Kooperative Promotion in NRW - am Wendepunkt?
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// TITEL // Kooperative Promotion in NRW – am Wendepunkt? Trotz der Bemühungen, die Rahmenbedingungen zu verbessern, stehen kooperative Promotionsvorhaben weiterhin vor deutlich mehr Schwierigkeiten als rein universitäre Verfahren. Ist nun im Zuge einer Gesetzesnovellierung in Nordrhein-Westfalen eine Verbesserung für HAW-Professoren und Promovierende in Sicht? | Von Carolin Schuchert U nter einer kooperativen Prozent auf 834 (2). Der Großteil der Pro- Promotion versteht man motionen findet dabei mit 64 Prozent in Foto: Chris Stock-Müller ein Promotionsverfahren, den Ingenieur- und Naturwissenschaf- das in Kooperation zwi- ten statt. Doch auch die Gesellschafts- schen einer Universität und Gesundheitswissenschaften (24 oder promotionsberechtigten Hochschu- Prozent) sowie die Wirtschaftswissen- le und einer Hochschule für angewand- schaften (10 Prozent) sind thematisch Dr. Carolin Schuchert te Wissenschaften (HAW) durchgeführt gut vertreten. ist Geschäftsführerin des wird. Dabei schafft die Universität oder Graduierteninstituts NRW in promotionsberechtigte Hochschule die Mehr als die Hälfte der kooperativen Bochum. | carolin.schuchert@ Möglichkeit, dass die Professoren der ko- Promotionsverfahren erfolgt in NRW mit gi-nrw.de operierenden HAW gleichberechtigt als Universitäten im eigenen Bundesland, Betreuer, Gutachter und Prüfer in das Pro- bei weiteren 28 Prozent der Verfahren motionsverfahren einbezogen werden (1). befinden sich die kooperierenden Uni- versitäten in einem anderen Bundes- Die Anzahl kooperativer Promotionsver- land. Die übrigen Verfahren verteilen fahren in Nordrhein-Westfalen (NRW) sich auf Universitäten in Ländern außer- steigt. Es existieren gut laufende Koope- halb Deutschlands und wurden daher rationen zwischen Universitäten und bisher in der deutschen Promotionssta- HAW, jedoch treten in vielen Fällen wei- tistik nicht erfasst (siehe Grafik auf der terhin erhebliche Schwierigkeiten auf. Seite gegenüber). Etwa zwei Drittel der Eine Weiterentwicklung der kooperati- Promovierenden besitzen einen Mas- ven Promotion in NRW durch Verleihung terabschluss von einer HAW, circa ein eines konditionierten Promotionsrech- Drittel von einer Universität. Eine Pro- tes an das Graduierteninstitut NRW löst motion in Verbindung mit einer HAW ist existierende Probleme auf, ohne grund- also durch den Schwerpunkt auf anwen- sätzliche Strukturen des Wissenschafts- dungsorientierter Forschung nicht nur systems infrage zu stellen. für Absolventen von HAW, sondern auch für Universitätsabsolventen interessant Kooperative Promotionen in NRW (Grafik S.10). Die Zahl der kooperativen Promotionen Das Graduierteninstitut NRW an den staatlichen und staatlich refinan- zierten HAW in NRW wächst kontinuier- Um die kooperative Promotion in NRW lich. Von 600 kooperativen Verfahren im zu fördern und kooperativ Promovie- Jahr 2015 stieg sie bis 2018 um knapp 40 rende sowie Promotionsinteressierte zu 16 DUZ Wissenschaft & Management 06 | 2019
unterstützen und zu beraten, wurde zum 1. Januar 2016 täten sowie ihre Promovierenden gemeinsam zu gesell- das Graduierteninstitut für angewandte Forschung der schaftlichen Herausforderungen forschen. Um Mitglied Standort der Partneruniversitäten Fachhochschulen NRW (GI NRW) als gemeinsame Ein- im GI NRW zu werden, müssen HAW-Professoren ih- re Forschungsstärke durch kompetitive Drittmittel- richtung der 21 staatlichen und staatlich refinanzierten HAW gegründet. einwerbung und Publikationen oder eine Habilitation nachweisen. Als Mitglieder des Graduierteninstituts Den Kern des GI NRW bilden die interdisziplinär aus- initiieren sie gemeinsame Forschungsprojekte, tau- gerichteten Fachgruppen, in denen forschungsstarke schen sich über die Betreuung Promovierender aus Professorinnen und Professoren aus HAW und Universi- und machen in den Fachgruppen die eigenen Kon- Regionale Verteilung 21; 3% der kooperativen Universitäten 98; 13% NRW D ohne NRW Europa ohne D Rest der Welt 417; 56% 210; 28% Grafik: GI NRW www.wissenschaft-und-management.de 17
// TITEL // Struktur des Graduierteninstituts NRW Grafik: GI NRW takte zu Universitäten anderen Mit- anstaltungen und Konferenzen für die gliedern der Fachgruppe zugänglich. Mitglieder und die Öffentlichkeit statt, Unterstützt werden die Fachgruppen die zur Vernetzung und zum Austausch bei ihren Aktivitäten von Vorstand und auf fachlicher Ebene beitragen. In Be- Geschäftsstelle. ratungsgesprächen werden Promo- vierende und Promotionsinteressierte Den Promovierenden wird durch die bei der Suche nach Betreuungsperso- Integration in die Fachgruppen ein nen oder Finanzierungsmöglichkeiten weites wissenschaftliches, hoch- für das Promotionsprojekt und Kon- schul- und hochschultypübergreifen- ferenzreisen unterstützt und können des Umfeld sowie Zugang zur Scientific sich über den Ablauf einer koopera- Community geboten. Darüber hinaus tiven Promotion informieren. Durch steht ihnen ein umfassendes Angebot den Abschluss von Betreuungsverein- an Beratungs- und Qualifizierungs- barungen wird die Promotionsphase maßnahmen auf Deutsch und Eng- strukturiert und Unklarheiten vorge- lisch zur Verfügung. Neben Workshops beugt. Kommt es dennoch zu Konflik- zu Kernkompetenzen und Schlüssel- ten, können sich Promovierende und qualifikationen in unterschiedlichen Betreuende bei der Suche nach konst- Bereichen, die für eine Laufbahn inner- ruktiven Lösungen begleiten lassen. halb wie außerhalb der Wissenschaft nützlich sind, finden in den einzelnen Um die Suche nach universitären Betreu- Fachgruppen themenspezifische Ver- ungspersonen zu erleichtern, Prozesse 18 DUZ Wissenschaft & Management 06 | 2019
der Einbindung von HAW-Professoren bewähren müssen. Mehrere Prozesse in die Prüfungsverfahren transparent mit Fakultäten dauern noch an. Quellen zu gestalten und den Promotionsinte- ressierten einen kalkulierbaren Weg Trotz der Bemühungen, die Rahmen- (1) Vgl. hierzu die Emp- zur Promotion zu ermöglichen, werden bedingungen für kooperative Promo- fehlung der 18. Mitglie- zwischen einer oder mehreren Fach- tionen zu verbessern und diese zu derversammlung der gruppen des GI NRW und universitären erleichtern, treten weiterhin eine Rei- HRK 2015, S. 2. Fakultäten Kooperationsvereinbarun- he zusätzlicher Schwierigkeiten ge- gen abgeschlossen. Bestandteil dieser genüber rein universitären Verfahren (2) Über die Vizeprä- Vereinbarungen ist unter anderem die auf, die sich im Kern darauf zurück- sidenten und Prorek- Benennung konkreter Ansprechperso- führen lassen, dass zwei Einrichtungen toren für Forschung nen auf Universitäts- und GI NRW-Seite, beteiligt sind, die über völlig unter- haben die 21 Mitglieds- sodass ein schnelles Handeln möglich schiedliche Rechte verfügen (3). So ist hochschulen der Lan- wird, wenn Schwierigkeiten auftreten. ein gleichberechtigter Einbezug der desrektorenkonferenz HAW-Professoren in das Verfahren nur der Fachhochschulen Hürden und Schwierigkeiten für dann gegeben, wenn universitätsseitig in NRW ihre Zahlen kooperative Promotionen sehr viel guter Wille und Commitment zum Stichtag 1. Mai vorhanden sind oder gute persönliche 2018 gemeldet. Obwohl die Vereinbarungen auf Druck Beziehungen die Verhältnisse prägen. der Universitäten kaum über die ge- Häufig bleibt für die HAW-Professoren (3) Vgl. hierzu auch die setzlichen Bestimmungen und eine nur die Rolle als Drittprüfer oder Prü- Ergebnisse einer Um- Verständigung zur verbesserten Zu- fungsbeisitzer oder sie sind offiziell frage der FH-Profes- sammenarbeit hinausgehen, ziehen gar nicht am Verfahren beteiligt. Auch soren an HAW in NRW sich die Gespräche und Verhandlun- die Voraussetzungen zum Einbezug als im Bericht des GI NRW gen mit den universitären Fakultäten Gutachter und Prüfer weichen von Uni- 2018 (http://www.gi- teilweise über einen langen Zeitraum versität zu Universität ab und reichen nrw.de/gi-nrw/qualita- hin. Das Thema ist für die Universitä- von gelebter Selbstverständlichkeit bis etssicherung.html). ten nicht prioritär, teilweise existieren zum Durchlaufen habilitationsähnli- grundsätzliche Vorbehalte und Be- cher Verfahren. fürchtungen gegen den Abschluss von Vereinbarungen und es werden uni- versitätsseitig keine Vorteile gesehen. Zudem sind viele Schwierigkeiten bei kooperativen Promotionen für die Uni- versitäten nicht ersichtlich, da diese vor dem Zeitpunkt der Annahme von Promovierenden an der Fakultät lie- gen (vor allem bei der Betreuersuche), sodass kein Handlungsbedarf gesehen wird. Die Universitäten sind mit den Prob- lemen nicht direkt konfrontiert und negieren diese daher. Bisher konnten deshalb lediglich sechs Vereinbarun- Foto: GI NRW gen mit vier Universitäten abgeschlos- sen werden, die nun noch mit Leben gefüllt werden und sich in der Praxis Promotionskolloquium „Migration – Medien – Öffentlichkeit“ des Graduierteninstituts NRW am 21. Juni 2018 an der TH Köln. www.wissenschaft-und-management.de 19
// TITEL // zeitlichen Aufwand verbunden. Es müssen oftmals eine Vielzahl von Uni- versitätsprofessoren identifiziert und angefragt werden. Dies betrifft vor al- lem jene HAW-Professoren, die über kein Netzwerk an Universitäten verfü- gen. Aufgrund der Besonderheiten der Berufungspraxis an HAW in Form einer obligatorischen Praxiserfahrung au- ßerhalb des Hochschulbereichs trifft dies aber auf die meisten Neuberuf- enen zu. Oftmals wird dann in der Not auf kooperationswilligere Universitä- ten in anderen Bundesländern oder im Ausland zurückgegriffen, wodurch sich die Beteiligten mit ganz unterschiedli- chen Promotionsordnungen und Ver- Foto: Prsicilla du Preez / Unsplash fahren auseinandersetzen müssen. Ein weiterer Grund für die Zusammen- arbeit mit Universitäten im Ausland liegt in noch bestehenden Vorbehalten bei manchen Universitätsprofessoren sowie Fakultäten, die auf die Anfangs- zeiten der HAW beziehungsweise Fach- Doch auch bei nomineller Gleichbe- hochschulen zurückgehen. Seit 20 rechtigung liegt die rechtliche Verant- Jahren haben jedoch auch die HAW ei- wortung für das Prüfungsverfahren nen im Hochschulgesetz verankerten allein in der Hand der Universitäts- Forschungsauftrag und üben diesen fakultäten. Bei Konflikten über die trotz schwieriger Rahmenbedingun- inhaltliche Ausgestaltung des Promo- gen aus. Masterabschlüsse von HAW tionsprojektes sind die Vorstellungen sind als wissenschaftliche Abschlüsse der universitären Betreuungsperson anerkannt und denen von Universitä- entscheidend, da es in solchen Fällen ten gleichgestellt. Bestehende Vorbe- sonst zum Zurückziehen der Betreu- halte äußern sich dabei häufig in einer ungszusage kommen kann. Zudem sehr schleppenden Kommunikation wird nur in wenigen Fällen die HAW auf sowie in abwehrenden Rückäußerun- den Publikationen, dem Promotions- gen und lassen sich oftmals nur durch zeugnis oder der Urkunde angegeben, den Aufbau langjähriger Kontakte und sodass die Leistung der HAW-Professo- eine mehrjährige erfolgreiche Zusam- ren nicht anerkannt wird, auch wenn menarbeit entkräften. So werden viel- diese die Drittmittel und den Arbeits- fach Universitäten aus dem Ausland platz zur Verfügung gestellt und einen als Kooperationspartner angefragt, die Großteil der Betreuungsarbeit geleistet die Unterscheidung HAW und Univer- haben. sität aus dem eigenen Wissenschafts- system nicht kennen und vorbehaltlos Weiterhin ist die Suche nach einer anhand der Themen und wissenschaft- universitären Betreuungsperson für lichen Leistungsfähigkeit eine Zusam- die Promotionsinteressierten und menarbeit prüfen. Selbst dort, wo bei HAW-Professoren mit einem hohen Universitäten aus NRW der Wille zur 20 DUZ Wissenschaft & Management 06 | 2019
Zusammenarbeit gegeben ist, sind in und Musikhochschulen soll auf das GI vielen Bereichen die Universitätspro- NRW als hoch qualitative gemeinsame fessoren bereits so stark ausgelastet, Graduate School HAW in NRW übertra- dass sie keine Promovierenden be- gen werden. Das Verfahren liegt dabei treuen, die ihnen nicht bereits bekannt in der Hand des GI NRW, der koopera- sind. Besonders schwierig ist es, Uni- tive Charakter bleibt jedoch durch den versitätsprofessoren für eine Themen- Einbezug von Universitätsprofessoren stellung aus Fächern zu interessieren, erhalten. Diese rechtliche Stärkung des die an den Universitäten nicht oder GI NRW führt zu einer deutlichen Ent- kaum vertreten sind (zum Beispiel So- bürokratisierung und Verfahrensver- ziale Arbeit). Hier muss die Promotion einfachung, sodass stärker als bislang in den Bezugswissenschaften durch- gangbare und für beide Seiten inno- geführt werden, wodurch sich zum Teil vative und fruchtbare Forschungsbe- hohe Auflagen für die Promovierenden ziehungen zustande kommen können. ergeben. Dadurch ist eine frühe Sicherheit ge- geben, Promotionen erfolgreich zum Die genannten Punkte führen dazu, Abschluss führen zu können, ohne dass für die Promotionsinteressierten langwierige Suche nach einer koope- eine lange Zeit Unsicherheit herrscht, rierenden Universität oder weiteren ob, wo und unter welchen Bedingungen Prüfungen der Qualifikation der Pro- sie promovieren können. Währenddes- fessoren und Absolventen von HAW. // sen laufen der Arbeitsvertrag im Rah- men des Forschungsprojekts oder das Stipendium bereits an. Teilweise kann eine Finanzierung des Projektes erst nach einer Annahme an der universitä- ren Fakultät erfolgen, sodass eine Über- brückung notwendig wird. In vielen Fällen geben Promotionsinteressier- te selbst bei wissenschaftlich vielver- sprechenden Promotionsprojekten aufgrund der Vielzahl an rechtlichen und organisatorischen Problemen auf. Literatur Ausblick Hochschulrektorenkonferenz (HRK) (2015): Empfehlung der 18. Mit- gliederversammlung der HRK am 12. Mai 2015 in Kaiserslautern. Hand- Nur wenige dieser Schwierigkeiten habung der Kooperativen Promotion. Bonn. in kooperativen Promotionsverfah- ren können durch Kooperationsver- Engelfried, C.; Ibisch, P. L. (Hg.) (2016): Promovieren an und mit Hoch- einbarungen mit den Fakultäten der schulen für Angewandte Wissenschaften. Am Wendepunkt? Opladen. Universitäten gelöst werden. Die Be- dingungen haben sich bisher weder für Olberg, R. von (2018): Promotionsrecht für Fachhochschulen: Es ist was in HAW-Professoren noch für kooperativ Bewegung. Eine Erwiderung auf Ralf Ludwig. In: Perspektiven DS – Zeit- Promovierende und Promotionsinter- schrift für Gesellschaftsanalyse und Reformpolitik 2/2018, S. 165–168. essierte signifikant verbessert. Daher hat die Landesrektorenkonferenz der Schuchert, C. (2017): Promovieren an Fachhochschulen – Neue Wege der HAW in NRW im Zuge der laufenden Ge- kooperativen Promotion. In: Zeitschrift für Beratung und Studium 1/2017, setzesnovellierung ein konditioniertes S. 14–18. Promotionsrecht für das GI NRW ge- fordert. Das bewährte Recht der Kunst- www.wissenschaft-und-management.de 21
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