Land(e)scape. Zeitgenössische Kunst aus Slowenien - JASMINA CIBIC

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Landesmuseum Joanneum

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Land(e)scape. Zeitgenössische Kunst aus Slowenien

JASMINA CIBIC
For the Birds, 2007
Installation, gemischte Technik

Jasmina Cibics Arbeiten zeigen sich vor allem als raumspezifische Interventionen in den öffentlichen
Systemen der Durchgangsräume, die zum Polygon für die unerschöpfliche Quelle von künstlerischen
Re-Intrepretationen (touristischer) Illusionen und Gedankenspiele zu symbolischen Werten der
adaptierten Mythen werden. Fotografische Dokumente, Aufzeichnungen von Kunstaktionen,
präparierte Tiere, lebende Vegetation ... bilden sich zu ironischen Konstruktionen zusammen, zu
hybriden Architekturformen, in denen die Mythen als Kollektiverzählungen für die Re-Invention von
versprochenen Destinationen einberufen werden. Dabei geht es der Autorin nicht um die
Durchsetzung 'verpackter Exotik', die auf der geopolitischen Realität des Territoriums beruht,
sondern um eine von Raum und Zeit undefinierte Exotik.

Cibics Kunstaktionen sind voll von komplexen persönlichen Studien, die absichtlich den breiteren
(politischen) Charakter übernehmen und selbstbewusst in den öffentlichen Raum treten. Sie dringen
in den bestehenden bürokratischen Apparat (Flughallen ...), populäre Institutionen (zollfreie
Geschäfte, Warteräume ...) und greifen somit bewusst in das visuelle Feld der Passanten ein. "Der
Betrachter/Besucher des Projekts wird somit zum (faux) Touristen und das Kunstwerk innerhalb
seiner Architekturform ein Souvenir-Objekt 'par excellence': Souvenirs sind nämlich
Erfahrungsfetische. (…) Gerade die Totalitarität des Kunstmarktes kann mit der Tourismusindustrie
verglichen werden: auf beiden Gebieten bilden Angebot und Nachfrage neue Erfahrungen, neue
'Exotismen', in welchen noch nie gesehene Orte (Objekte) im Wahrnehmungsfeld des Betrachters
neue Formen annehmen." (Jasmina Cibic, Visitour, 2007).

Beim Betrachten der Genesis von Cibics Werken – vom ersten größeren Projekt Everybody for Safari
(2005), eines 'bed-and-breakfasts' in den Baumkronen des istrischen Ortes Momian mit
savanneähnlichem Audiohintergrund, bis zu Dictionary of Imaginary Places (2006), einem Karl-
May’schen Verzeichnis von Flugverbindungen, und Forged Territories (2007), fetischierten
Tiersymbolen von spezifischen Destinationen – entdecken wir, dass das gestellte Thema des
Tourismus und des Kunstsystems die Autorin zur erweiterten Erforschung der Raumwahrnehmung
als politischem Konstrukt führt. "Wenn die Wahrheit sich erst durch den Blick des Anderen
offenbart, ist es demnach weniger bedeutend, wie wir uns selbst sehen; die objektive Optik,
inwieweit sie überhaupt möglich ist, ist das Resultat der äußerlichen Beurteilung, die ungeachtet
von jenen wirkt, die sie betreffen. Wenn der äußere Blick mit dem inneren übereinstimmt, ist die
kollektive Sehnsucht erfüllt − doch es gilt nicht zu vergessen, dass die Sinngebung auf beiden
Seiten mithilfe von veränderlichen Ideologiekonstrukten stattfindet. An diesem Punkt treffen wir auf
das Schaffen der jungen slowenischen Künstlerin Jasmina Cibic, die ihre Arbeit auf Mechanismen

                                                                                  Künstlerhaus Graz
                                                                                  Burgring 2
                                                                                  A – 8010 Graz, Steiermark
                                                                                  Tel.: +43 316 827391
                                                                                  Fax: +43 316 828952
                                                                                  www.museum-joanneum.at
                                                                                  DVR 0087122
konzentriert, welche unter dem breiten Mantel der Ideologie den Charakter und die Werte eines
Raumes prägen." (Matjaž Brulc, Tourists Welcome or How the Myth Loses its Grounds, 2007).

For the Birds1 ist das neueste Architekturhybrid der Künstlerin − es trägt das Erbgut einer
Schaufenstervitrine, eines Museumsexponats und einer zoologischen Einheit (Aquariums) in sich.
Diesmal, in die modernistische Mitte des weißen Kubus des Galerieraumes gestellt, wirkt es eher
als Objekt 'per se' als ein Raum im Raum. Obwohl sich das komplexe Leben eines 'Vogelkäfigs' in
seinem Inneren abspielt, dominiert die äußere Grundform der ausgewählten Verkaufszelle und
erlaubt dem Betrachter nur das Gucken/Spähen. Ausgerechnet die gewünschte Kommunikation mit
dem Betrachter, der aus der Rolle des Besuchers in die Rolle des Betrachters/Touristen/Fetischisten
übergehen soll, brachte die Künstlerin diesmal zum erfahrungs- und erlebnisschaffenden Werk. Mit
seinem übertriebenen Ästhetisieren und seiner effizienten Exotik widersetzt sich der neugenerierte
Raum erfolgreich der eigenen Identität des Souvenirprodukts und problematisiert die
Mythenerschaffung innerhalb der Kunstpraxis. "Die Kreation bzw. Fabrikation von Mythen ist eine
Kolonisationstaktik, deren sich die Tourismusbranche gerne bedient, und zugleich der
Erkennungsfaktor geltender Kunstsysteme, in welchen 'Exotismen' sowohl des ethischen Inhalts als
auch der konzeptuellen Ausgangspunkte auftreten." (Jasmina Cibic, For the Birds, 2007).

Das zentrale Objekt der Begierde in Cibics neuem Werk sind neubearbeitete, zurechtgebogene
Trophäen, die, anstatt der Erfahrungserinnerung zu dienen, den eigenen Mythos entführen. Sie
verhalten sich wie geltende Erzeugnisse der sog. 'airport-art', wo in einem Terminus zwei große
Fragen der (zeitgenössischen) Kunst konfrontiert werden: die Frage der Authentizität/Nachbildung
und Urheberschaft einerseits und die Frage der erwarteten und angebotenen Spezialerfahrung
andererseits.

JASMINA CIBIC wurde 1979 in Ljubljana geboren. 2003 erwarb sie ihr Diplom an der Accademia
di Belle Arti in Venedig. Schon während ihres Studiums präsentierte sie aktiv ihre Installationen und
Videoarbeiten in Italien und Slowenien, unter anderem auf den Ausstellungen Percorsi d'Arte,
Galeria d’Arte Moderna, Bologna, Italien (1999); Forme Umane, Fudazione Bevilaqua La Masa,
Venedig, Italien (2002); zudem arbeitete sie als Assistentin an der Akademie für bildende Kunst in
Venedig.

2002 war sie Mitbegründering der vierköpfigen performativen Künstlerinnengruppe Passaporta
(Mara Ambrozič, Jasmina Cibic, Meta Grgurevič, Mery Favaretto), die bis 2006 auf zahlreichen
Ausstellungen und Festivals in ganz Europa aktiv war, darunter mit Projekten Waiting Room für die
11. Biennale der jungen Künstler Europas und der Mittelmeerländer, COSMOS, Athen,
Griechenland (2003) und Waiting Room, Station No. 2, Nationalgalerie BiH, Sarajevo, Bosnien
und Herzegowina (2004). Die Künstlerinnengruppe wurde 2005 für den Premio-Furla-Preis für

1
    'For the birds' hat die Bedeutung von nichtsnutzig oder belanglos (in den Augen des Sprechenden).
junge italienische Künstler nominiert, die von der namhaften Kunstinstitution Fundazione Querini
Stampalia vergeben wird.

Seit 2003 lebt und arbeitet sie in London, wo sie 2006 ihr Magisterstudium am Goldsmiths College
mit Auszeichnung absolvierte. Seit dem Studiumabschluss ist die Künstlerin hauptsächlich
selbstständig tätig und schafft raumspezifische Interventionen und Installationen. Zu ihren
bekanntesten Projekten zählen: Raumintervention Dictionary of Imaginary Places, Flughafen
Ljubljana, Slowenien (2006); Einzelausstellung Forget Territories, BearspaceSE10, London,
Großbritannien (2007); Einzelausstellung Visitour, Galerie Ganes Pratt, Ljubljana (2007);
Einzelausstellung Tourists Welcome, Flughafen Ljubljana, 2007. Die Ausstellung Parklife im
Rahmen des ZOO Art Fair am Royal College of Art, London (2006) brachte Jasmina Cibic für ihre
Arbeiten auf Papier eine Nominierung für den John-Jones-Preis. Sie arbeitet mit der Londoner
Galerie Bearspace und der Ljubljanaer Galerie Ganes Pratt zusammen.

DAVIDE GRASSI
DemoKino – Virtuelle biopolitische Agora, 2004/05
Anti-unterhaltsamer interaktiver Film

Das Projekt des italienisch-slowenischen Künstlers Davide Grassi DemoKino ist ein virtuelles
Parlament, das durch aktuelle Filmanlässe den Wählern (Mitwirkenden) eine Entscheidung anbietet
über das, was sich eigentlich zum paradoxalen Wesen der gegenwärtigen Politik entwickelt: zu den
Fragen des Lebens also. Das Projekt thematisiert nicht nur die Utopie des gegenwärtigen virtuellen
Forums, das Möglichkeiten für eine direktere und einflussreiche Mitwirkung eröffnen sollte, sondern
weist auch auf ein viel tiefgründigeres Problem der modernen (auch virtuellen) Demokratie hin.

So zeigt DemoKino mit seiner reduzierten Erzählkraft − strukturiert durch innere 'pro/contra' Dialoge
des Protagonisten, den die "Wähler" entsprechend ihren Entscheidungen im Sinne der
Basisdemokratie durch seine Wohnung führen, − wie das ethische Dilemma des modernen Lebens
sich       plötzlich    im      Kern        unserer      politischen  Mitwirkung        wiederfindet.
Wenn das Problem des Lebens die politische Arena betritt und die gegenwärtige Politik zur
'Biopolitikage' wird, gerät die demokratische Entscheidung in eine unmögliche Situation: in der
politischen Arena wird das Objekt des Gesetzes zu etwas, worüber es unmöglich ist eine
Entscheidung zu treffen, jede Mehrheit erscheint schon im Vorherein problematisch und jede
politische Regulierung eine öffentlich legitimierte Art von Gewalt.

DemoKino ist eine virtuelles Parlament, das auf luzide Weise offenlegt, wie das Politische vor dem
Gesetz steht, das dem Politischen nur als utopische und überflüssige technische Prozedur auferlegt
wird.
Der sog. anti-unterhaltsame interaktive Film von Davide Grassi besteht aus einer Serie von neun
durch eine virtuelle parlamentarische Sitzung verbundenen Kurzfilmen. "In den Filmen bekennt sich
ein junger männlicher Akteur in ausführlichen inneren Dialogen (die Texte stammen vom
italienischen Philosophen und Aktivisten Antonio Caronia) zu acht aktuellen ethischen Dilemmas:
Abtreibung, Klonen, genetische Manipulationen, gleichgeschlechtliche Ehe, Privatisierung von
Wasserquellen, copyright/copyleft, Euthanasie und therapeutisches Klonen. Jede dieser virtuellen
Sitzungen bzw. Kurzfilme findet in einem bestimmten Teil seiner Wohnung statt. Das Ende des
jeweiligen Films wird von den Zuschauern interaktiv bestimmmt. Zum Schluss der Sitzung (des
Films) stimmen sie nämlich für oder gegen das jeweilige Problem und wählen mit
Mehrheitsentscheidung die Tür des Wohnungsraumes, die den Akteur zum nächsten Dilemma
führen wird. Die Zuschauer treffen also wie in einem Referendum eine Entscheidung (pro oder
contra) über die einzelnen Fragen und lenken den Akteur im Hinblick auf ihre Antwort zu einer
bestimmten Tür, die ihm nicht nur den Zutritt zum nächsten Wohnraum, sondern auch den Zutritt
zum nächsten Dilemma, zum nächsten Film bzw. zur nächsten virtuellen Sitzung ermöglicht. Die
Reihenfolge der Geschichten und die Fortbewegung des Akteurs in seiner Wohnung, die private
Geografie seiner alltäglichen und üblichen Handlungen (Verrichtung der physiologischen
Bedürfnisse, Zähneputzen, sich ausruhen, Surfen im Internet, Telefonieren usw.) wird somit durch
den öffentlichen Volksentscheid der Zuschauer bestimmt, die den Akteur durch seine private
Wohnung führen." (Dr. Bojana Kunst, DemoKino – Virtual Biopolitical Agora, Ljubljana 2006)

Als Ausgangsidee nimmt DemoKino Bezug auf Levys Konzept der virtuellen Agora. "In zahlreichen
Überlegungen über den virtuellen Raum finden wir im letzten Jahrzehnt den Gedanken von der
politischen Potentialität des Cyberspace, der mit unmittelbarer Partizipation eine andere Form der
modernen Gemeinschaft aufnimmt. Pierre Levy spricht von einer gegenwärtigen 'virtuellen Agora'
und versteht den Cyberspace als Feld einer anderen Handlungsart, als eine Art parallele kollektive
Intelligenz, 'inclusive society', die im Netz geboren wird. Im Netz können wir direkt handeln, da wir
mit einem anderen Feld des Öffentlichen zu tun haben: um in dieses Feld einzutreten, werden wir
nicht unbedingt vom Anderen vertreten, sondern können unmittelbar zur Gesellschaft beitragen. Die
Gemeinschaften sollten auf diese Weise durch neue Verbindungsarten im Netz die revolutionären
Träume der Studentenrevolutionen in den Sechzigern verwirklichen und Formen der parallelen
direkten Demokratie errichten. (…) Das Ideal der unmittelbaren und sich multiplizierenden
Verbindungen stellt sich bald nach dem anfänglichen Optimismus als schlimmster Alptraum heraus.
Die Gründe für eine solche Enttäuschnung sind natürlich verschiedenartig, von der
Kommerzialisierung des privaten Feldes der Sechziger und des Cyberspace der Neunziger bis hin zur
paranoiden Gegenwart, wo jeder jeden überwachen bzw. beobachten und somit gerade durch diese
Verbindung auch grundlegend dislozieren kann. Besonders aber erscheint mir, dass auf diese
Enttäuschung und den Pessimismus heute die Leere der gegenwärtigen demokratischen Prozeduren
Einfluss nimmt." (Dr. Bojana Kunst, DemoKino – Virtual Biopolitical Agora, Ljubljana 2006)
Mit interaktiver Mimikry moderner Verbindungen und fast laborhafter Simulation des
demokratischen Entscheids offenbart DemoKino auf luzide Weise die Symptome der modernen
Politik. "Durch die Verwendung der interaktiven Form, um die Utopie der unmittelbaren Handlung
zu realisieren, demonstriert Grassi mit dieser Geste zugleich die tiefgründigen Probleme einer
solchen Handlung. (...) Das Projekt simuliert Diskussionen über alltägliche ethische und
wirtschaftliche Dilemmas und die Form eines politischen Lebens, welches sich um diese Fragen
rankt. Doch wird unsere Mitwirkung in dieser virtuellen Agora am Projektende in einen tiefen
Schatten von Zweifeln gestellt. Der letzte Film ist nämlich ein kurzer Film, der sich, ungeachtet der
Monologabläufe und nicht von uns ausgewählt, selbst abspielt. Diese kurze Aufzeichnung zeigt
einen sich drehenden und eine bekannte Melodie pfeifenden Clownskopf mit darunter laufender
Aufschrift: 'und wenn ich euch sage, dass alles schon im Vorhinein bestimmt ist?'. (...) Grassis
DemoKino demonstriert mit interaktiver Mitwirkung der Zuschauer einige Paradoxa des aktuellen
demokratischen Entscheidungsprozesses, der heutzutage immer weiter entfernt von der
ursprünglichen antiken Auffassung von Politik und durch öffentliche Tätigkeit erworbenen
politischen Einsicht (Phronesis) ist. (…) Doch das zeitgenössische Problem der Frage 'und wenn ich
euch sage, dass alles schon im Vorhinein bestimmst ist?' liegt darin, dass die Frage selbst den Kern
der zeitgenössischen Prozedur bildet. Die Frage stellt die transparente Semiotik der gegenwärtigen
politischen Sprache dar, in der die repräsentative Rede in die Stille der politischen Prozedur
eingefroren wird und eine Suche nach der autoritären Ursprungslüge, die zur Wahrheit wurde,
unmöglich macht. Was also am Schluss enthüllt wird, ist ein Theater mit perfekt gespielten Rollen;
doch bleibt in dieser Perfektion der Prozedur kein Platz mehr zum Handeln, und wenn wir noch so
sehr auf die Wahlknöpfe drücken." (Dr. Bojana Kunst, DemoKino – Virtual Biopolitical Agora,
Ljubljana 2006)

Produktion: Aksioma – Institute for Contemporary Arts, Ljubljana
www.aksioma.org/demokino

DAVIDE GRASSI ist konzeptueller Künstler, Performer und Produzent. Er lebt und arbeitet in
Ljubljana, Slowenien. Sein künstlerisches Schaffen ist von starker sozialer Konnotation und
intermedialen Ansatz geprägt.

Grassi ist Autor zahlreicher Videos, Performances, Dokus und Medienprojekten. Dazu zählen Among
them I Need Money to Be an Artist (1996), Brainscore (mit Darij Kreuh, 2000), Problemarket.com
(mit Igor Štromajer, 2001), machinaZOIS (2003) DemoKino – Virtual Biopolitical Agora
(2003−06), Brainloop (2006) und RE:akt! (2006-).

Seit 2002 ist er als künstlerischer Leiter des Aksioma – Institute for Contemporary Arts
(www.aksioma.org) tätig, einer gemeinnützigen Kulturorganisation mit Sitz in Ljubljana. Sie
beschäftigt sich mit der Produktion, Präsentation und Distribution von Projekten, die sich neue
Technologien und Protokolle zunutze machen, um damit Strukturen der modernen Gesellschaft zu
erforschen und zu erörtern. Grassi arbeitet auch international mit Künstlern, Museen, Institutionen,
Stiftungen, Galerien und Festivals zusammen. Als Artist-in-Residence hält er Vorträge und
Workshops an Universitäten und Instituten für zeitgenössische Kunst.

Grassi präsentierte seine Arbeiten in folgenden Institutionen: Manifesta 4, Frankfurt, Deutschland;
ZKM, Karlsruhe, Deutschland; ARCO, Madrid, Spanien; ISEA 2002, Nagoya, Japan; Museo
Nacional de Bellas Artes, Buenos Aires, Argentinien; Itaú Cultural, Sao Paulo, Brasilien; List Art
Center, Brown University, Providence, USA; IASPIS, Stockholm, Schweden; Moderna galerija,
Ljubljana, Slowenien; Nationalmuseum für zeitgenössische Kunst, Bukarest, Rumänien; White Box
Gallery, New York, USA; Kiasma, Museum of Contemporary Art, Helsinki, Finnland.
Zur Zeit arbeitet er an dem Projekt RE:akt!, in dem die Wiederinkraftsetzung von ausgewählten
Ereignissen als Strategie für eine Generation von neuen Bedeutungen verwendet wird.

ŽIGA KARIŽ
It’s so Simple and that’s the Way I Like It, 2005–2007
Installation, gemischte Technik, 260 x 400 x 300 cm

Žiga Kariž folgte der Malereitradition, doch bald dehnte er die bildliche bzw. malerische Basis auf
die dreidimensionale Objektität aus und begann mit der Gestaltung von Situationsverhältnissen.
Seine Arbeiten sind stets komplexe Einheiten, mit welchen er das Feld des breiteren
gesellschaftlichen Kontextes betritt. Besondere Aufmerksamkeit galt den medialen und mediierten
Wirklichkeitsbildern und der Wirklichkeit selbst. Ungeachtet des Ausgangspunktes (von
Mediengewalt bis zu Ausschnitten aus Kunstperioden, Stilen und Repliken konkreter Kunstwerke),
untersucht er in seinen Werken die Position von Objekten und ihren Wechselverhältnissen und
betont dabei die Bedeutungsschicht des Beobachters und des Beobachteten. Auf seine eigene Art
stärkte er aufs Neue den Status der Malerei in der slowenischen Kunst, wobei er klar auf den
veränderten Status des Bildes hinwies, das nunmehr vielschichtig konstruiert ist und auf
gegenseitigen textuellen, visuellen und konzeptuellen Spannungen aufbaut. In seinen neuesten
Werken beschäftigt er sich intensiv mit der Übernahme und Relozierung des gesellschaftlich und
kulturell symbolisch definierten Materials.

Die Installation It’s so Simple and that’s the Way I Like It besinnt sich auf den Verwendungsraum,
die Simulation oder die Erkennung von Spuren der Kunst. Ein Zimmer wird erzeugt, das in gewisser
Hinsicht eine amerikanische, oder, genauer, eine New-Yorker Zimmer-Bühne darstellt. In dieser
Zimmer-Bühne liegen Gegenstände des fancy New-Yorker Alltags und der hohen Kunst des 20.
Jahrhunderts − von konstruktivistischen Büchern und Duchampschen Gegenständen bis zu
Fotografien und Kopien von 'Remakes' der zeitgenössischen Kunst oder Spuren von unbefangenen
gegenwärtigen Lebensformen − verstreut. Dieses Zimmer stellt eines der Zimmer aus dem Wirbel
der Fiktionalisierung des Aktuellen dar, wie sie in der TV-Serie Sex and the City oder der
prosaischen Konstruktion von Kathy Acker (Don Quixote, 1986), Paul Auster (The New York Trilogy,
1990) oder Don DeLillo (Cosmopolis, 2003) wiederzufinden ist. Das scheinbare Durcheinander
indiziert und vertritt in den Dateien des Lebens die coole Realität bzw. ihre phantasmatischen
Vertreter der Darstellung, der Unterbrechung, des Genießens, der Angst vor dem Tod und des
zeitgerafften Konsums. Als würde die Arbeit die frühe Deleuzesche Parole 'jede Tiefe ist die Illusion
einer Fläche' zeigen. Die Installation wird mit falschen 'Ready-mades' realisiert. Man spricht von
falschen Ready-mades, weil der Künstler jene Objekte, die als übernommene Gegenstände gelten,
aussondert. Doch der scheinbar übernommene Gegenstand ist das Simulakrum eines bestimmten
historischen Kulturgegenstands (Buch, Zeitung, Kunstwerk). Dadurch konfrontiert er uns mit dem
'Grauen des Genießens' oder dem 'Genießen des Grauens' eines post-Duchampschen Künstlers, der
nicht anders kann, als dass er in die existentielle Verwirrung im Verhältnis zum realen und
simulierten Gegenstand an der Stelle eintritt, die das Phantasma der Welt der großen Kunst und des
großen Konsums verschleiert − des gelobten, traumhaften, delirischen New York vor dem 11.
September. Nicht zu vergessen, dass New York vor dem 11. September eine 'Stadt' war, durch die
große europäische, obwohl stets marginale und alternative avantgardistische Praxen zur
Atmosphäre (Arthur C. Danto) oder Aura (Walter Benjamin) des massenhaften extatischen Konsums
innerhalb der Design-Epoche wurden. Bei Kariž ist das Design keine Methode zur Erlangung eines
Kunstwerks, sondern ein Medium zur Problemstellung der Botschaften innerhalb der Gegenwart.

Žiga Kariž wirft Fragen und sinnliche Begebenheiten zu Spuren und Möglichkeiten der 'öffentlichen
Meinung' in Kunst und Kultur auf. Er stellt die Referenzwelt der existierenden Gegenstände gegen
sich selbst. Er ist hier, zwischen den Bildern, die den Moment seines Ichs und danach auch des
Betrachter-Ichs aufbauen. (Miško Šuvaković: Herausforderung oder Konflikt der Unterschiede: Die
Liebe ist ein Schlachtfeld. Eine kurze Abhandlung zur Ausstellung Die Liebe ist ein Schlachtfeld
von Alen Ožbolt und Žiga Kariž, veröffentlicht im Katalog: Ljubezen je bojno polje (Die Liebe ist ein
Schlachtfeld), Galerija Škuc, Ljubljana 2005.)

ŽIGA KARIŽ (geboren 1973) ist einer der bedeutendsten slowenischen zeitgenössischen Künstler
der jüngeren Generation. Er wirkte bei zahlreichen Ausstellungen in Slowenien und im Ausland mit.
Ausgewählte Einzelausstellungen: 2006: Eigentum für Intellektuelle. Cityscapes: New Territories
(in Zusammenarbeit mit son:DA), Galerija Škuc, Ljubljana, Slowenien, ARCO-06, Madrid, Spanien;
2005: Die Liebe ist ein Schlachtfeld (in Zusammenarbeit mit Alen Ožbolt), Galerija Škuc,
Ljubljana; Ulrich Museum of Art, Kansas, USA; 2001: Movie Tales (in Zusammenarbeit mit Tobias
Putrih), Galerija Škuc, Ljubljana; 2000: terror=decor II: armd, Galerija Kapelica, Ljubljana;
terror=decor II: high – concept − terror=decor, Mala galerija, Moderna galerija, Ljubljana.

Ausgewählte Gruppenausstellungen: 2006: Interrupted Histories, Moderna galerija, Ljubljana,
Slowenien; 2005: Territories, Identities, Nets, Slovene Art 1995−2005, Moderna galerija,
Ljubljana; (Re)Treacable Choregraphy, Studio Gallery, Budapest, Ungarn; Expanded Painting, 2.
Prag-Biennale, Prag, Tschechische Republik; Adaptation Syndrome: Painting in Contemporary
Image Culture, Hand Workshop Art Center, Richmond, USA; 2004: Seven Sins, Moderna galerija,
Ljubljana; e.u. Positive, Kunst aus dem neuen Europa, Akademie der Künste, Berlin, Deutschland;
Destinations, Temple Bar Gallery, Dublin, Irland; 9 minutes, 74 seconds, Archäologisches Museum
Ename, Belgien; Cosmopolis, Museum für zeitgenössische Kunst, Thessaloniki, Griechenland;
Detox, Sorlandets Kunstmuseum, Kristiansand, Schweden; Values, 11th Visual Arts Biennial,
Galerie für zeitgenössische Kunst, Pančevo, Serbien; Imagine Limerick, EV + A Biennial, Limerick,
Irland; Twinglings, Haus der kroatischen bildenden Künstler, Zagreb, Kroatien.

2003 vertrat Žiga Kariž Slowenien im Slowenischen Pavillon in Venedig. Er erhielt mehrere
Anerkennungen für seine Arbeit, unter anderem den Goldenen Vogel 2002, sowie mehrere Studien-,
Künstleratelieraufenthalte und Stipendien in Europa und den USA.

LEBEN & KRACINA
Galapagos, 2005−2007
Räumliche Multimediainstallation

"Am Anfang, nach dem Urknall also, entstand eine Inselgruppe, welche von den gesellschaftlichen
Konstrukten unserer Geschichte Galapagos genannt wurde. Zunächst war da nur die Inselgruppe
mit spezifischem Klima und einzigartiger Flora und Fauna. Gerade diese Inselgruppe wird nach
Millionen und Abermillionen verstrichener Jahre auf einmal zum geografischen Begriff, eine Plejade
von kleinen Inseln definierend, die knapp unter dem Äquator in der Weite des Pazifiks liegt. Mit der
Entwicklung der Menschheit und der Gesellschaft werden den Galapagosinseln immer wieder neue
Wahrheiten zugesprochen, und am wichtigsten: Sie werden zu etwas, an dem Ideologien, Theorien,
Axiome, Gedankenkonstrukte zerbrechen und über das folglich Unmengen von Büchern geschrieben
werden. Der Stammvater der neuen Galapagos-Ära ist Charles Darwin, der vor gut hundertfünfzig
Jahren die Evolutionstheorie aufstellte, die noch heute, sei es seitens der Kirche oder der Biologie
mit ihren dazugehörenden Zweigen, für Diskussionen sorgt.

Auch an dem Anteil, den die Mythologie dabei hat, können wir nicht gleichgültig vorbeischauen, da
es immer die Mythen waren, die uns in vielfältiger Weise die Entstehung der Welt erklärten und die
endgültige Antwort wussten, sei es die Ragveda-Hymne über die Entstehung der Welt, der
skandinavische Mythos oder der der tibetischen Buddhisten, Hesiods Theogonie oder die Worte aus
der Genesis, die besagen, dass Gott am Anfang Himmel und Erde schuf.

Wirklich glücklich ist derjenige, der in Galapagos heute nur eine exotische Insel sieht − einen
unberührten idyllischen Platz mit unendlichen paradiesischen Stränden und wuchernden Wäldern.
Wenn Sie sich also über die Vielzahl von belastenden Informationen ärgern, mit denen Sie die Welt
der Galapagos betreten, bietet sich die Möglichkeit, in die parallele Welt der Künstler Damijan
Kracina und Vladimir Leben einzutreten, die mit ihren künstlerischen Werken auf humorvolle Weise
dem Betrachter die Geschichte von der Gefährdung der Welt, in der wir leben, vermitteln, sei es
durch Lebens anthropomorphe Tiere in tausend Farbtönen oder durch Kracinas Zukunftsvision,
welche die Fantasie beflügelt und dem Betrachter die Möglichkeit der eigenen bildlichen und
inhaltlichen Interpretation einräumt. Beide Künstler schaffen eine neue, parallele Welt, für die sie
einen Rückzug aus dem Alltag, der Hast, dem unpersönlichen und unmenschlichen Bezug zu den
Mitmenschen und der Natur darstellt.

Die Kunst von Damijan Kracina und Vladimir Leben will auf die Eitelkeit des Menschen und sein
Verhalten gegenüber der Natur und den Lebewesen, die darin leben, aufmerksam machen. Die
Botschaft ist also klar und wegen ihrer Wahrheit zugleich haarsträubend. Was erwartet uns in
Zukunft und wie verläuft der Evolutionsweg, wenn dieses herrschsüchtige Verhältnis des Großen
Konstrukteurs − des Menschen − gegenüber der Natur und den Tieren weiter anhält?

Ihre Kunst ist somit eine stille Kritik der Großen Pläne des Menschen und weist gleichzeitig auf die
Ethik dieses Treibens hin, das unbewusst die eigenen Fundamente der Menscheit untergräbt.

Es geht um eine Geschichte, die noch nicht geschrieben wurde, da sie wegen ihrer Verborgenheit
oder auch häretischen Natur ständig zurückstehen musste. Damijan Kracina und Vladimir Leben
deuten die ständig fortlaufende Entwicklung der Tierarten an; wenn wir uns tiefer auf ihre Kunst
einlassen, können wir die latente Botschaft fühlen, die besagt, dass auch die Kunst sich ständig
weiterentwickelt, sich ändert und anpasst, und somit eine ausgezeichnete Plattform für die Kritik
der Gesellschaft und ihrer Anschauungen schafft.

Die Vision der parallelen Künstlerwelt, die durch die Kunstwerke zum Vorschein kommt, bedient
sich also einer perfekten Plattform für die Erschaffung eines neuen Mythos, diesmal ohne ein
Evolutionskonzept, mit dem die Idee hier sympathisiert. Es geht um die eigene Kreation beider
Künstler, die geschickt zwischen Dogmen, Theorien, Mythen und Lehren balancieren, sie zwar nicht
verwerfen, aber sie auch nicht verinnerlichen. Sie konstruieren ihre eigene Welt, in die sie sich
zurückziehen können, mit eigenen Zeit- und Raumkoordinaten.

Wann immer wir uns auf die Erforschung der Kunst und deren intime Beziehungen konzentrieren,
geht es um Klang, Farbe, Laufbild oder Skulptur, dann entspricht einer solch isolierten Einheit der
besondere Zustand der Schönheit. Doch das Wort 'schön' hatte nicht immer den gleichen Wert und
bedeutete nicht stets das gleiche. Freiheit war nicht seit jeher Bedingung für künstlerisches Talent,
so waren auch die Möglichkeiten der Geschichtlichkeit nicht immer Gegenstand der Kunst. Deshalb
liefert uns die zeitgenössische visuelle bildnerische Produktion stets neue Bedeutungen der
Vergangenheits-, Gegenwarts- und Zukunftswahrheit. Deshalb ist die Kunst das beste Medium für
das Argumentieren der eigenen Position, mehr noch: Mit dem Erschaffen der eigenen Welt und
deren Ökosystem projezieren Damijan Kracina und Vladimir Leben die eigene, modifizierte Realität.
Die Tendenz zur Erschaffung einer neuen Welt verbindet sich mit der Tendenz der modernen
Gesellschaft, die immer häufiger in fiktive, eine bessere Welt darstellende Konstrukte flüchtet, die
die reale Lebensweise nicht zulässt.

Die Künstler Damijan Kracina und Vladimir Leben sind keine Politiker und wollen keine sein, die
mit dem Finger auf eine Tatsache zeigen und sie als real bezeichnen würden, um so dem Einzelnen
eine 'klare Sicht der Gesellschaft' zu ermöglichen. Sie sind auch keine Kreationisten und
konstruieren keine eigene Ideologie mithilfe von dogmatischen Ansätzen. Sie sind Künstler und ihre
Kunst regt an, sowohl zu sinnlich-emotionalem Erleben als auch zu tiefster gedanklicher
Kontemplation. Die wunderbare Fantasie über die Symbiose der Tier- und Menschengattungen, die
es in der gegenwärtigen Form schon lange nicht mehr gibt, wird durch die Kunst von Damijan
Kracina und Vladimir Leben wieder möglich und einzigartig in Bezug auf den Einzelnen. Die Kunst
ist stets am schönsten, wenn man den Kopf befreit von Gesinnungen und Überzeugungen und dem
Kunstwerk das Reden überlässt. Manche werden in solchem Zustand wohl ins Wanken geraten.
Und Sie?" (Tevž Logar, Symbiose der Zeitlosigkeit und Kunst auf der Brandstelle der Ideologien,
Leben & Kracina: Animal Tour, 2006)

DAMIJAN KRACINA wurde 1970 geboren. Er studierte Bildhauerei und machte seinen Magister in
Video und Neuen Medien an der Akademie für bildende Kunst in Ljubljana. Er war
Gründungsmitglied der Künstlergruppe Provokart, die mehrere öffentliche Kunstevents und -projekte
organisierte. Er war Gründer und künstlerischer Leiter der ARTileria Kluže (1997−2000). Als Artist-
in-Residence präsentierte er sich in: Werkstadt Graz (1998), Atelier des Kultuministeriums der
Republik Slowenien in New York, USA (2000), Tamarid Institute Albuquerque, New Mexico, USA
(2002), SFAI Santa Fe, NM, USA (2004). Er ist aktives Mitglied der Domestic Research Society.
Kracina ist Autor zahlreicher Projekte auf den Gebieten der Videokunst, Intermedia und Bildhauerei,
die unter anderem in den folgenden Institutionen vorgestellt wurden: Werkstadt Graz; 22. Kasseler
Dokumentarfilm- und Videofest, Deutschland; Moderna galerija, Ljubljana, Slowenien; EMAF
(European Media Art Festival), Osnabrück, Deutschland; Centre Céramique in Maastricht,
Niederlande; Santa Fe Art Institute, New Mexico, USA; 4. Österreichisches Triennale der Fotografie,
Graz; Artspace, Wien; Tasmania, Australien; WAH Center New York, USA; Galerie Gradec, Zagreb,
Kroatien; Museum der zeitgenössischen Kunst, Zagreb, Kroatien; NBK, Berlin, Deutschland;
Museum Morsbroich, Köln, Deutschland; Ludwig Museum, St. Petersburg, Russland; Limerick City
Gallery of Art, Limerick, Irland; Biennale der jungen Künstler Europas und der Mittelmeerländer,
Turin, Italien; Collegium artisticum, Sarajevo, Bosnien und Herzegowina; Kunstzentrum Rotermanns
Salzspeicher, Talinn, Estland; Schloss Ujazdowski, Warschau, Polen.

VLADIMIR LEBEN wurde 1971 geboren. Er besuchte das Gymnasium für Design und Fotografie in
Ljubljana und studierte Malerei an der Akademie für bildende Kunst in Ljubljana.
Seine erste Einzelausstellung hatte er 1991. Seitdem präsentierte er seine Werke in elf
Einzelausstellungen und nahm an zahlreichen Gruppenausstellungen in Slowenien und im Ausland
teil (unter anderem: Biennale der jungen Künstler Europas und der Mittelmeerländer, Rijeka,
Kroatien; Galerie Arci Nova: Artisti giovani per la pace, Trieste, Italien; XXV Bienal de Sao Paulo,
Iconografias Metropolitanas, Brasilien u. a.). 2001 wurde er Mitglied der Kunstbewegung 'Too
modern art'. Im September desselben Jahres präsentierte sich die Gruppe erstmals öffentlich in der
Galerie Alkatraz in Ljubljana. 2004 öffnete das Museum Too modern art seine Türen in Litija,
Slowenien. Zwischen 2003 und 2006 war er als Regieassistent und Animationsleiter beim
animierten Film 'Bizgeci' tätig.

SAŠO SEDLAČEK
Space Junk Spotting, 2006
Interaktive Computerinstallation

Sašo Sedlačeks Arbeit wird definiert durch Theorien der Beseitigung, Anwendung und
Wiederanwendung von billigen Technologien sowie Abfallstoffen und deren Wiederverwertung.
Seine Arbeit kann als sanfte Strategie des Widerstands verstanden werden: anstatt der Verwendung
von typischen politischen oder ideologischen Interventionsmitteln bevorzugt er die sanften Strategien
der Überzeugung und der Erinnerung daran, dass wir in einer überkommerzialisierten Welt leben, in
der do-it-yourself-Strategien, offene Quellen und allgemeine Güter eine Alternative für die
wachsende Anzahl jener darstellen können, die sich ausgeschlossen, zur Seite geschoben oder
einfach unzufrieden mit dem Mainstream fühlen. Seine Arbeit zeigt uns, dass die Verwendung von
bereits existierenden Dingen, nur wie sie in den Gebrauchsanleitungen vorgeschlagen wird, nicht
der einzige Weg ist, und dass Einzelpersonen und Gruppen das Potential besitzen, eigene Strategien
zu entwickeln und kleinangelegte Veränderungen zu schaffen, die andere beinflussen.

In Sedlačeks Arbeiten ist der Abfall das Feld des sozialen Kampfes, wo globale wirtschaftliche und
politische Positionen eskalieren und praktische Fragen der Ökologie ein außerordentlich
symbolisches und Lügen über socio-ökonomische Prioritäten enthüllendes Potential übernehmen.
Hochentwickelte Technologien verlieren ihre privilegierte Position und ihr Elitedenken ist nicht mehr
länger unantastbar. Die Wissenschaft ist entmystifiziert, Verfahren, Werkzeuge und Know-how
werden zur legitimen Wahl des Künstlers. Künstlerische Praktiken sind schon lange keine
Dekoration und Unterhaltung mehr. Sie sind eine präzise Entschlüsselung von Regeln, die uns im
Mechanismus kapitalistischer Mechaniker tagtäglich bestimmen; sie sind die Erstellung von
Maßstäben, die sich in den moralischen Lücken dieser Mechaniker enthüllen, durch die man auf
rein künstlerische Art durchsehen kann, die fabrizierte und manipulierte Darstellung von
gesellschaftlichen Beziehungen, die wir in unserem Leben als nicht hinterfragte Gegebenheit, als
Ein-für-alle-Mal wahrnehmen.

In den letzten vier Jahren entwickelten die Künstler verschiedene Strategien der Wiederverwertung:
angefangen bei 'favela-ähnlicher' Wiederverwendung von gedruckten Werbematerialien als
Gebäudeblocks (No Lego, 2005), einem Roboter für gesellschaftlich Unterpriviligierte, konstruiert
aus veralteten Personalcomputern (Beggar, 2006), bis hin zur Umwandlung von
umweltverschmutzenden Indikatoren der urbanen Räume in Musik und Bilder (iSm0g, 2004) − die
sich mit Ökologie, Wiederverwertung und Missbrauch von Abfall, Resten und überflüssigen,
veralteten Sachen befassen. Sedlačeks Projekte, Erzeugnisse und Zwischenerzeugnisse aus Abfällen
bieten eine alternative Sicht des Rohmaterials, das im Projekt als Materielles mit taktischem Wert
und einer Ladung, die die Grenzen des Utopischen übersteigt, durchsickert. Diese Projekte
evozieren    die     Sensibilität  des    Künstlers   für    unterdrückte     Konsequenzen     der
Konsumentengesellschaft, die negativen Auswirkungen der Mythen von Fortschritt und die
Selbsterkenntnis, dass die Quellen unseres Planeten begrenzt sind.

Seine Projekte beziehen sich hauptsächlich auf die Verwendung von typischem Hauhaltsabfall, von
noch weiter verwendbaren Dingen, die von neuen Marktprodukten abgelöst wurden. Sedlačeks
neuestes Projekt Space Junk Spotting entfernte sich jedoch von der heimischen Türschwelle in
Richtung eines gemeinsamen Windfangs − der Erdbahn. Der Weltraumabfall, der sich seit Anfang
der Weltraumforschung − vor gut fünfzig Jahren − in der Erdbahn ansammelt, füllte den
Gravitationsraum bis zu unvorstellbaren Dimensionen. Abfallsatelliten, Raketen und anderer
Weltraummüll kann als Archäologie im Entstehen oder als beispielloser Müllhaufen gesehen
werden. "Space Junk Spotting/Weltraumabfall ist eine taktische Plattform für die Erforschung des
Phänomens, das verschiedenartige Interpretationen zum Thema der Wiederverwendung von
Weltraummüll anregt, in dem bis heute 38 Millionen Abfallstücke in der Größe von einigen
Millimetern bis zu 47 m langen Kraftstoffbehältern einer Raumfähre ausgemacht wurden. In dieser
Phase thematisiert das Projekt den Grad der Belastbarkeit in den verwendbaren Umlaufbahnen, die
Frage des Eigentümers der gefährdenden Abfälle und die daraus folgernde Verantwortung sowie
Möglichkeiten ihrer Wiederverwertung. Es gibt mehrere registrierte öffentliche und private Initiativen
für die Wiederverwendung dieser Abfälle, die allerdings immer aufs Neue an das Eigentumsproblem
der einzelnen Abfallstücke stoßen. So treffen wir auf der Weltraumebene auf das Paradox, dass die
Eigentümer des Abfallmaterials sich einerseits gegen deren Verantwortung wehren und andererseits
ihr Eigentumsrecht geltend machen wollen und somit die offene Frage der Wiederverwertung des in
die Erdbahn eingeführten Materials vereiteln.

Die Voraussetzung, dass das Weltall allen gehört, nicht nur den Weltraummächten, führt immer
wieder das Dilemma des Privilegs, der Verantwortung und der Ausübung angemessener Inhalte im
Weltraum herbei, für die nicht festgelegt wurde, ob sie ausschließlich Sache der militärischen und
wissenschaftlichen Nutzung sind. Telekommmunikation und Beobachtung unseres Planeten
gehören bereits zu vorrangigen Gebieten, und unserer Meinung nach ist es an der Zeit auch
Kreativität zu zeigen. Von hier aus muss es aber auch eine Antwort auf die Frage des Inhalts und
der Dimensionen des menschlichen Geistes geben." (Sašo Sedlaček, 5. Triennale der slowenischen
zeitgenössischen Kunst, Moderna galerija, Ljubljana, 2006)
Die Computerinstallation hat eine Hardware- und Softwareausrüstung, verbunden mit der
Datenbasis des Weltraumobservatoriums der amerikanischen Regierung, die das vollständigste
Datenverzeichnis über den Grad der Verschmutzung beinhaltet und über erstaunliche
wissenschaftliche Methoden für die Positionsbestimmung des Weltraumabfalls verfügt. So steht der
breiteren Internetöffentlichkeit eine Datenbankdatei über Weltraummüll zur Verfügung, mit der der
populäre dreidimensionale Google Earth Server belastet ist. Das taktische Potential dieses Katalogs
bietet Möglichkeiten für kreative und konstruktive Problemlösungen hinsichtlich der
Wiederverwendung des Materials, dessen Position in den Umlaufbahnen bereits bestimmt ist, ohne
immense Anfangskosten, die beim Raketenabschuss ins All entstehen. Es handelt sich um ein
Projekt mit taktischem Wert, da es in das Feld der künstlerischen Interpretation praktische Daten
über das in den Umlaufbahnen kreisende Material leitet, welche Künstler für ihre Projekte
verwenden können. Von da an wird dieses Phänomen wieder zum Thema jener Öffentlichkeit, die
ein langfristiges Interesse an unserem Planeten hat.
Produktion: Galerija Kapelica

SAŠO SEDLAČEK wurde 1974 in Ljubljana geboren und studierte Bildhauerei an der Akademie für
bildende Kunst in Ljubljana. Zur Zeit macht er sein Magisterstudium in Bildhauerei und Neuen
Medien an derselben Akademie.

Sedlačeks Kunstwerke umfassen vor allem standortspezifische Aktionen, Performances und
interaktive Skulpturen, die sich hauptsächlich mit Themen der Wiederverwertung und politischen
Utopie beschäftigen. Er präsentierte seine Arbeiten auf zahlreichen Einzel- und
Gruppenausstellungen in Slowenien und im Ausland. Ausgewählte Ausstellungen: 2006: U3,
Trienniale der slowenischen zeitgenössischen Kunst, Moderna galerija, Ljubljana, Slowenien;
Cultural Typhoon, Tokyo, Japan; 12. Internationales Festival der Computerkunst, Maribor,
Slowenien; Beggar (robot for materially deprived), Galerija Kapelica, Ljubljana; 2005: Artbook
Triennial, Catalogo Zogo, Mailand, Italien; Slowenische Kunst in Preßburg, Burundi Datalab,
Preßburg, Slowakei; PostsovkhoZ5 / Public-Private, Mooste, Estland; Pretty Dirty, Galerija Škuc,
Ljubljana; Device Art, Galerie O3One, Belgrad, Serbien; 2004: Exordium, Udine, Italien; Device Art,
Zagreb, Kroatien; Loop, Galerija Kapelica, Ljubljana; Think Twice, Riciclo tra Arte, Design,
Architettura, San Dona di Piave, Italien; Continental Breakfast, 45. Oktobersalon, Belgrad, Serbien;
2003: Just do it!, Galerija Kapelica, Ljubljana; Friendly Fire, Forum Stadtpark, Graz; 2002: Reboot,
Kiberpipa, Ljubljana; 8. Internationales Festival der Computerkunst, Maribor; 2001: Biotope
Condition, Galerija Kapelica, Ljubljana; 10. Biennale der jungen Künstler Europas und der
Mittelmeerländer, Sarajevo, Bosnien und Herzegowina. Im Jahr 2006 erhielt er den OHO-Preis für
junge visuelle Künstler, Institution P.A.R.A.S.I.T.E (Slowenien) und die Foundation for Civil Society
and Trust for Mutual Understanding aus New York (USA). 2005 bekam er den Preis The Best
Recycling Toy, Zogo Toy Wettbewerb in Asolo (Italien) verliehen. Außerdem erhielt er 2006 das
IAMAS (Institute of Advanced Media Arts and Science) Artist-in-Residence-Stipendium in Ogaki,
Japan und arbeitete 2005 im Künstleratelier des Slowenischen Kulturministeriums in Berlin.
son:DA
situation künstlerhaus, 2007
rauminstallation.zeichnungen mit computermaus.performance

Das Künstlertandem son:DA (Metka Golec, Miha Horvat), seit dem Jahr 2000 tätig, gehört zur den
interessantesten und fruchtbarsten slowenischen Kunstschaffenden der jüngeren Generation. Ihr
künstlerisches Feld prägen verschiedene Techniken und Medien: angefangen mit der
Computermaus, interaktiven Klangkonstellationen und standort-spezifischen Installationen bis hin
zur performativen Multimediensituation. Charakteristisch für ihr Werk ist die ausgeprägte
Problemstellung von etablierten Inhalten − es überwiegt die Erforschung der Bedeutung von neuen
Technologien im Verhältnis zum modernen Menschen sowie die Erforschung des komplizierten
Verhältnisses zwischen Objekt, Schaffensprozess und Wirkung der modernen Gesellschaft. son:DA
verwirklichen ihre künstlerische Haltung ausschließlich als Tandem; eine noch radikalere
Abweichung von der klassischen Urheberschaft erzielen sie mit dem Netz, in das sie einen breiteren
Kreis von Mit-Schaffenden verbinden, in dem die Urheberschaften ineinander übergehen und
ergänzt werden.

In den letzten fünf Jahren entwickelte das Künstlertandem son:DA spezifische
Computerzeichnungen, die sich durch ihrer Schlichtheit und Einfachheit besonders bemerkbar
machten. Motive, meist geschöpft aus der Welt der 'bereits vergangenen Technologie', stellen
einfache Gegenstände dar: Steckdosen, Telefone und Kabel treffen oft auf neue
Ausführungslösungen eines bildenden Werkes. Neben dem oft vorherrschenden technologischen
Unbehagen werfen die Künstler mithilfe verschiedener Kombinationen von Unlogik, Humor und
Verwunderung breitere existentielle Fragen auf. Ein anderes Medium ihrer Aussagekraft sind sog.
Rauminterventionen − Installation und Klangräume − und Konstellationen. Sowohl das erste als
auch das zweite wird als Kategorie verstanden, die die Raumdimensionen (physische und
gesellschaftliche) definiert oder erweitert. Darin, wieder mit vorwiegend einfachen oder gar banalen
Eingriffen, hinterfragen son:DA auf effiziente Weise das Verhalten des modernen Menschen und
seine Präsenz. Ein wichtiges Feld ihrer Tätigkeit sind auch Audio- und Videoperformances, wo ihr
Wunsch nach Spaltung und Fusion verschiedener Medien am explizitesten als Affinität zur Gruppen-
und Zusammenarbeit zum Vorschein kommt. Außerdem umfasst ihr Tätigkeitsfeld auch sozial und
gesellschaftlich orientierte Aktionen, mit welchen sie die Bedeutung eines Kunstgegenstandes
verunklaren und somit in den Bereich der Organisation und Betätigung des künstlerischen und
gesellschaftlichen Systems eingreifen. In dieses Segment, welches das Verständnis der
zeitgenössischen visuellen Kunst und des urheberischen Schaffens wesentlich erweitert, integrieren
sie auf radikalste Weise den Zufallsmoment als wichtiges Ausdrucksmittel, der den Inhalt des
Kunstwerkes erheblich mitprägt. Oft erwecken ihre Arbeiten Gefühle der Verlegenheit und
Bedrängnis des modernen Menschen und der modernen Gesellschaft, hinterfragen Verhaltensmuster
und Normen, exponieren Banalitäten und Bedeutung der zwischenmenschlichen Kommunikation ...
Wie üblich, breitet sich auch in der vorliegenden Kunstaktion situation kuenstlerhaus das motivisch
einfache Werk auf verschiedenen Bedeutungsebenen aus. Die Basis bilden Computerzeichnungen,
in welchen sich zu den bekannten technologischen Akteuren in den neuesten Werken Darstellungen
von Einzelpersonen dazugesellen. Letztere sind in für die Verwendung von Fotoapparaten und
Computern typischen Posen dargestellt. Mit den dargestellten Gestalten trifft sich der Betrachter
wegen ihrer bezeichnenden Blicke; dem Schauen durch den Fotoapparat oder dem Glotzen in den
Bildschirm. Solche Darstellungen öffnen interessante Fragen zu Raumverhältnissen und
Überlegungen über den Kontakt zwischen dem Medium und der Realität. Ungeachtet dessen, ob
sich vor uns weniger sichtbare Akteure des technologischen Systems, Menschenmassen oder
performative Organisationsaktionen befinden, ist es nicht unerheblich, dass sich son:DA in letzter
Zeit immer mehr Gedanken zur Frage 'wer ist der Chef bzw. wer leitet das Spiel' macht. So kann die
Frage der Positionen auch durch die Optik der Machtstellung betrachtet werden. Die vorliegende
situation kuenstlerhaus ist nicht nur Rauminstallation, sonder auch Aktion, in der son:DA durch
den räumlichen Akt der Auffüllung und Entleerung des Ausstellungsraumes mit Kunstwerken die
Frage des Künstlerstatus innerhalb des Kunstsystems aufwerfen. Da jedoch ihr Ausgangspunkt, wie
üblich, sowohl physisch-räumlich als auch raumerfassend als Objekt-Subjekt-Verhältnis auf eine
konkrete Situation ausgerichtet ist, ist es unmöglich die künstlerische Handlung sowie auch ihre
Effizienz genau vorauszubestimmen. Völlige Offenheit ist aber auch eine notwendige Bedingung für
die konsequente Durchführung der künstlerischen Mission des Tandems son:DA, wie bereits in
ihrem Namen angedeutet − erforschen, überprüfen und neue Sichten erschließen.

In den letzten Jahren präsentierte das TANDEM son:DA seine Arbeiten auf Einzelausstellungen
in: Razstavni salon Rotovž, Maribor, Slowenien; Galerija Kapelica, Ljubljana, Slowenien; Kibla,
Maribor; Porschehof & Kunstverein, Salzburg; Galerija Meduza, Koper, Slowenien; Likovni salon,
Celje, Slowenien; Turner Contemporary, Margate, Großbritannien; Mario Mauroner Contemporary
Art, Wien; C/O Careof Milano, Italien (in Zusammenarbeit mit Semiconducter); ARCO-06, Madrid,
Spanien (in Zusammenarbeit mit Žiga Kariž); Miklova hiša, Ribnica, Slowenien; AP4-ART, Lugano,
Italien; Mala galerija, Ljubljana.

Auf Ausstellungsbeteiligungen und Festivals zeigten sie ihre Werke in: Sammlung Essl,
Klosterneuburg; The Renaissance Society, Chicago, USA; Tate Modern, London, Großbritannien;
Contemporary Art Museum, St. Louis, USA; The Kitchen Gallery, New York, USA; Stedelijk
Museum, Amsterdam, Niederlande; Staatsmuseum der zeitgenössischen Kunst, Solun,
Griechenland; MACRO, Rom, Italien; Institut für zeitgenössische Kunst, Sofia, Bulgarien;
Sonambiente, Berlin, Deutschland; Umetnostna galerija Maribor, Slowenien; Platform Garanti,
Istanbul, Türkei; Baltische Biennale der zeitgenössischen Kunst, Szczecin, Polen; Zentrum für
zeitgenössische Kunst Velan, Torino, Italien; Viennabienale, Wien; Crazycurators, Preßburg,
Slowakei; Moderna galerija, Ljubljana, Slowenien; Muzej savremene umetnosti Vojvodine, Novi Sad,
Serbien; Animationsfestivals in Izola/Slowenien, Zagreb/Kroatien, Utrecht/Niederlande und
Hiroschima/Japan. Die Autoren des Tandems son:DA wirkten in den Jahren 1999−2001 innerhalb
des Künstlerkollektivs KLON.ART und leiteten 2004−2005 das Projekt "gUF − garage für
kunstfotografie".

Mehr auf: http://sonda.kibla.org

POLONA TRATNIK
In-time, 2005 - 2007
Installation, gemischte Technik

Polona Tratnik: In-time, oder: Auf den Spuren der interaktiven Intimität. Können wir wirklich
behaupten, dass jedes Individuum über seinen intimen Raum verfügt, der vom allgemeinen
Raumgefüge gänzlich abgekapselt ist, wenn wir den Menschen nicht als ein Wesen betrachten, das
aus der Distanz oder von außerhalb auf die Welt blickt, sondern als eine Substanz, die in die Welt
eingetaucht ist, wie dies etwa Maurice Merleau-Ponty glaubte? Er behauptete, dass sich die Dinge
gegenseitig besitzen und daher dasselbe, eine Fleisch bilden, nämlich das Fleisch der Welt.

Auf mikrobiologischer Ebene dringen Mikroorganismen wie etwa Bakterien oder Pilze nicht nur in
den menschlichen Organismus ein, sondern wandern aus ihm auch in die Umwelt ab. Solch eine
Mikrowelt ist eine sonderbare innere Welt des menschlichen Körpers. Nicht nur, weil einige Arten
tatsächlich im Inneren des menschlichen Organismus leben, sondern auch, weil alle diese Arten,
die mit dem Körper leben, direkt auf oder in ihm zu finden sind − was bedeutet, dass sie eigentlich
Teil desselben sind und ihm helfen, als Gesamtorganismus ein gesundes Gleichgewicht aufrecht zu
erhalten. Bei dieser Wanderung aus dem Körper in die Umwelt, oder aus der Umwelt in oder auf
den Körper wandert der Körper tatsächlich in die Umwelt und nimmt umgekehrt die Umwelt in sich
auf. Wo genau verläuft nun die Trennlinie zum Körper, und gibt es ihn überhaupt, diesen Kortex
unseres Organismus? Ein Kortex wäre eine äußere, tote Fleischhülle. Unser Fleisch mit seiner
hornartigen Schicht aus Hautgewebe ist jedoch weit davon entfernt, tot zu sein. Diese Schicht ist
voll von Leben, das zu uns gehört und gleichzeitig einen Austausch mit der Umwelt vollzieht. Es ist
ein Reich des Gebens und Nehmens zwischen einem Körper und einer Umwelt, in die er
eingetaucht ist. Es ist ein Reich, in dem sich die Ausdehnung eines Inneren in ein Äußeres vollzieht
und das Eindringen eines Äußeren in ein Inneres.

Schafft man ideale Lebensbedingungen für Mikroorganismen, die dem menschlichen Körper
entstammen, vermehren sich diese nach dem Transfer in diese 'künstliche' Umgebung in so großer
Zahl, dass sie als Kolonien von Arten in allen Farben und kreisförmigen Strukturen sogar mit freiem
Auge sichtbar werden. Auf diese Weise wird das Lebendige, das zuvor Teil eines menschlichen
Körpers war, selbstständig, das Andere, mit dem wir nun in Kontakt kommen. Es beginnt sogar,
eine Gefahr für uns zu werden. Ein solcher Akt visualisiert daher nicht nur, was für das menschliche
Auge normalerweise nicht sichtbar ist, sondern bildet auch eine Plattform für das unabhängige
Weiterbestehen jenes Lebens, das von uns abstammt. Es ermöglicht uns, mit dem lebenden
Anderen von uns selbst in Kontakt zu kommen. Anders gesagt wird der Sehende gleichzeitig zum
Gesehenen, der 'Berührer' berührt sein eigenes Gewebe, welches das gemeinsame Fleisch der Welt
ist.

Mag. POLONA TRATNIK ist Assistentin für Kulturwissenschaft an der Fakultät für
Humanwissenschaften an der Universität von Primorska (Koper, Slowenien) und arbeitet derzeit am
ihrem Doktoratsabschluss in Philosophie und Theorie der visuellen Kultur. Sie ist Sekretärin der
Slowenischen Gesellschaft für Ästhetik und als Organisatorin diverser Kulturveranstaltungen tätig
(Symposien, Festival Break 2.3), sowie als Redakteurin, Kuratorin, Schriftstellerin etc. Sie ist eine
international bekannte Künstlerin und weltweite Pionierin, die im Bereich der biotechnologischen
Kunst tätig ist. Sie nahm unter anderem an folgenden bedeutenden Bio-Art-Shows Teil: Vitrti,
Antwerpen, Belgien 2007, In Vivo in Vitro, Athen, Griechenland 2006, BEAP Bio Difference,
Perth, Australien 2004, L'Art Biotech, Nantes, Frankreich 2003 etc. Ihre Projekte haben
vorwiegend den menschlichen Körper zum Gegenstand (Unique, Hair, In(threat)timity, In-Time,
Micro cosmos, Private bowls, 37°C). Als Teile prozessualer Installationen finden sich beispielsweise
menschliche Hautzellen, Mikroorganismen, Haar und ähnliche Elemente. Für ihre Arbeit erhielt sie
bereits einige namhafte Preise: Goldener Vogel 2005 (für ihre Arbeit als Künstlerin, Kuratorin und
künstlerische Leiterin im Bereich der visuellen Kunst); Prešeren-Preis (für Malerei, 2000), Rotary-
Club-Preis (für bildende Kunst, 2001); den Preis für Kurzprosa, Spletno Pero (2006) sowie den
Preglej-Preis (2007) für ihr Drama Das Wartezimmer. Nebst anderen Texten veröffentlichte sie
auch philosophische Essays über ihre Arbeit als "Carne del Mundo / Flesh of the World" (A mínima,
Spanien, Nr. 18/2006), "37°C: Vom Inneren eines Wesens zur schmalen Linie des Lebens"
(Leonardo Magazine, Cambridge: MIT Press, Band Nr. 38, 2. Ausgabe, April 2005) etc.
URL: www.ars-tratnik.si

Übersetzung: Ksenija Vidic, Thomas J. Höfler
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