Licht als Baustoff Die Trinitatiskirche in Mannheim
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Licht als Baustoff Die Trinitatiskirche in Mannheim Vor 62 Jahren wurde die evangelische Trinitatiskirche in der Mannheimer Innenstadt eingeweiht und ihrer Gemeinde zur Nutzung übergeben. Die Zeit ging mit dem Bauwerk nicht schonend um. Ihre Funktion als Gottesdienstraum ist mangels Gemeinde seit Längerem obsolet. Seit 2005 wird über Abbruch und Umnutzung diskutiert. 2017 bezog der Verein EinTanzHaus das Kirchen- schiff, das seither als Spielstätte für zeitgenössischen Tanz dient. Die Umnut- zung des Turms und seine Sanierung werden derzeit kritisch debattiert, inzwi- schen liegt ein Abbruchantrag vor. Verliert Mannheim Stück für Stück seinen berühmtesten Sakralbau? Zeit zum Innehalten. Erinnern wir uns an seine Ge- schichte und seinen außerordentlichen Denkmalwert. Melanie Mertens Im Zentrum Mannheims, in den engen Quadraten Zwischenräume sind mit Betonglas ausgefacht, der barocken Planstadt, verbirgt sich einer der dessen schwarz glänzende, gewebeartige Glas- wichtigsten Sakralbauten der deutschen Nach- einsprengsel das strenge Raster der Formsteine be- kriegsmoderne. Die historische Blockrandbebau- leben. Über eine dreigeteilte tiefe Nische führen ung öffnet sich auf einen dreiseitig freigestellten drei Eingänge ins Innere der Kirche. Für einen kur- Platz und gibt den Blick frei auf einen sechseckigen zen Moment ins Dunkel der Empore getaucht, er- Betonkörper mit flach geneigtem Satteldach und reicht der Besucher nach wenigen Schritten einen einen schlanken hohen Campanile, die durch ein streng durchgliederten und überraschend durch- leicht erhöhtes Plateau miteinander verbunden lichteten Raum (Abb. 1). Wie außen treten die sind (Abb. 2). Das konstruktive Gerüst, ein Stützen- senkrecht und quer aufgespannten Stützen und und Bindersystem aus Stahlbeton, rhythmisiert in Dachbinder ordnend in Erscheinung. Die zunächst Gestalt schlanker Pfeiler die Fassaden. Die zur Mitte ausweichenden und dann auf die Ost- 1 Innenraum der Trinita- tiskirche 2015 vor der Umnutzung zum EinTanz- Haus. Denkmalpflege in Baden-Württemberg 2 | 2021 139
2 Trinitatiskirche mit Vor- platz und Turm kurz nach Vollendung 1959. wand zufluchtenden Außenwände erzeugen eine traditionsverbundene Entwurf von Christian leichte Zentrierung des einstigen Gottesdienst- Schrade, Architekt der berühmten Christuskirche raums. Die zwischen Wandabschluss und Dach- in der Mannheimer Oststadt, der sich sowohl kante umlaufende Lichtfuge vermittelt den Ein- städtebaulich als auch stilistisch am barocken Vor- druck, als würden die großen und schweren Dach- gängerbau des 18. Jahrhunderts orientierte. Auf kassetten über dem Raum schweben. Die im der anderen Seite der umstürzend moderne Ent- Außenbau so filigran und miniaturhaft erschei- wurf von Helmut Striffler (1927– 2015), ein schlich- nenden Dickglasstücke entfalten innen im Gegen- ter Betonkasten mit sichtbarem Bindersystem und licht mit Blau-, Rot-, Gelb- und auch Grüntönen einem freistehenden, wahnwitzig hohen Turm eine unerwartet kraftvolle, expressive Wirkung. (55 m), der sich als kompromissloses Ausrufezei- Die äußerlich glatten Formsteine geben sich nun chen in die Straßenflucht schob. Zu allem Über- als tiefe Kassetten zu erkennen, deren Laibungen fluss das Erstlingswerk eines jungen Architekten, als Reflektionsfläche des in Farbe getauchten der zuvor „nur“ als Mitarbeiter von Egon Eiermann Lichts fungieren (Abb. s. Cover). aufgetreten war. Befürworter und Gegner standen sich in heftigen Diskussionen gegenüber. Ermutigt Baugeschichte von Dekan Heinrich Schmidt, der von der Not- wendigkeit eines Neuanfangs im Kirchenbau nach Die lange, bereits 1945 beginnende Planungs- und 1945 überzeugt war, und dem positiven Gutach- Baugeschichte der Trinitatiskirche ist von intensi- ten von Regierungsbaudirektor Horst Linde ent- ven Debatten, Brüchen und Entwicklungsprozes- schied sich die Evangelische Gesamtkirchenge- sen geprägt. 1956 standen sich die Entwürfe meinde Mannheim schließlich für den Entwurf zweier Architekten gegenüber, wie sie unterschied- Strifflers. Am 30. September 1956 wurde der licher kaum sein konnten. Auf der einen Seite der Grundstein gelegt, exakt 250 Jahre nach der Zere- 140 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 2 | 2021
monie des barocken Vorgängerbaus. 1957 war der Grothe). Busexkursionen mit dem Bauausschuss Rohbau vollendet. Ab Juni 1958 erfolgte der Ein- des Kirchengemeinderats nach Chartres, Paris, bau der Betonglassteine. Am 1. März 1959 fand Ronchamp, Audincourt und Saarbrücken zer- die Einweihung statt. streuten die Zweifel an der innovativen Technik in der Gemeinde. Vorbild Eiermann? Für die Gestaltung der Betonglaswände wurde 1957 zu einem Wettbewerb eingeladen. Die Na- Bei dem Gehäuse orientierte sich Striffler an der men der aufgeforderten Künstler spiegeln das Matthäuskirche in Pforzheim (1952– 1956) von hohe Anspruchsniveau wider und fächern das Egon Eiermann, mit der er als Bauleiter bestens ver- breite Spektrum zwischen Bewährtem und Neuem traut war: ein archaischer Hauskasten mit flach ge- auf: Altmeister der expressionistischen Künstler- 3 Turm und Schiff der neigtem Satteldach (Abb. 3; 4). Durch Verzicht auf gruppe Brücke wie Karl Schmidt-Rottluff und Erich evangelischen Matthäus- die überkragende Traufe und auf die Eckplatzie- Heckel, französische Spezialisten wie Gabriel Loire kirche in Pforzheim, rung der Pfeiler abstrahierte er jedoch das tekto- (Chartres) und Jean Barillet (Paris) sowie regional 2011. nische Grundmuster des „Hauses“ zugunsten ei- bekannte Künstler wie Harry McLean (Heidelberg) ner umgürteten Schatulle. Mit Blick auf die liturgi- und Emil Kiess (Trossingen). Die Entscheidung fiel 4 Innenraum 2011. sche Funktion des Baus wählte der engagierte Protestant Striffler anstelle des etwas starren Recht- eckkubus ein mittig ausgestelltes Trapez. Auch das Prinzip der diaphanen Wand war in Pforzheim vor- geprägt: die Belichtung des Raums nicht mittels Fenster, sondern durch eine weitreichende Perfo- ration der Außenwände. Ein grundsätzlicher Unter- schied liegt in der Plastizität der Wandauffassung. Während Eiermann eine einschalige Wand aus gleich geformten Lochsteinen zu einem regelmä- ßigen Gitter hochmauerte, verwendete Striffler tiefe Kassetten, teils geschlossene Hohlkuben, teils offene Gefache mit einer dünnen Rückwand aus Betonglas. Da sich die Betonglasrücken zu einem großen Bildkontinuum zusammenfügen, erzeu- gen sie den Eindruck einer zweiten Schicht hinter der konstruktiven Raumschale der aufgestapelten Kassetten. Neue Glaskonzepte Damit einher ging ein völlig anderes Konzept der Verglasung, genauer: in der Verwendung des in- novativen Baustoffes Dickglas. In Pforzheim wur- den die von Theo Baumann bei Lamberts in Wald- sassen passend hergestellten Dickglasscheiben letztlich auf klassische Weise mit Fensterkitt in die Lochsteine eingesetzt. Striffler stand hingegen die in Frankreich verwendete Betonglastechnik vor Au- gen, bei der mit dem Spitzhammer zerschlagene oder geschnittene Dickglasstücke zu einem Bild an- geordnet, gegebenenfalls mit Metallarmierungen versehen und mit Beton ausgegossen werden (Abb. 5). Das Dickglas oder Dallglas (frz. dalle de verre) geht dabei mit dem Beton eine synthetische Verbindung ein. Eine entscheidende Rolle spielten die berühmten Fenster von Sacré Coeur in Audin- court (1949– 1951) von Jean Bazaine und Fernand Léger (Glaswerkstatt Jean Barillet) und die erste Adaption dieser Technik auf deutschem Boden in St. Mauritius in Saarbrücken (1953– 1956) von Bo- ris Kleint (Architektur Albert Dietz und Bernhard Denkmalpflege in Baden-Württemberg 2 | 2021 141
zugunsten von Kiess und Loire aus, erneut ein Vo- kleine rechteckige Öffnungen auf, die den Nach- tum für die Moderne. Dass nicht eine deutsche hall in der Kirche regulieren. Vor allem die offenen Firma (wie etwa Derix in Rottweil) den Auftrag er- Gefache erinnern an Fassadengestaltungen von Le hielt, sondern ein Franzose, stieß manchem sauer Corbusier, der sie als tief verschattende Struktur- auf. Die überragende Qualität, die brillanten Farb- gitter oder brise-soleil (Sonnenbrecher) funktional wirkungen und die konkurrenzlose Erfahrung des und ästhetisch nutzte. Vergleichbar sind auch die international renommierten Loire konnte aller- umlaufende Lichtfuge (Ronchamp!) und die auf dings niemand wegdiskutieren, zumal es sich um Lücke gestellten Betonscheiben der Eingangs- eine bis dahin nicht dagewesene Fläche von circa wand, deren rau geschalte Flächen Striffler wie Le 820 qm handelte. Kiess konnte seinerseits auf das Corbusier im Streiflicht darbietet (Abb. 6). Dies und eindrucksvolle Fensterband in Betonglastechnik die umfassende Kassettierung des Raums vermit- von St. Petrus in Tübingen-Lustnau von 1956 ver- teln ein neues Materialbewusstsein, das Eiermanns weisen, das augenscheinlich sowohl künstlerisch perforierte Wabenwände trotz der gemeinsamen als auch technisch auf Audincourt Bezug nahm. Baustoffe Dickglas und Beton nicht verkörpern: die Die Entwürfe der Arbeitsgemeinschaft Kiess und plastische Präsenz von Beton. Einen besonderen Loire sahen große zusammenhängende Bildflä- Ausdruck findet sie in der Empore, die als sorgfäl- chen vor, abstrakte Muster, die einem gewebten tig in Brettschalung gegossene, an den Kanten ab- farbigen Teppich ähneln. In diesen eingewirkt sind gerundete Loge in den Raum ragt. Ihre plastische christliche Symbole, die zentrale Glaubensinhalte Anmutung und die äußerst sorgfältig gestalteten der evangelischen Lehre transportieren. Oberflächen weisen auf Strifflers weiteres Schaf- In der Ostwand, der Altarwand, verweisen ein fen voraus. Noch im Jahr der Vollendung der Tri- dreieckiges Auge, ein Fisch und eine Taube auf die nitatiskirche 1959 begann er mit der Konzeption göttliche Trinität, der das Kirchengebäude gewid- der kleinen Blumenaukirche in Mannheim-Sand- met ist. Nur hier wird das intensive Ultraviolett ein- hofen, die gänzlich aus gegossenem Ortbeton be- gesetzt. Die Nordwand thematisiert die sieben steht. Schöpfungstage. Die Südwand zeigt die Sakra- mente Taufe und Eucharistie, Geburt, Tod und Auf- Frei und doch gebunden: der Kirchturm erstehung Jesu, die Westwand oberhalb der Em- pore das Christusmonogramm und die Tore Jeru- Seit Mitte der 1950er Jahre wurde es üblich, den salems. Kirchturm als Campanile frei aufzustellen. Von er- heblichem Einfluss waren die Leitideen des mo- 5 Mit Drähten armierte Einfluss von Le Corbusier dernen Städtebaus, die der Kompaktheit der histo- Dickglasstücke für das rischen Städte den offenen, licht- und luftdurch- Ausgießen mit Beton, Dem umhüllenden Glasteppich zum Innenraum lässigen Raum entgegensetzten und Frei- sowie 1958 in der Glaswerkstatt Gabriel Loire, Chartres. vorgelegt ist die Kassettenstruktur der Wand. Die Grünflächen einen neuen Stellenwert zuerkann- tiefen Laibungen der offenen Kassetten reflektie- ten. Die barocken Quadrate der Mannheimer 6 Schalungsrauer Sicht- ren das farbig einfallende Licht und vertiefen die Innenstadt waren in besonderem Maße von der beton der Eingangswand Farbwirkung des Raumes. Die geschlossenen Hohl- Enge der lückenlosen Blockrandbebauung ge- unter der Empore, 1959. kuben weisen wie die großen Deckenplatten prägt. Auch die Vorgängerkirche des 18. Jahr- 142 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 2 | 2021
hunderts füllte die Straßenflucht und bot der Ge- 7 Kirchturm in der meinde nur einen kleinen Hof zur Versammlung Straßenflucht, um 1960. vor oder nach dem Gottesdient. Schrades Planun- gen gingen selbstverständlich von der historischen Konstellation aus. Strifflers Konzept war auch aus dieser Warte ein Befreiungsschlag. Er stellte den polygonalen Baukörper allseitig frei in eine Grün- fläche, nur dem Aufgang legte er einen recht- eckigen, leicht erhöhten Platz vor. Den Turm plat- zierte er seitlich abgerückt, sodass er fast in der Straßenflucht stand. Mit diesem Kunstgriff er- reichte Striffler eine starke Wahrnehmbarkeit im Straßenbild (Abb. 7). Die ungewöhnliche Höhe von 55 m war der hohen und dichten Bebauung der Innenstadt geschuldet. Neben der weithin sichtbaren Verortung eines Gemeinschaftsbaus ging es um den deutlichen Ausweis der Sakral- funktion des Ensembles. Der äußerst schlanke, sechs Geschosse zählende Stahlbetonbau (s. Abb. 2) erhebt sich über qua- dratischem Grundriss und schließt mit einer Attika flach ab. Eine kupferverkleidete Diagonalausstei- fung trägt das bekrönende Kreuz. Eine Reihung kleiner Waschbetonkassetten mit quadratischen ginn. Bei der Sicherung des Baugrunds 1956 stieß Glasfüllungen für die Belichtung des innen lie- man auf die Gruft der Pfalzgrafen Johann und Jo- genden Treppenaufgangs kennzeichnet die ersten hann Karl Ludwig von Pfalz-Zweibrücken, die letz- vier Geschosse. Das doppelte Glockengeschoss ten lutherischen Mitglieder des Wittelsbacher Fürs- zeigt einen Stahlbetonrahmen, der mit hochfor- tenhauses, die 1780 und 1789 im Vorgängerbau matigen Schallkassetten aus Waschbeton und beigesetzt worden waren. Ihre Überreste wurden Waschbetonplatten gleichen Zuschnitts ausge- in einem strengen, feierlichen Raum im Unterge- facht ist. Auf die Struktur der rauen Betonober- schoss des neuen Turms in zwei Zinksärgen neu flächen durch geschossweise wechselnde vertikale beigesetzt (Abb. 8), ein Brückenschlag über die bzw. horizontale Schalungsbretter legte Striffler Jahrhunderte hinweg. großen Wert, so mahnte die Legende der Aus- führungspläne Grün & Bilfinger, dass „für die Scha- Bedeutung und Nachfolge lungsmaße […] der Plan des Architekten zu be- achten“ sei. Alles, was den Entwurf der Trinitatiskirche aus- Ein kaum bekanntes Faszinosum ist die im Turm machte, wurde von ihren Kritikern abgelehnt. Ein verdichtete Polarität von Geschichte und Neube- Glashaus könne keine Kirche sein, ihre Gestalt lasse die einem Gotteshaus angemessene Reprä- sentation vermissen, überhaupt sei die Kirche zu niedrig und zu einfach, „ein Schafstall“, der „sich in einem Vorort sicherlich gut machen würde“ (Schrade, zitiert nach Wagner). Das vollendete Bau- werk hingegen überzeugte, so spiegeln nicht nur die Urteile der Zeitgenossen die Begeisterung für Strifflers Meilenstein wider, auch die weitere Ent- wicklung des Kirchenbaus verweist auf den rich- tungsweisenden Einfluss der Mannheimer Kirche. Die überregionale Zeitschrift „Kunst und Kirche“ begleitete schon ihre Planung mit mehreren Bei- trägen (H. 1/ 1957, H. 4/ 1958, H. 4/ 1959). Deut- sche, niederländische und französische Bauzeit- schriften berichteten von ihrer Fertigstellung. Den Ritterschlag erfuhr die Kirche 1964 durch die Auf- nahme in Kidder-Smiths Überblickswerk „Neuer Kirchenbau in Europa“. Der Kirchenfachmann 8 Die Fürstengruft im Hugo Schnell bescheinigte ihr 1973 eine größere Untergeschoss des Turms. Denkmalpflege in Baden-Württemberg 2 | 2021 143
zu einer überwältigenden Raumwirkung führte (Abb. 9). Auch die neue Turmgestaltung, zuvor eine offene Bügelstruktur, nun schlank, geschlos- sen und im oberen Drittel mit Schallkassetten ver- sehen, spiegelt die Rezeption wider. Vergleichbar sind die Vorgänge an der evangelischen Epipha- niaskirche in Mannheim-Feudenheim. Die Wett- bewerbssieger Albrecht Lange und Hans Mitzlaff hatten das Gemeindehaus schon 1956/57 reali- siert; in die aus wirtschaftlichen Gründen er- zwungene Interimszeit fiel die Vollendung von Trinitatis. Der nun folgende Planwechsel sah die Verglasung der Chorwand mit Betonglaskassetten in Chartreser Blau vor (Abb. 10); beauftragt wurde erneut Emil Kiess, diesmal in Zusammenarbeit mit Wilhelm Derix (Rottweil), der seinen Erfahrungs- rückstand gegenüber Loire mittlerweile aufgeholt hatte. Und noch für ein weiteres Bauwerk war die Trinitatiskirche von Bedeutung, so profitierte Egon Eiermann von Striffler durch die persönliche Ver- mittlung von Gabriel Loire für die Verglasung der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin und von den Erfahrungen, die sein einstiger Schüler mit dem Mannheimer Bauwerk gemacht hatte. 1994 wurde der überregionalen und vielschichti- gen Bedeutung der Trinitatiskirche auch formal entsprochen, indem das Bauwerk durch das Lan- desamt für Denkmalpflege als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung gemäß § 12 Denkmalschutz- gesetz in das Denkmalbuch von Baden-Württem- berg aufgenommen wurde. An der Erhaltung von Turm und Kirche besteht aus künstlerischen, wis- senschaftlichen und heimatgeschichtlichen Grün- den ein gesteigertes öffentliches Interesse. 9 Innenraum der katholi- Ausdrucksfähigkeit und liturgische Qualität als ih- Literatur schen Kirche Maria Köni- rer Vorgängerin von Eiermann. Seit den 1990er gin in Tuttlingen, 2018. Jahren ist die Trinitatiskirche fester Bestandteil je- Melanie Mertens: Kirchenbau der Nachkriegsmoder- der modernen Kirchenbaugeschichte Deutsch- ne, in: Gotteszelt und Großskulptur (Arbeitsheft 38), 10 Chorwand der evan- lands (Kahle 1990, Jean Stock 2002). Die jüngere Esslingen am Neckar 2019, S. 27– 157. gelischen Epiphaniaskir- Kunstgeschichte feiert sie „als international be- Eva Seemann: Moderne Kirchen braucht die Stadt. Die che in Mannheim-Feuden- heim, 2018. wunderte Inkunabel eines bald boomenden bru- Sakralbauten Helmut Strifflers in Mannheim, in: Denk- talistischen Kirchenbaus“ (von Buttlar 2012/2017), malpflege in Baden-Württemberg, 1/ 2018, S. 44–49. eine Einordnung, die sich vor allem auf Strifflers Adrian von Buttlar: Brutalismus in Deutschland, in: Materialverständnis bezieht. Brutalismus. Beiträge des internationalen Symposi- Die Einweihung und das Bekanntwerden von Trini- ums in Berlin 2012, Zürich 2017, S. 63–75. tatis nahm auf mehrere Kirchenprojekte im Land Chris Gerbing: Leuchtende Wände in Beton, Regens- unmittelbaren Einfluss. Die Architekten Franz Gott- burg 2013. schlich und Max Schraube hatten 1958 den Wett- Sandra Wagner: Die Trinitatiskirche von Helmut Striff- bewerb zum Neubau der katholischen Kirche Ma- ler in Mannheim. Ein Kirchenbau der 50er Jahre im ria Königin in Tuttlingen für sich entschieden. Zwi- Spannungsfeld von Tradition und Innovation. Magis- schen Wettbewerb und Baugenehmigung 1960 terarbeit, Universität Heidelberg 1997. kam es zu einer wesentlichen Planänderung, die auf die Mannheimer Trinitatiskirche zurückzufüh- ren ist. Der zuvor geschlossene Betonkubus erhielt Dr. Melanie Mertens eine weitreichende Betonverglasung nach den Ent- Landesamt für Denkmalpflege würfen von Emil Kiess und Gabriel Loire, die sich im Regierungspräsidium Stuttgart eng an dem Mannheimer Vorbild orientierte und Dienstsitz Karlsruhe 144 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 2 | 2021
Sie können auch lesen