Landrätinnen im Portrait - Deutscher Landkreistag Ulrich-von-Hassell-Haus Lennéstraße 11
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Landrätinnen im Portrait Deutscher Landkreistag Ulrich-von-Hassell-Haus Lennéstraße 11 10785 Berlin Tel. 030 590097-309 Fax 030 590097-400 www.landkreistag.de info@landkreistag.de
Parteizugehörigkeit der Landrätinnen und Landräte Parteizugehörigkeit der Landrätinnen und Landräte Schriften des Deutschen Landkreistages Band 148 der Veröffentlichungen des Vereins für Geschichte der Deutschen Landkreise e.V. Flensburg Schleswig- Flensburg Nordfriesland Vorpommern-Rügen Rendsburg- Kiel Eckernförde Plön zu Pinneberg Dithmarschen Ostholstein Neu- Rostock münster Steinburg Segeberg Rostock zu Hamburg Lübeck Nordwestmecklenburg Stormarn Cuxhaven Pinneberg Herzogtum Wittmund Wilhelms- Lauenburg Schwerin zu Leer BREM ERHAVEN haven Mecklenburgische Seenplatte Aurich Stade HAMBURG Friesland Weser- Ludwigslust-Parchim Emden marsch Harburg Leer Ammerland Rotenburg Lüneburg Uckermark Osterholz (Wümme) Oldenburg (Oldenburg) BREMEN Prignitz Delmen- Lüchow- horst Oldenburg Verden Heidekreis Uelzen Dannenberg Ostprignitz-Ruppin Oberhavel Barnim Cloppenburg Emsland Diepholz Celle Altmarkkreis Stendal 20297669 Vechta Märkisch-Oderland Nienburg Salzwedel Havelland Grafschaft (Weser) Gifhorn Bentheim BERLIN Region Hannover Wolfsburg Brandenburg Potsdam Frankfurt Osnabrück a.d. Havel (Oder) Minden- Osnabrück Lübbecke Schaumburg Peine Braun- Jerichower Oder-Spree schweig Helmstedt Potsdam- Land Steinfurt Börde Mittelmark Herford Salz- Hameln- gitter Wolfenbüttel Magde- burg Teltow-Fläming Pyrmont Hildesheim Dahme-Spreewald Münster Bielefeld Lippe Borken Coesfeld Holzminden Warendorf Gütersloh Goslar Cottbus Dessau- Harz Salzlandkreis Roßlau Wittenberg Ober- Kleve Anhalt- spreewald- Spree- Recklinghausen Northeim Bitterfeld Lausitz Neiße Wesel Hamm Paderborn Höxter Elbe-Elster Bottrop Gelsen- kirchen Unna Ober- hausen Herne Dortmund Soest Göttingen Nordsachsen Essen Bochum Mansfeld-Südharz Halle Duis- burg Mülheim Nordhausen (Saale) a.d.Ruhr Ennepe- Hagen Kyffhäuserkreis 1.12.2021 Krefeld Ruhr- Kassel Viersen Mettmann Eichsfeld Saalekreis Leipzig Görlitz Düssel- Kreis Hochsauerlandkreis Kassel Meißen Bautzen Wuppertal Mönchen- Rhein- dorf Märkischer gladbach Solingen Remscheid Kreis Werra- Leipzig Kreis Waldeck- Meißner- Unstrut-Hainich-Kreis Sömmerda Burgenlandkreis Heinsberg Neuss Olpe Frankenberg Kreis Dresden Leverkusen Rheinisch- Ober- Bergischer bergischer Schwalm- Weimarer Rhein-Erft- Köln Kreis Eder- Land Kreis Kreis Siegen- Erfurt Weimar Saale- Altenburger Mittelsachsen Sächsische Schweiz- Wittgenstein Kreis Hersfeld- Wartburg- Jena Holzland- Land Osterzgebirge Städte- Rotenburg Gotha Kreis Gera Region Düren Marburg- kreis Chemnitz Aachen Rhein-Sieg-Kreis Alten- Biedenkopf Bonn kirchen Ilm-Kreis Zwickau Greiz Lahn-Dill- Vogelsbergkreis Schmalkalden- Saalfeld- Meiningen Saale- Westerwald- Kreis Rudolstadt Orla- Erzgebirgskreis Euskirchen Gießen Suhl Neuwied kreis Fulda Kreis Ahrweiler Hildburg- Limburg- hausen Sonne- Vogtlandkreis Weilburg berg Mayen- Koblenz Wetteraukreis Koblenz Hoch- Rhön-Grabfeld Coburg Kronach Rhein- Hof Vulkaneifel Lahn- taunus- Coburg Hof kreisfreie Städte Kreis Rheingau- kreis Bad Kissingen Cochem- Main-Kinzig-Kreis Eifelkreis Main- Bitburg-Prüm ZellRhein- Taunus- Kreis WiesbadenTaunus- Frankfurt Offenbach Lichtenfels Kulmbach Wunsiedel- Fichtelgebirge Stadtstaaten Hunsrück- Kreis a.M. a.M. 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Speyer Rhein-Neckar- Schwabach Ansbach Saarbrücken Zwei- Cham Süd- Süd- Kreis pfalz- brückenPirmasens west- liche Landau Heilbronn Hohenlohe- Roth Neumarkt i.d.Opf. Kreis kreis Ansbach pfalz Wein- i.d.Pf. Heil- straße Karlsruhe bronn Schwäbisch-Hall Regensburg Germers- Weißenburg- Regen heim Karlsruhe Gunzenhausen Regensburg Straubing- Enzkreis Ludwigsburg Bogen Freyung- 119 CDU Rastatt Pforz- heim Rems-Murr- Kreis Ostalbkreis Eichstätt Kelheim Straubing Grafenau Donau-Ries Deggendorf Stuttgart Ingolstadt 53 CSU Baden- Baden Neuburg- Herausgeber: Deutscher Landkreistag, Berlin 62 SPD Calw Böblingen Esslingen Göppingen Heiden- heim Dillingen a.d.Donau Schroben- hausen Pfaffen- hofen Landshut Landshut Dingolfing- Landau Passau Passau a.d.Ilm Redaktion: DLT-Pressestelle 38 parteilos Ortenaukreis Freudenstadt Tübingen Reutlingen Günzburg Aichach- Friedberg Freising Rottal-Inn Alb- Ulm Augsburg Donau- Neu- Augsburg Dachau Erding 14 Freie Wähler Rottweil Zollernalbkreis Kreis Ulm Mühldorf Altötting Fürsten- a.Inn Herstellung: 4 Freie Wähler LV BW Emmendingen Schwarzwald- Biberach Unterallgäu feldbruck München Ebersberg Inhalt: satz und mehr, Besigheim 2 Die Linke Freiburg i.Br. Breisgau-Hochschwarzwald Baar-Kreis Tuttlingen Sigmaringen Memmingen Landsberg Starnberg a.Lech München Rosenheim Traunstein Druck: W. Kohlhammer GmbH Kaufbeuren Rosenheim 2 B.90/Grüne Konstanz Bodensee- Ravensburg Ostallgäu Weilheim-Schongau Bad kreis Kempten Tölz- Miesbach Lörrach Waldshut (Allgäu) Wolfrats- Berchtes- hausen gadener Lindau Garmisch- Land (Bodensee) ISSN 0503-9185 Oberallgäu Partenkirchen
Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, Nur eine der hier Portraitierten war Anfang 2020 nicht mehr im Amt in dieser Schrift versammeln wir etwas noch immer Besonderes, und ist es heute auch nicht mehr – und dennoch haben wir mit ihr aber etwas, was es zusammengefasst ins Licht zu rücken gilt: Seit ausführlich gesprochen, hat sie doch zweifellos eine Sonderrolle Anfang 2020 haben wir die in den 294 deutschen Landkreisen unter allen Landrätinnen Deutschlands: Bruni Mayer war nämlich amtierenden Landrätinnen interviewt, um ihnen die Gelegenheit zu 1987 die Erste – und das war dem Bayerischen Rundfunk 2021 zu geben, ein Bild von sich und ihrer Arbeit in ihrem Landkreis zu Recht ein umfangreiches Fernsehportrait in der Reihe „Lebens- zeichnen. Ein äußerst interessantes Kaleidoskop ist so entstan- linien“ wert. Da sie sowohl ihren Landkreis als auch die Arbeit im den. Bayerischen Landkreistag und im Deutschen Landkreistag lange geprägt bzw. mitgeprägt hat, war ihre Einbeziehung hier eine Von den seinerzeit 28 Landrätinnen sind zwei inzwischen aus dem selbstverständliche Gebotenheit. Amt ausgeschieden, Angelika Klein beabsichtigt, Kerstin Weiss trotz des Kreisumlageerfolges in Sachen Perlin vor dem Bundes- Zudem haben wir vier Damen aus der Landkreistags-Verbands- verwaltungsgericht nach einer Wahlniederlage. Die anderen 26 arbeit interviewt: Irene Vorholz ist mit mehr als 20-jähriger prä- haben seit 1.5.2020 in nur 1 ½ Jahren einen Zuwachs wie nie zuvor gender Zugehörigkeit nach der kürzlich zu früh verstorbenen erfahren. In Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sind Ursula Friedrich erst die zweite Beigeordnete im Deutschen Land- am 1.5.2020, am 1.11.2020 bzw. am 1.11.2021 je zwei Kollegin- kreistag und zudem die erste Stellvertreterin des Hauptgeschäfts- nen hinzugetreten, hinzu kommen zwei Amtswechsel zu Land- führers. Daniela Franke ist seit 2018 die erste Geschäftsführerin rätinnen in den Kreisen Pinneberg und Vulkaneifel im Verlaufe des eines Landesverbandes, der im Oktober 2021 mit Susanne Jahres 2021. Selbstverständlich haben wir auch die neuen Amts- Schwarz im Saarland und Andrea Degl in Bayern gleich zwei trägerinnen interviewt. Kolleginnen gefolgt sind. Dass für Landrätinnen jedoch nicht zwingend der Satz gelten Von ihnen allen können und sollten wir lernen, was ihre Arbeit und muss: „Einmal Landrätin, immer Landrätin“, zeigen wir an fünf die dafür gewählte Herangehensweise ausmacht. Die Lektüre Beispielen bis heute erfolgreicher Frauen in Folgeämtern auf: dieses Bandes gibt dazu erste Einblicke. Monika Bachmann, Landrätin im Landkreis Saarlouis seit 2004, Berlin, zum Jahreswechsel 2021/22 ist seit 2011 Innen- bzw. Sozialministerin des Saarlandes, ohne ihre kommunale Herkunft zu verleugnen. Die beiden Birgits, näm- lich Hesse und Keller, sind inzwischen Landtagspräsidentinnen in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen, nachdem sie zuvor ein bzw. sogar zwei Ministerämter in der dortigen Landesregierung ausgefüllt haben. Beate Läsch-Weber und Cornelia Hoffmann-Bethscheider haben einen anderen Weg eingeschlagen und sind nach ihrer Land- rätinnentätigkeit in Rheinland-Pfalz bzw. im Saarland an die Spitze ihres jeweiligen Sparkassenverbandes getreten. Von den hier Portraitierten amtieren Martina Schweinsburg und Beate Läsch-Weber mit Abstand am längsten: Martina Schweins- burg ist seit Mai 1990 und damit seit mehr als 31 ½ Jahren Landrätin des Thüringer Landkreises Greiz, und wäre nicht Werner Henning aus dem Thüringer Eichsfeld einen Tag länger im Amt, wäre sie nicht nur die dienstälteste Landrätin Deutschlands, sondern – in herkömmlicher Sprachform – auch der dienstälteste Landrat. Beate Läsch-Weber ist nur wenig später, nämlich am 1.4.1993, Landrätin des Landkreises Bernkastel-Wittlich geworden und für 18 Jahre bei zwei höchst erfolgreichen Wiederwahlen geblieben, um dann für zwölf Jahre ebenso erfolgreich eine neue Herausfor- derung als deutschlandweit erste Präsidentin eines Sparkassen- Prof. Dr. Hans-Günter Henneke Regionalverbandes anzugehen. Nicht nur der Sparkassen-Orga- Geschäftsführendes Präsidialmitglied nisation hat dies gutgetan! des Deutschen Landkreistages 3
Inhalt 1987 „Bruni, jetzt musst Du es machen“ Interview mit Landrätin a.D. (Landkreis Rottal-Inn) Bruni Mayer 6 1990 Im Landkreis wurden Berge versetzt Landrätin Martina Schweinsburg, Landkreis Greiz 8 1993 „Die Menschen müssen spüren, dass es dir wichtig ist“ Interview mit Sparkassenpräsidentin und Landrätin a.D. (Landkreis Bernkastel-Wittlich) Beate Läsch-Weber 9 2000 Landrätin ist ein zeitintensiver Traumberuf Landrätin Tamara Bischof, Landkreis Kitzingen 12 2004 Besonderes Gemeinschaftsgefühl zwischen DLT und Landräten Ministerin für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie im Saarland und Landrätin a.D. (Landkreis Saarlouis) Monika Bachmann 13 Die Arbeit in der Kreisverwaltung geht sprichwörtlich über den Tellerrand eines bestimmten Profils hinaus Landrätin Daniela Schlegel-Friedrich, Landkreis Merzig-Wadern 14 2007 Frauen dazu bewegen, sich in der Politik zu engagieren Landrätin Eva Irrgang, Kreis Soest 16 2008 Prägende Jahre als Landrätin Präsidentin des Landtages Mecklenburg-Vorpommern und Landrätin a.D. (Landkreis Nordwestmecklenburg) Birgit Hesse 17 Digitalisierung als ideale Möglichkeit, gleiche Lebenschancen zwischen Stadt und Land herzustellen Landrätin Dorothea Störr-Ritter, Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald 18 2010 Förder- und Ausgleichsfunktion im besten Sinne wahrnehmen Landrätin Anita Schneider, Landkreis Gießen 19 2011 Digitalisierungsschub durch Corona-Pandemie Präsidentin des Sparkassenverbandes Saar und Landrätin a.D. (Landkreis Neunkirchen) Cornelia Hoffmann-Bethscheider 21 „Stolz, an zentraler Stelle gestalten zu dürfen“ Landrätin Stefanie Ladwig, Kreis Plön 22 2012 Erfahrung als Landrätin gute Schule für jetzige Aufgabe Präsidentin des Thüringer Landtags und Landrätin a.D. (Landkreis Nordhausen) Birgit Keller 23 Weniger diskutieren und mehr umsetzen Landrätin Petra Enders, Ilm-Kreis 24 Zertifizierte „Mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung“ Landrätin Antje Hochwind-Schneider, Kyffhäuserkreis 25 Lage im Dreiländereck prägt unseren Landkreis Landrätin Marion Dammann, Landkreis Lörrach 26 2013 Frauen können in der Kommunalpolitik etwas bewegen Landrätin Christiana Steinbrügge, Landkreis Wolfenbüttel 27 Stimmiger Dreiklang von Politik, Verwaltung und Bürgerschaft prägt den Landkreis Landrätin Kornelia Wehlan, Landkreis Teltow-Fläming 28 2014 Die Kreisumlage ist im Kreistag jedes Jahr ein heißes Thema Landrätin a.D. Kerstin Weiss, Landkreis Nordwestmecklenburg 29 Bei Bürgerbeteiligungen sind wir bundesweit an der Spitze Landrätin Kirstin Fründt, Landkreis Marburg-Biedenkopf 31 Landrätinnen haben reichhaltige Gestaltungsmöglichkeiten Landrätin Stefanie Bürkle, Landkreis Sigmaringen 32 Unser Landkreis braucht den Mittelstand Landrätin Andrea Jochner-Weiß, Landkreis Weilheim-Schongau 32 Nachhaltiges Wirtschaften ist für mich Überzeugung Landrätin Tanja Schweiger, Landkreis Regensburg 33 Mit der „Fahrgastoffensive FOO“ einen Volltreffer gelandet Landrätin Maria Rita Zinnecker, Landkreis Ostallgäu 34 4
Inhalt Träume, wie eine Kommune aussehen könnte, in die Praxis umsetzen Landrätin a.D. Dr. Angelika Klein, Landkreis Mansfeld-Südharz 35 2016 „Die Zukunft ist l@ndlich!“ Landrätin Astrid Klinkert-Kittel, Landkreis Northeim 37 2017 Es zählt der Mensch und dessen Wille und Können, um sich für politische Ämter zu qualifizieren Landrätin Bettina Dickes, Landkreis Bad-Kreuznach 38 Zwischen Erfahrungswissen und neuen Wegen Landrätin Dr. Susanne Ganster, Landkreis Südwestpfalz 39 Rechtzeitig reagieren und Strukturen etablieren, die uns gut leben lassen Landrätin Dorothea Schäfer, Landkreis Mainz-Bingen 40 Den Landkreis attraktiv gestalten, damit junge Menschen nicht abwandern müssen Landrätin Rita Röhrl, Landkreis Regen 41 2018 Klarheit über Beteiligung der Gemeinden bei der Kreisumlagefestsetzung schaffen Landrätin Karina Dörk, Landkreis Uckermark 42 Nachwuchsgewinnung mit „karriereheimat.de“ Landrätin Peggy Greiser, Landkreis Schmalkalden-Meiningen 43 Frauen stellen ein wichtiges Arbeitskräftepotenzial dar Landrätin Christiane Schmidt-Rose, Landkreis Weimarer Land 44 2019 Die Fläche des ländlichen Raumes ist der Bodenschatz der Zukunft Landrätin Anna Kebschull, Landkreis Osnabrück 45 2020 Je stärker die Strukturen vor Ort, desto mehr Teilhabe ist möglich Landrätin Indra Baier-Müller, Landkreis Oberallgäu 47 Die Pandemie zeigt, wie wichtig digitale Angebote sind Landrätin Sabine Sitter, Landkreis Main-Spessart 47 Den Kreis Minden-Lübbecke nachhaltig und langfristig noch lebens- und liebenswerter machen Landrätin Anna Katharina Bölling, Kreis Minden-Lübbecke 49 Beim Klimaschutz können wir in den kommenden Jahren viel bewegen Landrätin Silke Gorißen, Kreis Kleve 50 2021 Herausforderungen und Zukunftsthemen anpacken und gestalten Landrätin Elfi Heesch, Kreis Pinneberg 51 Es ist mir ein Anliegen zu sagen: Macht mit, engagiert euch! Landrätin Julia Gieseking, Landkreis Vulkaneifel 52 „Politik muss glaubwürdig sein – in turbulenten Zeiten mehr denn je“ Landrätin Karin Harms, Landkreis Ammerland 53 Kernaufgaben der Verwaltung sind das Aufrechterhalten des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates und die Daseinsvorsorge Landrätin Dagmar Schulz, Landkreis Lüchow-Dannenberg 54 2022 Bestehendes bewahren und innovativ Neues schaffen Nicole Rathgeber, ab 1.1.2022 Landrätin des Werra-Meißner-Kreises 56 ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Gefordert: Klarer Kompass, starke kommunale DNA und diplomatisches Geschick Dr. Irene Vorholz, Deutscher Landkreistag 57 Rechtzeitig in ein politisches Verfahren einklinken, eigene Belange gut und kompetent an den richtigen Stellen einbringen sowie passende Gelegenheiten klug nutzen Dr. Daniela Franke, Landkreistag Rheinland-Pfalz 58 Ohne Kommunalpolitiker geht vor Ort nichts! Andrea Degl, Bayerischer Landkreistag 59 Es bleibt eine Herausforderung, soziale Verteilungsgerechtigkeit immer wieder in den Blick zu nehmen Susanne Schwarz, Landkreistag Saarland 61 5
Landrätinnen im Portrait „Bruni, jetzt musst Du es machen“ Interview mit Landrätin a.D. Bruni Mayer Sie wurde als bundesweit erste Frau zur grund von Vorwürfen finanzieller Richtig, ganz im Gegenteil habe ich ge- Landrätin des Landkreises Rottal-Inn ge- Unregelmäßigkeiten im Jahre 1983 sehen, was die Partei meines Mannes mit wählt und behielt dieses Amt bis zu ihrem sein Amt niederlegen musste und ihm gemacht hat. Also habe ich eine un- Eintritt in den Ruhestand im Jahre 2011. In seine Wiederwahl 1984 gerichtlich abhängige Wählergemeinschaft gegrün- diesem Jahr wurde sie mit dem Bayeri- aufgehoben wurde. det, die sich für mich sehr ins Zeug gelegt schen Verdienstorden ausgezeichnet. Von Die damaligen Geschehnisse kann ich hat, Termine organisiert und Plakate ge- 1996 bis 2011 war sie außerdem Dritte auch heute nicht nachvollziehen. Man hat klebt hat. Diese Leute waren mit der Amts- Vizepräsidentin des Bayerischen Land- ihm seinerzeit übel mitgespielt. Ich habe enthebung meines Mannes überhaupt kreistages. mir dann erst einmal eine Arbeit gesucht, nicht einverstanden und haben mich daher Am Ende ihrer Amtszeit bezeichnete sie da meinem Mann von heute auf morgen sehr unterstützt. Innenminister Joachim Herrmann als sämtliche Dienstbezüge entzogen worden „Glücksfall für den Landkreis Rottal-Inn“, sind. Auch sind ihm seine Pensionsansprü- Normalerweise haben derartige Ein- die nicht nur über politische, sondern auch che entzogen worden. Diese wurden ihm zelbewerber dann wenige Unterstüt- große menschliche Qualitäten verfüge. erst viel später von Ministerpräsident Dr. zer, bekommen bei der Wahl 200 Bruni Mayer habe sich zudem eingebracht Edmund Stoiber im Zuge einer Begnadi- Stimmen und sind fürs Leben frus- über ihren Landkreis hinaus, sie sei eine gung teilweise wieder zugesprochen. triert. Was haben Sie also anders engagierte Verfechterin der kommunalen gemacht? Offenbar hat die Volks- Selbstverwaltung gewesen. „Bruni Mayer Der Landkreis ist in dieser Zeit ge- seele gekocht… hat viel getan und viel erreicht für den schäftsführend verwaltet worden… Ja, das hat sie. Die waren stinksauer dar- Landkreis Rottal-Inn, sie kann stolz sein Genau, das ist bei der Bevölkerung auf über, was man mit meinem Mann gemacht auf ihr Lebenswerk“, so der Innenminister. wenig Gegenliebe gestoßen, zumal mein hat. Sie haben gesagt: „Wenn er seine Frau DLT-Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Hans- Mann ja der gewählte Amtsträger war. unterstützt, wählen wir sie, auch wenn sie Günter Henneke hat mit ihr im April d. J. das Nach dem verwaltungsgerichtlichen Urteil in Verwaltungsdingen ein unbeschriebe- nachfolgend wiedergegebene Gespräch 1987 war dann klar, dass er nie mehr als nes Blatt ist. Denen zeigen wir, dass wir geführt. Landrat antreten darf. uns das nicht gefallen lassen.“ Auch die überregionale Presse hat mich unterstützt; Sie sind auf ungewöhnliche Weise zu Und wie sind Sie zur Kandidatin die hiesigen Blätter haben das eher anders Ihrer Tätigkeit als Landrätin gekom- geworden und was hat Sie angetrie- gesehen. Ich habe außerdem Anzeigen men. Denn ursprünglich war ihr Ehe- ben, sich zu bewerben? geschaltet. Ich habe quasi das Unrecht mann Ludwig Mayer seit 1972 der gegenüber meinem Mann dadurch ausge- Nach der Urteilsverkündung beim Verwal- CSU-Landrat des Landkreises Rottal- glichen, dass ich mich habe zur Landrätin tungsgericht kam unser Anwalt zu mir und Inn. wählen lassen. sagte: „Bruni, jetzt musst Du es machen.“ Ich war als Ehefrau eines Amtsträgers na- Aber ich hatte ja gar keine Ahnung von türlich von Anfang an eng eingebunden. In Verwaltung, vielleicht nur so viel, wie ein Sie hatten aber auch Gegenkandida- erster Linie, um meinem Mann den Rücken Normalbürger von solchen Dingen ver- ten, oder? freizuhalten und das Familienleben zu or- steht. Ich hatte vier Gegenkandidaten. Ich muss- ganisieren. Das habe ich nie als Last emp- te in die Stichwahl. Und der CSU-Kandidat funden, sondern das war mein ganzer Gerade deshalb ist es besonders be- ist mit 17 % eingebrochen, wohingegen Stolz. merkenswert, dass Sie bei der Wahl mein Mann immer zwischen 70 und am 29.11.1987 tatsächlich gewählt 80 % der Stimmen geholt hat. Und am Und dann kam eine schwere Zeit in wurden. Sie gehörten schließlich nächsten Tag bin ich dann ins Landratsamt Ihrem Leben, in der Ihr Mann auf- auch keiner Partei an. eingezogen und habe meinen Dienst an- getreten. Wie können wir uns das vorstellen? Ich bin im Amt von Zimmer zu Zimmer gegangen und habe mich als neue Chefin vorgestellt. Ich habe gesagt: „Ich sag´s Ihnen gleich: Ich habe keine Ahnung von Verwaltung, ich bräuchte Ihre Hilfe, bitte unterstützen Sie mich.“ Und das ist bei den Leuten ganz toll angekommen. In all den Jahren im Landratsamt habe ich von mei- nen Mitarbeitern immer volle Unterstüt- zung gehabt. Das ist bemerkenswert. Und wie hat das mit der Führung des Hauses „Bruni Mayer hat viel getan und viel erreicht für den Landkreis Rottal-Inn, sie kann stolz sein auf ihr geklappt, zum Beispiel in Bezug auf Lebenswerk“, so Innenminister Joachim Herrmann. Foto: Bayerisches Innenministerium die Amtsleiter? 6
Landrätinnen im Portrait Ich habe immer stark auf die Bevölkerung meister mir die Kreisumlage gekürzt haben Am Ende habe ich die Wahl gewonnen, geschaut und pragmatische Politik ge- und mir Steine in den Weg legen wollten. noch dazu an meinem Geburtstag. macht. Ich hatte eh schon ein Mutter-Te- resa-Helfersyndrom. Und mit diesem An- Dann sind Sie 15 Jahre lang Vizeprä- satz ist es mir gelungen, die Probleme vor sidentin geblieben. Und Siegfried Ort zu lösen. Dabei hat es mir sogar eher Naser aus Kitzingen wurde in dersel- geholfen, beispielsweise vom Baurecht ben Wahl Präsident, der später auch keine vertiefte Kenntnis zu haben. So habe noch DLT-Vizepräsident geworden ich zum Beispiel in bestimmten Fällen das ist... Bauen im Außenbereich erlaubt und dabei Mit ihm bin ich gut ausgekommen, wie die Chancen statt der Risiken gesehen. Vor eigentlich mit allen meiner Amtskollegen, allem habe ich Wert auf den Ausgleich der auch mit Georg Karl als Vize. Bei mir wuss- verschiedenen Interessen gelegt und es ten alle, woran sie sind. Ich bin immer mit immer geschafft, für alle Seiten zufrieden- allen offen und ehrlich umgegangen. stellende Ergebnisse zu erreichen. Ein anderer war Theo Zellner aus Cham, mit dem ich als Nachfolger von Siegfried Wie war Ihr Verhältnis zum Kreistag? Naser super zusammengearbeitet habe. Das war in der Tat nicht einfach, denn von Das gilt für seinen Stellvertreter Roland 60 Kreisräten wollten mich 40 nicht. Ich Verleihung des Bayerischen Verdienstordens an Schwing aus Miltenberg aber genauso. habe mich daher immer sehr gründlich Landrätin Bruni Mayer am 20.7.2011. Foto: Bayerische Staatskanzlei Der war gerade für uns als DLT ein auf die Sitzungen vorbereitet, wie ein Schul- kind. Ich habe mich mit meinem Mann wichtiger Verbündeter. Und dann trat beraten, der sich hat als unabhängiger 2010 Jakob Kreidl aus Miesbach auf Und dann waren die ersten sechs Kandidat in den Kreistag hineinwählen las- den Plan. Jahre um. 1993 war auch die Zeit der sen. großen Krise der CSU… Den habe ich auch noch erlebt. Dass er seine ganzen Kollegen in den Hofgarten …und mein Mann hat dem Kreistag irgend- Und wie sind seine alten Gefolgsleute nach München eingeladen hat… Da hat wann nicht mehr angehört. Der damalige von der CSU mit ihm umgegangen in man sich schon gewundert über eine der- Ministerpräsident Max Streibl hatte seine dieser neuen Situation? artige Großzügigkeit. Begnadigung abgelehnt, was ich auch Brutal. Das Tischtuch war zerschnitten. erstmal wegstecken musste. Und nach 2014 war das Maß dann ja auch end- Leichter wurde es an dieser Stelle eigent- meiner Wiederwahl im Herbst 1993 war gültig voll und er ist nach sehr vielen lich erst nach meiner zweiten Wahl 1993. die Situation im Land auch anders. Ich Vorwürfen und medial ausgetragenen Da haben die Leute gemerkt, dass sie wurde von Ministerpräsident Dr. Stoiber Kämpfen als Landkreistagspräsident gegen mich, gegen uns nicht ankommen, immer unterstützt. zurückgetreten und hat sein Amt als weil das Volk hinter uns steht. Landrat ruhen lassen. In dieser Zeit hatten Sie sicherlich Das ist gar nicht leicht auszuhalten… auch Kontakt zu Landratskollegen Ich habe in meiner gesamten Zeit als Land- wie Otto Neukum aus Bamberg und rätin keine Flasche Wein, keine Pralinen- …ich bin mit meiner Aufgabe gewachsen. Ludwig Schrittenloher aus Freising, schachtel angenommen und andere gehen Außerdem war der geschäftsleitete Beam- die seinerzeit auch beim Bayerischen mit öffentlichem Geld um, als wenn das te ein Top-Verwaltungsmann. Ich bin von Landkreistag und beim Deutschen ihres wäre. Hause aus ein sehr positiv denkender Landkreistag eine führende Rolle Mensch und habe mich von meinen Ver- gespielt haben. In Kitzingen kam dann Tamara waltungsspezialisten gut beraten lassen. Bischof in der Nachfolge von Naser Auch habe ich kein Blatt vor den Mund Ein anderer führender Kollege war Georg ins Amt und dann noch Johanna Karl aus Deggendorf, der war „schwarz wie genommen, sondern bin immer offen und Rumschöttel in München. Sie sind die Nacht“. Die Alteingesessenen haben ehrlich mit den Kreisräten umgegangen. also als Frau nicht allein geblieben. mich zu Beginn meiner Zeit als Landrätin Schikanieren habe ich mich nicht lassen; nicht gerade mit offenen Armen begrüßt. Mit der Tamara gab es eine gewisse Kon- das habe ich gleich zu Beginn in den Sit- Ich habe mich aber durchgeschlagen und kurrenz, weil sie mich schon viel früher als zungen ganz deutlich gesagt. Vizepräsidentin beerben wollte. Das hat es wurde respektiert, wie ich arbeite. dann aber erst später geklappt. Mir hat Landräte mit langer Amtszeit prägen Und dann war es irgendwann 1996, die Arbeit einfach zu großen Spaß ge- einen Landkreis. Wie hat sich das bei der Präsident des Bayerischen Land- macht. Ich habe beim Landkreistag über Ihnen dargestellt? kreistages Otto Neukum ging in den die Jahre wirklich toll zusammengearbei- Ich habe stets gewusst, welche Straße ge- Ruhestand und es wurden auch neue tet. Zum Abschied wollte man mich gebüh- baut und welche Brücke saniert werden Stellvertreter gewählt. Für den Dritten rend verabschieden und hatte die Land- muss oder was man im Krankenhaus Vizepräsidenten war eigentlich Armin kreisversammlung 2011 in den Landkreis braucht. Dann bin ich an die Öffentlichkeit Grein aus Main-Spessart als Chef der Rottal-Inn gelegt. Es war eine wunderbare gegangen und habe um Unterstützung ge- Freien Wähler vorgesehen. Zeit. worben. Meine Art war es aber ohnehin Richtig, und am Vorabend der Wahl habe immer, auf eigenen Beinen zu stehen und ich deshalb zu meinem Mann gesagt: „Wa- Das sind ja schöne Erinnerungen. die Dinge mit großem persönlichem Einsatz rum eigentlich immer nur Männer?“ In der Und wenn Sie heute auf die Arbeit im voranzutreiben. Und auch in der Regional- Sitzung habe ich mich dann zu Wort ge- Landratsamt blicken: Was ist geblie- ben? presse wurde dann geschrieben, dass ich meldet und gesagt: „Warum eigentlich kei- mir nicht alles gefallen lasse. Gerade zu ne Frau?“ Da waren einige der Herren Mein Amtsnachfolger ist ein anderer Typ, er Beginn meiner ersten Amtszeit war das ziemlich erstaunt, haben sich aber dann geht die Dinge anders und nüchterner an. so, als die im Kreistag vertretenen Bürger- doch meine Bewerbungsrede angehört. Er ist aber auch nicht zu beneiden, denn 7
Landrätinnen im Portrait aus Berlin kommen immer mehr Entschei- Portrait über mich lohnen würde. Sie zählt Haben Sie 2011 nicht darüber dungen, die die Landkreise belasten. Das zu den feinsten Menschen, die ich kenne. nachgedacht, weiterzumachen? kann ich teilweise nicht mehr nachvollzie- Nein, dazu hat mir die Kraft gefehlt. Mit 64 hen. Geblieben sind freilich meine Kontakte Und dann war da noch die wunder- Jahren aus dem Amt zu gehen, war die zur Bevölkerung. Da spricht man mich oft bare Szene mit Joachim Herrmann, in richtige Entscheidung. Es ist schön, die beim Einkaufen an und dankt mir für mein der Sie der Innenminister davon über- Freiheit zu genießen, keinen Termindruck Engagement als Landrätin. zeugen wollte, den Bayerischen Ver- zu haben, meine zwei Enkelkinder zu se- dienstorden anzunehmen. hen. Ich hatte in meinen Jahren als Land- Das ist Ihre Heimat, da sind Sie ver- Er hat mich immer unterstützt. Und am rätin immer zu wenig Zeit für meine Kinder. wurzelt. Ihre Lebensgeschichte war Ende war das ein Zeichen des Frieden- Ich bin mit mir im Reinen. 2021 auch Inhalt einer Folge in der schließens zwischen der Staatsregierung Dokumentarfilmreihe Lebenslinien. und mir. Und dennoch kann ich den Be- Wie sind Sie mit der Leere umgegan- Da ging es ganze 45 Minuten um die teiligten nicht verzeihen, dass mein Mann gen, die unweigerlich nach dem letz- „Königin vom Rottal“. Das war sehr an den Ereignissen der 1980er Jahre zer- ten Arbeitstag entsteht? bewegend. brochen ist. Inneren Frieden habe ich dar- Mir war eigentlich nie langweilig. Ich arbeite über leider Gottes nicht gefunden. Und ich gerne in meinem Garten, pflege viele Der Film kam auf Anregung meiner Freun- zahle die dadurch entstandenen Schulden Freundschaften und lese. Des basst din Lisa Fitz zustande. Die Kabarettistin immer noch zurück. Was aber auch wahr scho. & und Schauspielerin hatte sich an den Bay- ist: Das Landratsamt ist zu meiner zweiten erischen Rundfunk gewandt und beharr- Familie geworden. Dafür bin ich sehr dank- lich darauf hingewiesen, dass sich ein bar. ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Landkreis wurden Berge versetzt* Sie sind mit fast 30 Amtsjahren die nes anspruchsvollen Schulsanierungspro- ausforderungen, die letzte Volkskammer dienstälteste Landrätin in Deutsch- gramms. Gerade Letzteres war und ist mir der DDR schüttete uns mit Gesetzen regel- land. Seit 2012 bekleiden Sie zudem ein Herzensbedürfnis. recht zu, da half im Zweifel nur der gesunde die Funktion der Präsidentin des Thü- Menschenverstand. Schließlich hatten wir ringischen Landkreistages. Gab es das öffentliche Leben am Laufen zu halten auf diesem langen Weg auch Durst- und gleichzeitig den Übergang vom zen- strecken? tralistisch geleiteten Rat des Kreises in die Ja natürlich. Doch ich habe es mir zur kommunale Selbstverwaltung zu gestalten. Maxime gemacht, dass es keine Probleme Viele, die sich damals in Verantwortung gibt, sondern Herausforderungen, denen haben nehmen lassen, waren Quereinstei- man sich stellt. Gemeinsam mit meinen ger wie ich. Wir waren Lernende und Ent- Mitarbeitern in der Verwaltung haben wir scheidungsträger in einem. Noch heute stets nach pragmatischen Lösungen ge- wundere ich mich, wie wir solche Aufgaben sucht und sie in der Regel auch gefunden. wie die Währungsunion z. B. beinahe ge- räuschlos gemanagt haben. Dass das nicht der schlechteste Weg war, zeigt auch die Entwicklung des Landkrei- Natürlich hatten wir Unterstützung aus den ses Greiz seit 1994 auf vielfältigste Weise. Alt-Bundesländern, die uns in diesem Pro- Wir haben die Herausforderungen der Hin- Landrätin Martina Schweinsburg. zess begleitet haben und auf deren Erfah- Foto: Landkreis Greiz terlassenschaften des Uranerzbergbaus rungen wir bauen konnten. Ich erinnere im Landkreis gemeinsam mit der Wismut mich noch gut an eine Lehrstunde zum GmbH gemeistert. Das war ein langer, Sie sind bereits seit 1990 Landrätin – Föderalismus der besonderen Art beim steiniger Weg von den ersten Gedanken bis zur Gründung des Landkreises Aufeinandertreffen engagierter Verwal- zur Sanierung und Nachnutzung der Uran- Greiz im Jahre 1994 waren Sie Ver- tungsjuristen aus Rheinland-Pfalz und aus erzbergbau-Folgelandschaft der Wismut waltungschefin des damaligen Land- Bayern in meinem Büro, die leidenschaftlich kreises Zeulenroda. Was ist Ihre darüber stritten, welche Verwaltungsstruk- 1995 bis zur BUGA 2007. Für uns ein vitalste Erinnerung an die bewegte tur oder welcher Verfahrensweg bei spezi- Mammutprojekt, das über 20 % der Flä- Nachwendezeit im Hinblick auf den che des Landkreises von rund 845 km² ellen Problemstellungen besser sei, was Aufbau neuer Verwaltungsstrukturen? betraf. Da wurden buchstäblich Berge ver- mich Unerfahrene beinahe verzweifeln ließ setzt. Und es war die erste Bundesgarten- Das Jahr 1990 war ein turbulentes Jahr, und in dem Rat der Fachleute gipfelte, ich schau, die an zwei Standorten stattfand – und als ich am 30. Mai vom damaligen solle mein Regierungspräsidium fragen, in der kreisfreien Stadt Gera und in Ron- Kreistag Zeulenroda zur Landrätin ge- das es aber noch gar nicht gab. neburg im Landkreis Greiz. Wir haben wählt worden bin, habe ich nicht im Traum Auch den entsetzten Blick einer Beraterin wirklich Schrittmacherdienste geleistet daran gedacht, über Jahrzehnte als Land- aus den Alt-Bundesländern werde ich nie und für spätere BUGA-Ausrichter Erfah- rätin zu fungieren. Damals, kurz nach der vergessen, die uns u. a. bei der Privatisie- rungen gesammelt. Wende, schien alles möglich und wir trau- rung des Bestattungswesens zur Seite Ebenso wichtig für die Menschen hier war ten uns auch alles zu, was man rückbli- stand, als sie feststellen musste, dass die- der Aufbau einer funktionierenden Infra- ckend wohl durchaus als blauäugig be- struktur, die Schaffung von optimalen zeichnen kann. * Interview mit der dienstältesten Landrätin in Deutschland und Vorsitzenden des Thüringischen Rahmenbedingungen zur Ansiedlung neu- Aber wir wollten etwas bewegen und ge- Landkreistages, Martina Schweinsburg (Landkreis er Unternehmen oder die Umsetzung ei- stalten. Jeder Tag stellte uns vor neue Her- Greiz). 8
Landrätinnen im Portrait ser Bereich im Rat des Kreises in der und deshalb sehr emotional debattiert wur- Das, was jetzt passiert, erinnert mich ein Abteilung Entsorgung eingeordnet war… de. Auch wir Landkreise wurden an dem wenig an die 90er Jahre. Damals waren die Prozess zur Entscheidungsfindung nicht Linken die Schmuddelkinder, mit denen Was waren insgesamt betrachtet die angemessen beteiligt, was letztlich dazu man nicht zusammenarbeiten konnte und wichtigsten Themen, die Sie in der geführt hat, dass die Landräte quer durch wollte. Doch auf unserer kommunalen Landespolitik für die Landkreise die Parteien rebellierten und die Landes- Ebene habe ich schon damals die Erfah- bewegen konnten? regierung ihr wichtigstes Projekt zurück- rung gemacht, dass man mit der damali- Als Präsidentin des Thüringischen Land- zog. Mittlerweile ist dieses Thema vom gen PDS sachorientiert durchaus kon- kreistages sehe ich es als meine vordring- Tisch, genauso wie die Änderung des Thü- struktiv zusammenarbeiten konnte. Mit lichste Aufgabe an, die kommunale Familie ringer Schulgesetzes. Dessen Umsetzung den Kommunalwahlen 2004 kam es zum zusammenzuhalten und deren Interessen hätte das Aus für unzählige Schulen im Personenwechsel in der Fraktion der Lin- mit Nachdruck zu vertreten. Da bin ich mit ländlichen Raum bedeutet mit all den Fol- ken und die Ideologen gewannen die Ober- dem Präsidenten des Thüringer Gemein- geerscheinungen für die Gemeinden mit hand. Das war in etwa die Zeit, als die de- und Städtebundes auf einer Wellen- Schulstandorten, für den Schülerverkehr WASG sich von der SPD abspaltete, um länge. usw. sich später mit der PDS zur Partei Die Linke zu formieren. Natürlich unter großem Auf- Ein Thema, was uns – was mich – seit schrei der Bundespolitik. – Wie sich die meinem Amtsantritt dauerhaft beschäftigt, Wie sollte die Politik Ihrer Auffassung Bilder gleichen! ist die finanzielle Ausstattung der Kommu- nach mit einer erstarkenden AfD nen. Seit im Jahre 2012 in Thüringen der umgehen? Auch unter den jetzigen Mehrheitsverhält- kommunale Finanzausgleich neu geordnet nissen plädiere ich für einen pragmatischen Wie schwierig sich dies gestaltet, erleben Umgang miteinander, denn wenn wir un- wurde, kämpfen wir für eine unseren Auf- wir ja gerade nicht nur in Thüringen, son- gaben angemessene Finanzausstattung. seren Landkreis weiter voranbringen wol- dern bundesweit. len, brauchen wir entsprechende Mehr- Dieser Kampf ist noch nicht zu Ende, aber wir haben einen langen Atem. heitsbeschlüsse im Kreistag. Was nicht Im Kreistag des Landkreises Greiz ist die heißt, dass man deshalb die Ideologie die- AfD-Fraktion die zweitstärkste Kraft. Das ...und was war das politisch heißeste ser oder jener Partei, die in den Parlamen- heißt, ein Fünftel der Wähler hat sich bei der Eisen? ten vertreten ist, gutheißen bzw. sich zu Wahl des neuen Kreistages 2019 für diese eigen machen muss. Denn wie sagt ein …die Verhinderung der von der rot-rot- Partei entschieden – ganz demokratisch. Kollege so passend: Es gibt kein schwar- grünen Landesregierung vorangetriebe- Das, so meine ich, kann man nicht einfach zes, rotes, gelbes, grünes oder blaues nen Kreis- und Gebietsreform, die nach ignorieren. Denn das würde auch bedeu- Schlagloch. Es geht um die Sache, und meiner Meinung über die Köpfe der Men- ten, wir grenzen ein Fünftel unserer Bürger diese Sache ist unser Landkreis Greiz. & schen hinweg durchgezogen werden sollte aus. ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------- „Die Menschen müssen spüren, dass es dir wichtig ist“ Interview mit Sparkassenpräsidentin und Landrätin a. D. Beate Läsch-Weber Beate Läsch-Weber steht seit 2011 als In keinster Weise. Bei uns hat vor mir noch Präsidentin an der Spitze des Sparkassen- nie jemand in der Familie ein Studium verbandes Rheinland-Pfalz. Von 1993 bis absolviert. Dass ich Jura studiert habe, 2011 war sie Landrätin des Landkreises war fast ein Zufall, weil ich etwas studieren Bernkastel-Wittlich. Sie war damit die erste wollte, was mir ein breites Fundament Landrätin in diesem Bundesland und konnte bietet, um mich später spezialisieren zu auf eine 18-jährige Amtszeit zurückblicken. können. Auslöser war ein Besuch mit der DLT-Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Hans- Schulklasse am Amtsgericht Bitburg. Dort Günter Henneke hat mit ihr im Oktober d. J. haben wir eine Verhandlung verfolgt, ein das nachfolgend wiedergegebene Ge- Strafverfahren. Ich war so beeindruckt vom spräch geführt. dortigen Richter, weil er auf den jugend- lichen Straftäter eingeredet hat wie ein Uns beide eint: Erstens der Geburts- Vater auf seinen Sohn einredet. Diese päd- jahrgang, zweitens die ländliche Her- agogische Art des Richters hat mich so kunft von einem Bauernhof, drittens beeindruckt, dass ich mir damals gesagt die Tatsache, dass wir beide Jura habe: „Das wäre doch was für dich!“ Letzt- studiert haben und viertens, dass wir lich war es dieses kleine Schlüsselerlebnis. beide 1993 bis heute das Licht der Und die Erkenntnis: Mit Jura bist du sehr kommunalen und später auch der breit aufgestellt. Sparkassenwelt erblickt haben. Das ist im Grunde eine ganze Menge und Und Deine Eltern haben das unter- wir kennen uns so lange. stützt oder haben eher gesagt: Wat will de dor? Du bist auf dem Bauernhof, auf dem Beate Läsch-Weber. Lande, aufgewachsen. War da das Meine Eltern haben das sehr unterstützt, Jurastudium vorgezeichnet? insbesondere mein Vater. Ich bin in einem 9
Landrätinnen im Portrait Drei-Mädel-Haus groß geworden. So man ansonsten den Stempel der ewigen mit den Leuten. Und spricht die Spra- stand immer die Frage im Raum: Wer wird Gleichstellungsbeauftragten auf der Stirn che. Also, da haben wir noch eine denn den Hof weiterführen? Wird er über- trägt. Gemeinsamkeit. haupt weitergeführt? Mein Vater hat immer Aus meiner Zeit als Dezernentin in der gesagt: „Meine Mädels sollen was lernen Du hattest eine solide Vortätigkeit, Kreisverwaltung kannte ich auch noch vie- dürfen. Ich durfte das damals nicht. Ich sodass das kein Einstieg war, son- le. Sie wussten, wie ich an Dinge rangehe. musste aus Familientradition den Bauern- dern die milde Variante umzusetzen- der Gleichstellungspolitik. Dass ich zunächst aufmerksam zuhöre, hof fortführen. Meine drei Töchter sollen dann abwäge und bewerte und schließlich ihren Weg gehen und auch studieren dür- 1988 bin ich zur Staatskanzlei nach Mainz entscheide und umsetze. Außerdem frage fen.“ Natürlich war immer klar: Wenn das gewechselt. Ich war dort fünf Jahre, zuletzt ich mich immer: „Was kann ich heute bes- BAföG zu Ende ist, muss auch das Studium in der Funktion der stellvertretenden Zen- ser machen als gestern?“ zu Ende sein. tralabteilungsleiterin. Nun zur Verwaltungsmodernisierung. Das hat im Grunde auch Bundesprä- Und wie kam es dann zur Landrätin- Da habt Ihr einen Speyer-Preis sident Frank-Walter Steinmeier nenwahl? geholt. Außerdem haben wir 1993 den gesagt, der ja fast so alt ist wie wir. Mein Vorgänger Helmut Gestrich ging in DLT-Innovationsring gegründet, den Nämlich, dass das ohne BAföG gar den wohlverdienten Ruhestand. wir in einer zweiten Runde – ich nicht gegangen wäre, weil man ein- meine es war 1997 – erweitert haben. fach nur dadurch den Eltern vermit- Der hat es aber lange gemacht, seit Seitdem hast Du dessen Arbeit über teln konnte, nicht völlig mittellos zu 1969. Er war eine Institution und Du viele Jahre ganz maßgeblich in der sein. warst eine junge Frau. Sache mitgeprägt, auch dadurch, Und dann hast du mit 18 Abitur dass Du einfach jemand warst und Es war ein schwieriger Prozess. Ich bin von gemacht und auch früh beide juristi- bist, der das geniale Talent hat, Men- einigen angesprochen worden, die mich zu schen Examen abgelegt. Den Stu- schen zusammenzuführen. Das war einer Kandidatur ermuntert haben. Das war dienort Bonn hast Du wegen der eine große Leistung. Dafür bin ich aber nicht die allgemeine Auffassung; an- sehr dankbar. Nähe zur Heimat gewählt? dere waren eher skeptischer, zumal ich bei Ja. Da ich kein Auto hatte, habe ich ge- der Wahl im Jahre 1992 erst 35 Jahre alt Für mich waren immer Bürgerfreundlichkeit schaut, wo eine gute Uni ist. So kam ich auf war. Ich war eine junge Mutter, sodass ich und Mittelstandsfreundlichkeit der Maßstab Bonn. Aus meinem Dorf hat jemand dort mir gut überlegt habe, ob ich das machen des Handelns. In diese Richtung gingen Agrarwissenschaften studiert. So hatte ich soll. Letztlich habe ich mich dann zur Be- auch die Preise, die wir bekommen haben. die Möglichkeit, mit diesem Studenten werbung entschieden. Aber es ging weniger um die Preise, sondern nach Bonn mitzufahren und auch wieder darum, dass Verwaltungen Dienstleis- zurückzukommen. Oder auch mit der Bahn Und das war Kreistagswahl oder tungsunternehmen sind im besten Sinne zu fahren. Direktwahl? des Wortes. Wie begegnen wir unseren Diese erste Wahl erfolgte durch den Kreis- Kunden? Wie gestalten wir die Prozesse Und dann bist Du in die Berufswelt so, dass es für sie einfach ist, sich auch tag. Und es gab eine intensive Diskussion gestürmt und nach Frankfurt – oder verstanden zu fühlen? Für mich war immer in den Fraktionen, ob man es wagen sollte, erst später? die Leitlinie, dass Menschen, die ein An- eine junge Frau, sprich: mich, zur Landrätin Später. Zunächst stellte sich die Frage, ob zu wählen. Keine Selbstverständlichkeit in liegen haben, aus der persönlichen Betrof- ich Richterin werde oder in die Verwaltung einer durch die Herren der Schöpfung ge- fenheit heraus ernst genommen werden gehe. Nach der Referendarzeit war für prägten Kommunalpolitik. müssen. Diese Sicht muss man auch in mich klar, dass ich wegen der Gestaltungs- der Kultur des Hauses verankern. Alle Kol- möglichkeiten in die öffentliche Verwaltung Es war in ganz Deutschland damals leginnen und Kollegen im Hause müssen es gehe. Mein Weg führte zunächst nach keine Selbstverständlichkeit… leben – das war mein Ziel. Koblenz zur dortigen Bezirksregierung. Ich bin heute noch den Menschen dankbar, Danach war ich Dezernentin in der Kreis- Und das hat die Bevölkerung mit zwei die mir damals ihr Vertrauen geschenkt großartigen Wiederwahlergebnissen – verwaltung Bernkastel-Wittlich und bin haben. Das war ein enormer Vertrauens- jeweils über 80 % – honoriert. 1986 nach Frankfurt gegangen als Leiterin vorschuss, den ich bekommen habe. Und der städtischen Gleichstellungsstelle. es war eben nicht so: Sie kam sah und In jede Wahl bin ich reingegangen nach siegte. Sondern es war ein veritabler Wett- dem Motto: „Du kämpfst darum. Du zeigst Das verstehe ich gut – aber ich erken- bewerb um dieses Amt. den Menschen, wie wichtig es dir ist, dass ne da auch den besagten Motivwech- sie dir ihr Vertrauen auch weiterhin schen- sel hin zum Gestalten. Also wie Und was war aus Deiner Sicht das ken.“ Die Schweißperlen müssen dir auf kommt jetzt das Mädchen vom Lande Motiv, Dich zu wählen? der Stirn stehen. Die Menschen müssen nach Frankfurt, und dann auch noch spüren, dass ihre Anliegen auch dir wichtig zur Gleichstellung? Ich nehme an: „Das ist eine von uns, die sind. kommt aus der Region.“ Ich bin ja in Bit- Gute Frage. Ich bin angesprochen worden. burg geboren, in der Eifel aufgewachsen, Über das rheinland-pfälzische Innenminis- Dann kam der 1.3.2011, der Tag, an bäuerliche Herkunft, einfache Verhältnisse. terium und dortige Kontakte zur Stadtver- dem wir uns im Innovationsring an Ich spreche die Sprache der Menschen. waltung Frankfurt kam die Verbindung zu- der Mosel getroffen haben. Da wuss- Mosel-fränkisch ist meine Muttersprache. stande.. Eine Headline lautete damals in ten wir, dass jetzt für Dich Schluss etwa: „Frau vom Land leitet städtische ist. Ich habe daraufhin gesagt: „Dann Ich bin durch den Kreistag 1988 höre ich auch auf.“ Gleichstellungsstelle.“ Ich habe mir gesagt: gewählt worden, und man hat auch Wenn du angesprochen wirst, in einer gesagt: Ist einer von uns und bringt Dann bist Du zum Sparkassenver- Pionierzeit der Gleichstellung etwas zu be- vielleicht Schwung und Dynamik in band gewechselt. Du hattest vorher wegen, mach es einfach. Mir war klar, dass den Laden. Und weil er einer von uns schon den Verwaltungsratsvorsitz bei ich das nicht auf ewig machen werde, weil ist, stülpt er nicht alles um. Und kann der Sparkasse Mittelmosel Eifel- 10
Landrätinnen im Portrait Mosel-Hunsrück inne. Da warst Du nun ganz sicher die erste Frau über- haupt. Warum hast Du Dich entschie- den, nach 18 Jahren als Landrätin diesen Weg zu gehen? Dieser Weg war außerhalb meines Vorstel- lungsvermögens. Für mich war klar: Nach der Wahl zur Landrätin ist vor der Wahl zur Landrätin. Dann erhielt ich einen Anruf von Hans Jörg Duppré, der etwas mit mir be- sprechen wollte. Ich dachte schon, ich sei beim Landkreistag irgendeinem meiner Kollegen auf den Fuß getreten. Denn er war ja unser Vorsitzender und eine wirkli- che Autorität. Aber dem war dann nicht so und er eröffnete mir, dass im Kollegenkreis über die Nachfolge von Hans-Otto Streu- ber beim Sparkassenverband gesprochen worden sei. Wenn ich das denn machen wolle, sei man sich einig, mich auch allein vorzuschlagen. Und vor dem Hintergrund des großen Zuspruchs der Kollegen habe ich nach Bedenkzeit gesagt: Okay, ich mache es. Ich würde gern wieder einige Zeit zu- rückgehen, um beim Sparkassen- thema zu bleiben. Da ist die Ein Leben zwischen Landkreisen und Sparkassen: Beate Läsch-Weber mit dem früheren Landrat und Kreissparkasse Cochem-Zell in eine DSGV-Präsidenten Heinrich Haasis (l.), dem früheren DLT-Präsidenten Hans Jörg Duppré (2.v.l.) und dem Schieflage geraten und hat mit der DLT-Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Hans-Günter Henneke. Fotos: Sparkassenverband Rheinland-Pfalz Kreissparkasse Bernkastel-Wittlich zum 1.1.2003 fusioniert. Hatte Dein Landkreis als Sparkassenträger dabei Rheinland-Pfalz. Und wie ist es auf Das glaube ich auch. Und schon gar eigentlich eine Wahl? der Bundesebene gewesen, immer kein Aufheben ums eigene diese Pionierfunktion auszuüben? Geschlecht zu machen. Genau das ist Wir sind mehr oder weniger bedrängt wor- mein Eindruck von Deinem Agieren: den, diese Fusion durchzuführen. Ich habe das im Sparkassenbereich auf der die Sache so anzugehen wie sie ist, Bundesebene gar nicht mehr so wahrge- sich dem Thema zu stellen und sich Wie weit habt Ihr als Verwaltungsrat nommen. Das war im Kollegenkreis sehr gut vorzubereiten. Darüber fügt man Einfluss genommen auf die öffentli- selbstverständlich. Ich habe nicht den Ein- sich im Laufe der Zeit immer besser che Auftragserfüllung der Sparkassen druck gehabt, dass ich als Frau in anderer ein. im Geschäftsgebiet? Weise betrachtet, wahrgenommen oder anders behandelt werde. Für mich war immer wichtig, keine Verän- Wir haben sehr großen Wert darauf gelegt, derung um der Veränderung willen, son- dass es eine Arbeitsteilung gibt zwischen Und wie war das davor im Sparkas- dern Veränderung mit Ziel und Maß. Mein Vorstand und Verwaltungsrat. Das heißt, senverband Rheinland-Pfalz und im Zielbild aus der Kreisverwaltung, nämlich dass operative Entscheidungen, Einzelfall- Landkreistag Rheinland-Pfalz, fast das eines kundenorientierten und wirt- entscheidungen, Kundenentscheidungen zwei Jahrzehnte zuvor? schaftlich handelnden Dienstleistungsun- Entscheidungen der Sparkasse sind. Wir ternehmens, habe ich auf den Verband haben uns konzentriert auf die strategi- Das war damals eine andere Zeit. Das Amt übertragen mit dem einzigen Unterschied, schen geschäftspolitischen Leitlinien und des Landrates in seiner auch repräsentati- dass die Kunden die rheinland-pfälzischen unsere Aufgaben als Aufsichtsorgan wahr- ven Funktion, in seiner aus der Vergan- Sparkassen sind. genommen. genheit von Personen geprägten Rolle be- setzt mit jemanden wie mir – ich glaube, Der große Unterschied zur Chefrolle Umgekehrt müsste aber ja auch klar das war für manche schon eine große in einem Landkreis besteht ja mögli- sein, im ganzen Geschäftsgebiet prä- Umstellung. cherweise darin, dass ihr Euch aus sent zu sein. verschiedenen Säulen zusammen- Wir sind dem öffentlichen Auftrag verpflich- Was wäre denn Dein Ratschlag? setzt. Wie fasst man diese unter- tet und orientieren uns am Gemeinwohl. schiedlichen Strömungen im Lande Der öffentliche Auftrag gilt für das gesamte Es hängt immer von beiden Seiten ab. Ich so zusammen, dass man alles unter Geschäftsgebiet. Die Nähe zu unseren selbst bin immer bescheiden im Auftreten, einen Hut kriegt? Kunden wiederum setzt Überschaubarkeit aber bestimmt in der Sache. Ich muss nicht der Strukturen voraus. zu allem meinen Senf geben und schon gar Das ist die Kernfrage für einen Verband. Für nicht in der Öffentlichkeit. Stattdessen mich sind die Gremien die Plattformen, auf Wir haben noch gar nicht über das gehe ich sehr überlegt damit um, wann denen diese Strömungen und Interessen- Thema „Einzige Frau in der Männer- und wie ich mich zu Wort melde. Diese lagen zusammentreffen und in eine ge- welt“ gesprochen. Und zwar bezogen betonte Sachlichkeit kann ein Weg sein, meinsame Richtung geführt werden müs- auf den Landkreistag Rheinland-Pfalz ohne zu viel Aufhebens um die eigene sen. Für mich war es eines meiner ersten und auf den Sparkassenverband Person zu machen. Ziele, unsere Gremienstrukturen so weiter- 11
Landrätinnen im Portrait zuentwickeln, dass wir alle diese Strömun- ist gut, so wie es ist“, sondern: „Nichts ist Gruppe, die keine Landesbanken gen, alle diese Betroffenheiten, die manch- so gut, dass es nicht noch besser werden mehr hatte und daraus bestimmte mal auch unterschiedlich Betroffenen, zu könnte.“ Es geht immer um die beste Un- Schlussfolgerungen abgeleitet hat, aktiv Beteiligten in unseren Gremien ma- terstützung für die Sparkassen. die andere Gruppe, die chen. Dabei ist es nicht entscheidend, wo ein Landesbankbeteiligungen haben, und Das hat dazu geführt, dass wir unsere Prozess oder ein Produkt entwickelt wor- vielleicht noch eine dritte, die dazwi- Gremienstrukturen dergestalt verändert den ist und wer der Initiator ist. Nicht jeder schen stand. Ihr habt nicht haben, dass unsere drei Fachausschüsse, Regionalverband muss das Rad neu er- Gruppeninteressen vertreten, son- die ja sämtlich mit Sparkassenvorständen dern versucht, das Ganze voranzu- finden oder den Glauben haben, dass er besetzt sind, auch von einem Sparkassen- treiben. Worin bestand da die jeweils und immer die beste Erkenntnis vorstand im Vorsitz geleitet werden. Weil Motivation? hätte. Vertrauen wir doch auch auf die darüber die Auftraggeberrolle der Sparkas- Expertise der anderen und machen wir Ich habe diese Gruppenaufteilung nicht sen deutlich wird. Das ist wichtig, damit wir mit der Arbeitsteiligkeit in der Sparkassen- verstanden, weil ein Haftungsverbund ein nicht übereinander sprechen, sondern mit- Finanzgruppe ernst. Haftungsverbund ist. Da spielt die formale einander in einem ständigen Dialog sind. Situation – also ob jemand Träger einer Die Fachausschüsse haben spiegelbildlich Siehst Du die Struktur der Sparkas- Landesbank ist oder nicht – nicht die zen- Kompetenzcenter auf der Verbandsebene. sen in Rheinland-Pfalz als passend an trale Rolle. Von unseren Aufgaben her Im Dialog wird dann um die besten Lösun- oder habt Ihr Veränderungsbedarf? brauchen Sparkassen Zentralfunktionen, gen und die Prioritäten gerungen. Und was Ich bin immer bereit, über Strukturverän- die in Landesbanken abgebildet werden, die kommunale Seite angeht, da halten wir derungen nachzudenken. Allerdings ist es auch die rheinland-pfälzischen Sparkas- es auch so, dass an der Spitze des immer wichtig, dass Sparkasse Sparkasse sen. Wenn es in einem Regionalverband Trägerausschusses, der ja die kommuna- bleibt. Das ist auch verbrieft in den DSGV- in der Trägerstruktur Verwerfungen mit ei- len Interessen abbildet, der Verbandsvor- Leitlinien, die wir jetzt auf den Weg bringen ner Landesbank gibt, sitzen wir sowieso sitzende steht, genauso wie im Verwal- und beschließen wollen. Denn in dem Mo- alle am Tisch. Die Überlegung, sich so tungsrat und letztendlich in der Verbands- ment, in dem wir austauschbar sind mit lange wie möglich abzuschotten, um sich versammlung. Banken, sind wir keine Sparkassen mehr. eine bessere Ausgangsposition zu sichern, Dieses Alleinstellungsmerkmal macht uns teile ich nicht. Das sind separatistische Mein Hauptproblem mit dem DSGV aus und ist Teil unserer DNA, es ist Teil des Tendenzen, die nicht vom Ende her ge- ist, dass dort zu viel zu lange parallel Erfolgsmodells Sparkasse auf der Basis dacht sind. Das Wesentliche ist, dass Ri- läuft, bis es zusammenkommt. Das kommunaler Trägerschaft. sikoabbau betrieben wird, gerne über ein führt m. E. auf der Bundesebene zur Gefahr erheblicher Reibungsverluste. Sparkassen-Zentralinstitut Wir haben jetzt monatelang, wenn Wir haben im SVRP eine gute Struktur nicht noch länger über das Siche- Dann frage ich nur noch: Wie lange gefunden, natürlich muss man immer rungssystem gesprochen. Das Auffäl- machst Du das jetzt noch? selbstkritisch bleiben. Ich bin für jede Anre- lige für mich war dabei, dass sich gung und Kritik dankbar. Ich sage nie: „Es Gruppen gebildet haben: die eine Bis Ende 2022. & ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Landrätin ist ein zeitintensiver Traumberuf* Ist das Amt der Landrätin für Sie ein einander und wir stehen im engen Aus- Traumberuf? tausch. Ich kann viel bewegen, den Landkreis aktiv Natürlich passieren bei der Arbeit auch weiterentwickeln und gestalten, sehr einmal Fehler. Dann bin ich zwar nicht selbstständig arbeiten und habe viel mit begeistert, aber wo viel gearbeitet wird, Menschen – Mitarbeitern und Bürgern – zu kann auch einmal ein Fehler passieren. tun. In den vergangenen 20 Jahren habe Wichtig ist mir, dass man zu Fehlern steht ich tausende persönliche Gespräche ge- und sie frühzeitig einräumt, oft kann man führt und konnte vielen Menschen gut wei- das Blatt ja noch zum Positiven wenden. terhelfen – insofern ist Landrätin für mich Zum Glück muss ich hier aber nur sehr ein sehr erfüllender, aber auch ein sehr selten eingreifen. zeitintensiver Traumberuf. Was zählt zu Ihren größten Erfolgen Wie würden Sie sich als Chefin als Landrätin? bezeichnen? Wichtige Leitgedanken meiner Arbeit sind: Konsequent, zielstrebig, geradlinig, ge- Landrätin Tamara Bischof. Foto: Atelier zudem „Der Mensch steht im Mittelpunkt“ und recht, manchmal ungeduldig, aber herz- „Bildung hat Vorfahrt“. Das besondere Au- lich. Ich sage immer zu meinen Mitarbei- genmerk auf unsere Schulen zahlt sich aus: wenn ich etwas wissen möchte. Auch mein tern, sie sollen bei unangenehmen Gesprä- Alle unsere weiterführenden Schulen sind Büro ist strukturell schlank aufgebaut, mit chen „freundlich, aber deutlich“ bleiben. So auf einem guten bis sehr guten baulichen zwei Mitarbeiterinnen, die Terminorganisa- agiere ich auch. Für die Mitarbeiter habe ich Stand, wir haben hier in den vergangenen tion, Schreiben und Karten an Bürger erle- immer ein offenes Ohr und bin für alle 20 Jahren rund 65 Mio. € investiert und digen, und einer Mitarbeiterin, die für die schnell erreichbar und ansprechbar. Ich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zustän- * Interview mit Tamara Bischof, seit 2000 Landrätin rufe Sachbearbeiter auch oft direkt an, dig ist. Alle haben einen kurzen Draht zu- des Landkreises Kitzingen. 12
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