltscharakter (und daher kei-
     Annahme der zur Verfügung gestellten Wohnversorgung). Bei             ne Anrechenbarkeit) haben hingegen vereinzelte Natural-
     rückwirkender Unterhaltsbemessung sind bestimmte in der               leistungen (z.B. gelegentliche Zuwendungen von Kleidung,
     Vergangenheit erbrachte Naturalleistungen mit Unterhaltscha-          Sportausrüstung, Spielzeug, unregelmäßige oder geringe
     rakter (wenn sie also nicht in Schenkungs-, sondern in Ali-           Taschengeldzuwendungen), Verpflegungs- und sonstige
     mentationsabsicht erbracht wurden) auch ohne Zustimmung               Leistungen während üblicher persönlicher Kontakte sowie
     des Kindes bzw. dessen gesetzlichen Vertreters anzurechnen.           Sparbeiträge für das Kind (z.B. Bausparen).

     b. Überdurchschnittliche persönliche Kontakte

     Die Betreuung des Kindes durch den geldunterhalts-                Dem gegenüber hat der OGH in einer jüngeren Entschei-
     pflichtigen Elternteil in dessen Haushalt im Rahmen des           dung (5 Ob 2/12y) die Unterhaltsminderung bei einem
     üblichen Kontaktrechts hat keine Auswirkungen auf die             Betreuungsverhältnis von 4:3 Tagen mit 40 % angesetzt
     Geldunterhaltspflicht. Üblich ist ein Kontaktrecht von 2          und festgehalten, die Reduktion der Alimente um 10 %
     Tagen alle 2 Wochen sowie von 4 Wochen in den Ferien,             pro zusätzlichem Betreuungstag stelle bloß die Unter-
     also etwa 80 Tage pro Jahr. Bei zeitlich darüber hinaus-          grenze dar.
     gehender Mitbetreuung des Kindes durch den geldun-                Ein Geldunterhaltsanspruch des Kindes entfällt nach der
     terhaltspflichtigen Elternteil setzten sich nach der neue-        Judikatur (7 Ob 145/04f; 4 Ob 74/10a) ganz, wenn es
     ren Judikatur des OGH (8 Ob 62/04g, 10 Ob 11/04x)                 im Durchschnitt von beiden Elternteilen im gleichen Aus-
     zunächst Pauschalabzüge durch. Konkret in Höhe von                maß Betreuung und bedarfsdeckende Naturalunterhalts-
     10 % pro wöchentlichem Betreuungstag, der über das                leistungen erhält und beide Elternteile annähernd gleich
     übliche Kontaktrecht von durchschnittlich 1 Tag pro Wo-           viel verdienen. Ansonsten steht dem Kind weiterhin ein
     che hinausgeht. Die dadurch maximal mögliche Kürzung              Restgeldunterhaltsanspruch gegen den leistungsfähige-
     des Geldunterhalts beliefe sich damit an sich auf 20 %            ren und/oder weniger betreuenden Elternteil zu. In einer
     (aufgrund des gesetzlich geforderten „hauptsächlichen             jüngeren Entscheidung (4 Ob 16/13a) sah der OGH bei
     Aufenthalts“ bzw. der „hauptsächlichen Betreuung“ des             der Bewertung der „Gleichheit“ von Betreuungsausmaß
     Kindes bei einem Elternteil [vgl. § 177 Abs. 2 und § 179          und Einkommen Unterschiede bis zu einem Drittel als
     Abs. 2 ABGB] ist höchstens ein Betreuungsverhältnis von           vernachlässigbar an.
     4:3 Tagen zulässig).
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