Predict, Involve & Embed! - Theron Advisory Group

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Predict, Involve & Embed! - Theron Advisory Group
Führung in Digitalen Zeiten

Predict, Involve
& Embed!
Predict, Involve & Embed! - Theron Advisory Group
Cueva de las Manos
Höhle der Hände | Höhle im Südwesten Argentiniens,
gelegen im Norden der Provinz Santa Cruz. Seit 1999
Unesco Weltkulturerbe
Predict, Involve & Embed! - Theron Advisory Group
TheronSight 1/2019

FÜHRUNG IN DIGITALEN ZEITEN
PIE - PREDICT, INVOLVE, EMBED!

Der Umgang mit digitaler Unsicherheit in Unternehmen stellt neue, ver-
änderte Anforderungen an das Management.
    Gesellschaftliche Veränderungen, Digitalisierung, die aktuelle Innova-
tionsgeschwindigkeit aber auch verspätete Anpassung der Unterneh-
men in Zeiten wirtschaftlicher Erfolge erzeugt Unsicherheit auf allen
Ebenen. Fehlende Erfahrung mit digitalen Technologien, neuen Ge-
schäftsmodellen und den Einflüssen einer hochgradig vernetzten, glo-
balen Welt verbauen oft den Weg um langfristig erfolgreich zu sein. Dies
gilt für die Manager genauso wie für die Belegschaft, die allerdings zu-
nehmend höheren Existenzängsten ausgesetzt ist.

Die THERON Methode PIE (Predict, Involve, Embed) bildet eine Basis
zur Navigation im digitalen Umfeld mit optimierter Einbindung und Wei-
terentwicklung aller Beteiligten im Unternehmen.

Peter Jumpertz
Frank Olschewski
Predict, Involve & Embed! - Theron Advisory Group
Was ist das Problem mit der Digitalisierung?
Der folgende Auszug stammt aus einem Artikel des Wall Street Journal vom 8. Au-
gust 2017.

     “Laut Personen, die mit der Angelegenheit vertraut sind, plant Uber Technologies
     sein Auto-Leasing-Geschäft in den USA wegen unhaltbar hoher Verluste einzu-
     stellen, ein bedeutender Rückzug nur zwei Jahre nach Aufbau des Geschäfts.
     Der Fahrdienstvermittler beabsichtigt laut den Quellen, den Großteil des Ge-
     schäfts bis zum Jahresende zu schließen oder zu verkaufen. Bis zu 500 Arbeits-
     plätze könnten bis zum Ende des Xchange-Leasing-Programms betroffen sein,
     was rund 3% der Mitarbeiterzahl von Uber entsprechen würde. Die Geschäfts-
     führer fühlten sich unter anderem dazu veranlasst, den Stecker zu ziehen, weil sie
     zu einer überraschenden Erkenntnis kamen: Der durchschnittliche Verlust pro
     Fahrzeug war etwa 18-mal höher als angenommen.”
     (Wall Street Journal, 8.8 2017)

Was war passiert? Uber – das agilste Unternehmen überhaupt, der Meister der digi-
talen Welt. Wie konnte dieser Gigant der Sharing Economy so kläglich scheitern?
Wie können wir solche Desaster verhindern? Wir müssen das Wesen der Digitalisie-
rung verstehen, um diese Frage zu beantworten und daraus zu lernen.

Unsicherheit in einer teuflisch komplexen Welt
Die digitale Wirtschaft ist ein Teufelskreis aus Technologie, Geschäft und Kapital
(Abbildung 1). Der Kreis ist teuflisch, weil immer mehr seiner Komponenten selbst
digitalisiert werden. Dies erhöht die Innovationsgeschwindigkeit ständig, und zwar
theoretisch bis zur Annäherung an die Geschwindigkeit rein digitaler Akteure.
    Im Vergleich zu früher steigert Digitalisierung die Unsicherheit im Unternehmen
spürbar. Das Ergebnis eines bestimmten Inputs ist schwer vorherzusagen. Dafür
sind mehrere Faktoren verantwortlich, unter anderem:

     ‣   Hohes Veränderungstempo, getrieben durch die spezifischen Merkmale der
         digitalen Technologie, wie beispielsweise hohe Geschwindigkeit, unmittelbare
         Skalierbarkeit, kostenlose Reproduktion und ortsunabhängige Verfügbarkeit.
         Denken wir zum Beispiel daran, wie Facebook neue Eigenschaften und Ser-
         vices weltweit parallel ausrollt.

     ‣   Hohe Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft für neue Technologien, was zu
         nachhaltigen Veränderungen in der Wirtschaft und einem viel schnelleren
         Wandel gesellschaftlicher Normen führt als traditionelle Investitionskreisläu-
         fe. Denken wir daran, wie künstliche Intelligenz, Big Data und die Web-Tech-
         nologie Menschen ersetzen, sei es im Recruiting, im Verkauf oder in anderen
         bisher auf persönlichen Beziehungen fußenden Funktionen.

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ABBILDUNG 1: WACHSTUM DER DIGITALEN ÖKOSYSTEME

    ‣     Geringe Vorhersehbarkeit der Richtung und Intensität des Wettbewerbs. Im
          Grunde können Akteure aus jeder Branche jede andere Branche angreifen.
          Denn in einer digitalen Welt ist es verglichen mit der physischen Welt deut-
          lich einfacher, Verbindungen zwischen Wertschöpfungsketten über Bran-
          chengrenzen hinweg herzustellen. Da digitale Prozesse keine materielle
          Substanz enthalten, können Versuchsballons schnell und mit wenig Aufwand
          gestartet werden. Denken wir daran, wie schnell Amazon vom angestamm-
          ten Kerngeschäft im Einzelhandel vorwärts und rückwärts entlang der Supp-
          ly Chain in angrenzende und sogar entfernte Branchen hineinstößt

    ‣    Verlust der Vertrauenswürdigkeit des Kommunikations- oder Geschäftspart-
         ners. Denken wir an Bots, die „Nachrichten“ veröffentlichen, politische Mei-
         nungen verbreiten und Massenkundenverhalten nachahmen.

    ‣    Aushöhlung bestehender Kundenbeziehungen. Denken wir daran, wie schnell
         Kunden bereit sind, Kontakte, die sie früher sehr geschätzt haben, gegen di-
         gitale Händler oder Direktverkäufer aus anderen Branchen auszutauschen.

    ‣     Prinzipielle Natur komplexer Systeme, die durch gegenseitige dynamische
          Abhängigkeit charakterisiert ist.

Der letzte Punkt ist ein Sonderfall. Digitalisierung macht die Dinge komplizierter als
sie es vorher waren. Am Ende wird alles und jeder digital mit jedem und allem zu

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marginalen Kosten verbunden sein, wobei der Pfad dorthin nicht trivial vorhersehbar
ist (siehe Abbildung 2).
     Jede Veränderung wird viele weitere Veränderungen innerhalb eines eng gewo-
benen, multidimensionalen Netzes nach sich ziehen und potenziell verstärken. Ent-
sprechende Berichte aus der Welt der Financial Services sind nur allzu bekannt:
Börsenversagen aufgrund von Computer-Speed-Trading-Systemen, Hacks, Cyber-
angriffe, Achterbahnfahrten von Kryptowährungen und unkontrollierte Kreditblasen.
Ähnliche Ereignisse werden früher oder später zu Konstanten in den meisten ande-
ren Bereichen unseres digitalen Lebens.

ABBILDUNG 2: AUSGEWÄHLTE EINFLUSSFAKTOREN DER DIGITALISIERUNG

Echte Ahnungslosigkeit
Unsicherheit in einem von Komplexität geprägten System wirkt wie ein Spiegelkabi-
nett. Was ist das echte Bild, was das Spiegelbild, was ein Spiegelbild des Spiegel-
bilds? An jeder Ecke und Biegung gilt es herauszufinden, was real ist und was nicht.
Dazu braucht es ein paar Versuche – eine Bewegung nach rechts, ein Blick nach
hinten, was macht das Bild? Sobald man sich sicher fühlt, kann man sich vorwärts
bewegen und hat dabei gute Chancen, nicht in einen Spiegel hinein zu laufen.
    Ist eine Organisation nicht in der Lage, in einer solchen Umgebung schnell zu
lernen, wird der Misserfolg die Hoheit gewinnen, sich immer weiter auftürmen und

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alle Energie aufsaugen. Mit der Zeit führt dies zu kulturellen und finanziellen Schwie-
rigkeiten. Angst wird zum lähmenden Faktor.
     Was ist mit unseren Führungskräften? Werden sie die Kontrolle verlieren? Ver-
mutlich ja!
    Niemand wird in der Lage sein, das Netz des digitalen Wettbewerbs voll und
ganz zu durchblicken. Die allwissenden Helden früherer, besserer Zeiten sind plötz-
lich ahnungslos. Wie der Fall von Uber zeigt, liegen selbst die Superstars der Szene
hin und wieder um ein Vielfaches daneben mit ihren Erwartungen. Ziemlich beängs-
tigend, oder? Echte Ahnungslosigkeit ist das, was uns so sehr am digitalen Wandel
ängstigt. Die Menschen fühlen sich hilflos, überfordert, den „unknown unk-
nowns“ ausgesetzt, wie Passagiere auf einer Fahrt ins Ungewisse.
    Sozialwissenschaftler vergleichen digitale Informationsverarbei-
tung zu Recht mit den drei vorhergehenden Errungenschaften,
die die menschliche Gesellschaft revolutioniert haben: Lernen
wie man spricht, Lernen wie man schreibt, Lernen wie man                         Was ist mit
druckt. Alle drei haben nacheinander das jeweils bestehende                unseren Führungs-
Gesellschaftsmodell radikal verändert. Wie wird die digitale
                                                                             kräften? Werden
Gesellschaft aussehen? Werden wir nach wie vor beständige
Organisationen haben, die Arbeitsplätze bieten, eine soziale                 Sie die Kontrolle
Heimat und Hoffnung? Was wird diese Systeme zusammen-                             verlieren?
halten? Was wird sie in harten Konkurrenzkämpfen und relativ
feindseligen Umgebungen stark machen?

Hoch hängende Früchte, langsame Korrekturen und hart erkämpf-
te Siege
Wir müssen uns der Tatsache stellen: Es gibt keinen einfachen Weg heraus! Die Di-
gitalisierung wird nicht verschwinden. Die Komplexität darf nicht ignoriert werden.
Und Wettbewerb ist naturgemäß oft unangenehm hart.
    Versuch und Irrtum, das Mantra aller Agilitätspropheten, mag zwar ein effektiver
Lernansatz sein, aber er ist nicht besonders effizient. Denn jeder Versuch verbraucht
Ressourcen und Chancen in Form von „Time-to-Market“. Ein willkürlicher Ansatz
von Versuch und Irrtum zahlt sich daher nur für so genannte „Hyperscale“-Unter-
nehmen aus, d.h. digitale Riesen mit einem großen globalen Geflecht verschieden-
artiger Kundenbeziehungen und gleichzeitig sehr geringen marginalen Kosten für
Veränderungen aufgrund ihres nahezu virtuellen Geschäftssystems. Jede Innovation
– auch für kleine Nischen im „long tail“1 der Kundenbasis – findet in der Regel ge-
nügend Kunden, um den Aufwand zu rechtfertigen. Die meisten bestehenden Un-
ternehmen sind von ihrem Ansatz her keine „Hyperscaler“; anders als Facebook
oder Google gehört Digitalisierung nicht zu ihrem Grundkonzept (Abbildung 3a).

1  Chris Anderson „The Long Tail“, New York, Hyperion, 2006; Yochai Benkler, “The wealth of networks. How social produc-
tion transforms market and freedom”. Yale University Press, 2006

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Abbildung 3
     Genotypen und Erfolgsstrategien digitaler Geschäfte

                   Digitale Genotypen
         3a        von Geschäften                              Business virtualization
                                                    (Digital products/services, Asset-light production, …)

                                                                                                                                         (Proprietary online channel, Third-party channel integration, …)
                                                        3. “Hard Web”            4. “Hyperscale”
                                          High          § Apple                 § Google

                                                                                                                  Channel digitization
                                                        § Amazon                § Facebook
                 CONNECTED                              § Uber                  § LinkedIn
                  CUSTOMER
                   CAPACITY
              Größe der vernetzten
                  Kundenbasis                      1. “Old School”                  2. “Soft spot”
                                          Low      § Aston Martin                   § XING
                                                   § Blacklane                      § MyTaxi
                                                     Limousine's                    § Twitch

                                                             Low                          High

                                                       CHANGE COST CAPABILITY
                                        Fähigkeit der Veränderung mit geringen, marginalen Kosten

                   Erfolgsstrategien
        3b         der digitalen
                   Genotypen
                                                    3. “Hard Web”               4. “Hyperscale”
                                                    §    Prototypen             §    Viele Parallele
                                          High      §    Ausführlich Testen          Experimente
                                                    §    Plannen und            §    Trial & Error
                                                         Nachverfolgen          §    Nutzt den “long tail”

                          CONNECTED
                           CUSTOMER
                           CAPACITY
                                                   1. “Old School”              2. “Soft spot”
                                                   §    Planen, Bauen und       §   Ausgewählte
                                          Low           Liefern                     Experimente
                                                   §    Strikte finanzielle     §   Strikte finanzielle
                                                        Planung                     Planung
                                                   §    An Plan halten          §   Agile Entwicklung

                                                             Low                          High

                                                         CHANGE COST CAPABILITY

ABBILDUNG 3: GENOTYPEN DIGITALER GESCHÄFTE UND IHRE ERFOLGSSTRATEGIEN

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Die meisten Unternehmen werden auch nie an diesen Punkt kommen, und zwar
ganz bewusst! Es ist einfach zu weit weg von ihrem Kerngeschäft, ihrer Identität und
ihren Werten. Sie befinden sich in der Nähe des „Old School“-Bereichs unserer Ma-
trix: Die Anzahl der Kundenbeziehungen ist relativ gering verglichen mit der Summe
aller Internetnutzer, die z.B. Google weltweit zur Verfügung hat. Ihre Geschäftssys-
teme sind zudem durch einen signifikanten Fixkostenanteil gekennzeichnet, der
wiederum relativ hohe Kosten für Veränderung nach sich zieht. Selbst die Nutzung
von Robotern und Automatisierungslösungen wird daran kurz- bis mittelfristig nicht
viel ändern. Diese „Old Schoolers“ bezahlen daher Fehler mit teurem Geld und
wertvoller Zeit.
    Unternehmen, die sich in der Nähe des „Hard Web“-Bereichs befinden, weisen
signifikante Produktkostenanteile aus. In Kombination mit ihrer großen Kundenan-
zahl ergibt sich ein enormes Risiko verlorener Investitionen. Innovationsfehler im
Hardware-Bereich ihres Geschäfts – das nächste iPhone, das selbstfahrende Auto
oder der vollautomatisierte Supermarkt, können über ihr Schicksal entscheiden. Sie
müssen also wirksame Mechanismen entwickeln, um Fehler möglichst früh zu er-
kennen und „stranded assets“ sowie andere Folgeschäden in großem Umfang zu
vermeiden.
    Und selbst so genannte „Soft Spot“-Unternehmen müssen darauf achten, nicht
zu viele Fehler zu machen. Aufgrund ihres geringeren Vernetzungsgrads kosten Feh-
ler sie zwar weniger Geld, aber sie zahlen mit zwei anderen teuren Währungen: mit
Zeit und organisationaler Energie. Besonders in Märkten, die von einer kritischen
Masse bestimmt oder gar von Netzwerkeffekten kontrolliert werden, ist die „Time-
to-Market“ die härteste Währung. Hinzu kommt, dass in unsicheren Zeiten die orga-
nisationale Energie der einzig wirksame Klebstoff ist, der alles zusammen-
hält. Diese beiden Formen der Opportunitätskosten werden für ge-
wöhnlich nicht in Gewinn- und Verlustrechnungen, Budgets oder
Investitionsplänen erfasst. Die finanzlastige Ausrichtung unserer
traditionellen Controlling-Instrumente macht uns oft blind in
Bezug auf die realen Kosten, die entstehen, wenn wir uns ir-                  Die meisten
ren. Wir verpassen Chancen en masse und wir verschwenden
                                                                             Unternehmen
kostbare Energie auf Korrekturen und Rechtfertigungen.
                                                                      haben keinen
Versuch und Erfolg                                                    digitalen Kern.
Das bedeutet: nur für „Hyperscale“-Unternehmen ist Versuch
und Irrtum der richtige Weg. Für alle anderen gilt: Versuch und
Erfolg ist ein weitaus wirtschaftlicherer Ansatz (siehe Abbildung
3b).
   Sie müssen die Fähigkeit erlernen, die besseren Alternativen für ihre
Versuche auszuwählen. Sie müssen lernen, Muster wiederzuerkennen, um daraus
Schlussfolgerungen für den nächsten Versuch zu ziehen. Kurz gesagt: sie müssen

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lernen wie man schnell lernt. Darum geht es in diesem Dokument –Transformatives
Lernen zweiter Ordnung (eng.: double loop learning).
    Zum Thema der lernenden Organisation wurden in den letzten 50 Jahren tau-
sende Bücher, Artikel und Abhandlungen veröffentlicht. Am Anfang lag der Fokus
dabei eher auf technischen Aspekten. Allerdings rückten schon bald kulturelle Fra-
gestellungen, die Verhaltenstheorie und schließlich die postheroische Führungsphi-
losophie in den Vordergrund. Diese Arbeit hat einen wichtigen Beitrag zur sozialwis-
senschaftlichen Theorie und zur Organisationstheorie geleistet. Und auch bei der
Umsetzung dieser wertvollen Erkenntnisse in die Praxis hat sich inzwischen viel be-
wegt. Dennoch die Frage: Findet man dort konkreten Rat, was jetzt zu tun ist? Kön-
nen uns die Erkenntnisse der Organisationsforschung durch die unzähligen tägli-
chen Entscheidungen im Zusammenhang mit der digitalen Durchdringung unserer
Geschäfte führen – die formalen und nicht formalen, die expliziten und impliziten,
die bewussten und unbewussten - ohne die Organisation durch Angst zu lähmen?
    Höchstwahrscheinlich nicht! Denn dies würde in Zeiten schnellen Wandels, ho-
her Komplexität und größtmöglicher Unsicherheit ununterbrochen höchste Auf-
merksamkeit voraussetzen. Das kann eine Organisation faktisch nicht leisten. Diese
Aufgabe ist wie einen Pudding an die Wand zu nageln. Mit einem Nagel allein wird
das nicht funktionieren. Wir schlagen vielmehr vor, den Pudding in einen Behälter zu
geben und eine Schlaufe daran zu befestigen.

PIE: An die Wand genagelter Pudding
Unser Ansatz heißt „PIE – Predict Involve Embed“. PIE ersetzt das Höchstmaß an
ständiger Aufmerksamkeit durch eingeübte formalisierte Verhaltensmuster.
   Der Grundgedanke basiert auf Erkenntnissen darüber wie der menschliche Ver-
stand funktioniert. Wir haben die wichtigsten Erkenntnisse von solch hervorragen-
den Denkern wie Daniel Kahnemann, Amos Tversky bzw. Philip Tetlock genommen
und sie kombiniert mit empirischen Erkenntnissen aus unserer eigenen Beratungs-
praxis, angereichert mit Anwendungsbeispielen innovativer Unternehmen wie Ama-
zon oder Twitch2. Und so sieht das Ergebnis aus (Abbildung 5).

     ‣    Der Behälter: Man erstellt eine Prognose bezüglich des Ergebnisses einer
          Entscheidung, qualifiziert anhand eines Konfidenzniveaus.

     ‣    Die Schlaufe: Dabei bezieht man systematisch alle relevanten Stakeholder
          mit ein.

     ‣    Der Nagel: Schließlich verankert man das Ziel anhand formaler Verknüpfung
          der Prognose mit den Finanzplänen des Unternehmens.

2 “How our company learned to make better predictions about everything“, Danny Hernandez, Harvard Business Review May
15, 2017

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Abbildung 4
     Die Methode PIE im Überblick
     PIE verbindet empirisches, post-heroisches Vorgehen mit etablierten Managementansätzen

                                                                   Vorhersagen unter Einbezug von
                                                          P        Wahrscheinlichkeit und Konfidenz
                        Embed!
                                                                   Involviere systematisch alle relevanten
                                                           I       Stakeholder
                        Predict!

                                                                   Einbindung der Ziele und Vorhersagen
                                                          E        in die Finanz- und Umsetzplanung des
                                                                   Unternehmens
                        Involve!

                                                                                              Q: THERON ADVISORY GROUP

ABBILDUNG 4: DIE METHODE PIE IM ÜBERBLICK

Der Behälter: Predict
Das Kernkonzept von PIE ist die Erstellung einer systematischen und fundierten
Prognose über das Ergebnis von Geschäftsentscheidungen. Jede Prognose wird in
Zahlen ausgedrückt und durch ein Konfidenzniveau qualifiziert. Die Methode ist
vollständig standardisiert und verbindlich. Daraus erwächst eine Reihe von Vortei-
len:

    ‣     Prognosen werden in Form von Wahrscheinlichkeiten ausgedrückt und
          adressieren so das Thema Unsicherheit. Bei großer Unsicherheit ist effekti-
          ves Risikomanagement entscheidend für die gesamte Organisation. PIE
          macht Risikomanagement und Risikominderung zur zentralen Tätigkeit aller
          Mitglieder der Organisation.

    ‣     In Zahlen ausgedrückte Prognosen sind präzise, prägnant und einfach zu
          kommunizieren. Das spart Zeit und vermeidet formale Unsicherheit.

    ‣     Prognosen in Form von Zahlen auf einer einheitlichen Skala schaffen Klar-
          heit. Sie sind viel besser als subjektiv qualitative Begriffe wie „recht gut“,
          „ziemlich niedrig“ dazu geeignet, Kritik zu üben, Bedenken anzumelden und
          Positionen zu klären – das Lebenselixier einer lernenden Organisation.

Theron Advisory Group                         TheronSight 1/2019                                                         !9
‣   Präzision und Klarheit werden den Wunsch auslösen, Prognosen durch Pro-
                      totypen, Tests, Piloten etc. zu untermauern. Dies wiederum hilft dabei, wich-
                      tige Stakeholder zu überzeugen.

                  ‣   Quantifizierte Prognosen sind operational, d.h. wiederholt oder parallel er-
                      stellte Prognosen können leicht kumuliert oder gemittelt werden. Die Ergeb-
                      nisse zeigen klar, in welche Richtung sich ein Team bewegt.

                  ‣   Die Verwendung von Konfidenzniveaus (d.h. eine Bandbreite von Ergebnis-
                      sen, die die richtige Antwort in beispielsweise 80% der Fälle enthält) ist ein
                      wirkungsvolles Instrument, um Selbstüberschätzung zu erkennen. Selbst-
                      überschätzung tritt häufig auf, wird in der Regel aber nicht erkannt. PIE be-
                      schäftigt sich explizit damit und kalibriert die Prognosen einzelner Teammit-
                      glieder über einen bestimmten Zeitraum. PIE verhindert auf diese Weise
                      Ignoranz und orientiert Prognosen an der Wirklichkeit.

                  ‣   Hohe Spannbreiten in den Wahrscheinlichkeitsprognosen und die Zeichen
                      geringer Konfidenz, sind klare Anzeichen einer hochkomplex, vernetzten und
                      von den Mitarbeitern und dem Management nicht einschätzbaren Situation.
                      Dies ist ein Frühindikator. Rationales Management bildet solche Probleme
                      ergebnisoffen auf unterschiedliche Szenarien und parallele Aktivitäten (Pro-
                      jekte, Business Units, Teams, ..) ab. Ein heldenhaftes „Weiter so“ in eine ein-
                      zelne Richtung ist in diesen Situationen schädlich.

         Die Schlaufe: Involve
         Es ist heute beinahe unstrittig, dass es in Zeiten wachsender Komplexität keine ein-
            zelne Funktion mehr gibt, die für das Ergebnis einer Investition alleine verant-
                     wortlich sein kann. Die zwingende Konsequenz: Zusammenarbeit in
                         Teams muss hierarchische Befehls- und Kontrollstrukturen ersetzen.
                            Synchroner Dialog muss asynchrone Benachrichtigungen erset-
                              zen.
                               Alle Beteiligten arbeiten von Anfang an gemeinsam an einer
Synchroner Dialog               Sache. Es gibt keine „Leader“ und keine „Follower“. Effektive
 muss asynchrone                Teams müssen fast immer Funktionsgrenzen, Organisations-
Benachrichtigung                einheiten und Legal-Einheiten überspannen.
                                Hierarchische Berichterstattung muss der lateralen Kommuni-
    ersetzen.                  kation untergeordnet werden. Und vor allem müssen die
                              Teams ein gemeinsames Ziel verfolgen und zu identischen Leis-
                            tungsgrößen Bericht erstatten.
                          PIE kann den Wandel in diese Richtung anstoßen und ein laterales
                      Teamverhalten auf drei Ebenen festigen:

                  ‣   Einbindung führt zu präziseren Prognosen. Das Zurückgreifen auf einen gro-
                      ßen Wissenspool, z.B. von Produktmanagern, Ingenieuren, Führungskräften,

            !10                                    TheronSight 1/2019               Predict, Involve, Embed!
Wissenschaftlern, Designern und „Business Development“ hilft dabei, Pro-
          gnosen zu untermauern. Mit der Zeit lernen Teammitglieder, die Gruppenin-
          telligenz zu schätzen, da sie die Fehlerquote reduziert und das Gefühl von
          Fähigkeit und Kompetenz stärkt.

    ‣     Einbindung auf breiter Ebene ermöglicht Lernen. Ein offener Austausch un-
          terschiedlicher Ansichten, funktionsspezifischen Wissens und verschiedener
          Erfahrungen wird Teammitgliedern dabei helfen, Unterschiede wertzuschät-
          zen und ihr Wissen zu erweitern.

    ‣     Politik und fehlendes Verständnis sind Hauptursachen für Hindernisse in der
          Zusammenarbeit. Fehlendes Verständnis und verhärtete politische Fronten
          werden nicht nur durch Sprache verursacht, sondern basieren auf unter-
          schiedlichen Ansichten bezüglich der Natur der Dinge und des Funktionie-
          rens der Welt als solches. Die Wahrnehmung seitens rationaler IT-Experten
          beispielsweise steht oft im Widerspruch zur emotional geprägten Haltung
          überoptimistischer Marketing-Experten. Wenn solch unterschiedliche Grup-
          pen ihre Argumente diskutieren, hilft dies dabei, sich auf Themen und nicht
          auf einzelne Personen zu konzentrieren und ein gemeinsames Verständnis
          zu relevanten Faktoren herzustellen, das sich über alle wichtigen Funktionen
          und Rollen spannt.

Der Nagel: Embed
PIE ersetzt das oft ineffektive „Nutzen-Inkasso“ am Ende eines Projekts durch einen
kontinuierlichen, gesamtheitlichen Prozess von Diskussionen, Aktionen bis zur Er-
gebnis- und Finanzplanung.
   PIE verteilt die Verantwortung für Risiko- und Notfallplanung, die heutzutage
vom Top Management wahrgenommen wird, in die Arbeitsteams und verankert die
Steuerung von Unsicherheit, Chancen und Risiken in der täglichen Praxis aller rele-
vanten Stakeholder.

    ‣     Die Wahrheit berichten! PIE kennt nur eine einzige Quelle der Wahrheit, und
          das ist das aktuelle Prognoseergebnis. Wenn neue Informationen auftau-
          chen, müssen Prognosen überprüft und Finanzpläne entsprechend angegli-
          chen werden. Dies ist wahrscheinlich aus Sicht des Top Managements der
          am meisten schmerzhafte Teil der Veränderung.

    ‣     Die richtige Balance finden! Die Anpassung von Finanzplänen ist meist mü-
          hevoll, da sie formelle Kommunikation mit der Außenwelt des Unternehmens
          zur Folge hat. Vor diesem Hintergrund sind die Teammitglieder bemüht,
          gleich beim ersten Mal eine gute Prognose abzugeben. Sie sind bestrebt,
          ihre Prognosen auf so viele untermauernde Informationen wie möglich auf-
          zubauen. Das steigert die Qualität der Planung. Andererseits ist „Time-to-
          Market“ ein Gut, das in einem dynamischen Umfeld an Wert gewinnt. Das

Theron Advisory Group                 TheronSight 1/2019                               !11
Sammeln von zu vielen Informationen vor der Entwicklung eines neuen Pro-
       dukts bzw. eines neuen „Feature“ kann leicht Wert vernichten, indem die Tür
       für Wettbewerber geöffnet und Lernen verhindert wird. Das Management
       muss die richtige Balance finden und die Verantwortung für „Go-/No-go“-
       Entscheidungen auf Basis der vorgelegten Informationen und eigener Beur-
       teilung übernehmen.

ABBILDUNG 5: DIE ALLEINSTELLUNGSMERKMAL VON PIE

Wozu das Ganze?
Die meisten Unternehmen erstellen ständig Business Cases. Wo liegt hier der Un-
terschied zu PIE? PIE unterscheidet sich von landläufigen Business Cases in vier
Aspekten (Abbildung 6):

1. Beyond the bottom line
PIE konzentriert sich nicht ausschließlich auf das, was unter dem Strich heraus-
kommt. PIE berücksichtigt alle Elemente gesamtheitlich die „Time-to-Market“ ge-
nauso wie kritische Meilensteine im Marketing, Handlungen, technische Errungen-
schaften, etc. Alle wesentlichen Erfolgsfaktoren werden systematisch prognostiziert.

2. Unbiased
PIE deckt Verzerrungen in oft undurchsichtigen „Best/Worst Case“-Konstrukten auf,
indem wichtige Variablen unvoreingenommen entwirrt werden. Blickt man bei-
spielsweise auf die „Bottom line“, werden Kosten und Umsätze jeweils für sich be-

!12                                TheronSight 1/2019              Predict, Involve, Embed!
trachtet, und wichtige Wechselbeziehungen wie zum Beispiel das Verhältnis zwi-
schen Kosten und Umsatz werden separat analysiert. Das hilft dabei, die zugrunde-
liegenden Kosten- und Umsatztreiber und Vernetzungen besser zu verstehen.

3. Knowledge-based
PIE nutzt ausschließlich explizites Wissen und implizites Geschäftsverständnis. Die
PIE-Methode neutralisiert politische Agenden, Machtungleichgewichte, verzerrte
Datensätze und andere Faktoren, die einen Business Case oft zu einem unbrauch-
baren und sogar schädlichen Instrument machen.

4. Responsible and accountable
PIE etabliert über hierarchische Zuständigkeiten hinaus effektive Verantwortung im
gesamten Team. Anders als bei der gängigen - oft entmündigenden - Praxis, Zweit-
und Drittmeinungen zur Absicherung einzuholen und zu dokumentieren, gibt es nur
ein einziges, gemeinsames Ziel für das Team!

Was bringt PIE?
Das PIE-Konzept fokussiert Führung auf das organisationale Lernen in „Old
School“-, „Soft Spot“- und „Hard Web“-Geschäftssituationen. Solche Situationen
finden sich in nahezu jedem Unternehmen.
    Die PIE-Methode selbst ist ziemlich einfach. Sie kann viel leichter
und schneller umgesetzt werden als langwierige und schleppende
Transformationsprogramme, wenn die Führung es wirklich will.
Wie diese Programme bringt auch PIE keine schnelle Lösung.
Doch es bringt wertvolles Feedback und schafft ab dem ersten
Tag eine positive Stimmung.                                              Lernen ist die
    Um den Wert von PIE einschätzen zu können, müssen wir                aufwändigste
uns völlig darüber im Klaren sein, was der Begriff „Lernen“                Aufgabe für
aus Sicht des durchschnittlichen Mitarbeiters bedeutet: Ler-
nen ist schwierig, anstrengend, erzeugt Angst und ist zeitauf-
                                                                          Menschen.
wändig3. Es erfordert viel Energie, Aufmerksamkeit und emotio -
nale Stabilität.
    Die Digitalisierung macht das Ganze noch schlimmer, da der
Angstfaktor hier deutlich erhöht ist, und zwar aus drei Gründen:

    ‣     Lernen ist vermutlich die aufwändigste Aufgabe für Menschen. Es trägt erst
          mittel- bis langfristig Früchte. Die für Digitalisierung typische schnelle Verän-
          derung bedeutet weniger Zeit dafür, dass sich das Lernen für das Individuum
          auszahlt. Bei Personen mit geringerem Lerntempo kann das schnell ins Ne-
          gative umschlagen. Sie werden sich mit der Zeit zunehmend inkompetent
          fühlen.

3 Edgar H. Schein, Organizational Culture and Leadership, 2nd Edition, Jossey-Bass, San Francisco, 1992

Theron Advisory Group                               TheronSight 1/2019                                    !13
‣   Zunehmende innerbetriebliche Digitalisierung erzeugt Transparenz und er-
          möglicht dem Management, Fehlerquellen und deren Verantwortliche schnell
          zu identifizieren. Es gibt keinen Ort mehr, wo man sich vor individuellen Leis-
          tungsmessungen und Feedback-Mechanismen verstecken kann. Das setzt
          „fehleranfällige“ Personen stark unter Druck. Sie werden sich ständig per-
          sönlich bedroht fühlen.

      ‣   Eine in der Gesellschaft weit verbreitete negative Metapher für Digitalisierung
          ist: „Job Killer“. Man nimmt an, dass künstliche Intelligenz immer mehr in die
          Arbeitsbereiche von Personen eindringt und deren Tätigkeiten zunehmend
          übernimmt, sodass sich die Personen am Ende überflüssig fühlen.

Das fatale Produkt dieser Angsttreiber ist kaum zu überschätzen: Lernen wird zum
Stillstand kommen, wenn die Führung nicht darauf vorbereitet ist, ein geeignetes
kulturelles Umfeld zu schaffen und zu pflegen.
    PIE ist weder ein selbststartender noch ein sicherer Erfolg, da der Lernprozess
im Mittelpunkt steht. In erster Linie wollen wir ja lernen wie man möglichst gute Pro-
gnosen erstellt. Mitarbeiter sind es aber meist nicht gewohnt, in Zahlen ausgedrück-
te Prognosen zu erstellen. Teammitglieder werden sich am Anfang sehr unwohl füh-
len, wenn sie dazu aufgefordert werden. Sie werden Zweifel bezüglich der Methode
und ihrer eigenen Fähigkeiten äußern und sie werden sich fragen, welche persönli-
chen Konsequenzen diese Übung hat. PIE hat aber das Potenzial, das Herzstück
einer Lernkultur zu werden. Denn PIE adressiert alle drei Angsttreiber gleichzeitig
(Abbildung 6).

!14                                    TheronSight 1/2019               Predict, Involve, Embed!
ABBILDUNG 6: DIE VORTEILE VON PIE

Lernen wie man lernt
Lernen ist dann am effektivsten, wenn es auf regelmäßigem und klarem Feedback
beruht. Wir müssen den Überblick darüber behalten, was wir prognostiziert haben,
wir müssen Abweichungen erkennen und die Gründe dafür erklären. Jemand, der
eine Prognose erstellt, braucht Feedback aus zwei verschiedenen Quellen (Abbil-
dung 7).

1. Kausale Beziehungen
Das Ziehen von Schlussfolgerungen aus Informationen ist der Kern der Erstellung
von Prognosen. Jemand, der eine Prognose erstellt, muss die Zusammenhänge in
dem jeweiligen Bereich verstehen.
    Wie beeinflusst die Kundenzufriedenheit die Kundenbindungsrate? Was ist der
Zusammenhang zwischen Net Promoter Score und Conversion Rate? Welche Feh-
lertoleranz ist nötig, um ein Service Level von 99,9% zu gewährleisten? Ist dies eine
kausale Beziehung oder nur eine Korrelation oder nur eine fehlerhafte Wahrneh-
mung?
    Diese Art von Wissen wird in einer Organisation sowohl auf individueller als auch
auf Teamebene aufgebaut. Auf je mehr Beobachtungen aus der Vergangenheit zu-
rückgegriffen werden kann, desto solider sind künftige Prognosen untermauert und
werden Abweichungen bei aktuellen Beobachtungen identifiziert. Dies ist üblicher-

Theron Advisory Group               TheronSight 1/2019                             !15
weise eine Hauptaufgabe des Wissensmanagements. Wenn eine solche Funktion
noch nicht eingerichtet wurde, dann ist es höchste Zeit damit anzufangen!

      Abbildung 7
      Kritische Feedbackmechanismen in lernenden Organisationen

                                Äussere Welt                        Innere Welt

                                                                            Persönliche
                 Wissens-                                                   Mitarbeiter-
                management                                                  entwicklung

                Aufbau des Verständnisses                                  Vermeide Optimismus
                von Wirkzusammenhängen                                        und Pessimismus,
                im Geschäft                                                       sei realistisch!
                                                                                                Q: THERON ADVISORY GROUP

ABBILDUNG 7: FEEDBACK IN LERNENDEN ORGANISATIONEN

2. Konfidenzniveaus:
Die Konfidenzfrage lautet: „Wie sicher sind Sie sich bezüglich Ihres prognostizierten
Ergebnisses?“ Ein persönliches Konfidenzniveau gibt Auskunft darüber, wie gut je-
mand weiß, was er nicht weiß – die bekannten Unbekannten.
    Tatsächlich tendieren die meisten Führungskräfte dazu, sich zu überschätzen.
Sie glauben, jederzeit den Großteil der relevanten Fakten zu kennen. Eine solche
Tendenz führt zu überoptimistischen Annahmen, zu so genannten „Hockey Stick“-
Plänen und zu Monopol-Hirngespinsten.
    Konfidenzniveaus werden von Persönlichkeitsmerkmalen bestimmt, auch wenn
sie mit der Vertrautheit einer Person mit Wissensgebieten korrelieren. Marketing-Ex-
perten tendieren dazu, die Unsicherheit bei Marketing-Fragen zu unterschätzen,
während Fertigungsexperten dazu tendieren, dieselbe Unsicherheit zu überschät-
zen.
    Die Anpassung des persönlichen Konfidenzniveaus ist eine rein individuelle An-
gelegenheit und unabhängig vom Wissensgebiet. Eine gute Ausgangsbasis, um zu
verstehen, ob eine Person sich überschätzt oder zu vorsichtig ist, ist die Frage nach
Einschätzungen früherer Ergebnisse. „Welche Conversion Rate haben wir in dem

!16                                            TheronSight 1/2019                          Predict, Involve, Embed!
Kundensegment letztes Jahr erreicht? Bitte nennen Sie Ihr 80%-Konfidenzniveau!“
Ein 80%-Konfidenzniveau ist die Bandbreite an Schätzungen, die den richtigen Wert
in 80% der Fälle enthält. Auf Basis der Ergebnisse aus 10 bis 15 Schätzungen kann
eine Person leicht herausfinden, ob ihr Konfidenzniveau realistisch ist oder nicht.
Derselbe Ansatz wird dann auf die Erstellung von Prognosen bezüglich zukünftiger
Ergebnisse angewandt. Prognosen werden dokumentiert und schließlich mit den
tatsächlichen Ergebnissen verglichen. Mit der Zeit lernt jeder, wie Unsicherheit mit
höherer Präzision beurteilt wird. Empirische Untersuchungen zeigen, dass es durch-
schnittlich 70 Fragen braucht, um ein 90%-Konfidenzniveau einer Person zu kali-
brieren – nicht schlecht!
    Diese zwei Feedback-Mechanismen sollten formell etabliert werden, um effektiv
zu funktionieren. Normalerweise sollte eine zentrale Funktion, die für die Planung
zuständig ist, als ausgewiesene PIE-Support-Einheit dienen. Neben methodischer
Orientierung muss diese Einheit auch aus einer neutralen Perspektive den Teamauf-
bau und die Einbeziehung der Stakeholder begleiten. Teamumfang, -zusammenset-
zung und -ansatz sind entscheidend für den Erfolg. Und schließlich muss sich die
PIE-Support-Einheit darum kümmern, negative Reaktionen, potenzielle Konflikte
und störendes Verhalten abzumildern – eine heikle und extrem wichtige Aufgabe,
die ohne angemessene Haltung von Managern und Führungskräften nicht geleistet
werden kann.

Theron Advisory Group              TheronSight 1/2019                             !17
Offen sein und zuhören
Da ist noch ein sehr wichtiger informeller Erfolgsfaktor. Wir propagieren ein Füh-
rungsmodell namens „Postheroische Führung“4. Dieses Modell umfasst einige
durchaus nicht ganz einfache und mühevolle Anforderungen an Top Manager.

1. Seien Sie offen!
Laden Sie dazu ein, einen offenen Dialog zu führen, hören Sie zu und ler-
nen Sie von Untergebenen!

2. Komplexität ist ein Faktum.
Nutzen Sie Komplexität statt sie zu ignorieren! Stellen Sie sich
der Herausforderung, mit Komplexität klug umzugehen, d.h.
trennen Sie wichtige von unwichtigen Fakten basierend auf                                                    Die Epoche
einer Analyse der aktuellen Situation, statt auf angenommen                                                  der Helden
unbestrittene Wahrheiten aus jahrelanger Erfahrung zurück-
zugreifen. Lösungen, die vielleicht gestern richtig gewesen
                                                                                                             ist vorbei!
sein mögen, können heute vollkommen falsch sein.

3. Sehen Sie Unterschiede als etwas Positives!
Akzeptieren Sie Bedenken und gegensätzliche Meinungen als wert-
vollen Beitrag und betrachten Sie diese nicht als ein Zeichen mangelnder
Loyalität oder von Ignoranz.

4. Gehen Sie beim Lernen voran!
Verstehen Sie Scheitern als fruchtbaren Boden für effektives Lernen. Bestrafen Sie
nicht diejenigen, die sich irren, sondern konzentrieren Sie sich eher auf diejenigen,
die nicht bereit sind, wieder die Schulbank zu drücken!

4 Dirk Baecker, Postheroisches Management, Merve Verlag, Berlin, 1994; Dirk Baecker, Postheroische Führung, Springer
Gabler, Wiesbaden, 2015

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Die Autoren

Peter Jumpertz
Peter Jumpertz ist seit 30 Jahren meist in verantwortlicher Position und als Gründer
und Miteigentümer erfolgreicher Management-Beratungsfirmen tätig. Darüber hin-
aus hat er als Initiator und Investor eine Reihe von Start-up-Firmen im Internet-Um-
feld aus der Taufe gehoben.
    Er arbeitete schwerpunktmäßig in Europa und den USA. Sein Handwerkszeug
erhielt er bei McKinsey & Co., wo er Ende der 80er Jahre als Mitglied der weltweiten
Strategie- und der IT/Systems Praxis Methoden und Techniken für Unternehmens-
bewertung, Strategieentwicklung und Systemanalyse mitentwickelte. (peter.jum-
pertz@theron.com)

Frank Olschewski
Frank Olschewski besitzt über 20 Jahre Beratungs- und Führungserfahrung. In sei-
ner Arbeit fokussiert er auf Innovation, die Wertschöpfung in Produkt, Geschäfts-
modell und Dienstleistung, die strategische Geschäftsfeldentwicklung und den un-
ternehmerischen Wandel.
    Er hat für zahlreiche Klienten erfolgreich Strategien und Organisationen entwi-
ckelt, Effizienzsteigerungen, Prozessoptimierungen und Transformationen durchge-
führt, sowie Innovations- und F&E-Strategien im High-Tech Sektor erarbeitet und
umgesetzt.
    Er besitzt breit gefächerte internationale Erfahrung (APAC, USA, West-Europa)
und betreut erfolgreich seine internationalen Kunden vom Standort Frankfurt. (fran-
k.olschewski@theron.com)

www.theron.com

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Impressum

© 2019 Peter Jumpertz, Frank Olschewski
Theron Advisory Group GmbH
Meinekestr. 26
D-10719 Berlin

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Umschlaggestaltung: THERON Advisory Group, UNESCO

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