Nach Verhandlungsabbruch weiterhin stabile Vorteilssicht auf Bilaterale - Wichtiges in Kürze - Standort Schweiz 2022 - Europafragen im Auftrag der ...
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Wichtiges in Kürze Nach Verhandlungsabbruch weiterhin stabile Vorteilssicht auf Bilaterale Standort Schweiz 2022 – Europafragen im Auftrag der Interpharma ©GFS.BERN | FEBRUAR 2022
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE PROJEKTTEAM Urs Bieri: Co-Leiter Jonas Ph. Kocher: Projektleiter Olga Jenzer: Wissenschaftliche Mitarbeiterin Data Science Daniel Bohn: Projektmitarbeiter Bern, 23. Februar 2022 ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 2
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE 1 Vorteilssicht auf Bilaterale stabil Auch mit einer gewissen Distanz zum Verhandlungsabbruch zum instituti- onellen Abkommen bleibt die generelle Einschätzung der bilateralen Ver- träge stabil und mehrheitlich positiv. In den Bilateralen werden viele ver- schiede Vorteile gesehen, sei es für die Wirtschaft und den Forschungs- standort Schweiz, seien es Erleichterungen beim Reisen oder Beiträge zu Sicherheit und Frieden in der Schweiz und Europa. Als Negativpunkt wird knapp mehrheitlich der Druck auf die Schweizer Löhne gesehen. Das wichtigste europapolitische Ereignis seit der letzten Befragung (März/April 2021) war der Abbruch der Verhandlungen über ein institutionelles Abkommen mit der EU ("Rahmenabkommen"). Mehrere Sitzungen zwischen Vertreter:innen der Schweiz und der EU halfen nicht, die offenen Fragen zu klären und den Stillstand in den Verhandlun- gen zu lösen. Aus Sicht des Bundesrates bestanden weiterhin substantielle Differenzen. Insbesondere bei der Unionsbürgerrichtlinie, dem Lohnschutz und den staatlichen Bei- hilfen fanden sich die beiden Seiten nicht, was den Bundesrat dazu veranlasste, das in- stitutionelle Abkommen nicht zu unterzeichnen und Ende Mai die Verhandlungen für beendet zu erklären. Der Bundesrat hält jedoch am bilateralen Weg fest. Der Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen hat die generelle Einschätzung der bilateralen Verträge kaum beeinflusst: Grafik 1 3 4 4 3 3 4 2 3 2 3 Trend Einschätzung 3 5 4 5 3 6 2 2 1 3 3 4 3 4 2 weiss nicht/keine Antwort 4 4 bilaterale Verträge 16 16 15 13 13 18 weder noch 20 17 19 "Ganz generell: Sehen Sie in den bilateralen Verträgen zwischen der Schweiz und der EU 17 23 26 alles in allem mehr Vorteile oder mehr 16 28 nur Nachteile 28 Nachteile?" 19 24 25 in % Stimmberechtigte eher Nachteile 43 50 Vor- und Nachteile 40 46 44 gleichzeitig 41 38 35 39 eher Vorteile 12 10 9 11 nur Vorteile 8 7 8 8 9 Feb. 2015 Okt. 2015 Apr. 2016 Feb. 2017 Mär./Apr. Feb./Mär. Mai./Jun. Mär./Apr. Jan./Feb. 2018 2019 2020 2021 2022 gfs.bern, Standort Schweiz, 9. Welle, Jan/Feb 2022 (N = jeweils ca. 2300) Weiterhin sieht eine knappe absolute Mehrheit (53%) hauptsächlich Vorteile darin, 15 Prozent hingegen eher oder nur Nachteile. Das ist innerhalb des Stichprobenfehlers dasselbe Ergebnis wie vor dem Abbruch der Verhandlungen. Gut ein Viertel (26%) sieht gleichzeitig sowohl Vor- als auch Nachteile. Insgesamt bleibt damit die positive Beurtei- lung der bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU ein sehr stabiles Funda- ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 3
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE ment für jegliche themenbezogene Diskussion. Dies betrifft insbesondere auch Reform- absichten: Es gilt zu erklären, wieso diese im Rahmen einer grundsätzlich zufriedenstel- lenden Situation nötig sind. Ungebrochen bleibt aber die Beurteilung aus parteipolitischer Sicht das wichtigste Dif- ferenzierungsmerkmal: Grafik 2 Trend Einschätzung 1 11 21 11 3 3 31 2 31 4 2 3 22 3 2 1 2 5 bilaterale Verträge 6 5 6 11 10 5 4 2 8 4 1 10 5 7 weiss nicht/keine Antwort 17 14 10 nach Parteibindung 16 17 17 14 22 17 22 weder noch (1/2) 27 25 21 32 nur Nachteile "Ganz generell: Sehen Sie in den bilateralen Verträgen zwischen der Schweiz und der EU 48 60 67 61 59 alles in allem mehr Vorteile oder mehr 61 52 49 Nachteile?" eher Nachteile 50 43 46 in % Stimmberechtigte 32 Vor- und Nachteile 25 gleichzeitig 15 15 15 16 18 15 11 11 8 9 10 eher Vorteile Jan./Feb. 2022 Jan./Feb. 2022 Jan./Feb. 2022 Jan./Feb. 2022 Mai./Jun. 2020 Mai./Jun. 2020 Mai./Jun. 2020 Mai./Jun. 2020 Mär./Apr. 2021 Mär./Apr. 2021 Mär./Apr. 2021 Mär./Apr. 2021 nur Vorteile GPS SP GLP Die Mitte gfs.bern, Standort Schweiz, 9. Welle, Jan/Feb 2022 (N = jeweils ca. 2000) Unter den Anhängerschaften von GLP und GPS ist die Vorteilssicht auch in diesem Jahr deutlich vorhanden. Bei den SP-Sympathisant:innen – traditionell auch stark im proeu- ropäischen Lager verhaftet – ist im Vergleich zu den Vorjahren eine leicht kritischere Stimmung festzustellen: Nur noch 54 Prozent sehen nur oder eher Vorteile. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Rückgang um 11 Prozentpunkte. Die SP-Anhängerschaft ist damit im Jahr 2022 ähnlich gegenüber den Bilateralen eingestellt wie die Gesamtbevölkerung. Der Rückgang bei der SP wird unter anderem durch die Sympathisierenden der Mitte wettgemacht: 60 Prozent sehen hier mehr Vor- als Nachteile in den bilateralen Verträ- gen. Noch vor zwei Jahren war die Anhängerschaft der Partei deutlich gespaltener. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 4
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE Grafik 3 Trend Einschätzung 4 2 4 2 4 2 3 1 5 14 11 22 5 1 4 3 13 4 weiss nicht/keine bilaterale Verträge 8 4 15 6 3 3 9 Antwort 4 nach Parteibindung 24 14 29 24 21 6 4 weder noch 14 (2/2) 31 29 26 30 13 nur Nachteile "Ganz generell: Sehen Sie in den bilateralen 26 41 Verträgen zwischen der Schweiz und der EU alles in allem mehr Vorteile oder mehr 43 Nachteile?" 51 eher Nachteile 36 40 50 46 in % Stimmberechtigte 37 34 27 Vor- und Nachteile gleichzeitig 18 11 14 6 9 6 1 4 3 3 eher Vorteile Jan./Feb. 2022 Jan./Feb. 2022 Jan./Feb. 2022 Mai./Jun. 2020 Mai./Jun. 2020 Mai./Jun. 2020 Mär./Apr. 2021 Mär./Apr. 2021 Mär./Apr. 2021 nur Vorteile FDP.Die Liberalen SVP Parteiungebundene gfs.bern, Standort Schweiz, 9. Welle, Jan/Feb 2022 (N = jeweils ca. 2000) Eine leicht positivere Sicht als im Vorjahr nehmen auch die FDP-Anhänger:innen ein, wobei früher noch grössere Zustimmungen gemessen wurden. Traditionell haben die SVP-Anhänger:innen die kritischste Sicht auf die bilateralen Verträge, wobei unter ihnen die meisten gleichzeitig Vor- und Nachteile sehen. Ähnlich starke Unterschiede finden sich nach wie vor entlang der Schulbildung: Grafik 4 Trend Einschätzung 7 5 2 2 15 12 11 13 4 bilaterale Verträge 17 3 2 4 2 7 2 1 3 11 3 9 3 10 weiss nicht/keine Antwort 7 16 nach Schulbildung 7 17 19 16 13 13 18 weder noch 8 21 "Ganz generell: Sehen Sie in den bilateralen 10 19 7 36 Verträgen zwischen der Schweiz und der EU 33 37 nur Nachteile alles in allem mehr Vorteile oder mehr 12 Nachteile?" 60 55 49 38 37 eher Nachteile in % Stimmberechtigte 31 30 36 37 Vor- und Nachteile gleichzeitig 15 17 16 16 15 13 6 4 4 eher Vorteile Jan./Feb. 2022 Jan./Feb. 2022 Jan./Feb. 2022 Mai./Jun. 2020 Mai./Jun. 2020 Mai./Jun. 2020 Mär./Apr. 2021 Mär./Apr. 2021 Mär./Apr. 2021 nur Vorteile tief mittel hoch gfs.bern, Standort Schweiz, 9. Welle, Jan/Feb 2022 (N = jeweils ca. 2000) Unter Personen mit einem hohen (tertiären) Bildungsabschluss, werden die Bilateralen stabil auf hohem Niveau als vorteilhaft beurteilt. Wahrscheinlich kann dieses Milieu am stärksten von den individuellen Freiheiten profitieren, spürt aber die negativen Auswir- ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 5
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE kungen kaum. Anders Personen mit einem mittleren Abschluss (Berufslehre). Diese spü- ren den Wettbewerb durch Arbeitskräfte aus der EU direkter, ohne gleichermassen zu profitieren. So ist dieses Bildungssegment weiterhin kritischer gegenüber den Bilatera- len eingestellt. Nur 41 Prozent sehen mehrheitlich Vorteile, während 36 Prozent gleich- ermassen Vor- und Nachteile wahrnehmen. 2022 verteilt sich die Beurteilung der Bilateralen homogener auf die Sprachregionen: Grafik 5 Trend Einschätzung 2 3 2 12 4 3 3 11 2 3 4 2 bilaterale Verträge 2 4 2 1 4 4 4 3 4 10 4 3 weiss nicht/keine Antwort 13 12 nach Sprachregion 13 20 13 17 5 26 16 weder noch 8 12 29 15 29 "Ganz generell: Sehen Sie in den bilateralen 26 22 35 Verträgen zwischen der Schweiz und der EU 25 alles in allem mehr Vorteile oder mehr nur Nachteile Nachteile?" 16 48 in % Stimmberechtigte 56 eher Nachteile 49 44 42 31 49 36 26 Vor- und Nachteile gleichzeitig 17 14 9 8 10 7 9 11 4 eher Vorteile Jan./Feb. 2022 Jan./Feb. 2022 Jan./Feb. 2022 Mai./Jun. 2020 Mai./Jun. 2020 Mai./Jun. 2020 Mär./Apr. 2021 Mär./Apr. 2021 Mär./Apr. 2021 nur Vorteile gfs.bern, Standort Schweiz, 9. Welle, Jan/Feb 2022 DCH FCH ICH (N = jeweils ca. 2000) In allen drei Landesteilen sieht die absolute Mehrheit eher oder nur Vorteile. In der deutsch- und italienischsprachigen Schweiz ist die Mehrheit nur knapp gegeben, in der französischsprachigen etwas deutlicher. Dennoch haben sie sich angenähert: In der Ro- mandie ist die positive Sicht leicht rückläufig, während sie in der italienischsprachigen Schweiz gestiegen ist. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 6
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE Die generelle Vorteilssicht auf die bilateralen Verträge ist nicht nur ein vages Gefühl, sondern zeigt sich in konkreten Vorteilen, welche von den Stimmberechtigten wahrge- nommen werden: Grafik 6 Relevanz Beziehung Vorteile für Schweizer Wirtschaft 45 45 8 2 Schweiz-EU "Ich nenne Ihnen nun verschiedene einfaches Reisen in ganz Europa 51 38 8 3 Elemente, wo die aktuelle Beziehung zwischen der Schweiz und der EU Vorteile haben kann. Sagen Sie mir bitte für jedes Element, ob ein solcher Vorteil für Sie Vorteile für Forschungsstandort Schweiz 38 41 2 17 2 persönlich in der Beurteilung der Beziehung Schweiz-EU sehr relevant, eher relevant, eher nicht relevant oder überhaupt nicht Stärkung Sicherheit in der Schweiz 27 50 1 18 4 relevant ist." in % Stimmberechtigte Stärkung Frieden in Europa 25 46 2 21 6 Möglichkeit in ganz Europa 29 35 24 12 Berufserfahrungen zu sammeln Möglichkeit in ganz Europa zu studieren 31 28 1 15 25 für mich sehr relevant für mich eher relevant weiss nicht/keine Antwort gfs.bern, Standort Schweiz, 9. Welle, Jan/Feb 2022 für mich eher nicht relevant für mich überhaupt nicht relevant (N = 2003) Vor allem die Vorteile für die Schweizer Wirtschaft und die Vereinfachungen beim Reisen durch Europa sehen neun von zehn Befragten als relevant an. Auch die Vorteile für den Forschungsstandort, die Stärkung der Sicherheit in der Schweiz und des Friedens in Eu- ropa sind für sehr viele relevant. Fast zwei Drittel schätzen die Möglichkeit, in ganz Eu- ropa Berufserfahrungen zu machen, aber auch der Aufenthalt in anderen europäischen Ländern zu Studienzwecken hält eine Mehrheit für relevant. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 7
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE Auch auf der argumentativen Ebene zeigt sich nach wie vor die wahrgenommene Wich- tigkeit der bilateralen Verträge: Grafik 7 100 Trend Pro-Argumente 90 Zugang zu Exportmarkt rund um Bilaterale 80 Zugang zu Bildungs-/ Forschungsprogrammen 70 "Wir haben hier einige Argumente aus der politischen Diskussion in der Schweiz rund um diese bilateralen Verträge mit der EU 60 gesammelt, die man immer wieder hören überall in EU wohnen, studieren und arbeiten kann. Sagen Sie mir bitte jeweils, ob Sie 50 damit voll einverstanden, eher, eher nicht oder gar nicht einverstanden sind." 40 Fachkräfte aus Ausland in % Stimmberechtigte notwendig Anteil voll/eher einverstanden 30 20 Bilaterale verhelfen zu Wohlstand 10 Schweiz von 0 Asylwanderungen Feb./Mär. 2019 Feb. 2017 Jan./Feb. 2022 Apr. 2016 Feb. 2015 Okt. 2015 Mär./Apr. 2018 Mai./Jun. 2020 Mär./Apr. 2021 verschont gfs.bern, Standort Schweiz, 9. Welle, Jan/Feb 2022 (N = jeweils ca. 2300) Der Zugang für die Exportindustrie zum europäischen Markt, der Zugang zu den Bil- dungs- und Forschungsprogrammen und die Möglichkeit, in der EU wohnen, arbeiten und studieren zu können, werden wie in den Vorjahren fast flächendeckend als Vorteil gesehen. Das Argument, dass Fachkräfte aus dem Ausland für die Schweizer Wirtschaft notwendig sind, reiht sich knapp dahinter ein. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zustim- mung dazu um 9 Prozentpunkte auf 86 Prozent gestiegen. Bis 2020 schwankte der Wert jeweils um die 70 Prozent. Auch das Wohlstandsargument bleibt stark unter den Stimmberechtigten, jedoch etwas schwächer als im Vorjahr (63%, −4 Prozentpunkte). Jedoch ist nur eine Minderheit der Meinung, dass durch die bilateralen Verträge (Schen- gen/Dublin) die Schweiz von "Asylwanderungen" verschont wurde. Interessanterweise anerkennen dies die Sympathisierenden der SVP am stärksten (52%), während nur 28 Prozent der GPS-Anhänger:innen dem zustimmen. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 8
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE Mit einer Ausnahme sind die Contra-Argumente rund um die Bilateralen rückläufig: Grafik 8 100 Trend Contra- 90 einheimische Löhne unter Druck Argumente rund um durch PFZ 80 Bilaterale "Wir haben hier einige Argumente aus der 70 Zuwanderung politischen Diskussion in der Schweiz rund erhöht Miet- und um diese bilateralen Verträge mit der EU Immobilienpreise 60 gesammelt, die man immer wieder hören kann. Sagen Sie mir bitte jeweils, ob Sie damit voll einverstanden, eher, eher nicht 50 Zuwanderung als oder gar nicht einverstanden sind." Belastung für 40 Sozialwerke in % Stimmberechtigte Anteil voll/eher einverstanden 30 Kontrolle über 20 Zuwanderung verloren 10 0 Schweiz nicht auf Bilaterale Feb./Mär. 2019 Feb. 2017 Jan./Feb. 2022 Apr. 2016 Feb. 2015 Okt. 2015 Mär./Apr. 2018 Mai./Jun. 2020 Mär./Apr. 2021 angewiesen gfs.bern, Standort Schweiz, 9. Welle, Jan/Feb 2022 (N = jeweils ca. 2300) Der Druck auf die Miet- und Immobilienpreisen wird leicht stärker als im Vorjahr wahr- genommen (+3 Prozentpunkte). Nicht ganz die Hälfte stimmt der Aussage zu (47%). Das einzige noch knapp mehrheitliche Argument (51%) ist der Druck durch die Perso- nenfreizügigkeit auf die einheimischen Löhne. Gegenüber 2021 ist das ein Rückgang um 12 Prozentpunkte. Nur das Argument, dass die Zuwanderung eine Belastung für die So- zialwerke ist, hat einen grösseren Rückgang zu verzeichnen (−14) und ist erstmals nicht mehr mehrheitlich (41%). Auf tieferem Niveau sind auch die Aussagen, dass die Schweiz die Kontrolle über die Zu- wanderung verloren hat und nicht auf die Bilateralen angewiesen ist, ebenfalls rückläu- fig. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 9
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE Die Einschätzung zu den aktuellen bilateralen Verträgen lässt sich mit weitergehenden Analysen auch inhaltlich begründen: Grafik 9 Bilaterale verhelfen zu Wohlstand Regression Einschätzung Möglichkeit in ganz Europa zu studieren bilaterale Verträge mit Argumenten rund Vorteile für Schweizer Wirtschaft um die Bilateralen Schweiz nicht auf Bilaterale angewiesen und Relevanz Stimmberechtigte Kontrolle über Zuwanderung verloren Schweiz von Asylwanderungen verschont Möglichkeit in ganz Europa Berufserfahrungen zu sammeln Fachkräfte aus Ausland notwendig Stärkung Frieden in Europa gfs.bern, Standort Schweiz, 9. Welle, Jan./Feb. 2022 (N = 2003), Erklärungsgrad = 34% Erläuterung: Die eingesetzte Methode der linearen Regression beschreibt das Vorhandensein des Einflusses von unab- hängigen Variablen (hier: die Argumente für oder gegen die Bilateralen sowie die Relevanz der Aspekte in der Bezie- hung Schweiz-EU) auf eine abhängige Variable (Vor-/Nachteilssicht Bilaterale). Anhand der Farbe lässt sich unter- scheiden, ob ein Element eher zu Zustimmung (blau) oder eher zu Ablehnung (orange) führt. Argumente, welche in der Grafik nicht erscheinen, haben keinen Einfluss. Den stärksten Einfluss auf die Beurteilung der Bilateralen hat die Aussage, dass diese uns zu Wohlstand verhelfen. Wer dieser Aussage zustimmt, hat mit höherer Wahrscheinlich- keit auch eine positivere Sicht auf die Bilateralen. Auch weitere ökonomische Überlegun- gen spielen eine Rolle (Vorteile für Schweizer Wirtschaft, Fachkräfte). Einen stärkeren positiven Effekt hat auch die Möglichkeit, in ganz Europa studieren zu können. Das scheint für die Beurteilung wichtiger zu sein als die Möglichkeit, Berufser- fahrungen in ganz Europa sammeln zu können. Eher eine negative Sichtweise haben Befragte, welche der Meinung sind, dass die Schweiz nicht auf die Bilateralen angewiesen ist und die Kontrolle über die Zuwanderung verloren hat. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 10
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE Auf der Beziehungsebene finden sich nur geringe Änderungen innerhalb der verschiede- nen ausgetesteten Zugänge: Grafik 10 100 Verfahren zur Trend Sicht auf 90 Streitbeilegung Beziehung Schweiz- 80 Sicherung Marktzugang EU durch Übernahme EU- Recht "In der Diskussion über die Beziehung 70 Schweiz auf EU zwischen der Schweiz und der EU wird auch angewiesen immer wieder über die Rolle der EU 60 diskutiert. Ich nenne Ihnen nun einige Aussagen rund um die Rolle der EU. Sagen EU garantiert Frieden 50 Sie mir bitte jeweils, ob Sie damit voll einverstanden, eher, eher nicht oder gar nicht einverstanden sind." 40 EU kündigt Bilaterale nicht 30 in % Stimmberechtigte Anteil voll/eher einverstanden EU wird PFZ nicht neu 20 verhandeln 10 EU stärker auf Schweiz angewiesen als umgekehrt 0 Schweiz lässt sich von Feb./Mär. 2019 Feb. 2017 Jan./Feb. 2022 Apr. 2016 Feb. 2015 Okt. 2015 Mär./Apr. 2018 Mai./Jun. 2020 Mär./Apr. 2021 EU erpressen gfs.bern, Standort Schweiz, 9. Welle, Jan/Feb 2022 (N = jeweils ca. 2300) Nach wie vor unterstreichen grosse Mehrheiten, dass wir uns dank der bisherigen selek- tiven Übernahme von EU-Recht einen für die Schweiz zentralen Marktzugang sichern. Dabei wird auch die grundsätzliche Wichtigkeit eines Verfahrens zur Streitbelegung stark betont. Die Zustimmung zu beiden Aussagen ist gegenüber dem Vorjahr angewach- sen. Das gilt auch auf etwas tieferem Niveau für die EU als Friedensstifterin. Unverändert hoch ist die Zustimmung zur Aussage, dass die Schweiz auf die EU angewiesen ist. Umstritten ist, ob die EU die restlichen bilateralen Verträge kündigen würde, wenn die Schweiz das Personenfreizügigkeitsabkommen beenden würde. Eine gewichtige und an- gewachsene Minderheit ist der Meinung, dass die EU nicht bereit wäre, die Personen- freizügigkeit neu zu verhandeln. Minderheitlich und abnehmend sind die Ansichten, dass die EU stärker als die Schweiz auf gegenseitige gute Beziehungen angewiesen ist und dass sich die Schweiz erpressen lässt. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 11
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE Die COVID-19-Pandemie hat Befürchtungen geweckt, dass aufgrund der Abhängigkeit der Schweiz vom Ausland die Versorgung mit Gütern bei Verwerfungen im Welthandel nicht gewährleistet ist. Es gibt verschiedene Strategien, wie die Versorgungssicherheit der Schweiz gestärkt werden könnte. Alle abgefragten Vorschläge werden klar mehrheit- lich von den Stimmberechtigten als wichtig für die Versorgungssicherheit gesehen: Grafik 11 Versorgungs- Verträge zwischen Schweiz und anderen 56 35 3 5 1 Staaten für Krisenfall sicherheit Ausbau Pflichtlager für Medikamente auch "Rund um die aktuelle COVID-Krise wurde in bei Spitälern, Apotheken, Ärzten und 41 49 1 8 1 der Schweiz auch laut über die Händlern Versorgungssicherheit der Schweiz diskutiert. Ich nenne Ihnen nun einige starker Foschungsstandort Schweiz, um solche Aspekte und Sie sagen mir bitte innovative Technologien nicht importieren 45 44 2 7 2 jeweils, ob Sie diesen Aspekt für die zu müssen Versorgungssicherheit in der Schweiz für sehr wichtig, eher wichtig, eher unwichtig Übernahme Kosten durch Staat für und sehr unwichtig halten." 38 49 2 10 1 existierende Pflichtlager in % Stimmberechtigte offene Grenzen für Waren und Personen 40 47 11 2 starker Schutz geistigen Eigentums 30 49 2 18 1 Produktion im Inland, auch wenn es 29 44 2 24 1 Steuergeld kostet sehr wichtig eher wichtig weiss nicht/keine Antwort eher unwichtig sehr unwichtig gfs.bern, Standort Schweiz, 9. Welle, Jan/Feb 2022 (N = 2003) Aus Sicht der Stimmberechtigten sind internationale Verträge ein zentraler Aspekt. Ebenso sollen die Pflichtlager für Medikamente ausgebaut werden und der Staat soll für die Kosten von Pflichtlagern aufkommen. Auch in einem starken Schweizer Forschungs- standort wird flächendeckend ein wichtiger Aspekt gesehen. Für fast 90 Prozent sind die offenen Grenzen wichtig bei der Bewältigung von Versorgungsengpässen. Etwas weniger eindeutig ist die Einschätzung bezüglich dem Schutz des geistigen Eigen- tums, wobei fast vier Fünftel diesen als wichtigen Aspekt für die Versorgungssicherheit einstufen. Der Ausbau der inländischen Produktion, wenn nötig auch mit Steuergeldern, erzeugt am meisten Kritik. Immerhin ein Viertel der Befragten würde diese Massnahme als eher oder sehr unwichtig betrachten. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 12
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE 2 Verhandlungsabbruch bietet Chancen und Risiken – aber wer hat die besseren Trümpfe in der Hand? Die Stimmberechtigten betrachten den Verhandlungsabbruch zum institu- tionellen Abkommen einerseits mit Besorgnis: Sie befürchten einen er- schwerten Marktzugang für die Exportindustrie, eine unsichere und schwierige Wirtschaftsplanung sowie eine Schwächung des Wirtschaft- und Forschungsstandorts Schweiz. Andererseits wird auch gesehen, dass dadurch Souveränität bewahrt, die Löhne vor Lohndumping geschützt und der Einfluss von EU-Richter:innen gebannt wurde. Die Befragten sind sich aber nicht sicher, ob das die Verhandlungsbasis für die Schweiz verbessert oder verschlechtert hat. Die Stimmberechtigten gestehen dem Bundesrat bei Verhandlungen durchaus zu, Kompromisse einzugehen, solange das Referendumsrecht gewahrt wird. Andernfalls ist für die Befragten eine rote Linie überschrit- ten – genauso wie bei der Unionsbürgerrichtlinie. Als Alternative zur aktu- ellen Situation kommen für die Stimmberechtigten sowohl ein reines Frei- handelsabkommen oder der EWR-Beitritt mehrheitlich in Frage. Mit dem Verhandlungsabbruch zum institutionellen Abkommen hat der Bundesrat Tat- sachen geschaffen. Es besteht die Ungewissheit, welche Auswirkungen dies mittel- bis langfristig für die Schweiz und ihre Beziehung zur Europäischen Union nach sich ziehen wird. Die Stimmberechtigten hegen verschiedene Befürchtungen und Hoffnungen: Grafik 12 Weiterentwicklung ohne Aktualisierung der Abkommen verschlechtert sich Zugang zum Europäischen 25 55 2 15 3 Beziehungen Markt für Schweizer Export Schweiz-EU (1/2) Schweiz bleibt auch in Zukunft souverän und entscheidet allein über Verhältnis zu ihren 32 44 2 17 5 "Aktuell wird intensiv darüber diskutiert, Nachbarn welche Folgen die aktuelle Situation für die Weiterentwicklung der Beziehungen ohne Stabilisierung der Beziehungen zur EU zwischen der Schweiz und der EU haben. Ich bleibt Wirtschaftsplanung unsicher und 24 50 2 20 4 nenne Ihnen nun verschiedene solche schwierig möglichen Folgen und Sie sagen mir bitte jeweils, ob eine solche Folge aus Ihrer Sicht sehr wahrscheinlich, eher wahrscheinlich, Schweizer Löhne sind jetzt auch in Zukunft 22 48 3 22 5 eher unwahrscheinlich oder sehr vor Lohndumping geschützt unwahrscheinlich ist." in % Stimmberechtigte EU-Richter haben in der Schweiz jetzt auch in 27 42 4 22 5 Zukunft nichts zu sagen dass Schweizer Börse von EU nicht als gleichwertig anerkannt wird, schwächt 22 46 4 21 7 Wirtschaftsstandort Schweiz sehr wahrscheinlich eher wahrscheinlich weiss nicht/keine Antwort eher unwahrscheinlich sehr unwahrscheinlich gfs.bern, Standort Schweiz, 9. Welle, Jan/Feb 2022 (N = 2003) Vier von fünf Befragten halten es für sehr oder eher wahrscheinlich, dass sich der Markt- zugang für den Schweizer Export ohne Aktualisierung der Abkommen verschlechtern wird. Rund drei Viertel denken, dass die Wirtschaftsplanung unsicher und schwierig bleiben wird. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 13
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE Gut zwei Drittel sehen in der Nichtverlängerung der Börsenäquivalenz der Schweizer Börse eine Schwächung des Schweizer Wirtschaftsstandorts; 63 Prozent halten die Schwächung des Forschungsstandorts durch den Ausschluss aus dem Forschungspro- gramm "Horizon Europe" als wahrscheinlich. Auf der anderen Seite wird aber auch klar festgehalten, dass die Schweiz ihre souveräne Aussenpolitik beibehält, die Schweizer Löhne weiterhin vor Lohndumping aus der EU geschützt bleiben und auch in Zukunft EU-Richter nichts in der Schweiz zu sagen haben. 57 Prozent glauben, dass die Schweiz jetzt auch weiterhin keine Sozialhilfe an arbeitslose EU-Bürger:innen zahlt. Grafik 13 Weiterentwicklung ohne Beteiligung am Forschungsprogramm "Horizon Europe" wird Forschungsstandort 23 40 2 28 7 Beziehungen Schweiz geschwächt Schweiz-EU (2/2) Schweiz kann jetzt in Ruhe ein neues Abkommen 20 41 2 31 6 "Aktuell wird intensiv darüber diskutiert, verhandeln welche Folgen die aktuelle Situation für die Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU haben. Ich Schweiz zahlt jetzt auch in Zukunft keine 17 40 6 29 8 nenne Ihnen nun verschiedene solche Sozialhilfe an arbeitslose EU-Bürger:innen möglichen Folgen und Sie sagen mir bitte jeweils, ob eine solche Folge aus Ihrer Sicht sehr wahrscheinlich, eher wahrscheinlich, EU hat genug von Ausnahmen der Schweiz und eher unwahrscheinlich oder sehr 15 34 2 34 15 wird weniger kompromissbereit sein unwahrscheinlich ist." in % Stimmberechtigte EU ist stärker an der Regelung institutioneller Fragen interessiert und wird einen Schritt auf die 11 37 3 40 9 Schweiz zumachen EU nicht bereit neu zu verhandeln, ohne 16 32 3 34 15 Kompromisse der Schweiz sehr wahrscheinlich eher wahrscheinlich weiss nicht/keine Antwort eher unwahrscheinlich sehr unwahrscheinlich gfs.bern, Standort Schweiz, 9. Welle, Jan/Feb 2022 (N = 2003) Immerhin 61 Prozent denken, dass man jetzt in Ruhe ein neues Abkommen aushandeln kann. Unter den Befragten herrscht aber Unklarheit, wer dabei die besseren Trümpfe in der Hand hält: Wird die EU nun weniger kompromissbereit sein und nur verhandeln, wenn die Schweiz Zugeständnisse macht? Oder ist die EU stärker an der Regelung der institutionellen Fragen interessiert und deshalb in der Bringschuld? Die Stimmberech- tigten sind in dieser Einschätzung gespalten. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 14
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE Trotz Scheitern der Verhandlungen zum institutionellen Abkommen wird es früher oder später wieder zu neuen Verhandlungen mit der EU kommen. Die Stimmberechtigten ha- ben zwei klare "rote Linien", welche die Schweizer Verhandlungsführer:innen nicht überschreiten dürfen: Grafik 14 Kompromiss- Übernahme EU-Recht im Rahmen bestehender 20 60 3 14 3 Verträge, wenn Referendumsrecht bleibt bereitschaft Schweiz Akzeptanz Europäischer Gerichtshof bei "Nehmen wir an, dass die Schweiz noch 16 51 2 23 8 Streitigkeiten zu Verträgen Schweiz-EU einmal mit der EU über zukünftige Verträge verhandeln wird. In Verhandlungen müssen oft beide Seiten Kompromisse eingehen, Möglichkeit für Staat, gewisse Branchen zu 16 39 4 31 10 damit es zu einer Einigung kommen kann. unterstützen Ich nenne Ihnen nun einige Bereiche, über die verhandelt werden könnten. Bitte sagen Beibehaltung heutige Schutzniveaus gegen Sie mir jeweils, ob die Schweiz in diesen Lohndumping 19 34 2 20 25 Bereich sehr kompromissbereit, eher kompromissbereit, eher nicht kompromissbereit oder auf keinen Fall finanzielle Unterstützungsbeiträge der Schweiz 12 42 1 36 9 kompromissbereit sein soll." an wirtschaftsschwache EU-Länder in % Stimmberechtigte Übernahme Unionsbürgerrichtlinie, damit EU- Bürger:innen in der Schweiz Anrecht auf 10 27 1 39 23 Sozialhilfe hätten Übernahme EU-Recht ohne Referendumsrecht 4 14 1 44 37 sehr kompromissbereit eher kompromissbereit weiss nicht/keine Antwort eher nicht kompromissbereit auf keinen Fall kompromissbereit gfs.bern, Standort Schweiz, 9. Welle, Jan/Feb 2022 (N = 2003) 81 Prozent fordern, dass der Bundesrat eher nicht oder auf keinen Fall kompromissbereit sein darf, wenn es um die Übernahme von EU-Recht geht unter Aushebelung des Refe- rendumsrechts. Fast gleich viele sind auf der anderen Seite durchaus kompromissbereit, wenn das Referendumsrecht gewahrt bleibt. Auch bei der Unionsbürgerrichtlinie würde die EU bei Verhandlungen auf Granit beissen, wenn es nach der Mehrheit der Schweizer Stimmberechtigten geht. Die Befragten halten jedoch nicht an allen Positionen der Schweiz dogmatisch fest. Un- terschiedlich stark lassen sie dem Bundesrat mehrere Bereiche als Verhandlungsmasse, um einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss zu finden. Zwei Drittel könnten sich beispielsweise damit anfreunden, dass der Europäische Gerichtshof EuGH bei Streitig- keiten zwischen der Schweiz und der EU entscheidet. Knapp absolute Mehrheiten sehen Möglichkeiten für Kompromisse bei der Unterstüt- zung von einzelnen Branchen (z.B. Staatsgarantie der Kantonalbanken), dem Schutz ge- gen Lohndumping oder der finanziellen Unterstützung wirtschaftsschwacher EU-Län- der (Kohäsionsbeitrag). Ob eine solche konkrete Abschwächung der Schweizer Position auch in einer etwaigen Volksabstimmung durchkommen würde, steht jedoch auf einem anderen Blatt. Ein ent- scheidender Faktor wird sein, was die Schweiz im Gegenzug von der EU erhält. Es kommt auf die Bewertung des Gesamtpakets an. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 15
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE Die Stimmberechtigten könnten sich zwei Alternativszenarien zur jetzigen Ausgestal- tung der europäischen Beziehung mehrheitlich vorstellen: Grafik 15 100 Trend Szenarien 90 Kündigung Bilaterale und Freihandelsabkommen für Volksabstimmung 80 Güter/Dienstleistungen "Ich nenne Ihnen nun verschiedene EWR-Beitritt Szenarien, über welche das Schweizer Volk 70 bei einer Volksabstimmung abstimmen könnte. Bitte sagen Sie mir zu jedem Szenario, wie Sie das Szenario beurteilen, 60 ob Sie bestimmt dafür, eher dafür, eher Zusammenarbeit auf dagegen oder bestimmt dagegen sind." 50 bisherigen Bilateralen ohne Anpassungsmöglichkeit in % Stimmberechtigte 40 Anteil bestimmt/eher dafür Weiterentwicklung der 30 Bilateralen trotz EU-Recht 20 EU-Beitritt 10 0 Feb./Mär. 2019 Feb. 2017 Jan./Feb. 2022 Apr. 2016 Feb. 2015 Okt. 2015 Mär./Apr. 2018 Mai./Jun. 2020 Mär./Apr. 2021 Alleingang Schweiz ohne Bilaterale gfs.bern, Standort Schweiz, 9. Welle, Jan/Feb 2022 (N = jeweils ca. 2300) Am meisten Sukkurs erhält zurzeit ein Freihandelsabkommen für Güter und Dienstleis- tungen, welches die Bilateralen ablösen würde. 63 Prozent wären bestimmt oder eher dafür. Insbesondere SVP-Sympathisant:innen würden dieses Szenario bevorzugen (84%). Als einziges der abgefragten Szenarien hat es gegenüber dem Vorjahr an Zustim- mung zugelegt. Das ist jedoch keine eindeutige Vorgabe seitens der Stimmberechtigten, die europäische Integration zurückzufahren. Mit dem EWR-Beitritt findet auch eine mögliche Vertiefung der Integration immer noch eine absolut mehrheitliche Zustimmung (56%). Nach wie vor klar abgelehnt werden die beiden Extrempositionen eines Schweizer All- eingangs oder eines EU-Beitritts. Beides findet in keiner Parteianhängerschaft auch nur annähernd eine Mehrheit. Nicht mehr so attraktiv wie im Vorjahr ist eine weitere Zusammenarbeit im Rahmen der bilateralen Verträge, wenn es keine Anpassungsmöglichkeiten gibt. Keine Mehrheit fin- det auch die Weiterentwicklung der Bilateralen, wenn damit die Übernahme von EU- Recht verbunden ist. Zumindest die Anhängerschaften von GLP und GPS wären zurzeit dafür mehrheitlich zu haben. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 16
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE 3 Bildung wichtigster Treiber von Innovation Ein starkes Bildungssystem und international hochkarätige Universitäten sind aus Sicht der Stimmberechtigten die wichtigsten Treiber von Innova- tion. Auch der Schutz des geistigen Eigentums trägt dazu bei. Offene Gren- zen für Arbeitskräfte werden in diesem Zusammenhang ebenfalls klar mehrheitlich positiv gesehen, aber weniger stark als andere Faktoren. Im internationalen Vergleich belegt die Schweiz hinsichtlich Innovationskraft immer wieder Spitzenplätze1. Auch aus Sicht der Stimmberechtigten gibt es viele Faktoren, wel- che diese Innovationskraft befördern. Der wichtigste Treiber ist aus ihrer Sicht die Bil- dung: Grafik 16 Beitrag starkes Bildungssystem 59 37 4 Innovationskraft international hochkarätige Universitäten 46 47 6 1 "Die Schweiz gilt als hochinnovatives Land. Welcher der folgenden Aspekte tragen aus Ihrer Sicht sehr stark, eher stark, eher staatliches Engagement zur Förderung schwach oder gar nicht zur Innovationskraft 41 50 1 7 1 Innovationsfähigkeit der Schweiz bei?" kluge Aufteilung der Staatsaufgaben auf in % Stimmberechtigte 42 44 1 11 2 Bund, Kantone und Gemeinden attraktives Steuersystem 36 49 1 13 1 griffiger Schutz des geistigen Eigentums 30 52 1 16 1 offene Grenzen für Forscher:innen 39 42 1 16 2 offene Grenzen für Arbeitskräfte 22 50 1 24 3 sehr stark eher stark weiss nicht/keine Antwort eher schwach gar nicht gfs.bern, Standort Schweiz, 9. Welle, Jan/Feb 2022 (N = 2003) Fast flächendeckend werden das starke Bildungssystem und die hochkarätigen Univer- sitäten als sehr oder eher starker Beitrag zur Innovationskraft der Schweiz gesehen. Über 90 Prozent schreiben es auch der staatlichen Förderung der Innovationsfähigkeit zu. Auch der Aufteilung auf die verschiedenen Staatsebenen, den tiefen Steuern und dem Schutz des geistigen Eigentums schreiben viele den Erfolg zu. Offene Grenzen für Forscher:innen (81%) und für Arbeitskräfte (72%) gelten auch deut- lichen Mehrheiten als ein Baustein der Innovationskraft, werden aber weniger oft als die anderen Aspekte genannt. 1 exemplarisch der Global Innovation Index GII, bei dem die Schweiz seit 2011 ununterbrochen Platz 1 belegt (https://www.globalinnovationindex.org/gii-2021-report#) ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 17
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE So erstaunt es auch nicht, dass die Befragten im Schutz des Eigentums klar mehrheitlich eine Förderung der Innovationskraft von Unternehmen sehen: Grafik 17 Förderung Nein, auf keinen Fall Innovationskraft Nein, eher nicht 1 durch Schutz des 15 Ja, auf jeden Fall 23 geistigen Eigentums weiss nicht/keine Antwort "Glauben Sie, dass der Schutz des geistigen 4 Eigentums die Innovationskraft von Unternehmen auf jeden Fall fördert, eher fördert, eher nicht fördert oder auf keinen Fall fördert?" in % Stimmberechtigte Ja, eher 57 gfs.bern, Standort Schweiz, 9. Welle, Jan/Feb 2022 (N = 2003) 23 Prozent bejahen das in jedem Fall, weitere 57 eher. Nur 16 Prozent sind anderer Mei- nung. Diese deutlich positive Sicht ist mehrheitlich auch in allen Untergruppen inklusive den Anhängerschaften der grossen Parteien von links bis rechts zu finden. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 18
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE 4 Methodischer Kurzbericht Die Interpharma beauftragte das Forschungsinstitut gfs.bern mit der Durchführung ei- ner neunten Studie in der Projektreihe "Standort Schweiz – Europafragen". Hauptziel dieser Reihe ist, das Meinungsbild der Schweizer Stimmberechtigten rund um die bila- teralen Verträge mit der EU auszuleuchten. Das vorliegende "Wichtiges in Kürze" soll interessierten Lesern einen schnellen Zugang zu den zentralen Erkenntnissen ermöglichen. Es umfasst alle relevanten Erkenntnisse aus der Erhebung zur Beziehung zwischen der Schweiz und Europa. Die Ergebnisse der neunen Befragung in der Projektreihe "Standort Schweiz – Europa- fragen" basieren auf einer repräsentativen Befragung von 2'003 Stimmberechtigten der Schweiz. Die Befragung wurde zwischen dem 3. Januar und dem 12. Februar 2022 mittels computerunterstützten Telefoninterviews (CATI) durchgeführt. Befragt wurde anhand eines Random Digit Dialing (RDD)/Dual-Frame-Verfahrens via Festnetz und Handy. Der statistische Fehler bei der Stichprobengrösse für die jeweiligen befragten Gruppen beträgt: Tabelle 1: Stichprobenfehler Ausgewählte statistische Stichprobenfehler nach Stichprobengrösse und Basisverteilung Fehlerquote Basisverteilung Stichprobengrösse 50% zu 50% 20% zu 80% N= 2'000 ±2.2 Prozentpunkte ±1.8 Prozentpunkte N= 1'000 ±3.2 Prozentpunkte ±2.5 Prozentpunkte N= 600 ±4.1 Prozentpunkte ±3.3 Prozentpunkte N= 100 ±10.0 Prozentpunkte ±8.1 Prozentpunkte N= 50 ±14.0 Prozentpunkte ±11.5 Prozentpunkte Lesebeispiel: Bei rund 1'000 Befragten und einem ausgewiesen Wert von 50 Prozent liegt der effektive Wert zwi- schen 50 Prozent ±3.2 Prozentpunkte, bei einem Basiswert von 20 Prozent zwischen 20 Prozent ±2.5 Prozent- punkte. Dabei setzt man in der Umfrageforschung zumeist ein Sicherheitsmass von 95 Prozent, das heisst man akzeptiert eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 Prozent, dass der nachgewiesene statistische Zusammenhang so in der Bevölkerung nicht vorhanden ist. ©gfs.bern Zur Korrektur soziodemografischer Verzerrung wurde entlang der Sprachregionen und nach Alter/Geschlecht gewichtet, eine inhaltliche Gewichtung erfolgte entlang der Par- teiaffinitäten und einer Recall-Frage zu einer vergangenen Abstimmung. Das hier verwendete RDD/Dual-Frame-Erhebungsverfahren verlangte zudem eine Ba- sisgewichtung mittels Wahrscheinlichkeiten der technischen Erreichbarkeiten aufgrund der Anzahl Telefonanschlüsse. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 19
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE 5 Anhang 5.1 gfs.bern-Team URS BIERI Co-Leiter und Mitglied des Verwaltungsrats gfs.bern, Politik- und Medienwissenschafter (lic. rer. soc.), Executive MBA FH in strategi- schem Management, Dozent am VMI der Universität Fribourg und an der ZHAW Winterthur urs.bieri@gfsbern.ch Schwerpunkte: Themen- und Issue-Monitoring, Image- und Reputationsanalysen, Risikotechnologien, Abstimmungsanalysen, Kampagnenvorberei- tung und -begleitung, Integrierte Kommunikationsanalysen, Quali- tative Methoden Publikationen in Buchform, Sammelbänden, Fachmagazinen, Ta- gespresse und im Internet. Aktuelle Publikation: Bieri, U et al. Digi- talisierung der Schweizer Demokratie, Technologische Revolution trifft auf traditionelles Meinungsbildungssystem. Vdf 2021. JONAS PHILIPPE KOCHER Projektleiter, Politikwissenschafter jonas.kocher@gfsbern.ch Schwerpunkte: Analyse politischer Themen und Issues, Abstimmungen und Wah- len, Kampagnenvorbereitung und -begleitung, Gesellschaftsthe- men, Integrierte Kommunikationsanalysen, Medieninhaltsanaly- sen, Hochrechnungen, Feldaufträge OLGA JENZER Wissenschaftliche Mitarbeiterin Data Science olga.jenzer@gfsbern.ch Schwerpunkte: Datenanalyse, Quantitative und qualitative Methoden, Visualisie- rungen, Recherchen ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 2 0
ST A NDO RT SCHWE I Z 2 0 2 2 : WI CHT I G E S I N KÜRZE DANIEL BOHN Projektmitarbeiter, Fachinformatiker Anwendungsentwicklung daniel.bohn@gfsbern.ch Schwerpunkte: Quantitative und qualitative Datenanalyse, Datenaufbereitung, Visualisierung ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | Febr u ar 2 02 2 | 2 1
gfs.bern ag Effingerstrasse 14 CH – 3011 Bern +41 31 311 08 06 info@gfsbern.ch www.gfsbern.ch Das Forschungsinstitut gfs.bern ist Mitglied von Swiss Insights und garantiert, dass keine Interviews mit offenen oder verdeckten Werbe-, Verkaufs- oder Bestellabsichten durchgeführt werden. Mehr Infos unter www.schweizermarktforschung.ch
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