KUSS DER GEGENWART 4. LIEDERABEND - Szenischer Liederabend zur Epoche des Jugendstils

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KUSS DER GEGENWART 4. LIEDERABEND - Szenischer Liederabend zur Epoche des Jugendstils
4. LIEDERABEND
KUSS DER GEGENWART
Szenischer Liederabend zur Epoche des Jugendstils
KUSS DER GEGENWART 4. LIEDERABEND - Szenischer Liederabend zur Epoche des Jugendstils
4. LIEDERABEND
                              KUSS DER GEGENWART
                              Szenischer Liederabend zur Epoche des Jugendstils

                              Christina Niessen Sopran
                              Luise von Garnier Mezzosopran
                              Merlin Wagner Tenor
                              Renatus Mészár Bassbariton
                              Irene-Cordelia Huberti Klavier

                              Inszenierung Anja Kühnhold
                              Bühne & Kostüme Elisabeth Richter
                              Dramaturgie Stephan Steinmetz
                              Licht Aljoscha Glodde
                              Inspizienz Gabriela Muraro
                              Gestaltung Kostümpuppen Diana Susanto
                              Bühne KLEINES HAUS Stefan Blum, Gregor Flöther, Oliver Heidinger
                              Requisite Uwe Tillmann, Clemens Widmann

                              In Kooperation mit dem Badischen Landesmuseum und
                              der Ausstellung Göttinnen des Jugendstils

                              30.4.22 19.30 KLEINES HAUS
                              Dauer ca. 1 ¾ Stunden, eine Pause

Gustav Klimt Der Kuss, 1907
KUSS DER GEGENWART 4. LIEDERABEND - Szenischer Liederabend zur Epoche des Jugendstils
PROGRAMM

RICHARD STRAUSS                                                                        ALEXANDER ZEMLINSKY
Traum durch die Dämmerung op. 29/1 (1895)                           Renatus Mészár     Die drei Schwestern op. 13/1 (1910)                                 Luise von Garnier

ALBAN BERG                                                                             ARNOLD SCHÖNBERG
Die Nachtigall (1907)			                                           Christina Niessen   Gigerlette, Brettl-Lieder (1901)		                                  Christina Niessen

HANS PFITZNER                                                                          GUSTAV MAHLER			                                                    Christina Niessen,
Die Einsame op. 9/2 (1895)			                                      Luise von Garnier   Trost im Unglück, Des Knaben Wunderhorn (1892)                        Merlin Wagner

ALMA MAHLER                                                                            GUSTAV MAHLER
Ich wandle unter Blumen (1910)		                                     Merlin Wagner     Liebst du um Schönheit, Rückert-Lieder (1902)                        Renatus Mészár

GUSTAV MAHLER                                                                          RICHARD STRAUSS
Selbstgefühl (1887)			                                               Merlin Wagner     Die Georgine op.10/4 (1885)			                                      Luise von Garnier

JOSEPH MARX                                                                            RICHARD STRAUSS
Liebe (1907)			                                                    Luise von Garnier   Der Arbeitsmann op. 39/3 (1889)		                                     Merlin Wagner

RICHARD STRAUSS                                                                        HUGO WOLF
Ach weh, mir unglückhaftem Mann op. 21/4 (1889)                      Merlin Wagner     Das Köhlerweib ist trunken, Alte Weisen (1890)                      Christina Niessen

RUDI STEPHAN                                                                           HUGO WOLF
Up de eensame Hallig (1914)			                                      Renatus Mészár     Herz verzage nicht geschwind, Spanisches Liederbuch Nr. 21 (1890)     Merlin Wagner

GUSTAV MAHLER                                                                          JOHANNES BRAHMS
Oft denk ich, sie sind nur ausgegangen, Kindertotenlieder (1904)   Christina Niessen   Immer leiser wird mein Schlummer op. 105/2 (1886)                   Luise von Garnier

ALBAN BERG                                                                             HUGO WOLF
Dem Schmerz sein Recht op. 2/1 (1910)                               Renatus Mészár     Lebe wohl, Mörike-Lieder Nr. 36 (1888)                               Renatus Mészár

ARNOLD SCHÖNBERG                                                                       ALMA MAHLER
Erwartung op. 2/1 (1899)			                                        Luise von Garnier   Licht in der Nacht (1915)			                                        Christina Niessen

ALBAN BERG                                                                             ARNOLD SCHÖNBERG
Warm die Lüfte op. 2/4 (1910)			                                   Christina Niessen   Abschied op. 1/2 (1898)			                                           Renatus Mészár

HUGO WOLF                                                                              RICHARD STRAUSS
Zur Warnung, Mörike-Lieder Nr. 49 (1888)                             Merlin Wagner     Zueignung op. 10/1 (1885)			                                                     alle

– Pause –
KUSS DER GEGENWART 4. LIEDERABEND - Szenischer Liederabend zur Epoche des Jugendstils
In der deutschen Geschichte im Über-          Versuche, den Körper aus dem Korsett zu
                                     gang vom 19. zum 20. Jahrhundert sind         befreien, der fließenden und fliegenden
                                     zwei Eckdaten entscheidend: 1871 und          Stoffe, der Wandervogel-Bewegung, der
                                     1918. Dazwischen liegt das Kaiser­   reich,   Suche nach einem modernen Ausdruck
                                     ein scheinbar monolithischer Zeitblock        im Tanz und in der Musik und der Wage­
                                     der „guten, alten Zeit“, bevor sich 1918      mutigen, die in der Künstlerkolonie auf
                                     unter schwierigen Vorzeichen schlag-          dem Monte Verità Erleuchtung und eine
                                     artig die Moderne Bahn bricht. Dabei war      ganz andere Art von Leben suchten.
                                     das Kaiserreich eine Zeit von enormer
                                     wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und      Das Bild der Frau nahm neue Züge an,
                                     künstlerischer Dynamik. In genau diese        produzierte neue Rollenbilder der Selbst-
                                     Zeit fällt die Epoche des „Jugendstils“.      bestimmtheit. Gleichzeitig bestanden die
    Ein szenischer Liederabend zur   Der Begriff „Jugend“ (nach einer gleich-
                                     namigen Zeitschrift) umschreibt in die-
                                                                                   Konventionen der Gesellschaft weiter,
                                                                                   auch wenn Kunst und vor allem Werbe-
    Epoche des Jugendstils           sem Zusammenhang einen Stil, der neue
                                     Formen für ein neues, nämlich „junges“
                                                                                   grafik ganz neue Horizonte der Lebensge-
                                                                                   staltung aufzeigten. Auf der anderen Seite
                                     Publikum schafft, das in einer Zeit von       der Gesellschaft wuchs die Gruppe der
                                     rasantem technischen Fortschritt lebte.       Arbeiterinnen und Arbeiter immer weiter
                                     Wesentlich langsamer folgten die gesell-      an, und mit ihr der Kampf um gesellschaft-
                                     schaftlichen und politischen Entwicklun-      liche Rechte und Anerkennung. Noch aber
                                     gen, die dieser Fortschritt herausforderte.   waren unabhängige Frauen und Künstle-
                                     War es im 19. Jahrhundert darum gegan-        rinnen Ausnahmeerscheinungen, die ihre
                                     gen, möglichst der Norm zu entsprechen,       Rechte, Interessen und Bedürfnisse immer
                                     so produzieren um die Jahrhundertwende        stärker einforderten, was zu einer weite-
                                     die Widersprüche der sich verändernden        ren Herausforderung für die nach wie vor
                                     Welt individuelle neue Ideen, Lebens­         streng patriarchalisch ausgerichtete Ge-
                                     modelle und Gestaltungsformen. Der „Ju-       sellschaft wurde. Die Ausstellung Göttin-
                                     gendstil“ bezeichnet vor allem eine sicht-    nen des Jugendstils im Badischen Landes-
                                     bare Formensprache in Kunstgewerbe            museum zeigt diese Entwicklungen sehr
                                     und Architektur, die sich vom schweren        facettenreich und anschaulich, und bildet
                                     wilhelminischen Historismus absetzt, mit      die Inspiration für den szenischen Jugend-
                                     fließenden Linien, floralen Motiven und       stil-Liederabend Kuss der Gegenwart.
                                     überbordender Ornamentik. Das geschah
                                     in ganz Europa, überall unter anderem       Gestaltet in der Regel von Männern, wuchs
                                     Namen, etwa als „Art Nouveau“ in Frank-     die Darstellung der traditionellen Rollen-
                                     reich oder „Liberty“ in Italien.            verteilung von Mann und Frau ins Mythi-
                                                                                 sche und Übersteigerte. Die Frau erschien
                                     Der neue Stil propagierte ein freies, un- entweder als ein unschuldiges oder aber
                                     verfälschtes Lebensgefühl voller Fantasie berechnend-verführerisches Naturwesen,
                                     und Unabhängigkeit, fern von den Zwän- das seine Macht über den ebenso faszi-
                                     gen der hochindustrialisierten Welt. Es ist nierten wie hilflosen Mann ausübt. Das
                                     die Zeit der Flucht zurück zur Natur, der war in Künstlerehen nicht anders als

4                                                                                                                          5
KUSS DER GEGENWART 4. LIEDERABEND - Szenischer Liederabend zur Epoche des Jugendstils
sonst. Alma Mahler war seit ihrer Jugend     jüngeren Generation, der 1911 erste Kom-       als ob sie fürchten müsste, dass man ihr        Der Titel des szenischen Liederabends
musikalisch kreativ tätig gewesen, ihrem     positionen veröffentlichte und 1915 mit 28     nur kurz zuhört. Alban Berg (1885–1935)         Kuss der Gegenwart leitet sich aus Zem-
Mann Gustav Mahler war das im besten         Jahren im Ersten Weltkrieg fiel. Die klas-     zeigt sich in den Liedern Die Nachtigall,       linskys Lied Die drei Schwestern ab, in
Fall gleichgültig. Er brauchte eine Muse,    sischen „Jugendstil“-Komponisten mit           Dem Schmerz sein Recht und Warm die             dem die Stadt mit „heißen Liebesküssen“
keine komponierende Gattin. Ihre Kom-        großem Lied-Œuvre sind aber Gustav             Lüfte als ein Meister von großer schwel-        die Schwestern in der „Gegenwart“ und
positionstätigkeit war in seinen Augen       Mahler, Richard Strauss und Hugo Wolf,         gerischer Sinnlichkeit und der Suggestion       damit im Leben willkommen heißt. Ein
uninteressant und überflüssig. Der szeni-    zu denen noch Alexander Zemlinsky und          von Duft, Farbe und Temperatur auf Texte        szenischer und thematisch orientierter
sche Liederabend Kuss der Gegenwart ist      der heute weniger bekannte Joseph Marx         von unmittelbarer Wirkung. Arnold Schön-        Liederabend bringt die Frage nach der
die Chance, Lieder von Gustav und Alma       (1882–1964) zu zählen sind.                    berg (1874–1951) vertont dagegen symbo-         dramatischen Anlage mit sich. Die Aus-
Mahler an einem Abend gegeneinander                                                         listische, rätselhafte Texte, die Traum und     wahl der Lieder war eine gemeinsame
zu stellen.                                  Das Kunstlied ist seit jeher solistischer      Wirklichkeit zu einer neuen Wahrnehmung         Projektentwicklung des Gesangsensem-
                                             Ausdruck, mal Innenschau, mal großer           verschmelzen lassen, wobei Erwartung op.        bles aus Christina Niessen, Luise von
Der zeitliche Bogen der präsentierten        Auftritt, feinsinnige Gemütsbeschreibung       2/1 schon wie eine Vorstudie zum berühm-        Garnier, Merlin Wagner und Renatus
Lieder zieht sich von 1885 mit Richard       ebenso wie lustvolles Rollenspiel, Augen-      ten Melodram gleichen Namens op. 17             Mészár unter der musikalischen Leitung
Strauss’ empfindsamer Georgine bis 1915      blickserfassung und großer Aufschwung,         wirkt. Als Grenzüberschreiter erscheint         von Studienleiterin Irene-Cordelia Huberti
zu Alma Mahlers düsterem Licht in der        Moment der Wahrheit ebenso wie großes          Schönberg in vielerlei Hinsicht, etwa im        und in der Inszenierung von Oberspiel-
Nacht und umschließt damit eine Epoche       Theater. Diese Merkmale bereits des ro-        zu einem selbstquälerischen Monolog             leiterin Anja Kühnhold. Leitgedanke des
des widersprüchlichen Aufbruchs. Da          mantischen Liedes treten im Jugendstil         übersteigerten Lied Abschied oder im            Abends ist die Blüte einer besonderen
der Jugendstil-Begriff sich an sichtbaren    noch extremer hervor. Richard Strauss          Kabarett-Song Gigerlette aus den Brettl-        künstlerischen Epoche, wie sie sich aus
Formen und einem daraus abgeleiteten         (1864–1949) ist in bekannt zupackender         Liedern. Hochsymbolistisch auch das             den Themen und Formen der einzelnen
Lebensgefühl festmacht, wird er in Lite-     Art ein unübertrefflicher musikalischer        Gedicht Drei Schwestern von Maurice             Lieder ergibt. Das Verhältnis von Mono-
ratur und der Musik weniger verwendet.       Geschichtenerzähler des Alltags mit            Maeterlinck, das Alexander Zemlinsky            log und Dialog, von Selbsterfahrung und
Dort wird von Spätromantik, Impressio-       Liedern wie Georgine, Traum durch die          (1871–1942) als märchenhafte Parabel           -beschreibung, von Abgrenzung und Über-
nismus, Symbolismus oder Naturalismus        Dämmerung und Ach weh, mir unglück-            komponiert und explizit die Stadt als Le-       sich-Hinausgehen, von Grenzerfahrung
gesprochen, um neue Formen, Inhalte und      haftem Mann. Strauss wechselt mühelos          bensform der Gegenwart einführt. Hugo           und Grenzüberschreitung zieht sich durch
Wahrnehmungen zu beschreiben. Sie alle       die Stimmungen und die Rollen seines lyri-     Wolf (1860–1903), nahezu ausschließlich         die dramatische Anlage der Lieder und
bewegen sich weg vom Verständnis des         schen Ichs. Das bemerkenswerte Lied der        Liedkomponist und ganz im 19. Jahrhun-          der Inszenierung. Vier Charaktere erle-
19. Jahrhunderts und bereiten den Weg        Der Arbeitsmann nach einem sozialkri-          dert verwurzelt, komponiert auf Texte           ben Niederlagen, verlieren sich, suchen
in die Moderne vor, die nach 1918 „er-       tischen Gedicht des Jugendstil-Dichters        von Eduard Mörike und Gottfried Keller,         sich selbst, spielen und experimentieren
wachsen“ werden muss. Deshalb finden         Richard Dehmel lässt sogar eine drohende       tendiert in Zur Warnung, Das Köhlerweib         mit neuen Rollenbildern und Wegen zum
sich im Jugendstil-Liederabend Kuss der      Revolution anklingen. Ganz anders der          ist trunken und Herz, verzage nicht ge-         Glück, gehen durch schwere Gefühlstiefen
Gegenwart Exponenten der Moderne wie         Weltschmerz eines Gustav Mahler (1860–         schwind zum naturalistischen, charakte-         und lernen, loszulassen, um für das Neue
Alban Berg und Arnold Schönberg, die in      1911), der sich grenzenlos und ungeteilt der   ristischen und vor allem skurrilen Szenario,    bereit zu sein.
großem spätromantischem Stil begannen,       Freude, der Faszination und dem Zweifel        das ins Existentielle wächst.
ebenso wie Hans Pfitzner (1869–1949),        hingibt, sei es im Kindertotenlied Oft denk
ein erklärter Traditionalist und Anti-Mo-    ich, sie sind nur ausgegangen, in Trost im
dernist. In die Zeitspanne fällt sogar       Unglück aus den Wunderhorn-Liedern, in
noch Johannes Brahms, der Romantiker         Selbstgefühl oder Liebst du um Schönheit
schlechthin, der bis ins letzte Jahrzehnt    aus den Rückert-Liedern. Demgegenüber
des 19. Jahrhunderts künstlerisch aktiv      bleibt Alma Mahler (1879–1964) in den Lie-
war. Auf der anderen Seite steht Rudi Ste-   dern Ich wandle unter Blumen und Licht
phan, ein hoffnungsvoller Komponist der      in der Nacht knapp und eindringlich, so

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KUSS DER GEGENWART 4. LIEDERABEND - Szenischer Liederabend zur Epoche des Jugendstils
8Edvard Munch   Zwei Menschen / Die Einsamen, 1905   9
KUSS DER GEGENWART 4. LIEDERABEND - Szenischer Liederabend zur Epoche des Jugendstils
RICHARD STRAUSS                           HANS PFITZNER                           GUSTAV MAHLER                                 JOSEPH MARX
Traum durch die Dämmerung                 Die Einsame                             Selbstgefühl                                  Liebe
Text: Otto Julius Bierbaum                Text: Joseph von Eichendorff            Lieder und Gesänge aus der Jugendzeit         Italienisches Liederbuch, übersetzt von
                                                                                                                                Paul Heyse
Weite Wiesen im Dämmergrau;               Wär’s dunkel, ich läg’ im Walde,        Ich weiß nicht, wie mir ist,
Die Sonne verglomm, die Sterne ziehn;     Im Walde rauscht’s so sacht,            Ich bin nicht krank und nicht gesund,         Ich will nur ihn!
Nun geh’ ich hin zu der schönsten Frau,   Mit ihrem Sternenmantel                 Ich bin blessiert und hab kein Wund.          Und doch, kommt er zu mir,
Weit über Wiesen im Dämmergrau,           Bedeckt mich da die Nacht,              Ich weiß nicht, wie mir ist!                  und plaudert dann von lauter
Tief in den Busch von Jasmin.             Da kommen die Bächlein gegangen,        Ich tät gern essen und schmeckt mir nichts,   schönen Dingen:
                                          Ob ich schon schlafen tu?               Ich hab ein Geld und gilt mir nichts,         Von einem Lied, das er mich hörte singen,
Durch Dämmergrau in der Liebe Land;       Ich schlaf’ nicht, ich hör’ noch lang   Ich weiß nicht, wie mir ist                   vom Sternenhimmel, von den Rosen hier.
Ich gehe nicht schnell, ich eile nicht;   Den Nachtigallen zu,                    Ich hab sogar kein Schnupftabak,              Harr’ ich umsonst, indess ich heimlich
Mich zieht ein weiches, samtenes Band     Wenn die Wipfel über mir schwanken,     Und hab kein Kreuzer Geld im Sack,            sacht zerreiß’,
Durch Dämmergrau in der Liebe Land,       Es klinget die ganze Nacht,             Ich weiß nicht wie mir ist,                   an meinem Tuch die feinen Spitzen,
in ein blaues, mildes Licht.              Das sind im Herzen die Gedanken,        Heiraten tät ich auch schon gern,             dass endlich Feuer möge sprüh’n und
                                          Die singen, wenn Niemand wacht.         Kann aber Kinderschrein nicht hörn.           spritzen
                                                                                  Ich weiß nicht, wie mir ist,                  aus dieser diamantnen Seele Schacht.
                                                                                  Ich hab erst heut den Doktor gefragt,         Er scheut sich hinzugeben;
ALBAN BERG                                ALMA MAHLER                             Der hat mir’s ins Gesicht gesagt.             zarte Scham zwingt ihn das Wort zurück
                                                                                  Ich weiß wohl, was dir ist:                   zu pressen,
Die Nachtigall                            Ich wandle unter Blumen
                                                                                  Ein Narr bist du gewiss;                      dass meine Lieb’ ihn ganz gefangen nahm,
Text: Theodor Storm                       Text: Heinrich Heine
                                                                                  nun weiß ich wie mir ist!                     und dass um mich er alles hat vergessen.

Das macht, es hat die Nachtigall          Ich wandle unter Blumen
die ganze Nacht gesungen;                 Und blühe selber mit;
Da sind von ihrem süßen Schall,           Ich wandle wie im Traume
da sind in Hall und Widerhall             Und schwanke bei jedem Schritt.
die Rosen aufgesprungen.                  O, halt mich fest, Geliebte!
                                          Vor Liebestrunkenheit
Sie war doch sonst ein wildes Blut,
nun geht sie tief in Sinnen;
                                          Fall’ ich dir sonst zu Füßen,
                                          Und der Garten ist voller Leut’.               Ich weiß nicht, wie mir ist,
Trägt in der Hand den Sommerhut
und duldet still der Sonne Glut                                                          Ich bin nicht krank und nicht gesund,
und weiß nicht, was beginnen.
                                                                                         Ich bin blessiert und hab kein Wund.
Das macht, es hat die Nachtigall
die ganze Nacht gesungen;
                                                                                         Ich weiss nicht, wie mir ist.
Da sind von ihrem süßen Schall,
da sind in Hall und Widerhall
die Rosen aufgesprungen.

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KUSS DER GEGENWART 4. LIEDERABEND - Szenischer Liederabend zur Epoche des Jugendstils
RICHARD STRAUSS                             RUDI STEPHAN                               ALBAN BERG                                 ALBAN BERG
Ach weh, mir unglückhaftem Mann             Up de eensame Hallig                       Dem Schmerz sein Recht                     Warm die Lüfte
Text: Felix Dahn                            Text: Detlev von Liliencron                Text: Friedrich Hebbel                     Text: Alfred Mombert

Ach weh, mir unglückhaftem Mann,            Min Mann is weg, de See geiht holl,        Schlafen, Schlafen, nichts als Schlafen!   Warm die Lüfte,
dass ich Geld und Gut nicht habe,           min Kind is krank,keen Minsch to Hülp.     Kein Erwachen, keinen Traum!               es sprießt Gras auf sonnigen Wiesen.
Sonst spannt’ ich gleich vier Schimmel an   Ick bün alleen.                            Jener Wehen, die mich trafen,              Horch!-
und führ’ zu Dir im Trabe.                                                             Leisestes Erinnern kaum.                   Horch, es flötet die Nachtigall...
                                            De Mann is dor, dat Kind is dod,           Dass ich, wenn des Lebens Fülle            Ich will singen:
Ich putzte sie mit Schellen aus,            nu ligt int Huus de kranke Frau.           Niederklingt in meine Ruh’,
dass Du mich hört’st von Weitem,            Se sünd alleen.                            Nur noch tiefer mich verhülle,              Droben hoch im düstern Bergforst,
Ich steckt’ ein’n großen Rosenstrauß                                                   Fester zu die Augen tu’!                    es schmilzt und glitzert kalter Schnee,
an meine linke Seiten,                      Keen Docter nech, keen Minsch to Hülp.                                                 ein Mädchen im grauen Kleide
                                            De lüttje Frau is bi ehr Kind.                                                         lehnt am feuchten Eichstamm,
 Und käm’ ich an Dein kleines Haus,         He is alleen.                              ARNOLD SCHÖNBERG                            krank sind ihre zarten Wangen,
 tät ich mit der Peitsche schlagen,                                                                                                die grauen Augen fiebern
                                                                                       Erwartung op. 2/1
 Da gucktest Du zum Fenster ’naus:                                                                                                 durch Düsterriesenstämme.
                                                                                       Text: Richard Dehmel
„Was willst Du?“ tätst Du fragen.           GUSTAV MAHLER                                                                         „Er kommt noch nicht. Er lässt mich
                                                                                                                                   warten ...“
                                            Oft denk’ ich, sie sind nur ausgegangen
 Was soll der große Rosenstrauß,                                                       Aus dem meergrünen Teiche                   Stirb!
                                            Text: Friedrich Rückert
 die Schimmel an dem Wagen?“                                                           neben der roten Villa                       Der Eine stirbt, daneben der Andere lebt:
„Dich will ich“, rief ich, „komm heraus!“                                              unter der toten Eiche                       Das macht die Welt so tiefschön.
 Da tätst du nimmer fragen.                 Oft denk’ ich, sie sind nur ausgegangen,   scheint der Mond.
                                            Bald werden sie wieder nach Hause          Wo ihr dunkles Abbild
Nun Vater, Mutter, seht sie an              gelangen,                                  durch das Wasser greift,
und küsst sie rasch zum Scheiden,           Der Tag ist schön, o sei nicht bang,       steht ein Mann und streift
Weil ich nicht lange warten kann,           Sie machen nur einen weiten Gang.          einen Ring von seiner Hand.
meine Schimmel wolln’s nicht leiden.        Jawohl, sie sind nur ausgegangen           Drei Opale blinken;
                                            Und werden jetzt nach Hause gelangen!      durch die bleichen Steine
                                                                                       schwimmen rot und grüne Funken
                                            O, sei nicht bang, der Tag is schön!       und versinken.
                                            Sie machen nur einen Gang zu jenen         Und er küsst sie, und
                                            Höh’n!                                     seine Augen leuchten
                                            Sie sind uns nur vorausgegangen            wie der meergrüne Grund:
                                            Und werden nicht wieder nach Hause         ein Fenster tut sich auf.
                                            gelangen!                                  Aus der roten Villa
                                            Wir holen sie ein auf jenen Höh’n          neben der toten Eiche
                                            Im Sonnenschein! Der Tag ist schön auf     winkt ihm eine bleiche
                                            jenen Höh’n!                               Frauenhand.

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KUSS DER GEGENWART 4. LIEDERABEND - Szenischer Liederabend zur Epoche des Jugendstils
HUGO WOLF                                   ALEXANDER ZEMLINSKY                      ARNOLD SCHÖNBERG               GUSTAV MAHLER
Zur Warnung                                 Die drei Schwestern                      Gigerlette                     Trost im Unglück
Text: Eduard Mörike                         Text: Maurice Maeterlinck                Text: Otto Julius Bierbaum     aus Des Knaben Wunderhorn

 Einmal nach einer lustigen Nacht                                                    Fräulein Gigerlette            Husar
 War ich am Morgen seltsam aufgewacht: Die drei Schwestern wollten sterben,          Lud mich ein zum Tee.          Wohlan Die Zeit ist kommen,
 Durst, wasserscheu, ungleich Geblüt;         Setzten auf die güldnen Kronen,        Ihre Toilette                  Mein Pferd das muss gesattelt sein,
 Dabei gerührt und weichlich im Gemüt,        Gingen sich den Tod zu holen.          War gestimmt auf Schnee;       Ich hab mirs vorgenommen,
 Beinah poetisch, ja, ich bat die Muse        Wähnten ihn im Walde wohnen:           Ganz wie Pierrette             Geritten muss es sein!
 um ein Lied.                                „Wald, so gib uns, dass wir sterben,    War sie angetan.               Geh’ du nur hin, ich hab mein Teil,
 Sie, mit verstelltem Pathos, spottet’ mein, Sollst drei güldne Kronen erben.“       Selbst ein Mönch, ich wette,   Ich lieb dich nur aus Narretei;
 Gab mir den schnöden Bafel ein:              Da begann der Wald zu lachen           Sähe Gigerlette                Ohn dich kann ich wohl leben;
                                              Und mit einem Dutzend Küssen           Wohlgefällig an.               Ohn dich kann ich wohl sein.
„Es schlagt eine Nachtigall                   Ließ er sie die Zukunft wissen.                                       So setz ich mich aufs Pferdchen,
 Am Wasserfall; und ein Vogel ebenfalls,                                             War ein rotes Zimmer,          Und trink’ ein Gläschen kühlen Wein,
 Der schreibt sich Wendehals,                 Die drei Schwestern wollten sterben,   Drin sie mich empfing,         Und schwör’s bei meinem Bärtchen,
 Johann Jakob Wendehals;                      Wähnten Tod im Meer zu finden,         Gelber Kerzenschimmer          Dir ewig treu zu sein.
 Der tut tanzen bei den Pflanzen              Pilgerten drei Jahre lang.             In dem Raume hing.
 Obbemeld’ten Wasserfalls –“                 „Meer, so gib uns, dass wir sterben,    Und sie war wie immer          Mädchen
                                              Sollst drei güldne Kronen erben.“      Leben und Esprit.              Du glaubst, du bist der Schönste
 So ging es fort; mir wurde immer bänger.     Da begann das Meer zu weinen,          Nie vergess ich’s, nimmer:     Wohl auf der ganzen weiten Welt,
 Jetzt sprang ich auf: zum Wein! Der war      Ließ mir dreimal hundert Küssen        Weinrot war das Zimmer,        Und auch der Angenehmste,
 denn auch mein Retter.                       Die Vergangenheit sie wissen.          Blütenweiß war sie.            Ist aber weit, weit gefehlt.
– Merkts euch, ihr tränenreichen Sänger,                                                                            In meines Vaters Garten
 Im Katzenjammer ruft man keine Götter!       Die drei Schwestern wollten sterben,   Und im Trab mit Vieren         Wächst eine Blume drin:
                                              Lenkten nach der Stadt die Schritte;   Fuhren wir zu zweit            So lang’ will ich noch warten,
                                              Lag auf einer Insel Mitte.             In das Land spazieren,         Bis die noch größer ist.
                                             „Stadt, so gib uns, dass wir sterben,   Das heißt Heiterkeit.          Und geh’ du nur hin, ich hab mein Teil!
                                              Sollst drei güldne Kronen erben.“      Dass wir nicht verlieren       Ich lieb dich nur aus Narretei;
                                              Und die Stadt tat auf die Tore         Zügel, Ziel und Lauf,          Ohn dich kann ich wohl leben;
                                              Und mit heißen Liebesküssen            Saß bei dem Kutschieren        Ohn dich kann ich wohl sein.
                                              Ließ die Gegenwart sie wissen.         Mit den heißen Vieren
                                                                                     Amor hinten auf.               Beide
                                                                                                                    Du denkst, ich werd dich nehmen,
                                                                                                                    Das hab ich lang noch nicht im Sinn,
                                                                                                                    Ich muss mich deiner schämen,
                                                                                                                    Wenn ich in Gesellschaft bin.

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KUSS DER GEGENWART 4. LIEDERABEND - Szenischer Liederabend zur Epoche des Jugendstils
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Edvard Munch   Die Frau in drei Stadien, 1894   17
GUSTAV MAHLER                 RICHARD STRAUSS                             RICHARD STRAUSS                              HUGO WOLF
Liebst du um Schönheit        Die Georgine                                Der Arbeitsmann                              Das Köhlerweib ist trunken
Text: Friedrich Rückert       Text: Hermann von Gilm                      Text: Richard Dehmel                         Text: Gottfried Keller

Liebst du um Schönheit,       Warum so spät erst, Georgine?               Wir haben ein Bett, wir haben ein Kind,      Das Köhlerweib ist trunken
O nicht mich liebe!           Das Rosenmärchen ist erzählt,               mein Weib!                                   Und singt im Wald;
Liebe die Sonne,              Und honigsatt hat sich die Biene            Wir haben auch Arbeit, und gar zu zweit,     Hört, wie die Stimme gellend
Sie trägt ein goldnes Haar.   Ihr Bett zum Schlummer ausgewählt.          und haben die Sonne und Regen und Wind,      Im Grünen hallt!
Liebst du um Jugend,          Sind nicht zu kalt dir diese Nächte?        und uns fehlt nur eine Kleinigkeit,          Sie war die schönste Blume,
O nicht mich liebe!           Wie lebst du diese Tage hin?                um so frei zu sein, wie die Vögel sind:      Berühmt im Land;
Liebe den Frühling,           Wenn ich dir jetzt den Frühling brächte,    nur Zeit.                                    Es warben Reich’ und Arme
Der jung ist jedes Jahr.      Du feuergelbe Träumerin,                                                                 Um ihre Hand.
Liebst du um Schätze,         Wenn ich mit Maitau dich benetzte,          Wenn wir sonntags durch die Felder gehn,     Sie trat in Gürtelketten
O nicht mich liebe!           Begösse dich mit Junilicht,                 mein Kind,                                   So stolz einher;
Liebe die Meerfrau,           Doch ach! dann wärst du nicht die Letzte,   und über den Ähren weit und breit            Den Bräutigam zu wählen,
Sie hat viel Perlen klar.     Die stolze Einzige auch nicht.              das blaue Schwalbenvolk blitzen sehn,        Fiel ihr zu schwer.
Liebst du um Liebe,           Wie, Träumerin, lock’ ich vergebens?        o dann fehlt uns nicht das bisschen Kleid,   Da hat sie überlistet
O ja, mich liebe!             So reich’ mir schwesterlich die Hand,       um so schön zu sein, wie die Vögel sind:     Der rote Wein -
Liebe mich immer,             Ich hab’ den Maitag dieses Lebens           nur Zeit.                                    Wie müssen alle Dinge
Dich lieb’ ich immerdar.      Wie du den Frühling nicht gekannt;                                                       Vergänglich sein!
                              Und spät wie dir, du Feuergelbe,            Nur Zeit! wir wittern Gewitterwind,          Das Köhlerweib ist trunken
                              Stahl sich die Liebe mir ins Herz;          wir Volk.                                    Und singt im Wald;
                              Ob spät, ob früh, es ist dasselbe           Nur eine kleine Ewigkeit;                    Wie durch die Dämmrung gellend
                              Entzücken und derselbe Schmerz.             uns fehlt ja nichts, mein Weib, mein Kind,   Ihr Lied erschallt!
                                                                          als all das, was durch uns gedeiht,
                                                                          um so froh zu sein, wie die Vögel sind:
                                                                          nur Zeit.

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HUGO WOLF                            JOHANNES BRAHMS                            ALMA MAHLER                                   Sieh’, mir naht der hehrste Göttertröster,
Herz verzage nicht geschwind         Immer leiser wird mein Schlummer           Licht in der Nacht                            Meine selbstgeborne Urgewalt.
Text aus Spanisches Liederbuch,      Text: Hermann Lingg                        Text: Otto Julius Bierbaum                    Tief in mir die alte Nacht der Nächte
übersetzt von Paul Heyse                                                                                                      Weitet sich zur großen Weltumnachtung.
                                                                                                                              Der Alleinheit schwere Trümmer,
                                     Immer leiser wird mein Schlummer,          Ringsum dunkle Nacht                          Schmerzen wachsen, wachsen zur
Herz, verzage nicht geschwind,       Nur wie Schleier liegt mein Kummer         Hüllt in Schwarz mich ein.                    Unendlichkeit.
Weil die Weiber Weiber sind.         Zitternd über mir.                         Zage flimmert gelb                            Sieh! Ich selber werde Nacht und
Argwohn lehre sie dich kennen,       Oft im Traume hör’ ich dich                Ferneher ein Schein.                          Schönheit.
Die sich lichte Sterne nennen        Rufen drauß vor meiner Tür:                Ist als wie ein Trost,                        Allumfassend unbegrenztes Weh!
Und wie Feuerfunken brennen.         Niemand wacht und öffnet dir,              Eine Stimme still,                            Ziehe weiter, heller Stern der Sterne.
Drum verzage nicht geschwind,        Ich erwach’ und weine bitterlich.          Die dein Herz aufruft,                        Unerkannt, wie meine große Liebe;
Weil die Weiber Weiber sind.         Ja, ich werde sterben müssen,              Das verzagen will.                            Dunkel schweigend, wie die großen
Lass dir nicht den Sinn verwirren,   Eine Andre wirst du küssen,                Kleines, gelbes Licht,                        Schmerzen,
Wenn sie süße Weisen girren;         Wenn ich bleich und kalt.                  Bist mir wie der Stern                        Wo du wendest, wo du siegend leuchtest,
Möchten dich mit Listen kirren,      Eh’ die Maienlüfte wehn,                   Überm Hause einst                             Stets umwogt dich meine große Nacht!
Machen dich mit Ränken blind;        Eh’ die Drossel singt im Wald:             Jesuchrists des Herrn.
Weil die Weiber Weiber sind.         Willst du mich noch einmal sehn,           Und da löscht es aus.
Sind einander stets im Bunde,        Komm, o komme bald!                        Und die Nacht wird schwer.                    RICHARD STRAUSS
Fechten tapfer mit dem Munde,                                                   Schlafe, Herz, du hörst
                                                                                                                              Zueignung
Wünschen, was versagt die Stunde,                                               Keine Stimme mehr.
                                                                                                                              Text: Hermann von Gilm
Bauen Schlösser in den Wind;         HUGO WOLF
Weil die Weiber Weiber sind.
                                     Lebewohl
Und so ist ihr Sinn verschroben,                                                ARNOLD SCHÖNBERG                              Ja, du weißt es, teure Seele,
                                     Text: Eduard Mörike
Dass sie, lobst du, was zu loben,                                                                                             Dass ich fern von dir mich quäle,
                                                                                Abschied
Mit dem Mund dagegen toben,                                                                                                   Liebe macht die Herzen krank,
                                                                                Text: Karl von Levetzow
Ob ihr Herz auch Gleiches sinnt;     „Lebewohl!“ – Du fühlest nicht,                                                          Habe Dank.
Weil die Weiber Weiber sind.          Was es heisst, dies Wort der Schmerzen;
                                      Mit getrostem Angesicht                   Aus den Trümmern einer hohen Schönheit        Einst hielt ich, der Freiheit Zecher,
                                      Sagtest du’s und leichtem Herzen.         Lass mich bauen einen tiefen Schmerz.         Hoch den Amethysten-Becher,
                                      Lebe wohl! – Ach! tausendmal              Weinen lass mich aus den tiefsten             Und du segnetest den Trank,
                                      Hab ich mir es vorgesprochen,             Schmerzen                                     Habe Dank.
                                      Und in nimmersatter Qual                  Eine Träne, wie nur Männer weinen.
                                      Mir das Herz damit gebrochen.             Und dann geh!                                 Und beschworst darin die Bösen,
                                                                                Und nimm noch ein Gedenken heißer Liebe,      Bis ich, was ich nie gewesen,
                                                                                Freudig dir geschenkt;                        heilig, heilig an’s Herz dir sank,
                                                                                Ewig mein bleibt, was du mir gelassen;        Habe Dank.
                                                                                Meiner Wehmut sternloses Dunkel.
                                                                                Und dann geh!
                                                                                Und lass mich stumm erstarren;
                                                                                Du zieh fürder deine helle Bahn,
                                                                                Stern der Sterne! frage nicht nach Leichen!

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GEBET AN DAS LEBEN
                            GEWISS SO LIEBT EIN FREUND DEN FREUND
                            WIE ICH DICH LIEBE, RÄTSELVOLLES LEBEN!
                            OB ICH IN DIR GEJAUCHZT, GEWEINT,
                            OB DU MIR LEID, OB DU MIR LUST GEGEBEN,
                            ICH LIEBE DICH MIT DEINEM GLÜCK UND HARME,
                            UND WENN DU MICH VERNICHTEN MUSST,
                            ENTREISSE ICH SCHMERZVOLL MICH DEINEM ARME,
                            GLEICH WIE DER FREUND DER FREUNDESBRUST.
                            Lou Andreas-Salomé, 1882

  22 Klimt Judith I, 1901
Gustav                                                              23
LUISE VON GARNIER                                                                        CHRISTINA NIESSEN
                                 Mezzosopran                                                                                  Sopran

Luise von Garnier gehört dem STAATS-       schulproduktionen gestaltete sie neben      Seit der Spielzeit 2006/07 ist Christina      dämmerung. Von 2005 bis 2006 war sie
THEATER KARLSRUHE seit 2018/19 als         vielen weiteren Partien die Ottavia in      Niessen Ensemblemitglied des STAATS-          Mitglied des Jungen Ensembles der Deut-
Ensemblemitglied an. Hier ist sie unter    Claudio Monteverdis Die Krönung der         THEATERS. Hier sang sie u. a. Agathe in       schen Oper am Rhein in Düsseldorf, wo sie
anderem als Manja in Gräfin Mariza, Kom-   Poppea. 2015 erhielt sie ein Stipendium     Der Freischütz, Rosalinde in Die Fleder­      als Waltraute in Wagners Die Walküre und
ponist in Vorspiel zu Ariadne auf Naxos,   des Richard-Wagner-Verbandes Berlin-        maus, Ursula in Mathis der Maler, Mad-        als Micaëla in Bizets Carmen zu erleben
Valencienne in Die lustige Witwe, Sand-    Brandenburg, belegte beim internationalen   dalena in Andrea Chénier, Ariadne in          war. Sie gastierte u. a. in Mannheim, Kiel,
männchen in Hänsel und Gretel, Dackel      Giulio-Perotti-Gesangswett­bewerb den       Ariadne auf Naxos, Leonore in Fidelio, die    Dortmund und Köln. In Saarbrücken sang
im Schlauen Füchslein, Zweite Dame in      3. Platz und erhielt zusätzlich den Son-    Feldmarschallin in Der Rosenkavalier, die     sie 2009 die Nedda in I Pagliacci. Im Juni
der Zauberflöte, 2. Magd in Elektra so-    derpreis für die schönste Mezzosopran-      Titelpartie in Janáčeks Katja Kabanowa,       2008 trat sie als Gutrune und Dritte Norn
wie in zahlreichen Liederprogrammen        stimme. 2016 zog sie ins Finale des Bun-    Elsa in Lohengrin, Lisa in Die Passagierin,   in der Götterdämmerung an der Vlaamse
zu erleben. 2017/18 war sie Mitglied des   deswettbewerbs Gesang an der Berliner       Elisabeth und Venus in Tannhäuser, Kas-       Opera in Antwerpen auf. In der Spielzeit
Opernstudios am STAATSTHEATER. Die         Staatsoper ein. 2019 debütierte sie als     sandra in Die Trojaner, Senta im Fliegenden   21/22 singt sie am STAATSTHEATER Chiri-
Mezzosopranistin studierte bei Ks. Prof.   Dritte Sekretärin in John Adams’ Nixon      Holländer, Eva in Die Meistersinger von       nos in Das Wundertheater, Fürstin Božena
Gabriele Schnaut an der Universität der    in China an der Staatsoper Stuttgart. Mit   Nürnberg, Kundry in Parsifal, Brangäne        Guddenstein in Gräfin Mariza, Herodias in
Künste Berlin und setzte ihr Studium an    großem Engagement widmet sie sich dem       in Tristan und Isolde, Cosima Wagner in       Salome und spielt den Sigmund Freud in
der Hochschule für Musik Karlsruhe bei     Liedgesang.                                 Wahnfried und Gutrune in der Götter-          Der Trafikant von Robert Seethaler.
Ingrid Haubold fort. Im Rahmen von Hoch-

24                                                                                                                                                                           25
RENATUS MÉSZÁR                                                                              MERLIN WAGNER
                                      Bassbariton                                                                                    Tenor

Der studierte Kirchenmusiker gab sein           RUHE. Hier war er u. a. als Landgraf in       Merlin Wagner wurde 1991 in Kassel ge-       onis Arlecchino sowie Dandini in Rossinis
Opern­debüt während des Studiums bei            Tannhäuser, Oberpriester in Die Vestalin,     boren. Sein Gesangstudium im Bachelor        Aschenputtel. Als Konzertsolist war er
der Münchner Musiktheater-Biennale              König Marke in Tristan und Isolde, Hans       nahm er 2013 bei Prof. Christian Elsner an   unter anderem in Frank Martins Weih-
1990. Von 1992 bis 1995 war er Mitglied des     Sachs in Die Meistersinger von Nürnberg,      der Hochschule für Musik Würzburg auf.       nachtsoratorium beim Monteverdichor
NDR-Rundfunkchores, bevor er 1995 als           Orest in Elektra und Golaud in Pelléas und    Für das Masterstudium wechselte er 2017      Würzburg sowie in zahlreichen Bach-
Solist ans Staatstheater Braunschweig           Mélisande zu sehen. Seine Interpretation      an die Gesangsabteilung der Hochschule       Kantaten beim Club Würzburg zu erleben.
wechselte. Mit der Spielzeit 2006/07 wech-      des Amfortas in Parsifal wurde von Publi-     für Musik in Karlsruhe. Der Stipendiat des   Mit Schlémil und Hermann debütiert er
selte er ans Nationaltheater Weimar, wo         kum und Presse gefeiert. Als Wotan, den       Wagnerverbandes Würzburg sowie der           in Hoffmanns Erzählungen von Jacques
er u. a. im Ring als Fasolt in Das Rheingold,   er bereits bei den Ring-Projekten in Wei-     Riemschneider-Stiftung besuchte Meis-        Offen­bach am STAATSTHEATER KARLS-
als Wotan in der Walküre sowie als Wan-         mar und Minden vorstellte, war er auch        terklassen bei Prof. Klesie Kelly-Moog       RUHE. Im Juli 2019 vollzog er einen Stimm-
derer im Siegfried und Hagen in der Götter­     im Karlsruher Ring der Vielfalt zu erleben.   und Prof. Ingeborg Hallstein sowie die       fachwechsel vom Bariton zum Tenor. Seit
dämmerung zu hören und sehen war. Nach          In der Spielzeit 2021/22 ist er am STAATS-    Liedklassen von Prof. Gerold Huber und       2020/21 gehört er hier zum Ensemble, wo
einem Engagement an der Oper Bonn               THEATER u. a. als Benito Repollo in Das       Prof. Hartmut Höll. In szenischen Hoch-      er u. a. St. Brioche in Die lustige Witwe,
wechselte Mészár mit Beginn der Saison          Wundertheater sowie als Amantio di Ni-        schulproduktionen verkörperte er Jupiter     Gherardo in Gianni Schicchi, Knirps in
2012/13 ans STAATSTHEATER KARLS­                colao in Gianni Schicchi zu erleben.          in Offenbachs Orpheus in der Unterwelt,      Das Wundertheater und zuletzt Baron
                                                                                              Arlecchino und Abbate Cospiou in Bus-        Koloman Zsupán in Gräfin Mariza sang.

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NUR ZEIT! WIR WITTERN GEWITTERWIND,
                                                                                          WIR VOLK.
                      IRENE-CORDELIA HUBERTI                                              NUR EINE KLEINE EWIGKEIT;
                                      Klavier                                             UNS FEHLT JA NICHTS, MEIN WEIB, MEIN KIND,
                                                                                          ALS ALL DAS, WAS DURCH UNS GEDEIHT,
Irene-Cordelia Huberti ist seit 2017/18     sol­vierte sie in den Fächern Klavier, Vio-   UM SO FROH ZU SEIN, WIE DIE VÖGEL SIND:
Studienleiterin am BADISCHEN STAATS-        loncello, Kammermusik, Liedbeglei­    t ung
THEATER KARLSRUHE. Zuvor war sie ab         und Oratorium an den Musikhochschulen         NUR ZEIT!
1998 in gleicher Funktion an der Opéra      Köln und Wien, wo sie prägende Impulse
National du Rhin in Straßburg tätig. Dort   u. a. von Elisabeth Leonskaja erhielt. An-
pflegte sie eine intensive Zusammen­        schließend führte sie ihre Karriere an das    Richard Dehmel Der Arbeitsmann
arbeit mit dem Opernstudio und kümmerte     Internationale Opernstudio der Oper Zü-
sich mit Leidenschaft um die Ausbildung     rich, die Opernhäuser Krefeld/Mönchen-
junger Sänger*innen und Korrepetitor*in-    gladbach und Dortmund. Als Gast arbei-
nen. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer       tet sie u. a. in Genf und Seoul sowie bei
Tätigkeit liegt auf dem Liedgesang. Sie     internationalen Festivals wie Schwetzin-
begleitete Meisterklassen von Ks. Hilde     gen, Savonlinna oder Bregenz. Auch am
Zadek, Jewgenij Nesterenko, F. J. Sell-     STAATSTHEATER KARLSRUHE begleitet
heim und Ab Koster. Ihre Ausbildung ab­     und betreut sie regelmäßig Liederabende.

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ANJA KÜHNHOLD                               ELISABETH RICHTER
             Inszenierung

Nach ihrem Studium der Musiktheater­regie
                                                         Bühne & Kostüme

                                               Elisabeth Richter wurde 1977 in Leipzig
                                                                                              Göttinnen
                                                                                              des Jugendstils
an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“     geboren. Nach Ausbildung und Studium in
Berlin arbeitete Kühnhold als Regieassis-      Berlin war sie mehrere Jahre als Kostüm-
tentin am Staatstheater Mainz u. a. mit        und Bühnenbildassistentin u. a. am Staats-
Tilman Knabe, Sandra Leupold, Vera Ne-         theater Dresden, den Tiroler Festspielen
mirova, Tatjana Gürbaca und Katharina          Erl, am Staatstheater Braunschweig und
Wagner. Seit 2016/17 ist sie Oberspielleite-   Nürnberg sowie am Theater Kiel tätig. Seit     18. Dezember 2021 – 19. Juni 2022
rin am STAATS­T HEATER KARLSRUHE wo            2011 war sie freischaffende Kostüm- und
sie mit großem Erfolg bereits Gold! und        Bühnenbildnerin. Sie hat regelmäßig mit
zwei szenische Liederabende inszenierte.       u. a. Daniel Karasek, Natalia Horechna,
Eine enge Zusammenarbeit verbindet sie         Maura Morales, Yaroslav Ivanenko, Peer
auch außerhalb des STAATS­T HEATERS            Boysen und Prinzip Gonzo zusammen­
mit den Regisseuren Keith Warner und To-       gearbeitet. Von 2014 bis 2016 war sie Stell-
bias Kratzer, mit denen sie an zahlreichen     vertretende Kostümdirektorin am Hessi-
internationalen Häusern eng zusammen           schen Staatstheater Wiesbaden. 2016 bis
arbeitete. Neben dem Vorspiel zu Ariadne       2019 übernahm sie die Produktionsleitung
auf Naxos inszenierte sie am STAATS-           Kostüm am Theater Magdeburg. Seit 2020
THEATER auch Puccinis Gianni Schicchi,         ist sie Kostüm­  direktorin am STAATS­
und Mozarts Die Gärtnerin aus Liebe.           THEATER KARLSRUHE.

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BILDNACHWEISE                               IMPRESSUM
PORTRÄTS                                    HERAUSGEBER
Felix Grünschloß, Elfriede Liebenow         BADISCHES STAATSTHEATER
                                            KARLSRUHE

TEXTNACHWEISE                               INTENDANT
                                            Dr. Ulrich Peters
S. 4–7 Originalbeitrag von Stephan
Steinmetz                                   GESCHÄFTSFÜHRENDER DIREKTOR
                                            Johannes Graf-Hauber
Sollten wir Rechteinhaber*innen übersehen
haben, bitten wir um Nachricht.             KÜNSTLERISCHE BETRIEBSDIREKTORIN   5. LIEDERABEND
                                            Uta-Christine Deppermann
                                                                               FRAUENLIEBE UND -LEBEN
                                            OPERNDIREKTORIN                    Werke von Robert Schumann, Franz Liszt,
                                            Nicole Braunger                    Claude Debussy, Manuel de Falla u. a.
                                            CHEFDRAMATURGIN
                                            Sonja Walter
                                                                               Starke Frauengestalten und dramatische Schicksale
                                            REDAKTION                          von Heldinnen, Geliebten oder Verführerinnen stehen
                                            Stephan Steinmetz                  im Zentrum einer musikalischen Reise durch die Jahr-
                                                                               hunderte und quer durch ganz Europa, von Spanien bis
BADISCHES                                   KONZEPT                            in die Ukraine.
STAATSTHEATER                               DOUBLE STANDARDS Berlin
KARLSRUHE
                                                                               Alexandra Kadurina Mezzosopran
Spielzeit 2021/22                           GESTALTUNG
Programmheft Nr. 656                        Caroline Kleeberger
                                                                               Irene-Cordelia Huberti Klavier
Stand 26.4.22
                                            DRUCK
www.staatstheater.karlsruhe.de              medialogik GmbH, Karlsruhe         12.6.22 KLEINES HAUS
UND DIE STADT TAT AUF DIE TORE
UND MIT HEISSEN LIEBESKÜSSEN
LIESS DIE GEGENWART SIE WISSEN.
Alexander Zemlinsky Die drei Schwestern
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