KRISE ALS DAUERZUSTAND? - Ministerium für Verkehr ...

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KRISE ALS DAUERZUSTAND? - Ministerium für Verkehr ...
ERGEBNISSE AUS BEOBACHTUNGEN PER REPRÄSENTATIVER
BEFRAGUNG UND ERGÄNZENDEM MOBILITÄTSTRACKING
IN BADEN-WÜRTTEMBERG BIS ENDE NOVEMBER AUSGABE 01.12.2020

02
 KRISE ALS
 DAUERZUSTAND?
 Mobilität in Baden-Württemberg vor
 dem zweiten Lockdown

                                                            In Kooperation mit   Bundesweites Projekt
                                                                                 gefördert durch

                                                            WZB
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Projekt:
7331 – MOBICOR
beauftragt durch das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg (VM)
Berlin, Bonn, Dezember 2020

Text: Marc Schelewsky
Layout und Grafik: Astrid Blome, Birgit Geisler und Sigrid Phiesel

Folgende Zitierweisen werden empfohlen:
Langform:
Schelewsky, Marc (2020): Mobilitätsreport Baden-Württemberg. Krise als Dauerzustand? Mobilität in Baden-Württemberg vor dem zweiten
Lockdown „light“
Kurzform:
infas (2020): Mobilitätsreport Baden-Württemberg 02, Bonn
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3    MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
     AUSGABE 01.12.2020

    EINLEITUNG

    Als im Frühjahr 2020, während des ersten Lock-       sentativerhebung „Mobilität in Deutschland“
    downs aufgrund der Corona-Pandemie, das Pro-         (MiD) von 2017 hilft an geeigneten Stellen die
    jekt MOBICOR konzipiert wurde, sollte entlang        Befragungsergebnisse in ihrer Entwicklungs-
    von drei Erhebungswellen untersucht werden,          richtung einzuordnen. Eine tiefgreifende Längs-
    mit welcher Geschwindigkeit sich die Mobili-         schnittanalyse erfolgt nach Abschluss der drit-
    tät nach dem Stillstand erholt und zurück zum        ten Erhebungswelle, ebenso wie der Vergleich
    Normalzustand entwickelt. Der Langtitel des          der deutschlandweiten Repräsentativerhebung,
    Projekts „Mobilität vor, während und nach der        die von infas gemeinsam mit den Partnern vom
    Corona-Pandemie“ drückt diese Erwartung aus.         Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
    Inzwischen ist jedoch die Gewissheit gereift, dass   (WZB), Motiontag, NutsOne und dem Nexus In-
    uns das Corona-Virus und dessen gesellschaftli-      stitut im Auftrag des Bundesministeriums für
    che Konsequenzen weitaus länger beschäftigen         Bildung und Forschung (BMBF) durchgeführt
    werden als es zu Beginn der Pandemie erwartet        wird, mit den regionalen Vertiefungsstudien der
    wurde. Ob im Frühjahr 2021, wenn die dritte Er-      Länder Baden-Württemberg, Hessen und Bayern.
    hebungswelle starten soll, ein Ende der Krise in
    Sicht kommt, ist momentan ungewiss. Zu be-           Der vorliegende Bericht basiert auf den Daten
    fürchten ist, dass – auch wenn das Infektionsge-     der zweiten Erhebungswelle, die im Oktober
    schehen durch einen Impfstoff beherrschbar wird      und Anfang November 2020 zwischen der Ka-
    –, die wirtschaftlichen Folgewirkungen noch län-     lenderwoche 40 und 45 über computergestütz-
    ger spürbar sein werden und mit umfassenden          te Telefoninterviews (CATI) mit insgesamt mit
    gesellschaftlichen Veränderungen einhergehen.        1.151 Teilnehmern auf Bundesebene sowie wei-
                                                         teren 1.055 Befragten in Baden-Württemberg,
    Vor diesem Hintergrund sind auch die Fragestel-      1.034 Befragten in Hessen und 1.056 Befragten
    lungen des Projekts neu zu kalibrieren. Es geht      in Bayern durchgeführt worden ist. Dabei wur-
    aktuell nicht um die Rückkehr zum Status quo         den insgesamt über 11.000 Wege erfasst, die als
    ante, sondern wie sich unter dem dauerhaften         Grundlage für die Analyse des Verkehrsverhaltens
    Eindruck der Pandemie und aller damit verbun-        genutzt werden. Das Erhebungskonzept orien-
    denen Einschränkungen und Sorgen um die Ge-          tiert sich dabei am MiD-Design, um eine direkte
    sundheit, um den Arbeitsplatz und die Zukunfts-      Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten. Die
    aussichten Mobilität ausgestaltet. Der Vergleich     zusätzlichen regionalen Erhebungen werden von
    mit der ersten Erhebungswelle und der Reprä-         den jeweiligen Bundesländern finanziert.
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4    MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
     AUSGABE 01.12.2020

    EINORDNUNG DER ERHEBUNGSERGEBNISSE                                                     zu einer Abschwächung der Mobilität geführt.

    Die Feldzeit der zweiten Erhebungswelle fand                                           Die in Abbildung 1 und Abbildung 2 dargestellten
    unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Maßnah-                                          Ergebnisse der Tracking-Studie von MOBICOR für
    men zur Bekämpfung der SARS-Cov2-Pandemie                                              Deutschland zeigen die durchschnittliche Unter-
    statt, also vor dem zweiten Lockdown. Der Begriff                                      wegszeit und die durchschnittlichen Tageskilo-
    dient zur Kennzeichnung des Zeitraums ab dem                                           meter pro Person, die mit Hilfe der mobico-App
    02.11.2020. Dabei bleibt eine Bewertung des Um-                                        erfasst wurden (https://www.mobicoapp.de).
    fangs der getroffenen Maßnahmen unberücksich-                                          Während sich die Unterwegszeit gegenüber den
    tigt und wird begrifflich nicht von den tiefgrei-                                      Vormonaten August und September nur leicht
    fenden Maßnahmen im Frühjahr unterschieden.                                            verringert hat (s. Abbildung unten), deutet der
    Bereits Anfang Oktober konnten der Tagespresse                                         Rückgang der Tageskilometer auf eine zuneh-
    wieder vermehrt Berichte über steigende Infek-                                         mende Nahraumorientierung hin (s. Abbildung S.
    tionszahlen entnommen werden. Der rapide An-                                           5). Es scheint, als wurde bereits Anfang Oktober
    stieg der Neuinfektionen führte schließlich zum                                        zunehmend auf Reisen und Ausflüge verzichtet,
    Bund-Länder-Beschluss vom 28.10.2020, in dem                                           in Antizipation der bevorstehenden Maßnahmen
    die Maßnahmen für den zweiten Lockdown dar-                                            und zum persönlichen Schutz vor Infektionen. Im
    gelegt wurden, um einer weiteren Verbreitung                                           Ergebnis hatte sich dadurch zu Beginn des Lock-
    von COVID-Erkrankungen entgegenzuwirken. Die-                                          downs die Mobilität bereits so stark verringert,
    se Berichterstattungen und öffentlichen Debat-                                         dass kein abrupter Einbruch zu verzeichnen ist.
    ten, so scheint es, haben bereits Anfang Oktober                                       Zu Beginn des ersten Lockdowns zeigen die Da-

    Unterwegszeit pro Tag und Person
    Angaben in Stunden pro Person und Tag

                      04.05 deutliche Reduzierung Shutdown
      2,5                      11.04. Ostersamstag                                                                                       Fahrrad
                 16.03. Beginn Shutdown                                                                         02.11. Lockdown Light

                                                                                                                                         zu Fuß
      2,0                                                                                                                                ÖV
                                                                 MOBICOR 1                                               MOBICOR 2

                                                                                                                                         Auto

      1,5                                                                                                                                MiD-Baseline

      1,0

      0,5

      0,0
        01.01.       0102.     01.03.       01.04.     01.05.      01.06.      01.07.     01.08.      01.09.        01.10.      01.11.

            Datenbasis: rund 2.000 Personen bundesweit im Tracking von MOTIONTAG (Partner im MOBICOR-Projekt)
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5    MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
     AUSGABE 01.12.2020

    ten hingegen eine andere Dynamik. Änderungen                                         auf methodische Unterschiede zurückführen und
    im Mobilitätsverhalten lassen sich dort erst kurz                                    zudem durch die Nutzergruppe erklären, die sich
    vor dem Beginn der Maßnahmen erkennen. Der                                           erfahrungsgemäß aus den 25- bis 50-Jährigen
    Übergang von Normalität zum Stillstand pas-                                          rekrutiert und damit der Alterskohorte mit den
    sierte schnell und plötzlich, binnen weniger Tage,                                   höchsten Mobilitätsniveaus zuzurechnen ist.
    und führte ab Mitte März zu einem Einbruch,
    der aufgrund der umfassenderen Maßnahmen                                              Mit Blick auf die einzelnen Verkehrsmittel lassen
    auch deutlich sichtbarer in den Datenreihen ist.                                     sich übergreifend Rückgänge vor allem in der Ver-
    Ebenfalls klar erkennbar ist der überproportiona-                                    kehrsleistung erkennen, die sich beim ÖV etwas
    le Rückgang der Tageskilometer pro Person beim                                       ausgeprägter zeigen als beim motorisierten In-
    ÖV gegenüber den anderen Verkehrsmitteln. Das                                        dividualverkehr (MIV). Dieser Eindruck bestätigt
    Niveau vom Januar und Februar 2020 konnte im                                         sich durch die google-Aufenthaltsmessungen (s.
    restlichen Jahr bislang nicht mehr erreicht wer-                                     Abbildung S. 6). Dargestellt werden die Abwei-
    den. Einer leichten Erholung im Sommer folgt                                         chungen von der Referenz als Nulllinie, die aus
    nun, im Herbst, ein erneuter Rückgang in den                                         dem Medianwert der fünf Wochen vom 03. Ja-
    Nutzerzahlen.                                                                        nuar bis zum 06. Februar 2020 gebildet wird. Für
                                                                                         alle öffentlichen Orte zeigen sich Rückgänge bei
    Die in beiden Abbildungen dargestellte MiD-                                          den Aufenthalten, die in den Bereichen „Einzel-
    Baseline dient zur Einordnung des Mobilitätsni-                                      handel und Freizeit“ und „ÖV“ besonders deutlich
    veaus. Dass die Ergebnisse des Trackings teilwei-                                    ausfallen. Die Häufigkeit, mit der Wohnquartiere
    se deutlich über denen der MiD liegen, lässt sich                                    aufgesucht werden, steigt hingegen an. Auch hier

    Tageskilometer pro Person
    Angaben in Mittelwerten (Kilometer pro Person)

       90
                                                                                                                                      Fahrrad
                  16.03. Beginn Shutdown                                                                     02.11. Lockdown Light
       80                                                                                                                             zu Fuß

       70                                                        MOBICOR 1                                            MOBICOR 2       ÖV

       60                                                                                                                             Auto

                                                                                                                                      MiD-Baseline
       50

       40

       30

       20

       10

        0
         01.01.      0102.     01.03.       01.04.     01.05.      01.06.     01.07.      01.08.      01.09.     01.10.      01.11.

         Datenbasis: rund 2.000 Personen bundesweit im Tracking von MOTIONTAG (Partner im MOBICOR-Projekt)
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6    MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
     AUSGABE 01.12.2020

    lassen sich die erwähnte Nahraumorientierung                                          gen jeweils das Mobilitätsverhalten vor bzw. nach
    sowie die starken Rückgänge beim ÖV erkennen.                                         den politisch verordneten Einschränkungen und
                                                                                          damit eine spiegelbildliche Dynamik: Während
    Die Abbildungen auf den Seiten 4 bis 6 dienen                                         die erste Welle direkt nach den Lockerungen erho-
    auch dazu, die nun folgenden Analysen der zwei-                                       ben wurde und sich damit im Verlauf der Feldzeit
    ten Erhebungsphase besser in den Verlauf der                                          das Mobilitätsgeschehen in Richtung „Normali-
    Pandemie einordnen zu können. Es handelt sich                                         tät“ bewegte, steht die zweite Welle unter umge-
    um den Zeitraum zu Beginn der zweiten Infekti-                                        kehrten Vorzeichen und zeigt ein langsames Zu-
    onswelle, der von steigenden Infektionszahlen                                         bewegen auf den erneuten Lockdown. In beiden
    geprägt war, aber noch bevor die Maßnahmen                                            Fällen liegen die Mobilitätskennziffern unter den
    wie Beherbergungsverbot und das Schließen von                                         Referenzwerten der MiD für Oktober (s. Abbildung
    Bars, Restaurants und weiteren Einrichtungen                                          S. 7). Die Auswirkungen der Einschränkungen auf
    umgesetzt wurden. Die erste Erhebungswelle                                            die Mobilität sind in beiden Erhebungswellen klar
    wurde hingegen am Ende des Lockdowns gestar-                                          zu erkennen. Deutlich wird dabei die bereits er-
    tet, als ein Versuch der Rückkehr zur Normalität                                      wähnte Nahraumorientierung bei der Unterweg-
    gewagt wurde und das öffentliche Leben und die                                        szeit, die sich um ein Viertel verringert hat, und
    Mobilität wieder Schwung aufnahmen.                                                   noch deutlicher bei den Tageskilometern, die nur
                                                                                          noch etwa zwei Drittel der MiD-Vergleichswerte
    MOBILITÄTSKENNZIFFERN IM ÜBERBLICK                                                    betragen. Dabei hat sich die Anzahl der Wege le-
                                                                                          diglich um zwölf Prozent verringert und gegen-
    Die beiden Erhebungswellen von MOBICOR zei-                                           über der ersten Erhebungswelle sogar erhöht.

    Aufenthaltsmessungen von Google
    durchschnittliche Veränderungen gegenüber dem Referenzwert in Prozent nach Kalenderwochen
    bis 13. November 2020 in Baden-Württemberg

                                                                                                Anfang Oktober                  Die Referenz (Nulllinie) ist der
                                                  MOBICOR 1                                                         MOBICOR 2   Medianwert der fünf Wochen vom
       20
                täglicher Bedarf                          Wohnquartiere
                                                                                                                                3. Januar bis 6. Februar 2020
       10

        0                                                                                                                        -28    ÖV

      -10
                                                                                                                                  -3    täglicher Bedarf
      -20
                                                                                                                                 -25    Einzelhandel und Freizeit
      -30                                                           ÖV

      -40                                                                                                                        -22    Arbeitsorte
                                                                                            Einzelhandel
                                                                                            und Freizeit
      -50                                                                                                                          7    Wohnquartiere
                                               Arbeitsorte
      -60

      -70

      -80
            7      9    11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37 39 41 43 45                                                    Kalenderwoche

       Google LLC „Google COVID-19 Community Mobility Reports“. https://www.google.com/covid19/mobility/ Accessed: 10.11.2020
KRISE ALS DAUERZUSTAND? - Ministerium für Verkehr ...
7    MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
     AUSGABE 01.12.2020

    Die Anlässe zur Mobilität bleiben also auf leicht                                    dienst war es der sonnenscheinärmste Oktober
    verringertem Niveau bestehen, sie werden jedoch                                      der letzten 20 Jahr und auch die Niederschlags-
    verstärkt im Wohnumfeld realisiert. Auffallend ist                                   menge überstieg den Durchschnittswert der Vor-
    zudem, dass in der zweiten Erhebungswelle be-                                        jahre. Trotzdem bleibt der Rückgang um etwa ein
    reits ein deutlicherer Rückgang der Mobilität zu                                     Drittel gegenüber der MiD und MOBICOR 1 deut-
    beobachten ist. Es scheint, dass unabhängig von                                      lich und stellt mit sieben Prozent einen Tiefstwert
    den verordneten Maßnahmen, die erst später in                                        dar. Dabei haben sich die Wegelängen, die mit
    Kraft traten, viele Menschen aus Sorge vor einer                                     dem Rad zurückgelegt werden, von 7,9 Kilometer
    Infektion ihr Verhalten anpassen und die Mobili-                                     pro Weg in der ersten Welle auf 4,3 Kilometer ver-
    tät begrenzen.                                                                       ringert. Dass der Radverkehr als Hoffnungsträger
                                                                                         der Verkehrswende gestärkt aus der Krise hervor-
    Die Orientierung auf das Wohnumfeld spiegelt                                         geht, lässt sich aktuell nicht erkennen.
    sich weniger deutlich im Modal Split wider. Der
    Anteil der Fußwege ist zwar gegenüber der MiD                                        Der Anteil des MIV hat sich dagegen vergrößert.
    um 20 Prozent gestiegen, hat sich aber im Ver-                                       Zusammen mit dem MIV-Mitfahreranteil liegt er
    gleich zur ersten Erhebungsphase (MOBICOR 1)                                         nun bei 62 Prozent und steigt damit auf einen
    um zwei Prozentpunkte verringert (s. Abbildung                                       Höchstwert. Das Auto bietet einen Schutzraum,
    S. 8). Der Anteil liegt nun bei 24 Prozent. Der Rück-                                einen „Reizschutzpanzer“ (Stephan Rammler);
    gang des Fahrradverkehrs lässt sich mit Verweis                                      von außen abgeschottet sichert es ein Stück Pri-
    auf das recht kühle und regnerische Wetter im                                        vatsphäre im öffentlichen Raum und verspricht
    Oktober erklären. Nach dem deutschen Wetter-                                         dadurch größere Sicherheit. Zwei von drei Wegen

    Mobilitätskennziffern für Baden-Württemberg – MOBICOR 1, MOBICOR 2 und MiD-Referenz (Oktober)
    Angaben in Prozent, alle Befragten

             Anzahl zurückgelegte Wege am                                     Durchschnittliche                       Unterwegszeit in Minuten
                      Berichtstag                                              Tageskilometer
      3,5                                                      45                                             100
                                                               40                                              90
      3
                                                               35                                              80
      2,5                                                                                                      70
                                                               30
      2                                                                                                        60
                                                               25
      1,5                                                                                                      50
                                                               20
                                                                                                               40
      1                                                        15
                                                                                                               30
      0,5                                                      10                                              20
                                                                 5                                             10
      00                                                         0                                              0

                MOBICOR Welle 2 (Oktober 2017)                  MOBICOR Welle 1 (Juni 2017)           MiD 2017 (Oktober 2017))

            Datenbasis: MOBICOR Baden-Württemberg und MiD im Oktober 2020 für Personen ab 16 Jahren
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8    MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
     AUSGABE 01.12.2020

    werden wohl auch deshalb mit dem Auto zurück-                                       zent. In absoluten Zahlen erbringt der MIV (nur
    gelegt, denn – umgekehrt – ein Hauptgrund den                                       Fahrer) 165 Mio. Personenkilometer, der ÖV 43
    ÖV zu meiden, wird mit der Angst von Ansteckung                                     Mio. Personenkilometer. Das Verkehrsaufkommen
    begründet, das geben immerhin über 50 Prozent                                       ist dagegen um 13 Prozent gestiegen. Es lässt sich
    der Befragten an. Schließlich ist der Anstieg des                                   also auch hier eine Nahraumorientierung beob-
    ÖV-Anteils am Modal Split um einen Prozentpunkt                                     achten, die durch etwa mehr Wege, aber deutlich
    zu erwähnen. Mit nun sieben Prozent liegt dieser                                    kürzere Wege gekennzeichnet ist. Exemplarisch
    Wert zwar weiterhin deutlich unter der MiD-Refe-                                    zeigt sich dies für die Wegelängen der MIV-Fahrer,
    renz von elf Prozent, aber dennoch ist ein Anstieg                                  die sich von 18 auf 11,9 Kilometer pro Weg ver-
    des ÖV-Anteils als positive Entwicklung zu erwäh-                                   ringert haben, aber um 25 Prozent mehr Wege
    nen. Dabei muss aber eine insgesamt deutlich ge-                                    erbringen. Ähnliches gilt für den ÖV mit einem
    ringere Verkehrsleistung berücksichtigt werden.                                     Anstieg von 32 Prozent des Verkehrsaufkommens.
    Mit hochgerechnet 281 Millionen Personenkilo-                                       Ausnahme ist das Fahrrad, dessen Verkehrsleis-
    metern am Stichtag wurden 67 Millionen oder 20                                      tung um fast 60 Prozent gesunken ist und auch
    Prozent weniger Personenkilometer zurückgelegt                                      das Verkehrsaufkommen mit 1,8 Mio. Wegen nur
    als in der ersten Erhebungswelle von MOBICOR.                                       noch 70 Prozent des Niveaus der ersten Welle be-
    Die Verkehrsleistung ist dadurch nur bei den Fuß-                                   trägt. Zu Einordnung der Ergebnisse ist zu beden-
    wegen leicht gestiegen, alle anderen Verkehrsmit-                                   ken, dass die Erhebung zu einer Zeit abnehmender
    tel verzeichnen Rückgänge. Der MIV und der ÖV                                       Mobilität, aber noch vor dem Lockdown erfolgte.
    verlieren jeweils 20 Prozent der Verkehrsleistung                                   Es ist damit zu rechnen, dass im November weite-
    der ersten Erhebungswelle, das Fahrrad 60 Pro-                                      re Rückgänge zu verzeichnen sein werden.

    Modal Split für Baden-Württemberg: MOBICOR 1, MOBICOR 2 und MiD-Referenz (Oktober)
    Wege, Angaben in Prozent

                                                                                                             ÖV
                           7                               11
                                            6
                                                                                                             MIV-Fahrer

                                                                                                             MIV-Mitfahrer
                         53               49               49
                                                                                                             Fahrrad

                                                                                                             zu Fuß

                           9                9              10
                           7              11               10

                         24                                20
                                          26
                                                          MiD Oktober
                     MOBICOR Welle 2
                      (Oktober 2017)

                                       MOBICOR Welle 1
                                            (Juni 2017)

          Datenbasis: MOBICOR Baden-Württemberg und Ausschnitt aus der regionalen MiD für Personen ab 16 Jahren im Oktober 2017
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9   MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
    AUSGABE 01.12.2020

                                            2,6
                                            Wege werden deutschland-
                                            weit im Oktober an einem
                                            typischen Tag durchschnitt-
                                            lich zurückgelegt., in der MiD
                                            waren es noch 3,2.
KRISE ALS DAUERZUSTAND? - Ministerium für Verkehr ...
10    MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
      AUSGABE 01.12.2020

     Die Abbildung unten links zeigt, dass die leicht po-                                niedrigem Status den ÖV seltener substituieren
     sitive Entwicklung der relativen ÖV-Anteile vor al-                                 (können) als die besser gestellten Haushalte, bei
     lem auf Haushalte mit geringem ökonomischem                                         denen er häufiger durch Autofahrten ersetzt wird.
     Status zurückzuführen ist. In der Abbildung wer-
     den die Anteile für ÖV, MIV und Rad entlang der                                     Wird der Modal Split nach Autobesitz differen-
     Statusgruppen und im Vergleich zur MiD darge-                                       ziert, dann zeigt sich eine leichte Zunahme des
     stellt. Zur besseren Lesbarkeit wurden die Fußwe-                                   MIV-Anteils gegenüber der MiD unter Autobesit-
     ge herausgerechnet und die Anteile von MIV-Fah-                                     zern, dem Verluste des ÖV-Anteils entgegenste-
     rer und -Mitfahrer zusammengefasst. Während                                         hen. Bei den autolosen Haushalten vergrößert
     sich der ÖV-Anteil der mittleren und oberen Sta-                                    sich der MIV-Anteil gegenüber der MiD um mehr
     tusgruppen gegenüber der MiD deutlich redu-                                         als das Doppelte. Dies ist auf einen hohen Anteil
     ziert hat, hat er sich für die Haushalte der unte-                                  an MIV-Mitfahrern zurückzuführen, die 42 Pro-
     ren Statusgruppe sogar leicht erhöht. Umgekehrt                                     zent aller Wege (ohne Fußwege) ausmachen. In
     verhält es sich mit den Radverkehrsanteilen, die                                    der Folge sinken die ÖV- und Fahrrad-Anteile deut-
     einen leichten Rückgang bei den Haushalten mit                                      lich auf 25 bzw. 27 Prozent (s. Abbildung unten
     hohem und mittlerem Status zeigen. Bei Haushal-                                     rechts). Wer ein Auto besitzt, nutzt dies verstärkt.
     ten mit niedrigem Status hingegen verringert sich                                   Wer hingegen kein Auto hat, für den steht als Al-
     der Anteil um 40 Prozent deutlich. Der MIV ist bei                                  ternative nur das Fahrrad zur Verfügung oder er
     allen Statusgruppen gestiegen, wobei die Haus-                                      verbleibt im ÖV. In Baden-Württemberg ist zudem
     halte mit mittlerem Status die größten Zuwächse                                     das Mitnehmen von Personen im Auto als weitere
     verzeichnen. Es zeigt sich, dass die Haushalte mit                                  Alternative zu erwähnen.

     Modal Split nach ökonomischem Haushaltsstatus für MIV,                              Modal Split nach Autobesitz für MIV, ÖV und Rad
     ÖV und Rad                                                                          Wege, Angaben in Prozent
     Wege, Angaben in Prozent

            MOBICOR Welle 2                        MiD 2017                                       MOBICOR Welle 2                  MiD 2017

                                                                                                       8                             10

                        6          8
              21                                             14       12
                                                   20                                                                 25

                                                                                                      83
                                                             76                                                                      80       43
                       86         82                                  76
              70                                   65
                                                                                                                      48

                                                                                                                                              22

               9        8         10               15        11       12                               8                             9
                       mittel
             niedrig

                                                                                                                      27
                                  hoch

                                                                                                      Ja
                                                             mittel

                                                                      hoch

                                                                                                                                              35
                                                                                                                                     Ja
                                                   niedrig

                                                                                                                      Nein

                                                                                                                                              Nein

               ÖV           MIV          Fahrrad

           Datenbasis: MOBICOR Baden-Württemberg und Ausschnitt aus der regionalen MiD für Personen ab 16 Jahren im Oktober 2017
11    MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
      AUSGABE 01.12.2020

     WARUM SIND DIE BEFRAGTEN UNTERWEGS?                                                     gen und im Verhältnis zur ersten Erhebungswelle
     DIE WEGEZWECKE                                                                          um 50 Prozent zugenommen haben. Zu beden-
                                                                                             ken ist bei einem Vergleich mit der MiD jeweils
     Der zweite Lockdown wird häufig als „Lockdown                                           das inzwischen deutlich niedrigere Verkehrsauf-
     light“ bezeichnet, da die Maßnahmen, die am                                             kommen insgesamt, das um fast zehn Prozent
     02.11.2020 in Kraft traten, weniger umfassend                                           unter dem Niveau der MiD liegt. Der Anstieg bei
     sind als die vom Frühjahr. Betroffen von Schlie-                                        den Einkaufswegen kompensiert die Verluste bei
     ßungen sind vor allem Freizeit- und Kulturein-                                          Freizeit- und Erledigungswegen. Geschlossene
     richtungen, Tourismus und Gastronomie sowie                                             Freizeiteinrichtungen und eher schlechtes Wetter
     bestimmte Dienstleistungen. Schulen, Kinderbe-                                          lassen das Shoppen als alternative Freizeittätig-
     treuungseinrichtungen und die meisten Arbeits-                                          keit erscheinen. Insgesamt nähern sich berufs-
     stätten bleiben hingegen offen. Verringerungen                                          bedingte Wege sowie Begleitwege anteilsmäßig
     der Anteile an den Wegezwecken lassen sich des-                                         dem MiD-Niveau an, dort sind die Maßnahmen
     halb vor allem bei Freizeit- und Erledigungswe-                                         des zweiten Lockdowns weniger tiefgreifend. Nur
     gen beobachten, die sich gegenüber der ersten                                           bei Einkaufs- und Erledigungswegen haben sich
     MOBICOR-Erhebungswelle um etwa 20 Prozent                                               die Anteile weiter vom MiD-Niveau entfernt als es
     reduzieren (s. Abbildung unten). Umgekehrt bei                                          in der ersten Welle der Fall war.
     Arbeitswegen, deren Anteile sich gegenüber der
     ersten Welle leicht erhöhen und die inzwischen                                          Die Änderungen der jeweils relativen Anteile des
     das MiD-Niveau erreichen. Gleiches gilt für dienst-                                     täglichen Verkehrsaufkommens sollten gemein-
     liche Wege, die das MiD-Niveau sogar überstei-                                          sam mit den absoluten Werten betrachtet wer-

     Wegezwecke im Vergleich MOBICOR 1, MOBICOR 2 und MiD 2017
     Angaben in Prozent

     30
                                                                                                                                          29
     25                                                                                                                                         26
                                                                                                                                    24
     20       22           22
                                                                                     21
                    19                                                                     19
                                                                                                                  18 18
     15
                                                                                                 15         15
     10                                 12
                                                     10
                                               8
      5                                                                                                                                                                  7
                                                                                                                                                             5
                                                              1     3 2                                                                                            3
      0
                   Arbeit                dienstlich          Ausbildung*               Einkauf               Erledigung                Freizeit            Begleitung

              MOBICOR Welle 2                    MOBICOR Welle 1             MiD 2017
          * geringe Fallzahl (
12    MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
      AUSGABE 01.12.2020

     Verkehrsaufkommen im Vergleich MOBICOR 1 und MOBICOR 2
     Angaben in Millionen Wegen, stichprobenbedingt größere Fehlerspielräume in MOBICOR (+/-15%)
      8

      7
                                                                                                                                                                   7
      6
                6                                                                                                                                    6
      5
                         5                                                            5
      4
                                                                                                   4    4            4
      3
                                                    3
      2
                                                              2
      1
                                                                                                                                                                                               1                1
      0
               Arbeit/                              dienstlich                         Einkauf         Erledigung                                    Freizeit                           Begleitung
             Ausbildung

              MOBICOR Welle 2                          MOBICOR Welle 1

          Datenbasis: MOBICOR Baden-Württemberg

     Wegezwecke mit Modal Split im Vergleich MOBICOR 1, MOBICOR 2 und MiD 2017
     Wege, Angaben in Prozent

              MOBICOR Welle 2                                                                               MOBICOR Welle 1
                           9                                                                                  8          14                                              9                            2
                                                     4         6            7           4                                                                  4
                14
                                      52                                                                                                                                              5

                         89                         88        86           82         86                     80           80             27              81            85                           91
                73                                                                                                                                                                  70
                                      47
                                                                                                                                         29
                           2            1            7                                                                      6                                                                         8
                12                                             8           12         10                     12                                          15              7
                                                                                                                                                                                    25
                                                                                                                         dienstlich

                                                                                                                                                                                                   Begleitung
                                                                                                                                                                       Erledigung

                                                                                                                                         45
                                                                                                            Arbeit

                                                                                                                                                         Einkauf

                                                                                                                                                                                    Freizeit

               MiD 2017
                                                                                                                                        Ausbildung

                            8                         8         9                       5
                                                                           12
                24                     49

                          84                         85       83                       84
                60                                                         73
                                       40

                17          9          11             8         8          15          12
                                      Ausbildung*
                         dienstlich

                                                              Erledigung
                                                    Einkauf

                                                                                      Begleitung
                                                                           Freizeit
               Arbeit

                                                                                                                  ÖV                  MIV                Fahrrad

                                                                                                            *insgesamt geringe Fallzahlen für Ausbildungsverkehr

          Datenbasis: MOBICOR Baden-Württemberg im Oktober 2020 (W2) und Auschnitt aus der regionalen MiD 2017 für Personen ab 16 Jahren im Oktober 2017
13    MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
      AUSGABE 01.12.2020

     den, um auch Veränderungen des Niveaus in den       cke (s. Abbildung S. 12 unten). Gegenüber der MiD
     Blick zu bekommen. Die Anzahl der Wege hat sich     ist eine deutliche Steigerung des MIV zu erken-
     gegenüber der Befragung im Frühjahr insgesamt       nen, wodurch das Fahrrad und insbesondere der
     um 13 Prozent auf 26 Millionen Wege vergrößert.     ÖV an Anteilen verlieren. Und auch gegenüber
     Während die Anzahl der Arbeitswege um 20 Pro-       der ersten Erhebungswelle haben sich die MIV-
     zent sowie Dienst- und Einkaufswege jeweils um      Anteile für die meisten Wegezwecke weiterhin
     sogar 50 Prozent zugenommen haben, lassen sich      erhöht. Ausnahmen bilden lediglich Arbeits- und
     auf Erledigungs- und Begleitwegen keine Ände-       Begleitwege, auf denen der MIV zugunsten des
     rungen gegenüber der ersten Erhebung von MO-        ÖV Anteile verloren hat. Bei den übrigen Wegzwe-
     BICOR erkennen. Auf Freizeitwege lässt sich sogar   cken hingegen haben sich die Modal Split-Anteile
     ein Rückgang um 14 Prozent auf sechs Millionen      des ÖV gegenüber der ersten Welle abermals ver-
     Wege erkennen. Das ist der einzige Wegezweck        ringert. Die Anteile des Fahrradverkehrs, die in der
     mit Rückgängen beim Verkehrsaufkommen (s.           ersten Welle in großem Umfang gestiegen sind,
     Abbildung S. 12 oben). Die Verkehrsleistung sinkt   haben sich bei fast allen Wegezwecken deutlich
     hingegen deutlich: Bei Einkaufwegen um etwa 50      reduziert. Hervorstechend ist dabei der Rückgang
     Prozent auf 35 Mio. Kilometer, bei Erledigungswe-   auf Freizeitwegen mit einem Verlust von 13 Pro-
     ge um 35 Prozent auf 40 Mio. Kilometer, bei Frei-   zentpunkten und einer Halbierung des Modal
     zeitwegen um 40 Prozent auf 58 Mio. Kilometer.      Split-Anteils. Auch auf Einkaufswegen zeigt sich
     Arbeits- und Dienstwege bilden auch hier die Aus-   dieser deutliche Rückgang, jedoch bei niedrige-
     nahme mit einem Anstieg von über 40 Prozent         rem Ausgangsniveau.
     auf 94 bzw. 40 Mio. Kilometer.
                                                         Wird die Blickrichtung um 90 Grad gedreht und
     Deutliche Änderungen zeigen sich bei der Dar-       dadurch die Anteile der Wegezwecke über alle
     stellung des Modal Splits entlang der Wegezwe-      Radwege hinweg betrachtet, dann zeigt sich, dass

                                                                             40 %
                                                                             Prozent der Befragten weichen
                                                                             derzeit auf das Auto aus, an-
                                                                             statt den ÖV zu nutzen.
14    MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
      AUSGABE 01.12.2020

     Freizeitwege nur noch ein Viertel aller Radwege                               bei der Einordnung der Ergebnisse berücksichtigt
     ausmachen. Das ist ein Rückgang von 40 Prozent                                werden, der vor dem Inkrafttreten der Maßnah-
     gegenüber der ersten Welle. Einkaufswege haben                                men lag. Diese Entwicklungen sollten also nicht
     nur noch einen Anteil von 16 Prozent und damit                                als eine Normalisierung der Mobilität betrachtet
     vier Prozentpunkte weniger als gegenüber dem                                  werden, da mit dem Beginn des „Lockdown light“
     Frühjahr. Arbeitswege hingegen konnten ihren                                  eher ein weiterer Rückgang in der Verkehrsleis-
     Anteil verdoppeln und umfassen jetzt 35 Prozent.                              tung zu erwarten ist. Die Abbildungen der Sei-
     Dabei beträgt jedoch die Verkehrsleistung des                                 ten 4 bis 6 verdeutlichen diese Einschätzung.
     Radverkehrs mit 7,7 Mio. Kilometern gerade mal
     ein Drittel der ersten Erhebungswelle. In absolu-                             MOBILITÄT VOR DEM ZWEITEN LOCKDOWN
     ten Werten ausgedrückt verringert sich dadurch
     die Verkehrsleistung des Radverkehrs auf allen                                Die Bundesregierung wird nicht müde auf die Not-
     Wegezwecken mit Ausnahme von Begleitwegen.                                    wendigkeit der Selbstbeschränkung zu verweisen
                                                                                   und empfiehlt überflüssige Wege zu vermeiden.
     Zusammengefasst entsteht ein komplexes Bild,                                  Damit sind vor allem private Anlässe gemeint, wie
     bei dem sich die Modal Split-Anteile entlang der                              Feiern oder auch Urlaubsreisen, die Mitte Oktober
     einzelnen Wegezwecke stärker dem MiD-Niveau                                   noch weitestgehend möglich waren. Der Aufruf
     annähern. Das sollte aber aufgrund der deutli-                                hat Wirkung gezeigt. Bundesweit waren am Be-
     chen geringeren Verkehrsleistung nicht als Indiz                              richtstag nur 79 Prozent der Befragten mobil, der
     für eine Überwindung der Corona-Krise gewertet                                Referenzwert der MiD für den Oktober liegt bei
     werden. Auch der Zeitpunkt der Erhebung sollte                                85 Prozent (s. Abbildung S. 14 links). Aber auch

     Am Berichtstag unterwegs
     Angaben in Prozent

               Am Berichtstag außer Haus?                                          Gründe für Nicht-Mobilität?
                                                                                   (Mehrfachnennungen)

                                                                                    Peronen zu Hause betreut     6

                                                                                    im Homeoffice gearbeitet     6

                                                                                      aufgrund der Pandemie          11
                       79                                    21                          auf Wege verzichtet

                                                                                                        krank        11

                                                                                               wetterbedingt          14

                                                                                             private Dinge zu              22
                                                                                              Hause erledigt
       ja       nein
                                                                                                  kein Anlass                   50

        Datenbasis: MOBICOR bundesweit im Oktober 2020 für Personen ab 16 Jahren
15     MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
       AUSGABE 01.12.2020

     der Umstand, dass Schulen und Betreuungsein-                                        zu Hause aus und zeigt nur den Anteil der Immo-
     richtungen geöffnet sind und viele Unternehmen                                      bilen unter den Heimarbeitern. Denn insgesamt
     kein Homeoffice anbieten möchten oder können                                        geben 20 Prozent der Befragten an, ganz oder teil-
     spiegelt sich in der Zahl wider, denn gegenüber                                     weise von zu Hause aus zu arbeiten, davon waren
     dem ersten Lockdown hat sich der Wert um vier                                       84 Prozent am Berichtstag unterwegs. Die Mobi-
     Prozentpunkte erhöht. Damals waren nur 75 Pro-                                      litätsquote der Personen im Homeoffice liegt da-
     zent der Befragten am Berichtstag unterwegs.                                        mit genau auf dem Niveau von Personen, die wei-
     Dass die Sorge um eine Infektion als Ursache für                                    terhin unverändert zur Arbeit gehen und ist höher
     das Zuhause bleiben angegeben wird, ist eher                                        als die von Personen in Kurzarbeit.
     die Ausnahme und betrifft nur elf Prozent der
     Nicht-Mobilen oder zwei Prozent aller Befragten.                                    Deutliche Unterschiede zeigen sich bei der Fra-
     Die häufigste Ursache für den Tag in den eigenen                                    ge, wer die Möglichkeit zum Homeoffice hat und
     vier Wänden war der fehlende Anlass. Das hat die                                    diese auch nutzt. Das gilt nur für acht Prozent der
     Hälfte aller nicht-mobilen Befragten als Begrün-                                    Personen aus ökonomisch schwächeren Haus-
     dung angegeben.                                                                     halten. Bei Personen mit hohem ökonomischen
                                                                                         Haushaltsstatus sind es 21 Prozent der Befragten
     Die Abbildung auf Seite 14 rechts zeigt die häu-                                    (s. Abbildung unten links). Umgekehrt verhält es
     fig genannten Gründe für die Nicht-Mobilität am                                     sich mit der Kurzarbeit, die etwa jeder Dritte mit
     Berichtstag für alle Befragten in Deutschland. Die                                  geringem ökonomischen Haushaltsstatus in An-
     Arbeit im Homeoffice mit einem Anteil von sechs                                     spruch nehmen muss, aber nur jeder Achte der
     Prozent unterschätzt den Umfang der Arbeit von                                      oberen Statusgruppe. Homeoffice bietet für ei-

     Anteile Homeoffice und Kurzarbeit nach                                              Alternativen zum ÖPNV
     ökonomischem Status                                                                 Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen
     Angaben in Prozent, nur Erwerbstätige*

                                                                                                                           MOBICOR          Baden-
                                                                                                                           bundesweit       Württemberg
                                8
     niedrig
                                                           34                            Es fahren ohnehin
                                                                                                                                  26             22
                                                                                         nicht ÖPNV
                                                                                         Es fahren ohnehin                   19                  27
                                      14                                                 unverändert
     mittel
                                      14
                                                                                         Es nutzen stattdessen
                                              21                                                                das Auto               41             40
     hoch
                                    12
                                                                                                          das Fahrrad        19              17

                                                                                         Es fahren zur Zeit
        Homeoffice                  Kurzarbeit                                                                              14              12
                                                                                         lieber gar nicht
     *einschließlich Selbständige und Beamte
     Personen ab 16 Jahren, MOBICOR 1. Welle 2020

          Datenbasis: MOBICOR Baden-Württemberg und MOBICOR bundesweit Oktober 2020 für Personen ab 16 Jahren
16    MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
      AUSGABE 01.12.2020

     nige Personen einen sicheren Schutz vor mögli-       Befragung an Personen ab 16 Jahren richtet und
     chen Infektionen, da sie sich weder im Büro noch     damit Schülerinnen und Schüler der Sekundarstu-
     auf dem Weg dorthin einem Risiko aussetzen.          fe I in der Regel nicht erfasst werden. Diese um-
     Die Nutzung des öffentlichen Verkehrs wird mit       fassen aber insbesondere in ländlichen Regionen
     einem erhöhten Infektionsrisiko in Verbindung        einen großen Teil der täglichen ÖV-Nutzer. Berich-
     gebracht, da man dort mit vielen Menschen auf        te an anderer Stelle beziehen diese Gruppe mit
     engem Raum zusammen kommt. Entsprechend              ein und gehen von einer Erholung der Fahrgast-
     weichen viele ÖV-Nutzer auf alternative Verkehrs-    zahlen aus, die sich insbesondere nach dem Ende
     mittel aus, jeder sechste auf das Fahrrad und vier   der Schulferien zeigt. In dem vorliegenden Bericht
     von zehn Befragten auf das Auto. Zwölf Prozent       wird hingegen verdeutlicht, dass Personen, die
     fahren derzeit lieber gar nicht als den ÖV zu nut-   nicht auf den ÖV angewiesen sind, diesen auch
     zen (s. Abbildung S. 15 unten rechts). Nur jeder     stärker meiden. Ein solches Verhalten kann sich
     vierte Befragte gibt an, weiterhin unverändert im    verstetigen und der ÖV würde dauerhaft Kunden
     ÖV unterwegs zu sein. Aber wiederum jeder zwei-      verlieren. Denn etwa die Hälfte der Befragten hält
     te davon würde gerne auf andere Verkehrsmittel       es aktuell für unwahrscheinlich, nach der Corona-
     ausweichen, wenn Alternativen zur Verfügung          Pandemie wieder den ÖV stärker zu nutzen; das
     stünden. Diese Zwangskunden, die sogenann-           gilt auch für 25 Prozent der autolosen Haushalte.
     ten „Captives“, kaschieren damit die potenziellen
     Fahrgastverluste im ÖV.                              Wer also die Möglichkeit hat, weicht auf andere
                                                          Verkehrsmittel aus, zumindest ein großer Teil der
     Bei diesen Zahlen muss allerdings berücksichtigt     vormaligen ÖV-Nutzer. Die Angst vor Ansteckung
     werden, dass ein Großteil dieser Captives in der     ist dabei der meistgenannte Grund für die Abkehr
     Erhebung nicht berücksichtigt wird, da sich die      vom ÖV und wird von etwa jedem Zweiten ange-

                                                          Gründe für die Abkehr vom OPNV
                                                          Personen, die aktuell weniger ÖPNV fahren, Angaben in
                                                          Prozent, Mehrfachnennungen

                                                             Angst vor Ansteckung                                            53

                                                                       Maskenpflicht             11

                                                                  schlechte Taktung                                34

                                                           schlechte Verbindungen                                       44

                                                                      andere Gründe                                33

                                                           Datenbasis: MOBICOR Baden-Württemberg im Oktober 2020
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      AUSGABE 01.12.2020

     führt, der derzeit Alternativen nutzt. Die Masken-         unter 30-Jährigen, von denen fast 60 Prozent eine
     pflicht, die ja dem Schutz vor Infektionen dient,          stärkere ÖV-Nutzung für wahrscheinlich halten.
     ist andererseits selbst Ursache für die Nicht-Nut-         54 Prozent der Personen im Homeoffice geben an,
     zung des ÖV, das gibt zumindest jeder zehnte Be-           den ÖV wieder stärker zu nutzen, wenn die Coro-
     fragte an. Die weiteren, häufig genannten Gründe           na-Pandemie vorbei ist, aber nur 38 Prozent der
     für die Abkehr vom ÖV stehen nicht in direktem             Befragten mit hohem ökonomischem Haushalts-
     Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und                   status. Bei den Personen mit geringem Haushalts-
     scheinen eher generelle Mängel in der Verbin-              status sind hingegen 60 Prozent. Unterschiede
     dungsqualität zu benennen, wie schlechte Tak-              zwischen den Geschlechtern sind in dieser Frage
     tung oder schlechte Verbindungen (s. Abbildung             kaum ausgeprägt, wobei Frauen mit 53 Prozent
     S. 16).                                                    etwas häufiger beabsichtigen zum ÖV zurückzu-
                                                                kehren als dies Männer mit 47 Prozent angeben
     Wie bereits erwähnt, hält nur jeder zweite Be-             (s. Abbildung unten).
     fragte eine Rückkehr zum ÖV nach dem Ende
     der Pandemie für wahrscheinlich. Dabei besteht             Ein hoher Zuspruch den ÖV wieder verstärkt zu
     ein leichtes Stadt-Land-Gefälle. Etwa 60 Prozent           nutzen kommt von den Personen, die corona-be-
     der Menschen in ländlichen Regionen halten                 dingt das Fahrrad als Alternative zum ÖV gewählt
     die Rückkehr für eher unwahrscheinlich. Eben-              haben. Etwa 60 Prozent halten dies für mindes-
     so gibt es ein Altersgefälle: Mit zunehmendem              tens wahrscheinlich. Ebenso von denjenigen, die
     Alter sinkt die Bereitschaft, den ÖV wie zuvor in          lieber gar nicht fahren, anstatt den ÖV zu nutzen.
     Anspruch zu nehmen. Nur bei den über 65-Jäh-               Unter denen, die das Auto als Alternative gewählt
     rigen steigt die Bereitschaft wieder an und liegt          haben, ist es weniger als jeder zweite Befragte.
     mit 53 Prozent nur leicht unter dem Niveau der             62 Prozent hingegen halten eine Rückkehr in den

     Wahrscheinlichkeit einer stärkeren Nutzung des ÖPNV nach Corona
     Angaben in Prozent, alle Personen
                                  0         10        20        30      40       50        60       70       80
                            Gesamt

                               Stadt
                               Land

                          männlich
                           weiblich

                 unter 30 Jahren
                     30-49 Jahre
                     50-64 Jahre
               65 Jahre und älter

              Umstieg auf Auto
           Umstieg auf Fahrrad
           Fahre eher gar nicht
               Fahre wie bisher
        Fahre ohnehin nicht ÖV
        Datenbasis: MOBICOR Baden-Württemberg im Oktober 2020
18    MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
      AUSGABE 01.12.2020

     ÖV für unwahrscheinlich. Für diese Personen gilt                          Rückkehr zu einer reibungslos funktionierenden
     demnach, wer einmal im Auto sitzt, ist nur schwer                         Gesellschaft.
     für den ÖV zurückzugewinnen.
                                                                               Den Befragten wurde deshalb eine Liste von Maß-
     ZURÜCK ZUR NORMALITÄT – WAS KANN DEM                                      nahmen vorgelegt, die geeignet scheinen, das
     ÖV HELFEN?                                                                Vertrauen in eine risikofreie Nutzung des ÖV zu-
                                                                               rückzugewinnen. Dazu gehören:
     Die Angst vor Infektionen ist der Hauptgrund für
     die Suche nach Alternativen zum ÖV. Diese kön-                            - Durchsetzung der Maskenpflicht
     nen andere Verkehrsmittel wie Auto oder Fahrrad                           - Mehr Platz in den Fahrzeugen
     sein oder aber es wird versucht gänzlich auf Wege                         - Häufigere Fahrzeugreinigung/Oberflächendes
     außer Haus zu verzichten. Mobilität ist das Rück-                           infektion
     grat unserer Gesellschaft, der öffentliche Verkehr                        - Einsatz keimreduzierter Materialien in Fahr-
     ist dabei elementar für Partizipation und Integra-                          zeugen
     tion. Ohne einen frei zugänglichen, akzeptierten                          - Transparente Kommunikation zum Ansteckungs-
     und angstfrei nutzbaren ÖV wird eine Rückkehr                              risiko
     zur Normalität nicht möglich sein. Dafür sind
     zu viele Arbeitsplätze, soziale Beziehungen und                           Zudem gab es die Möglichkeit, bei keiner der be-
     Möglichkeiten der Teilhabe am gesellschaftlichen                          nannten Maßnahmen den ÖPNV häufiger zu
     Leben abhängig von ihm. Die Frage nach den                                nutzen. Jede und jeder Befragte konnte eine oder
     Möglichkeiten, den ÖV so zu gestalten, dass er                            mehrere Maßnahmen angeben. Ob die Kombina-
     ohne Vorbehalte in Anspruch genommen werden                               tion mehrerer Maßnahmen stärker zur ÖV-Nut-
     kann, ist für die nächste Zeit also zentral für die                       zung motivieren würde, scheint wahrscheinlich,

     Häufigere Nutzung von ÖPNV bei der Umsetzung bestimmter Maßnahmen
     Angaben in Prozent; Mehrfachnennungen
     70

     60

     50

     40

     30

     20

     10

      0
              Gesamt             Stadt             Land    männlich       weiblich       unter 30   30-49 Jahre 30-49 Jahre     65 Jahre
                                                                                          Jahre                                 und älter
                                      RegioStar2                  Geschlecht                              Altersgruppen

          Durchsetzung der Maskenpflicht                  mehr Platz in den Fahrzeugen          häufigere Reinigung/ Oberflächendesinfektion
          Einsatz keimreduzierter Materialien             transparente Kommunikation zum        keine der genannten Maßnahmen
          in Fahrzeugen                                   Ansteckungsrisiko

          Datenbasis: MOBICOR Baden-Württemberg
19    MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
      AUSGABE 01.12.2020

     kann aber aus den vorliegenden Daten nicht ab-       häufiger den ÖV nutzen würde, sind es bei diesen
     gelesen werden.                                      Maßnahmen nur 28 bzw. 29 Prozent der männli-
                                                          chen Befragten. Diese würden aber bei der Durch-
     Die Maßnahmen erhalten über alle Befragten hin-      setzung der Maskenpflicht (32 Prozent) und einer
     weg nur geringen Zuspruch. Nur zwischen 25 und       transparenten Kommunikation über das Anste-
     33 Prozent der Befragten sehen die Maßnahmen         ckungsrisiko eher in den ÖPNV zurückkehren als
     als ausreichend an, um sie zur Rückkehr zum ÖV       es Frauen bei diesen Maßnahmen tun würden.
     zu motivieren (s. Abbildung S. 18). Dabei scheinen
     die Durchsetzung der Maskenpflicht, häufigere        Entlang der Altersgruppen wiederholt sich das
     Fahrzeugreinigung sowie ein größeres Platzange-      Muster, das sich auch für die Wahrscheinlichkeit
     bot in den Fahrzeugen als die wirksamsten Mit-       einer Rückkehr zum ÖPNV nach Corona abge-
     tel, den Sorgen der Fahrgäste zu begegnen. Eine      zeichnet hat. Die jüngeren Jahrgänge sind gene-
     transparente Kommunikation wird dagegen als          rell offener für die Rückkehr zum ÖPNV und wür-
     eine weniger wirksame Maßnahme angesehen             den sich auch durch die benannten Maßnahmen
     und erhält nur 27 Prozent Zustimmung. Mehr als       stärker motivieren lassen. Die Zustimmung zu den
     die Hälfte der Befragten gibt jedoch an, dass sie    Maßnahmen liegt zwischen 33 und 50 Prozent.
     bei keiner der benannten Maßnahmen den ÖPNV          Mit höherem Alter lässt auch das Vertrauen in die
     häufiger nutzen würden.                              Wirksamkeit der Maßnahmen nach. Die geringste
                                                          Zustimmung findet sich in der Altersgruppe der
     Männern und Frauen unterscheiden sich bei der        50- bis 64-Jährigen, von denen jeder vierte bei ei-
     Bewertung der Maßnahmen. Während mehr als            ner Durchsetzung der Maskenpflicht und mehr
     jede dritte Frau unter den Befragten bei mehr        Platzangebot in den ÖPNV zurückkehren würde.
     Platz in den Fahrzeugen oder einer häufigeren        Die Zustimmung zu den anderen Maßnahmen
     Fahrzeugreinigung bzw. Oberflächendesinfektion       liegt zwischen 15 und 20 Prozent. Die 65-Jährigen

                                                                             13 %
                                                                             Die Anzahl der Wege insge-
                                                                             samt hat sich zwischen der
                                                                             ersten und zweiten Erhe-
                                                                             bungswelle um 13 Prozent
                                                                             erhöht.
20    MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
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     und älteren Befragten zeigen eine leicht höhere          PERSÖNLICHER UMGANG MIT DER CORONA-
     Bereitschaft bei Durchsetzung der Maßnahmen              PANDEMIE
     in den ÖV zurückzukehren.
                                                              Die Dauer der Pandemie wird für viele Menschen
     Unterschiede bei den Befragten, die auf Alterna-         zur Belastung. Existentielle Unsicherheiten, wie
     tiven zum ÖPNV zurückgreifen, bestehen nur bei           es in Zukunft weitergehen soll, werden von der
     den Hygienemaßnahmen in größerer Spannbrei-              Sorge vor einer Infektion begleitet, die sie selber
     te. Diese werden von denen, die eher gar nicht           oder auch Freunde, Verwandte oder Bekannte be-
     fahren, mit nur 25 Prozent als wirksam angese-           treffen könnte. Etwa jeder Vierte hat Angst, sich
     hen, bei den Befragten, die wie bisher den ÖV nut-       selber mit dem Virus anzustecken, jeder Fünfte
     zen, liegt die Zustimmung hingegen zwischen 35           teilt die Sorge, schwer am Corona-Virus zu er-
     und 41 Prozent. Ob sie dadurch allerdings häufi-         kranken. Dabei sind die Ängste bei den älteren
     ger Fahren würden, wie in der Fragestellung for-         Befragten nicht ausgeprägter als bei den jünge-
     muliert, ist insofern offen, da es ja vorab keine Ver-   ren Menschen, teilweise liegen sie sogar darunter.
     haltensanpassung gab und sie weiterhin den ÖV            Mehr als die Hälfte der über 64-Jährigen gibt an,
     „wie gewohnt“ nutzen. Vielmehr scheinen diese            keine Angst vor einer Infektion zu haben, 61 Pro-
     Antworten ein generelles Bedürfnis ausdrücken,           zent haben keine Angst schwer am Corona-Virus
     bei der regelmäßigen ÖV-Nutzung vor möglichen            zu erkranken (s. Abbildung S. 21).
     Ansteckungsgefahren geschützt zu werden.
                                                              Auch wenn ein großer Teil der älteren Befragten
                                                              keine Angst vor einer Infektion hat, sorgen sich die
                                                              jüngeren stärker um das Wohlergehen der Eltern
                                                              und Großeltern als um die eigene Gesundheit.
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     Vier von fünf Befragten unter 30 Jahren stimmen            ßert diese Befürchtung. Bei den Altersgruppen im
     dieser Aussage zu. Bei den Altersgruppen zwi-              berufsfähigen Alter sinkt dieser Wert auf sechs
     schen 30 und 64 Jahren sind es noch etwa 60 Pro-           bzw. zwölf Prozent. Jeder fünfte Befragte gibt an,
     zent der Befragten.                                        dass die Corona-Krise persönlich sogar positive
                                                                Folgen haben wird.
     Sorgen machen sich die Menschen nicht nur um
     die Gesundheit, sondern auch um den Gemütszu-              Diese Befunde decken sich mit aktuellen Ergebnis-
     stand. Die Einschränkungen in der Mobilität ver-           se aus der psychologisch-klinischen Forschung, in
     hindern häufig auch Besuche bei den Eltern oder            denen zum einen auf eine altersbedingte Stress-
     Großeltern. Dennoch nimmt das Gefühl sich ein-             Resilienz verwiesen wird, die den Umgang mit
     sam zu fühlen mit höherem Alter nicht zu. Bei den          Krisen im Alter erleichtert, da man auf viele Erfah-
     unter 30-Jährigen sind es nur 13 Prozent, die sich         rungen mit überwundenen Schicksalsschlägen
     einsam fühlen, bei den älteren Befragten ist es mit        zurückblicken kann. Zum anderen kann auch die
     21 Prozent etwa jeder fünfte Befragte, weniger als         Aussage, man könne der Krise etwas Positives ab-
     in der Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen mit 29         gewinnen, im Kontext von Strategien zur Stress-
     Prozent. Ähnlich ausgeprägt ist dieses Gefühl bei          bewältigung gesehen werden. Wer es schafft, die
     Personen im Homeoffice, die zu 26 Prozent ange-            aktuelle Situation mit den zahlreichen Beschrän-
     ben, sich einsam zu fühlen. Allerdings sind dabei          kungen für sich selber positiv zu bewerten, indem
     die geringen Fallzahlen zu beachten.                       sich Hobbies und Tätigkeiten wie Jogging, Brotba-
                                                                cken oder der Malerei verstärkt zugewandt wird,
     Befürchtungen um einen Verlust des Arbeits- oder           der empfindet auch die Kontaktbeschränkungen
     Ausbildungsplatzes sind bei den jüngeren Befrag-           weniger belastend.
     ten deutlich ausgeprägt. Jeder vierte Befragte äu-

     Angst, sich mit dem Corona-Virus anzustecken
     Angaben in Prozent, alle Befragten

     60

                                                                                     trifft zu
     50
                                                                                     teils, teils

     40                                                                              trifft nicht zu

     30

     20

     10

      0
               unter 30               30 bis 49     50 bis 64     65 Jahre
                Jahre                  Jahre         Jahre        und älter
          Datenbasis: MOBICOR Baden-Württemberg
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      AUSGABE 01.12.2020

     WAS KOMMT, WAS BLEIBT: ERWARTUNGEN FÜR                        Ernsthafte Geldprobleme werden nicht mehr auf
     DIE KOMMENDEN 6 MONATE                                        einem so geringen Niveau erwartet, wie in der
                                                                   ersten Erhebungswelle. Die Sorge um ernsthaf-
     Die erste Erhebungswelle begann mit der Frage                 te Geldprobleme hat sich verdoppelt und betrifft
     nach dem Befinden. Das war nicht nur ein Warm-                inzwischen etwa jeden siebten Befragten. Zuvor
     up für die anschließende Mobilitätsbefragung,                 waren es acht Prozent (s. Abbildung unten). Ähn-
     sondern es sollte ein spontaner und allgemeiner               lich sieht die Entwicklung bei den Erwartungen
     Eindruck der persönlichen Wahrnehmung ermit-                  im Hinblick auf gesundheitliche Einschränkungen
     telt werden, schließlich handelte es sich um eine             aus. Inzwischen gibt jeder Vierte an, diese Erwar-
     zuvor nie dagewesene Situation. Wie es den Men-               tung zu teilen und damit mehr als doppelt so viele
     schen mit solchen Einschränkungen konfrontiert                wie in der ersten Welle.
     gehen würde, war unbekannt und ohne Vergleich.
     Bemerkenswerterweise ging es der großen Mehr-                 Die Erwartung einer Einschränkung der Grund-
     heit sehr gut. Anschließend wurde ein Ausblick                rechte teilt inzwischen fast jeder zweite Befrag-
     auf die Erwartungen an die nächsten sechs Mo-                 te und damit knapp 20 Prozentpunkte mehr als
     nate erhoben, damals wohl überwiegend in der                  in der ersten Erhebungswelle. Besonders ausge-
     Erwartung, dass bis dahin die Krise überwunden                prägt ist diese Erwartung in den Altersgruppen
     sei. In der zweiten Erhebungswelle, etwas we-                 der unter 30-Jähringen mit 68 Prozent und der
     niger als ein halbes Jahr später, wurde die Frage             zwischen 30- bis 49-Jährigen mit 55 Prozent.
     nach den Erwartungen erneut gestellt. Die Ver-                Auch von den Personen in Kurzarbeit und denen
     änderungen im Vergleich zur ersten Welle geben                mit niedrigem ökonomischem Haushaltsstatus
     einen Eindruck, wie sich die Dauer der Corona-                gibt deutlich mehr als die Hälfte der Befragten
     Pandemie auf diese Einschätzungen auswirkt.                   an, eine weitere Einschränkung der Grundrechte
                                                                   zu erwarten. Dass die bestehenden Maßnahmen

     Erwartungen für die kommenden sechs Monate
     Angaben in Prozent, alle Befragten

       60
                                                                                           MOBICOR W2

       50                                                                                  MOBICOR W1

       40

       30

       20

       10

        0
                 Ernsthafte              Gesundheitliche   Einschränkungen
                Geldprobleme             Einschränkungen     Grundrechte
             Datenbasis: MOBICOR Baden-Württemberg
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      AUSGABE 01.12.2020

     und auch im Ausblick auf den weiteren Verlauf        Zunahme des Radverkehrs während und nach
     des Pandemiegeschehens als eine Einschränkung        dem ersten Lockdown zumindest aus umweltpo-
     der Bürgerrechte wahrgenommen werden, muss           litischer Perspektive keinen Schaden auf dem Weg
     nicht als Ausdruck einer Ablehnung dieser Maß-       zur Verkehrswende erzeugt. Klimaforscher haben
     nahmen verstanden werden. Zunächst bleiben           vielmehr bestätigt, dass es zu einer weltweiten
     die Aussagen in der Interpretation offen. Dennoch    Abnahme der CO2-Emissionen kam. Im Sommer
     sollte der Frage nach einer schwindenden Akzep-      schien auch das Virus weitestgehend auf dem
     tanz gegenüber den getroffenen Maßnahmen an          Rückzug, die Zahlen der Neuinfektionen gingen
     anderer Stelle nachgegangen werden. Eine Wahr-       deutlich zurück und auch die Zahl der schweren
     nehmung der Maßnahmen als unverhältnismä-            Erkrankungen und Todesfälle. Die Bedrohung er-
     ßige Einschränkung der Bürgerrechte, kann zu         schien für manche schon überwunden.
     deren Missachtung führen, wodurch die Ausbrei-
     tung des Corona-Virus SARS-CoV-2 noch weniger        Mit dem Ende des Sommers stiegen die Infekti-
     kontrolliert werden könnte.                          onszahlen langsam wieder an und beschleunig-
                                                          ten sich am Ende der Urlaubszeit und der warmen
     FAZIT UND AUSBLICK                                   Tage so stark, dass ein neuer Lockdown, zumin-
                                                          dest ein partieller, erforderlich wurde. Damit sind
     Bereits in der ersten Erhebungswelle hat sich eine   auch die Hoffnungen auf ein schnelles Ende der
     Bewährungsprobe für den ÖV angedeutet, die           Pandemie dahin. Für den ÖV hat sich die Situation
     Rückgänge der Fahrgäste waren enorm. Der erste       nicht entspannt, das zeigen die aktuellen Zahlen
     Lockdown wurde aber eher als außerordentliche        in diesem Bericht. Und eine Änderung zum Guten
     Ausnahme wahrgenommen, als eine Situation,           ist nicht in Sicht, da auch ein größeres Platzange-
     die sich nicht so schnell wiederholen kann und       bot in den Fahrzeugen, verbesserte Hygiene und
     darf. Zudem hat die Corona-Pandemie durch eine       verstärkte Reinigungen oder die Durchsetzung

       35 %
       Etwa jeder dritte Befragte gibt
       an, den ÖV häufiger zu nutzen,
       wenn mehr Platz in den Fahr-
       zeugen zur Verfügung stünde
24    MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
      AUSGABE 01.12.2020

     der Maskenpflicht nur einen Teil der ehemaligen        An diesem Punkt sollten Denkverbote beiseitege-
     Fahrgäste zurück in die Fahrzeuge bringen würde.       schoben und Erkenntnischancen genutzt werden.
     Und je länger die Pandemie andauert, desto grö-        Es muss zur Kenntnis genommen werden, dass
     ßer wird der Schaden für den ÖV. Denn wer kann,        es eine Rückkehr zur Normalität, wie man sie vor
     weicht auf das Auto aus, fährt Fahrrad oder un-        Corona kannte, nicht ohne Anstrengung geben
     terlässt Wege lieber ganz, als diese mit Bus und       wird. Einige Fahrgäste bleiben dauerhaft verloren,
     Bahn zu bestreiten. Es besteht durchaus die Ge-        wenn sich die Ergebnisse der Studie bestätigen.
     fahr, dass der ÖV als Transporteur lediglich von       Dabei wäre ein in vielen Belangen verbesserter
     Zwangskunden wahrgenommen wird und ein                 ÖPNV schon vor dem Corona-Einschnitt ein Ge-
     schlechtes Image erhält, das potenzielle Neukun-       bot der Stunde gewesen. Nun kommen weitere
     den oder auch Rückkehrer abschreckt.                   Herausforderungen dazu. Mögliche dauerhaft
                                                            höhere Homeoffice-Anteile, um einen Aspekt zu
     Aber immerhin: Zwei Drittel der Befragten, die Bus     nennen, entschärfen möglicherweise den Ge-
     und Bahn weiternutzen tun dies aus Zufrieden-          samtverkehr, bedeuten aber für den öffentlichen
     heit mit dem ÖV, etwa jeweils ein Drittel nennt        Verkehr zunächst Einnahmeverluste. Wachsende
     Reisezeitgewinn bzw. Bequemlichkeit sowie Kli-         Ansprüche an die Transport- und Aufenthaltsqua-
     maaspekte als Gründe für die Weiternutzung.            lität, ein weiterer Aspekt, verlangen jedoch Mo-
     Und nach der Corona-Pandemie, wenn keine In-           dernisierungen und damit mehr Mittel als bisher.
     fektionsgefahr mehr besteht, wird die Situation
     eine andere sein. So schnell sich an bestimmte         Ein moderner und leistungsfähiger ÖV bleibt zen-
     neue soziale Praktiken gewöhnt wurde, zum Bei-         tral für die Verkehrswende und die Erreichung der
     spiel die Begrüßung per Ellenbogen und das Un-         Klimaziele, zu denen sich Deutschland verpflich-
     terlassen des Händeschüttelns, so schnell werden       tet hat. Die Herausforderungen, mehr Menschen
     auch alte Gewohnheiten und Routinen wieder             von der Nutzung des ÖV zu überzeugen, sind
     zurückkehren. Und es ist anzunehmen, dass auch         mit der Corona-Pandemie gewachsen. Hier kann
     ein Teil derjenigen, die jetzt davon überzeugt sind,   das positive Image eines klimaverträglichen Ver-
     den ÖV in Zukunft weniger oder gar nicht mehr zu       kehrsmittels sicher positives leisten. Doch die An-
     nutzen, ihre Einstellung revidieren und in den ÖV      strengungen einer Stärkung des ÖV insgesamt,
     zurückkehren werden. Dennoch, und das ist an           mit denen bereits vor der Krise begonnen wurde,
     dieser Stelle zu betonen, die derzeitige Situation     müssen fortgesetzt und intensiviert werden. Das
     stellt eine Herausforderung dar, die aktiv ange-       gilt für den Fernverkehr gleichermaßen wie für
     gangen werden muss. Denn Änderungen der Ar-            ÖPNV in der ländlichen Peripherie.
     beitsorganisation durch Homeoffice werden nicht
     mehr vollständig verschwinden.
25    MOBILITÄTSREPORT BADEN-WÜRTTEMBERG 02
      AUSGABE 01.12.2020

     EXKURS: WIE SOLL AUF DEN NIEDRIGEN ÖLPREIS REAGIERT WERDEN?

     Die Ölpreissenkungen der letzten Monate haben        ländlichen Regionen mit sechs Prozent gerade
     auch zu einer Verringerung der Kraftstoffpreise      mal einer von 16 Befragten befürwortet. Es beste-
     geführt. Diesel und Benzin sind deutlich billiger    hen zudem größere Unterschiede zwischen den
     geworden. Die Teilnehmer der MOBICOR-Studie          Geschlechtern. Etwas weniger als die Hälfte der
     aus Baden-Württemberg wurden deshalb ge-             weiblichen Befragten befürwortet eine Verringe-
     fragt, wie der Staat darauf reagieren sollte, z.B.   rung der Kraftstoffkosten, jede vierte Befragte ist
     bezüglich der Energiesteuer und einer Anpassung      der Meinung, die Preise für Kraftstoffe sollen sich
     der Kraftstoffpreise.                                nicht anpassen und so bleiben wie bisher. Nur
                                                          neun Prozent der Frauen sind für eine deutliche
     Über die Hälfte der Befragten möchte, dass sich      Erhöhung der Kraftstoffpreise. Bei den Männern
     der günstige Ölpreis auch auf die Kraftstoffkosten   gibt es mit 59 Prozent deutlich mehr Befürworter
     auswirkt. Etwa jeder fünfte Befragte spricht sich    einer Senkung der Kraftstoffkosten, aber mit 18
     dafür aus, die Kosten für Benzin und Diesel auf      Prozent auch eine, im Vergleich zu den weiblichen
     gleicher Höhe zu belassen und nur 13 Prozent der     Befragten, größere Gruppe, die sich für eine Erhö-
     Befragten sehen in dem niedrigen Ölpreis keinen      hung der Kosten ausspricht.
     Anlass die Kraftstoffpreise zu senken und würden
     sogar deren Erhöhung befürworten. Fast jeder         Auch die jüngeren Altersgruppen bis 49-Jahre
     achte Befragte hat keine Meinung dazu, wie der       sind mehrheitlich für eine Reduzierung der Kraft-
     Staat reagieren sollte (s. Abbildung unten).         stoffkosten, doch die Zustimmung zu einer Kos-
                                                          tensenkung ist bei den 50- bis 64-Jährigen mit
     In Stadtregionen ist etwa jeder Fünfte für eine      60 Prozent am größten. Bei den über 65-Jährigen
     Erhöhung der Kraftstoffkosten, während es in         sinkt diese Zustimmung dann deutlich auf 46 Pro-

     Antwort auf Frage nach Reaktion des Staats auf den gesunkenen Ölpreis in Baden-Württemberg
     alle Befragten, Angaben in Prozent

                                                            gar nicht. Kraftstoff wird günstiger
                               13
                          1                                 deutliche Erhöhung Kraftstoff

                                                            Erhöhung. Gleiche Kosten für Kraftstoff
                     13
                                                54          verweigert

                                                            weiß nicht

                        19

        Datenbasis: MOBICOR Baden-Württemberg
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