E-Partizipation im Open-Government-Kontext
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23. April 2012 -Fachbereich Public Management- Schriftliche Ausarbeitung Bachelor - Thesis Erstprüferin: Frau Prof. Dr. Birgit Menzel Zweitprüferin: Frau Renate Mitterhuber E-Partizipation im Open-Government-Kontext: Bedarf es im Zuge des Wandels der Beziehung zwischen Bürgerinnen und Bürgern und öffentlicher Verwaltung einer Veränderung der Verwaltungskultur? Vorgelegt von: Kuhlmann, Kristof Studiengruppe: RIA 09 z Abgabetermin: 24. April 2012
I E-Partizipation im Open-Government-Kontext: Bedarf es im Zuge des Wandels der Beziehung zwischen Bürgerinnen und Bürgern und öffentlicher Verwaltung einer Veränderung der Verwaltungskultur? Inhaltsverzeichnis: 1. Einleitung 1 2. Open Government 4 2.1 Die Öffnung von Staat und Verwaltung 4 2.2 Die Entwicklung des Open-Government-Gedankens 6 2.3 Die Rolle des Web 2.0 7 2.4 Die Leitgedanken der Open-Government-Idee 9 2.4.1 Transparenz 9 2.4.2 Partizipation 10 2.4.3 Kollaboration bzw. Kooperation 11 2.5 Chancen und Herausforderungen von Open Government 12 2.6 Grenzen von Open Government 13 3. E-Partizipation 14 3.1 Elektronische Partizipation 15 3.2 Begriffliche Abgrenzung: E-Government, E-Democracy, E-Partizipation 15 3.3 Partizipationsformen im Beteiligungsdreieck 16 3.4 Entwicklung und Stand von E-Partizipation in Deutschland 19 3.5 Online-Konsultationen 20 3.6 Grundlagen erfolgreicher elektronischer Partizipationsmöglichkeiten 21 3.6.1 Bevölkerungsinteresse an Partizipationsmöglichkeiten 22 3.6.2 Internetzugang und -nutzung 22 3.6.3 Doppelter Medienmix 23 3.7 Chancen und Risiken von E-Partizipation 23
II 4. Verwaltungskultur und organisationskultureller Wandel 26 4.1 Der Verwaltungskulturbegriff 27 4.1.1 Grundlegende Begrifflichkeiten 27 4.1.2 Die Entwicklung des Verwaltungskulturbegriffs 28 4.1.3 Die Definition des Verwaltungskulturbegriffs 30 4.1.4 Verwaltungskultur als Organisationskultur 32 4.2 Die Verwaltungskultur in Deutschland 33 4.2.1 Die Verwaltungskultur zwischen Bürokratie und Moderne 34 4.2.2 Notwendigkeit eines Verwaltungskulturwandels 36 4.3 Die Rolle der Verwaltungskultur in der Modernisierungsdebatte 40 4.4 Die Bedeutung des Phänomens der Organisationskultur 41 4.5 Organisationskultureller Wandel 42 4.6 Wandelfähigkeit der öffentlichen Verwaltung 45 5. Fazit 47 Quellenverzeichnis III Anlagenverzeichnis XII Dienstliche Einzelerklärung XIII
1 1. Einleitung Die Art und Weise wie Entscheidungen und Planungen im politisch-administrativen System getroffen werden erscheint den Menschen häufig nicht nachvollziehbar. Die Bürgerinnen und Bürger werden mit gefällten Entscheidungen konfrontiert, die auf für sie intransparenten Wegen zustande gekommen sind und auf die sie keinen bzw. kaum Einfluss nehmen konnten. Aufgrund der weitgehenden Ausgrenzung der Bevölkerung bei öffentlichen Planungs- und Entscheidungsvorhaben sind viele Bürgerinnen und Bürger frustriert von Politik und Verwaltung. Dies ist nicht zuletzt auch durch die öffentlichen Protestbewegungen der Bürgerinnen und Bürger in jüngster Vergangenheit, wie bspw. gegen die Planungen des Baus des Stuttgarter Kopfbahnhofes S21 oder die Verhandlungen über das sogenannte Acta-Abkommen, hierzulande deutlich geworden. Die Strukturen und Prozesse innerhalb des politisch-administrativen Systems erscheinen Außenstehenden oft undurchsichtig und schwer nachvollziehbar. Speziell die öffentliche Verwaltung hat das Image einer verschlossenen, starren und nach innen gerichteten Institution, die nur wenige Einblicke in ihr Innenleben gewährt. Aufgrund des Wunsches der Bevölkerung nach Transparenz in und Teilhabe an öffentlichen Entscheidungsprozessen rückt zunehmend eine neue Idee staatlichen Handelns in den Fokus des öffentlichen Diskurses, die unter der Bezeichnung „Open Government“ bekannt geworden ist. Dieser Sammelbegriff beinhaltet verschiedene Strömungen und Tendenzen, die auf eine Öffnung des Staates gegenüber der Bevölkerung und der Wirtschaft durch mehr Transparenz, Partizipation und Kollaboration drängen. Die Open-Government-Idee könnte das Verständnis staatlichen Handels grundlegend verändern, ist jedoch bisher zumindest in Deutschland noch eher theoretischer Natur.1 Das Element der stärkeren Partizipation der Bürgerinnen und Bürger an öffentlichen Entscheidungsprozessen ist das demokratischste der Open-Government-Elemente. Bürgerinnen und Bürger sollen nicht länger einfach mit bereits gefällten Entscheidungen konfrontiert, sondern in den Entscheidungsprozess mit eingebunden werden. Im Zuge dieser Entwicklung einer stärkeren bürgerlichen Teilhabe spielt auch das Internet in Form des Web 2.0, des sogenannten „Mitmachnetzes“, eine wichtige Rolle. Es hat die Kommunikations- und Informationsgewohnheiten der Menschen 1 Vgl. Bundesministerium des Innern 2012
2 bereits grundlegend verändert und bietet eine Vielzahl neuer Vernetzungs- und 2 Interaktionsmöglichkeiten. Auch im Rahmen der politischen Partizipation der Bürgerinnen und Bürger spielt das Internet als neue Austauschplattform im politischen Diskurs eine immer wichtiger werdende Rolle. Im Kontext dieser Entwicklung soll speziell die sogenannte elektronische Partizipation in dieser Arbeit detaillierter erläutert werden. Die digitale, vernetzte (Wissens-) Gesellschaft wird das Verständnis staatlichen Handels in Zukunft maßgeblich wandeln. So schrieb „Die Zeit“ im März dieses Jahres: „Die Demokratie der digitalen Gesellschaft wird eine andere sein. Öffentlichkeit, Teilhabe, Legitimation – alle Gewissheiten der alten Welt sind infrage gestellt. Alle Institutionen müssen sich verändern. Und sie werden sich verändern.“3 Eine dieser demokratischen Institutionen ist die öffentliche Verwaltung als Teil der Exekutive. Das Open-Government-Konzept umfasst einen ganzheitlichen Wandel verschiedener Systeme des politisch-administrativen Apparates. Die Verwaltung ist nur eines der Teilsysteme dieses Apparates, das mit Veränderungen konfrontiert werden wird. 4 Dennoch soll lediglich die öffentliche Verwaltung und die Folgen der oben beschriebenen Veränderungen auf die Verwaltungskultur im Fokus dieser Arbeit stehen. Durch eine stärkere Beteiligung der Bevölkerung und der Wirtschaft wird sich die Beziehung zwischen öffentlicher Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern maßgeblich verändern. Die Bürgerinnen und Bürger werden zu Partnerinnen und Partnern der Verwaltung, die an öffentlichen Entscheidungsprozessen teilhaben und diese beeinflussen können. Um die Auswirkungen dieser Entwicklung im Rahmen von Open Government und elektronischen Partizipationsmöglichkeiten auf die Verwaltungskultur untersuchen und die Frage eines möglicherweise notwendigen Kulturwandels beantworten zu können, wird zunächst das Open-Government-Konzept untersucht. Die Open-Government- Entwicklung steht ebenso wie der Forschungsstand noch am Anfang. Daher ist es interessant aufzuzeigen, wie diese Idee das Verständnis staatlichen Handelns verändern kann. Anschließend wird vertieft der Aspekt der elektronischen Partizipation und die 2 Vgl. Schulze-Wolf 2007: 8 3 Alvares De Souza Soares 2012: 3 4 Vgl. Schlechter 2009: 221
3 daraus entstehenden Veränderungen für das Handeln der öffentlichen Verwaltung dargestellt. E-Partizipation ist bereits Bestandteil der politischen Diskussion in Deutschland, bildet aber noch immer ein relativ junges Forschungsfeld.5 Nachdem die Grundlagen dieser Entwicklungen herausgestellt wurden, wird zunächst definiert, was unter dem Begriff der Verwaltungskultur genau zu verstehen und wie diese in Deutschland ausgeprägt ist. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wird dann untersucht, inwieweit die in Deutschland vorherrschende Verwaltungskultur mit dem neuen Verständnis der Bürgerinnen und Bürger als Partnerinnen und Partner der öffentlichen Verwaltung kompatibel ist. Anschließend sollen die Bedeutung der Verwaltungskultur für Modernisierungs- bzw. Reformvorhaben und die Chancen eines gezielten organisationskulturellen Veränderungsprozesses in der öffentlichen Verwaltung herausgestellt werden. Zum Ende der Arbeit werden die Ergebnisse in einem Fazit zusammengefasst, abschließend bewertet und ein Ausblick gegeben, wie die Verwaltungskultur in Zukunft ggf. gestaltet werden könnte. Rechtliche und technische Aspekte der beschriebenen Entwicklungen sollen im Rahmen dieser Arbeit nicht betrachtet werden. 5 Vgl. Kuhn 2006: 30
4 2. Open Government In den letzten Jahren befasste sich Public Management vor allem mit der Reform des Haushaltswesens und der damit verbundenen neuen, ergebnisorientierten Verwaltungssteuerung. Aktuell bildet sich jedoch ein neuer Schwerpunkt in der Public- Management-Diskussion, das Thema „Open Government“ rückt zunehmend in den Vordergrund. Weltweit werden Strategien und Konzepte entwickelt, um die Chancen und Herausforderungen für eine systematische Öffnung des Staates gegenüber der Bevölkerung und der Wirtschaft aufzuzeigen. So hat bspw. auch hierzulande das Bundesministerium des Innern in jüngster Zeit eine Studie in Auftrag gegeben, die „die Grundlage für den weiteren Ausbau von Open Government und Open Data in Deutschland“ schaffen soll.6 Die Entwicklung von Open-Government-Strategien steckt, zumindest in Deutschland, noch in einer frühen Phase und es ist interessant die aktuellen Entwicklungen zu beobachten. Das häufig in der Diskussion um Open Government auftauchende Thema Open Government Data, welches sich mit der Veröffentlichung und Nutzbarmachung staatlicher Datenbestände für Bevölkerung und Wirtschaft befasst, wird im Rahmen dieser Arbeit nicht behandelt. 2.1 Die Öffnung von Staat und Verwaltung Die Bezeichnung „Open Government“ hat sich im angelsächsischen Raum für den Grundgedanken einer Öffnung von Staat und Verwaltung gegenüber der Bevölkerung und der Wirtschaft weitgehend durchgesetzt. 7 Der Begriff wird in der öffentlichen Diskussion für verschiedene Strategien und Konzepte als eine Art Sammelbegriff verwendet und selten ausreichend abgegrenzt und definiert. Zu diesen Strategien und Konzepten zählen u. a. Schlagwörter wie Offenheit, Open Data, Linked Open Government, Government 2.0, offene Staatskunst, Transparenz 2.0, Partizipation 2.0, Kollaboration 2.0, offene Innovationen, Öffnung der Gesellschaft, offene Gesellschaft und weitere Überlegungen zu freien Daten sowie offenen Standards, offenen Schnittstellen, quell‐offener Software und offener Kommunikationssysteme.8 6 Vgl. Bundesministerium des Innern 2012 7 Vgl. von Lucke 2010: 2 8 Vgl. Hill 2011: 58; vgl. von Lucke 2010: 3; vgl. Parycek / Schoßböck 2010: 5
5 All diese einzelnen Ansätze und Konzepte und ihre jeweiligen Schwerpunkte zu erläutern, sprenge den Rahmen dieser Arbeit und ist im Sinne der Fragestellung auch nicht erforderlich. Es reicht aus, ein allgemeines Verständnis der grundlegenden, gemeinsamen von den o. g. Ansätzen geteilten Idee der Open-Government-Bewegung darzustellen. Ganz allgemein bedeutet Open Government die behutsame, systematische Öffnung staatlicher Verwaltungs- und Entscheidungsprozesse durch Transparenz, Partizipation und Kollaboration gegenüber Dritten. 9 Das bedeutet nicht weniger, als dass die öffentliche Verwaltung die Bevölkerung und die Wirtschaft besser über ihr Handeln informieren, stärker in ihr Handeln integrieren bzw. an Entscheidungen beteiligen und in Teilen sogar mit Dritten zusammenarbeiten soll. Dies stellt einen kulturellen Wandel im öffentlichen Sektor dar, „der durch ein neues partnerschaftliches Verhältnis zum Bürger geprägt ist.“10 Durch die im Rahmen der Öffnung entstehende Transparenz über das Regierungs- und Verwaltungshandeln können neue Partizipations- und Kollaborationsmöglichkeiten entstehen, die es ermöglichen sollen, das in der Gesellschaft verstreute Wissen zu bündeln und in staatliche Entscheidungsprozesse einfließen zu lassen. Die Bürgerinnen und Bürger werden von passiven Entscheidungsempfängerinnen und -empfängern zu aktiven Miterstellerinnen bzw. Miterstellern staatlicher Entscheidungen und Leistungen. Sie entwickeln sich von Konsumentinnen und Konsumenten zu sog. Prosumentinnen bzw. Prosumenten, konsumieren und produzieren staatliche Leistungen also gleichzeitig und können Innovations- und Entscheidungsprozesse im öffentlichen Sektor beeinflussen.11 „Open Government ist keine Frage der Technik, sondern der Kultur.“12 Es handelt sich um ein neues, offenes Verständnis staatlichen Handelns. Die Beziehung zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und der öffentlichen Verwaltung wird dadurch grundlegend verändert. Die Bürgerinnen und Bürger sollen nicht länger nur Kundinnen und Kunden oder gar Bittstellerinnen und Bittsteller in den Augen der Verwaltung darstellen, sondern gut informierte und beteiligte Partnerinnen und Partner, deren Ideen, Meinungen und Erfahrungen Gehör finden, wertgeschätzt und in Entscheidungsprozesse einbezogen werden sollen. Durch diesen Prozess der Wissensbündelung und 9 Vgl. Kurp 2011 10 von Lucke 2010: II 11 Vgl. Geiger 2010: 19 f. 12 Mitterhuber 2011
6 Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger kann die Qualität staatlicher Entscheidungen gesteigert werden. Die Grundpfeiler des Open-Government-Ansatzes: Transparenz, Partizipation und Kollaboration werden im Folgenden noch detaillierter dargestellt, doch zunächst soll die Entwicklung der Open-Government-Idee und die Rolle des Internets, in Form des sog. Web 2.0, aufgezeigt werden. 2.2 Die Entwicklung des Open-Government-Gedankens Häufig wird Barack Obama als Begründer oder zumindest als treibende Kraft der Open-Government-Bewegung genannt.13 Obama forcierte in seinem „Memorandum for the Heads of Executive Departments and Agencies“ die Schaffung einer Open-Government-Kultur in der US-Verwaltung durch eine Öffnung des politisch-administrativen Systems. Dieses sollte transparent, partizipativ und kollaborativ ausgerichtet sein und so durch eine völlig neue Offenheit im eigenen Handeln, das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen.14 Auf diesem Wege definierte Obama die drei Säulen unseres heutigen Verständnisses von Open Government. Die Idee von mehr Offenheit und Transparenz im staatlichen Handeln ist nicht neu und wurde schon früher im Rahmen der Open-Access- und Open-Source-Bewegungen verwendet. Ebenso wurde auch der Open-Government-Begriff bereits in den 1950er Jahren verwendet, aber dennoch kann die Open-Government-Direktive Obamas als Trendlinie bezeichnet werden. Erstmals wurde auf höchster Ebene ein Regierungskonzept mit dem Fokus auf einer weitreichenden Öffnung des politisch- administrativen Systems und der Stärkung der Demokratie, durch Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit zwischen Staat, Bevölkerung und Wirtschaft propagiert und umgesetzt.15 Seither haben sich im Rahmen der Staats- und Verwaltungsmodernisierung eine Vielzahl von Open-Government-Initiativen weltweit gebildet, welche mehr oder 16 weniger weit fortgeschritten sind. Eine ganzheitliche Umsetzung von Open Government findet jedoch bisher nur in Ansätzen statt und die meisten 13 Vgl. Prorok / Krabina 2011: 7 14 Vgl. Obama 2009 15 Vgl. Parycek / Schoßböck 2010: 5 16 Vgl. Hill 2011: 58 f.
7 Open-Government-Initiativen befinden sich weltweit noch im Experimentierstadium, was neben technischen, vor allem durch organisatorisch-kulturelle Hürden, u. a. auch in der öffentlichen Verwaltung, begründet werden kann.17 Es gibt einige Staaten, wie bspw. die USA oder England, die der Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung und Implementierung von Open-Government- Strategien voraus sind. Doch auch in Deutschland gibt es eine Vielzahl von aktiven, gut vernetzten Initiativen, die versuchen einen solchen Wandel voranzutreiben und sich für die Öffnung von Staat und Verwaltung einsetzen. Neben vielen nicht staatlichen Interessengemeinschaften und den vereinzelten Aktivitäten diverser Kommunen und Länder in Deutschland sind insbesondere die Open-Government-Bemühungen der Bundesregierung erwähnenswert. Der Bund plant zusammen mit den Ländern bis zum Jahr 2013 eine gemeinsame einheitliche Open-Government-Strategie für offenes Regierungshandeln zu erarbeiten18 und in Form einer „zentral zugängliche[n] Plattform für Open Government und Open Data von Bund und Ländern“ umzusetzen.19 2.3 Die Rolle des Web 2.0 Im Rahmen von Open Government spielt das Internet eine wichtige Rolle. Es entwickelte sich seit seinen Anfängen Ende der 1960er Jahre zu einem festen Bestandteil des heutigen alltäglichen Lebens der Menschen auf der ganzen Welt und wurde zu einem einflussreichen Faktor für Innovationen und Veränderungen in der Gesellschaft.20 Diente es vor allem zu Beginn als Plattform zur Veröffentlichung von diversen Inhalten, zeichnet es sich heute durch neue Interaktions- und Kommunikationsformen aus, die es den Internetnutzerinnen und -nutzern ermöglichen Daten im Internet nicht nur abzurufen, sondern selbst zu erstellen, zu bearbeiten oder zu verarbeiten. Das infolge dieses Prozesses „der aktiven Integration der Nutzer in das World Wide Web“21 entstandene und sich laufend weiterentwickelnde Medium, welches durch mehr Nutzerbeteiligung, Offenheit und Vernetzungseffekte gekennzeichnet ist, kann 17 Vgl. Klessmann 2011: 3; vgl. auch Kurp 2011 18 Vgl. Bunderegierung 2010: 58 19 Vgl. Bundesregierung 2012 20 Vgl. Graudenz u.a. 2010: 14 21 Roggenkamp 2010: 39
8 zusammenfassend als Web 2.0 verstanden werden.22 Aufgrund dieser Interaktivität wird das Web 2.0 häufig auch als „Mitmach-Netz“ bezeichnet. Die Online-Technologien, Anwendungen und Methoden des Web 2.0, die den gegenseitigen Austausch von Inhalten, Meinungen, Eindrücken, Erfahrungen, Ideen usw. zwischen verschiedenen Menschen unterstützen, werden als Social Media bezeichnet. Zu diesen Anwendungen, die sich durch eine relativ einfache Bedienung auszeichnen, was sie einer breiten Masse von Nutzerinnen und Nutzern zugänglich macht, zählen u. a. Blogs, Foren, Podcasts, Lifestreams, Bookmarks, Netzwerke, Communities oder Wikis.23 Durch diese wechselseitigen Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten bieten das Web 2.0 und die damit verbundenen Sozialen Medien, auch im Rahmen von Open Government, umfangreiche neue Gelegenheiten für transparente, partizipative und kollaborative Ansätze zur Verwaltungsmodernisierung. Der Zusammenhang dieser technologischen Entwicklung und der Weiterentwicklung des öffentlichen Sektors im Open-Government-Kontext lässt sich nicht bestreiten und wurde im Jahr 2010 von der spanischen EU-Präsidentschaft im Strategiepapier „Spanish Proposal for a digital Europe – The Granada Strategy“ folgendermaßen zusammengefasst: „Open Government, based on the principles of transparency, participation and collaboration and characterized by the establishing of communication channels and direct contact between the public sector and citizens, may be the initiative that promotes their transformation in coming years. […] Cultural changes must be made in order to ensure that the public sector becomes an open organization, simplifying these for citizens; in the organization, focusing it on new requirements; and in communication channels, converting them into 24 electronic.“ Das „Mitmach-Netz“ in Verbindung mit Social Media ist ein fester Bestandteil der Open-Government-Bewegung und des Wandels der einfachen Konsumentinnen und Konsumenten zu Prosumentinnen und Prosumenten. Die Verwendung sozialer Medien wird diese Entwicklung auch in den öffentlichen Sektor tragen. 22 Vgl. Kaczorowski 2008: 132 23 Vgl. Freie und Hansestadt Hamburg 2012: 6 24 Ministerio de Industria, Turismo y Comercio 2010: 26 f.
9 Die neuen interaktiven, kollaborativen Technologien des Internets, die sich immer weiter in der Gesellschaft verankern, gepaart mit dem neuen Verständnis staatlichen Handels werden den kulturellen Wandel im politisch-administrativen Bereich in den kommenden Jahren maßgeblich mitbestimmen.25 2.4 Die Leitgedanken der Open-Government-Idee Wie bereits erwähnt, zeichnet sich das Open-Government-Konzept durch die drei Grundpfeiler Transparenz, Partizipation und Kollaboration aus. Diese Kerngedanken bilden das Fundament des Open-Government-Verständnisses und sollen im Folgenden noch einmal detailliert dargestellt werden. 2.4.1 Transparenz Nach Obama sollen Regierung und Verwaltung transparent sein, was zum einen das eigene Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein stärken und zum anderen der Bevölkerung und der Wirtschaft das staatliche Handeln durch umfassende Information nachvollziehbar machen soll. 26 Der Staat kann, durch die Veröffentlichung von Informationen, Rechenschaft über sein Handeln ablegen, den Bürgerinnen und Bürgern auf diesem Wege die Kontrolle staatlichen Handelns ermöglichen und sein Handeln für Dritte verständlich machen. Außerdem wird häufig auch der Open-Government-Data- 27 Ansatz mit dem Transparenzgedanken von Open Government verbunden. In Anbetracht der Fragestellung und des Umfangs dieser Arbeit soll das Thema Open Government Data jedoch, wie bereits erwähnt, nicht weiter untersucht werden. Dennoch betonen die Grundprinzipien von Open Government die Bedeutung der Bereitstellung von Informationen für Bevölkerung und Wirtschaft. Ohne die Schaffung von Transparenz im politisch-administrativen System, in Form breiter Information, fehlt das Fundament für mehr Partizipation und Kooperation.28 Können die Bürgerinnen und Bürger sich nicht in ausreichendem Maße über öffentliche Meinungsbildungs-, Abwägungs- und Entscheidungsprozesse in Politik und Verwaltung informieren und diese Prozesse überwachen, wären die Möglichkeiten für eine aktive Partizipation oder 25 Vgl. Klessmann 2011: 2; vgl. auch Graudenz u.a. 2010: 2 f. 26 Vgl. Obama 2009 27 Vgl. Rozman 2011: 89 ff. ; vgl. auch Hill 2011: 59 28 Vgl. Parycek / Schoßböck 2010: 5
10 Zusammenarbeit nicht gegeben oder zumindest stark eingeschränkt. Das Handeln der öffentlichen Verwaltung und der Regierung wird in diesem Sinne durch die Veröffentlichung staatlicher Information nachvollziehbar für Außenstehende und macht Entscheidungen zudem besser vergleichbar. 29 2.4.2 Partizipation Durch den verbesserten Zugang zu Informationen im transparenten Regierungs- und Verwaltungshandeln können die Bürgerinnen und Bürger staatliche Handlungen und Entscheidungen besser nachvollziehen und kontrollieren. Hierdurch wiederum ergeben sich bessere Möglichkeiten der Partizipation für die Bevölkerung und die Wirtschaft. Partizipation meint dabei die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft in staatliche Willensbildungs-, Planungs- und Entscheidungsprozesse. Die Effektivität staatlichen Handels und die Qualität staatlicher Entscheidungen können verbessert werden, indem die Menschen auf solche Entscheidungsprozesse, die sie selbst betreffen, aktiv beratend oder auch mitentscheidend Einfluss nehmen können. Auf diese Weise kann nicht nur das Wissen einiger weniger involvierter Akteure genutzt, sondern das breite, gestreute Wissen der Allgemeinheit in öffentliche Planungs- und Entscheidungsprozesse einbezogen werden. 30 Der dadurch entstehende Dialog zwischen Bevölkerung, Wirtschaft, Politik und Verwaltung kann in Verbindung mit der stärkeren Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an der politischen Willensbildung die Akzeptanz und Legitimation staatlichen Handelns erhöhen. Hierbei bietet auch das Internet neue umfangreiche Wege zur Teilhabe.31 Die Möglichkeiten der elektronischen Partizipation werden noch unter dem Punkt „E-Partizipation“ detaillierter dargestellt. Im Gegensatz zu Transparenz und Kollaboration ist der Ansatz der Partizipation in Deutschland bereits weiter verbreitet und besser etabliert. So wurden bspw. bereits eine ganze Reihe von Bürgerhaushalten und anderer Partizipationsverfahren in ganz Deutschland initiiert.32 29 Vgl. Prorok / Krabina 2011: 9 30 Vgl. von Lucke 2010: 2; vgl. auch Rozman 2011: 92 31 Vgl. Parycek / Schoßböck 2010: 7 32 Vgl. Graudenz u.a. 2010: 28
11 2.4.3 Kollaboration bzw. Kooperation Kollaboration wird aufgrund der teilweise negativen Konnotation dieses Begriffs häufig bevorzugt als Kooperation oder Zusammenarbeit bezeichnet. In dieser Arbeit werden diese Begriffe synonym verwendet. Im Open-Government-Kontext bildet die Kollaboration eine neue Dimension im Verhältnis zwischen öffentlichem und privatem Sektor, welches durch eine verstärkte offene Zusammenarbeit verschiedener Akteure geprägt ist. Diese Zusammenarbeit beinhaltet auch die ebenen- und körperschaftenübergreifende Kooperation verschiedener Verwaltungen untereinander.33 Ziel der verstärkten Kollaboration unterschiedlicher Stellen ist es, Wissen und Ressourcen zu bündeln, um zukünftige staatliche Herausforderungen, u. a. angesichts der angespannten staatlichen Haushaltslage, besser bewältigen zu können. In diesem Zusammenhang wird Open Government auch häufig als Plattform beschrieben, auf der sich Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und staatliche Organe auf Augenhöhe begegnen und in Form offener Prozessketten in neuen Konstellationen zusammenarbeiten können.34 Auch hier bietet das Web 2.0 großes Potenzial für neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Das wohl bekannteste Beispiel für eine solche webbasierte Kollaboration stellt das Projekt „Peer to Patent“ aus den USA dar. Hierbei bat die US-Patentbehörde, aufgrund einer immer weiter anwachsenden Arbeitsbelastung und dadurch entstandener Rückstände, in einem zweijährigen Pilotprojekt Bürgerinnen und Bürger als freiwillige Expertinnen und Experten um Unterstützung bei der Beurteilung von Patentanträgen. Die Freiwilligen konnten die eingereichten Patentanträge über das Internet einsehen und anschließend frei recherchieren, ob diese über den aktuellen Stand der Wissenschaft hinausgingen und somit patentierbar waren. Die so gesammelten Informationen stellten die Nutzerinnen und Nutzer den Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeitern zur Verfügung. Diese konnten dann entscheiden, ob sie die gesammelten Informationen nutzen wollten oder nicht. Anschließend fällten sie die endgültigen Entscheidungen über die Patentanträge. Das Projekt wurde nach Abschluss von beiden Seiten sehr positiv bewertet und ist ein gutes Beispiel dafür, wie neue Kollaborationsformen in der öffentlichen Verwaltung umgesetzt werden können.35 33 Vgl. Prorok / Krabina 2011: 8; vgl. auch von Lucke 2010: 2 34 Vgl. Hill 2011: 59 f. 35 Vgl. Klessmann 2010: 182 ff.
12 2.5 Chancen und Herausforderungen von Open Government Die öffentliche Debatte um Open Government, also die Öffnung des Staates gegenüber Bevölkerung und Wirtschaft, ist häufig von großem Enthusiasmus geprägt. Private Initiativen preisen Open Government als eine Art Allheilmittel für das Verhältnis zwischen Bevölkerung, Wirtschaft und Staat. Um diesen Eindruck zu hinterfragen, sollen im Folgenden die Chancen, aber auch die Herausforderungen bei der Umsetzung der Open-Government-Idee aufgezeigt werden. Open Government bietet eine Vielzahl von Chancen zur Gestaltung eines besseren Verhältnis zwischen Staat, Bürgerschaft36 und Wirtschaft durch verstärkte Transparenz, umfassendere Partizipation und engere Zusammenarbeit. Durch die Ausgestaltung dieser Grundgedanken und eine bessere wechselseitige Kommunikation und Interaktion kann das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die staatlichen Organe verbessert werden. 37 Dies wiederum kann eine stärkere Einbringung und Mobilisierung der Bürgerinnen und Bürger in öffentliche Entscheidungsprozesse bewirken. 38 Auch für den Staat bietet dieser Prozess enorme Potenziale. So kann Partizipation infolge von Transparenz zu besseren administrativen Entscheidungen führen und Innovationen in der Verwaltung anstoßen. Die breite Masse kann mit ihrem Wissen die öffentliche Verwaltung, vor allem im Kontext der angespannten Haushaltslage und begrenzter Ressourcen, entlasten und die Effizienz staatlichen Handelns steigern. Völlig neue Kooperationsformen sind denkbar, von denen die gesamte Gesellschaft profitieren könnte.39 Doch ebenso gibt es eine Vielzahl von Herausforderungen für eine Öffnung des Staates. Es mangelt an einem einheitlichen Verständnis von Open Government. Für die Realisierung der Open-Government-Idee muss zunächst feststehen, was genau unter dem Begriff zu verstehen ist. Es gibt noch keine umfassende Strategie in Deutschland für die Umsetzung einer solchen Reform staatlichen Handelns. Der Umgang mit einer so transparenten, partizipativen und kooperativen Form der Staatsführung beinhaltet viele Risiken, wie bspw. die Gefahr der Korruption oder des Missbrauchs von Informationen. In Verwaltung und Politik kann es infolge des neuen 36 Anmerkung: Im Sinne dieser Arbeit wird der Begriff der Bürgerschaft als die Gesamtheit aller Bürgerinnen und Bürger verstanden. 37 Vgl. Lenz / Mueller 2010: 151 38 Parycek / Schoßböck 2010: 10 39 Vgl. von Lucke 2010: 20
13 Rollenverständnisses und der Einschränkung bzw. Neuinterpretation verschiedener Kompetenzen zu erheblichen Widerständen gegen eine mögliche Reform kommen.40 Wird der Ansatz nur zum Schein umgesetzt und die Bürgerinnen und Bürger nicht wirklich in das staatliche Handeln eingebunden, kann es außerdem zu einer verstärkten Resignation der Bevölkerung in Bezug auf Politik und Verwaltung kommen. 41 Des Weiteren besteht die Gefahr, dass relativ kleine, sehr engagierte Gruppen Entscheidungen überdurchschnittlich stark beeinflussen oder neue Partizipationsangebote ggf. instrumentalisieren können, um eigene partikuläre Interessen durchzusetzen. Außerdem besteht bei verstärkt webbasierten Ansätzen stets die Gefahr der digitalen Spaltung, also einer Abkopplung bzw. Ausgrenzung von Bevölkerungsgruppen, die das Internet nicht oder in sehr geringem Maße nutzen. 42 Aus diesem Grund müssten stets auch nicht internetbasierte Möglichkeiten der Information und Teilhabe angeboten werden. 2.6 Grenzen von Open Government Open Government bietet also eine Vielzahl von Chancen für eine umfassende Reform des staatlichen Handelns, aber ebenso gibt es eine Vielzahl von Hürden, die überwunden werden müssten. Bevor ein solcher Wandel begonnen werden kann, gilt es jedoch zu klären, wo die Open-Government-Idee an ihre Grenzen stößt. Die Gesellschaft muss im öffentlichen Diskurs erst noch bestimmen, wo die Grenzen des Transparenz-, Partizipations- und Kooperationsprinzips für sie liegen. Im Dialog aller gesellschaftlichen Gruppen muss ein für alle akzeptables Maß an Öffnung entwickelt und laufend angepasst werden. Dabei muss sich die Gesellschaft fragen, inwieweit Staats‐, Amts‐ und Dienstgeheimnisse bewahrt werden müssen, damit nicht durch zu viel Öffentlichkeit und Transparenz möglicherweise Schäden entstehen können. Im Zuge einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen staatlichen Organen und Dritten muss vor allem stets die Unabhängigkeit staatlicher Stellen gewährleistet bleiben. 40 Vgl. von Lucke 2010: 24 41 Vgl. Kurp 2011 42 Vgl. Graudenz u.a. 2010: 28
14 Ebenso müssen die Auswirkungen umfassender Partizipationsmöglichkeiten beachtet werden. Die Rollen der Volksvertretungen, Parteien, Regierungen und auch der öffentlichen Verwaltung werden sich im Rahmen einer systematischen Öffnung des Staates verändern, wobei mit Widerständen verschiedener politischer und gesellschaftlicher Gruppen und Institutionen zu rechnen ist.43 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Diskussion um Open Government häufig sehr ideell geführt wird und zum Teil von bestimmten Interessengruppen beeinflusst wird, die mit ihrem Engagement auch eigene Ziele fokussieren. Dennoch bietet eine ausgereifte Open-Government-Strategie, die ein für alle betroffenen Akteure der Gesellschaft angemessenes Ausmaß der Öffnung von Regierung und Verwaltung verfolgt und deren Grenzen klar definiert sind, weitreichende Potenziale für eine Reform der öffentlichen Verwaltung und eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Staat, Bevölkerung und Wirtschaft. Vor allem die Möglichkeiten des Web 2.0 werden in Zukunft zu weiteren neuen Mischformen direkter und indirekter Demokratie führen und die Entwicklung maßgeblich beeinflussen. In diesem Zusammenhang sollen im Folgenden elektronische Partizipationsformen genauer dargestellt werden. 3. E-Partizipation Die Verwaltungsmodernisierungsdebatte wurde in den letzten Jahren, wie bereits beschrieben, zunehmend vom Open-Government-Trend bestimmt. In diesem Kontext spielt das Thema Partizipation, als demokratischstes Element der Open-Government- Strategie eine entscheidende Rolle. Die Einbeziehung von Dritten in Verwaltungsprozesse und die Mitwirkung an politisch-administrativen Planungs- und Entscheidungsprozessen sind ein wichtiger Bestandteil des neuen Verständnisses der Beziehung zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung. Hier bietet vor allem das Internet neue Möglichkeiten und Verfahren zur Beteiligung, welche unter dem Begriff E-Partizipation zusammengefasst werden. 43 Vgl. von Lucke 2010: 20
15 3.1 Elektronische Partizipation Der Begriff E-Partizipation ist eine Abkürzung für elektronische Partizipation und umfasst zunächst die Begriffe „elektronisch“ und „Partizipation“. Partizipation wird dabei als „Teilhabe von natürlichen und juristischen Personen und ihren Gruppierungen an Prozessen der Willensbildung und Entscheidungsfindung in Politik und Verwaltung“44 verstanden. Handelt es sich bei den natürlichen Personen um Bürgerinnen und Bürger, wird häufig auch von Bürgerbeteiligung gesprochen, wobei der Begriff „Beteiligung“ voraussetzt, dass institutionelle Verfahren staatlicher Organe vorhanden sind, die eine beabsichtigte Beteiligung der Bürgerschaft zum Ziel haben. Partizipationsverfahren können auf verschiedenen Verwaltungsebenen stattfinden und werden in formelle und informelle Verfahren unterschieden. Formell bedeutet, dass es sich um standardisierte, gesetzlich fixierte Verfahren handelt und informell, dass die Verfahren grundsätzlich frei gestaltet werden können, wobei sich auch hier bestimmte Muster abgebildet haben.45 „Elektronisch“ bezieht in diesem Zusammenhang auf die Unterstützung der Beteiligungsverfahren durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK). Vor allem das Web 2.0 und seine Anwendungen bieten hierbei vielfältige Möglichkeiten zur Information, Kommunikation und Interaktion. E-Partizipation umfasst also die Teilhabe von natürlichen und juristischen Personen und ihren Gruppierungen an Prozessen der Willensbildung und Entscheidungsfindung in Politik und Verwaltung, unter Einbeziehung der Möglichkeiten moderner Informations- und Kommunikationstechnologien.46 3.2 Begriffliche Abgrenzung: E-Government, E-Democracy, E-Partizipation In der Öffentlichkeit wird E-Partizipation häufig in Verbindung mit anderen Begrifflichkeiten wie E-Government oder E-Democracy verwendet und nicht immer ausreichend begrifflich abgegrenzt. 47 Daher soll hier eine kurze Erläuterung und Abgrenzung dieser Begriffe erfolgen. 44 Kubicek 2010: 197 45 Vgl. Kubicek 2010: 197 f. 46 Vgl. Kubicek 2010: 197; vgl. auch Albrecht u.a. 2008: 5 47 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2012
16 Unter dem Begriff E-Government wird eine Vielzahl von Konzepten und Instrumenten zur Unterstützung politischer Partizipation und allgemeiner Verwaltungsaufgaben unter Einbezug von Web 2.0-Technologien gebündelt. E-Government umfasst „die elektronische Abwicklung von Verwaltungs- und Demokratieprozessen im Rahmen staatlicher Aktivitäten mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien, (…) um öffentliche Aufgaben effizient und effektiv zu unterstützen.“48 E-Government wird in zwei grundlegende Elemente unterteilt: E-Administration und E-Democracy. E-Administration umfasst dabei Anwendungen, die auf die effiziente Ausgestaltung von Verwaltungsprozessen ausgerichtet sind. Das zweite Kernelement E-Democracy dagegen umfasst Anwendungen zur elektronischen Willensbildung und politischen Partizipation der Bürgerinnen und 49 Bürger mittels moderner IuK-Technologien. E-Partizipation wiederum ist ein Teilelement von E-Democracy und grenzt sich dadurch ab, dass E-Democracy auch elektronische Wahlen (E-Election) und Abstimmungen (E-Voting) als verbindlichste Formen der Partizipation mit einschließt. Schwerpunkt von E-Partizipation hingegen ist vielmehr die Mitwirkung der Bevölkerung und der Wirtschaft an öffentlichen Entscheidungsfindungsprozessen, sowie die Einbeziehung der Fertigkeiten und des Wissens der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft in die Entwicklung von Entscheidungsgrundlagen.50 3.3 Partizipationsformen im Beteiligungsdreieck Bei der politischen Partizipation und damit auch bei E-Partizipation lassen sich verschiedene Beteiligungsformen differenzieren. Dabei wird zunächst danach unterschieden, welche Gruppe bzw. Institution den Partizipationsprozess initiiert. Nach dieser Betrachtung ergeben sich zunächst zwei Kategorien von Partizipationsansätzen, zum einen die Top-Down-Ansätze und zum anderen die Bottom-Up-Ansätze. Partizipationsangebote, die politik- und verwaltungsseitig initiiert werden und an die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen (NRO) gerichtet sind, werden dabei als Top-Down-Angebote bezeichnet. Leiten andererseits die Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und NRO selbst Beteiligungsmöglichkeiten 48 Wirtz / Piehler 2010: 8 49 Vgl. Wirtz / Piehler 2010: 9 ff. 50 Vgl. Meier 2009: 164 f.
17 in die Wege, die wiederum an Politik und Verwaltung adressiert sind, werden diese als Bottom-Up-Ansätze bezeichnet, da sie aus der Bevölkerung heraus nach „oben“ an das politisch-administrative System gerichtet sind. Diese Unterscheidung wird in Abbildung 1 bildlich dargestellt. Durch die Unterscheidung der jeweiligen Initiatoren und Adressaten der Partizipationsformen bildet sich ein „Beteiligungsdreieck“.51 Abbildung 1: Partizipationsformen im Beteiligungsdreieck (Quelle: Kubicek 2010: 198) Des Weiteren wird innerhalb der von den verschiedenen Gruppen bzw. Institutionen initiierten Partizipationsprozesse noch weiter differenziert. Unter den von Verwaltung und Politik angebotenen Beteiligungsmöglichkeiten wird zwischen Information, Konsultation und Kooperation unterschieden. Aufseiten der aus der Gesellschaft heraus initiierten Partizipationsprozesse erfolgt eine analoge Differenzierung. 52 Die Modelle direkter (elektronischer) Wahlen und Abstimmungen spielen in dieser Arbeit, wie bereits erwähnt, keine Rolle. Im Endeffekt ergeben sich demnach sechs Formen der klassischen, wie elektronischen Partizipation, die in Abbildung 1 hervorgehoben sind. 51 Vgl. Kubicek 2010: 198 52 Vgl. Kubicek 2010: 198 f.; vgl. auch Albrecht u.a. 2008: 17 f.
18 Von staatlicher Seite aus angebotene Partizipationsformen (Top-Down-Prozesse): Information: Angebote, die auf die Bereitstellung und die Erschließung von Informationen öffentlicher Stellen abzielen, wie bspw. Infowebsites staatlicher Institutionen. Diese Angebote bilden eine Grundvoraussetzung für das Gelingen weiterer Partizipationsformen, da eine politische Beteiligung ohne ausreichende Informationen kaum möglich ist.53 Konsultation: Beteiligungsformen, die darauf abzielen, von Bürgerinnen und Bürgern, Wirtschaft und weiteren Interessengruppen der Gesellschaft Expertisen, Voten und Meinungen zu bestimmten aktuellen Themen und öffentlichen Planungs- und Entscheidungsvorhaben, wie bspw. Gesetzesentwürfen o. ä., einzuholen und abzuwägen. Ein bekanntes Beispiel hierfür sind die sog. Bürgerhaushalte. Kooperation: Angebote, die über das Partizipationsmaß von Konsultationen hinausgehen und auf eine einvernehmliche Zusammenarbeit zwischen Staat, Bürgerschaft und Wirtschaft ausgerichtet sind. Diese Prozesse können auch zu Ergebnissen führen, welche von den ursprünglichen Positionen der Beteiligten abweichen.54 Von Bürgerschaft, Wirtschaft und NRO initiierte Partizipationsformen (Bottom-Up-Prozesse): Transparenz durch Dritte: Informelle Angebote, die über die Handlungen der Legislative und Exekutive berichten und durch die auf diesem Wege entstehende Transparenz eine öffentliche Kontrolle jener Institutionen ermöglichen. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Plattform „Abgeordnetenwatch“. Hierzu zählen außerdem auch Ansätze, die von staatlicher Seite angebotene Informationsportale o. ä. erweitern, sowie Angebote zur politischen Bildung durch Schaffung von Transparenz, wie z. B. der Wahl-O-Mat im Vorfeld von Wahlen. 53 Vgl. Kuhn 2006: 30; vgl. auch Kubicek 2010: 198 f.; vgl. auch Albrecht u.a. 2008: 18 f. 54 Vgl. Kubicek 2010: 198 f.; vgl. auch Albrecht u.a. 2008: 18 f.
19 Eingaben / Beschwerden / Petitionen: Angebote, die es ermöglichen Vorschläge oder Kritik an zur Entscheidung befugte staatliche Stellen und Behörden zu richten. Das wohl bekannteste Beispiel für diese Partizipationsform ist das (elektronische) Petitionswesen des Deutschen Bundestages. Aktivismus / Kampagnen / Lobbying: Beteiligungsformen, bei denen einzelne Personen oder organisierte Gruppen aus der Bevölkerung oder der Wirtschaft Maßnahmen ergreifen, um Aufmerksamkeit und Unterstützung für bestimmte Themen und Positionen zu erzeugen und auf diesem Wege einen Beitrag zur politischen Meinungs- und Willensbildung leisten können, wobei es auch gezielt zur Förderung partikulärer Interessen kommen kann. 55 Ein bekanntes Beispiel dieser Partizipationsform stellt die Internetseite „campact.de“ dar. 3.4 Entwicklung und Stand von E-Partizipation in Deutschland Erste Experimente zur Bürgerbeteiligung mithilfe elektronischer Medien reichen in Deutschland bis in die 1970er Jahre zurück, wobei zu Beginn das Fernsehen und das Telefon als elektronische Hilfsmittel dienten. Doch vor allem die Entwicklung des Internets seit den 1990er Jahren brachte der Idee elektronischer Partizipationsmöglichkeiten neuen Aufwind. Erste konkrete Umsetzungen folgten in dieser Zeit auf kommunaler Ebene im Rahmen von Forschungsprojekten. Auf Bundesebene erfolgte im Jahr 2001 ein erstes Pilotprojekt in Form einer länderübergreifenden Online-Konsultation zur Zukunft der Landwirtschaft. Hier zeigte sich durch die Entwicklung und Verbreitung des Internets bereits eine wesentlich höhere Beteiligung als in den ersten Forschungsversuchen der 1990er Jahre.56 Bis heute hat die Zahl der Partizipationsangebote stark zugenommen und von einem Experimentierstadium kann zumindest beim Einsatz in Stadt- und Raumplanungsfragen nur noch bedingt die Rede sein. Es gibt einige gute Einzelbeispiele für gelungene E-Partizipationsverfahren in Deutschland, aber dennoch mangelt es an einer umfassenden institutionellen Einbindung und an einer Diffusion der Angebote in die 57 Breite. Gemessen an der Gesamtzahl öffentlicher Planungs- und 55 Vgl. Kubicek 2010: 198 f.; vgl. auch Albrecht u.a. 2008: 18 f. 56 Vgl. Kubicek 2010: 208 57 Vgl. Albrecht u.a. 2008 : 36
20 Entscheidungsprozesse, werden E-Partizipationsprojekte nur bei einem Bruchteil dieser Verfahren durchgeführt und bilden noch immer eher die Ausnahme als die Regel.58 Durch die wachsenden Möglichkeiten des Internets werden auch die Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger an die Transparenz staatlichen Handelns und die Teilhabe an öffentlichen Entscheidungsprozessen in Zukunft weiter steigen. In Deutschland entwickelt sich ein allgemeiner Trend hin zu einer Ausweitung der E-Partizipationsangebote und es ist davon auszugehen, dass sich elektronische Partizipationsmöglichkeiten weiter etablieren werden.59 Die am weitesten etablierte E-Partizipationsform in Deutschland bildet zumindest auf regionaler und kommunaler Ebene die der Online-Konsultationen. Schwerpunkte der Konsultationsverfahren bilden vor allem städtebauliche Veränderungs- und Stadtgestaltungsprozesse, Visions- und Leitbildentwicklungen, Agenda-Setting-Dialoge zur Diskussion grundlegender gesellschaftlicher Themen wie Familienfreundlichkeit und Verfahren über die Verteilung von Ressourcen, Anlagen oder Einrichtungen, wie bspw. Bürgerhaushalte. 60 Die Online-Konsultationen stellen das „Herzstück“ der E-Partizipationsbemühungen hierzulande dar. 61 Außerdem verdeutlichen sie das neue Rollenverständnis der Bürgerinnen und Bürger als partnerschaftliche Beraterinnen und Berater der Verwaltung außerordentlich gut und sollen daher noch einmal detaillierter dargestellt werden. 3.5 Online-Konsultationen Wie bereits beschrieben, umfassen Konsultationsverfahren jegliche Beteiligungsformen, die darauf abzielen, von Bürgerinnen und Bürgern, Wirtschaft und weiteren Interessengruppen der Gesellschaft Expertisen, Voten und Meinungen zu bestimmten aktuellen Themen und öffentlichen Planungs- und Entscheidungsvorhaben einzuholen.62 Werden solche Konsultationsverfahren über das Internet angeboten, spricht man von Online- bzw. E-Konsultationen. Es handelt sich also um gewöhnliche Konsultationsverfahren unter Einsatz moderner IuK-Technologien. 58 Vgl. Märker 2009: 48 59 Vgl. Albrecht u.a. 2008: 36 f. 60 Vgl. Märker / Wehner 2011: 202 61 Vgl. Albrecht u.a. 2008 : 134 f. 62 Vgl. Kubicek 2010: 198
21 Online-Konsultationsverfahren beziehen sich immer auf ein spezielles, festgelegtes Themengebiet und sind zeitlich begrenzt. In dieser Zeit findet ein online-moderierter Dialog zwischen verschiedenen staatlichen Stellen, Bürgerschaft, Wirtschaft und weiteren gesellschaftlichen Institutionen statt.63 Ziel des Dialoges ist es, die Meinungen und Ideen der Bevölkerung und der Wirtschaft einzuholen, um möglichst alle Interessen der Öffentlichkeit in die Entscheidungsprozesse einbeziehen zu können. Der Allgemeinheit wird die Möglichkeit gegeben, auf öffentliche Planungs- und Entscheidungsprozesse beratend Einfluss zu nehmen. Verwaltung und Regierung sind jedoch nicht daran gebunden, alle Vorschläge in ihre Planungen und Entscheidungen einbeziehen und umsetzen zu müssen. Bevölkerung und Wirtschaft können im Konsultationsverfahren also ihre eigenen Interessen, Erfahrungen und Meinungen nur beratend einbringen. Die letztendliche Entscheidung verbleibt bei den staatlichen Organen.64 Bürgerinnen und Bürger werden zu Beraterinnen und Beratern der öffentlichen Verwaltung. Damit dieser Prozess funktionieren kann, muss die öffentliche Verwaltung die Ideen und Meinungen der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen und wertschätzen. Die Verwaltung muss einen offenen Dialog gestalten und objektiv moderieren, um auf diesem Wege durch eine echte Einbindung und Wertschätzung der externen Ideen ggf. zu besseren Entscheidungen zu gelangen. Hierbei muss sie auch bereit sein, von eigenen Positionen abzurücken und Fehler ggf. einzugestehen. 3.6 Grundlagen erfolgreicher elektronischer Partizipationsmöglichkeiten Zu den grundlegenden Voraussetzungen für eine erfolgreiche Etablierung elektronischer Partizipationsmöglichkeiten gehören eine Vielzahl von Faktoren. An dieser Stelle soll nur ein kurzer Überblick über die grundlegendsten Erfolgsfaktoren gegeben werden. Hierzu zählen das Interesse der Menschen an Beteiligungsmöglichkeiten, die Verbreitung und Nutzung des Internets und die Bedeutung des doppelten Medienmixes in der Bürgerbeteiligung. 63 Vgl. Märker / Wehner 2011: 201 64 Vgl. Koop 2010: 8
22 3.6.1 Bevölkerungsinteresse an Partizipationsmöglichkeiten In den letzten Jahren ist das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an traditionellen, institutionalisierten Formen der politischen Partizipation zurückgegangen, was sich vor allem am Mitgliederschwund der Parteien und Verbände ablesen lässt. 65 Doch im Gegensatz zu dieser Entwicklung wünscht sich eine große Mehrheit der Deutschen (81 %) mehr Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten in politisch-administrativen Entscheidungsprozessen. Besonders bemerkenswert ist, dass auch eine große Mehrheit der Nichtwählerinnen und -wähler an einer verstärkten Bürgerbeteiligung interessiert ist. Die Menschen verbinden zum Teil große Hoffnungen mit einer stärkeren Teilhabe. So erwarten sie bspw. eine höhere Akzeptanz staatlicher Entscheidungen, da diese durch die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger demokratischer und gerechter würden. Allerdings gibt es auch einige gesellschaftliche Gruppen, die weniger stark an politischer Teilhabe interessiert sind. Hierzu zählen vor allem Menschen mit geringerem Bildungsstand, niedrigen Einkommen und auch ältere Menschen.66 Das gesamtgesellschaftliche Interesse an Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung ist also sehr groß. Dennoch muss darauf geachtet werden, dass wirklich alle Bevölkerungsgruppen in den Partizipationsprozess einbezogen werden. 3.6.2 Internetzugang und -nutzung Um E-Partizipationsverfahren nutzen zu können, müssen die Bürgerinnen und Bürger Zugang zu einem Computer mit Internetanschluss haben. Die Ausstattung privater deutscher Haushalte mit Computern und Internetanschlüssen steigt seit mehreren Jahren kontinuierlich an. Demnach verfügten im Jahr 2010 ca. 80 % der Haushalte über einen Computer und ca. 77 % über einen Internetanschluss. 67 Die Verbreitung dieser IuK-Technologien sagt jedoch noch nichts über die Nutzung dieser Technologien aus. Doch auch diese ist in den letzten Jahren stark angestiegen, sodass mittlerweile ca. 75 % der Menschen das Internet regelmäßig nutzen. Am häufigsten wird das Internet hierbei zur Kommunikation und Informationssuche verwendet. 65 Vgl. Weßels 2011: 373 f. 66 Vgl. Bertelsmann Stiftung 2011 67 Vgl. Czajka / Kleinegees / Kott 2011: 344 f.
23 Für die meisten Menschen sind Computer und Internet zwar kaum noch aus ihrem Alltag wegzudenken, doch vor allem Ältere und Menschen mit einem niedrigerem Bildungsstand nutzen diese Technologien nur in geringerem Maße und sind somit von einer Ausgrenzung bedroht. 68 3.6.3 Doppelter Medienmix Um keine Bürgerinnen und Bürger durch technische Barrieren auszugrenzen und zudem möglichst alle Bevölkerungsgruppen bei Partizipationsvorhaben anzusprechen, bedarf es eines doppelten Medienmixes bei elektronischen bzw. elektronisch unterstützten Partizipationsangeboten. Das bedeutet, dass für die Kommunikation der Partizipationsangebote nicht nur auf der Ebene der Beteiligung, sondern auch auf Ebene der Metakommunikation verschiedene Medien genutzt werden sollten. Die Ebene der Metakommunikation meint dabei, dass die Beteiligungsangebote zielgruppengerecht kommuniziert werden müssen. Es erscheint bspw. effektiver ältere Bürgerinnen und Bürger über Anzeigen in Tageszeitungen zu informieren und jüngere Menschen über soziale Medien anzusprechen. Für eine breite Beteiligung ist es also wichtig, auf die technischen und sozio-kulturellen Bedürfnisse und Gewohnheiten der Zielgruppen zu achten. Auf der Ebene der Beteiligung muss zum Schutz vor Ausgrenzung darauf geachtet werden, dass die Beteiligungsangebote nicht ausschließlich online angeboten werden, sondern immer auch konventionelle, nicht elektronische Möglichkeiten der Mitwirkung gegeben sind.69 3.7 Chancen und Risiken von E-Partizipation Wie bereits erwähnt, bietet das Internet große Potenziale, um den Austausch zwischen Staat, Bürgerschaft und Wirtschaft durch neue Kommunikations-, Informations- und Partizipationsmöglichkeiten zu verbessern. Ob diese Potenziale aber genutzt werden, hängt vor allem davon ab, inwieweit staatliche Organe bereit sind, ihr Handeln transparenter zu gestalten und die Bürgerinnen und Bürger als Partnerinnen und Partner auf Augenhöhe zu akzeptieren, um sie effektiv in Planungen und Entscheidungen involvieren zu können. 68 Vgl. Czajka / Kleinegees / Kott 2011: 346 f. 69 Vgl. Kubicek / Lippa 2009: 315
24 An dieser Stelle sollen noch einmal die größten Chancen und Risiken elektronischer Partizipationsmöglichkeiten zusammenfassend aufgezeigt werden. Elektronische Partizipationsmöglichkeiten können u. a. zu besseren staatlichen Entscheidungen führen, indem das Wissen und die Ideen der gesamten Allgemeinheit in Planungs-, Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse einfließen können. Durch den Dialog erhält die Verwaltung mehr Feedback zu ihrem Handeln und kann vom Erfahrungswissen der Menschen profitieren. Werden die Bürgerinnen und Bürger und ihre Beiträge ernstgenommen, können ggf. Fehleinschätzungen der Politik oder der Verwaltung zu bestimmten Vorhaben rechtzeitig korrigiert werden. Außerdem bergen die Ideen der Allgemeinheit ein großes Innovationspotenzial für den öffentlichen Sektor. Positionen und Präferenzen der Betroffenen können vor einer endgültigen staatlichen Entscheidung erkannt und in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Die Einbindung der Bevölkerung und der Wirtschaft kann zudem zu einer höheren Akzeptanz und Legitimation staatlicher Maßnahmen führen und das Verständnis für das Handeln von Politik und Verwaltung steigern. Werden die Bürgerinnen und Bürger an der Planung beteiligt, können sie sich besser mit den Projekten identifizieren. Auf diesem Wege werden häufig auch Hoffnungen mit verstärkter Teilhabe der Bevölkerung verbunden, das Vertrauen ins politisch-administrative System wiederaufzubauen. Offene Partizipationsangebote, in denen alle Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben sich zu beteiligen, in Verbindung mit der großen Reichweite und Interaktivität des Internets, können außerdem dazu führen, dass bisher unterrepräsentierte Gruppen besser gehört werden und Interessen so besser ausgeglichen werden können.70 Lösungen für anstehende gesellschaftliche Probleme können gemeinsam mit Bürgerschaft und Wirtschaft erarbeitet werden, indem die Beteiligten miteinander interagieren und sich vernetzen. Für solche Prozesse bietet das Internet besonders gute Voraussetzungen, da es orts- und zeitunabhängig unter geringem Aufwand von beliebig vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern genutzt werden kann. 71 Letztendlich erhoffen sich viele Verwaltungen auch einen Imagegewinn durch den Einsatz elektronischer Partizipationsmöglichkeiten.72 70 Vgl. Kubicek / Lippa / Koop 2011: 15; vgl. auch Märker / Wehner 2011: 202 f.; vgl. auch Koop 2010: 18 f 71 Vgl. Mitterhuber 2003: 75 72 Vgl. Materna GmbH / Hochschule Harz 2011: 33 f.
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