Landwirtschaftliche Betriebe als regionale Lernorte - das Konzept des Lehrer-Landwirt-Tandems

Die Seite wird erstellt Heiner Krug
 
WEITER LESEN
Landwirtschaftliche Betriebe als regionale Lernorte - das Konzept des Lehrer-Landwirt-Tandems
Lars Paschold

Landwirtschaftliche Betriebe als regionale Lernorte – das Konzept des
Lehrer-Landwirt-Tandems

Zusammenfassung: Regionale Lernorte, an denen sich unterschiedlichste ökologische, öko-
nomische und soziale Probleme exemplarisch abbilden und in ihrem realen Zusammenhang
bearbeiten lassen, gewinnen für Schulen eine immer größere Bedeutung. Landwirtschaftliche
Betriebe sind solche Lernorte. Allerdings existiert zwischen deren Potenzial und der schuli-
schen Nutzung eine Diskrepanz. Das Konzept „Fortbildung und Kooperation im Lehrer-
Landwirt-Tandem“ kann eine Antwort sein, um dieser Diskrepanz zu begegnen. Denn die Er-
gebnisse der Evaluation dieses Fortbildungs- und Kooperationskonzepts zeigen, dass es in
hohem Maße zu einer Steigerung der Nutzungshäufigkeit sowie zur curricularen Integration
und methodischer Umsetzung des außerschulischen Lernens auf landwirtschaftlichen Betrie-
ben beitragen kann.

Schlüsselwörter: Lehrer-Landwirt-Tandem, regionaler Lernort „Landwirtschaftlicher Betrieb“,
Kooperation

Agricultural holdings as regional learning locations – the concept of teacher-farmer-
tandems
Abstract: Regional learning locations where different ecological, economical and social prob-
lems can be displayed exemplarily and seen in their real context are gaining in importance for
school. Agricultural holdings are such location. However there exists a discrepancy between
their potential and the curricular reality. The concept “Fortbildung und Kooperation im Lehrer-
Landwirt-Tandem” (Advanced Training and Cooperation through Teacher-Farmer-Tandem)
can offer a way to deal with this discrepancy: Its evaluation shows that through its particular
approach it enhances frequency of use, curricular integration and methodical implementation
of out-of-school-learning on agricultural holding

Keywords:Teacher-Farmer-Tandem, regional learning locations, agricultural holdings, coop-
eration

1    Die Bedeutung landwirtschaftlicher Betriebe als regionale Lernorte

In der Vergangenheit gab es immer wieder Bestrebungen, den Lernort Schule inhaltlich mit
außerschulischen Lernorten1 zu verknüpfen2. Die aktuelle schulpädagogische Diskussion hat
die Bedeutung außerschulischer Lernorte für gelingende Lehr-Lern-Arrangements neu ent-
deckt und schreibt deren Nutzung einen großen pädagogischen Stellenwert zu. So fand das

1
 In der vorliegenden Arbeit werden Orte außerhalb des Schulgebäudes, welche in den Lernprozess integriert und
zum Kompetenzerwerb aufgesucht werden, als außerschulische Lernorte verstanden. Konstitutiv für diese Ler-
norte ist die Möglichkeit der unmittelbaren Begegnung mit einem Sachverhalt bzw. Lerngegenstand. Dies gilt für
alle Schulfächer- und stufen(vgl. Messmer/ Niederhäuser/ Rempfler/ Wilhelm 2011, 7).

2
 Historisch gesehen ist die Einbeziehung außerschulischer Lernorte in schulische Bildungsprozesse in der Re-
formpädagogik verankert, wo der Unterricht außerhalb des Klassenzimmers seine Hochblüte erlebte (vgl. Burk/
Claussen 1998, 23 ff.).

                                                        1
Landwirtschaftliche Betriebe als regionale Lernorte - das Konzept des Lehrer-Landwirt-Tandems
Lernen an außerschulischen Lernorten auch Eingang in aktuelle Bildungskonzepte und
Schulgesetze3.
    Begründet wird diese Entwicklung unter anderem mit den dort vorhandenen erweiterten
Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten sowie Freiräumen zur Entfaltung der Schülerinteressen4,
die „die Wirksamkeit der Schule und ihrer Gegenstände“ steigern und „in hohem Maß zur
Lernmotivation bei[tragen]“ (Hentig 2004, 19). So konnten verschiedene Forschungsergeb-
nisse aus der Neurobiologie, der Motivations- sowie der Lehr-Lern-Forschung aufzeigen,
dass motorische Aktivitäten sowie das Vorhandensein von Sinnesreizen sich positiv auf die
Entfaltung der intellektuellen Leistungsfähigkeit Lernender auswirken. Zudem fördert die ent-
deckende und erforschende Auseinandersetzung mit den Lerngegenständen vor Ort die
Verknüpfung von Sinneswahrnehmung und Erkenntnis (Grabner/Neuper/Saalbach/Stern
2007, 18; Gudjons 2008, 60).
    Neben diesen Forschungsergebnissen war es auch die Einführung nationaler Bildungs-
standards – eine Reaktion auf die erste PISA-Studie – die Lehr-Lern-Arrangements erforder-
lich machten, in denen Lernende ihre, erworbenen oder weiterzuentwickelnden Kompeten-
zen in konkreten (Alltags-)Handlungen erproben und anwenden können(vgl. Klieme et al.
2007, 19).
    Denn Kompetenzen sind „... nicht direkt prüfbar, sondern nur aus der Realisierung der
Dispositionen erschließbar und evaluierbar“(Erpenbeck 1997, 311) und benötigen somit die
konkrete Handlung oder ein beobachtbares Verhalten, um sichtbar zu werden. Zum anderen
können sich Kompetenzen nur dann weiterentwickeln, wenn sie sich in Performanz manifes-
tieren können (vgl. Kauffeld 2000, 35).
    Weitere Begründungen für die Bedeutung landwirtschaftlicher Betriebe als regionale Ler-
norte erwachsen aus den Veränderungen in der Lebenswelt der Lernenden. Durch die Me-
diatisierung (Computer, Handys, Spielekonsolen, Internet), die Urbanisierung (Wegfall von
Naturerfahrungen, Spiel- und Entdeckungsräumen) und die Sektoralisierung aller Lebensbe-
reiche (Orte zum Schlafen, Lernen, Arbeiten, Sterben) kommt es bei den Lernenden zu Defi-
ziten an Primärerfahrungen, sodass sie wie in einer „Kunstwelt“ ein „Leben aus zweiter
Hand“ führen (vgl. Zucchi 2002, 18).
    Gleiches gilt für das Wissen und das Verständnis der Lernenden zur gesunden und nach-
haltigen Ernährung, der Erzeugung und Herkunft von Lebensmitteln, dem Berufsbild Land-
wirtschaft und dessen Bedeutung für die Gesellschaft. Auch hier fehlen den Lernenden Pri-
märerfahrungen und –kontakte: Knapp zwei Drittel der Bundesbürger sind der Meinung, dass
in der Schule kein realistisches Bild von Landwirtschaft vermittelt wird(i.m.a/ TNS Emnid
2012, 35).
    Eine mögliche Antwort auf diese Situation ist die in den Unterricht integrierte Nutzung
landwirtschaftlicher Betriebe mit ihren Flächen (Äcker, Weiden, tlw. Wälder, Brachflächen
etc.) als regionale Erfahrungs-, Lern- und Handlungsräume. Über eine ganzheitliche Anspra-
che aller Sinne, der Verknüpfung von Theorie und Praxis sowie dem direkten Kontakt zur

3
 So fordert z.B. § 16 des hessischen Schulgesetzes, die Öffnung von Schulen gegenüber ihrem Umfeld durch
eine Zusammenarbeit mit außerschulischen Einrichtungen und Institutionen zu fördern (Hessisches Schulgesetz
in der Fassung vom 14. Juni 2005 (GVBl. I S. 441), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2012
(GVBl. S. 645).

4
 In der vorliegenden Arbeit wird immer dann auf die maskuline Sprachform zurückgegriffen, wenn eine andere
Form die Lesbarkeit des Textes erheblich erschwert. Gemeint sind in diesen Fällen stets beide Geschlechter. Dies
betrifft insbesondere die Begriffe „Landwirt“ und alle zusammengesetzten Wörter, einschließlich „Lehrer-Landwirt-
Tandem“.

                                                         2
Landwirtschaftliche Betriebe als regionale Lernorte - das Konzept des Lehrer-Landwirt-Tandems
Natur, den Nutztieren und der Begegnung mit den dort tätigen Menschen können Lernpro-
zesse von, über und für die Umwelt initiiert werden. So können die Lernenden auf dem land-
wirtschaftlichen Betrieb ihre erworbenen fachlichen und überfachlichen Kompetenzen zur
flexiblen Lösung authentischer Probleme einsetzen, ihre erworbene Handlungskompetenz
auf andere, in der Schule nicht darstellbare Bereiche übertragen und diese weiterentwickeln.
Zudem unterstützt eine solche Form regionalen Lernens5die Lernmotivation, die Entwicklung
von Gestaltungskompetenz und regionaler Identität, das vorausschauende, reflektierte, ver-
netzte und interdisziplinäre Denken und ermöglicht den Lernenden, mit Akteuren vor Ort zu
kooperieren und Partizipation zu erproben (vgl. Schockemöhle 2009, 283 f.). Durch das Auf-
zeigen der Auswirkungen der Globalisierungsprozesse (wie z.B. die globale Ungerechtigkeit,
der Klimawandel oder die Übernutzung der natürlichen Ressourcen) auf dem landwirtschaft-
lichen Betrieb können die daraus für den Landwirt abzuleitenden Folgen zum Ausgangspunkt
von Lernprozessen werden. Damit sind landwirtschaftliche Betriebe mit ihren vielfältigen
Lernsituationen ideale Lernorte, um die Aneignung von Wissen, Werten und Handlungsop-
tionen in Bezug auf nachhaltiges Handeln zu fördern.
    Darüber hinaus eröffnet der Lernort den Lernenden vielfältige Möglichkeiten, Menschen
und Dinge in ihrer Umwelt und in deren Zusammenhängen zu erleben, zu entdecken, zu
beobachten, zu erfahren und zu erforschen. So leistet die Nutzung landwirtschaftlicher Be-
triebe als Lernort auch einen Beitrag, um der zunehmenden Naturentfremdung von Kindern
und Jugendlichen entgegenzuwirken (vgl. Brämer 2010) und deren Selbstständigkeit, Fähig-
keit zur Selbstorganisation, Neugierde, Kreativität sowie ihren Forschungs- und Entdecker-
drang zu fördern.
    Die Themenvielfalt, die der Lernort „Landwirtschaftlicher Betrieb“ bietet, ist sehr groß, wie
die in der folgenden Grafik aufgelisteten thematischen Aspekte zeigen. Um dabei das spe-
zielle Potenzial des außerschulischen Lernorts für die jeweilige Lehr-Lern-Situation optimal
zu nutzen, sind die Entscheidungen, ob landwirtschaftliche Betriebe im Kontext von Unter-
richt aufgesucht werden und welche Themen wie vor Ort umgesetzt werden, methodisch zu
begründen.

5
 Regionales Lernen ist ein Bildungskonzept, welches auf der Basis des Regionalen Lernens nach Salzmann,
Mayer, Baeumer (1995) und der Bildung für nachhaltige Entwicklung (Harenberg und de Haan 1999) durch
Schockemöhle (2009) erarbeitet wurde. Das Konzept will die Entwicklung regionaler Identität und Gestaltungs-
kompetenz durch die Ermöglichung von Partizipation an regionalen Kommunikations- und Veränderungsprozes-
sen fördern.

                                                      3
Landwirtschaftliche Betriebe als regionale Lernorte - das Konzept des Lehrer-Landwirt-Tandems
Abb. 1: Thematische Aspekte des Lernorts "Landwirtschaftlicher Betrieb" (eigene Abbildung)

2    Schwierigkeiten und Defizite in der bisherigen Nutzungspraxis

Trotz dieses hohen Potenzials für Bildung und Unterricht werden außerschulische Lernorte
nur selten in den Lernprozess integriert und zum Kompetenzerwerb aufgesucht, wie ver-
schiedene Studienzeigen (vgl. Niemz 1989; Schwarz 1995; Rinschede 1997; Burk/ Claussen
1998; Hampl 2000; Pohl 2008; Klaes 2008; Lößner 2011). Von Seiten der Lehrkräfte wird
dies mit Zeitmangel, schulorganisatorischen Schwierigkeiten (Stundenplanprobleme, Fahr-
schüler ,etc.) und dem Finanzierungsproblem begründet (vgl. Schockemöhle, 2009; Lößner
2011, 107). Auch vermisst ein Großteil der Lehrkräfte Informationen (vgl. Klaes 2008, 218)
sowie konkrete Hilfen und Materialien (vgl. Burk/ Claussen 1998, 190) zu und über vorhan-
dene Lernorte in Schulnähe (einschließlich Kontaktadressen).
   Diese Probleme werden von Lehrkräften auch dann vorgetragen, wenn es sich bei den
außerschulischen Lernorten um landwirtschaftliche Betriebe handelt. Dies zeigen die Ergeb-
nisse der 2003 bundesweit durchgeführten Bestandsaufnahme zur Nachfrage allgemeinbil-
dender Schulen nach pädagogischen Angeboten auf Bauernhöfen6(vgl. Brandes 2003).
   In den Fällen, in denen Lehrkräfte dann trotz der genannten Schwierigkeiten landwirt-
schaftliche Betriebe als Lernort nutzten, zeigen Studien, dass die Lernorte häufig losgelöst
vom regulären Unterrichtsgeschehen, ohne inhaltlich-fachliche Vor- und Nachbereitung und
mittels lehrerzentrierten, darbietenden Verfahren aufgesucht wurden (vgl. Niemz 1989;
Schwarz 1995; Rinschede 1997; Burk/ Claussen 1998; Hampl 2000; Pohl 2008; Klaes 2008;
Lößner 2011).
   Insbesondere das Fehlen einer curricularen Integration, der Vor- und Nachbereitung, der
didaktischen Strukturierung, der Binnendifferenzierung und problem- und handlungsorientier-
6
 Der Fragebogen wurde am 15.05.2002 an 5.000 Lehrkräfte versandt. Die Rücklaufquote lag mit 11,6 %, das
entspricht 579 Lehrkräften, im oberen Durchschnitt einer schriftlichen Befragung.

                                                        4
Landwirtschaftliche Betriebe als regionale Lernorte - das Konzept des Lehrer-Landwirt-Tandems
ter Methoden7 führt zu einer reduzierten Lernwirksamkeit außerschulischer Lehr-Lern-
Arrangements (vgl. Messmer/ Niederhäuser/ Rempfler/ Wilhelm 2011, 15 ff.). Verstärkt wird
dies noch durch die Tatsache, dass außerschulische Lernorte nur selten wiederholt aufge-
sucht werden, sodass die Lernenden das zur Unterstützung ihrer Lehr-Lern-Prozesse erfor-
derliche Vertrauen und die notwendige Sicherheit im Umgang mit diesen Lernorten nicht
ausreichend entwickeln können (vgl. Falk/ Martin/ Balling 1978).
   Diese Defizite in der curricularen Integration und didaktisch-methodischen Umsetzung
außerschulischer Lehr-Lern-Einheiten werden mit dem Fehlen entsprechender Inhalte in der
Lehreraus- und -fortbildung und den nicht vorhandenen praktischen Erfahrungen seitens der
Lehrkräfte begründet. „Many teachers today have very little experience with fieldwork, ecol-
ogy, whole organism biology, and biodiversity“(Lindemann-Matthies/ Bose 2008, 739).
   Wie schon bei der Nutzungshäufigkeit lassen sich auch die hier gefundenen Defizite im
Bezug zur Nutzungspraxis auf die landwirtschaftlichen Betriebe als außerschulische Lernorte
übertragen. So beantworteten die Lehrkräfte in der 2003 bundesweit durchgeführten Studie
zum Lernen auf Bauernhöfen die offene Frage „Was haben Sie auf dem Hof unternommen?“
zu 31 % mit „Betriebsbesichtigung“ und zu 15 % mit „Diskussion/Befragung“ (vgl. Brandes
2003, 12). Und 40 % der befragten Lehrkräfte wünschten sich von den pädagogischen Aus-
und Fortbildungsinstituten mehr Fortbildungen zum Thema (vgl. Brandes 2003, 25).

3       Die Lehrer-Landwirt-Tandemschulung

Die oben ausgeführte Diskrepanz zwischen dem pädagogischen Potenzial landwirtschaftli-
cher Betriebe als außerschulische Lernorte und der tatsächlichen Nutzungsintensität bildete
den Ausgangspunk für das Konzept des Lehrer-Landwirt-Tandems, dessen Erfolg auf einer
gemeinsamen Fortbildung und der daraus erwachsenden vertrauensvollen Kooperation be-
ruht.
    Die ersten Fortbildungen mit zwölf Lehrer-Landwirt-Tandems starteten 2012 in zwei hes-
sischen Landkreisen8.Damit sowohl die Lehrkräfte wie auch die Landwirte an der Fortbildung
teilnehmen konnten, fand diese von Oktober bis April an insgesamt drei Samstagen statt. In
diesen drei Schulungstagen wurden die Aufgaben- und Rollenverteilungen analysiert sowie
die Schnittmengen aus dem Potenzial des landwirtschaftlichen Betriebs mit den schulischen
Erwartungen erarbeitet. So erfuhren die Landwirte, welche Möglichkeiten ihr Betrieb als Ler-
nort bietet und wie sie mit Schulen kooperieren können, während die Lehrkräfte lernten, sich
den landwirtschaftlichen Betrieb als einen vielseitig nutzbaren, außerschulischen Lernort zur
Entwicklung kompetenzorientierter Lerneinheiten zu erschließen. Zugleich konnten eventuell
bestehende Vorbehalte abgebaut und der gemeinsame Austausch gefördert werden. Denn
die Entwicklung eines gegenseitigen Verständnisses und Vertrauens erwies sich als zentra-
ler Erfolgsfaktor für das Gelingen von langfristigen Kooperationen.

7
 .Zur Bedeutung von Binnendifferenzierung und Handlungsorientierung für die Entwicklung von regionaler Identi-
tät und Gestaltungskompetenz bei Lernenden vgl. Schockemöhle (2011, 101 f.).

8
    Darmstadt-Dieburg und Friedberg

                                                        5
Um eine enge Ver-
                                                                         bindung zwischen Theo-
                                                                         rie und Praxis sicher zu
                                                                         stellen, erhielten die
                                                                              Schulungsteilnehmer
                                                                         zwischen den Präsenz-
                                                                         phasen die Möglichkeit,
                                                                         sich ein individuelles
                                                                         Programmangebot        zu
                                                                         erarbeiten und dieses
                                                                         mit einer Schulklasse
                                                                         auf dem Betrieb des
                                                                         Tandempartners auszu-
                                                                         probieren. Die dabei ge-
                                                                         wonnen        Erfahrungen
                                                                         konnten      abschließend
                                                                         reflektiert und Wege zur

Abb. 2: Inhalte der Lehrer-Landwirt-Tandem-Schulung (eigene Abbildung)   Verstetigung des Lehrer-
                                                                         Landwirt-Tandems auf-
gezeigt werden.
   Außerdem bestimmte ein strukturiertes, zielorientiertes Vorgehen, der Wechsel zwischen
Instruktion und selbstgesteuertem Lernen sowie die Ermöglichung von Emotionalität, Pers-
pektivwechsel und Perspektivverschränkung die Darstellung der Fortbildungsinhalte. Hand-
lungsorientiertes Arbeiten in Kleingruppen und der Austausch zwischen den Teilnehmenden
nahm in der gesamten Lehrer-Landwirt-Fortbildung einen breiten Raum ein.

4     Kooperieren im Lehrer-Landwirt-Tandem

Ein Tandem aus Lehrkraft und Landwirt ist eine Form der interdisziplinären Kooperation, die
geeignet ist, um Unterricht und Aktion, Theorie und Praxis sowie Wissensvermittlung und
Anwendung bestmöglich zu verbinden. Damit dies gelang, war es erforderlich, dass die Tan-
dempartner ihre Rollen für die Lehr-Lern-Situationen klar festlegten.
   Bei pädagogischen Fragen und der methodisch-didaktischen Vorbereitung, Durchführung
und Nachbereitung der auf dem landwirtschaftlichen Betrieb durchgeführten Lehr-Lern-
Einheiten übernahm die Lehrkraft die Führung im Tandem. Umgekehrt leitete der Landwirt
das Tandem, wenn es um die Nutzbarmachung der landwirtschaftlichen Flächen für außer-
schulisches Lernen oder Kontakte zu Institutionen und Menschen in der dörflichen Gemein-
schaft ging. Zudem konnte der Landwirt als außerschulischer Experte fachspezifische Inhalte
erläutern, Fragen beantworten, Arbeitstechniken demonstrieren sowie Arbeiten anleiten und
diese betreuen. Diese Rollenverteilung half, beidseitige Überforderung zu vermeiden und
begegnete zugleich der Gefahr, dass der außerschulische Kooperationspartner ein Lernset-
ting vorbereitete, dass nicht den Zielen der Lehrkraft entsprach oder vorrangig der eigenen
Imagepflege diente.

4.1     Betriebliche Voraussetzungen

Soll das in diesem Lernort liegende Potenzial voll genutzt werden, so ist es von Vorteil, wenn
der landwirtschaftliche Betrieb sehr breit aufgestellt ist. Denn umso spezialisierter der Betrieb
                                                      6
ist, umso weniger Themen lassen sich dort umsetzen. Optimal sind räumliche Möglichkeiten
zum Ausweichen bei schlechtem Wetter sowie für Workshops, Experimente und Stationen-
lernen. Und aus unterrichtsorganisatorischen und finanziellen Gründen sollte der landwirt-
schaftliche Betrieb für Schulen möglichst zeitnah und kostengünstig erreichbar sein.
    Die Möglichkeit zum handelnden Lernen ist eine der großen Stärken des Lernorts „Land-
wirtschaftlicher Betrieb“. Voraussetzung hierfür ist die Einhaltung des Unfallschutzes sowie
der rechtlichen Vorschriften und Hygienerichtlinien (Fallmann 1999, 36 ff.).

4.2        Persönliche Voraussetzungen

Soll der landwirtschaftliche Betrieb seine Funktion als Lernort erfüllen, muss die Lehrkraft
das Potenzial des landwirtschaftlichen Betriebs kennen und die eventuell vorhandene Scheu
überwinden, sich dem komplexen und fachlich herausfordernden Thema zu stellen. Auch
braucht es die Klärung zwischen Schule und landwirtschaftlichen Betrieb, mit welchen Erwar-
tungen die Schule kommt und was andererseits der landwirtschaftliche Betrieb hierzu beitra-
gen kann.
   Die Programmerstellung, die Rollen- und Aufgabenaushandlung sowie die Vor- und
Nachbereitung der Hofbesuche machen Absprachen zwischen Landwirt und Lehrkraft erfor-
derlich. Deshalb brauchen die Kooperationspartner eine positive Grundeinstellung zu ihrer
jeweiligen Arbeit und die Bereitschaft zur Offenheit und Veränderung. Darüber hinaus erfor-
dert eine erfolgreiche Kooperation Kritikfähigkeit, ausreichende Ressourcen, gemeinsame
Ziele, Arbeitsweisen und Regeln, eine Verbindlichkeit sowie klare Zuständigkeiten. Außer-
dem müssen die Tandempartner eine Kommunikationskultur entwickeln, die sich auf die In-
tentionen, Meinungen und Sichtweisen des Gegenübers einlässt und einen regelmäßigen
Austausch über die fachspezifischen Sicht- und Handlungsweisen, die Wertvorstellungen
und gegenseitigen Erwartungen bezüglich der Zusammenarbeit ermöglicht.

5      Im Lehrer-Landwirt-Tandem landwirtschaftliche Betriebe als regionale Ler-
       norte erschließen

5.1  Bewertung             des    Trainings-     und     Kooperationskonzepts          „Lehrer-Landwirt-
Tandem“

Die Evaluation der Qualität des Trainings- und Kooperationskonzepts erfolgte formativ mit-
tels standardisierter Fragebögen und Gruppeninterviews (Erwartungsabfragen und mündli-
ches Feedback). Zu Erfassung der Veränderungen bei der Nutzungshäufigkeit landwirt-
schaftlicher Betriebe als Lernorte, deren Integration in den Unterricht und der vor Ort ver-
wendeten Methoden kamen in einem Prä-Post-Design standardisierte Fragebögen zum Ein-
satz9.
   Die Ergebnisse dieser Untersuchungen zeigen, dass die Intervention geeignet war, um
die Nutzungshäufigkeit, curriculare Integration und methodische Umsetzung außerschuli-
schen Lernens auf landwirtschaftlichen Betrieben zu verbessern. Zudem gelang es den Tan-
dems mehrheitlich, eine große Verbindlichkeit, ein großes Wissen voneinander und Vertrau-
en zueinander aufzubauen.

9
    An den Lehrer-Landwirt-Tandem-Schulungen nahmen 12 Lehrkräfte und 12 Landwirte bzw. Landwirtinnen teil.

                                                         7
Abb. 3: Veränderung der Nutzungshäufigkeit des Lernorts "Landwirtschaftlicher Betrieb" (Lernortbesuche
               nach Lehrkraft je Schuljahr; eigene Abbildung)

    Diese Lernortbesuche fanden (bis auf im Falle einer Arbeitsgemeinschaft) in den Fächern
 Biologie, Sachunterricht, evangelische Religion, Erdkunde und Arbeitslehre mit einem direk-
 ten Bezug zum Unterricht statt und wurden durch die Lehrkräfte im Unterricht jeweils vor-
 und nachbereitet.
    Vor Ort kamen mehrheitlich handlungsorientierte Arbeitsweisen und Formen des for-
 schenden Lernens wie zum Beispiel Experimentieren, Untersuchen, Kartieren, Befragen,
 Bestimmen, Recherchieren, Erkunden, Interviewen, Präsentieren und Berechnen zum Ein-
 satz. So konnten bei den Schülern und Schülerinnen Kompetenzen gestärkt werden, die sich
 während des Unterrichts im Schulgebäude nur schwer fördern lassen und die Möglichkeiten
                                                                sowie der Handlungsrah-
                                                                men der schulischen Bil-
                                                                dungsarbeit erweitert wer-
                                                                den.
                                                                   Als für die Arbeit am Ler-
                                                                nort     „Landwirtschaftlicher
                                                                Betrieb“ geeignete Sozial-
                                                                form bot sich insbesondere
                                                                die Gruppenarbeit an. Dabei
                                                                galt es immer das spezielle
                                                                Potenzial     des    landwirt-
                                                                schaftlichen Betriebs zu
                                                                nutzen, welches insbeson-
                                                                dere in der Ermöglichung
                                                                des situierten Lernens mit
                                                                Handlungsorientierung, An-
                                                                schaulichkeit sowie eines
                                                                authentischen Erlebens und
                                                                Erfahrens liegt.
Abb. 4: Beispiel einer außerschulischen Lehr-Lerneinheit zum Thema Biodi-
            versität im Fach Biologie (eigene Abbildung)
                                                        8
Ein Beispiel hierfür ist der in Abbildung 4 dargestellte Vergleich zwischen der einmal jähr-
lich gemähten Streuobstwiese und dem mehrfach gedüngten und gemähten Grünland. Ein-
gesetzt im Fach Biologie, können den Lernenden so ökologische Zusammenhänge, die zur
Reduktion bzw. zum Erhalt von Biodiversität führen, sichtbar und erfahrbar gemacht werden.
    Zugleich halfen die Erfahrungen sowie Vorbereitungen den Lehrkräften dabei, ihren zeitli-
chen Aufwand bei der weiteren Nutzung des landwirtschaftlichen Betriebs als außerschuli-
schen Lernort zu reduzieren und die Qualität außerschulischer Lehr-Lern-Einheiten zu stei-
gern.
    Des Weiteren gelang es durch die Kooperationen im Tandem, Gründe, die die Nutzung
außerschulischer Lernorte erschweren, zu reduzieren (siehe Abbildung 5).

    Abb. 5: Veränderung der Begründungen seitens der Lehrkräfte, weshalb sie landwirtschaftliche Betriebe
                nicht öfters als außerschulische Lernorte aufsuchten (eigene Abbildung)

5.2        Chancen des Kooperationskonzepts „Lehrer-Landwirt-Tandem“ für die Lernen-
den

Den Lernenden bietet die vertrauensvolle Kooperation zwischen Schule und landwirtschaftli-
chem Betrieb die Möglichkeit, Probleme und Abhängigkeiten zwischen Verbraucherverhalten
und Produktionsmethoden sowie Fragen der Agrarpolitik zu analysieren und zu bewerten,
sich Wissen zu diesen Problemkomplexen anzueignen, Lösungsvorschläge zu erarbeiten
und deren Wirksamkeit im handelnden Tun zu überprüfen. So können die Lernenden hier
beispielsweise

      ihre Handlungsfähigkeit im Umgang mit komplexen Fragestellungen weiterentwickeln,
       indem sie, ausgehend von der Frage, wie sie eine nachhaltig betriebene Landwirtschaft
       unterstützen können, eine Schülerfirma gründen, die die Produkte des landwirtschaftli-
       chen Kooperationspartners vermarktet,
      an gesellschaftlichen und kulturellen Prozessen teilhaben, indem sie die Überschaubar-
       keit des Dorfes als idealen Lernort für Demokratie und die aus der Kooperation entste-
       henden Kontakte nutzen, um sich beispielsweise bei einer Dorferneuerung als Experten
       zu den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen zu äußern oder eigene Vorschläge für
       kinderfreundliche Veränderungen zu erarbeiten,
                                                          9
   ihr theoretisch erworbenes Wissen in der Lebenswelt auf Viabilität prüfen. So wird das
    abstrakte Wissen über die Zinsrechnung lebendig, wenn die Lernenden den Zeitwert für
    die Maschinen und Gebäude des landwirtschaftlichen Betriebs berechnen und anschlie-
    ßend den Landwirt befragen, welche Bedeutung die Abschreibung auf seine wirtschaftli-
    che Situation und seine unternehmerischen Entscheidungen hat.

   Die Nutzung des Lernorts „Landwirtschaftlicher Betrieb“ fördert das gezielte Beobachten,
das eigenständige Systematisieren, das Wahrnehmen der komplexen Realität und die Aus-
einandersetzung mit immer wieder neuen Sachverhalten und Rahmenbedingungen. Darüber
hinaus lernen die Schüler und Schülerinnen selbstständig und gemeinschaftlich zu planen
und zu arbeiten, vorausschauend zu denken und zu handeln, sich bei Hindernissen und
Rückschlägen zu motivieren, in unbekannten Situationen agieren zu können und sammeln
Erfahrungen im Umgang mit fremden Menschen. Des Weiteren werden sie befähigt, sich in
gesellschaftliche Vorgänge einzumischen und für Benachteiligte einzutreten. Dies fördert die
Eigenständigkeit und Flexibilität der Lernenden sowie ihrer Reflexivität und Mündigkeit. Die
auf eine langfristige Zusammenarbeit angelegten Kooperationen zwischen Lehrkraft und
Landwirt ermöglicht zudem, Lernenden Aufgaben zu übertragen, bei denen sie wirklich in
Prozesse eingreifen und Arbeiten selbstständig übernehmen können.
   Eine besondere Stärke ergibt sich aus einer der Landwirtschaftimmanenten Verzahnung
ökonomischer, ökologischer, sozialer und kultureller Dimensionen. Betrachtet man die Be-
funde des aktuellen Jugendreports Natur 2010, so zeigt sich bei Jugendlichen eine immense
Wahrnehmungslücke hinsichtlich der Notwendigkeit und der Art und Weise der massenhaf-
ten Naturnutzung als Basis unser aller Existenz (Brämer 2010, 12). Dies ist insofern proble-
matisch, da die Grundlage für das Verständnis des Nachhaltigkeitspostulats die Einsicht in
die Notwendigkeit der Nutzung der Natur durch den Menschen ist. Sollen Lernende diese
Einsicht erwerben, so reicht deren gedanklicher Nachvollzug nicht aus. Vielmehr braucht es
die Möglichkeit, Naturnutzung im real wirtschaftenden Handeln selbst zu erfahren und die
darin existierenden Chancen und Risiken aufzudecken. Der Lernort „Landwirtschaftlicher
Betrieb“ bietet diese Gelegenheiten, die dann zusammen mit möglichen Zielkonflikten zum
Ausgangspunkt von Lernprozessen gemacht werden können. So sehen und erfahren die
Lernenden in einem relativ überschaubaren Rahmen, wie sich die Umwelt mit Boden und
Klima, wie sich die Politik mit Vorschriften und Förderprogrammen und die Verbraucher mit
ihrem Konsumverhalten gegenseitig beeinflussen, was zu einer nachhaltigen bzw. nicht-
nachhaltigen Entwicklung führt. Damit fördert der Lernort „Landwirtschaftlicher Betrieb“ den
Erwerb von Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissen, Einstellungen und Verhaltensweisen im Sinne
einer „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“, die einerseits an eigene Vorerfahrungen ank-
nüpfen und sich andererseits in den Originalbegegnungen und dem selbsttätigen und partizi-
pativen Handeln der Lernenden bewähren müssen.
   Die Landwirtschaft kann auch wieder zurück zur Natur und deren Kreisläufe verweisen.
Elementare Naturerfahrungen bilden eine wichtige Voraussetzung für die Persönlichkeits-
entwicklung und die emotionale Bindung an die Natur. Diesen Zusammenhang zwischen
emotionaler Bindung an die Natur und Motivation zum Naturschutz beschreibt auch Göpfert,
wenn er betont, dass „dem Umweltschutz ein Naturerleben vorangehen muss, das die Kinder
emotional berührt und ein positives Erlebnis für sie ist“ (Göpfert 1994, 11). An reale Begeg-
nungen gebundene Erlebnisse fördern zum einen die Sensibilisierung der Lernenden für
bisher nur theoretisch abgehandelte Probleme. Zum anderen muss Kognition mit Emotionen
verbunden werden, um anschlussfähiges Wissen, Reflexion, die Entwicklung von Werthal-

                                              10
tungen und die bewertete Auswahl von Handlungsoptionen zu ermöglichen (Held 2002, 31).
Solche Möglichkeiten zum Naturerleben bieten landwirtschaftliche Betriebe den Lernenden.
   Darüber hinaus ermöglichen Lehr-Lern Einheiten auf landwirtschaftlichen Betrieben den
Lernenden auch Kontakte zu den hier lebenden und arbeitenden Menschen. Schüler und
Schülerinnen wissen nur sehr wenig über den landwirtschaftlichen Produktionsprozess und
das Berufsfeld des Landwirts (Brämer 2010, 8). Dem kann durch das Erleben der bäuerli-
chen Lebenswelt und durch persönliche Gespräche mit den Menschen auf dem landwirt-
schaftlichen Betrieb sowie der anschließenden Reflexion der gewonnen Erfahrungen im Un-
terrichtbegegnet werden. Da Landwirtschaft heutzutage vielmehr als je zuvor von unterneh-
merischem Denken und Paradigmen wie Kosten-Nutzenrelationen sowie Preis-Leistungs-
relationen, Beschaffung und Amortisation, Ziele, Visionen, Saisonarbeit und Arbeit im Team
geprägt ist, bietet sie älteren Schülern und Schülerinnendie Möglichkeit, in authentischen
Produktionsprozessen und mit authentischen Menschen Informationen über die Berufs- und
Arbeitswelt zu erlangen und eigene Erfahrungen zu erwerben. So können die Mitarbeit auf
dem landwirtschaftlichen Betrieb und der reale Kontakt zur Alltags-, Berufs- und Produkti-
onswelt die Lernenden auf den Eintritt in das Erwerbsleben vorbereiten.
   Dabei eigenen sich nicht nur kleine Familienbetriebe als Lernorte. Die sich weiter speziali-
sierende und industrialisierende Landwirtschaft ermöglicht es insbesondere älteren Schülern
und Schülerinnen, landwirtschaftliche Problemstellungen realitätsnah, detailliert, ausführlich
und in ihrer ganzen Komplexität begreifen und auch kritisch diskutieren zu können.

5.3     Chancen der „Lehrer-Landwirt-Tandems“ für die Kooperierenden

Und auch für die Lehrkräfte und deren landwirtschaftliche Partner sind Kooperationen „er-
freulich, interessant und gewinnbringend“ (Pädagogisches Zentrum Rheinland-Pfalz (Hg.)
1992, 61).
   Für Lehrkräfte hat die Kooperation im Lehrer-Landwirt-Tandem neben dem nicht zu ver-
leugnenden höheren Aufwand für Planung, Durchführung und Koordination etliche Vorteile.
So bereichern die außerschulischen Lehr-Lern-Arrangements inhaltlich und methodisch die
Möglichkeiten der Schule. Zum anderen kann das Fachwissen der Landwirte bei den Lehr-
kräften zu neuen Lernerfahrungen führen (Schulze 2009, 55).
   Für landwirtschaftliche Betriebe, die ihren Betrieb als Lernort für Schulen öffnen, erhöht
dies die öffentliche Akzeptanz, was helfen kann, mögliche negative Einstellungen abzubauen
(Brühe/ Sauerborn 2007, 117). Zudem bietet sich für Betriebe, die sich für ältere Lernende
öffnen, die Chance, dass ihnen die Ergebnisse aus Projekten, Recherchen und Feldstudien
selbst zugutekommen. Die Lernenden können auch eine Facharbeit mit landwirtschaftlichem
Thema schreiben, auf dem Betrieb einen Ausbildungs- oder Praktikumsplatz finden oder
Produkte des Landwirts in der Schule (z.B. im Rahmen des Projektes „gesunde Ernährung“)
vermarkten (vgl. Buch 2013, 137)10.

6     Fazit und Ausblick

Wie aufgezeigt werden konnte, ist die kontinuierliche Zusammenarbeit im Lehrer-Landwirt-
Tandem geeignet, um die Möglichkeiten und den Handlungsrahmen der schulischen Bil-
10
   Eine Lehrkraft der Albert-Schweizer-Schule in Groß-Zimmern hatte an den 2012 stattgefundenen Lehrer-
Landwirt-Tandemschulungen teilgenommen. Nach dem ersten Kooperationsjahr ist dann daraus ein Projekt ent-
standen, bei dem Schüler und Schülerinnen in den großen Pausen Obst (insbesondere Erdbeeren) vom Betrieb
des landwirtschaftlichen Kooperationspartners verkaufen.

                                                    11
dungsarbeit zu erweitern und typische Ursachen, die die Nutzung außerschulischer Lernorte
erschweren, abzubauen. So konnte die Nutzungshäufigkeit, die curricularen Integration und
die methodische Umsetzung außerschulischer Lehr-Lerneinheiten auf landwirtschaftlichen
Betrieben verbessert werden.
Der nächste Schritt zur Verstetigung dieser Zusammenarbeit ist deren Institutionalisierung
durch die Verankerung im Schulcurriculum/-programm oder die Einbindung in ggf. vorhande-
ne Bildungslandschaften.
Was das Konzept des Lehrer-Landwirt-Tandems nicht lösen kann, ist der für die Lehrkraft
weiterhin vorhandene einmalige (!) Aufwand, sich einen geeigneten landwirtschaftlichen
Kooperationspartner zu suchen. Hier bieten sich die in den einzelnen Bundesländern unter-
schiedlich organisierten Koordinationsstellen zum Lernen auf landwirtschaftlichen Betrieben
an.
   Der überwiegende Teil dieser Koordinationsstellen ist bei staatlichen Stellen oder Ver-
bänden bzw. Vereinen des landwirtschaftlichen Bereichs angesiedelt. Hierzu zählen z.B.:
    Landwirtschaftsministerien der Bundesländeroder Landwirtschaftskammern,
    Bauernverbände, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und Bioanbau-
       verbände,
    „Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof e.V.“,
    Landfrauen- und Landjugendverbände,
    der Verein „Stadt und Land e.V. in Nordrhein-Westfalen“.

    In Hessen können sich Lehrkräfte an die Arbeitsgruppe „Bauernhof als Klassenzimmer“
wenden. Diese hilft beim Finden geeigneter Kooperationspartner und bietet regelmäßig Fort-
bildungen für Lehrkräfte, Landwirte und Tandems an.

7   Literatur

   Becker, G. (1986): Erfahrungen aus erster Hand - Erfahrungen aus zweiter Hand. In:
Westermanns pädagogische Beiträge (1986), 40-45.
   Birkenhauer. J (1999): Außerschulische Lernorte. In: D. Böhn (Hg.):Didaktik der
Geographie - Begriffe. München, 9 - 19.
   BLK- Bund-Länder-Kommission (Hg.) (1999): Bildung für eine nachhaltige Entwicklung -
Gutachten zum Programm von Gerhard De Haan und Dorothee Harenberg, Freie Universität
Berlin. Materialien zur Bildungsplanung und zur Forschungsförderung, H. 72 (1999).
   Boland, H./Hübner, S./Haury, M. (2003):Erarbeitung einer Datenbasis zur ökonomischen
Bewertung von pädagogischen Modulen auf landwirtschaftlichen Betrieben. Altenkirchen.
   Brämer, R. (2010):Natur: Vergessen? Erste Befunde des Jugenreports Natur 2010.
Marburg.
   Brandes, P. (2003):Analyse der Nachfrage allgemein bildender Schulen nach
pädagogischen Angeboten auf Angeboten auf Bauernhöfen. (i. -i. e.V., Hg.) Abgerufen am
12. 08 2014 von
http://www.lernenaufdembauernhof.de/fileadmin/user_upload/brandes_nachfrageanalyse_09
_04_03.pdf
   Brühe, T./ Sauerborn, P. (2007):Didaktik des außerschulischen Lernen. Baltmannsweiler.
   Buch, H. K. (2013):Schul- und Arbeitsprogramm der Albert-Schweizer-Schule Groß-
Zimmern. Fortschreibung. Abgerufen am 12. Oktober 2014 von ass-gross-zimmern.de/wp-
content/uploads/Schulprogramm-2013-HP.pdf

                                             12
Burk, K./ Claussen, C. (1998): Auswertung der Umfrage "Lernorte außerhalb der Schule".
In: Burk, K./ Claussen, C.: Lernorte außerhalb des Klassenzimmers, Bd. II. Frankfurt am
Main, 164-196.
    Erdmann, J. W./Rückriem, G./Wolf, E. (1996): Kindheit heute. Differenzen und
Gemeinsamkeiten. Bad Heilbrunn.
    Erpenbeck, J. (1997): Selbstgesteuertes, selbstorganisiertes Lernen.
In:Arbeitsgemeinschaft Qualitäts-Entwicklungs-Management (Hg.):Kompetenzentwicklung
'97. Berufliche Weiterbildung in der Transformation - Fakten und Visionen. Münster, 309-316.
    Eulefeld, G. (1988): Praxis der Umwelterziehung in der Bundesrepublik Deutschland. Eine
empirische Untersuchung. Kiel.
    Falk, J. H./ Martin, W. W./ Balling, J. D. (1978): The novel field-trip phenomenon:
Adjustment to novel settings interferes with task learning. In: Journal of Research in Science
Teaching, H. 2 (1978), 127-134.
    Fallmann, A. (1999): Welcher Bauernhof eignet sich für Schule am Bauernhof. In: ÖKL
(Hg.):Um- und Neunutzung landwirtschaftlicher Gebäude und Schule am Bauernhof.
Tagungsband anläßlich des ÖKL-Kolloquiums 1999. Wien, 39-40.
    Göpfert, H. (1994):Naturbezogene Pädagogik. Weinheim.
    Grabner, R./ Neuper, C./ Saalbach, H./ Stern, E. (2007): Lehr-Lern-Forschung und
Neurowissenschaften. Erwartungen, Befunde, Forschungsperspektiven. Berlin.
    Gudjons, H. (2008):Handlungsorientiert Lehren und Lernen. Schüleraktivierung,
Selbsttätigkeit, Projektarbeit. Bad Heilbrunn.
    Hampl, U. (2000): Außerschulische Lernorte im Biologieunterricht der Realschule.
Untersuchungen zu kognitiven und affektiven Aspekten am Beispiel des ausserschulischen
Lernortes "Lehrbienenstand" (Münchener Schriften zur Didaktik der Biologie Ausg., Bd. 14).
Herdecke.
    Haubrich, H. (2006): Die neue Didaktik der Geographie konkret. München.
    Held, M. (2002): Evolutionsbiologie und Ökonomik - Nachhaltige Entwicklung in
evolutorischer Perspektive. In: A. Beyer (Hg.): Fit für Nachhaltigkeit. Wiesbaden, 17-45.
    Hentig, v. H. (2004): Einführung in den Bildungsplan 2004. In: Ministerium für Kultus,
Jugend und Sport Baden-Württemberg (Hg.) (2004): Bildungsplan 2004. Stuttgart, 9-22.
    i.m.a / TNS Emnid(2012): Das Image der deutschen Landwirtschaft. Ergebnisse einer
Repräsentativbefragung in Deutschland. Abgerufen am 8. 8 2014 von http://www.ima-
agrar.de/fileadmin/redaktion/download/image-studie/2012/ima-imagestudie-
landwirtschaft_bericht-2012.pdf
    Kauffeld, S (2000): Das Kasseler-Kompetenz-Raster (KKR) zur Messung der beruflichen
Handlungskompetenz. In: Arbeitsgemeinschaft Qualitäts-Entwicklungs-Management (Hg.):
Flexibilität und Kompetenz. Schaffen flexible Unternehmen flexible Mitarbeiter? Münster, 33-
48.
    Klaes, E. (2008): Außerschulische Lernorte im naturwissenschaftlichen Unterricht. Die
Perspektive der Lehrkraft. Berlin.
    Klieme, E./Artelt, A./Hartig, J./Jude, N./Köller, O. et al. (2010): PISA 2009. Bilanz nach
einem Jahrzehnt . Münster.
    Klieme, E./Avenarius, H./Blum, W./Döbrich, P./Gruber, H./Prenzel, M. et al. (2007): Zur
Entwicklung nationaler Bildungsstandard Expertise. Bonn.
    Klüber, K./Löwe, C. (2006): Qualitästsmanagement und Zertifizierung in
Bildungsorganisationen auf der Basis des internationalen Standarts DIN EN ISO 9001:2000.
Augsburg.

                                               13
KMK/ DUK (Hg.) (2007): Empfehlung der Ständigen Konferenz der Kultusminister der
Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) und der Deutschen UNESCO-Kommission
(DUK) vom 15.06.2007 zur „Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Schule“. Abgerufen
am 20. Mai 2010 von
http://nachhaltigkeit.bildung.rlp.de/fileadmin/user_upload/nachhaltigkeit.bildung-
rp.de/Downloads/070615_KMK-DUK-Empfehlung_BNE.pdf
   Lindemann-Matthies, P./ Bose, E. (2008): How Many Species Are There? Public
Understanding and Awareness of Biodiversity in Switzerland. In: Human Ecology,H. 36
(2008), 731–742.
   Lößner, M. (2011): Exkursionsdidaktik in Theorie und Praxi Forschungsergebnisse und
Strategien zur Überwindung von hemmenden Faktoren. Weingarten.
   Mandl, H./Gruber, H./Renkl, A. (2002): Situiertes Lernen in multimedialen
Lernumgebungen. In: Issing, L./ Klimsa, P. (Hg.): Information und Lernen mit Multimedia und
Internet. Weinheim, 167-178.
   Messmer, K./ Niederhäuser, v. R./ Rempfler, A./ Wilhelm, M. (2011): Definition
außerschulische Lernorte. In: Wilhelm, M./ Messmer, K./ Rempfler, A.: Außerschulische
Lernorte - Chance und Herausforderung, Bd.1. Zürich, 8-24.
   Niemz, G. (1989): Zielsetzung, Vorbereitung und Durchführung der bundesweiten
Umfrage zur Praxis des Geographieunterricht. In: Niemz, G.: Das neue Bild des
Geographieunterricht Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage. Frankfurt am Main, 91-171.
   Pädagogisches Zentrum Rheinland-Pfalz (Hg.) (1992): Handlungsorientierte
Umwelterziehung in Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern. Bad Kreuznach.
   Pohl, C. (2008): Die Bedeutung außerschulischer Lernorte für den Biologieunterricht. Eine
Befragung und Untersuchung der Einstellung der BIologieleherinnen und Biologielehrer der
verschiedenen Schulformen der Sekundarstufe I und II. Münster.
   Ramaker, G. (1980): Feldstudien im Erdkundeunterricht Großbritanniens und der USA. In:
Geographie und Didaktik, H. 5 (1980), 47-57.
   Reinhold, G./Pollak, G./Heim, H. (1999): Pädagogik-Lexikon. München.
   Rinschede, G. (1997): Schülerexkursionen im Erdkundeunterricht – Ergebnisse einer
empirischen Erhebung bei Lehrern und Stellung der Exkursion in der fachdidaktischen
Ausbildung. In: Preisler, G./ Rinschede, G./Sturm, W./ Vossen, J.: Regensburger Beiträge
zur Didaktik der Geographie, Bd. 2.Regensburg, 7-80.
   Salzmann, C. (1995): Regionales Lernen an Lernstandorten. In: Salzmann, C./Meyer,
M./Baeumer, H.: Theorie und Praxis des regionalen Lernen. Umweltpädagogische Impulse
für außerschulisches Lernen. Das Beispiel des Regionalen Umweltbildungszentrums
Lernstandort Noller Schlucht. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien.
   Schäffter, O. (1999): Implizite Alltagsdidaktik. In: Arnold, R./ Gieseke, W./ Nuissl, E. (Hg.):
Erwachsenenpädagogik – Zur Konstitution eines Faches. Baltmannsweiler, 89-102.
   Schockemöhle, J. (2009): Außerschulisches regionales Lernen als Bildungsstrategie für
eine nachhaltige Entwicklung. Weingarten.
   Schockemöhle, J. (2011): Regionales Lernen 21+. Konzeption und Evaluation.
In:Messmer, K./ Niederhäuser, R. v./ Rempfler, A./ Wilhelm, M.: Außerschulische Lernorte.
Beiträge zur Didaktik, Bd.1. Zürich, 82-105.
   Schulze, K. (2009): Die Bedeutung außerschulischen Lernens für die Vermittlung von
Bildung für nachhaltige Entwicklung. In: Hauenschild, K./ Monschaw, B. (Hg.): Kinder
erfahren nachhaltiges Wirtschaften. Eine Handreichung für die Grundschulpraxis. Frankfurt
am Main, 55-60.

                                                 14
Schwarz, A. (1995): Auswertung einer Umfrage über Schülerexkursionen im
Erdkundeunterricht an Gymnasien. In: Geographie und Schule, H. 93 (1995), 35–43.
   Stoltenberg, U. (2005): Bildung für nachhaltige Entwicklung - aktuelle Herausforderungen
für die außerschulische Arbeit. Umweltbildung im Wald. Ein Beitrag zur UN-Dekade "Bildung
für nachhaltige Entwicklung". Altenkirchen, 10-24.
   Zucchi, W. (2002): Naturentfremdung bei Kindern und was wir entgegensetzen müssen.
Abgerufen am 08. 10 2014 von http://www.naturerfahrungsraum.de/pdfs/Zucchi_02.pdf

                         Lars Paschold

                      Master of Arts „Umwelt und Bildung“ - Universität Rostock und Thea-
                      terpädagoge (BUT) - Theaterakademie Heidelberg. Dozent am Bil-
                      dungsseminar Rauschholzhausen, Mitglied der hessischen Arbeits-
                      gruppe "Bauernhof als Klassenzimmer" und Koordinator des Wissen-
                      schaftsforums innerhalb der Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort
                      Bauernhof. Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte: außerschulisches
                      Lernen in ländlichen Räumen, Kooperation in multiprofessionellen
                      Teams, Team- und Persönlichkeitsteaching.

                      Kontakt: lars.paschold@levari.de

                                              15
Sie können auch lesen