KV Nordrhein, IVPNetworks Neurologisch-psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung - NPPV
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KV Nordrhein, IVPNetworks Neurologisch-psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung – NPPV Netzwerk für Soforthilfe bei psychischen und neurologischen Erkrankungen Nominiert für den MSD Gesundheitspreis 2020 Autoren: René Engelmann, Norbert Paas Die inhaltliche Verantwortung des Beitrags liegt allein bei den genannten Autoren. MSD weist ausdrücklich auf die finanzielle Unterstützung dieser Publikation hin. DE-NON-01190 MSD Sharp & Dohme GmbH Lindenplatz 1, 85540 Haar www.msd.de
NPPV – Netzwerk für Soforthilfe bei psychischen und neurologischen Erkrankungen Management Summary Menschen mit schweren neurologischen Erkrankungen im Fokus. Indikationen wie Parkinson, Multiple Sklerose, Psychische Erkrankungen sind oft unberechenbar, ver- Schlaganfall und Demenz belaufen sich auf etwa 1.100 laufen in Schüben und haben – je nach Phase – einen sehr Fälle pro 100.000 Einwohner (Statista, 2020). Häufig unterschiedlichen Betreuungsbedarf, auf den schnell leiden diese Patientinnen und Patienten sowie deren An- reagiert werden muss. Damit die Patientinnen und gehörige zudem gleichzeitig unter psychischen Begleit- Patienten die für sie angemessene Betreuung zur rich- symptomen. Auswertungen im Rahmen der NPPV haben tigen Zeit erhalten, muss die Versorgung sinnvoll gesteu- ergeben, dass zwei Drittel der Fälle mit einem schweren ert werden. Dieses Anliegen haben die Kassenärztliche Krankheitsverlauf von depressiven Symptomen begleitet Vereinigung Nordrhein (KNVO) und die Managemen werden (Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein & IVP- tgesellschaft IVPNetworks GmbH (IVP) unter Beteili- Networks GmbH, 2019). gung von Vertreterinnen und Vertretern der relevanten Berufsgruppen zum Ausgangspunkt für das Projekt Die Betroffenen sind mit langen Wartezeiten auf Erst- Neurologisch-psychiatrische und psychotherapeutische untersuchungen und Behandlungstermine konfrontiert, Versorgung (NPPV) genommen. Das Projekt vernetzt die die zu erheblichen Verschlechterungen führen können. Leistungserbringer aller Ebenen rund um eine zentrale Der Bedarf der Patientinnen und Patienten ist gerade zu Koordinierungsstelle. Alle Beteiligten haben gemeinsam Beginn einer Störung sehr hoch. Die notwendigen Res- die Behandlungspfade entwickelt und mithilfe von IT-An- sourcen, die für eine hohe Zuwendungsdichte nötig wä- wendungen in den Versorgungsalltag übertragen. Durch ren, stehen aber nur unzureichend zur Verfügung. Eine die elektronische Fallakte und weitere digitale Angebote Erhebung zur ambulanten psychotherapeutischen Ver- kann den Patientinnen und Patienten schnell und ange- sorgung der Universität Duisburg-Essen ergab, dass rund messen geholfen werden. Der Ansatz wird seit 2017 vom die Hälfte der Therapeutinnen und Therapeuten einen Innovationsfonds gefördert. Die geplanten Einschreibe- freien Platz an den nächsten Anrufer vergibt und nicht zahlen wurden bis zuletzt erreicht (über 11.000 Patienten nach Dringlichkeit stratifiziert (Walendzik et al., 2010). und fast 700 niedergelassene Leistungserbringer) und Die Inanspruchnahme von psychotherapeutischer und die bisher vorliegenden Zwischenevaluationen sind viel- fachärztlicher Leistung erfolgt weitgehend ungesteuert versprechend. und unkoordiniert zwischen den Versorgungsebenen. Zudem wirken sich diese Erkrankungen nicht nur auf den Versorgungsherausforderung Gesundheitszustand der Betroffenen aus, sondern auch auf das soziale Umfeld: Wie gelingt die Teilhabe am Leben Psychische Erkrankungen betreffen circa 20 Prozent der im Arbeitsbereich und in der Familie? Wie kann der Bevölkerung, das Spektrum reicht von leichten depres- Betrieb eingebunden werden, damit nicht auch noch die siven Episoden bis hin zu schwersten Verläufen. Unter Arbeitsstelle verloren geht? Auch diese Aspekte müssen leichten Störungen leidet etwa die Hälfte der Betroffe- in die Behandlung einbezogen werden. Darüber hinaus nen. Fünf bis zehn Prozent aller psychisch Kranken – und spielt Prävention bei diesen Erkrankungen bisher kaum somit etwa eine Million Menschen in Deutschland – sind eine Rolle. von den schweren Verläufen betroffen („severe mental illness“ – SMI), die zu einer dauerhaften ausgeprägten Für eine gute Versorgung schwerer psychischer und neu- Reduktion des Funktionsniveaus führen. Dabei handelt rologischer Erkrankungen ist die schnelle Kooperation es sich im Wesentlichen um Störungen aus den Bereichen der Versorgungsebenen deshalb von großer Bedeutung. Schizophrenie, Bipolare Störungen, schwere Affekt Dies beinhaltet auch eine schnelle Einschätzung, welche störungen und schwere Persönlichkeitsstörungen Versorgungsform im konkreten Fall richtig ist. Solche (Lambert et al., 2019). Koordinationsstrukturen zu schaffen, ist die Aufgabe, der sich die NPPV angenommen hat. Neben psychisch Kranken stehen bei der NPPV auch
NPPV – Netzwerk für Soforthilfe bei psychischen und neurologischen Erkrankungen Entstehungsgeschichte Kernelemente Die Idee für eine Versorgungsform im Sinne des Projekts Zielgruppe NPPV ist bereits vor über zehn Jahren in Arbeitsgruppen Patientinnen und Patienten mit schweren psychischen der Fachgesellschaften für neurologische und psycholo- und neurologischen Erkrankungen sollen in akuten gische Versorgung sowie in der KBV-Vertragswerkstatt Krankheitsphasen schnell Zugang zu der am besten ge- gewachsen. Ziel war es, für die Patientinnen und Patien- eigneten Versorgung erhalten. Teilnehmende Fachärzte ten und mit ihnen gemeinsam eine bessere Versorgung oder Psychotherapeuten steuern die Patienten mit ei- zu entwickeln, bei der die vorhandenen Ressourcen im nem besonderen Behandlungsbedarf als Bezugs- ambulanten Sektor besser eingesetzt werden, insbeson- arzt/-therapeut in das Versorgungsmodell ein. Dabei dere für Betroffene mit schweren und komplexen Erkran- spielen auch Hausärzte eine wichtige Rolle, denn sie kön- kungsverläufen. Zunächst wurde für die NPPV definiert, nen diese Patienten frühzeitig identifizieren. wie eine leitliniengerechte Behandlung optimal aussieht, anschließend nahm das Projektteam die praktische Mehr als die Hälfte der Einschreibungen erfolgt bei Pati- Umsetzung in den Blick. enten mit Depressionen, wobei insbesondere diejenigen mit schweren Depressionen und einem akutem Behand- Dem Mangel an Struktur- und Koordinationsleistungen lungsbedarf im Rahmen des Projektes behandelt und im ambulanten System begegnete die NPPV mit externer versorgt werden. Dafür wurden weitere Kriterien wie Managementunterstützung und einer verbindlichen und länger bestehende Arbeitsunfähigkeitszeiten, drohende transparenten IT-Lösung. Nur so können die komplexen Krankenhausbehandlung oder bestehende Suizidalität Behandlungspfade umgesetzt werden, die auf viele ver- als Grundlage für die Teilnahme festgelegt. schiedene Faktoren eingehen und die Patienten nach Bedarf behandeln. Außerdem stehen dem aktuellen Be- Mit zwölf Prozent der Patienten ist die Schizophrenie/ handler die notwendigen Informationen auf diese Weise Bipolare Störung der zweite große Bereich der Erkran- jederzeit zur Verfügung. kungen, die in der NPPV versorgt werden. Es folgen Mul- tiple Sklerose (neun Prozent), Morbus Parkinson (sechs Um der Komplexität der Behandlung in der Praxis ge- Prozent) und Komplexe Traumafolgenstörung, Demenz recht zu werden, ist es notwendig, dass alle beteiligten sowie Schlaganfälle mit je gut fünf Prozent (Kassenärzt- Versorgungsebenen einbezogen werden. Dies gelang liche Vereinigung Nordrhein & IVPNetworks GmbH, durch die Beteiligung der Fachgesellschaften, des 2019). KV-Systems, der Managementgesellschaft IVP sowie vieler weiterer Unterstützer wie Selbsthilfe-, Patienten- Aktuell können Versicherte der AOK Rheinland/Ham- und Angehörigenvertretern. Im Rahmen der Projektar- burg, der BKK Deutsche Bank AG und der Continentale beit wurde die Expertise aller Beteiligten verknüpft, eine BKK in der Region Nordrhein das Versorgungsangebot breite Bereitschaft zur Kooperation geschaffen und die nutzen. Grundlage für einen erfolgreichen Antrag an den Inno- vationsfonds gelegt. Nach der Bewilligung des Förder- Versorgungskonzept antrags durch den Innovationsausschuss konnte binnen Die schnelle und bedarfsgerechte Versorgung von sechs Monaten die Struktur aufgebaut werden, in der die Menschen mit schweren neurologischen und psychischen ersten Patienten versorgt wurden. Seither nimmt das Erkrankungen ist das Ziel der NPPV. An die Stelle von Projektteam in einem kontinuierlichen Verbesserungs- langen Wartezeiten, ungeeigneter Auswahl von prozess weitere Anpassungen vor. Therapieansätzen und häufigen Abbrüchen durch zu we- nig Versorgung tritt hier eine intensivierte ambulante Komplexbehandlung in akuten Krankheitsphasen. Durch die Verknüpfung der Akteure, definierte Behand- lungspfade, die IT-Plattform und externe Manage
NPPV – Netzwerk für Soforthilfe bei psychischen und neurologischen Erkrankungen mentunterstützung gelingt es, schnell mit den richtigen digitale „Gruppenbörse“ mit Suchfunktion, aus der ähn- Mitteln zu reagieren. lich wie bei Google Maps ersichtlich wird, wo welche An- gebote zur Verfügung stehen. So konnten im Jahr 2019 Von Beginn an waren alle Versorgungsebenen an der über 700 Patientinnen und Patienten in einer Gruppe Entwicklung der NPPV beteiligt. Die niedergelassenen versorgt werden (Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein Fachärztinnen und Fachärzte sowie Psychothera & IVPNetworks GmbH, 2019). peutinnen und -therapeuten übernehmen die Schlüssel- rolle als Lotsen. Sie sind eng vernetzt mit Hausärzten, Darüber hinaus sind E-Mental-Health-Programme in die die oft die ersten Ansprechpartner für die Patienten sind. Behandlungspfade integriert. Mit den digitalen Program- Darüber hinaus arbeiten sie mit Kliniken zusammen, die men zu Depression, Burnout und Angst können die bei Bedarf die stationäre Versorgung übernehmen. Patienten, eingebettet in strukturierte Versorgungs prozesse, unabhängig von Terminen und nach ihren Be- Der zentrale Ansprechpartner und Lotse für den dürfnissen, den Umgang mit ihrer Erkrankung lernen. Patienten ist der Bezugsarzt beziehungsweise Bezugs- Die digitalen Programme können den eingeschriebenen therapeut. Diese Rolle kann ein Facharzt aus den Berei- Patienten über die gemeinsame IT-Plattform verordnet chen Neurologie oder Psychiatrie oder ein Psychothera- werden. Die E-Mental-Health-Angebote werden bei peut übernehmen. Am Beginn der Betreuung in der einem Viertel der eingeschriebenen Patienten einge- NPPV steht für den Patienten ein Assessment, bei dem setzt, unter den depressiven Patienten lag die Verord- diverse Daten zum Krankheitsverlauf, zum Status und nungsquote sogar bei einem Drittel aller Eingeschriebe- zu den Möglichkeiten des Patienten erhoben werden. nen. Betrachtet man nur die unter 40-jährigen Soweit möglich, werden dafür standardisierte Instru- NPPV-Teilnehmer, hat jeder zweite Depressive eine Ver- mente genutzt. Die Erhebung wird vom Bezugsthera- ordnung für ein Online-Programm erhalten. Die tatsäch- peuten oder -arzt durchgeführt, von der Koordinierungs- liche Inanspruchnahme durch die Patienten hängt dabei stelle bewertet und im Anschluss in enger Abstimmung maßgeblich davon ab, ob diese intensiv von ihrem Be- mit dem Patienten und seinen Angehörigen eingeleitet. zugsarzt oder dem Case Management begleitet werden. In akuten Phasen ist eine hochverdichtete Versorgung Erste Erfahrungen haben hier bereits zu einer Prozess- sichergestellt. verbesserung geführt: Die Einlösehäufigkeit der Nutzungscodes konnte durch entsprechende Prozessan- Grundlage für die Steuerung der Behandlung sind ge- passungen und Schulungen von anfänglich 20 Prozent meinsam erarbeitete Behandlungspfade, die die Leit auf mittlerweile 50 Prozent gesteigert werden. linien in praktisches Handeln übersetzen. Die Behand- lungspfade sind im IT-System abgebildet, damit Alle relevanten Kliniken der Region wurden von den sichergestellt ist, dass keine Behandlungsoption über- regionalen Netzwerkkoordinatoren eingebunden und zu sehen wird. Zu den Behandlungsoptionen gehören auch den Netzwerktreffen eingeladen. So entstand eine Gruppenangebote, die durch den Austausch zahlreicher vertrauensvolle Zusammenarbeit mit vielen Kliniken, die Behandler optimal besetzt werden können. So bietet die das Entlass- und Aufnahmemanagement verbessert hat. Region Nordrhein inzwischen über 200 Gruppenange- Die ambulanten Spezialangebote der Kliniken werden bote mit einem breiten Spektrum von der Psychoeduka- nach und nach in die Behandlungsabläufe integriert. tion und Ressourcenstärkung über Neuroedukation und Der NPPV-Versorgungsprozess umfasst somit alle -training bis hin zur Angehörigenberatung. Die Gruppen Behandlungsphasen und kann dank der Koordination sind niedrigschwellig gestaltet und so ausgerichtet, dass gezielt gesteuert werden (Abbildung 1). sie auch schwer Erkrankten eine Möglichkeit bieten, sich auszutauschen. Die Gruppenangebote werden durch die zentrale Steuerung fach- und praxisübergreifend har- monisiert, sodass vielfältige und spezifische Angebote gemacht werden können. Auf diese Weise entstand eine
NPPV – Netzwerk für Soforthilfe bei psychischen und neurologischen Erkrankungen NPPV – Der Versorgungsprozess Zusteuerung/ Patienten Koordination Modulare Therapie Eingangsassessment Versorgungsphase Arzt/Therapeut novego Inaktive Hausarzt Facharzt Bezugsarzt Bezugstherapeut Psychotherapeut Betriebsarzt/Klinik Gruppentherapie Soziale Dienste Unterstützung durch Koordinationsstelle und IT-System Abbildung 1 Versorgungsprozess in der NPPV Quelle: NPPV, eigene Darstellung Alle Beteiligten greifen auf eine gemeinsame IT-Platt- Die Schlüsselposition hat dabei die zentrale Koordinie- form zu (IVPnet). Neben den Behandlungspfaden sorgt rungsstelle inne, die den Praxen die Koordination und das hier vor allem die gemeinsame Fallakte für Klarheit und Finden geeigneter Partner erleichtert. Das Case und Care Transparenz. Alle notwendigen Informationen sind darin Management der Koordinierungsstelle übernimmt die gebündelt und alle Entscheidungen sowie die relevanten Suche nach den richtigen Angeboten zur richtigen Zeit Prozessabläufe patientenbezogen dokumentiert. Die und bereitet die Angebote auf. Vertragssoftware IVPnet wurde an das sichere Netz der Kassenärztlichen Vereinigungen angeschlossen (KV Die Netzwerkpartner werden darüber hinaus von regio- Connect), damit auch Hausarztpraxen eingebunden wer- nalen Netzwerkmanagern betreut. Die Netzwerkmana- den können, die die IVPnet nicht nutzen. So werden ger sind regelmäßig in den Praxen präsent und stehen Doppelerfassungen vermieden und Informationen aus als persönliche Ansprechpartner jederzeit zur Verfügung. der Patientenfallakte der Praxisverwaltungssoftware via Zu ihren Aufgaben gehören, neben der Akquise, der E-Arztbrief und E-Nachricht versendet und empfangen. Netzwerkaufbau, die Aktivierung, die Schulung, der Sup- port, die Qualitätssicherung sowie die Organisation und Das externe Netzwerkmanagement vernetzt alle rele- Durchführung von regionalen Netzwerktreffen und vanten Akteure systematisch quer zu den Disziplinen. Qualitätszirkeln (Abbildung 2). Unterstützung durch Koordinationsstelle und Netzwerkmanagement Qualitätsmanagement/ Support Netzwerkaufbau Schulung Controlling Koordinationsstellen Akquirieren neuer Schulung der Versorgungs- Kontinulierliches Qualitäts- Regelmäßige administrative Netzwerkpartner (Ärzte, prozesse bei den Leistungs- monitoring und dokumentier- Unterstützung in allen Belangen Psychotherapeuten) erbringern tes Feedback (Cockpits) rund um die prozessualen & • Persönlich Durchführung regelmäßiger vertraglichen Themen Bereitstellung weiterer Angebote • Schulungshandbücher regionaler und über- Organisation von Fallkonferen- • Online-Schulungen regionaler Qualitätszirkel zen und Qualitätszirkeln Umsetzung der Versor- Casemanagement (Terminkoor- gungskonzepte bei/mit dination, Organisation von Leistungserbringern vor Ort Gruppenangeboten) Bereitstellung NPPV-Hotline (Servicezeiten Montag – Freitag, 9 – 17 Uhr) Abbildung 2 Netzwerkmanagement in der NPPV Quelle: NPPV, eigene Darstellung
NPPV – Netzwerk für Soforthilfe bei psychischen und neurologischen Erkrankungen Mehr als 11.000 eingeschriebene Patienten sprechen für überregionaler Ebene statt. Ziel ist es, dass Patienten den Erfolg des Projektes (Stand Juni 2020). Bislang und ihre Angehörigen im Anschluss an die NPPV-Versor- konnten alle Meilensteine der Patientenakquise erreicht gung die Strukturen der Selbsthilfe kennen und nutzen. werden. Dies gelingt nur mit überzeugten Ärzten und Therapeuten, die in diesem Versorgungsangebot einen Ein Workshop unter dem Motto „Voneinander lernen, Mehrwert für ihre Patienten sehen. Zusammenarbeit stärken“ brachte Selbsthilfe-Vertreter, Ärzte und Psychotherapeuten zusammen. Die Veran- Mehrwert und Patientenorientierung staltung war eine Gelegenheit, über den Tellerrand hin- Die Teilnahmebereitschaft an der NPPV ist groß. Die Zahl auszuschauen, das Wissen übereinander zu vertiefen und der eingeschriebenen Patienten wuchs schnell und stetig, sich zu vernetzen. Der Dialog zwischen Ärzten, Psycho- die Zahl der beteiligten Ärzte und Psychotherapeuten therapeuten und Patienten erfolgt durch die gezielte übersprang sogar die Zielmarke. Aktuell (Stand Juni Einbindung in die NPPV-Netzwerktreffen und Qualitäts- 2020) stehen rund 700 Fachärzte und Psychotherapeu- zirkel. Auch vorhandene vernetzte Strukturen, wie die ten an 424 Standorten in der Region Nordrhein bereit, Selbsthilfekontaktstellen oder die Regionalbüros Alter, um als Bezugsarzt oder -therapeut die Akutversorgung Pflege und Demenz, werden in diese Treffen einbezogen. im Rahmen des Versorgungsmodells sicherzustellen. Finanzierung Der Wunsch nach Vernetzung der verschiedenen Fach- Das Projekt wird vom Innovationsfonds im Zeitraum von gruppen zeigt sich nicht zuletzt in den hohen Teilnehmer- April 2017 bis März 2021 mit insgesamt 12,9 Millionen zahlen der regionalen Netzwerktreffen. Über 300 Netz- Euro gefördert. Mehr als zwei Drittel des Volumens sind werkpartner besuchten die bisher angebotenen für gesundheitliche Versorgungsleistungen vorgesehen. Qualitätszirkel und beteiligten sich aktiv an der Erar Dazu gehören insbesondere ärztliche beziehungsweise beitung und Erweiterung praxisübergreifender Angebo- psychotherapeutische Leistungen, die aktuell nicht in der te sowie an einem berufsgruppenübergreifenden Aus- Regelversorgung verankert sind, beispielsweise Koordi- tausch. nationsleistungen, verdichtete Akutversorgung und Krisensprechstunden, niederschwellige Gruppen In den Qualitätszirkeln werden Themen bearbeitet, die angebote sowie E-Mental-Health-Programme. Darüber die Netzwerkpartner beschäftigen. Insbesondere der hinaus werden mit dem Fördervolumen die dringend Bedarf an niederschwelligen Gruppenangeboten wurde notwendigen Strukturleistungen der zentralen Koordi- von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gemeinsam nationsstelle wie Case und Care Management, Netzwerk- diskutiert und im Ergebnis wurden neue Angebote ge- management und IT finanziert. Des Weiteren umfasst schaffen. Die Ärzte und Psychotherapeuten bewerten die Förderung die Finanzierung der unabhängigen Evalua- die bisherigen Treffen und den Austausch als sehr positiv tion sowie die Projektadministrationskosten. und sinnvoll (NPPV, 2019). Die Netzwerkmanager agieren über die Systemgrenzen Management hinaus, auch Gesundheitsämter, Integrationsfachdiens- te und Betriebsärzte werden in die Kooperation mit ein- Das Projekt wird durchgeführt von der Kassenärztlichen gebunden. Von großer Bedeutung ist außerdem die Vereinigung Nordrhein als Konsortialführer und der IVP- gesundheitsbezogene Selbsthilfe, die sich als wesentliche Networks GmbH als Konsortialpartner. Die KVNO über- Ergänzung zum professionellen Hilfesystem etabliert hat nimmt in erster Linie das Projektmanagement der über- und die wertvolle Sicht und den Erfahrungsschatz von geordneten Administration wie Verträge mit Patienten und Angehörigen einbringt. Um diese Struk- Krankenkassen und Evaluatoren, Ethikvotum, Kommu- turen systematisch in die vernetzte Versorgung des Pro- nikation mit dem Förderträger und Ähnliches. IVP ist als jekts NPPV einzubeziehen, findet ein Dialog mit Vertre- Managementgesellschaft für das gesamte operative tern von Selbsthilfeorganisationen auf regionaler und Umsetzungsmanagement verantwortlich. Dazu gehören
NPPV – Netzwerk für Soforthilfe bei psychischen und neurologischen Erkrankungen der Aufbau und die Bereitstellung der zentralen Koordi- 3. Ressourcenverschiebung auf Ebene der Leistungs- nationsstelle, die das Case Management und das Netz- erbringer: Kann die Verfügbarkeit der Behandler werkmanagement übernimmt. Die in der NPPV einge- für schwere Fälle gesteigert und insgesamt eine setzte Software wurde ebenfalls von IVP entwickelt. Um rationalere Versorgung der Patienten erreicht das Netzwerk aufzubauen beziehungsweise zu e rweitern, werden? erfolgen die Akquise und die Schulung der Leistungser- 4. Prozesse und Strukturen: Können die Prozesse bringer (Ärzte und Psychotherapeuten) s owie weiterer und Strukturen wie geplant aufgebaut werden und Kooperationspartner wie Kliniken und Selbsthilfekon- führen sie zu höherer Akzeptanz beziehungsweise taktstellen ebenfalls über die Koordinationsstelle. Zudem Zufriedenheit bei den Ärzten und Psychothera gehört das Qualitäts- und Prozessmanagement zu den peuten? Aufgaben der IVP. Die Ergebnisse der Evaluation der patientenorientierten Endpunkte werden frühestens Anfang 2021 vorliegen. Die Abrechnung in der Arztpraxis erfolgt über die übli- Erste Zwischenergebnisse der Befragung der teilneh- chen Abrechnungswege der KVNO. Es wurden für das menden Ärzte und Psychotherapeuten liegen bereits vor Projekt Pseudogebührenordnungspositionen definiert und belegen eine hohe Akzeptanz seitens der teilneh- und umgesetzt, sodass die teilnehmenden Leistungser- menden Praxen. So gehen die teilnehmenden Ärzte und bringer die Abrechnung in gewohnter Weise vornehmen Psychotherapeuten überwiegend davon aus, dass die können. strukturierte und koordinierte Versorgung für die Pati- enten angemessen und wirksam ist (Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein & IVPNetworks GmbH, 2019). Evaluation Zwei Drittel der Befragten berichten von einer Qualitäts- verbesserung der Patientenversorgung. 87 Prozent Die unabhängige Evaluation wird das durch IGES Institut halten das Projekt für angemessen, 77 Prozent sind über- sowie durch das Zentralinstitut für die kassenärztliche zeugt davon, dass die Patienten von den Projektinhalten Versorgung (Zi) durchgeführt. Die Effektivität der Inter- profitieren, und 82 Prozent sagen, dass die Erkrankten vention wird mit einer prospektiven Kohortenstudie mit mehr Werkzeuge für ihre Therapie erhalten (Abbildung 3). pragmatischem Studiendesign untersucht. Die Kontroll- Das Projekt ist für die Die meisten Erkrankten gruppe wird mittels Propensity Score Matching aus Ver- Erkrankten angemessen profitieren vom Projekt sicherten der beteiligten Krankenkassen gebildet. Die 12,8 % Mitglieder der ersten Kohorte erhalten die Versorgung 23,0 % in den Ärztenetzen, während die Mitglieder der zweiten 87,2 % 77,0 % Kohorte den Bedingungen der Regelversorgung unter- 77,0 % liegen. 87,2 % Untersucht werden vier Arbeitshypothesen: Die Erkrankten erhalten mehr Werkzeuge für ihre Therapie 1. Patientenorientierte Endpunkte: Ist die Interventi- 18,0 % onsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe mit der sehr/ziemlich Versorgungsituation zufriedener und weist sie eine 82,0 % wenig/gar nicht höhere gesundheitsbezogene Lebensqualität auf? 82,0 % 2. Effizienzgewinne aus gesamtgesellschaftlicher Sicht: Führt die koordinierte Patientensteuerung bei der Interventionsgruppe innerhalb von zwölf be- Abbildung 3 Bewertung der Bedarfsgerechtigkeit der NPPV ziehungsweise 24 Monaten nach der Einschreibung Quelle: ZI (2020), eigene Darstellung zu niedrigeren (direkten) Gesamtkosten je Patient im Vergleich zur Kontrollgruppe?
NPPV – Netzwerk für Soforthilfe bei psychischen und neurologischen Erkrankungen Die Befragten sehen deutliche Verbesserungen in den Erste Hinweise auf einen positiven Nutzen für die Bereichen Patientenversorgung (66 Prozent), Kom Patientinnen und Patienten ergeben sich aus internen plexbehandlung (63 Prozent), Versorgungsintensität Patientenbefragungen und Auswertungen der Assess- (52 Prozent), Patientenbindung (44 Prozent) und mentdokumentation der Vertragssoftware. Diese deuten Therapieerfolg (42 Prozent). Krankenhauseinweisungen auf die zentrale Bedeutung des Bezugsarztes/-thera- (39 Prozent) und Therapieabbrüche (19 Prozent) kommen peuten hin. 90 Prozent der Patienten bestätigen, dass seltener vor (Abbildung 4). sie im Notfall schnell einen Termin bei ihrem Bezugs- arzt/-therapeuten bekommen. Die Leistungsinanspruch- Hat sich seit Implementierung des Projektes die Versorgungs- qualität verändert? Wenn ja, wie? nahme erfolgt bedarfsgerecht; Patienten werden in akuten Krankheitsphasen hochfrequent gesehen (auch 80 verbessert vermindert verringert erhöht täglich). Nach der Akutphase nimmt die Kontaktfrequenz 70 deutlich ab. Über den gesamten Versorgungszeitraum 66 60 63 hinweg werden neben der Regelversorgung 50 52 durchschnittlich zwei zusätzliche Kontakte je Quartal 40 42 44 durch den Patienten beim Bezugsarzt/-therapeuten 39 30 wahrgenommen. Niederschwellige Gruppenangebote 20 wurden flächendeckend etabliert: Über 1.000 Patienten 19 10 haben an einem Gruppenangebot teilgenommen. 93 Pro- 0 zent der Teilnehmer geben an, dass ihnen das Angebot -1 -1 -4 -3 -3 -5 -4 -10 geholfen hat. E-Mental-Health-Programme erlangen lg g t g n t Q ge s- he gu er tä un un fo su au eine große Akzeptanz im Projekt. Bei etwa einem Drittel üc or d n ng si nd dl er rs tät ei nh en br an ie n bi nw ke ab nt ve ali ap der an einer Depression erkrankten Patienten erfolgt h en an si be ie en u er nt ng ap Kr ex Th tie gu er eine entsprechende Indikationsstellung durch Ärzte oder pl ei Pa Th m or Ko rs tie Therapeuten. Die tatsächliche Inanspruchnahme liegt Ve Pa dann ebenfalls bei etwa einem Drittel (steigende Tendenz). 86 Prozent der Patienten würden das Angebot Abbildung 4 Versorgungsqualität im NPPV Quelle: ZI (2020), eigene Darstellung weiterempfehlen. 68 Prozent geben an, dass ihnen das Programm geholfen hat. 88 Prozent der befragten Ärzte und Therapeuten geben an, im Allgemeinen zufrieden mit dem Projekt zu sein. Auch das Thema Vernetzung wird überwiegend positiv Nächste Schritte bewertet. Hervorzuheben ist hier die hohe Zufriedenheit mit den Netzwerktreffen (92 Prozent). Die Versorgung der Patientinnen und Patienten im Rahmen der NPPV läuft zunächst bis zum 31.12.2020. Ein deutlich positives Ergebnis zeigt auch die Zufrieden- Während dieser Zeit werden Strukturen und Prozesse heit der befragten Ärzte und Therapeuten mit der weiterhin kontinuierlich hinterfragt und verbessert. genutzten Projektsoftware IVPnet und der Arbeit der Parallel müssen Strukturen zur nahtlosen Fortführung Zentralen Koordinationsstelle. Die befragten Versorger des Projekts und zur Übernahme in die Regelversorgung sind zudem langfristig an der Kooperation im Rahmen geschaffen werden. der NPPV interessiert. 90 Prozent der Teilnehmenden wollen das Projekt zukünftig weiter unterstützen. Die NPPV hat das Potenzial, die Regelversorgung nach- 84 Prozent würden das Projekt an Kollegen weiteremp- haltig zu verbessern, da sie an den bereits etablierten fehlen (Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein & IVP- Strukturen und Prozessen ansetzt, dazu beiträgt, ärzt- Networks GmbH, 2019). liche und therapeutische Ressourcen zu schonen und zugleich die Qualität der Versorgung erhöht.
NPPV – Netzwerk für Soforthilfe bei psychischen und neurologischen Erkrankungen Literatur Lambert, M., Karow, A. & Gallinat, J. (2019). Versorgungsforschung in der Lebenswelt, Der Nervenarzt 90(11), Springer Medizin Verlag. https://doi.org/10.1007/s00115-019-00793-z Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein & IVPNetworks GmbH. (2019). NPPV. Neurologisch-psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung. Qualitätsbericht. Status: Oktober 2019. https://nppv- nordrhein.de/wp-content/uploads/2020/03/Qualitätsbericht-NPPV-2019_V7_Final_Druck-1.pdf Statista (2020). Anzahl neurologischer Erkrankungen bei der Bevölkerung in Europa von 2005, 2015 und 2030. https:// de.statista.com/statistik/daten/studie/180618/umfrage/anzahl-neurologischer-erkrankungen/ Walendzik, A., Rabe-Menssen, C., Lux, G., Wasem, J. & Jahn, R. (2010). Erhebung zur ambulanten psychotherapeutischen Versorgung 2010. https://www.mm.wiwi.uni-due.de/fileadmin/fileupload/ BWL-MEDMAN/Forschung/Gutachten_DPtV_finalfinalkorr.pdf Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) & Gerber, C. (2020). Evaluation des Versorgungsprojektes „Neurologisch-psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung“ (NPPV). Im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Zwischenbericht 2019.
NPPV – Netzwerk für Soforthilfe bei psychischen und neurologischen Erkrankungen Ansprechpartner Dr. Norbert Paas Geschäftsführer IVPNetworks GmbH Conventstr. 8 – 10 22089 Hamburg Telefon: 040 226306777 E-Mail: npaas@ivpnetworks.de www.ivpnetworks.de René Engelmann, M.A. Leitung Netzwerkmanagement Projektmanagement NPPV IVPNetworks GmbH Conventstr. 8 – 10 22089 Hamburg Telefon: 040 226306776 E-Mail: rengelmann@ivpnetworks.de www.ivpnetworks.de
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