Langzeitnachbeobachtung - nach Hodgkin-Lymphom im Kindes- und Jugendalter-Grundlage für die aktuelle Therapiestudienplanung - Kinderkrebsstiftung
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Ulrike Hennewig, Michael Schneider, Christine Mauz-Körholz, Dieter Körholz Langzeitnachbeobachtung nach Hodgkin-Lymphom im Kindes- und Jugendalter- Grundlage für die aktuelle Therapiestudienplanung Historie Hodgkin-Lymphome stellen im Kindesalter die häu- Dörffel) mittels regelmäßiger Befragungen nach- figste Form von Lymphdrüsenkrebs dar. Die Erkran- verfolgt. Um Spätfolgen der Therapie selbst nach kung führt unbehandelt zum Tode. Seit 1978 wird 20 bis 30 Jahren noch erfassen zu können, erhielten die Erkrankung mit einer Kombination aus Chemo- ehemalige Patienten alle 3 bis 4 Jahre Fragebögen und Strahlentherapie behandelt. Seit der Therapie- zu ihrem aktuellen Gesundheitszustand. Hatten studie DAL-HD-82 werden über 98% der Patienten Patienten Erkrankungen neu angegebenen, wurden dauerhaft geheilt. Somit ist das Hodgkin-Lymphom weitere Informationen von betreuenden Ärzten ein- die am besten behandelbare Krebserkrankung im geholt, sofern die Patienten hierzu ihre Einwilligung Kindes- und Jugendalter. Allerdings sind die Spätfol- gegeben hatten. Professor Schellong und Dr. Dörffel gen der Therapie gravierend und führen nicht nur zu standen den Patienten beim Auftreten von Spätfol- einer Beeinträchtigung der Lebensqualität, sondern gen und deren Behandlung als Ansprechpartner zur auch zu einer Verminderung der Lebenserwartung, Verfügung. weshalb inzwischen die Vermeidung von Spätfolgen, Durch die regelmäßige Nachbeobachtung bei gleichzeitigem Erhalt der hohen Heilungsraten, konnten seit Beginn des HD-Spätfolgenprojektes die zentrale Fragestellung der Therapiestudien wichtige therapiebedingte Langzeitfolgen erkannt darstellt. Beim Hodgkin-Lymphom im Kindes- und werden. Dazu gehören bedrohliche Infektionen nach Jugendalter sind – im Gegensatz zu allen anderen Entfernung der Milz, Schilddrüsenerkrankungen, Krebserkrankungen – Langzeitnachbeobachtung Herz- und Gefäßerkrankungen, chemotherapie- und Planung künftiger Therapiestudien untrennbar vermittelte Schädigungen der Fruchtbarkeit und miteinander verbunden (Abb. 1). sekundäre maligne Neuerkrankungen (Zweittu- moren). In der Ausgabe WIR 4/2011 wurde darüber ausführlich berichtet. In der Ausgabe WIR 2/2015 erschien ein Bericht über das Brustkrebs-Früherken- nungsprogramm für ehemalige Patientinnen nach Strahlentherapie im Brustbereich. Beobachtungen wie die oben genannten führten dazu, dass in der nachfolgenden Therapiestudie EuroNet-PHL-C1 untersucht wurde, ob der Verzicht auf Procarbazin das Problem der therapiebedingten Unfruchtbarkeit beim Mann lösen kann. Zudem wurde in dieser Stu- die erstmals die Positronen-Emissionstomographie (PET) als neues bildgebendes Verfahren eingesetzt, um das Ansprechen der Therapie zu beurteilen. Nach den vorliegenden Ergebnissen kann demzufolge bei mehr als 50% der Patienten auf die Strahlentherapie verzichtet werden, ohne die Chancen auf Heilung zu beeinträchtigen. Hiermit verbindet sich die Hoff- Abb. 1 Beziehung zwischen Langzeitnachbeobachtung und aktueller nung, dass somit künftig bei vielen Patienten Zweit- Studienplanung tumoren sowie Spätfolgen an Herz und Gefäßen HD1-Spätfolgenprojekt 1999 - 2015 gänzlich vermieden werden können. In der aktuellen europäischen Therapiestudie EuroNet-PHL-C2 wird Seit 1999 wurden die ehemaligen Patienten der durch Fortentwicklung der PET-Auswertung der Studien DAL-HD 78-90 aus den Jahren 1978-1995 Anteil der Patienten, die ohne Strahlentherapie (Studienzentrale Münster, Leitung: Prof. Dr. Günther behandelt werden können, weiter erhöht. Zudem Schellong) und der beiden folgenden Studien GPOH- wird untersucht, ob durch eine etwas intensivierte HD 05 und HD-Intervall aus den Jahren 1995 – 2002 Chemotherapie und den Einsatz moderner, gezielter (Studienzentrale Berlin-Buch, Leitung: Dr. Wolfgang Protonentherapie die Spätfolgen der Behandlung weiter verringert werden können. Die Langzei- 1 HD = Hodgkin’s disease, englisch für Hodgkin-Lymphom 28 4/17 DLFH
tergebnisse der Therapiestudien EuroNet-PHL-C1 Zukünftig wird einmal pro Jahr ein Newsletter mit und -C2, die wesentlich für die Langzeitheilung der wichtigen Ergebnissen der Langzeitnachbeobach- Patienten sind, können nur durch die konsekutive tung erscheinen, so dass ehemalige Patienten immer Langzeitnachbeobachtung der Patienten ermittelt gut informiert sein können. Dieser Newsletter kann werden. über die aktuell im Aufbau begriffene Internetseite www.hodgkin-euronet-phl.de kostenfrei abonniert Weiterentwicklung der werden. Hier werden zudem weitere Informationen HD-Langzeitnachbeobachtung sowohl zur aktuellen Therapieoptimierungsstudie seit 2015 in Gießen „EuroNet-PHL-C2“ als auch zum „LEaHL-Register“ zu finden sein. Bis zu seinem Tod leitete Herr Professor Schellong Mittlerweile erreichen die Studienzentrale zahlrei- am Standort Münster den ersten Teil eines vom che Anfragen zu notwendigen Nachsorgeuntersu- Dachverband DLFH über viele Jahre kontinuierlich chungen, neu aufgetretenen Spätfolgen und deren geförderten HD-Spätfolgenprojekts, welches durch Behandlung sowie zu weiteren, insbesondere sozial- die Kooperation mit Herrn Dr. Dörffel in Berlin und die dort erhobenen Daten eines späteren Studienpa- tientenkollektivs ergänzt werden konnte. Im Oktober 2015 gelang es dann, mit Mandat der Fachgesell- schaft GPOH und Unterstützung der Deutschen Kinderkrebsstiftung, alle HD-Spätfolgenprojekte in Gießen, am Standort der derzeitigen Hodgkin-Studi- enzentrale unter Leitung von Herrn Professor Körholz zusammenzuführen. Dadurch konnte der wertvolle Datenschatz der HD-Spätfolgenprojekte erhalten und die weitere Langzeitbeobachtung der ehemali- gen Patienten systematisch und studienbegleitend gewährleistet werden. Im Januar 2016 wurden alle ehemaligen Patien- ten angeschrieben und um die Genehmigung zur Übertragung der Daten, zum Transfer der Studienak- Bild eines Hodgkin-Lymphoms unter dem Mikroskop te sowie um die weitere Teilnahme an dem Projekt gebeten. Insgesamt antworteten 1420 ehemalige Pa- rechtlichen Belangen. Um diesen Anfragen gerecht tienten (von 2175 lebenden Patienten mit bekannter zu werden, wurde eine ärztliche Beratungsstelle Adresse) und stimmten dem Transfer ihrer Daten zu für ehemalige Studienpatienten eingerichtet. Diese (65%). Diese Patienten waren im Mittel 34,5 Jahre alt wird ab 1.12.2017 von Montag bis Freitag unter der und wurden seit 21,4 Jahren nachbeobachtet. Telefonnummer 0641-985-43844 erreichbar sein. Die Studienakten dieser Patienten befinden sich Weitere Informationen hierzu werden in Kürze auf mittlerweile in der neuen Spätfolgen-Studien- der oben genannten Internetseite zu finden sein. Die zentrale am Universitätsklinikum Gießen. In einer Beratungsstelle wird zukünftig durch eine/n Sozial- neuerstellten, aktuellen Richtlinien entsprechenden arbeiter/in ergänzt, der/die ehemalige Patienten bei Datenbank wurden die Studien- und Verlaufsdaten Bedarf zu Fragen von Kostenübernahmen, Reha-An- zusammengeführt. In Zukunft können hier auch trägen, Einschränkung der Arbeitsfähigkeit und zu Daten weiterer ehemaliger Patienten aufgenommen weiteren Themen beraten kann. werden, welche in den nachfolgenden Therapie- studien behandelt wurden und werden. Das neue Spezialisierte Langzeitnachsorge Register wird nun unter dem Namen „LEaHL“ (Late Die Erkenntnisse aus der Langzeitbeobachtung Effects after Hodgkin Lymphoma in childhood and haben zu direkten Verbesserungen für die Patienten adolescence) geführt. in der Langzeitnachsorge und -versorgung geführt. Ein Beispiel hierfür ist das Vorsorgeprogramm zur Ausblick Früherkennung von Brustkrebs nach Bestrahlung im Im Jahr 2018 wird eine erneute Befragung der in Brustbereich für Mädchen, die nach dem 9. Lebens- der Beobachtungsgruppe verbliebenen ehemaligen jahr bestrahlt wurden. Die ehemaligen Studienleiter Patienten erfolgen, um deren aktuellen Gesund- gaben individuelle Empfehlungen zur Nachsorge, heitsstatus und eventuell neu aufgetretene Erkran- wie zum Beispiel regelmäßige Untersuchungen der kungen zu erfassen. Zusätzlich werden dabei auch Schilddrüse und der Herzfunktion. Bisher finden zum ersten Mal ca. 600 ehemalige Patienten aus den Nachsorgeuntersuchungen meist beim Hausarzt Jahren 2002 – 2005 angeschrieben, die im Rahmen und anderen niedergelassenen Ärzten statt. In einer der Therapiestudie HD-2002 behandelt wurden. Die randomisierten Studie (Start 2018) soll an mehreren Daten sollen hinsichtlich Häufigkeit und Schwere Kliniken untersucht werden, ob die Früherkennung therapiebedingter Folgeerkrankungen ausgewer- von Spätfolgen - in einem gut behandelbaren tet werden, insbesondere im Hinblick auf maligne Erkrankungsstadium - durch eine spezialisierte und Zweittumoren, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ganzheitliche Nachsorge in eigens dafür zuständi- Schädigung der Fruchtbarkeit. gen Nachsorgezentren effizienter erfolgen kann, 4/17 DL FH 29
Künftige Studienentwicklungen beim Hodgkin-Lymphom – Beziehung zur Langzeitnachbeobachtung Die Ergebnisse der Langzeitnachbeobachtung ha- ben dazu geführt, dass die Diagnostik und Therapie im Rahmen der nachfolgenden Therapiestudien stets weiter entwickelt werden konnten. Sowohl die Chemo- als auch die Strahlentherapie wurden fortlaufend verändert mit dem Ziel, die guten Heilungserfolge beizubehalten, aber Spätfolgen der Behandlung zu vermindern oder ganz zu vermeiden. So erhalten in der aktuellen 10. Therapieoptimie- rungsstudie Euro-Net-PHL-C2 nur noch ca. 20% der Patienten eine Strahlentherapie. Erstmals wird dabei der systematische Einsatz der Protonentherapie untersucht. Im nächsten Jahr soll zudem auch eine Phase II Studie zum Einsatz neuer immunologisch wirksamer Das Team der Hodgkin- Medikamente gestartet werden mit dem Ziel, die In- Studienzentrale, des als in der bisher üblichen dezentralen Weise. Dort tensität der Chemotherapie weiter zurückzunehmen. LEaHL-Registers und der Beratungsstelle könnten alle notwendigen Nachsorgeuntersuchun- Natürlich müssen auch die Langzeitnebenwirkungen für ehemalige gen und Beratungen für Patienten zeitsparend an dieser neuen Medikamente systematisch überprüft Hodgkinpatienten an der einem Tag durch geschulte Spezialisten stattfinden. werden, um mögliche Spätfolgen dieser Medika- Justus Liebig Universität Bislang ist allerdings die Kostenübernahme dieser mente zu erfassen. In der bislang vergleichsweise Gießen Untersuchungen durch die gesetzlichen Krankenkas- kurzen Nachbeobachtungsphase bei erwachsenen sen nicht geregelt. Patienten scheinen diese Medikamente eher weniger Von den Erkenntnissen dieser Studie erhoffen Nebenwirkungen zu zeigen als die eigentliche Che- wir uns künftig eine wesentliche Verbesserung der motherapie. Langzeitnachsorge ehemaliger Hodgkin-Lymphom Weitere Entwicklungen in der Studiengruppe rich- Patienten. Darüber hinaus könnten diese Erkenntnis- ten sich darauf, mittels molekularpathologischer Me- se anschließend die Grundlage für Verhandlungen thoden neue Prognosefaktoren und neue individu- mit den Kostenträgern über die grundsätzliche elle Therapieansätze für die Patienten zu erforschen. Übernahme der Behandlungskosten eines solchen Ziel hierbei ist eine weitergehende Personalisierung Vorsorgeprogramms sein. der Therapie. Motto der personalisierten Medizin ist, dass jeder Patient so wenig wie möglich, doch so viel Ziel der GPOH-HD-Studiengruppe Therapie wie nötig erhalten soll. Gleichzeitig soll die Alle an einem Hodgkin-Lymphom erkrankten Kinder Therapie individuell möglichst wirksam sein, damit und Jugendliche sollen geheilt werden und bei sehr eine langfristige Heilung ohne Spätfolgen erreicht guter Lebensqualität die gleiche Lebenserwartung werden kann. haben wie gesunde Kinder. Kontakt: Universitätsklinikum Gießen, Abteilung für Pädiatrische Hä- matologie und Onkologie, Feulgenstr. 10-12, 35394 Gießen Prof. Dr. med. Dieter Körholz (Studiengruppenleiter) Telefon: 0641/985-43421 email: dieter.koerholz@paediat.med. uni-gießen.de Apl.-Prof. Dr. med. Christine Mauz-Körholz (Leiterin der Hodg- kin-Studienzentrale) Telefon: 0641/985-43421 email: christine.mauz-koerholz@ paediat.med.uni-gießen.de Dr. med. Ulrike Hennewig (Leiterin des LEaHL-Registers und der Beratungsstelle) Telefon: 0641/985-43422 email: ulrike.hennewig@paediat. Das Spätfolgenregister LEaHL wird von der Deut- med.uni-gießen.de schen Kinderkrebsstiftung mit insgesamt 261.614 Studienzentrale (Frau Stefanie Avondtstondt) Euro über einen Zeitraum von 2 Jahren gefördert. Telefon: 0641/985-43844 email: hodgkin@paediat.med. Projektkennzeichen DKS 2017.05. uni-gießen.de Vorgängerprojekte wurden vom Dachverband Beratungsstelle Langzeitnachsorge DLFH und der Deutschen Kinderkrebsstiftung seit Telefon: 0641/985-43844 email: hodgkin-nachsorge@paediat. 1998 mit insgesamt 777.772 Euro gefördert. med.uni-gießen.de 30 4/17 DLFH
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