Lebensgeschichten auf der Haut - Pfarreiforum
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
07/2021 Pfarrblatt Bistum St.Gallen www.pfarreiforum.ch Lebensgeschichten auf der Haut Warum lassen sich heute so viele Aus für «Kloster zum Mitleben» Seite 9 (religiöse) Bekenntnisse auf die Haut tätowieren? Und welche Ostschweizer Dokfilm Geschichten erzählen sie? über Zuversicht Seiten 2 – 7 Seiten 10 – 11
Editorial Inhalt Jeden Sommer, wenn die Mäntel und Pullover THEMA zuhause bleiben und alle wieder mehr Haut zeigen, sind noch mehr Rücken, Arme und Beine tätowiert. Das Leben unter Welches Tattoo-Motiv würden Sie sich auf die Haut die Haut gemalt Seiten 3 – 6 stechen lassen? Einen Spruch, ein abstraktes Symbol oder sogar ein religiöses Bekenntnis? Egal welches Der Zeichensetzer Geschlecht, welches Alter oder welche Berufs mit Tiefgang Seite 7 gattung – Menschen aus allen Milieus haben heute Tattoos. Die Vorurteile gegenüber Menschen mit «Ich wuchs Tattoos sind in den letzten Jahren verschwunden. glücklich auf» Sowieso: Tätowierungen sind keine Erfindung aus der Seite 8 Gegenwart, selbst in der christlichen Spiritualität gab es vor Jahrhunderten schon die Tradition, sich etwas Abschied vom auf die Haut stechen zu lassen. Christliche Gläubige, Kloster Rapperswil Seite 9 die nach Jerusalem pilgerten, liessen sich am Ziel ein Pilger-Tattoo stechen. Diese Tradition besteht bis Neuer Film von heute. Thomas Lüchinger Seiten 10 – 11 Die meisten entscheiden sich nach reiflicher Über- legung für ein Tattoo – egal, wie gross es wird oder auf welcher Partie des Körpers es landet. Christoph Brems (S. 3 – 7) bezeichnet Tätowierungen als «Kommunikationsmittel». Häufig stecken hinter ihnen spannende Lebensgeschichten. Warum nicht diese Gesprächseinladung annehmen und vielleicht auch gerade in der Badi andere auf ihr Tattoo ansprechen? Leserfrage Seite 11 Kinderseite Seite 12 Nachrichten Seite 13 Medientipps & Agenda Seiten 14 – 15 Meine Sicht Titelbild: Ana Kontoulis Stephan Sigg Seite 15 Leitender Redaktor sigg@pfarreiforum.ch Zu Besuch in … Seite 16 2 P FA R R E I F O RUM
TÄTOWIERUNGEN Das Leben unter die Haut gemalt Ob auffällig oder → fein und kaum sichtbar: Tätowie rungen symboli sieren für viele Personen wie etwa Matthias Wenk das, was ihnen am wichtigsten im Leben ist. Text: Nina Rudnicki / Stephan Sigg Bilder: Ana Kontoulis Ob ein Löwe auf dem Oberarm, eine Trauerweide auf dem Unterschenkel oder Jesus auf dem Rücken: Das Pfarreiforum hat drei Personen aus dem Bistum St.Gallen gefragt, was ihnen ihre Tätowierungen bedeuten und warum sie sich für diese Motive entschieden haben. L änger als zwei Stunden am Stück hältst du Monat Gestalt an. «Ich habe mich bewusst dafür decken. «Das alte Tattoo hatte ich mir vor zwan- das nicht aus, das ist sehr schmerzhaft», entschieden, dass das Tattoo über einen längeren zig Jahren stechen lassen. Da war ich ein ganz sagt Christoph Brems aus Grub SG (siehe Zeitraum entsteht. Es muss nicht von heute auf anderer Mensch und an einem ganz anderen Titelseite). Es ist bereits sein siebter Termin im morgen fertig sein.» Er hat dem Tätowierer kei- Punkt im Leben», erzählt Brems. Bei einem Un- St. Galler Tattoo-Studio von Pele Brunner. Das Je- ne einfache Aufgabe gestellt: Es handelt sich um tersuch kam vor einigen Jahren heraus, dass er sus-Motiv auf seinem Rücken nimmt Monat für ein Cover-up – das neue Tattoo soll ein altes über- zeugungsunfähig sei. Und jetzt ist er doch vor 3
TÄTOWIERUNGEN → Auf seine Täto wierungen wird Matthias Wenk selten angespro chen. Er sagt: «Für Kinder und Jugendliche scheint es nichts Aussergewöhnli ches zu sein und ältere Personen erlebe ich dies bezüglich als sehr dezent.» zwei Jahren Vater einer Tochter geworden. «Das und feine Tätowierung gefiel mir so gut, dass ich stift-Punkte. Erst nach einiger Zeit realisierten war für mich ganz klar ein Zeichen», sagt er, «ich wusste, dass ich etwas Ähnliches haben wollte», sie, dass es sich um eine Tätowierung handelt und habe durch dieses Ereignis zum Glauben zurück- sagt der St. Galler Seelsorger. Die drei Punkte hät- fragten nach», sagt Matthias Wenk. Er erhalte al- gefunden. Bei der Taufe meiner Tochter ist mir ten auf den ersten Blick symbolisiert, was für ihn lerdings nur selten Reaktionen auf seine Tätowie- bewusst geworden, dass ich jetzt ein ganz ande- zu den wichtigsten Dingen im Leben gehört. «Sie rungen. «Für Kinder und Jugendliche scheint es rer Mensch bin und dies auch mit einem klaren stehen für die Dreifaltigkeit und das christliche nichts Aussergewöhnliches zu sein und ältere Zeichen sichtbar machen möchte. Es Personen erlebe ich diesbezüglich stand für mich schnell fest, dass ich als sehr dezent.» Dann erzählt er mir ein christliches Symbol auf den «Die Haut ist unsere von einem Vater, den er an einem Rücken stechen lassen möchte.» On- Verbindung zur Umwelt. Taufgespräch kennengelernt hatte. line machte er sich auf die Suche Dieser sei so begeistert von der Be- nach geeigneten Motiven. «Doch es Wieso sollten wir sie nicht deutung der Tätowierung gewesen, war gar nicht so einfach, einen Tä- für Botschaften nutzen?» dass er ihm nach der Taufe eine ge- towierer zu finden», erklärt der rahmte Zeichnung der drei Punkte 54-Jährige, «mehrere sagten mir ab, weil sie sich Verständnis von Gott. Zugleich stellen sie die drei sowie der Worte Glaube, Liebe, Hoffnung ge- das Cover-up nicht zutrauten.» Das Motiv auf sei- Werte Glaube, Liebe und Hoffnung dar, wie sie schenkt habe. nem Rücken sei ein deutliches Statement. «Für Paulus im Hohelied der Liebe beschreibt», sagt mich haben Tattoos auch mit Kommunikation zu er. «Und dann symbolisieren die drei Punkte auch Der Leib als Gottes Tempel tun. Sie teilen anderen mit, was einem wichtig meine Familie, also meine Frau, meine Tochter Tätowierungen sind für Matthias Wenk eine ist oder woran man sich orientiert.» und mich.» Wenn Matthias Wenk nicht über die Möglichkeit, über seinen Körper nach aussen zu drei Punkte, die er sich mittlerweile oberhalb des tragen, was ihm wichtig und was bleibend ist. Drei Punkte als Dreieck zwischen Daumen und linken Handgelenks hat tätowieren lassen, spre- «Die Haut ist unsere Verbindung zur Umwelt. Zeigefinger: Diese Tätowierung sah Matthias chen würde, würden diese einem kaum auffallen. Wieso sollen wir sie also nicht für Botschaften Wenk vor drei Jahren auf dem Handrücken einer «Meine Schülerinnen und Schüler im Religions- nutzen?», sagt der 44-Jährige. Ob die Bibel dies Mitarbeiterin in einer Berliner Bar. «Diese kleine unterricht dachten anfangs auch, es seien Filz- nun gutheisse oder nicht, sei für ihn nicht rele- 4 P FA R R E I F O RUM
TÄTOWIERUNGEN vant. «So heisst es in der Bibel, der Leib sei Got- thias Wenk zu. Damals war er Theologiestudent nach aussen zu zeigen, was ihr wichtig ist. «Ich tes Tempel. Wenn wir diesen Tempel also ver- an der Universität Münster in Westfalen. In den wusste schon mit 18 Jahren, dass ich mir mein schönern, dann ist das in meinen Augen eine Büchern der Bibliothek suchte er nach Symbolen, Sternzeichen, den Skorpion, tätowieren lassen Aufwertung. Auch die Kirchen sind ja nicht leer, die ihm gefallen könnten. Schliesslich entdeckte möchte», sagt die 46-Jährige, die als Jugendar- sondern mit Wandmalereien verziert.» Abgese- er im Markusevangelium eines Codex aus Irland beiterin in der St. Galler Pfarrei St. Otmar arbei- hen davon sei ihm das Körperliche nicht so wich- einen Löwen, der Kraft und Freiheit symbolisier- tet. «Skorpione gelten als schwierig, stachelig tig, dass er Angst habe, seine Tätowierungen te. Das Tätowieren selbst wurde blutig. «Vom vie- und giftig. Aber ich war schon immer gerne so könnten eines Tages nicht mehr so gut aussehen. len Blut auf meinem Oberarm verwischte die gan- wie ich bin und wollte mit der Sternzeichentäto- Etwas anders sehe das seine 16-jährige Tochter, ze Zeichnung, so dass meine Freundin meinte, sie wierung zeigen, dass ich stolz darauf bin.» Bis die ihn regelmässig zu Krafttraining überreden müsse die Tätowierung freihand vollenden. Da sich Andrea Richner tatsächlich tätowieren liess, möchte, damit seine Tätowierungen vergingen allerdings 15 Jahre. Zu- auch in zwanzig Jahren noch gut nächst galt es, ein Symbol des Skor- aussehen. «Ich merke, dass viele pions zu finden, das ihr gefiel. Dar- Jugendliche Tätowierungen auf stiess sie per Zufall in einem Als erste Person Magazin, in welchem der Skorpion tätowiert als eine Form verstehen, um als Schriftzeichen dargestellt war. Auf seinem Oberarm trägt Matthias Lebensfreude auszudrücken.» Nochmals einige Zeit brauchte sie, Wenk seine erste Tätowierung. Die- um sich für ihren Hals als passende se liess er sich als Mitte 20-Jähriger von einer sie Zeichnungslehrerin war, vertraute ich ihr», Stelle für die Tätowierung zu entscheiden. Freundin stechen. «Sie war Kunstlehrerin, sagt Matthias Wenk. Bereut hat er das bis heute schnitzte Birkenhäuschen und brachte sich im- nicht. Jahrelang auf Suche mer wieder andere kunsthandwerkliche Techni- Mittlerweile hat Andrea Richner vier Tätowie- ken bei, bevor sie sich selbst zur Tätowiererin Sich selbst sein rungen. Nebst dem Skorpion auf ihrem Hals, zie- weiterbildete», sagt er. Als sie nun nach einer Per- Wie für Matthias Wenk sind Tätowierungen auch ren ein Kreuz, ein Herz und ein Anker ihren son für ihre erste Tätowierung suchte, sagte Mat- für Andrea Richner aus Staad eine Möglichkeit, Oberarm. Auf ihrem Unterarm ist ihr Lebensmot- → Immer auf sich tragen zu können, was einem wichtig ist, ist für A ndrea Richner einer der wichtigsten Gründe für eine Tätowierung. 5
TÄTOWIERUNGEN → Christoph Brems hat die Vorlage für sein neues Tattoo online gefunden. Es ist für ihn ein Glaubens bekenntnis. to Carpe Diem zu sehen. Und auf dem Unter- Bedeutung, ob ich Schmerzen hatte oder ob ich ewigen lassen wollten. «Mein Sohn tätowierte schenkel sind eine Trauerweide und Vögel zu se- es wieder tun würde», sagt sie. «Und ich merke, sich einen Fussabdruck von Flo auf den Ober- hen, die wegfliegen. «Gemeinsam ist allen meinen dass viele Jugendliche Tätowierungen als eine schenkel, während sich meine Tochter für einen Tätowierungen, dass ich immer zuerst den Form verstehen, um Lebensfreude auszudrü- Schriftzug mit Herz auf ihrem Brustkorb ent- Wunsch nach einer neuen Tätowierung hatte, be- cken.» Kürzlich wurde Andrea Richner während schied», sagt sie. Auch für Andrea Richner wird vor ich wusste, welche Körperstelle ich tätowie- einer Wanderung von einer älteren Frau auf ihre es wahrscheinlich die nächste Tätowierung sein. ren wollte. Das ging einher mit dem Wunsch, Oberarmtätowierung angesprochen. Dieser ge- Wie genau diese aussehen wird, weiss sie aber dass ich etwas neues oder besonderes ausdrücken fiel vor allem die Idee, ein Holzkreuz auf diese noch nicht. wollte», sagt sie. Oft seien aber Jahre vergangen, Weise mit sich zu tragen. «Für mich persönlich bis sie eine konkrete Form dafür gefunden habe. symbolisiert das Holzkreuz zusammen mit dem Immer auf sich tragen zu können, was einem «Hatte ich mich für ein Motiv entschieden, stell- Herz und dem Anker ‹Glaube, Liebe und Hoff- wichtig ist, ist für Andrea Richner einer der wich- te sich immer die Frage, wo ich es würde tätowie- nung›. Meine Liebe zu Jesus, die Hoffnung auf die tigsten Gründe für eine Tätowierung. Die Trau- ren lassen», sagt sie. Auferstehung und den Glauben an mich selbst erweide mit ihren zartgrünen Blättern im Früh- und an meine Kinder, etwa dass sie ihren Weg ling ist für sie der schönste Baum, den es gibt. Lebensfreude ausdrücken gehen werden», sagt sie. Ihre Kinder – die Vögel – sind für sie das Wich- Auf ihre Tätowierungen angesprochen zu wer- tigste. «Ich lebe im Hier und Jetzt. Wenn ich mich den, stört Andrea Richner nicht. «Für die Ober- Das Lebensmotto vor Augen beschreiben müsste, würde ich sagen, ich bin stufenschüler und -schülerinnen ist es kein The- Für Andrea Richner ist jede Tätowierung einzig- eine, die immer schaut, was sie aus einer Situati- ma. Sie sind in einem Alter, in dem sie das einfach artig. Gerade das Einzigartige kann aber auch das on machen kann. Eine, die reagiert», sagt And- nicht interessiert», sagt sie. Anders sei dies hin- Verbindende sein. Als Beispiel erzählt sie von ih- rea Richner und streicht über ihren Unterarm. gegen in den Jugendverbänden, wo Andrea Rich- rem Familienhund Flo. Als dieser vor einigen Jah- Carpe Diem – nutze den Tag – steht dort. «An die- ner als Präses mit Jugendlichen ab 16 oder 17 Jah- ren starb, war ihr und ihren vier erwachsenen ser Stelle kann ich mein Lebensmotto immer se- ren zu tun hat. «Oft fragen sie mich nach der Kindern klar, dass sie Flo auf ihrem Körper ver- hen», sagt sie. 6 P FA R R E I F O RUM
TÄTOWIERUNGEN Der Zeichensetzer mit Tiefgang Ein Engel, ein Kreuz oder Jesus in die Haut stechen lassen? – Anfragen, die dem renommierten Tätowierer Pele Brunner nicht unbekannt sind. «Oftmals stecken hinter diesen Tattoo-Motiven Geschichten von Menschen, die sich im Umbruch befinden und ihr persönliches W ertesystem sichtbar verewigen möchten», so der St. Galler. T attoos sind längst nicht mehr ein State- Verewigte Lebenswendungen Sinn. Er befindet sich viel mehr an einer persönli- ment gegen das Spiessertum: «Ich sehe Zäsuren wie Trennungen, Krankheit, die Geburt chen Schwelle, die er so verarbeitet und auf der sie eher als Tagebuch auf der Haut», so des eigenen Kindes oder Volljährigkeit sind die Haut in sein Tagebuch eintragen will», hält der Tat- Pele Brunner. Der 55-Jährige ist einer der dienst- häufigsten Gründe, weshalb sich jemand bei Pele too-Altmeister fest. Viele seien wohl froh, in Zei- ältesten Ostschweizer Tätowierer und hat die Brunner ein Tattoo stechen lassen will. «Das Gros ten der Ungewissheit wenigstens in diesem Le- Szene über Jahrzehnte wesentlich mitgeprägt. meiner Kunden lässt sich in zwei Gruppen eintei- bensbereich alles unter Kontrolle zu haben. Knapp zwanzig Jahre lang hat er das Tattoo-Stu- len: Da ist einerseits die jüngere Klientel, die mit dio «Skin Deep Art» beim St. Galler Marktplatz einem Tattoo ihre Unabhängigkeit und Selbstbe- Letztes Tattoo: Lotusblume geführt und dieses per Ende 2020 verkauft. Seit- stimmung zeigen will. Und dann gibt es viele Ü50- Beim eigenen Körper wird Pele Brunner in Sa- her arbeitet er alleine in einem Studio an der Spi- er, die sich im Umbruch in eine neue Lebensphase chen Tattoos immer zurückhaltender. Das sergasse, das mehr an eine Privatwohnung als an befinden.» Es gehe den meisten darum, das per- letzte – eine Lotusblume auf dem linken Unter- ein Tattoo-Studio erinnert. «Meiner schenkel – liess er sich vor zwei Jah- Gesundheit zu liebe habe ich vor ren machen. Die Blüte steht für zwei Jahren damit begonnen, mein «Er befindet sich viel mehr an Transformation, Reinheit, Liebe und Leben zu entschleunigen.» Der rast- spirituelle Erleuchtung. «Ich stelle lose Lebemensch von einst ist einem einer persönlichen Schwelle, in meinem persönlichen Umfeld reflektierten Mann gewichen, der die er so verarbeitet.» fest, dass viele in meinem Alter an mit sich im Reinen zu sein scheint. einem ähnlichen Punkt stehen und «Das Tattoo-Handwerk fasziniert mich noch im- sönliche Wertesystem auf der Haut zu verewigen. mit ihren neuen Tattoos ein andauerndes Zeichen mer. Nun kann ich mich aber wieder mehr auf die Ab und zu geschieht dies in Form von religiösen setzen, wofür sie stehen und wie sie gesehen Essenz konzentrieren und mich stärker mit der Symbolen. So lässt sich aktuell ein Kunde von Pele werden möchten.» tieferen Bedeutung und dem Erlebnis des Täto- Brunner ein rückendeckendes Bild stechen mit Je- wierens befassen», schildert der St. Galler seine sus, Kreuz, Rosenkranz und Totenkopf. «Dieser Text: Rosalie Manser Beweggründe, sich beruflich neu zu ortieren. Mann ist kein religiöser Mensch im klassischen Bild: Ana Kontoulis Pele Brunner hat → sein Leben in den vergangenen zwei Jahren umge krempelt. In sei nem Einmann- Studio kann er sich intensiver mit seinen Kunden und deren Wünschen aus einandersetzen. 7
AKTUELL «Ich wuchs glücklich auf» «Bauen wir eine Welt, in der die Kinder leben können.» So das Credo von Walter Robert Corti, der vor 75 Jahren das Kinderdorf Pestalozzi in Trogen ins Leben rief. Eine der ersten Bewohnerinnen der Institution, die Kriegskindern und -waisen eine neue Heimat gab, war Leena Gemperle. Am 24. Mai 1948 kam die heute 82-Jährige in Trogen an. W ir lebten im finnischen Haus Jukola ten als Friedensbotschafter in die Heimat zurück Wir haben uns nie aus den Augen verloren und sehr geborgen wie eine grosse, und sich dort für ein friedliches Zusammenleben besuchen uns regelmässig in unseren jeweiligen zwanzigköpfige Familie», fasst Lee- – unabhängig von Herkunft oder Religion – enga- Heimatländern.» Ihre Kindheit und Jugend in na Gemperle ihre Zeit im Kinderdorf Pestalozzi gieren. Leena Gemperle erhielt nach der Sekun- Trogen habe sie zu einem unvoreingenommenen zusammen. Die heute 82-Jährige hatte keinen darschule eine Ausnahmebewilligung. Da es für Menschen wachsen lassen. «Diesen Geist spüren einfachen Start ins Leben. Mitten in die Wirren sie damals in Finnland keine Ausbildungsmöglich- wir auch bei unseren Kindern und Enkelkin- des Zweiten Weltkrieges auf einer kleinen Insel keit als Schneiderin gab, durfte sie während ihrer dern.» Die Idee von Kinderdorfgründer Walter im Südwesten Finnlands geboren, war sie zusam- Lehrzeit an der Frauenarbeitsschule in St. Gallen Robert Corti trägt augenscheinlich auch nach men mit ihren drei älteren Geschwistern schon weiterhin im Kinderdorf leben. Während den Mit- 75 Jahren ihre Früchte. bald auf sich alleine gestellt: Der Vater fiel 1940 tagspausen in St. Gallen lernte sie ihren späteren an der Ostfront. 1946 starb nach langer Krank- Ehemann Norbert kennen. Text: Rosalie Manser heit auch die Mutter. «Wir hatten einen kleinen Bild: Carmen Wueest, Appenzeller Verlag Bauernhof, mit dem wir uns selbst versorgten. Beste Freunde sind Ehemalige Nach dem Tod unserer Mutter suchte die Gemein- Nach der Lehre musste Leena Gemperle für rund de nach einer Lösung für mich und meinen zwei ein Jahr zurück in ihre alte Heimat, weil sie noch 75 JAHRE KINDERDORF Jahre älteren Bruder Pertti.» Die ältesten zwei nicht 21 Jahre alt und somit nach damaligem Geschwister waren damals schon fast volljährig. Recht nicht volljährig war. «Obwohl es schön Aufgrund des Zweiten Weltkrieges rief war, die Geschwister und Verwandten wieder der Schriftsteller Walter Robert Corti Keine exotischen Samis einmal zu sehen, sehnte ich mich nach meinem 1944 zur Schaffung eines Dorfes für Das Angebot aus der Schweiz, finnische Waisen- Leben in der Schweiz zusammen mit Norbert.» Kriegskinder auf. 1945 konnte die kinder im Kinderdorf Pestalozzi aufzunehmen, Mit ihm zog sie vier Kinder gross. Seit einigen «Vereinigung Kinderdorf Pestalozzi» erwies sich für Leena Gemperle als Glücksfall, Jahren wohnen Leena und Norbert Gemperle am gegründet werden. Aktuell ermöglicht auch wenn ihr damals das Verlassen ihrer Heimat Bodensee. Auch wenn die Zeit im Kinderdorf Pes- die Stiftung in zwölf Ländern Kindern sehr schwerfiel. Im Mai 1948 ging es zusammen talozzi lange zurückliegt, sind Leena Gemperle den Zugang zu Bildung. mit Pertti, einem Lehrerehepaar und 14 anderen diese elf Jahre nach wie vor in bester Erinnerung. Kindern via Helsinki mit dem Schiff nach Stock- «Unsere engsten Freunde sind ehemalige Bewoh- → www.pestalozzi.ch holm, von dort per Bahn durch Deutschland bis nerinnen und Bewohner des Pestalozzi-Dorfes. nach Basel. Dort ass Leena Gemperle nach einem Gesundheitscheck zum ersten Mal in ihrem Le- ben eine Orange und eine Banane. Danach folg- te die letzte Etappe nach Trogen. «Fast das gan- ze Dorf empfing uns am Bahnhof. Die Leute dachten, wir kämen aus Lappland und dass wir die bunten, samischen Trachten tragen würden. Sie waren fast ein wenig enttäuscht, als ganz nor- mal aussehende Blondschöpfe aus dem Zug aus- stiegen.» Sprache und Traditionen Leena Gemperle und die übrigen finnischen Kin- der zogen ins Haus Jukola ein. Einem Lehrerehe- paar aus der Heimat oblag die Leitung des Hauses. «Die beiden wurden schnell zu unseren empathi- schen Ersatzeltern. Es war eine sehr schöne Zeit. Wir hatten alle unsere Ämtli, assen und spielten zusammen und gab es Probleme, wurden diese ge- meinsam am Tisch besprochen. Alle zwei Jahre durften wir in den Sommerferien nach Hause rei- sen. Das andere Jahr ging ich in den Landdienst.» Der Unterricht erfolgte nach dem finnischen Lehr- plan und auch die Traditionen und Bräuche aus der Heimat wurden in Trogen hochgehalten. Die volljährigen Bewohnerinnen und Bewohner soll- Leena Gemperle mit einem Bild, das sie im Mai 1948 auf ihrer Reise nach Trogen zeigt. → 8 P FA R R E I F O RUM
AKTUELL Sr. Rosmarie (links) und Sr. Ursula verlassen Ende August das Kloster Die beiden Ordensfrauen haben in Rapperswil viele Menschen → → Rapperswil. Es warten neue Herausforderungen auf sie. begleitet. Im Bild: Blick von der Kloster-Terrasse auf den Zürichsee. «Der Abschied fällt nicht leicht» Sr. Rosmarie und Sr. Ursula nehmen Abschied vom Kloster Rapperswil: Das Angebot «Kloster zum Mitleben» wird in diesem Sommer eingestellt – trotz grosser Nachfrage. Damit endet eine 23-jährige Zusammenarbeit zwischen Menzinger-Schwestern und den Kapuzinern. E in Sommertag wie aus dem Bilderbuch. Zeit für Gäste hochbetagt. «Ich freue mich auf die Kontakte mit Die beiden Menzinger-Schwestern Rosma- Viele Suchende aus der Schweiz, aber auch aus den älteren Mitschwestern. Ich möchte mir Zeit rie Sieber und Ursula Raschle setzen sich dem benachbarten Ausland verbrachten kürzere für sie und ihre Lebensgeschichten nehmen», so auf die Terrasse des Klosters. Beim Blick auf den und längere Aufenthalte im Kloster Rapperswil. Sr. Ursula. «Wir lassen uns nochmals ein auf ei- Zürichsee beginnen sofort die Erinnerungen an Die Menzinger-Schwestern haben sie begleitet nen neuen Ort, auf eine neue Gemeinschaft und ihre Jahre im Kloster Rapperswil zu sprudeln. und in den Seelsorgegesprächen viel über die eine neue Aufgabe – natürlich ist das in unserem «Der Abschied fällt nicht leicht», sagt Sr. Ursula, Nöte und Sehnsüchte erfahren. «Die Nachfrage Alter auch ein Wagnis.». In Rapperswil hätten sie gebürtige Ostschweizerin, «doch jetzt ist Zeit für nach solchen Angeboten ist ungebrochen», sagt ein sehr selbstständiges und unabhängiges Leben etwas Neues.» Nach rund dreissig Jahren wird Sr. Ursula, «für viele ist es eine ganz wichtige Er- geführt. «Jetzt müssen wir uns wieder mehr in das Angebot «Kloster zum Mitleben» beendet. fahrung, dass jemand Zeit für sie hat und ihnen die Hierarchie einfügen», ist sich Sr. Rosmarie be- 2022 soll ein neues Angebot starten (siehe Kas- zuhört. Manche verstanden selbst nicht, wie wusst, «daran werde ich mich zunächst wieder ten). «Die Verantwortlichen hätten es begrüsst, gross ihr Bedürfnis war, endlich mal alles erzäh- gewöhnen müssen.» Auch wenn vieles noch un- dass wir weiterhin dabei sind», hält Sr. Ursula len zu können.» Es habe die beiden überrascht, klar sei, lassen sie sich vertrauensvoll auf das fest, «aber wir haben gemerkt, dass jetzt jünge- was der Aufenthalt im Kloster bei manchen Gäs- Neue ein: «Auch die Mutter Bernarda Heimgart- re Kräfte am Zug sind. Zudem schien es uns sinn- ten bewirkte und dass selbst in der kurzen Zeit ner, die Gründerin unserer Gemeinschaft, wag- voller, dass die Neuausrichtung auch von neuen eine Veränderung wahrnehmbar war. Mit man- te immer wieder Aufbrüche und Neuanfänge. Sie Verantwortlichen begleitet und geprägt wird.» chen blieben sie auch noch nach ihren Aufenthal- ist für mich ein Vorbild, das mir Mut macht», sagt ten im Kontakt – per Mail und Telefon. Eines hat Sr. Ursula und Sr. Rosmarie ergänzt: «Und wir Innovatives Modell nicht nur die Gäste, sondern auch die beiden dürfen darauf vertrauen, dass der Heilige Geist Vor 23 Jahren begann in Rapperswil ein innovati- Schwestern immer wieder beeindruckt: «Das uns unterstützt.» ves Kloster-Modell: Zwei Ordensfrauen leben ge- Kloster liegt zentral, ganz nah bei den Menschen. meinsam mit den Kapuzinern. Das war nicht nur Doch sobald man die Klostertür hinter sich ge- Text: Stephan Sigg damals ein Novum. Dieses besondere Modell ist bis schlossen hat, ist man wie in einer anderen Welt.» Bild: Stephan Sigg heute einzigartig in der deutschsprachigen Klos- terlandschaft. «Wir haben uns immer sehr wohlge- Neue Aufgaben fühlt, wir erlebten das Miteinander wie Geschwis- Dem Neustart sehen die beiden Ordensfrauen op- NEUES ANGEBOT AB 2022 ter», sagt Sr. Rosmarie. Doch wie viele Klöster timistisch entgegen. Der Ortswechsel biete die wurde auch die Gemeinschaft in Rapperswil in den Chance für einen klaren Bruch. Sr. Rosmarie zieht Auch in Zukunft soll das Kloster letzten Jahren älter und kleiner. Manche Brüder zo- in die Zentrale der Menzinger-Schwestern in Rapperswil ein «Kloster zum Mitleben» gen in andere Klöster. «Wir mussten aufpassen, Menzingen ZG. Dort soll sie Aufgaben im Bereich sein. Das neue Konzept ist aber noch in nicht immer mehr in eine klassische Frauenrolle ge- Kommunikation verantworten. Sr. Ursula wird Entwicklung. Künftig soll das Projekt drängt zu werden», hält Sr. Rosmarie fest, «bei- künftig im Mariaheim in Einsiedeln leben, wo sie noch stärker ökumenisch ausgerichtet spielsweise verliess uns der Koch und plötzlich wa- die Leitung der Gemeinschaft übernehmen wird. sein. ren wir auch noch für die Küche zuständig.» Fünfzehn Schwestern leben dort, einige schon 9
AKTUELL 13 Geschichten über Hoffnung «Durch den Lockdown fühlte ich mich komplett blockiert, wollte aber nicht resignieren», sagt der St.Galler Regisseur Thomas Lüchinger. Er erzählt, wie ihn dies auf die Idee für seinen neu- en Film «Zuversicht – 13 kurze Geschichten aus der Nachbarschaft» brachte. D er neue Dokumentarfilm «Zuversicht» Thomas Lüchin → des St. Galler Filmemachers Thomas Lü- gers Enkelin Liv Zemp, die Pup chinger beschäftigt sich mit Menschen, penspielerin Kath die in Brüchen leben und wie sie damit umgehen. rin Bosshard und Entstanden ist das Projekt aus der Not: Lüchin- der 93-jährige Godi Zesiger sind ger musste zwei seiner Filmprojekte wegen der drei der Protago Corona-Pandemie und des Lockdowns im Früh- nisten und Prota ling 2020 abbrechen. «Ich fühlte mich komplett gonistinnen im Dokumentarfilm. blockiert, wollte aber nicht resignieren», sagt der 67-Jährige. In der Zeitung las er einen Bericht da- rüber, dass vor allem Jugendliche unter der Situ- ation leiden und depressiv werden würden und es kaum genügend Therapieplätze gebe. «So kam ich auf die Idee, Menschen in meinem Umfeld zu fragen, was ihnen in dieser schwierigen Zeit Zu- versicht gibt», sagt er. In seiner Nachbarschaft und über die sozialen Netzwerke suchte und fand Lüchinger die verschiedenen Protagonisten und Protagonistinnen seines Filmes. Wie der Saft im Frühling Da ist etwa die Herisauer Puppenspielerin Kath- rin Bosshard. Mit ihren Puppen zeigt sie dem Pu- blikum die verschiedenen Seiten von uns allen auf. Da ist etwa der Maulwurf mit dunkler Son- nenbrille, der alles pessimistisch sieht. Die Maus hingegen glaubt an die Liebe. Sie sieht sich als Macherin und nicht als Opfer. «Beide Puppen sind ein Anteil von mir. Wenn ich zu lange recherchie- re, dann denke ich, scheisse», sagt sie. Die Maus hingegen sei wie der Saft im Frühling, der wie- der aus den Bäumen herauskomme. Auf die Be- deutung des Wortes Zuversicht angesprochen, lacht Kathrin Bosshard und dreht sich auf ihrem Stuhl kurz zur Seite. «Wenn ich dieses Wort höre, dann löst das bei mir fast schon ein Stressgefühl aus. Weil, das impliziert ja schon, dass etwas nicht gut ist», sagt sie. Es sei kein Wort, das sie gern habe. Im Dialog mit dem Publikum kenntnis, dass sie auch heil werden könne, auch Vom Winter in den Frühling Wie Kathrin Bosshard sprechen auch die ande- wenn sie stirbt. Während des Films beginnt der Schnee zu tauen ren Protagonisten und Protagonistinnen vor und im Abspann beginnt schliesslich der Früh- schwarzem Hintergrund. Das erweckt den An- Auch den 93-Jährigen Godi Zesiger filmt Lüchin- ling. «Der Schnee steht für den Prozess der Wand- schein, als ob sie mit den Kinogästen in einen di- ger in und vor seinem verschneiten Appenzeller- lung», sagt Lüchinger. Auch sein Film zeige zu- rekten Dialog treten. Dazwischen sind Szenen haus. Er erinnert sich an seine Jugendliebe Klär- nächst Szenen aus dem Hospiz St. Gallen zum aus ihrem Alltag zu sehen sowie verschneite Win- li, die unerwartet starb während er im Thema Tod und ende mit dem Interview mit der terlandschaften. In der ersten Hälfte des Films Militärdienst im Tessin war. Er habe nur noch ge- Hebamme Sonja Koller. Nebst diesem Handlungs- bahnt sich etwa die Toggenburgerin Anita Stei- weint, das sei eine grosse Erleichterung für ihn strang – vom Sterbebett bis zur Geburt – zieht ner einen Weg durch die Schneemassen. Anita gewesen, sagt er. Er könne sich nicht vorstellen, sich eine weitere rote Linie durch den Film. Alle Steiner erkrankte mit 56 Jahren an Brustkrebs. wie man ohne Tränen Schmerz lösen könne. Godi Protagonisten und Protagonistinnen haben einen Während ihrer Krankheit habe sie die Zuversicht Zesiger ist überzeugt, dass Klärli heute sein anderen Schwerpunkt. Lüchinger zeigt im Film verloren und sich mutlos und freudlos gefühlt, Schutzengel ist. Glücklich macht ihn, wenn er bewusst die Unterschiede zwischen den Personen sagt sie. Geholfen habe ihr schliesslich die Er- morgens ohne Schmerzen aufstehen kann. auf. «Für Godi ist Zuversicht der Glaube an etwas 10 P FA R R E I F O RUM
LESERFRAGE Wie wirkt sich Corona langfristig auf die Kirche aus? höheres. Der Asylbewerber Luxman Sittampalam empfindet dann Zuversicht, wenn er wahrgenom- men wird», sagt er. Die St. Galler Gymnasiastin und Klimaaktivistin Miriam Rizvi stehe wieder- um für Handlung und Aktion. «Mich persönlich macht es zuversichtlich, diese Vielfalt zu sehen und zu wissen, dass es Menschen gibt, die Aus- sergewöhnliches leisten», sagt Lüchinger. Inso- fern zeige der Film auf, was alle verbindet. All ihre Blicke seien im Sinne einer Vision voller Hoff- Was folgt nach der Pandemie? Schadensbegutachtung? nung auf einen kommenden Morgen gerichtet. Rückkehr zur Normalität? Zu welcher? Wie wird die neue Normalität in Seelsorge, Gottesdienst oder Caritas Text: Nina Rudnicki aussehen? Bilder: zVg Aktuell kann man es nur erahnen. Sicher ist nur, dass uns ein Jahr Pandemie die Augen für den Zustand der Kirche geöffnet hat. Stärken und Schwächen sind sichtbarer gewor- ZUVERSICHT den: Positiv das Seelsorgeteam, das gemeinsam alternative Formen für Gottesdienste er- funden hat. Freiwillige, die sich Zeit für Telefonate mit Menschen genommen haben, die Der Film Zuversicht – mit vielen weiteren allein waren. Jubla-Scharen, die via Gruppenchat als Gemeinschaften lebendig blieben. Protagonisten und Protagonistinnen wie etwa Marco Santi, früherer Balletchef des Negativ: Viele Menschen haben die Gottesdienste nicht vermisst. Die meisten spürten auch Stadttheaters St. Gallen, Serafin und Liv zuhause keine Lust, als Familie oder in der Partnerschaft gemeinsam zu beten. Kirchen- Zemp, Thomas Lüchingers Grosskinder, ferne Menschen konnten in der Pandemie noch weniger seelsorglich erreicht werden als eine Sans Papier sowie die Psychologin ohnehin. Angesichts der grössten nationalen Krise seit dem Zweiten Weltkrieg blieben die Verena Kast – hat am 17. Juni Premiere im Kirchen in der Öffentlichkeit weithin unsichtbar. Der Bedeutungsverlust von Kirche und Kinok St. Gallen gefeiert. Im Juli sind Glauben zeigte sich schonungslos. Im Coronajahr 2020 blieben die Austrittszahlen auf ho- weitere Vorstellungen zu sehen. Der hem Niveau. Viele Menschen finden in der Kirche und im Glauben kaum noch Halt. schweizweite Kinostart ist Mitte September. Verbundenheit schaffen Solche Einsichten zwingen zum Nachdenken. Die Kirche steht vor der Aufgabe, neue Nor- → www.zuversicht-film.ch malität zu gestalten. Corona hat uns jedenfalls gezeigt, dass die alte Normalität nicht so gut war, um dort einfach wieder anzuknüpfen. Gleichzeitig lassen sich mit dem in der Pan- demie Gelernten auch Schritte in die Zukunft gehen: Die Digitalisierung ermöglicht Brü- cken zu Menschen, die lange nicht mehr erreicht wurden. Gottesdienste und spirituelle Angebote finden ihre Teilnehmenden dann, wenn sie zielgruppenspezifisch sind. Men- schen möchten persönlich angesprochen und gemeint sein. Pfarreigottesdienste «für alle», treffen längst nicht immer den richtigen Nerv. Gleichzeitig wurde auch gelernt, wo örtli- che Nähe wichtig bleibt: Nachbarschaftshilfe; Achtsamkeit für Sorgen der Mitmenschen; unkomplizierte Hilfe bei alltäglichen Schwierigkeiten; ein Lächeln in der Schlange beim Einkaufen. Das schafft Verbundenheit. Menschen spüren dann, dass sie nicht egal sind, dass sie gesehen werden. Neue Normalität wagen Schliesslich gab es vorsichtige Versuche, Menschen neu mit dem Glauben in Berührung zu bringen: spirituelle Impulse, Anregungen zum Beten, Tipps für einen biblischen Zwischen- halt in der Familie. Wir haben gelernt, dass dem Glauben Erwachsener viel zu wenig Sor- ge getragen wurde. Hier braucht es noch mehr Ausprobieren und Experimentieren. Ob die Kirchenaustritte dauerhaft weiter steigen, hängt auch vom Mut ab, nach der Pandemie eine neue Normalität zu wagen. Thomas Lüchinger Arnd Bünker St. Galler Regisseur Leiter Schweizerisches Pastoralsoziologisches Institut (SPI), St. Gallen 11
Bald schon gib Zeugniss t es Eine 6 für e du dich ü . Ärgerst b Noten? W er manche würdest elche Noten du d dein Lachen Was find ir geben? est du an dir sehr g ut? ZEUGNIS Vorname/Nam e: e Klasse: Du kannst dies Seite auch für der jemanden aus Note : inen Familie oder e Du hast ein gro Note : en: sses Herz: We Freund ausfüll jemand einsam nn Fallen dir oder traurig is auch ständig Schenk ihm bist du sofort t, w it zige für ihn da und Ide e ein und dein dieses Zeugnis hilfst ihm oder sprudelt nur s Kopf den heiterst ihn au o v oder leg es in Du kümmerst f. Du verzaubers on Fantasie? dich auch gern Briefkasten. um Tiere oder e kleinere Kinde t ge rne die Natur. r mit deinen Geschichten – aber auch die Note : Erwachsenen freuen sich, wenn du ihnen Warum gibt es eine Geschich keine Note dafü erzählst. te wer wie oft un r, d am meisten lacht? Logisch : So etwas kan man nicht bew n Note : erten und es is auch kein Wett t Du bist sehr n bewerb. Aber eugierig und wie fröhlich bis betrachtest d t du? Wie oft eine Umgebun lächelst du am immer sehr au g Tag? fmerksam. Deshalb siehst du immer wied Note : neue schöne D er inge. Du bist immer wieder Du lässt dich v erstaunt, was beeindrucken on Stress nich t a lle s e n td eckst und staun du – wenn andere darüber. st hetzen oder P anik bekomme bleibst du gan n, z gelassen. Text: Stephan Sigg Unterschrift:
NACHRICHTEN Ein Sofa voller Tagträume St. Gallen. «Ich wünsche eine Welt in Vertrauen mit dem anderen» und «Sorglos den Moment geniessen. Nur im Jetzt sein. Befreit»: Das sind zwei von unzähligen Tagträumen, die auf Post-its festgehalten und auf ein Sofa im Museum im Lagerhaus in St. Gallen geklebt sind. Dort sind im Rahmen der aktuellen Ausstellung «Living Museum Wil – Tagträume» alle Besuche- rinnen und Besucher aufgefordert, aus ihren Tagträumen ein gemeinsames Kunstwerk entstehen zu lassen. Das Living Museum Wil stellt eine Art Kunstasyl dar, in welchem Menschen mit psychischen Erkrankungen schöp- ferisch tätig sind. Es ist Atelier und Ausstellungsraum zugleich und mo- mentan noch bis zum 11. Juli im Museum Lagerhaus zu Gast. (nar) BISTUM ST. GALLEN St.Gallen Hilfe für trauma tisierte Kriegskinder St. Gallen. Der Katholische Konfessionsteil des Kan- tons St. Gallen überweist 10 000 Franken aus dem Budget Katastrophenhilfe an die Caritas Schweiz. In Ost-Ghouta bei Damaskus wird mit Spendengel- dern eine zerschossene Schule renoviert. Viele Kin- Frauen in die der in Syrien kennen nur Gewalt und Krieg, sie sind Führung berufen teils schwer traumatisiert. Die Schule sei für sie ein Hort des Friedens, heisst es in der Medienmitteilung St. Gallen. Was kann die Kirche von der Wirt- von anfang Juni. Die Caritas Schweiz leistet seit schaft lernen? Mehr Frauen in Führungspositio- 2012 Nothilfe in Syrien, aber auch in den Nachbar- nen berufen, sagt die Ökonomin Giulia Mennil- ländern Jordanien und Libanon. Bisher hat das Hilfs- lo. Sie wurde von der HSG promoviert und forscht werk rund 600 000 Menschen in der Region gehol- in Singapur. «Ein erster Schritt wäre, wenn die fen. Die Caritas führt angesichts der weiterhin sehr katholische Kirche auf circa 50 Prozent des Hu- schwierigen Situation ihre Nothilfe weiter und in- mankapital-Pools für die leitenden Stellen zu- tensiviert gleichzeitig die Unterstützung im Bil- rückgreifen würde. Dieses Argument ist in der dungsbereich. Im vergangenen Jahr hat der Katho- Wirtschaft auch nicht auf taube Ohren gestossen. lische Konfessionsteil insgesamt 50 000 Franken für Kirche, du kannst das auch!» Mit diesem Beitrag Nothilfe in Indien (Corona-Pandemie), Beirut (Ex- auf Twitter kommentierte die Katholikin die vie- plosionskatastrophe) und in der Ostschweiz (Härte- len freiwerdenden Stellen im kirchlichen Bereich, fälle Corona-Pandemie) an die Caritas überwiesen. die bislang vor allem mit Männern besetzt wa- Gesamthaft stehen für Entwicklungs- und Nothilfe ren. Die entsprechende Meldung findet sich auf über eine Million Franken pro Jahr zur Verfügung. kath.ch unter dem Stichwort «kirchliches Spit- (pd/nar) zenpersonal gesucht.» (kath.ch) Claudius Luterbacher wird neuer Caritas-Präsident St. Gallen. Der Kanzler des Bistums St. Gallen, Claudius nengelernt. Aufgewachsen ist er in Abtwil. Nach der Luterbacher (42), wird neuer Präsident von Caritas Matura an der Kantonsschule St. Gallen studierte er an Schweiz. Anders als bisher steht kein Politiker, sondern der Universität Freiburg Theologie und Ökonomie und ein Mitglied einer Bistumsleitung an der Spitze. Die doktorierte im Bereich der Wirtschafts- und Sozial- Caritas werde dadurch nicht klerikaler, kündigt Luter- ethik. Von 2007 bis 2009 studierte er berufsbegleitend bacher an. Für einen ehemaligen Politiker sei das Kirchen- und Staatskirchenrecht an der Universität Spannungsfeld anspruchsvoller, weil hinter ihm eine Strassburg. Seit dem 1. November 2012 ist er Kanzler Partei, Netzwerke und Verpflichtungen stehen. «Ich des Bistums St. Gallen. «Die Caritas macht eine exzel- denke, ich bin da freier», sagt Luterbacher. Er hat die lente Arbeit – vor der eigenen Haustür bis zum Libanon, Arbeit der Caritas St. Gallen-Appenzell als Vizepräsident Mali oder Nepal. Die Caritas schaut dorthin, wo ande- und von Caritas Schweiz als Präsidiumsmitglied ken- re wegschauen. Das reizt mich», sagt er. (pd/nar) Bild: Tagträume: nar; Schule Ost-Ghouta: zVg; Giulia Mennillo: zVg; Claudius Luterbacher: zVg 13
MEDIENTIPPS & AGENDA Tipp Von der Rolle – wer hat die Hosen an und wer wäscht sie? Was, wenn die Mutter das Geld verdient und der Vater die Kinder betreut? Der Dokfilm der Schweizer Filmemacherin Verena Endtner blickt in den Alltag von modernen Familien ohne traditionelle Rollen verteilung. Sie ermuntert auf witzige Weise, sich mit eigenen Vorurteilen und Geschlechterstereotypen auseinanderzusetzen. «Die Männer in der Schweiz sagen zwar, sie möchten vermehrt Teilzeit arbeiten, aber nur einer von 10 macht es auch wirklich», so Verena Endtner. «Es ist an der Zeit, dass sich das ändert.» Freitag, 16. Juli, SRF1, 22.25 Uhr Fernsehen Radio Hoffnung in der Krise Mit Gesprächen den Klimawandel Durchhalteparolen sollen über eine Durststrecke hinweg stoppen – ist es gelungen? helfen. Was aber, wenn das Streckenende nicht in Sicht ist? Einen veganen Tag, das Auto auch mal stehen lassen: So Spätestens, wenn sich das Gefühl von Überforderung und lauteten die Vorsätze der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Ohnmacht breit macht, stellt sich die Frage nach Hoffnung der Klimagespräche letztes Jahr. Sie hatten sich an fünf und Optimismus. Doch lassen sich diese herbeireden und Abenden getroffen, um mehr über einen klimaschonenden gar erlernen? Wer oder was bringt Hoffnung, und ist sie Lebenswandel zu erfahren. Organisiert hatten die Gesprä- ohne Angst überhaupt denkbar? Hartmut von Sass im che die christlichen Hilfswerke Brot für Alle und Fasten Gespräch mit Amira Hafner al-Jabaji. opfer. Nun, ein Jahr später, trifft sich die Gruppe wieder. → Sonntag, 4. Juli, SRF1, 10.30 Uhr Was hat sich verändert in ihrem Leben? → Sonntag, 4. Juli, SRF2 Kultur, 8.30 Uhr Die singende Nonne Wegen des Kontrollwahns ihrer Mutter beschliesst Ende Was Kleidung (nicht) über Religion und der 1950er Jahre die wallonische Bäckerstochter Jeannine Gender erzählt Deckers, ihr Elternhaus zu verlassen und Nonne in einem Können wir Mode und (religiöse) Kleidung überhaupt noch Dominikanerkloster zu werden. Doch die rebellische junge lesen? Was bedeutet es, wenn ein Superstar sich in typi- Novizin kann sich den älteren Klosterschwestern nur schen Frauenkleidern für die Vogue fotografieren lässt? schwer unterordnen. Ihr einziger Lichtblick ist das Singen. Gregor Emmenegger und Elke Pahud de Mortanges befassen Schon bald wird ihr Talent entdeckt. Mit ihrem selbst sich beide aus theologischer Perspektive mit Dresscodes und komponierten Lied «Dominique» erlangt sie Weltruhm. Selbstinszenierung. → Montag, 19. Juli, Arte, 22.15 Uhr → Sonntag, 18. Juli, SRF2 Kultur, 8.30 Uhr Das Geschäft mit den Haustieren Das Geschäft mit Haustieren ist in der Schweiz ein Milliarden business. Allein für Tierfutter werden über 600 Millionen Franken pro Jahr ausgegeben. Dazu kommen teils horrende Tierarzt-Rechnungen für Operationen vom Knochenbruch über künstliche Hüftgelenke bis hin zu Krebsbehandlungen. Jeder dritte Haushalt hält sich eigene Tiere. Wieso hängen die Schweizer so an ihren Haustieren? Eine Woche lang geht Sabine Dahinden in «Schweiz Aktuell» diesen Fragen nach. Bilder: ALOCO-Films → ab Montag, 26. Juli, SRF1, 19.00 Uhr Bilder: SRF / Xenix Filmdistribution GmbH / Pixabay 14 P FA R R E I F O RUM
MEINE SICHT Agenda Die Ikone In meinem Arbeitszimmer hängt eine Ikone. Sie zeigt Christus Pantokrator. Tagesseminar Demenz Die rechte Hand ist zum Segen erhoben. Donnerstag, 26. August 2021, 9.30 – 18.30 Uhr Daumen, kleiner und Ringfinger berühren sich. Mittel- und Zeigefinger sind Dieses Tagesseminar unterstützt speziell Pflegepersonen und Beratende gestreckt. im Umgang mit Menschen, die von Demenz betroffen sind. Der entspre- chende Umgang mit desorientierten Menschen erleichtert das Miteinan- Es ist das handfeste Glaubensbekenntnis der Orthodoxie: Eine der aller Beteiligten! Im Idealfall können sich auch zudem Beziehungen Hand – ein Gott. Zwei erhobene Finger – zwei Naturen. Drei in den Pflegeteams, genauso mit den An- und Zugehörigen verbessern. verbundene Finger – die Dreifaltigkeit: Gott Vater, Sohn und Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfahren, wie sie mit Humor und Kom- Heiliger Geist. petenz mit Menschen mit Demenz in Verbindung treten. Referentin ist die Wienerin Rosmarie Fink, VTI Validation® Lehrerin. Kurskosten: Die aufgeschlagene Bibel ruht auf dem linken Arm. Sie erzählt 120 Franken (exkl. Mittagessen). Infos und Anmeldung: Schwester von Jesus Christus. Durch Jesus kenne ich seinen Glauben an den M. Monja Schnider, Telefon 081 511 61 50, programm@neuschoenstatt. einen Gott Israels, den er an rund 80 Stellen als seinen Vater → Zentrum Neu-Schönstatt, Quarten bezeichnet. Ich darf Jesu Wort vertrauen, der Heilige Geist führt mich tiefer und tiefer in Gottes Geheimnis ein. Kinderdorf Pestalozzi: Patriarchale Sprache Der Blick auf die Ikone führt mir meinen Loyalitätskonflikt vor Ausstellung zum Jubiläum Augen. Die Sprache der Bibel sei nicht gendergerecht: Vater, Sohn und Geist wären maskuline und damit patriarchale Begriffe. Als Die Stiftung Kinderdorf Pestalozzi wird heuer 75 Jahre alt. Aus diesem Mutter-Vater müsse Gott benannt, als Geistin müsse Gottes Geist Anlass hat die Stiftung eine neue, interaktive Ausstellung zur Vergangen angerufen werden. heit, Gegenwart und Zukunft des Kinderdorfes in Trogen entwickelt. Die Ausstellung will alle Sinne ansprechen und findet im ganzen Kinderdorf Die patriarchale Sprache diskriminiere die Hälfte der Mensch- statt. Öffnungszeiten und mehr: www.pestalozzi.ch/de/services/ heit. Bemühungen um eine politisch korrekte Sprache sind mir jubilaeumsausstellung. bekannt. Gemäss Sprechakttheorie wirke sich eine veränderte → Kinderdorf Pestalozzi, Kinderdorfstrasse 20, Trogen Sprache auf das Bewusstsein aus. Was gewichte ich höher? Die Treue zur biblischen Sprache? Oder Kurs Traumapädagogik ein gendergerechtes Sprechen aus Solidarität mit jenen, welche Dienstag bis Donnerstag, 21. bis 23.9.2021 durch die patriarchale Sprache verletzt sind? Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer setzen sich während drei Tagen Wäre ich Mönch auf Athos, dürfte ich schweigen und Ikonen mit zentralen Fragen der Traumapädagogik bzw. einer «traumaheilenden malen. Pädagogik» auseinander. Wie kann ich als Bezugsperson Kinder und Jugendliche mit traumatischen Erfahrungen besser verstehen? Wie kann ich angemessen auf sie eingehen? Wie können Kinder und Jugendliche stabilisiert und ihre Selbstheilungskräfte gestärkt werden? Das Seminar richtet sich an Adoptiv- und Pflegeeltern sowie an Fachpersonen, die Pflege- und Adoptivfamilien begleiten. Die Seminarleitung obliegt Irmela Wiemann, Diplom-Psychologin, Psychotherapeutin. Anmeldung und I nfos: kompetenzzentrum@tipiti.ch, Telefon 071 911 94 80. → Wil Mentales Training für Alleinerziehende 26.8. bis 2.12.2021, jeweils Donnerstag vormittag in Teufen Erich Guntli Pfarrer der Seelsorgeeinheit Werdenberg Die Seelsorgeeinheit Gäbris organisiert ein mentales Training für Allein- erziehende. Unter der Leitung von Tammy Mock, Lehrcoach für The Work of Byron Katie, können Alleinerziehende lernen, Stress für sich zu nutzen. Sie werden mental gestärkt und können sich in der Gruppe über die Herausforderungen im Alltag austauschen. Der Kurs ist offen für alle. Kinderbetreuung wird angeboten. Die Teilnahme ist online oder vor Ort möglich. → Infos und Anmeldung: www.kath-teufen.ch Bild: zVg 15
ZU BESUCH IN 9471 Vreni Peterer → gewann den Schreib wettbewerb der Seelsorgeeinheit Werdenberg. «Der Hoff nung einen Adressänderungen: bitte wenden Sie sich Auflage 122 930, erscheint 12 mal im Jahr. 7. Ausgabe 2021, 1. bis 31. Juli 2021 Schubs geben» direkt an Ihr Pfarramt. Geschichten über die Hoffnung – Geschichten, die Hoffnung machen. Zahlreiche Texte wurden beim Schreib wettbewerb der Diakoniewoche Werdenberg eingereicht. Die Jury kürte Vreni Peterer aus Schlatt AI zur Gestaltungskonzept: Die Gestalter AG, St.Gallen Siegerin. Das Pfarreiforum druckt ihre Geschichte. Druck: Niedermann Druck AG, St.Gallen Fast ein Jahr lang war ich mir sicher: Corona kann und wird zen zu den betagten Menschen zu überwinden, auch ohne eine mich nicht stoppen, wenn es darum, geht für betagte Mitmen- physische Begegnung». Aus all meinen Gedanken und dem schen da zu sein. Ihnen mit einem spontanen Telefonanruf Wunsch, im Kleinen etwas Sinnvolles zu tun, entstand das Layout: Cavelti AG, Gossau oder einer Postkarte eine kleine Freude zu bereiten. Freude, Projekt «Schenk einen Brief». Ich überfiel die Caritas St. Gal- die zu mir zurückkam wie ein Boomerang. Freude, die meine len-Appenzell mit dieser Idee … und stiess auf offene Ohren. Energie immer wieder erneuerte. Freude, die sich in meinem Wiederum spürte ich diesen Schubs, der meine Hoffnung nähr- Herzen einnistete. Ich wurde fast süchtig danac,h Freude zu te, das Brief-Projekt möge bitte zustande kommen. Das Kon- schenken und Freude zu empfangen. In dieser schwierigen zept passte in das bestehende Caritas-Projekt «Geheime Wün- Zeit tat das einfach nur gut. Das war es, was mich lange Zeit sche», bei dem Wünsche von Bewohnerinnen und Bewohnern trug. Jede neue Bestimmung aus Bern schmälerte jedoch mei- in Alters- und Pflegeheimen erfüllt werden. Wegen Corona ne Hoffnung auf einen baldigen «normalen» Alltag, der für können seit über einem Jahr jedoch keine solchen Wunscher- mich bedeutet: Betagte mit einem Händedruck begrüssen, sie füllungen stattfinden. Weshalb ich das Brief-Projekt nicht al- mit einer körperlichen Berührung trösten oder mit ihnen sin- leine durchzog? Mir ist es einfach wohler, es nicht in eigener Herausgeber: Verein Pfarrblatt im Bistum St.Gallen gen. All das fehlte mir immer mehr – und frustrierte mich zu- Verantwortung zu stemmen, einen Rückhalt zu spüren und nehmend. die Hoffnung zu teilen, dass «Schenk einen Brief» auf gutes «Covid-19 hat mich nun doch gestoppt», musste ich mir an- Echo stösst. Diese Hoffnung erfüllte sich: Rund 60 Personen – fangs 2021 zugestehen. Ich sah überall nur noch unsichtbare Frauen und Männer jeden Alters und zwei Schulklassen – Webergasse 9, Postfach, 9004 St.Gallen Grenzen, die mich daran hinderten, in meiner kleinen Welt meldeten sich innerhalb weniger Tage, um betagten Mit T 071 230 05 31, info@pfarreiforum.ch Redaktion: Stephan Sigg (Leitung), etwas für ältere Mitmenschen zu tun. Wie vielen anderen Men- menschen in Innerrhoder Alters- und Pflegezentren einen Brief schen war mir in dieser Zeit klar: Gerade betagte Frauen und zu schreiben. An ältere Menschen, die sie gar nicht kennen. Rosalie Manser, Nina Rudnicki Männer in Alters- und Pflegezentren benötigen Zeichen der Sie erhielten einzig und alleine Empfängernamen wie zum Hoffnung und des Vertrauens. Das Vertrauen darauf, dass sie Beispiel «Herr Manser» oder «Frau Fässler». von der Aussenwelt nicht vergessen werden. Hoffnung hatte Erst jetzt wird mir bewusst: «Schenk einen Brief» ist mit vie- vielen von ihnen in ihrem langen Leben geholfen, schwierige len Hoffnungen verbunden: dass es trotz Covid-19 Wege gibt Zeiten zu überstehen. Die Corona-Pandemie ist auch für sie um Grenzen zu betagten Mitmenschen zu überwinden, dass eine nie gekannte Bedrohung, die an ihrer Hoffnung nagt. aus einer Idee etwas Gutes entsteht, dass es andere gibt, die Irgendwoher spürte ich ihn dann, diesen Schubs, der meiner das Projekt mittragen, dass man beim Brief-Schreiben die rich- Hoffnung wieder Auftrieb gab. Ich meine jene Hoffnung, die tigen Worte findet oder man der Hoffnung von betagten Men- mir ins Ohr flüsterte: «Es gibt viele Wege um die Schutz-Gren- schen einen Schubs geben kann.
Sie können auch lesen