Enterale Ernährung - Indikationen, Nährsubstrate und Applikationswege

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E N T E R A L E U N D PA R E N T E R A L E E R N Ä H R U N G

Enterale Ernährung – Indikationen,
Nährsubstrate und Applikationswege

ASTRID WÄCHTERSHÄUSER*                 UND    JÖRG BOJUNGA**

                    Die enterale Ernährung kommt immer dann zum Einsatz, wenn die normale orale Ernährung auf-
                    grund von Störungen der Nahrungspassage oder -verwertung nicht oder nicht ausreichend mög-
                    lich ist. Der Begriff der enteralen Ernährung umfasst sowohl die Sondennahrung als auch orale Trink-
                    und Zusatznahrungen. Gemäss den S3-Leitlinien gibt es je nach Krankheitsbild und -stadium klare
                    Indikationen für den Einsatz einer enteralen Ernährung, die auf wissenschaftlichen und klinischen
                    Basisdaten beruhen. Die Nahrungen sind in ihrer Zusammensetzung auf die einzelnen krankheitsbe-
                    dingten Stoffwechselsituationen und Anwendungsbereiche abgestimmt. Der vorliegende Artikel
                    beschreibt die Indikationen für eine enterale Ernährung bei unterschiedlichen Erkrankungen im kli-
                    nischen Praxisalltag, stellt sie dem Einsatz der parenteralen Ernährung gegenüber und gibt einen
                    Überblick über die verschiedenen Arten von enteralen Nährlösungen und Sondensystemen.

Die enterale Ernährung beschreibt im                       Enterale versus parenterale                  • eine niedrigere Komplikationsrate
Gegensatz zur parenteralen Ernährung                       Ernährung                                    • niedrigere Kosten
die Verabreichung von Nahrung bezie-                       Eine enterale Ernährung ist grundsätzlich    • grössere Sicherheit und Praktikabilität
hungsweise Nahrungsbestandteilen über                      immer dann indiziert, wenn die normale       • bessere Steuerbarkeit
den Magen-Darm-Trakt. Laut ESPEN-Leit-                     orale Ernährung aufgrund von Störungen       • deutlich höhere Akzeptanz durch die
linien umfasst der Begriff «enterale Ernäh-                der Nahrungspassage oder der Verdau-           Patienten
rung» nicht nur die Sondennahrung, son-                    ungsleistung nicht oder nur teilweise        • strukturelle und funktionelle Aufrecht-
dern auch die Nahrungssupplemente, die                     möglich ist oder der Ernährungszustand         erhaltung der Integrität des Gastro-
oral verabreicht werden können. In jedem                   mit einer normalen oralen Ernährung nicht      intestinaltraktes (3).
Fall muss es sich jedoch um «diätetische                   aufrechterhalten werden kann. Der Einsatz    Ein wesentlicher Nachteil der parentera-
Lebensmittel für besondere medizinische                    einer enteralen Ernährung sollte stets auf   len Ernährung besteht im Fehlen von
Zwecke» (bilanzierte Diäten) mit definier-                 der Basis eines medizinisch begründeten      luminalen Nahrungsbestandteilen und
ter Zusammensetzung handeln (1). Die                       Behandlungsziels erfolgen. Gemäss dem        somit der mangelnden Ernährung von
industriell gefertigten Nahrungen basie-                   Stufenschema zur Ernährungstherapie          Enterozyten, wodurch es bei längerer,
ren auf den von den Fachgesellschaften                     (Abbildung 1) sind zunächst alle Möglich-    ausschliesslich parenteraler Ernährung zu
empfohlenen «Referenzwerten für die                        keiten einer natürlichen Nahrungszufuhr      einer Atrophie der Darmmukosa kommt,
Nährstoffzufuhr» für Gesunde und wer-                      (Anbieten von Wunschkost, Einsatz von        die wiederum das Risiko einer bakteriel-
den je nach Anwendungsbereich an die                       Spezialnahrung, Zuwendung von Pflegen-       len Translokation und Sepsis erhöht (4).
Bedürfnisse der Patienten mit unter-                       den, Schlucktraining etc.) auszuschöpfen.    Daher ist die enterale der parenteralen Er-
schiedlichen Erkrankungen und Stoff-                       Auch bei liegender Ernährungssonde soll-     nährung – sofern keine Kontraindikatio-
wechselsituationen angepasst.                              te in regelmässigen Abständen die Indika-    nen bestehen – immer vorzuziehen. Zu
                                                           tion für die enterale Ernährung neu über-    den Kontraindikationen einer parentera-
                                                           prüft werden.                                len Ernährung gehören beispielsweise in-
*¨
  Oekotrophologin im Ernährungsteam der Uniklinik          Die enterale Ernährung weist gegenüber       stabile Kreislaufverhältnisse, mechani-
Frankfurt/M
**
   Prof. Dr. med. J. Bojunga ist Leiter des Schwerpunkts   der parenteralen viele klinisch relevante    scher Ileus, Verdacht auf Perforationen,
Ernährungsmedizin im Uniklinikum Frankfurt/M.              Vorteile auf wie:                            Mesenterialvenenthrombose und Mesen-

      7                                                                                                                2/14
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terialarterieninfarkt, akute Stoffwechsel-    Nahrungsaufnahme in Form von Suppe,            der Strahlen- oder Radiochemotherapie
entgleisungen, akute Blutungen im Gast-       Joghurt und/oder Nahrungssupplemen-            kann eine intensive, individuelle Ernäh-
rointestinaltrakt, akutes Abdomen, un-        ten beim postoperativen Kostaufbau.            rungsberatung, gegebenenfalls unter
stillbares Erbrechen, Terminalphase           Eine künstliche, vorzugsweise enterale Er-     Einsatz von Trink- oder Zusatznahrung,
chronischer Erkrankungen und ausge-           nährung ist gemäss den Leitlinien dann         sinnvoll sein, um die Nahrungszufuhr zu
dehnte gastrointestinale Motilitätsstö-       indiziert, wenn vorherzusehen ist, dass        erhöhen und einen therapiebedingten
rungen (5).                                   der Patient für mehr als 7 Tage postopera-     Gewichtsverlust zu vermeiden. Von ei-
                                              tiv gar keine Kost oder für mehr als 10 Ta-    nem routinemässigen Einsatz enteraler
Spezielle Indikationen                        ge nicht mehr als 60 bis 75 Prozent der        Produkte wird jedoch abgeraten, dies gilt
für die enterale Ernährung                    empfohlenen Energiemenge oral aufneh-          auch für Patienten unter Chemotherapie.
Kritisch Kranke                               men kann (12). Idealerweise sollte die         In der Palliativsituation ist von einer in-
Gemäss den ESPEN-Leitlinien zur entera-       Sondenkostgabe innerhalb von 24 Stun-          tensiven Ernährungstherapie abzusehen.
len Ernährung sollen Intensivpatienten,       den postoperativ mit niedriger Flussrate       Hier ist eine minimale Gabe an Nahrung
die erwartungsgemäss innerhalb von            (10–20 ml/h) unter Beobachtung der             und Wasser oft ausreichend, um Hunger
3 Tagen nicht vollständig oral ernährt        intestinalen Toleranz begonnen werden.         und Durst zu mindern.
werden können, eine enterale Ernäh-           Lässt sich der Energie- und Substratbe-
rungstherapie erhalten (6). Dabei ist – ein   darf nicht durch eine orale und/oder           Gastroenterologie
funktionsfähiger Gastrointestinaltrakt vor-   enterale Ernährung decken (< 60% des           Bei mangelernährten Patienten mit Mor-
ausgesetzt – eine möglichst frühzeitige       Energiebedarfs), wird eine supplementie-       bus Crohn empfiehlt sich in der Akut-
enterale Ernährung (< 24 h) mit einer         rende parenterale Ernährung empfohlen.         phase eine kombinierte Therapie aus
hochmolekularen Nahrung anzustreben,          Soll diese länger als 3 Tage notwendig         enteraler Ernährung und medikamentö-
um wichtige Nährsubstrate zuzuführen          sein, bieten sich periphervenöse Zu-           ser Therapie (15). Ist eine Kortikoidthera-
und die normale Funktion des Magen-           gangswege an. Ab einer Dauer von 7 bis         pie nicht durchführbar, kann die enterale
Darm-Traktes aufrechtzuerhalten. Eine         10 Tagen ist die Anlage eines zentralven-      Ernährung auch als alleinige Therapie in
Störung derselbigen scheint Entzün-           ösen Katheters (ZVK) zu überlegen. Ist         der Akutphase indiziert sein. Ziel ist es,
dungsreaktionen zu begünstigen und            eine enterale Ernährung nicht möglich,         durch zusätzliche Sonden- und/oder
sich somit negativ auf den Krankheitsver-     beispielsweise bei Patienten mit Kurz-         Trinknahrung den Ernährungszustand
lauf auszuwirken (7, 8). Da unter enteraler   darmsyndrom (< 60 cm) oder Peritoneal-         und die Lebensqualität zu verbessern
Ernährung deutlich weniger infektiöse         karzinose, sollte eine total parenterale Er-   und Folgen der Mangelernährung zu ver-
Komplikationen auftreten, sollte sie einer    nährung begonnen werden (12). Bei              meiden. Auch bei anhaltender intestina-
parenteralen Ernährung generell vorge-        intestinalen Obstruktionen oder Ileus,         ler Entzündungsaktivität profitieren die
zogen werden. Lediglich schwer mangel-        schwerem Schock, Darmfistel (high out-         Patienten vom Einsatz von Trink- bezie-
ernährte Patienten, die nicht ausreichend     put) und schwerer intestinaler Blutung ist     hungsweise Zusatznahrung (16). Spezifi-
enteral ernährt werden können, sollten        eine enterale Ernährung kontraindiziert,       sche Defizite sollten jedoch gezielt mit
eine supplementierende parenterale Er-        sodass hier nur die Möglichkeit einer          Supplementen ausgeglichen werden. Bei
nährung erhalten.                             parenteralen Ernährung bleibt.                 Colitis ulcerosa bietet die enterale Ernäh-
                                                                                             rung keinen Vorteil, Ausnahme sind man-
Chirurgie                                     Onkologie                                      gelernährte Patienten. Bei Patienten mit
Bei grossen Operationen haben sich «Fast      Tumorerkrankungen gehen häufig mit             Kurzdarmsyndrom kann die enterale Er-
track»-Programme etabliert, die zu einer      Gewichtsverlust und Mangelernährung            nährung dazu beitragen, Ernährungszu-
besseren und schnelleren Rehabilitation       einher. Dies ist wiederum mit einer einge-     stand, Lebensqualität und die Adaptation
des Patienten nach chirurgischen Eingrif-     schränkten Prognose und verminderter           des Restdarmes zu verbessern und Diar-
fen führen sollen (9). In diesem Konzept      Lebensqualität assoziiert (13). Bei onkolo-    rhöen zu vermindern (17).
kommt der Vermeidung beziehungswei-           gischen Patienten besteht die Indikation
se Behebung von Mangelernährung –             für eine Ernährungstherapie immer dann,        Lebererkrankungen
neben einem frühen ernährungsmedizi-          wenn bereits eine Mangelernährung vor-         Vor allem Patienten mit chronischer
nischen Risikoscreening – eine entschei-      liegt oder davon auszugehen ist, dass der      Lebererkrankung sind aufgrund ihres
dende Bedeutung zu (10, 11). Die Strate-      Patient länger als 7 Tage gar nicht oder für   erhöhten Energie- und Eiweissbedarfs
gien reichen von der präoperativen            länger als 10 Tage nicht ausreichend           gefährdet, eine Mangelernährung zu ent-
Glukosegabe (bis 2 h vor Narkosebeginn)       Nahrung (< 60% des geschätzten Ener-           wickeln. Daher profitieren sie besonders
und dem frühzeitigen Angebot von Trink-       giebedarfs) aufnehmen kann (14). Dabei         von ernährungstherapeutischen Mass-
nahrung bei mangelernährten Tumor-            sollte wenn immer möglich der enteralen        nahmen. Bei Leberzirrhose sollte die Erst-
und Hochrisikopatienten bis hin zur           Ernährung mit einer Standardnahrung            linientherapie in einer individuellen Er-
schnellen Wiederaufnahme der oralen           der Vorzug gegeben werden. Während             nährungsberatung bestehen, eventuell

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unter Einsatz oraler, hochmolekularer           in Form einer ergänzenden Trinknahrung           ziert, um eine ausreichende Energiezu-
Nahrungssupplemente als Spätmahlzeit            ausreichend, jedoch sollte insbesondere          fuhr zu erreichen.
in Ergänzung zur Normalkost (18). Bei           bei chronischer Erkrankung und länger-
hepatischer Enzephalopathie ist eine            fristiger (> 5 Tage) enteraler Ernährung         Geriatrie
Spezialnahrung mit hohem Anteil ver-            auf eine Spezialnahrung mit modifizier-             Ältere Menschen sind besonders gefähr-
zweigtkettiger Aminosäuren indiziert, bei       tem Elektrolyt- und Eiweissgehalt zurück-           det, eine Mangelernährung zu entwi-
Aszites bieten sich hochkalorische, nat-        gegriffen werden (21, 22). Bei mangeler-            ckeln. Dies ist der Fall, wenn die Nah-
riumarme Nahrungen an (19). Die Indika-         nährten Patienten, die Trinknahrung                 rungsmenge dauerhaft deutlich reduziert
tion einer PEG-Anlage ist aufgrund des          nicht tolerieren, kann eine Sondenernäh-            ist (< 50% des Bedarfs für > 3 Tage) oder
höheren Komplikationsrisikos kritisch ab-       rung oder eine intradialytische parentera-          wenn mehrere Risikofaktoren gleichzeitig
zuwägen. Leberzirrhosepatienten mit             le Ernährung erwogen werden.                        vorhanden sind, sodass die Essensmenge
mässiger oder schwerer Mangelernäh-                                                                 reduziert oder der Energie- und Nähr-
rung, die auf oralem/enteralem Weg nicht      Kardiologie und Pulmonologie                          stoffbedarf nennenswert erhöht ist (z.B.
ausreichend ernährt werden können,            Für kachektische, chronisch herzkranke bei Kau- oder Schluckstörungen, neuro-
sollten umgehend eine parenterale Er-         Patienten empfiehlt sich der Einsatz einer physiologischen Problemen, Immobilität,
nährung erhalten. Für das akute Leber-        enteralen Ernährung, um den Gewichts- akuten Krankheiten) (25). Im Rahmen der
versagen (ALF), die alkoholische Steato-      verlust zu verhindern. Hier sollten hoch- ernährungstherapeutischen                     Massnah-
hepatitis (ASH), die nicht alkoholische       kalorische Nahrungen zum Einsatz kom- men haben orale Strategien unter Berück-
Steatohepatitis (NASH), Lebertransplan-       men, um eine Flüssigkeitsüberladung zu sichtigung individueller Bedürfnisse,
tation und Operation sowie ernäh-                                                                           Fähigkeiten und Wünsche (Por-
rungsbedingte Leberschädigung                                                                               tionsgrössen, Konsistenz) bei
(NALI) werden in den neuen Leit-                                                                            gleichzeitiger Vermeidung von
linien entsprechend detaillierte                                                                            Diätvorschriften oberste Priorität.
Empfehlungen gegeben (18).                                                                                  Wenn die Nahrungsaufnahme
                                                                                                            durch normale Lebensmittel nicht
Pankreaserkrankungen                                                                                        ausreicht, sollte zunächst eine An-
Während Patienten mit milder aku-                                                                           reicherung der Speisen, beispiels-
ter Pankreatitis keiner speziellen                                                                          weise durch geschmacksneutrale
Ernährungstherapie bedürfen, ist                                                                            Kohlenhydrat-Fett-Gemische, na-
bei schweren Pankreatitiden eine                                                                            türliche (Öl, Rahm, Butter) oder
frühzeitige (innerhalb von 24 bis                                                                           industriell gefertigte Fettemulsio-
48 h) enterale Ernährung mit hoch-                                                                          nen und Eiweisspräparate, erfol-
molekularer Nahrung indiziert (20).                                                                         gen, um die Energie- und Nähr-
Die enterale Nährlösung sollte                                                                              stoffzufuhr zu decken. Auch ist der
                                        Abbildung 1: Stufenschema der Ernährungstherapie (mod. nach [2])
idealerweise kontinuierlich und                                                                             Einsatz von Trinknahrung zu erwä-
gastral verabreicht werden, bei Un-                                                                         gen, falls die Nahrungsaufnahme
verträglichkeit jejunal. Niedermolekulare vermeiden. Bei COPD-Patienten ist der durch übliche und angereicherte Lebens-
Nahrungen sind bei Unverträglichkeit der Nutzen einer enteralen Ernährung nicht mittel nicht ausreicht (25) (Abbildung 1).
hochmolekularen Standardnahrungen ei- eindeutig belegt (23).                                        Gemäss den Leitlinien zur klinischen Er-
ne Alternative. Bei Hinweisen auf eine                                                              nährung in der Geriatrie sollte Sondener-
Maldigestion (Steatorrhö) sollte eine zu- Wasting bei HIV                                           nährung initiiert werden, wenn die orale
sätzliche Gabe von Pankreasenzymen er- Indikationen für eine Ernährungstherapie Nahrungsaufnahme voraussichtlich län-
folgen, um die Nährstoffaufnahme zu ver- sind ein signifikanter Gewichtsverlust ger als 3 Tage unmöglich oder länger als
bessern. Eine parenterale Ernährung ist und/oder ein signifikanter Verlust an Kör- 10 Tage unzureichend (< 50% des Be-
lediglich bei Unverträglichkeit oder unzu- perzellmasse von > 5 Prozent in 3 Mona- darfs) und die Verlaufsprognose insge-
reichender Möglichkeit der enteralen Er- ten oder ein BMI < 18,5 kg/m2. Meistens samt positiv ist (nicht in terminalen
nährung indiziert (20).                       ist eine Standardnahrung als Nahrungser- Krankheitsstadien). Eine individuelle Ab-
                                              gänzung ausreichend, bei Diarrhö und schätzung des erwarteten Nutzens sowie
Nierenversagen                                schwerer Mangelernährung sollte eine potenzieller Risiken ist hierbei unabding-
Hauptindikation für eine enterale Ernäh- Nahrung mit hohem Anteil an mittelketti- bar. Nicht zuletzt gilt es, ethische Aspekte
rung bei Nierenpatienten ist das Vor- gen Triglyzeriden (MCT-Fetten) einge- in die Entscheidungsfindung mit einzu-
liegen einer Mangelernährung. Für die setzt werden (24). Sondenernährung ist beziehen. Parenterale Ernährung bleibt
meisten Patienten mit temporärem Ener- nur bei Patienten mit Dysphagie oder bei ausschliesslich solchen Patienten vorbe-
giemehrbedarf ist eine Standardnahrung Unwirksamkeit von Trinknahrung indi- halten, die ihren Bedarf auf oralem oder

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enteralem Weg voraussichtlich länger als          beachten, dass auch sondenernährte Pa-                   und der Verträglichkeit und bei Trink- be-
3 Tage nicht oder länger als 10 Tage nicht        tienten – je nach Art und Schwere der                    ziehungsweise Zusatznahrung auch nach
ausreichend decken können und bei de-             Dysphagie – parallel per os Nahrung zu                   der individuellen Geschmackspräferenz
nen die Verlaufsprognose positiv ist. In je-      sich nehmen können und ein regelmässi-                   richten.
dem Fall sollte die Ernährungsinterven-           ges Schlucktraining erhalten sollten.                    Bei den bilanzierten Diäten wird zwi-
tion interdisziplinär angegangen und in-          Eine parenterale Ernährung ist dann indi-                schen jenen zur vollständigen oder zur er-
dividuell gestaltet werden. Neben der Si-         ziert, wenn die enterale Ernährung über                  gänzenden Ernährung unterschieden.
cherstellung einer adäquaten Energie-             mehr als 7 Tage den Energie- und Nähr-                   Vollbilanzierte Nahrungen müssen die in
und Nährstoffzufuhr dient sie dem Erhalt          stoffbedarf nicht erfüllen kann oder wenn                Anlage 6 der DiätVO aufgeführten Stoffe
oder der Verbesserung des Ernährungs-             die enterale Ernährung kontraindiziert                   (Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemen-
zustandes und kann den klinischen Ver-            oder nicht durchführbar ist. Gegebenen-                  te) enthalten und den Vorgaben zu deren
lauf und die Lebensqualität positiv beein-        falls kann auch nur Flüssigkeit zum Aus-                 Mindest- und Höchstmengen entspre-
flussen (25).                                     gleich einer unzureichenden enteralen                    chen. Ausserdem müssen sie in ihrem
                                                  Hydratation verabreicht werden.                          Energie- und Nährstoffgehalt so zusam-
Neurologie                                                                                                                 mengesetzt sein, dass sie
Neurologische Erkrankun-                                                                                                   nach den D-A-CH-Refe-
gen gehen häufig mit                                                                                                       renzwerten auch bei aus-
Schluckstörungen einher,                                                                                                   schliesslicher Ernährung
die wiederum bei Nah-                                                                                                      eine      bedarfsdeckende
rungs- und Flüssigkeitsauf-                                                                                                Nährstoffzufuhr gewähr-
nahme das Risiko einer                                                                                                     leisten. Diese Supplemen-
Aspiration bergen. Durch                                                                                                   te sind in der Regel mit
Texturmodifikation         (An-                                                                                            Angabe des Diagnose-
dicken von Getränken oder                                                                                                  schlüssels verordnungsfä-
Vermeiden krümeliger Kon-                                                                                                  hig. Sogenannte teilbilan-
sistenzen) kann je nach                                                                                                    zierte Nahrungen sind als
Ausprägung der Schluck-                                                                                                    ergänzende Diäten zu se-
störung das Aspirationsrisi-                                                                                               hen und können von die-
ko deutlich gesenkt wer-                                                                                                   sen Vorgaben abweichen,
den. Das Risiko einer                                                                                                      das heisst eine veränder-
Mangelernährung durch                                                                                                      te Nährstoffzusammen-
                                         Abbildung 2: Bedarfsgerechtes Vorgehen bei der Auswahl des geeigneten
unzureichende Nahrungs-                                                                                                    setzung aufweisen oder
                                              Sondensystems für die enterale Ernährung (modifiziert nach [3])
aufnahme wird durch den                                                                                                    gezielt zur Supplemen-
bei einigen neurologischen                                                                                                 tation bestimmter Makro-
Erkrankungen erhöhten Energiebedarf Substrate der enteralen Ernährung                                      und Mikronährstoffe (z.B. zur Eiweisser-
potenziert. Gemäss den Leitlinien zur kli- Standardnahrungen                                               gänzung) eingesetzt werden (27, 28). Sie
nischen Ernährung in der Neurologie ist Für die enterale Ernährung steht eine sind in der Regel nicht verordnungsfähig
eine Sondenernährung bei Patienten mit grosse Auswahl industriell hergestellter und, wie auch die bilanzierten Diäten, in
einer voraussichtlich länger als 7 Tage an- bilanzierter Produkte mit Unterschieden Apotheken und einigen Reformhäusern
haltenden schweren Dysphagie indiziert im Kalorien-, Protein-, Fett- und Ballast- erhältlich.
(26). Die Ernährung sollte nach Möglich- stoffgehalt zur Verfügung. Sie sind so- Die bilanzierten Diäten setzen sich aus
keit früh, also innerhalb der ersten wohl für die Verabreichung über Ernäh- isolierten Einzelkomponenten zusam-
72 Stunden, begonnen werden. Ist der Pa- rungssonden als auch, mit Aromen men. Als Proteinquelle dienen in erster
tient voraussichtlich länger als 28 Tage versehen, als Trinknahrung bei nicht be- Linie Milch- und Sojaeiweiss, Kohlenhy-
auf die enterale Ernährung angewiesen, darfsdeckender Normalkost geeignet. Als drate werden meist aus Maisstärke
sollte in einer klinisch stabilen Phase (zwi- Trink- und Zusatznahrung werden sie in gewonnen, und die Fettkomponente bil-
schen 14 und 28 Tagen) eine PEG-Sonde Form von Getränken, Suppen oder den in der Regel pflanzliche Fette wie
gelegt werden. Bei gastroösophagealem Cremes in unterschiedlichen Geschmacks- Soja-, Sonnenblumen- und Maiskeimöl.
Reflux und erhöhtem Aspirationsrisiko varianten (süss, herzhaft, neutral) ange- Die Fette können bezüglich ihres Fettsäu-
sowie bei duodenaler oder jejunaler Son- boten, ebenso als Pulver zur Herstellung remusters modifiziert sein und enthalten
denlage ist die enterale Ernährung konti- einer Trinknahrung oder zur Nährstoffan- dann beispielsweise aus Kokosnussöl ge-
nuierlich zu verabreichen; bei Schlag- reicherung von Speisen. In jedem Fall soll- wonnenes MCT-Fett oder Omega-3-Fett-
anfallpatienten ist der Einsatz einer Er- te sich ihre Auswahl nach dem Krank- säuren aus Fischöl. Einige Hersteller bie-
nährungspumpe indiziert. Generell ist zu heitsbild, der Akzeptanz des Patienten ten auch Nahrungen an, die aus regulären

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Lebensmitteln (Fleisch, Milch, Getreide      enthalten Nahrungen, die bei Leber-            und gegebenenfalls den anatomischen
etc.) bestehen und besonders für Patien-     insuffizienz geeignet sind, einen erhöhten     Besonderheiten (31, 32). Generell werden
ten mit einer ablehnenden Haltung ge-        Anteil an verzweigtkettigen Aminosäuren        nasoenterale und perkutane Ernährungs-
genüber künstlicher Ernährung geeignet       bei gleichzeitig vermindertem Anteil an        sonden, zum Beispiel perkutane endo-
sind (29). Ballaststoffe sollten als         aromatischen Aminosäuren. Ausserdem            skopische Gastrostomie (PEG), perkutane
physiologischer       Nahrungsbestandteil    sind sie oft hochkalorisch und natrium-        endoskopische Jejunostomie (EPJ) oder
und aufgrund ihrer stuhlregulierenden        arm. Die speziell bei Niereninsuffizienz an-   Feinnadelkatheterjejunostomie (FKJ), un-
Wirkung gerade bei einer Langzeitthera-      gebotenen Nahrungen sind – abgestimmt          terschieden (Abbildung 2). Da die naso-
pie von Patienten mit normaler Verdau-       auf das Krankheitsstadium – für prädialyti-    enterale Sondenernährung insbesondere
ungsleistung in der enteralen Nahrung        sche Patienten eiweissarm, für Dialyse-        bei längerer Liegedauer häufig zu Irrita-
enthalten sein. Einzig im akuten Schub       patienten hingegen eiweissreich. Ausser-       tionen im Nasen-Rachen-Raum, Disloka-
einer chronisch entzündlichen Darmer-        dem haben sie einen reduzierten Elektro-       tion und kosmetischer Beeinträchtigung
krankung, bei Stenosen oder dem Kost-        lytgehalt. Weitere Spezialdiäten gibt es für   führt, wird sie überwiegend zur kurzfristi-
aufbau nach ausgedehnten abdominel-          Patienten mit Fettverwertungsstörungen         gen Ernährung (< 28 Tage) angewendet.
len Eingriffen oder längerfristiger total    (MCT-haltige Nahrungen), mit respiratori-      Zur längerfristigen Ernährung (> 28 Tage)
parenteraler Ernährung sind Ballaststoffe    scher Insuffizienz (hoher Fettanteil bei       bieten sich die perkutanen Sondensyste-
kontraindiziert (28). Der Wassergehalt der   gleichzeitig reduziertem Kohlenhydratan-       me an. Klassische Indikationen für die
flüssigen Nahrungen liegt je nach Ener-      teil) sowie für kritisch Kranke, die soge-     Anlage einer PEG-Sonde sind Tumor-
giedichte bei 70 bis 80 Prozent.             nannte Immunonutrition. Es handelt sich        obstruktionen im HNO-Bereich, Strahlen-
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal          hierbei um eine Nahrung, die mit Arginin,      therapie oder Schädel-Hirn-Trauma. Auch
der enteralen Nahrungen ist ihr Energie-     Omega-3-Fettsäuren und Ribonukleoti-           erweist sich die PEG als eine geeignete
gehalt. Die Standardnahrungen sind mit       den angereichert ist und die immunologi-       Massnahme zur Dekompression bei
0,9 bis 1,2 kcal/ml normokalorisch, der      sche oder inflammatorische Prozesse im         Tumorpatienten mit Obstruktionen des
Energiegehalt der hochkalorischen Diä-       Zuge kritischer Situationen positiv beein-     oberen Gastrointestinaltraktes. Die An-
ten beträgt bis zu 1,5 bis 2 kcal/ml. Sie    flussen soll.                                  lage einer FKJ (operativ) oder EPJ kann bei
sind vor allem dann indiziert, wenn auf-     Für die meisten Patienten ist eine Stan-       Patienten mit Magen(teil)resektionen,
grund eines hohen Energiebedarfs oder        dardnahrung mit einer adäquaten Menge          Magenhochzug oder Anastomoseninsuf-
aus Gründen der Volumenrestriktion (z.B.     an Proteinen ausreichend. Jedoch kann          fizienz nach Gastrektomie oder Ösopha-
bei Niereninsuffizienz) die verabreichte     im Einzelfall, insbesondere im Zuge der        gusresektion indiziert sein (32). In jedem
Nahrungsmenge möglichst gering gehal-        perioperativen Ernährung von chirurgi-         Fall muss der Applikationsmodus (Bolus
ten werden soll.                             schen Patienten, der Einsatz einer im-         oder kontinuierliche Gabe) an das Son-
                                             munmodulierenden Nahrung indiziert             densystem und den Zustand des Patien-
Spezialnahrungen                             sein. Gemäss den Leitlinien ist dies der       ten angepasst werden. So ist eine Bolus-
Je nach Nährstoffkomponente und An-          Fall bei Patienten mit manifester Mangel-      applikation nur bei gastraler Sondenlage
wendungsbereich können die bilanzier-        ernährung beziehungsweise hohem me-            und intakter Reservoirfunktion des Ma-
ten Diäten in hochmolekulare, nährstoff-     tabolischem Risiko, bei Patienten mit          gens möglich, während bei kritisch Kran-
definierte (NDD), niedermolekulare,          Operationen aufgrund von Kopf-Hals-Tu-         ken, schweren Motilitätsstörungen und
chemisch definierte (CDD) und nährstoff-     moren oder gastrointestinalen Karzino-         transpylorischer Sondenlage eine konti-
modifizierte Spezialdiäten unterschieden     men und bei schwerem Polytrauma (12).          nuierliche Verabreichung der Sonden-
werden. Während hochmolekulare Nah-          Generell gibt es jedoch im Bereich der Im-     nahrung obligat ist.
rungen eine intakte Funktion des Gast-       munonutrition noch viele offene Fragen,
rointestinaltraktes voraussetzen, sind die   sodass zurzeit diesbezüglich noch keine        Korrespondenzadresse:
niedermolekularen Produkte, die zum Bei-     endgültigen Empfehlungen ausgespro-            Dr. rer. med. Astrid Wächtershäuser
spiel mono- oder oligomere Kohlenhy-         chen werden können (6, 30).                    Diplom-Ökotrophologin, Uniklinik Frankfurt,
dratbausteine, Peptide oder MCT-Fette                                                       Zentrum für Innere Medizin, Ambulanz für
enthalten, für Patienten mit einge-          Sonden- und Applikations-                      enterale und parenterale Ernährung
schränkter Verdauungs- oder Resorp-          techniken                                      Theodor-Stern-Kai 7, D-60590 Frankfurt/M
tionsleistung vorgesehen, beispielsweise     Je nach Indikation zur enteralen Ernäh-        E-Mail: waechtershaeuser@em.uni-frank-
bei Strahlenenteritis, akuter entzündli-     rung erfolgt die Auswahl des möglichen         furt.de
cher Darmerkrankung oder chronisch in-       Zugangsweges. Dieser ist abhängig von
testinaler Pseudoobstruktion. Spezial-       der Dauer der Ernährungstherapie, dem          Interessenkonflikt:
                                                                                            Die Autoren haben keinen Interessenkonflikt.
diäten sind je nach Anforderung bei be-      Allgemein- und Ernährungszustand des
stimmten Krankheitsbildern in ihrer Nähr-    Patienten, der zugrunde liegenden Er-
stoffzusammensetzung modifiziert. So         krankung, dem Zeitpunkt der Initiierung

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